Löhne zahlen und die tariflichen Arbeitsbedingungen erfüllen. Hiet kann auf reichs “ eege manches für die Arbeiter und Arbeit geber herausgeholt werden. Es müssen sowohbl die Interessen der Ar⸗ beitgeber wie der Arbeiter gleichmäßig berücksichtigt werden. Daß Mißstände vorgekommen sind und noch vorkommen, ist ja von allen Parteien anerkannt. Wir haben ja unsererseits auch schon Anträge auf eine gesetzliche Regelung des Submissionswesens gestellt, wir haben Frersse wie die anderen Parteien, den Handwerkern zu helfen. Es gibt eine solche Fülle von Erlassen auf diesem Gebiete, daß man sich da gar nicht zurechtfinden kann. Da kann mancher Fehler unterlaufen, sowohl bei den Gemeinden wie bei den Einzelstaaten. Es bersseh hier ein Bureaukratismus, der zu großen Mißständen führt. itunter werden die Zuschläge hingezogen, um auf die Preise zu drücken. Auf dem Handwerkskammertage in Würzburg hat sich der Abg. Rahardt sehr drastisch über diese Mißstände geäußert, wodurch sich ein preußischer Geheimrat veranlaßt sah, den Saal zu räumen. Ich verstehe nicht, weshalb dieser die Worte des Abg. Rahardt so tragisch nahm. Ein kräftiges Wort aus Handwerkermund darf nicht verletzend wirken. Wir haben so sen dch für alle Stände eine Ver⸗ sicherung geschaffen. Der Handwerker hat sie nicht. Soll er aber nicht spater der Armenpflege anheimfallen, so muß er bei seiner Arbeit auch etwas verdienen. Von diesem Gesichtspunkt muß auch die Sub⸗ missionsfrage beurteilt werden. Der Staatssekretär des Innern sagte früher eine Beschleunigung des Verfahrens zu. In diesem Jahre hat er gesagt, daß er seine Behörde angewiesen habe, den Erlaß des preußischen der öffentlichen Arbeiten zu befolgen. Dieser Erlaß versucht, den Hauptwünschen des Handwerks Rechnun zu tragen. Es sollen bei Bauvergebungen „gegebenenfalls“ Sachver⸗ ständige zugezogen werden. Die Zuziehung der Sachverständigen hängt also von dem Ermessen und Belieben der Beamten ab. Ich habe zu den Beamten nicht das Vertrauen, daß sie sehr oft davon Gebrauch machen werden. Nach einem nh sollen die Ausschreibungen tun⸗ lichst in kleine Lose ehnat werden, damit auch der kleine Handwerker sich daran beteiligen kann. Der Begriff „tunlichst“ ist aber sehr dehn⸗ gr und unterliegt völlig dem Ermessen des betreffenden Beamten. Solange mit dem System des “ nicht gebrochen wird, wird man zu einer vernünftigen Regelung nicht kommen. Der Grund⸗ satz, daß unter allen Umständen das heimische Gewerbe zu berücksich⸗ tigen ist, wird sich nicht überall lassen. Die Tätigkeit des Leipziger Submissionsamtes empfiehlt gerade nicht zur Nachahmung. Bei einem vmsat von 100 000 ℳ hat es dem Staate in derselben Zeit 51 000 ℳ Kosten verursacht. Dabei hat das Amt noch selbständig Arbeiten übernommen. In Sachsen ist man mit diesem Amt nicht zufrieden. Die preußischen Handwerkskammern haben deshalb be⸗ schlossen, mehr als bisher die Vorgänge auf dem Gebiet des Sub⸗ missionswesens mit Aufmerksamkeit zu verfolgen. Auf⸗ sbseblichem Wege fan sich allerdings nicht alle Schäden aus der Welt schaffen. Alle in Betracht kommenden Teile müssen an einer Besserung zu⸗ sammen arbeiten. In erster Linie muß ein besseres Verhältnis zwischen Handwerk und Beamten geschaffen werden. Dadurch würden piele Beschwerden verschwinden. . hoffe, daß es uns gelingt, in der Kommission unter Mitarbeit aller Parteien etwas Positives für das Handwerk herauszubringen. 3
Abg. Dombek (Pole): In den Ostprovinzen nehmen alle Behörden, sowohl staatliche wie kommungale, gegen einen großen Teil der Gewerbetreibenden eine feindliche Stellung ein. Ja es wird sogar geradezu ein Boykott getriebhen. So hat die Ansiedlungs⸗ kommission angeordnet. daß bei Polen nichts bestellt werden dürfe. Das ist eine flag ante Verletzung ihrer Befugnisse. Auch das polnische Handwerk muß die Lasten des Staates und der Kommunen mit tragen. Darum darf man ihm auch seine Rechte nicht verkümmern. Im Gegensaßs zum Zentrum wünschen wir eine reichsgesetzliche Regelung. benso verlangen wir, daß die Aufträge nur solchen Arbeitgebern zukommen sollen, die ihren Gesellen und Arbeitern den Lohn zahlen, der tariflich festgesetzt ist. Eine reichsgesetzliche Regelung ist aber wirkungslos, wenn nicht auch der § 100 q. der Gewerbeordnung auf⸗ gehoben wird. Auch wir sind mit der Ueberweisung an die Kom⸗ mission einverstanden und erhoffen daraus ersprießliche Arbeit.
Abg. Dr. Werner⸗Gießen (wirtsch. Vag.): Es ist un⸗ leugbar, daß das Submissionswesen den unlauteren Wettbewerb und das Pfuschertum großgezogen hat. Früher wurden die Arbeiten freihändig vergeben, und man ging erst später zu den Mindest⸗ preisen über. Diese lagen allein im Inferesse der Bureau⸗ krat'e und des Fiskalimus. Der Mittelstand verlangte des⸗ halb den Mittelpreis. Jetzt hat man auf Anregung aus H nd⸗ werkerkreisen den Begriff des „angemessenen“ Preises eingeführt. Allerdings hat auch die Einführung des „angemessenen Preises“ ihre Schwierigkeiten; in Sachsen hat das Gewerbe mancha al zum Selbst⸗ kostenpreise arbeiten müssen um nur in die Vergebungen hinein⸗ zukommen. Nach dem Wunsche des Handwerks sollen Submissions⸗ ämter auch in den einzelnen Bundesstaaten eingerichtet werden; es bleibt zu erwägen, ob im Bereich der einzelnen Hand⸗ werkskammern oder in den einzelnen Provinꝛen. In Stettin ist ja schon eine Stelle errichtet, die im Sinne eines Sub⸗ missionsamtes arbeiten soll. Auch unsere Partei hat zu dem Sub⸗ missionswesen in einem Initiativantrag Stellung genommen; wir sind für Kommissionsberatung der sämtlichen zu dem Gegenstand eingebrachten Anträge. Wenn keine reichsgesetzliche Regelung möglich ist, muß doch mindestens danach getrachtet werden, Richt⸗ linien zu finden, die für das Reich und die Einzelstaaten gelten. Es sollte die Vergebung in kleineren Losen erfolgen. Natürlich darf dar⸗ über die erzieherische Arbeit im Handwerk selbst nicht vergess'n werden. Ohne ausgiebige Gesetze ist auch für den Mittelstand, für das Hand⸗ werk nichts zu erreichen. Man muß nicht nur das Kapital „pfleglich hehandeln“, sondern auch das Handwerk und das Gewerbe. Die von den Ministern herausgegebenen Erlasse müssen von den unter⸗ geordneten Behörden auch entsprechend beachtet werden. Das Liebes⸗ werben des Hansabundes um den Mittelstand ist hier heute wieder⸗ holt worden. Bisher hat der Hansabund für den Mittelstand nichts
etan, sein Liebeswerben kommt mir etwa so vor, wie die Predigt des Fuchses an die Hühner.
Abg. Werner⸗Hersfeld (d. Reformp.): Die ergangenen Erlasse werden nicht befolgt von den Behörden, weil der Geist in der Verwaltung nicht der richtige ist. Die Festsetzung eines „an⸗ gemessenen Preises“ wäre immerhin ein Forts ritt für das Hand⸗ werk. Die Regiebauten sind gerade der Ruin des Mittelstandes, zur Ausdehnung dieser Form der Staatsarbeiten werden wir die Hand nicht bieten. Daß das Reichsversicherungsamt für Angestellte seine 500 Schreibmaschinen ohne jede Ausschreibung von Amerika bezogen hat, habe ich mit Recht aufs schärfste getadelt. Von Reichsbehörden muß man erst recht verlangen, daß sie Gegenstände, die sie im Inlande beziehen können, auch wirklich im Inlande kaufen. Das Reichsamt des Innern hat allerdings auf diese direkt dem Kanzler unterstehende Behörde keinen Einfluß. Wenn der Abg. von Richthofen meinte, es käme nicht so genau darauf an, ob diese Schreibmaschinen von Amerika oder sonst woher bezogen werden, so stimmt das nicht; die deutsche Industrie und die Steuer⸗ zahler werden gleichmäßzg betroffen. Die deutsche Schreib⸗ Ee hat sich durchaus mit Recht über diese Maßnahme eschwert.
Damit schließt die Diskussion. 8
Sämtliche Anträge gehen an eine besondere Kommission von 28 Mitgliedern. 8
Auf einen von Mitgliedern aller Parteien unterstützten Antrag wird der zweite auf der Tagesordnung stehende Initiativantrag, der Antrag der Deutschkonservativen wegen Schaffung kleiner Garnisonen, freier Fahrt für Militärurlauber, Bewilligung von Ernteurlauben usw. auf den Schwerinstag in nächster Woche verschoben. Das Haus geht über zur Beratung von Berichten der Petitionskommission.
Der Abg. Giesberts (Zentr.) hat schriftlichen Bericht erstattet über eine Anzahl von Petitionen auf Aenderung des
Zündwarensteuergesetzes. Die Petitionen sind eingereicht von Hol⸗ 1
warenfabriken, die Zündholzhalbfabrikate, Schwedenschachteln und Espenholzdraht liefern, sowie von dem Verein deutscher Zündho gfabrikanten, Sitz Augsburg, die sich entschieden gegen den Antrag auf Aufhebung der Zündwarensteuer erklären. Die Kommission beantragt, die Petitionen, soweit sie eine Schadloshaltung der geschädigten Arbeiter in der Zündholz⸗ hilfsindustrie verlangen, dem Reichskanzler zur Berü⸗ cksichti⸗ gung, soweit sie die Gewährung eines Kontingents an die Zündholzhilfsindustrie bezüglich der Zündholzfabrikation ver⸗ langen, dem Reichskanzler zur Erwägung, im übrigen als Material zu üherweisen, dagegen über den Antrag, die Herstellung von Schwedenschachteln aus Espenholzdraht durch die Zündholzfabriken mit einer Steuer zu belegen, und über den Antrag auf Aufhebung der Zündwarensteuer zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Abg. Sperlich (Zentr.): Ich habe in der Kommission die etitionen der Zündholzhilfsindustrie, von der zwei Fabriken in heens resp im Kreise Habelschwerdt ihren Sitz haben, per önlich überreicht. Ich kann auch hier nur darauf hinweisen, daß diese Schachtelfabrtken, die seit 30 bezw. 40 Jahren bestehen, durch das Zündwarensteuergesetz von 1909 einen großen Schaden erlitten haben. Eine weitere Schädigung haben sie indirekt durch die Novelle von 1911 erfahren, durch die die Notlage, in der sich auch die Fertig⸗ industrie infolge der Besteuerung befand, im wesentlichen verringert wurde. Durch die Zwangskontingentierung sind die Zündholzfabriken auf 10 Jahre vor jeder Konkurrenz gesichert und gehen dazu über, auch die Her⸗ stellung der Halbfabrikate von Holzdraht und Schachteln an sich zu ziehen. Die Zeit dürfte nicht fern sein, wo die Schachzelfabriken der dadurch geschaffenen Konkurrenz erliegen. Eine baldige gesetzliche Regelung ist notwendig. Es kommen zwar nur dret Fabriken in Betracht, aber es sind in ihnen Hunderttausende, in der Aktiengesellschaft Fehr u. Wolff allein gegen 300 000 ℳ angelegt. Anderseits wird die geringe Zahl der Fabriken die Regelung erleichtern, denn es würden den kontingentierten Fabriken nur gegen 6 bis 7 % ihrer Kontingente entzogen werden. Dieser Abgang würde den Zündholzfabriken reichlich ersetzt werden durch die Besteue⸗rung der mechanischen Feuerzeuge, die eine Forderung der Gerechtigkeit ist, weil die dadurch entstandene Konkurrenz sich immer mehr steigert. In den Fabriken sind viele hundert Arbeiter beschäftigt. Der Einwand, daß mit dem gleichen Rechte auch Papier⸗ und Maschinenfabriken oder Eiiketten⸗ lieferanten ähnliche Ansprüche erheben könnten, ist nicht stichhaltig, denn ihre Einbuße beträgt nur 1 bis 2 % und kann durch Herstellung anderer gleichartiger Artikel ersetzt werden. Das gleiche Flt für die Maschenenfabriken. Es ist also das Verlangen der Scha htelfabriken gerechtfertigt, sie an dem Kontingente mit 6 bis 7 % zu bereiligen und ihnen die Abtretung dieser Prozente an ihre Abnehmer zu ge⸗ statten. Dies wäre nach meiner Ansicht ohne ein besonderes Geset möglich. Sollte der Bundesrat jedoch anderer Ansicht sein, so müßte allerdings der Weg, der Gesetzgebung schleunigst beschritten werden. Eventuell müßten diese Fabriken den Zündholzfabriken gleichgestellt und ihnen der weitere Ausbau ihrer Fabriken ermöglicht werden, um fertige Zündwaren herzustellen und ohne die besondere Steuer von 20 % aus dem Gesetze von 1909 in Verkehr bringen zu können. Ich bitte Sie dringend, diese Wünsche zu berücksichtigen. 3 Abg Hasenzahl (Soz.): Diese Petition ist eine Folge jener Finanzreform, die uns immer als eine naticnale Tat hingestellt wird. Es ist gut, daß dies hier wieder einmal festgestellt wird. Merkwürdig ist dabei nur, daß gerade ein Mitglied jener Partei hier einen ihrer Schaͤden beseitigen will, die Miturheber dieser Finanzreform war. Gegen den Wunsch der Petenten, eine neue Steuer einzuführen, muß ich mich auf das entschiedenste wenden. Der Schaden für die Arbeiter ist ganz enorm. Ich schließe mich deshalb den Kommissionsanträgen an. Die Erwägungen über die Entschädigung der Arbeiter und die Teilnahme am Kontingent müssen allerdings sehr schnell erfolgen, damit die Betreffenden aus dem Hangen und Bangen herauskommen. Abg. Dr. Blunck (Fortschr. Volksp.): Auch ich bitte, den Kommissionsanträgen zumstimmen. Auch mir war es interessant, daß gerade ein Mitglied des Zentrums hier diese Schäden des verkehrten und unheilvollen Seö eingestanden hat. Die ge⸗ schilderte Notlage ist durch die Einführung des Kontingents noch ver⸗ schärft worden. All das haben wir vorausgesagt. Der Kollege Gamp meint, irren ist menschlich. Dann soll man aber alles in Bewegung setzen, um diesen Irrtum sofort wieder aus der Welt zu schaffen. Die Novelle hat auf die Fabrikation insofern auch unheilvoll ein⸗ gewirkt, indem sie den Export fast ganz lahmlegte. Unsere nationale Arbeit besteht aber zum großen Teil im Export. Man will immer die nationale Arbeit schützen, hier hat man sie direkt geschädigt. Wollen unsere Fabrikanten ihre Exportverträge erfüllen, dann müssen sie ins Ausland gehen. Diesen Export hier im Inlande wieder her⸗ zustellen, muß ermöglicht werden.
Die Anträge der Kommission gelangen zur Annah me.
Der Auszügler Ludwig Cyliax in Saaleck bei Bad Kösen ersucht um Gewährung der Veteranenbeihilfe. Sein Gesuch ist in allen Instanzen zurückgewiesen worden, da er nicht unter⸗ stützungsbedürftig sei. Die Kommissionsmehrheit hat Ueber⸗ gang zur Tagesordnung beantragt; von den Sozialdemokraten liegt der Antrag Ueberweisung zur Berücksichtigung vor.
Referent Abg. Thiele (Soz.): Der Petent gibt an, daß er von seinem Sohne freien Unterhalt habe, an dessen Stelle eine jähr⸗ liche Barabfindung von 400 ℳ treten kann. Ein sicheres Bar⸗ einkommen hat er allein in Höhe von 200 ℳ. Der Regierungs⸗ vertreter bestritt dies und meinte, daß die gewährte Summe 800 ℳ betrage. Außerdem sei der Petent in der Lage gewesen, einer ver⸗ heirateten Tochter 10 000 ℳ Erbteil auszuzahlen. Die Richtigkeit der Information des Regierungsvertreters wurde allerdings in vielen Punkten bestritten. Die Kommission gelangte trotzdem zu de Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung, da dem Betreffenden immer noch die 600 ℳ verbleiben, die als Mindesteinkommen bei Unter⸗ ftüungen anzunehmen sind.
Abg. von Oertzen (Rp.): Wenn der Reichstag über eine Petition zur Tagesordnung übergehen soll, dann muß man annehmen, daß die Tatsachen absolut richtig sind. ier soll es nun anders liegen. Als äußerste Grenze wurden allerdings 600 ℳ seinerzeit an⸗ genommen. Es wurde jedoch damals der Wunsch ausgesprochen, daß hier nicht so peinlich diese Grenze beobachtet werden sollte. Nun prüfen die Behörden die Verhältnisse der alten Veteranen nicht immer wohlwollend. Deshalb muß auch diese Petition noch einmal geprüft werden. Die Berücksichtigung kann ich allerdings nicht empfehlen; ich bitte jedoch um Ueberweisung zur Erwägung und hoffe, daß dann die Regierung in die Lage versetzt wird, die Beihilfe zu gewähren.
Abg. Schwabach (nl.): Wenn die Verhältnisse in der Kom⸗ mission nicht eingehend festgestellt worden sind, dann beantrage ich Zurückverweisung an die Kommission.
Die Petition wird an die Kommission zur nochmaligen Beratung zurückverwiesen.
Die Petition betreffend Aenderung des Gesetzes über die Erwerbs⸗ und Wirtschaftsgenossenschaften und Verbot des Handels der Beamten soll nach dem Kommissionsantrag dem Reichskanzler als Material überwiesen werden; ein Antrag Albrecht (Soz.) verlangt dementgegen Uebergang zur Tages⸗ ordnung.
Abg. Feuerstein (Soz.): Die Konsumvereine müssen seit einiger Zeit den Prügelknaben für allerhand Mittelstandswünsche darbieten. Es kann uns deshalb nicht gleichgültig sein, wenn weitere Folgerungen aus dieser Petition gezogen werden. Aenderungen des Genossenschafts esetes sind allerdings nötig, aber nur in der Richtung, soweit es die Bestimmungen über die General⸗ versammlung und die Aufnahme von Mitgliedern betrifft. Die Ment. wollen eine Verschlechterung zuungunsten der Konsumvereine,
ir ziehen deshalb den bestehenden Zustand v Es ist ganz er⸗
staunlich, was alles in der Petition verlangt wird.
konsumvereine sollen verhoten werden. Charakteristis
Wunsch des Verbotes der Beamtenbaugenossenschaften, weil deren Konkurrenz den Hausbesitzern lästig ist. Die Beamtenverein
verlangten gerade auf ihrem Verbandstage, daß schärfste
Widerspru gegen jedes gesetzliche Eingreifen zu ihren Un
gunsten erhoben wird, und staatsbürgerliche Gleichberechtigung
Das Wort des Verbandes der deutschen Beamtenvereine muß doch mindestens ebenso schwer ins Gewicht fallen, wie das der Mittelstandsvereinigungen. Man fordert doch sparsame Wirtschaft
gerade die Konsumpereine leisten der Erfüllung dieser Forderun
am meisten Vorschub. Die Rechte hat ja früher trotz ihre
Feindschaft gegen die Konsumvereine stets für die Beamten
konsumvereine etwas übrig gehabt, und die „Kreuzzeitung“ ha
einmal ausdrücklich geltend gemacht, daß die Beamten doch auch zum Mittelstand gehören und in weiteren wirtschaftlichen Organisationshestrebungen nicht beschränkt werden dürften. Ander⸗ seits hat sich u. a. die Handelskammer Zittau gegen di
Handwerkergenossenschaften ausgesprochen. Diese Angriffe au
die Genossenschaften haben also sehr ihre zwei Seiten. Es gib
jetzt in Deutschland schon 31 000 Uenossenschaften mit einem jährlichen Umsatz von 5 Milliarden. Die Konsumvereine zählen 8 2500 Genossenschaften mit 2 Millionen Mitgliedern. Diese Zahlen beweisen doch, daß diese Organisationen eine Notwendig
keit sind; eine richtig verstandene positive Sozialpolitik müßte diese Entwicklung zu fördern, nicht zu hemmen suchen. Durch ih
Bestehen allein, auch wenn sie gar keine eigene Produktion besitzen
regulieren die Konsumvereine die Marktpreise für die deutsche Volks⸗
wirtschaft. Die Konsumvereine sind nicht sozialdemokratische Schöpfungen zur Vernichtung des Mittelstandes; die Statistik beweist das Gegen
teil. Die Konsumvereine werden immer mehr auch zu einer
Voraussetzung für die Besserung der landwirtschaftlichen Produktion.
Den deutschen Konsumvereinen gehören mehr als 80 000 Handwerker als Mitglieder an. Auch die Konsumvereinsfrage ist eine wirtschafts⸗ politische, aber keine parteipolitische Frage. Seit Bestehen des Ge⸗
nossenschaftsgesezes ist noch kein einziger Konsumverein auf gelöst worden. Insbesondere im Süden Deutschlands arbeiten die Konsumvereine mit der Beamtenschaft zusammen. Wo bleibt das praktische Christentum, wenn man den Arbeitern, die Sozial⸗ demokraten sind, nicht erlauben will, sich in Konsumvereinen zu betätigen? Wenn der Abg. Dr. Oertel neulich von einer Ver⸗ besserung der Arbeitsverhältnisse in sozialdemokratischen Betrieben und in Arbeiterkonsumvereinen gesprochen hat, so buchen wir
das als einen Beweis fortschreitender Erkenntnis bei ihm. Die
Arbeiterkonsumvereine haben längst die Sonntagsruhe und den Acht⸗ uhrladenschluß sowie die achtstündige Arbeitszeit; ebenso sind die An⸗ estellten und Arbeiter mit den Löhnen und Gehältern durchaus zu⸗ pieen trotz aller gegenteiligen Ausstreuungen von Reichsverbands⸗
flugblättern. Nicht die Konsumvereine, sondern die Syndikate, Kar⸗-
telle und Trusts bedrohen den Mittelstand und ziehen ihm den Boden unter den Füßen fort.
Abg. Chrysant (Zentr.): Ich bitte, dem Antrage der Partei
des Vorredners nicht Folge zu geben, sondern den Kommissions⸗ antrag anzunehmen. Die Vorliebe der Se. Linken für die Konsumvereine ist begreiflich, denn diese Konsumvere’ne bedeuten die allmähliche, aber totsichere Erdrosselung des Mittelstandes. Das sogenannte Rabattgeschäft ist ein Auswuchs des Konsum⸗ genossenschaftswesens. Wie bedeutend dies Lieferantengeschäft
ist, ergibt sich schon daraus, daß die Konsumgenossenschaft
„Hoffnung“ in Cöln⸗Vingst in 10 Jahren ihres Bestehens von ihrem Umsatz in Höhe von 35 Millionen Mark über 40 % durch dies Geschäft erzielt hat. Ich möchte Sie auf eine kleine Schrift hin⸗ wetsen, die vor einigen Monaten dem Reichstage zugegangen ist, und die sich betitelt: „Das deutsche Genossenschaftsgesetz eine Gefahr für den deutschen Mittelstaud“. Durch die Beumten⸗ konsumvereine werden die kleinen Gewerbetreibenden empfindlich geschädigt, ohne daß den Beamten ein nennenswerter Vorteil erwächst. Der Warenhandel der Beamten geschieht immer mehr zugunsten einzelner Beamten, nicht der Gesamtheit. Die Er⸗ klärung des Staatssekretärs Delbrück über die Zulässigkeit des ge⸗ meinsamen Warenbezuges durcch die Beamten widerspricht den Be⸗ stimmungen des preußischen und des Reichsbeamtengesetzes. Man schützt einen Stand, dessen Fortkommen gerade mit Hilfe des Mittel⸗ standes gesichert worden ist.
Abg. Sachse (Soz): Das Verlangen, daß die eingetragenen Genossenschaften keine Rabattmarken an Gewerbetreibende verkaufen dürfen, entspringt dem nacktesten Interessenst mdpunkt ebenso wie der Hinweis, daß die Beamten deshalb keine Konsumvereine gründen dürfen, weil ihre Gehälter mit Hilfe des Mittelstandes erhöht worden sind.
Damit schließt die Diskussion.
Für den Uebergang zur Tagesordnung stimmen die 1“ und eine Minderheit der Fortschrittlichen Volkspartei. Die Abstimmung bleibt zweifelhaft. An der Auszählung beteiligen sich nur 131 Abgeordnete, von denen 90 für und 41 gegen den Uebergang zur Tagesordnung stimmen. Das Haus ist also nicht beschlußfähig, die Ver⸗ handlung muß abgebrochen werden.
Schluß 7 ¼ Uhr. Nächste Sitzug Donnerstag
Uhr. (Etat des Reichseisenbahnamts, Petitionen) —*
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 141. Sitzung vom 26. Februar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.) Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst die zweite
Beratung des Etats der Handels⸗ und Gewerbeverwal⸗
tung fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. be⸗ richtet worden.
„Bei dem Fonds zur Förderung der nicht gewerbs⸗ müßtgen Arbeitsvermittlung und Rechtsberatung s minderbemittelten Bevölkerungskreise er⸗
ärt der
Minster für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:
Meine Herren! In der Würdigung der Bedeutung der Arbeits⸗ nachweise und der Arbeitsnachweisverbände kann ich mich den letzten Worten des Herrn Vorredners nur anschließen. Ich werde die Ge⸗ legenheit benutzen, noch einmal kurz die gesamte Stellung zu skizzieren, welche die Staatsregierung zu den Arbeitsnachweisen und den Arbeits⸗ nachweisverbänden einnimmt.
Als ich vor einigen Jahren hier über den Arbeitsnachweis des Zechenverbandes zu reden die Aufgabe hatte, stellte ich, soweit ich mich erinnere, an die Spitze den Satz, daß der Zweck des Arbeitsnach⸗ weises nur sein solle, den geeigneten Arbeiter an die geeignete Stelle zu bringen, nichts anderes. Ich betrachte es als die erste Aufgabe der Arbeitsnachweise, daß sie das tun und keine Nebenzwecke haben, insbesondere, daß sie nicht als Kampfmittel von irgend einer Seite verwendet werden. (Sehr richtig! rechts.) Ob sie dazu dienen oder nicht, kann man nicht nach dem Namen beurteilen. Es gibt Arbeitsnachweise, die vollkommen unparteiisch fungieren. Ich nenne den Arbeitgebernachweis des Zechenverbandes⸗ Ich habe Ihnen damals vorgetragen, welche Kautelen unter Mit⸗ wirkung der Regierung in der Richtung geschaffen sind. Sie haben sich vollkommen bewährt. Tausende von Stellen sind vermittelt, und
richt eine einzige Beschwerde aus Arbeiterkreisen ist gekommen, als sei die Einrichtung zu anderen Zwecken als zur wirklichen Stellenvermitt⸗ lung benutzt. Es gibt auch Arbeitnehmernachweise, die vollkommen unparteiisch fungieren. Ich möchte einen nennen. Das ist z. B. der Arbeitsnachweis der Heimarbeiterinnen. Man soll sich aber auch nicht duch den Namen blenden lassen. Ob sich ein Arbeitsnachweis pari⸗ titisch nennt, ist nicht das Entscheidende. (Sehr richtig! rechts.) Es kommt darauf an, in welchem Sinne er verwaltet wird. (Sehr richttig! rechts.) Bei den paritätischen Arbeitsnachweisen besteht nach meiner Anschauung die Gefahr der einseitigen Verwendung, einmal in der Anwendung des sogenannten Streikreglements, das andere Mal in der Neigung, diese paritätischen Nachweise nur den Angehörigen gewisser Organisationen oder den Angehörigen von gewissen Vereini⸗ gungen, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben, unter Ausschließung oder unter Zurückstellung anderer Arbeiter, zur Verfügung zu stellen. Herr Abg. Leinert hat gestern hier das Streikreglement zur prache gebracht. Da ist es die Praxis der Gewerkschaften, daß sie berlangen, es solle im Arbeitsnachweise den Arbeitern, die sich melden, gesagt werden, daß gewisse Betriebe von Arbeitern bestreikt sind. Wenn das der Fall ist — (Abg. Leinert: Kann auch durch Aushang geschehen!) — gewiß, es kann auch durch Aushang geschehen —, so heißt das mit anderen Worten: die Arbeiter sollen gewarnt werden, in diese Betriebe einzutreten. (Hört, hört! rechts.) Auf der anderen Seite wehren sich — wie der Herr Abg. Leinert dargelegt hat — die Leiter der Gewerkschaften dagegen, daß nun umgekehrt, wenn Arbeiter aus Betrieben kommen, in denen eine Aussperrung stattgefunden hat, den Unternehmern, für deren Betriebe sich die Arbeiter melden, gesagt wird, daß die Arbeiter aus einem Betriebe kommen, in dem eine Aus⸗ scerrung vorgenommen ist. Herr Abg. Leinert hat gemeint, das wäre keine wirkliche Parität, nan würde dem Arbeiter, der aus einem ausgesperrten Betriebe
vommt, auf diese Weise unmöglich machen, anderswo Arbeit zu finden,
seine Existenz vernichten. Meine Herren, ist das denn umgekehrt inders? (Sehr richtig! rechts.) Wenn Sie dem Arbeitgeber, dessen Betrieh bestreikt ist, die Zuführung von Arbeitern abschneiden, nachen Sie ihm dann die Existenz nicht in gleicher Weise un⸗ möglich? (Sehr richtig! rechts. Widerspruch bei den Sozial⸗ zemokraten.) Also entweder Sie geben beides oder — was dielleicht noch besser ist — Sie lassen beides. (Sehr richtig! rechts.)
Daß ich nicht, wie Herr Abg. Leinert wohl von mir denkt, eine szial rückständige Meinung vertrete, dafür möchte ich mich hier auf inen Herrn berufen, der, glaube ich, auch von den Herren von der einken als sozialreformerisch bezeichnet wird. Als die Frage des Streikreglements im Jahre 1910 auf dem Sechsten Deutschen Arbeits⸗ nachweiskongreß in Breslau zur Sprache gebracht wurde, hat sich der jecige Oberbürgermeister von Schöneberg, damalige Regierungsrat Dominicus, in folgender Weise darüber ausgesprochen:
Ich möchte aufrechterhalten, daß mir die einzig richtige und paritätische Lösung zu sein scheint, daß man die beiden Parteien in dem Streikreglement gleichmäßig behandelt Ebensowenig, wie Sie den Arbeiter täuschen dürfen darüber, daß der Betrieb, zu dem er geschickt werden soll, ein von seiner Gewerkschaft bestreikter ist, ebensowenig darf man den Arbeitgeber darüber im Unklaren lassen — das verlangt Treu und Glauben —, daß der betreffende Mann, den Sie ihm zuweisen, ein von seinen Kollegen bestreikter ist.
damals hat der Vorsitzende des Kongresses in Aussicht gestellt, daß Verband deutscher Arbeitsnachweise zu dieser Frage des Streik⸗ lements Stellung nehmen werde. Das ist leider bisher nicht ge⸗ ehen. Ich würde wünschen, daß die Frage bald klar gestellt werde; enn sie ist für die Beurteilung der paritätischen Facharbeitsnachweise der Tat von Bedeutung. 1 Der zweite Punkt, sagte ich, in dem eine Verletzung der Un⸗ rteilichkeit, trotz des Namens der Parität, eintreten kann, ist, daß ingehörige gewisser Organisationen vor den Angehörigen anderer Drganisationen oder vor den Nichtorganisierten bevorzugt werden. Wenn man eine Parität wirklich ehrlich durchführen will, dann muß an auch die Parität unter den Arbeitern durchführen. (Sehr richtig') Man kommt sonst dazu, daß diese Arbeitsnachweise ein Mittel dazu werden, die Arbeiter in die Organisationen hineinzu⸗ zwingen (sehr richtig!), und das liegt nicht im öffentlichen Interesse. (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen. — Dho! bei den Sozialdemokraten.) So lange wir nicht auf
dem Standpunkte stehen, daß nur die Arbeiter wirklich mit⸗
len, die einer Organisation angehören — und auf dem stehen wir nicht — so lange haben wir alle Veranlassung, n zu wirken, daß auch die keiner Organisation angehörenden eiter sich ebenso frei bei der Verwertung ihrer Arbeitskraft be⸗ gen können wie die organisierten. (Lebhafter Belfall.) Es kommt nicht auf den Namen Parität an, sondern es kommt — darin
ich dem Herrn Vorredner bei — auf eine wirklich unparteiische Führung an, die keine anderen Zwecke im Auge hat, als die Arbeit zu
vermitteln, den besten Mann an die beste Stelle zu bringen. In
m Sinne haben bisher am meisten Garantien die gemeinnützigen Arbeitsnachweise, d. h. besonders diejenigen geboten, die unter khbm⸗ nunaler Leitung stehen. (Sehr richtig!) Das sind auch diejenigen Nachweise, welche von uns hauptsächlich unterstützt worden sind.
So kann ich die Stellung der Staatsregierung dahin präzisieren, daß ihre Sorge darauf gerichtet ist, bei der Unterstützung der Arbeits⸗ nachweise jeden Mißbrauch oder Gebrauch des Arbeitsnach⸗ weisee, wie man es nun nennen will, zu anderen Zwecken als zu den Zwecken der reinen Arbeitsvermittlung zu ver⸗ hindern und nur solchen Arbeitsnachweisen ihre Unterstützung zuteil werden zu lassen, die sich dem reinen Zweck unparteiisch zuwenden. GBravo!) In diesem Sinne können auch die Arbeitsnachweisverbände sehr segensreich wirken. Gerade sie können dazu beitragen, daß der Ausgleich zwischen Arbeiterüberschuß und Arbeitermangel an den ver⸗ sciedenen Stellen eines größeren Bereichs rascher und leichter sich vollzieht, daß insbesondere auch dem ungesunden Zusammenströmen der Arbeiter in den großen Städten entgegengewirkt wird und eine vernünftige Rückleitung zu den mittleren und kleineren Städten erfolgt, was eine sozial und wirtschaftlich sehr wichtige Aufgabe ist. Es besteht bis jetzt, wie Sie wissen, der deutsche Arbeitsnachweisverband, der sich
sallerdings etwas scharf auf das formale Prinzip der Parität festgelegt
iat. Er wird vom Reich unterstützt. Ich will der Hoffnung Aus⸗ mnuck geben, daß in ihm immer mehr der Grundsatz zur Anerkennung kommt, daß es auf di Unparteilichkeit, nicht auf die formelle Parität be der Verwaltung des Arbeitsnachweises ankommt. Im Vorstand sind verschiedene Herren, die auch nach dieser Richtung bemüht sind;
Es sind auch Gegenströmungen vorhand Wenn sich neben diesem Verbande die preußischen provinziellen Arbeitsnachweisverbände zusammenschließen wollen, so kann das die Staatsregierung nur freudig begrüßen. Die bestehenden provinzlellen Arbeitsnachweis⸗ verbände sind in sich noch verschieden, können aber alle dahin zusammenwirken, daß sie den Ausgleich in größeren Flächen nach gleichen Grundsätzen bewirken, insbesondere, wenn sie, wie ihre Absicht ist, sich mit den Arbeitsnachweisen der Landwirtschaftskammern in Verbindung setzen.
Die preußischen provinziellen Verbände haben ja auch eine gewisse gemeinschaftliche Aufgabe, die sich auf Preußen beschränkt, zunächst einmal die Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Inter⸗ essen innerhalb des preußischen Staats, ferner gemein⸗ schaftliche Aufgaben bei der Durchführung des Wanderarbeit⸗ stättengesetzes und endlich die Ausbreitung von provinziellen Arbeitsnachweisverbänden in den Provinzen, in denen solche noch nicht bestehen. Ich begrüße diesen Zusammenschluß besonders deshalb mit Freuden, weil diese Verbände den Grundsatz der Unparteilichkeit an die Spitze gestellt haben, nicht den Grundsatz einer formellen Parität. Eine lose Vereinigung besteht schon. Es ist — ich darf das hier mit⸗ teilen — vielleicht einzelnen von Ihnen schon bekannt, daß bei den bis⸗ herigen Verhandlungen bereits der Referent des Handelsministeriums teilgenommen hat. Ich werde mich freuen, wenn nun eine definitive feste Vereinigung zustande kommt. Ich werde auch gern bereit sein, aus den Mitteln des Ministeriums sie zu unterstützen; ich setze dabei allerdings voraus, daß das hohe Haus im nächsten Jahre die Güte hat, den Fonds, der mir zur Verfügung steht, zu erhöhen. (Bravo! rechts.)
Ich will nun noch mit einigen Worten auf den gestern hier zur Sprache gebrachten Fall Hannover eingehen. Von Herrn Abg. Leinert ist Ihnen gestern mitgeteilt worden, daß zwischen dem Ver⸗ bande der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher ꝛc. mit dem Sitz in Hamburg sowie dem Zentralverbande christlicher Maler in Düsseldorf und dem Hirsch⸗Dunckerschen Gewerkverein für die graphischen Berufe ein Tarifvertrag für das deutsche Malergewerbe mit den im Haupt⸗ verbande Deutscher Arbeitgeberverbände im Malergewerbe organisierten Arbeitgebern abgeschlossen ist. Dieser Tarifvertrag sah einen obli⸗ gatorischen Facharbeitsnachweis vor. Als nun ein solcher in Hannover errichtet werden sollte, da verlangte das Ortstarifamt in Hannover, daß bei dem Anschluß des Facharbeitsnachweises an den städtischen Arbeitsnachweis eine Bevorzugung der Angehörigen der Tarifvertrags⸗ verbände stattfinden sollte. Infolgedessen erhielt die Geschäftsordnung für diesen Facharbeitsnachweis im § 2 die Bestimmung:
Die Vertragsmitglieder haben bei der Vermittlung den Vorrang vor Nichtmitgliedern. Diese sind erforderlichenfalls bis zu drei Tage zurückzusetzen. Zur Legitimation der Vertragsmitglieder gilt für die Arbeitgeber die Mitgliederliste, für die Arbeitnehmer das Mitgliedsbuch.
Das ist gerade das, was ich bekämpfe: eine Bevorzugung Organisa⸗ tionen angehöriger Arbeiter zuungunsten anderer. (Abg. Leinert: Für die Arbeitgeber die Mitgliederliste!) — Für die Arbeitgeber die Mit⸗ gliederliste, gewiß. Als die Sache hier zur Sprache kam — und zwar wurde sie aus Kreisen der freien Arbeiterschaft zur Sprache ge⸗ bracht —, ist allerdings von hier eingegriffen worden. Der Herr Regierungspräsident hat sich mit der Stadt in Verbindung gesetzt, und die Stadt hat diese Klausel gestrichen. Er hatte alle Veranlassung, das zu tun, denn der städtische Arbeitsnachweis wird aus städtischen Mitteln unterhalten, und nach den Grundsätzen, die ich vorhin angeführt habe und die, glaube ich, auch die Zustimmung der Mehrheit des hohen Hauses gefunden haben, sollen öffentliche Mittel nur zugunsten solcher Arbeitsnachweise verwendet werden, welche wirklich sachlich unparteiisch nach allen Richtungen hin wirken.
Nun hat der Herr Abg. Leinert mir den Vorwurf gemacht, daß ich dadurch die Mühen durchkreuzt hätte, unter denen der Tarifvertrag zustande gekommen ist (Abg. Leinert: Sehr richtig!), daß ich gewissermaßen den Tarifvertrag zwecklos gemacht habe. Das ist nach keiner Richtung hin zutreffend. Zunächst würde ja kein Hindernis bestehen, daß auf Grund des Tarifvertrags eine Vermittlungsstelle unabhängig von dem öffentlichen Arbeitsnachweis errichtet würde; zweitens aber sieht der Tarifvertrag selbst gar nicht eine solche Bevorzugung der den Tarifvertragsverbänden angehörigen Arbeiter vor; im Gegenteil, es heißt in § 7 Nr. 3 des Tarifvertrags:
Die Einstellung in das Arbeitsverhältsnis darf nicht von der Zugehörigkeit zu irgend einer Organisation abhängig gemacht werden.
(Hört, hört! rechts. — Zuruf des Abg. Leinert: § 10!) § 102 — Da finde ich nichts. Da finde ich nur den Satz, was die örtlichen Organisationen betrifft: „Es ist außerdem vorbehalten, besondere Maßnahmen“ (Zuruf des Abg. Leinert: § 111) Wenn Sie den meinen — § 11 lautet:
Zum Zwecke der Durchführung der im Tarifvertrage verein⸗ barten Bedingungen ist es Aufgabe der Organisationen, in allen Orten, wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten, die Errichtung von auf paritätischer Grundlage beruhenden Arbeitsnachweisen an⸗ zustreben oder ihre Arbeitsnachweise an paritätische Arbeitsnachweise anzugliedern. Die Benutzung soll für die Vertragsteile obliga⸗ torisch sein.
Hier steht kein Wort davon, daß andere Arbeiter zurückgestellt werden sollen. Also, meine Herren, es handelt sich bei der Durchführung dieser Maßregel in Hannover nicht um eine Durchführung des Tarif⸗ vertrages (sehr richtig! rechts), sondern um eine Machtfrage, die die lokale Organisation gegen die nichtorganisierten Arbeiter ausgespielt hat, und wenn die Regierung dem entgegengetreten ist, so hat sie ihre Schuldigkeit getan. (Lebhafter Beifall. — Abg. Leinert: Parteiisch!)
Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volksp.): Die Frage des Arbeits⸗
nachweises steht den übrigen sozialen Fragen völlig gleich. Was gestern der Abg. Leinert hier anführte, hat mit dem Arbeitsnachweis nur
nachweis im Etat vereinheitlicht wird. So finden sich besondere Titel beim Landwirtschaftsetat, bei dem Etat des Innern und bei diesem Etat. Ueberall haben die Minister besondere Befugnisse. Im vor⸗ liegenden Falle hat der Minister die Beschränkung, daß er nur Nichtgewerbsmäßige unterstützen darf. Wünschenswert wäre es, daß man einem früher von uns geäußerten Wunsche nachgibt und eine Uebersicht über die Tätigkeit der vom Staate unter⸗ stützten Arbeitsnachweise gibt. Der Minister hat gesagt, daß nur gemeinnützige Nachweise unterstützt werden. In der Kommission ist einmal die Frage gestellt worden, was öffentliche Arbeitsnachweise sind. Dies konnte nicht genau festgestellt werden, ebenso wie hier der Begriff gemeinnützig sich nicht genau begrenzen laͤßt. Das Stellen⸗ vermittlungsgesetz hat ja nun hier einen gewissen Anhalt gegeben. In
dieser Frage darf eine Trennung zwischen preußischen und Reichs⸗
äußerlich etwas zu tun. Meine Freunde wünschen, daß der Arbeits⸗
verbänden, was die Unterstützung anlangt, nicht stattfinden. Zwischen beiden besteht kein Gegensatz. Unverständlich ist, wie man den öffent⸗ lichen Arbeitsvermittlungsstellen den Vorwurf einer dilettantenhaften, sozialpolitischen Tätigkeit machen konnte. Für richtig balte ich es, wenn nur solche unterstützt werden, die auf parttäͤtischem Boden stehen. Desbalb legt der deutsche Verband gerade darauf großen Wert. „Gegen die Arbeit ebernachweise wird man ja an sich auch nichts einwenden können. Nur dürfen die Arbeitgeber in ihnen keine Maßregelungsinstitute sehen, wie es tatsächlich vorgekommen ist. Die Unternehmernachweise legen zumeist das Hauptgewicht auf die Beschaffung billiger Arbeitskräfte. Wir sind für den Abschluß von Tarisverträgen, weil wir darin die beste Garantie für den wirtschaft⸗ lichen Frieden sehen. Ausländische Arbeiter sollten von den Arbeits⸗ nachweisen nicht auf Kosten der inländischen Arbeiter herangezogen werden. Man follte nicht immer sagen, der Import ausländtscher Arbeiter ist ein notwendiges Uebel, das ist in keiner Weise nach⸗ ewiesen. Die gemeinnützigen Arbeitsnachweise müssen dem nationalen Interesse entsprechen, wird oft betont. Aber dient es dem nationalen Interesse, wenn die ortsansässigen Arbeiter brotlos gemacht und aus⸗ ländische Arbeiter eingeführt werden? Es wäüre verfehlt, den inter⸗ lokalen Arbeitsnachweisverbänden Schwierigkelten zu machen. Die öffentlichen Arbeitsnachweise lassen sich nach keiner Richtung von der Sozialdemokratie ins Schlepptau nehmen. Ich beantrage, eine Trennung und gesonderte Behandlung des Titels der Rechtsauskunfts⸗ stellen und Arbeitsnachweise herbeizuführen. Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:
Wenn der Herr Vorredner, wie schon wiederholt, eine Trennung des Fonds in einen solchen für die Unterstützung von Rechtsauskunfts⸗ stellen und einen solchen für die Unterstützung von Arbeitsnachweis⸗ stellen befürwortet hat, so bedaure ich, ihm darin nicht folgen zu können. Ich würde das für unzweckmäßig halten. Einmal hängen die beiden Angelegenheiten innerlich zusammen, zweitens aber besteht auch eine äußere Verbindung. Es gibt gerade in mittleren und kleineren Städten eine Reihe von Arbeitsnachwetsstellen, die gleich⸗ zeitig Rechtsauskunftsstellen sind und die für beides mit einer Summe unterstützt werden. Deshalb, meine ich, verlangt es eigentlich die Natur der Sache, daß die beiden Zwecke, die innerlich zusammen⸗ hängen, auch in demselben Fonds behandelt werden.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, noch ein kleines Mißver⸗ ständnis, zu dem ich, wie es scheint, Veranlassung gegeben habe, zu berichtigen. Der Herr Vorredner hat meine Bemerkung so ver⸗ standen, als seien aus den Kreisen der freien Arbeiter in Hannover Klagen über die dortige Stelle geltend gemacht. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: aus Kreisen freier Arbeiter. Ich will es genau spezialisieren: es waren in Berlin Klagen freier Arbeiter dar⸗ über laut geworden, daß beim hiesigen Zentralarbeitsnachweis auch ein Facharbeitsnachweis angeschlossen sei, bei dem die Organisierten vor den Nichtorganisierten bevorzugt würden, und bei der Gelegenheit kam zu meiner Kenntnis, daß in Hannover ein ähnlicher Facharbeits⸗ nachweis für das Malergewerbe bestehe.
Abg. Dr. König (Zentr.): Den Arbeitsnachweisen der Arbeit⸗ geber stehen die Arbeiter vielfach mit Mißtrauen gegenüber. Auch die Arbeitsnachweise der Arbetter haben nicht befriedigend gewirkt. Hier können nur die neutralen Arbeitsnachweisstellen wirksam helfen, wie sie von Gemeindeverwaltungen und gemeinnützigen Vereinen ein⸗ gerichtet sind. Diese neutralen Stellen müssen wirksam gefördert und unterstützt werden, besonders im Interesse der ungelernten Arbeiter. Fur die unentgeltlichen Rechtsauskunftsstellen für die minder bemittelten Bevölkerungskreise müßte der neue Etat mehr Mittel vorgesehen haben. Die sozialdemokratischen Auskunftsstellen mehren sich immer mehr und werden ganz besonders zur partei⸗ politischen Propaganda ausgenutzt. Die Einrichtung unparteiischer öffentlicher Rechtsauskunftsstellen ist notwendig, damit die Arbeiter und minder bemittelten Angestellten staatsfeindlichen Organisationen ferngehalten werden. Nur streng neutrale Stellen, kommunale, von Vereinen gegründete, dürfen staatliche Unterstützungen erhalten. Wie segensreich solche Auskunftsstelle wirken kann, zeigt der 7. Jahresbericht der Stadt⸗Cölnischen gemeinnützigen Rechtsauskunftsstellen. Besonders erwähnenswert sind die Fälle, wo es den Rechtsauskunftsstellen gelungen ist, Vergleiche zwischen den Parteien zustande zu bringen. Deutschland wird andauernd von einem Strom neuer Gesetze über⸗ schwemmt. Dadurch wird es der großen Masse unseres Volkes immer schwerer gemacht, sich auf rechtlichem Gebiet zurecht zu finden, und weite Kreise kommen in die Gefahr, ihr⸗ Rechtsansprüche zu verlieren. Auch auf dem Gebiete der Landwirtschaft gibt es eine Masse von Unklarheiten in rechtlicher Beziehung. Unter solchen Umständen ist es ganz zwelfellos, daß diese Rechtsauskunftsstellen äußerst segensreich wirken können. Die bereits bestehenden Rechtsauskunftsstellen haben ganz Hervorragendes geleistet. Wie viele Prozesse werden durch die Tätigkeit dieser Auskunftsstellen vermieden! Es ist erfreulich, daß der Justizminister angeordnet hat, daß die Assessoren und Referendare sich nach Möglichleit in den Rechtsauskunfts⸗ stellen, die von Gemeinden unterhalten werden, betätigen. Da aber die Förderung solcher Auskunftsstellen große Gelder erfordert, müssen mehr Mittel flüssig gemacht werden. Deshalb bitte ich den Minister, meine vorjährige Bitte, die in diesem Jahre unerfüllt geblieben ist, im nächsten Jahre zu berücksichtigen, damit eine an⸗ büeen für diese segensreiche Einrichtung zur Verfügung gestellt wird.
Abg. Leinert (Soz.): In den Tarifverträgen des Malergewerbe steht, daß die Einstellung von Arbeitern nicht abhängig gemacht werden darf von der Zugehörigkeit zu einer Organisation. Diese Bestimmung hat aber mit dem Arbeitsnachweis nichts zu tun. Der Abg. Flesch sagt, der Minister sei im Recht, denn die Städte müßten ihre Einrichtungen allen Einwohnern gleichmäßig zur Verfügung stellen. Die Städte stellen aber doch sonst nicht einheitlich alle ihre Ein⸗ richtungen jedermann zur Verfugung. Es werden Stadthallen gebaut, die keineswegs allen zur Verfüagung gestellt werden, sondern nur für.
bestimmte Zwecke. Vaterländische Vereine, Frauenpereine, Sports⸗
vereine oder sonstige patriotische Vereine werden in ausgedehntem Maße von den Städten unterstützt. Von diesem Gesichtspunkt au muß man die Unterstützung der Arbeitsnachweise verlangen. Von diese Gesichtspunkt aus hat auch die S adt Hannover gehandelt. Die Ver⸗ fügung des Ministers und die Acußerung, die er heute gemacht hat, haben durchaus nicht Licht und Schatten auf beiden Seiten gleichmäßig verteilt. Der Minister sagt, er könne nicht dulden, daß durch einen solchen Arbeitsnachweis die Gewerkschaftsorganifationen gefördert und andere Organisationen benachteiligt. werden. Der Minister nimm nur Bezug auf den Druck der organisierten Arbeiter gegenüber den unorganisierten Arbeitern. Daß aber auch die Arbeitgeber einen solchen Druck ausüben auf die Nichtorganisterten, davon hat de Minister nichts erwähnt. Ich bestreite, daß ein solcher Druck der organisierten Arbeiter auf die unorganisierten Arbeiter durch den Arbeitsnachweis ausgeübt wird. Ich habe die Ueberzeugung, daß der Minister den Druck der organisierten Arbeitgeber auf die unorgani
sierten Arbeitgeber wünscht. Wenn ein Gewerbe mit Hilfe der von der Stadt berufenen Vertreter einen Arbeitsnachweis errichtet, dann
soll man auch das nötige Vertrauen zu diesem Arbeitsnachweis haben,
daß er gut funktioniert. Daß aber der Arbeitsnachweis in Hannover gut funktioniert hat, ist durch Tatsachen bewiesen worden. Ich bedaure, daß der Minister seinen Mißgriff in dieser Beziehung nicht rückgängig gemacht hat. Reden Sie mit den Herren, welche die Tarifverträge ausarbeiten, dann erfahren Sie, was diese sagen werden
über die Verfügung des Ministers, die weder formell noch auf Grund
des Aufsichtsrechts der Förderung des Tarifgedankens — dem auch der Handelsminister undedingt Ausdruck geben mußte — dienlich ist. Geheimer Oberregierungorat Neumann: Gegenuͤber einem
Vorwurf des Abg. Leinert bemerke ich, daß im Tar fvertrag aus.
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