1913 / 261 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Nov 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlichen und Unterrichts 1 angelegenheiten.

Der außerordentliche Professor in der theologischen Hatulta der Friedrich Wilhelms⸗Universität in Berlin D. Frei⸗

err Hermann von Soden ist mit Allerhöchster Ge⸗ nehmigung Seiner Masestät des Königs zum ordent⸗ lichen Honorarprofessor in derselben Fakultät ernannt worden.

Bekanntmachung.

Die Turn⸗ und Schwimmlehrerinnenprüfung⸗ die im Frühjahr 1914 an der Königlichen Landes⸗ turnanstalt in Spandau abzuhalten ist, wird am Montag, den 23. März 1914, beginnen.

Unter Bezugnahme auf meinen Runderlaß vom 1. November 1906 U 1II A 3209 ꝛc. (3.⸗Bl. S. 757) weise ich aus⸗ drücklich darauf hin, daß zu dieser Prüfung nur in der Pro⸗ vinz Brandenburg oder in einer solchen Provinz wohnende Bewerberinnen zugelassen werden, in der eine Prüfungs⸗ kommission für Turnlehrerinnen nicht besteht. Ausnahmen von dieser Bestimmung sind nur zulässig, wenn die Anträge durch besondere Verhältnisse, z. B. durch den Ort der Aus⸗ bildung für die Prüfung, begründet sind.

Meldungen der in einem Lehramte stehenden Bewerberinnen sind bei der vorgesetzten Dienstbehörde bis zum 10. Januar 1914, Meldungen anderer Bewerberinnen bei derjenigen König⸗

ichen Regierung, in deren Bezirk die Betreffende wohnt in Berlin bei dem Herrn Polizeipräsidenten —, ebenfalls bis zu diesem Tage anzubringen.

Ist der Aufenthaltsort der Bewerberin zur Zeit ihrer Meldung nicht ihr eigentlicher Wohnsitz, so ist auch der letztere anzugeben.

Die Meldungen können nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie genau der Prüfungsordnung vom 15. Mai 1894 entsprechen und mit den im 8 4 derselben vorgeschriebenen Schriftstücken ordnungsmäßig versehen sind. Bei denjenigen Bewerberinnen, die eine lehramtliche Prüfung noch nicht ab⸗ gelegt haben, erstreckt sich die mündliche Prüfung auch auf die Kenntnis der wichtigsten Erziehungs⸗ und Unterrichtsgrundsätze. In dem Gesuche ist anzugeben, ob die Bewerberin sich zum ersten Male zur Prüfung meldet, oder ob und wann sie sich bereits der Turnlehrerinnenprüfung unterzogen hat.

Die über Gesundheit, Führung und Lehrtätigkeit beizu⸗ bringenden Unterlagen müssen in neuerer Zeit ausgestellt sein. Das ärztliche Zeugnis muß am Schluß zum Ausdruck bringen, daß die betreffende Bewerberin körperlich zur Turn⸗ lehrerin geeignet ist.

Die Bescheinigung über die Turn⸗ oder Schwimmfertigkeit ist von der Ausstellerin eigenhändig zu unterschreiben.

Die Anlagen jedes Gesuches sind zu einem Hefte vereinigt einzureichen.

Berlin, den 21. Oktober 1913. Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten. J. V.: von Chappuis. 11“

Finanzministerium.

Dem Oberregierungsrat Christ in Cöln ist die Stelle eines Oberregierungsrats für das Stempel⸗ und Erbschafts⸗ steuerwesen bei der O berzolldirektion Posen verliehen worden.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 43 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter . Nr. 11 318 einen Allerhöchsten Erlaß, betreffend die Er mächtigung, die nach den Gesetzen über die direkten Steuern durch gerichtliches rechtskräftiges Urteil auferlegten Geld⸗ und Ersatzhaftstrafen und die wegen Zuwiderhandlungen gegen §88§ 33 und 147 der Gewerbeordnung gerichtlich erkannten Geld⸗ und Ersatzhaftstrafen sowie die Kosten des Verfahrens niederzu⸗ schlagen oder zu ermäßigen, ferner mit Rücksicht auf ein Gnaden⸗ gesuch bis zu dessen endgültiger Entscheidung die Aussetzung der Strafvollstreckung anzuordnen, vom 15. August 1913, und unter Nr. 11 319 eine Ministerialerklärung, betreffend die Her⸗ stellung einer Eisenbahn von Buchau nach Riedlingen, vom 26. August 1913. Berlin W. 9, den 3. November 1913. Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüer.

Bekanntmachung.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht: 1

1) der Allerhöchste Erlaß vom 19. August 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Bliersheim im Kreise Mörs für die Ausführung der Kanalisation der Gemeinde⸗ bezirke Friemersheim und Bliersheim und der dazugehörigen Klär⸗ anlage, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Düsseldorf Nr. 39 S. 437, ausgegeben am 27. September 1913;

2) der Allerhöchste Erlaß vom 23. August 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Fechingen im Landkreise Saarbrücken zur Ausführung einer Kläranlage für die Ge⸗ meinde, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Trier Nr. 40 S. 313, ausgegeben am 4. Oktober 1913; 1

3) das am 1. September 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Meliorationsgenossenschaft Velsow in Velsow im Kreise Stolp durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Köslin Nr. 41 S. 280, ausgegeben am 11. Oktober 1913; h

4) das am 3. September 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für den Taktauer Deichverband in Taktau im Kreise Labiau durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Königsberg Nr. 42 S. 501, ausgegeben am 18. Oktober 1913;

5) der Allerhöchste Erlaß vom 13. September 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Hanau für die Regullerung der Altstadt, durch das Amtsblatt der König⸗ 2 Regierung in Cassel Nr. 40 S. 329, ausgegeben am 4. Ok⸗ ober 1913;

6) der Allerhöchste Erlaß vom 13. September 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Preußischen Staat für die Herstellung eines Durchstichs bei km 1 des Großen Friedrichs⸗ rabens, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Königs⸗ erg Nr. 41 S. 496, ausgegeben am 11. Oktober 1913;

7) der Allerhöchste Erlaß vom 20. September 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Kleinbahn⸗Aktiengesell⸗ schaft Klel Schönberg in Kiel für die Anlage einer Kleinbahn von Schönberg nach Schönberger Strand, durch das Amtsblatt der König⸗ lichen Regierung in Schleswig Nr. 43 S. 461,

18. Oktober 1913;

ausgegeben am

8) das am 24. September 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Kleine Welna⸗Genossenschaft in Gnesen im Kreise Gnesen durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Bromberg Nr. 42 S. 359, ausgegeben am 18. Oktober 1913.

MNiicchamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 4. November 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Freiherrn von Lyncker, des Chefs des Admiralstabes der Marine, Admirals von Pohl und des Chefs des Marinekabinetts,

Admirals von Müller. 1

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr 8 3 —“ Beagyern.

In der heutigen Sitzung der Kammer der Reichsräte wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung der Regentschaft, ohne Diskussion einstimmig angenommen.

Wie „W. T. B.“ meldet, begründete Graf von Crailsheim als Referent die Vorlage der Regierung und bezeichnete die vor⸗ liegende Frage als eine Frage von ganz bedeutender Wichtigkeit. Das ganze Land, so führte er aus, blicke in diesen Tagen mit Spannung auf den Landtag, der eine für die Zukunft maßgebende Entscheidung treffen soll. Wer das Jahr 1886 miterlebt habe, der werde sich schwer los⸗ ringen können von der Erinnerung an den traurigen Tag, an dem sich die Notwendigkeit ergab, für den kranken König Ludwig die Regentschaft eintreten zu lassen, die dann auch bald infolge der traurigen Ereignisse für den König Otto weitergeführt werden mußte. Etwas verwischt worden seien die Eindrücke durch die segensreiche Regierung des Prinz⸗Regenten Laitpold. Aber das bayerische Volk ver⸗ langte nach einem König, und es hätte gern die Krone auf dem Haupte des allverehrten Regenten gesehen. Allein der Prinz⸗Regent Luitpold verhielt sich ablehnend, er wollte in der Geschichte als Prinz⸗ Regent verzeichnet bleiben. Nachdem dann der Regent das Zeitliche gesegnet hatte, sei der Wunsch nach einem regierenden Träger der Krone wieder zum Ausdruck gekommen. Schon vor Jahresfrist wären Schritte in dieser Beziehung unternommen, die aber nicht zum Ziele führten. Die Frage sei aber immer nicht zur Ruhe gekommen, und würde auch weiter nicht zur Ruhe kommen, wenn sie nicht jetzt einer günstigen Lösung zugeführt werden würde. Mit dankbarer Freude sei es zu be⸗ grüßen führte Graf Crailsheim weiter aus —, daß der Prinz⸗Regent Ludwig, dem das baverische Volk gleiche Liebe und Verehrung entgegen⸗ bringe wie seinem hohen Vater, die Hand dazu geboten habe, daß die Staats⸗ gewalt wierder durch einen König ausgeubt werde. Eine Abhilfe an dem bestehenden Zustande könne nur auf dem Wege der Ergänzung der Verfassung geschaffen werden. Während der Regentschaft seien auch andere Verfassungsänderungen vorgenommen worden, die zum Teil viel einschneidender gewesen seien, als die jetzt beantragte. In dem vorliegenden Falle könne von einer Lücke in der Verfassung wirklich gesprochen werden. An der Vorlage der Regierung sei zu biligen, daß sich das Gesetz nicht darauf beschränke, die Aufhebung der Regent⸗ schaft für den vorliegenden Fall allein zu regeln, sondern daß diese Verfassungsänderung eine dauernde bleiben werde. In der Kammer der Abgeordneten habe ein Vertreter der bürger⸗ lichen Parteien die Frage berührt, ob der Landtag auch seine Zu⸗ stimmung verweigern könne zu einer Aenderung in der Thronfolge, und welche Folgen daraus entstehen könnten. Der Ministerpräsident habe aber diese Bedenken zerstreut. Der Referent schloß mit dem Wunsche, daß das Gesetz die einmütige Zustimmung des Hauses finden möge, und daß es für das Königshaus und für das Land gleichmäßig von Segen sei.

Darauf folgte die oben gemeldete Abstimmung. Der Präsident Graf Fugger von Glött stellte diese einstimmige Annahme ausdrücklich fest und fügte hinzu, damit sei eine wichtige Verfassungsänderung dank des Pflicht⸗ bewußseins und des Patriotismus aller beteiligten Faktoren der beiden Häusen des Landtages zustande gekommen. Er drückte ebenfalls den Wunsch aus, daß diese Entscheidung dem Königlichen Haus und dem teueren Vaterlande dauernden und reichen Segen bereiten möge. Damit schloß nach halb⸗ stündiger Dauer die Sitzung.

Die Vorlage wird jetzt zur Sanktion und Unterschrift Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten unterbreitet.

Braunschweig.

Der Staatsminister von Hartwieg, der Ihren König⸗ lichen Hoheiten dem Herzog Ernst August und der Herzogin Viktoria Luise gestern mit den Mitgliedern des Staatsministeriums bis zur Landesgrenze entgegengefahren war, hielt, wie „W. T. B.“ in Ergänzung der gestrigen Meldung mitteilt, bei der Ankunft des herzoglichen Sonderzuges in Velpke an Ihre K öniglichen Hoheiten den Herzog und die Herzogin folgende An⸗ sprache:

Durchlauchtigster Herzog und Herr! Durchlauchtigste Herzogin und Frau! Eure Königlichen Hoheiten haben nach Verkündigung der Uebernahme der Regierung durch Eure Königliche Hoheit, gnädigster Herzag und Herr, soeben vaterländischen braunschweigischen Boden etreten.

Das langjährige Sehnen und Hoffen des braunschweigischen Volkes ist erfüllt, und mit Dank gegen Gottes, des Allmächtigen, Gnade, die uns bis hierher gebracht hat, heiße ich namens des Herzog⸗ Eure Königlichen Hoheiten ehrfurchtsvollst und herzlichst will⸗ ommen.

Daß aller Herzen Euren Königlichen Hoheiten entgegenschlagen, daß das ganze Land mit vollstem Vertrauen zu Euren Königlichen Hoheiten aufblickt und von der festen Ueberzeugung durchdrungen ist, die Regierung seines angestammten Herrn werde dem Herzogtum auf allen Gebieten zum Segen gereschen, das zu erkennen, werden Eure Königlichen Hoheiten baldigst Gelegenheit haben.

Gott der Herr schirme, schütze und segne Eure Königlichen Hoheiten allerwegen in der Regierung des Landes wie im häuslichen Frieden!

Bei dem feierlichen Einzug in die Residenz wurde das hohe Paar von dem Oberbürgermeister Retemeyer begrüßt, der in seiner Ansprache der Freude des Landes darüber Aus⸗ druck gab, daß die langersehnte endgültige Ordnung der Regie⸗ rungsverhältnisse erreicht sei. Er gedachte dankbar der Regie⸗ rungsführung der beiden Regenten und gab der Freude des Landes Ausdruck, daß nunmehr wieder ein Sproßdes angestammten Herrscherhauses den Thron seiner Ahnen besteige. Das Glück der Residenz, den neuen Landesherrn in ihren Mauern beherbergen zu können, leuchte um so heller, als mit ihm seine Gemahlin, des Kaisers einzige Tochter, dem Braunschweiger Lande fortan als Landesmutter angehören werde. Ein gütiges Geschick habe es gnädigst gefügt, daß der Herzensbund, den Ihre Königlichen Hoheiten geschlossen, der Mittler geworden sei swischen den

fürstlichen Häusern der Welfen und Hohenzollern, die sich nach

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langer Trennung die Hände gereicht hätten. Der Redner erflehte den Segen Gottes auf das Wirken und Walten des herzoglichen Paares und seine Regierung herab und schloß mit einem dreifachen Hoch. dankte in bewegten Worten.

Im Schlosse angelangt, wurden der Herzog und die Herzogin unter großem Vortritt in den Ballsaal geleitet, wo die Vorstellung der Hofstaaten erfolgte. Hieran schloß sich imn Thronsaal die Verlesung der Thronrede durch Seine Königliche Hoheit den Herzog, der die Mitglieder des

Staatsministeriums und der Landesversammlung beiwohnten.

Die Thronrede lautet obiger Quelle zufolge:

Meine Herren Abgeordneten!

Mit Dank gegen Gott, der aus tiefstem Herzen kommt, Ich, zugleich namens der Herzogin, Herren, heute hier in Meinem Residenzschlosse. Die Mich beseelenden Gefühle habe Ich bereits in dem Patente, mittels dessen Ich die Regierung angetreten habe, ausgesprochen. Den Jubel der Bevölke⸗ rung bei Unserem Einzuge in das Land Wir als ein sichtbares Zeichen der Liebe und des Vertrauens, die Uns die gesamte Einwohnerschaft des Landes entgegenbringt. Es wird 8 Mein ständiges Bestreben sein, die Regierung so zu führen, daß jeder ohne Unterschied der Person die Ueberzeugung gewinnen wird, tat⸗ kräftige Fürsorge für das Gedeihen des Landes und das Glück der Braunschweiger sei der Leitstern alles Meines Handelns und Tuns. Dazu, meine Herren, bedarf Ich insbesondere Ihres vollen Vertrauens und Ihrer treuen Mitarbeit, wie Sie solche auch Meinen Vorgängern an der Regierung alle Zeit erwiesen haben und um die Ich Sie hier⸗ mit herzlichst bitte. Nur dann kann es Mir gelingen, Meinen ernsten Willen, die Wohlfahrt des Landes auf allen Gebieten zu pflegen, in die Tat umzusetzen. Der Herzogin, Meiner Gemahlin, wird es eine große Freude und eine ihr zur lebhaften Befriedigung gereichende Aufgabe sein, alle auf dem Gebiete der Frau und Fürstin liegenden Be⸗ strebungen zu fördern und zu unterstützen. Meiner Vorfahren bestiegen habe, entbiete Ich allen Meinen Braun schweigern, Mich selbst in jeder Beziehung als Braunschweiger fühlend, Meinen landesfürstlichen Gruß und spreche die zuversichtliche Hoffnung aus, daß das Band zwischen Fürst und Volk ein immer festeres und innigeres werden wird. Dazu wolle Gott der Allmächtige seinen reichen Segen geben! 1

Nach der Verlesung der Thronrede nahm der Präsident der Landesversammlung, enbüttel

begrüße

. Kreisdirektor Krüger⸗Wolf das Wort zu folgender Ansprache: 8 Durchlauchtigster Herzog! Gnädigste Frau Herzogin!

Der brausende Jubel, der Eure Königlichen Hoheiten bei de Einzugsfahrt empfangen und begleitet hat, hat Euren Königliche Hoheiten bereits den herzlichsten Willkommensgruß der Bevölkerung entgegengebracht. Heute liegt nicht trübe, wehmütige stimmung über Stadt und Land wie vor Tagen, als wir 2 genommen haben von unserem allverehrten hohen Regentenpaare Heute klingt heller, sonniger Jubel durch die Lande, daß der erlauchte Sproß unseres angestammten Herrscherhauses endlich einzieht in die Stadt Heinrichs des Löwen, und daß die alte Welfen⸗ fladt wiederum zum ersten Male seit länger als hundert Jahren eine Herzogin von Braunschweig in ihren Mauern begrüßen darf. Und dieser Jubel ist berechtigt und echt; denn er kommt aus dem Herzen einer Bevölkerung. in welcher sich monarchisches Empfinden eint mit dem Gefühle der Anhänglichkeit und Treue gegen das Herrschergeschlecht, mit dem wir durch eine 1000 jährige Geschichte eng und unauflöslich ver⸗ bunden sind. Eure Königlichen Hoheiten wollen mir gestatten, daß ich namens der Landesversammlung auch von dieser Stelle aus Euren Königlichen Hoheiten den ehrerbietigsten und herzlichsten Willkommens⸗ gruß ausspreche. Möge dieser Tag, dieser ersehnte, so hoch be⸗ deutungsvolle Tag der Ausgangspunkt einer langen Reihe gesegneter Jahre sein, gesegnet für das Herzogtum, gesegnet für Eure König⸗ lichen Hoheiten! Seine Königliche Hoheit der Herzog Ernst August und Ihre Königliche Hoheit die Herzogin Viktorta Luise Hurra, Hurra Hurra!

Am Nachmittag fand im Weißen Saale des Schlosses Galatafel und Abends im Herzoglichen Theater Gala⸗ vorstellung statt. Nach der Vorstellung machten Ihre König⸗ lichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin eine Rundfahrt durch die festlich beleuchtete Stadt. Zu Ehren des Herzogs⸗ paares veranstalteten die nationalen Vereine, studentischen Korporationen usw. einen Fackelzug, und die Sängerschaft Braunschweigs brachte ein Ständchen. Nach dem „Weihe⸗ gesang“ von Abt hielt der Bürgermeister von Fran kenb erg eine Ansprache an das hohe Paar, in der er zunächst im Namen der Braunschweiger Bürger und Studierenden einen treu gemeinten Willkommensgruß darbrachte und dann fortfuhr:

Wir bauen zuversichtlich darauf, daß Eure Königliche Hoheit die Regierung als deutscher Fürst mit den edelsten, besten Absichten an⸗ getreten haben, und wir Bürger geloben, stets in Untertanentreue diese Absichten mit unsern besten Kräften zu unterstützen. Das braua⸗ schweigische Land, alter deutscher Boden, ist bereit, aus der Hand des Heree gute Saat zu empfangen. Möge sie unter der Sonne des

riedens, dessen sich das ganze Deutsche Reich erfreut, aufgehen, blühen und gedeihen. Jeder Friedensstörer aber, jeder Außenstehende, der Unkraut unter diese Saat streuen möchte, soll fern von uns bleiben und möge keinen Gegensatz zwischen Fürst und Volk wachzu⸗ rufen sich bemühen. Auch Ihnen, durchlauchtigste Frau Herzogin, schlagen unsere Herzen mit Verehrung und Vertrauen entgegen. Wir erblicken in Eurer Königlichen Hoheit den zukünftigen Hort aller Bestrebungen menschenfreundlicher Fürsorge, wie dies von Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer erlauchten Mutter, überall in deutschen Gauen bekannt ist. Wir wünschen Ihnen an der Seite Ihres Hohen Gemahls eine glückliche, reichgesegnete Zukunft.

In das Hoch auf das Herzogspaar stimmte das zahlreiche Publikum stürmisch ein. Mit dem Niederländischen Dankgebet schloß die Feier.

Heute vormittag fand ein Festgottesdien st im Dom statt, zu dem die Geistlichkeit, die Spitzen der Behörden, die Hofstaaten und das Offizierkorps erschienen waren. I hre Königlichen Hoheiten der Herzog. und die Herzogin wurden am Portal des Domes vom Hofprediger D. von Schwartz und den Hofstaaten empfangen und nach ihren Plätzen vor dem Altar geleitet. Die Festpredigt hielt der Hofprediger D. von Schwartz. Nach dem Gottesdienst kehrten die hohen Herrschaften ins Schloß zurück.

Wie die amtlichen „Braunschweigischen Anzeigen“ melden, hat Seine Königliche Hoheit der Herzog Ernst Au gust, um ein bleibendes Andenken an seinen Regierungsantritt zu schaffen, unter dem Namen Herzog⸗ Ernst August⸗Stiftung zu gemeinnützigem Zwecke eine milde Stiftung errichtet und dieser Stiftung als Grundstock ihres Vermögens aus der herzoglichen Schatulle den Betrag von 50 000 überwiesen. hüh und Bestimmung der Stiftung werden demnächst be⸗ t

immt werden. Mecklenburg⸗Strelitz.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat, wie die „Landeszeitung für beide Mecklenburg“ von zuständiger Seite erfährt, das Entlassungsgesuch des Staats⸗ ministers Bossart unter Bezeugung des höchsten fort⸗

dauernden Vertrauens und gnädiger Anerkennung der von ihm 8

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geleisteten Dienste abzulehnen geruht.

Seine Königliche Hoheit der Herzog

Meiner Gemahlin, Sie, Meine

und die Residenz berrachten

Nachdem Ich den Thron

Frankreich. 8 er Ministerpräsident Barthou hat gestern den bul⸗ garischen Minister des Auswärtigen Ghenadiew, der von dem bulgarischen Gesandten in Paris Dr. Stanciow be⸗ gleitet war, empfangen. v Italien. 8 Der gegenwärtig in Rom weilende russische Minister⸗ präsident Kokowtzow hat gestern den italienischen Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano empfangen. Die Unterredung währte etwa zwei Stunden. Nach dem endgültigen Ergebnis wurden bei den 101 Stichwahlen zur Kammer, wie „W. T. B.“ meldet, 32 Ministerielle, 17 Radikale, 5 Republikaner, 2 reformistische Sozialisten, 19 radikale Sozialisten und 6 Katholiken gewählt.

8 Spanien.

der König hat ein Dekret unterzeichnet, in dem er die Demission des spanischen Botschafters beim Vatikan Calbeton annimmt. Belgien. Der König Albert ist gestern, wie „W. T. B.“ meldet, nach Deutschland abgereist, um das 2. Hannoversche Dragoner⸗ regiment Nr. 16 in Lüneburg, dessen Chef der König ist, zu

besichtigen. Griechenland.

Der griechische Minister des Aeußern Panas hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ dem türkischen Delegierten Ghalib Bei das Erstaunen der griechischen Regierung darüber ausgedrückt, daß die Türkei die Antwort auf die Be⸗ schlüsse der Friedensdelegierten unerklärlich verzögere. Die griechische Regierung verlange eine rasche Antwort. Sena Eddin Bei, einer der türkischen Delegierten, hat gestern Athen verlassen, um seiner Regierung die Notwendig⸗ keit einer schnellen Beendigung der Verhandlungen darzulegen.

PESerbien.

Die Gesetzesvorlage, betreffend die Liquidierung des Moratoriums, ist gestern einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge von der Skupschtina in erster Lesung mit 63 gegen 32 Stimmen angenommen worden.

Montenegiröoo. 1 Die Regierung hat dem neuen österreichisch⸗ungarischen Gesandten Eduard Otto und dem neuen italienischen Ge⸗ sandten Negretti die Zustimmung erteilt. Die Verhandlungen zwischen Serbien und Monte⸗ negro über, die Grenzlinie haben nach einer Meldung des „W. T. B.“ zu einem endgültigen Abkommen geführt.

Albanien.

Nach einer von mehreren hundert Personen, meist Aus⸗ vanderern aus den streitigen Gebieten Südalbaniens, besuchten Versammlung in Valona, wurde der „Agenzia Stefani“ zu⸗ folge den Mitgliedern der Internationalen Kontrollkommission eine Denkschrift überreicht, in der die Bedrückung der Albanesen in den südlichen Gegenden durch die unglaublich harte griechische Verwaltung beklagt wird und die Groß⸗ mächte und alle zivilisierten Völker angefleht werden, dafür zu orgen, daß das Leben der albanesischen Volksgenossen ge⸗ schont und ihr Land möglichst bald von fremden Truppen ge⸗ räumt werde.

Amerika.

Im amerikanischen Senat erklärte gestern der Vor⸗ sitzende der Senatskommission für auswärtige Angelegenheiten Bacon, wie „W. T. B.“ meldet, er glaube versichern zu können, daß der Regierung und dem Volke der Vereinigten

taaten nichts ferner liege als der Gedanke der Eroberung oder des Erwerbs mexikanischen Gebiets. Es sei noch nicht an der Zeit, die Frage zu erörtern, doch sei die Zeit nicht mehr fern, in der dies geschehen müsse. Inzwischen werde die Angelegenheit in der sorgfältigsten und gewissenhaftesten Weise erwogen. Was immer geschehen würde, werde die Billigung des Kongresses und des amerikanischen Volkes finden.

Der argentinische Ministerrat beriet gestern, obiger Quelle zufolge, unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten der Republik de la Plaza Entwürfe zum Bau von 4000 km Eisenbahnen in der Provinz Buenos Aires. Wie der Minister der öffentlichen Arbeiten mitteilte, soll bei der Aus⸗ führung des Planes vermieden werden, daß die Privatbahnen geschädigt werden.

Statistik und Volkswirtschaft. Zur Arbeiterbewegung.

Aus Mons wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß gestern vormittag in vielen Gruben die Periode, die eine Lohnherab⸗ setzung von 10 % bringt, begann. Infolgedessen weigerten sich 2000 Bergleute in der Umgebung von Mons einzufahren. Man befürchtet eine Verstärkung der Ausstands bewegung.

In der Baumwollspinnerei Sassenhof und in der Fabrik von Richard Pohle in Riga ist, „W. T. B.“ zufolge, die Arbeit wieder aufgenommen worden. (Vgl. Nr. 260 d. Bl.)

Der Ausstand der Hafenarbeiter in Wellington (Neu⸗ seeland) führte gestern, wie „W. T. B.“ erfährt, zu weiteren Aus⸗ schreitungen. (Vergl. Nr. 259 d. Bl.) Die Volksmenge bewarf die Amtsgebäude der Polizei mit Steinen und richtete viel Eigen⸗ tumsschaden an. Durch Revolverschüsse, die aus der Volksmenge kamen, wurden zwei junge Leute verwundet. Die Polizei griff die Unruhestifter an und trieb sie auseinander. Die Besprechung zwischen Arbeitgebern und Ausständigen ist auf heute verschoben worden.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. 1 d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

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Bei Sichtung der Bücherei des Grafen von Ortenburg auf Schloß Tambach (Oberfranken) wurden zwei bisher unbekannte Gedichte von Friedri ückert aufgefunden. Die Gedichte stehen in einem Studentena manach „Freundschaftsbuch des Studien⸗ beflissenen Studiosus Hermann Wrede⸗Oberlauringen“, betiteln sich „Dem Freunde“ und „Herzlieb“ und sind aus Würzburg 1809 datiert.

Einen überaus fesselnden Vortrag hat der berühmte Aegyptologe Professer Flinders⸗Petrie in London gehalten, den er mit dem itel „Materielle Beweismittel der Geschichte“ bezeichnet. Es kam ihm hauptsächlich darauf an, zu zelgen, wie sich die aufeinander⸗

folgenden Zivilisationen einerseits gleichen, andererseits unterscheiden.

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Wie zu erwarten war, nahm er die hauptsächlichen Grundlagen für seine Erörterungen aus den geschichtlichen Urkunden Aegyptens. Dies

folgende Zivilisationen zu studieren, die mit einer erstaunlichen Regel⸗ mäßigkeit veefelse Ordnung der Dinge und sogar die gleiche Folge von Ereignissen wiederholen. Professor Petrie bezeichnet sie als acht großartige Versuche der Menschheit, an denen sich deren Veränderung Stufe für Stufe erkennen lasse. Daraus kann gleichsam eine Grundlehre der Zivilisation abgeleitet werden: die Erkenntnis einer allgemeinen Ordnung der Wandlungen, denen die Menschheit von Epoche zu Epoche unterliegt. Und es ist eine besonders an⸗ ziehende Aufgabe, diese alten Zivilisationen in Beziehung mit denen der späteren Zeit bis zur Gegenwart zu setzen, und in ihnen das menschlich Gemeinsame aufzustellen, das erkennbar sein muß, da es sich hier wie dort um Abschnitte der menschlichen Entwicklungs⸗ geschichte handelt, und nicht etwa um einen Vergleich einer Geschichte der Menschheit mit der von Marsbewohnern. Man kann sich dabei nicht nur auf geschriebene Urkunden stützen, sondern muß auch die stofflichen Reliquien in Rücksicht zichen. Wie wichtig diese sind, beweist vor allem die Tatsache, daß unser Verständnis für die alten Griechen wesentlich anders und un⸗ vollkommener wäre, wenn keine Baudenkmäler und Skulpturen von ihnen auf die Gegenwart gekommen wären. Nicht nur ihr Schönheitssinn, sondern auch ihre Befähigung für Präzision geht daraus überraschend hervor. Als man vor vielen Jahren die Frage erörterte, ob man den Tempel des Parthenon wieder herstellen sollte, wurde der Einwurf gemacht, daß heute niemand mehr genau feeststellen könnte, wie die riesigen Säulen des Tempels zusammengesetzt waren. Professor Petrie trat auch dieser Frage näher, die nach seiner Meinung durch genaue Aus⸗ messungen zu erledigen sein müßte. Er hat selbst solche Versuche angestellt, konnte aber an den Säulen keine Fehler entdecken. Sein Schluß ging dahin, daß die Griechen ihre Berechnung nicht auf Zehntel, sondern bis auf Hundertstel eines Zolls genau ausgeführt baben. Wie sie dazu imstande gewesen sind, ist ein noch ungelöstes Rätsel. Die materiellen Urkunden spielen für das alte Rom eine kaum geringere Rolle. Vermitteln dech, um nur ein Beispiel zu nennen, die Ruinen des Kolosseums einen Eindruck, den keine Beschreibung zu ersetzen vermag. Nirgend aber können die Eigen⸗ heiten und Aehnlichkeiten der aufeinanderfolgenden Zivilisationen deut⸗ licher erkannt werden als im alten Aegypten. Professor Petrie stellt hier vier Epochen zusammen, die er rückwärts verfolgt. Da ist zunächst die achtzehnte Dynastie, mit der das neue Reich um 1550 vor Christi beginnt. Es stellt sich dar in einer lebhaften äußerlichen Pracht, leidenschastlich und ohne Rücksicht auf Wahrheit und Genauigkeit. Die zwölfte Dynastie, der Anfang des mittleren Reichs um das Jahr 2000, ist in ihrem Charakter zart, verfeinert und akademisch, mit hohem Kunstsinn. Dann das Zeitalter der Pyramiden, um das Jahr 2500 mit seiner imponierenden Macht und Größe, die sich in einer soliden Roheit ausdrückt. Endlich die Zeit der ersten Dynastie gegen das Jahr 3000 vor Chr. mit gänzlich anderen Lebensbedingungen. Die Skulpturen und Elfenbeinschnitzereien aus jener ältesten Geschichtszeit zeigen noch nichts von der großarligen Entwicklung des Handwerks, vielmehr ein viel schwächeres und einfacheres Leben, das dem Bildwerk noch keinen Ausdruck mitzuteilen vermochte, obwohl die Technik der Skulptur auf einer sehr hohen Stufe stand. Ins⸗ besondere ist die Kunst der Elfenbeinschnitzerei im Laufe der nächsten 5 Jahrtausende nicht mehr übertroffen worden. Professor Petrie liest aus all diesen Urkunden die Lehre ab, daß die Ideale jedes Zeitalters seinen Bedürfnissen entsprechen, und daß die Art der Ausführungen von Kunstwerken einen Rückschluß auf den Charakter der Menschen zuläßt, die sie geschaffen haben. Die Betrachtung läßt sich noch weiter zurückverfolgen bis in die vorgeschichtliche Zeit hinein, vielleicht für im ganzen 10 000 Jahre.

Das Blut im Gebirge. Der Einfluß der veränderten Lebens⸗ bedingungen im Hochgebirge äußert sich vorzugsweise im Blut, und zwar sind die Tiere in ähnlicher Weise wie der Mensch diesen Wir⸗ kungen der Höhenluft unterworfen. Besonders zeigt er sich in einer erheblichen Vermehrung der roten Blutkörperchen. Die Tiere, die auf den Hochflächen von Mexiko zwischen 3000 und 4000 m hausen, haben doppelt so viel rote Blutkörperchen als ihre nächsten Ver⸗ wandten in den Niederungen, und die Peruaner, die ihre ständigen Wohnungen in mehr als 4000 m Meereshöhe haben, besitzen zwischen 6 und 9 Millionen rote Blutkörperchen in jedem Kabikmillimeter ihres Bluts, während unter normalen Verhält⸗ nissen höchstens 5 Millionen dieser winzigen Zellen auf ein Kubik⸗ millimeter entfallen Selbstverständlich ist auch durch Versuche fest⸗ gestellt worden, daß eine ähnliche Veränderung bei ein und demselben Menschen oder Tier stattfindet, wenn es aus dem Tiefland ins Hoch⸗ gebirge versetzt wird. Auch der Gehalt des Bluts an rotem Farb⸗ stoff überhaupt erfährt eine Zunahme und ebenso der daran gebundene Gehalt an Eisen. Die Forscher haben sich nach dem Grund dieser auffallenden Erscheinung gefragt, aber sie waren bisher zu keinem übereinstimmenden Ergebnis gekommen. Vielleicht wird die Erklärung durch eine Entdeckung dargeboten werden, die jetzt der Professor Dreyer an der Universitäat Oxford gemacht und im „Lancet“ veröffentlicht hat. Daraus geht hervor, daß sich guch die Menge des Bluts, nach dem Volumen ge⸗ messen, nach ganz bestimmten Gesetzen verändert. Schon früher ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß Tauchervögel, die mehrere Minuten unter Wasser bleiben können, doppelt soviel Blut haben als andere Vögel. Nach Beobachtungen an Kaninchen, die wochenlang im Hochgebirge gehalten wurden, zieht sich das Blut der Tiere, also wahrscheinlich auch des Menschen unter der Wirkung der Höhenluft zusammen. Danach wäre es leicht verständlich, daß die Zahl der Blutkörperchen in einer Raumeinheit wachsen muß, da sie gewisser⸗ maßen zusammengedrängt werden. Die Abnahme der Blutausdehnung wurde bei den Tieren auf den bedeutenden Betrag von fast. 11 v. H. bestimmt. Als die Kaninchen wieder in die Ebene zurückgebracht waren, dehnte sich das Blut in vier Tagen wieder bis zu dem ge⸗

wöhnlichen Volumen aus.

Technik.

Die Messung der Luftverunreinigungen. Der Kampf gegen die Verschlechterung der Atemluft durch Staub und Rauch muß mit noch viel größerer Tatkraft aufgenommen und durchgeführt werden, als es bisher geschehen ist. Vor allem fehlt es noch an einer rechten Planmäßigkeit und Organisation des Vorgehens. Ist man doch noch nicht einmal dahin gelangt, sichere Feststellungen über den Grad der Luftverunreinigung in den einzelnen Großstädten und In⸗ dustriebezirken zu machen. Jetzt scheint England in dieser Richtung ein Vorbild aufstellen zu wollen, das einer schnellen Nachahmung würdig ist. Dort ist nämlich infolge eines Antrags des internationalen Kongresses für Rauchbekämpfung die Verordnung erlassen worden, in den wichtigsten Städten Versuche zur Messung des Ruß⸗ und Skaubgehalts der Luft anzustellen, und es läßt sich schon im voraus sagen, daß diese Maßnahmen überraschende und wich⸗ tige Ergebnisse zutage fördern werden. Die Sachverständigen haben für diesen Zweck bestimmte Vorschriften ausgearbeitet und Apparate angegeben, um den auf einer gewissen Fläche innerhalb einer ge⸗ wissen Zeit durch das eigne Gewicht niederfallenden Staub zu messen. Außerdem sollen die Verunreinigungen ermittelt werden, die durch einen Regenfall zur Erde gebracht werden. Dies Verfahren kann freilich noch keinen vollen Aufschluß über die Staub⸗ mengen geben, die in der Luft schweben, wird aber sichere Schlüsse darauf zulassen. Das Instrument, das für diese Arbeiten benutzt werden soll, ist eine Art von ver⸗ Feüßennen Regenmesser, dessen Querschnitt 4 Quadratfuß beträgt. Auf der Oberseite ist das Gefäß durch einen Drahtschirm geschützt, damit sich die Vögel nicht darauf setzen können. Am Boden verengt es sich trichterförmig, und steht durch eine Glasröhre mit einer Anzahl von Flaschen in Verbindung, deren jede etwa die Regenmenge von einem Monat aufnehmen kann. In die Flaschen gelangt die gesamte Regenmenge nebst dem niedergefallenen Staub und wird dann monatlich einmal zur Untersuchung fortgenommen. Die Flaschen

Resch am unteren Nil gibt die einzige Gelegenheit, acht aufetnander⸗

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werden dann elbstverständlich sofort durch saubere ersetzt. Vor der Ent⸗

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fernung der gefüllten Flaschen wird auch das ganze Sammelgefäß gründ⸗ lich gewaschen, um allen noch anhängenden Staub zu beseitigen und der Messung hinzuzufügen. Die Untersuchung geschieht dann durch besondere Angestellte, und zwar sowohl mit Rücksicht auf die chemische Zu⸗ sammensetzung wie auf die Menge und phvsikalische Beschaffenheit des Staubs. Einige Versuche, die mit diesem Verfahren oder ähnlichen gemacht worden sind, haben bereits gezeigt, welch ungeheure Massen von Ruß und Staub namentlich über den Großstädten niedergehen und wie groß die Unterschiede zwischen den einzelnen Ortschaften sind. Auf einer englischen Quadratmelle (rund 2 ½ Quadratkilometern) wurden in einer englischen Landstadt 195 t Staub und Ruß jährlich gemessen. Dies Gewicht erscheint bereits außer⸗ ordentlich groß, aber es wird weit übertroffen von den Ergebnissen an anderen Orten. Am Ostende von London wurde die jährliche Menge zu 650 t bestimmt, und in Glasgow gar auf fast 2000 t jährlich. Danach kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie stark die Luft in solchen Gegenden verunreinigt ist, und welche Mengen von Staub und Ruß in die Armungsorgane der Menschen übergehen. Es ist daher keineswegs übertrieben, wenn die Vertreter der Gesundheitspflege die Verunreini⸗ zung der Luft als einen der ärgsten Feinde der menschlichen Gesund⸗ heit bezeichnen. Ob das eingeschlagene Verfahren zur Messung dieses Uebelstandes sich bewähren wird, kann in Zweifel gezogen werden, da auch die gewöhnlichen Regenmesser sich für ihren Zweck nicht voll⸗ kommen bewährt haben. Für diesen Fall gibt es noch andere Mittel zur Stauhmessung. Am bekanntesten ist der nach Aitken benannte Staubzähler, wo die einzelnen Staubkörnchen tatsächlich gezählt werden, nach einem ähnlichen Verfahren wie die roten Blut⸗ körperchen, unter dem Mikroskop. Man muß aber im Auge behalten, daß die Zählung allein nicht genügt, sondern daß auch die Beschaffen⸗ heit der Verunreinigungen ermittelt werden sollte. Auch eine optische Methode ist empfohlen worden, die den Grad der Verunreinigung der Lüuft nach der Beeinträchtigung der Durchsichtigkeit beurteilen will. Welches Mittel nun auch gewählt werden mag, so kann es nicht ausbleiben, daß aus einer planmäßigen Durchführung solcher Messungen wichtige Aufschlüsse auch über den Zusammenhang der Luftverunreinigungen mit den einzelnen Elementen des Klimas erzielt werden, und das würde auch der erste und wichtigste Schritt zu einer tatkräftigen Bekämpfung der Rauch⸗ und Staubplage sein.

Fprritag, den 7. d. M., findet Königliche Parforc jagd statt. Stelldichein: Mittags 12 Uhr 30 Minuten am Denkmal auf dem Hasenheidenberg.

Verkehrswesen.

Winke für den Postverkehr nach Venezuela.

Durch Dekret vom 1. April 1909 ist festgesetzt worden, daß nach Venezuela Postpaketsendungen einer und derselben Waren⸗ gattung an einen und denselben Empfänger mit einem und demselben Dampfer über ein Gewicht von 20 kg brutto (in Abschnitten zu 5 kg brutto) nicht zulässig sind. Eine Partie gleichartiger Ware (so z. B. Seidenbänder, Ansichtspostkarten, gewisse gleichartige Juwelierwaren usw.) über 20 kg Bruttogewicht hinaus muß daher für den Versand mit verschiedenen Dampfern geteilt werden. Falls die obige Bestimmung nicht besolgt wird und der Importeur von einer und derselben Ware usw. in Postpaketen mehr als 20 kg einführt, erhebt die Zollbehörde einen Auf⸗ schlag von 10 % auf die ganze Postsendung. Umgehungen dieses Gesetzes etwa dadurch, daß die betreffende Postsendung an ver⸗ schiedene Empfänger gerichtet wird, sind strafbar.

Es empfiehlt sich dringend, die Aufschrift auf Brief⸗ umschlägen für Venezuela, wie übrigens für alle südamerikanischen Staaten auch, in lateinischen Buchstaben zu setzen. Das geschteht von seiten der deutschen Adressaten nur äußerst selten und hat zur Folge, daß ein nicht geringer Teil der Briefe usw. an Privat⸗ adressen nur mit Verspätung ausgehändigt werden kann, nicht selten aber überhaupt nicht zur Ausgabe gelangt. (Bericht des Handels⸗ sachverständigen bei der Kaiserlichen Ministerresidentur in Caracas.)

Theater und Musik.

Theater des Westens.

An dem im Theaterleben Berlins so ereignisreichen Sonnabend wartete auch das Theater des Westens mit einer Neuheit auf, und zwar mit der Operette „Polenblut“, Text von Leo Stein, Musik von Oskar Nedbal. Nach dem Besuch der gestrigen dritten Aufführung und nach dem stürmischen Beifall, der ihr zuteil wurde, zu schließen, dürfte die Anziehungskraft dieses Werkes den Winter überdauern. Die Kritik kann diesmal dem Urteil des Publikums voll und ganz beipflichten. Schon lange ist auf dem Gebiete der Operette kein Werk erschienen, das eine so gut und folgerecht aufgebaute Handlung und eine so vornehme musi⸗ kalische Faktur aufzuweisen hätte. Oskar Nedbal, das bekannte ehe⸗ malige Mitglied des Böhmischen Streichquartetts, hat hier eine Musik geschaffen, die dem Ganzen fast den Stempel einer komischen Oper aufdrückt und die zum mindesten dem gleichkommt, was in der guten Zeit der Operette, etwa im „Bettelstudenten“, im „Zigeuner⸗ baron“ u. a. geleistet wurde. Der Inhalt des Textbuchs ist mit wenigen Worten erzählt: eine polnische Gutsherrntochter, die den verschuldeten Besitzer des Nachbargutes Grafen Baränski liebt, verdingt sich bei ihm als Wirtschafterin. Allmählich schafft sie in Haus und Hof Ordnung, setzt die trinkenden und schmarotzenden Freunde vor die Tür, sorgt dafür, daß die Felder ordnungsgemäß bestellt werden, und erzieht auch den Grafen selbst zu einem arbeits. frohen Menschen. Das Endergebnis ahnt man voraus: der Graf verliebt sich in sie, und zuletzt werden beide, nachdem auch eine Nebenbublerin aus dem Felde geschlagen ist, ein glückliches Paar. Nedbals Musik verleiht diesen Vorgängen durch ihre flavische Eigenart die rechte Lokalfarbe. Bis auf einen schönen Walzer im ersten Akt zeigen die vorkommenden Tänze den feurigen polnischen National⸗ charakter; Mazurka, Polka, Krakowiak, Trink⸗ und Marschlieder be⸗ leben die einzelnen lebhaft bewegten Bilder. Fein ersonnen und durchgeführt sind auch die liedartigen Stellen und interessant in der Instrumentierung und Harmonisation die bis an die Grenze des Tragischen führenden dramatischen Momente. Alles in allem also eine höchst erfreuliche Arbeit. Eine glänzend ausgestattete und durch hervorragende Einzelleistungen ausgezeichnete Aufführung unter der Spielleitung von Gustav Charlé und der musikalischen Leitung von Max Roth brachte alle Vorzüge dieser Operette stark zur Geltung. Das Lieb'spaar wurde durch Marie Ottmann und Albert Kutzner gesanglich wie darstellerisch vollendet gegeben. Rosy Werginz und Poldi Augustin, Gustav Müller, Leopold Deutsch, Julius Sachs und Ewald Brückner vertraten mit Glück die anderen Hauptrollen. Wundervolle farbige Bilder erfreuten das Auge, so im ersten Akt eine städtische und im letzten eine ländliche Ballfestlichkeit. Für die letztere war in Fedia Stepanoff ein Solotänzer gewonnen worden, der mit staunenswerter Körpergewandtheit einen feurigen flavischen Tanz vorführte.

Im Königlichen Opernhause geht morgen, Mittwoch, zum ersten Male „Der Satansweg“ (Les voitures v8ge. ftnfce Oper in zwei Akten, Musik von Boieldieu, übersetzt und neubearbeitet von Georg Droescher, unter der musikalischen Leitung des General⸗ musikdirektors Dr. Richard Strauß in Szene. Die Besetzung der Hauptrollen ist folgende: Dormeuil, ein reicher Gutsbesitzer: Herr Hoffmann; Elise, Agathe, Eugenie, seine Nichten: die Damen Alfermann, Lindemann und Nawroth; Armand: Herr Henke; von Flor⸗ ville, ein Stutzer: Herr Sommer; Frau v. Merval: Frau Andrejewa⸗ Skilondz; Frl. von Glionville: Frau v. Scheele⸗Müller; Le Rond:

Herr Schwegler, I., II. und III. Reisender: die Herren Philipp, Schultz, 1“ Nicolas: Herr Düttbernd; Schmied und Stellmachers