Literatur. *
— Besangon⸗Pontarlier. Die Operationen des Generals von Manteuffel gegen den Rückzug des französischen Ostheers vom 21. Januar 1871 ab. Nach archivalischen und anderen Quellen be⸗ arbeitet von Hans Frobenius, Obernleutnant a. D. (Verlag von Gerhard Stalling, Oldenburg. Teil 1I. Buch 3: 7 ℳ, geb. 8,50 ℳ; Buch 4: 8 ℳ, geb. 9,50 ℳ; des bereits früher erschienenen Teils I, Buch 1 und 2: je 8 ℳ, geb. 9,50 ℳ). Die beiden nun⸗ mehr vorliegenden letzten Bände dieses großzügig angelegten und durchgeführten Werkes umfassen den Zeitraum vom 27. bis 29. Januar bezw. 30. Januar bis 6. Februar 1871. Sie eichnen sich, leich den vorhergehenden, durch die ge⸗ chickte kritische urchleuchtung des ursächlichen Zusammenhanges der einzelnen kriegerischen Geschehnisse aus. Die Darstellung erhält noch einen besonderen Reiz durch die Anschaulichkeit, mit der der Verfasser die Ereignisse dem Leser wie etwas Selbsterlebtes vor⸗ zuführen weiß. Sehr fesselnd ist namentlich die Geschichte des Waffenstillstandes, die Darstellung des Rückzugskampfes sowie die des Uebertrits des Ostheeres auf Schweizer Gebiet. Mit der Beendigung der Operationen des Südheeres durch die Besetzung der betreffenden französischen Departements chließt das wertvolle vierbändige Werk, nachdem noch eine Schlußbeurteilung der beiderseitigen Heeresleitungen einen kritischen Ruͤckblick gewährt hat. Hierdurch wie durch die ganze Darbietungsart des Stoffes wird dieser für Studienzwecke, Aufgaben⸗ stellungen und Kriegsspiele ganz besonders wertvoll, zumal die lehr⸗ reiche Schilderung auch der Einzeltätigkeit der auf diesem Kriegs⸗ schauplatz tätigen zahlreichen Detachements geradezu eine Fundgrube für kriegswissenschaftliche Erwägungen und Nachschaffungen bietet.
— Der Verlag von Moritz Diesterweg in Frankfurt a. M. hat eine billige (17.) Volksausgabe von Wilhelm Jordans „Sig⸗ fridsage“ veranstaltet. Ueber Jordans Nachdichtung der „Nibelungen“ in Stabreimen hat das Urteil lange geschwankt und auch heute wird das Werk sehr verschieden bewertet. Als der Dichter im Jahre 1865 als wandernder Rhapsode Bruchstücke aus seiner Dichtung vorzutragen begann, erregte er in weiten Kreisen Aufmerksamkeit. Als zwei Jahre später die Buchausgabe des zweiteiligen Epos zu erscheinen anfing, machten dle gelehrten Fachkritiker, die Germanisten, an ihr mancherlei Ausstellungen. Sie erkannten die meisterhafte Beherrschung des Stabreims durch Jordan an, wenn auch ein Teil von ibnen dessen Lebensfähigkeit an⸗ zweifelte; schwereren Bedenken begegnete die freie Ausgestaltung des überlieferten Sagenstoffes. Die Bedenklichen haben darin recht be⸗ halten, daß die Anwendung des Stabreims wenig Nachahmung fand, die Anerkennung, daß Jordan in ihm ein Meister war, blieb aber bestehen und sein freies Schalten mit der alten Sage wurde in der Folge auch von solchen, die anfangs daran Anstoß genommen hatten, weniger empfunden, nachdem Wagners noch willkürlichere Behandlung dank der zwingenden Macht seines Genius sich durchgerungen hatte. Im übrigen lautete das ÜUrteil der fachkritik meist, daß die Jordansche Nachdichtung zwar glänzende
tellen enthalte, daß sie aber doch mehr einen interessanten dichteri⸗ schen Versuch, als eine lebensvolle Schöpfung bedeute. Das große Publikum hat das Werk des Rhapsoden aber wesentlich anders und
öher eingeschätzt, das beweisen die zahlreichen Auflagen beider Teile, in denen die „Sigfridsage“ den zweiten Teil „Hildebrands Heimkehr“ überholt hat. So kann die vorliegende billige Volksausgabe, für die der Verlag trotz des Umfangs des gut ausgestatteten Buches (es umfaßt nahe an 600 Seiten) einen Preis von nur 3,80 ℳ angesetzt hat, auf eine freundliche Aufnahme in weiteren Kreisen rechnen.
— An dieser Stelle wurde jüngst einer dankenswerten Sammlung Spitzwegscher Zeichnungen gedacht, die aus alten Bänden illustrierter Witzblätter zusammengestellt und der unverdienten Vergessenheit ent⸗ rissen wurden. Heute liegt ein Folioband mit getreuen Nachbildungen von 50 aus dem Nachlaß Spitz wegs auegewählten Bleistiftzeich⸗ nungen vor. Für den von dem Holbein⸗Verlag in München geschmackvoll ausgestatteten Band, der den seinen Inhalt kennzeichnenden Titel „Die gute alte Zeit“ trägt, hat Dr. Hermann Uhde⸗Bernays eine Einleitung ge⸗ schrieben, in der er Spitzweg als Zeichner würdigt. Die wieder⸗ gegebenen Blätter werden den Beschauer durch treffliche Charakteristik und urwüchsigen, beschaulichen Humor erfreuen. Wie als Maler zeigt Spitzweg auch als Zeichner eine eigentümliche Mischung von Realismus und Romantik. Seine Bleistiftzeichnungen, meist mehr oder weniger ausgeführte Skizzen, sind “ in der Frühzeit des Künstlers entstanden; sie dienten ihm als Studien und Entwürfe; für manche
eichnung kann man vollendete Bilder ziehen, bei anderen scheint eine weitere Ausführung unter⸗ blieben zu sein, oder die Bilder sind verschollen. Die Sammlung ist sowohl kunstgeschichtlich von Interesse, da sie die Be⸗ blaug Spitzwegs als Zeichner mit gutem, zugleich seine Entwicklung
zum Vergleich heran⸗
eleuchtendem Material belegt und in die Art, wie er arbeitete, Ein⸗ licke gewährt, aber auch vom Gesichtspunkt des Kunstgenießens ist sie dankbar aufzunehmen. Sie kostet in Pappband 5 ℳ, außerdem ist eine Luxusausgabe zum Preise von 30 ℳ in einer beschränkten Anzahl hergestellt worden.
Derselbe Verlag hat eine schöne Ausgabe von Eduard Mörikes reizendem Werk „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ ver⸗ anstaltet, das bei jung und alt einer freundlichen Aufnahme gewiß sein kann. Besonderen Wert erhält die Ausgabe durch den aus⸗
ezeichneten Bilderschmuck, den der schwäbische Maler Karl Stirner ür sie entworfen hat. Seine 37 farbigen Zeichnungen von stilistischer Ein⸗ heit sind dem Text auf das feinste angepaßt. Die Eigenart der Landschaft kommt stimmungsvoll zum Ausdruck und die Darstellung des Märchen⸗ haften ist ebenso gelungen wie die Wiedergabe der Szenen aus dem heschaulichen Alltagsleben. Die Bilder sind neben ihrer künstlerischen Durchbildung, die das geschulte Auge erfreut, so schlicht und treu⸗ herzig, daß sie auch jugendliche Leser fesseln werden. Das Buch ver⸗ dient es, ein Hausbuch zu werden; um ihm seine weite Verbreitung zu erleichtern, hat der Verlag den für das Gebotene sehr 1 Preis von 6 ℳ für das einfach gebundene Exemplar festgesetzt; außerdem sind numerierte Luxusbände zu 20 ℳ vorhanden.
— Virago. Roman von Liesbet Dill. Geh. 4,50 ℳ, geb. 5,50 ℳ. (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt.) Die Tragödie des Weibes, das nicht als Frau zu empfinden und auf andere zu wirken vermag, ist das Thema, das Liesbet Dill ihrem neuen Roman
Virago“ zugrunde gelegt hat. Schon in ihrer von der Verfasserin burch viele humorvolle Einzelheiten trefflich geschilderten Pensionszeit ist die jugendliche Friederike Konz, die Heldin des Buches, eine Ausnahmeerscheinung, die den zu weiblichem Empfinden und weib⸗ lichen Schwächen heranreifenden Gefährtinnen fremd gegenüber steht. Später, als pflichttreue Gehilfin des Vaters bei der Ausübung ernster Männerarbeit, in der herben Betätigung sozialer Nächsten⸗ pflicht, trennt die Schroffheit ihres Wesens die innerlich Opferfreudige von der Umgebung, in der sie lebt. Die geheime Feindseligkeit, die sich schon lange gegen die Andersgeartete gerichtet hat, tritt offen zutage, als eine unglückliche Verkestung von Um⸗ ständen Friederike in den Verdacht einer Schuld bringt. Ob⸗ wohl freigesprochen, sieht sie sich um ihrer von Verleumdung und Enaherzigkeit mißverstandenen Wesensart willen von allen verachtet und verlassen und endet schließlich ihr einsames Leben, dem sie keinen Inhalt mehr zu geben vermag, durch Selbstmord. Mehr noch als in ihren anderen Romanen hat Liesbet Dill auf eine hand⸗ lungsbewegte . zugunsten liebevoll Milieuschilderung verzichtet. Sie läßt es nicht an dem Streben nach psvpchologischer Vertiefung fehlen, krosgen⸗ ist es ihr nicht völlig gelungen, den fremdartigen, künstlerisch schwer darzustellenden Charakter Friede⸗ rikens dem Leser Folgerichtigkeit nahe zu bringen. Trotz alles technischen Könnens, trotz der ungewöhnlichen Schilderungskunst der Verfasserin empfindet
an es als einen Mangel, wenn immer wieder in dem Buch lange, atur und Umwelt Schilderungen eingestreut werden, und gerade an bedeutsamen Wendepunkten, an denen eine pfychologische Begründung unbedingt zu verlangen wäre, Auch haftet der Sprach⸗
immer mit überzeugender
behandlung häufig etwas allzu Lässiges an. Sätze, wie die folgenden, ver⸗ stimmen bei einer Schriftstellerin, die stilistisch begabt ist. Auf Seite 510: Die Fahne im Kasino hing in welken, schlaffen Falten herab, wie eine müde Frau die Arme hängen läßt. Auf Seite 536: Mit verdeckten Körben, aus denen die Bierflasche und der dampfende Kessel lugten, eilten Buben und Mäbdchen an ihr vorbei, junge saubere Frauen, ein Kind auf dem Arm, wacklig gewordene Großmütter, die zum Essen⸗ tragen benutzt wurden, und Greise, alle nahmen denselben Weg zur Hütte hinauf. — Dieser unleugharen Schwäche in Liesbet Dills neuestem Roman stehen aber auch unbedingte Vorzüge gegenüber. Die Kunst der Kleinmalerei, in der die Verfasserin meisterhaftes bietet, tritt auch in „Virago“ oft überraschend hervor. Anschaulich und selbst den Unkundigen fesselnd, sind die Schilderungen aus dem Industriegebiet der Saar, die der Handlung den Rahmen geben. Mit greifbarer Lebendig⸗ keit tritt uns eine Fülle von Nebenpersonen entgegen, Nelly und Maud, die Genossinnen aus Friederikens Pensionsjahr, die treue, mit besonderer Liebe gezeichnete Minna, die dem Witwerhaushalt von Rudolf Konz vorsteht. Der tüchtige Fachmann und landläufige Mensch Schmeedes, Rudolf Konz, der Großindustrielle mit der rück⸗ sichtslosen Gradheit und dem kargen Menschentum, auch sie sind lebenswahre Typen, die sich dem Leser mit großer Deutlichkeit ein⸗ prägen und es ihn oft vergessen lassen, daß die innere Entwicklung der Heldin, die den Hauptinhalt des Romans bilden sollte, stellenweise hinter dem allzu bevorzugten Beiwerk zurücktritt. 8 — Möbel. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber von Robert Schmidt. Mit 189 Abbildungen. Berlin 1913. (8 ℳ.) Daß die umfangreiche Literatur über unsere Hausmöbel wenigstens in Deutschland bisher kein Buch wie das vorliegende enthielt, ist ver⸗ wunderlich. Was wir besitzen, sind eigentlich nur umfangreiche Ver⸗ öffentlichungen über einzelne Gruppen oder Stile. Wo die Möbelkunst als ganzes behandelt wird, geschieht es summarisch im Rahmen einer allgemeinen Geschichte des Kunstgewerbes. Der Berliner Verlag. der seit einiger Zeit eine „Biblinthek sür Kunst⸗ und Antiquitätensammler“ zu schaffen unternimmt, hat erkannt, was gerade auf diesem Gebiet fehlt: ein Handbuch ohne gelehrten Ballast, aber doch eingehend genug, um den Freund und Käufer alter Möbel auf eigene Füße zu stellen. Diesem Zweck dient der von Robert Schmidt am Berliner Kunstgewerbemuseum verfaßte Band in mustergültiger Weise. Er beschränkt den Stoff durch Ausscheidung der kleinen Utensilien, der Bilderrahmen, Lesepulte, Blase⸗ bälge usw., und durch Konzentration auf die häuslichen Einrichtungsstücke. Diese aber lehrt er gründlich verstehen aus ihrer Geschichte, ihrem Material, ihrer Technik und aus dem Gebrauchs⸗ zweck. Die strenge Ausscheidung des Nebensächlichen, der klare Auf⸗ bau und die exakte Beschreibung der Einzeltypen, die durch scharfe Abbildungen unterstützt wird, berühren wohltuend. Wo Kritik eübt wird, ergibt sie sich wie von selbst aus dem Zlick auf das Ganze der Entwicklung. — Daß dem deutschen Hausgerät der Hauptraum gegönnt ist, während das italienische kürzer und in der Hauptsache im Anschluß an Bodes „Italienische Hausmöbel der Renaissance“ behandelt wird, ist nur zu billigen. Wir sind überzeugt, daß das Buch, das nichts für sich sein, sondern nur als zuverlässiger Begleiter dienen will, seinen Weg allen Freunden und Sammlern edler Möbelkunst finden wird.
Technik.
A. F. Einer Besichtigung der Königlichen Versuchs⸗ anstalt für Wasserbau und Schiffbau war ein Besuch gewidmet, den unter Führung von Geheimrat Friedel die „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimatkunde, kürzlich vornahbm. Die 1902 und 1903 erbaute, seit 1904 zu immer steigender Bedeutung erwachsene, eigenartige wissenschaftliche Anstalt liegt auf der Schleuseninsel im Tiergarten. Für den Laien ist es nicht leicht, sich von der Art und Bedeutung der in der Anstalt geleisteten, streng wissenschaftlichen Arbeit ein Bild zu machen. Ohne die eingehenden lichtvollen Erklärungen des Diplom⸗ ingenieurs Schaffran, des Admiralstabssekretärs Voigt und einiger anderer Beamten, die sich als Führer der einzelnen Gruppen be⸗ mühten, wäre wohl mancher der etwa 60 Teilnehmer von dem Besuch heimwärts gewandert, ohne sich genügend Rechenschaft von dem Gesehenen geben zu können; denn das körperliche Sehen genügt hier weniger als irgendwo, wenn ihm nicht gleichzeitig die gehörige Erleuchtung geboten wird. Es ist vielleicht für die nachfolgende Berichterstattung empfehlenswert, diese beiden Gruppen „Wahrnehmung“ und „Belehrung“ zu trennen, also zunächst zu sagen, was man gesehen, und dann erst, welche Erläuterang man von den kundigen Herren empfangen hat. In diesem Sinne berichtend sei also zunächst die Reihenfolge der empfangenen Eindrücke “ 1) Formung von an Ort und Stelle in Tonformen ge⸗ gossenen Paraffinmodellschiffchen (bis zu 4 m Länge) durch Maschinen, welche die Seitenwände der Schiffe getreu der Beschaffenheit der aus Planken gebildeten Wände großer Schiffe herausarbeiten. 2) Er⸗ kennbare Wirkung einer bewegten Schiffsschraube auf den aus einer Sandschicht bestehenden Boden eines Wasser⸗ beckens. Man sah in einem großen, elektrisch erleuchteten Wasserbecken eine solche vor dem Steuerruder angeordnete Schraube arbeiten und gewahrte zugleich die tiefe, von dieser Bewegung im Sande erzeugte Mulde. 3) Es zeigte sich ferner meßbar die Wirkung der Schraubenbewegung auf die Uferbefestigung verschieden bei verschiedener Uferbeschaffenheit. 4) Ein Modellschiff wurde durch einen elektrischen Schlepperwagen schnell durch das 150 m lange und 8 m breite Wasserbassin gezogen und hierbei ein den Wasserwiderstand messender, auf dem Schlepperwagen befindlicher Registrierapparat be⸗ tätigt, um die Verschiedenheit der Widerstände bei verschiedenen Schiffsformen zu ermitteln. 5) Es wurden gezeigt verschieden gestaltete Wasserausflußöffnungen bei Schleusen⸗ und Stauanlagen mit Meß⸗ einrichtungen für die Menge des ausfließenden Wassers, die, beeinflußt durch verschiedene Beschaffenheit der Oeffnung, der Zu⸗ und Ab⸗ flußrohre, verschiedene Mengen der ausströmenden Flüssigkeit bei gleicher Größe der Oeffnung von 700 bis 1200 1 in der Minute ergeben. 6) Torpedomodelle und Versuche, welche Modelle bei sonst gleichen Verhältnissen die größte Wirkung resp. den geringsten Wasserwiderstand ergeben. — Es erhellt hieraus also die Bestimmung der Anstalt, nicht nur den Unterrichts⸗ und An⸗ schauungszwecken der benachbarten Technischen Hochschule zu dienen, sondern darüber hinaus auch wichtigen praktischen Versuchen und Fest⸗ stellungen durch die Wasserbautechniker des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten sowie durch die Ingenieure des Reichsmarineamts Vorschub zu leisten. Außerdem ist der Privatindustrie die Benutzung der vorhandenen ausgezeichneten wissenschaftlichen Hilfsmittel gegen mäßige Gebühren gestattet, soweit es das an erster Stelle zu befriedigende Bedürfnis der öffenilichen Anstalten zuläßt. Gerade beim Schiff⸗ bau kommt man mit Theorien nicht allzuweit, der Versuch aber er⸗ spart manch schweres Lehrgeld, er ersetzt die langsamer arbeitende Er⸗ fahrung und gibt der Wissenschaft auf manche Fragen schnell und sicher Antwort, welche ohne Mitwirkung des Versuches schwierig zu lösen sind, weil mannigfache Faktoren unerkannt oder noch nicht ge⸗ nügend erkannt mitwirken. Aus diesem Grunde kann der Schiff⸗ bauer vor allem den Modellversuch nicht entbehren. Allen diesen Ueberlegungen verdankt die Anstalt ihre Entstehung. Ihre Bau⸗ kosten, die unter Benutzung von 5 Stadtbahnbogen sich wesentlich gemindert haben, beliefen sich auf 382 000 ℳ. Die Anlagen um⸗ fassen jetzt, nachdem 1910 ein Umbau vorgenommen worden ist, 1) ein großes, massiv überdachtes, gegen Wind und Wetter geschütztes Wasserbecken, genauer die Nachbildung eines Flußlaufes, dem auch verschiedenes Gefälle gegeben werden kann, von 150 —160 m nutzbarer Länge, 8,2 m Breite und 4,2 m gtößter Tiefe — bestimmt zu den ver⸗ schiedenen Versuchen mit den Modellschiffen und den sich anknüpfenden, mannigfaltigen Beobachtungen, gespeist durch einen Wasserzufluß vom nahen Landwehrkanal her, 2) einen elektrisch betriebenen, 12 m langen Schleppwagen, auf Schienen von 8,6 m Spurweite laufend und bestimmt, die Schiffs⸗ und Propellermodelle zu bewegen, 3) eine kleinere Rinne von nur 20 m Länge für kleine Flußmodellschiffe, 4) Werkstätten, Zeichenräume, eigene elektrische Kraftanlage für Schleppwagen und
kleinere Maschinen (Arbeitsmaschinen der Tischlerei und Schlosseren der Schiffsmodell⸗ und Propellermodellfräserei usw). Zu den Ver⸗ suchen, deren wesentlichster oben gedacht wurde, gehört auch die Strömungen zu messen, die das in Fahrt befindliche Schiff in der Wassermasse hervorruft. Diese Wellenbildung wird mittels seitlicher photographischer Auf ahmen mit Blitz. lichtpulver festgelegt. Der treffliche Gedanke, beabsichtigte Wasser⸗ bauten und Stromkorrektionen erst am Modell zu erproben, ist zuerst von Geheimrat Engels in Dresden gefaßt, praktisch gestaltet und seine Ausführbarkeit in einem Versuch im großen in Uebigau bei Dresden im dortigen Etablissement der Schleppschiffahrtsgesellschaft „Kette“ praktisch dargetan worden. Seitdem sind an mehreren Stellen in Deutschland ähnliche Veranstaltungen getroffen worden, zunächst aber keine in der Größe und mit dem Präzisionsapparat ausgerüstet wie er in Charlottenburg zur Verfügung steht. Während diese Er⸗ findung einem Deutschen zu danken ist, beruht die Einrichtung der zweiten Abteilung der Versuchsanstalt, die sich als Hauptaufgabe stellt, Modelle von Schiffen auf den Widerstand zu prüfen, den sie bei der Fortbewegung im Wasser finden, auf der Erfindung des eistireden Ingenieurs Froude, der hiermit allerdings Gedanken praktisch gestaltete, die seit lange die Schiffbauer beschäftigten, aber doch der erste war, gerade das Paraffin als Material für die Schiffs⸗ modelle zu empfehlen und anzuwenden. Dieser Stoff bietet nicht nur die gleichen Vorteile der Formunvperänderlichkeit und Haltbarkeit wie Holz, er hat vor diesem den ungeheuren Vorzug der Billigkeit voraus, da er mit geringem Verlust immer wieder ein⸗ und umgeschmolzen werden kann. Daß hiermit auch ein großer Zeitgewinn in der Modellanfertigung erreicht wird, liegt nahe. Die praktische Ausführung ist folgende: Ein viereckiger hölzerner Kasten von den 2 —3 m langen Modellen entsprechenden Abmessungen wird mit knetbarem Ton gefüllt und von letzterem aus der Kastenmitte so viel und in solcher Art durch Ausraffen wieder entfernt, daß ein rohes Negativ des zu formenden Modells im Ton entsteht. In diese Oeffnung bringt man von oben ein aus hölzernen Latten bergestelltes, mit starkem Papier bekleidetes und außen glattes Modell hinein, das genau dem Innenraum des herzustellenden Paraffinmodells entspricht. Zwischen dem Negativ und diesem Modell bleibt somit ein Zwischenraum, entsprechend der Wandstärke des anzu⸗ fertigenden Modells. Nunmehr füllt man diesen Zwischenraum mit flüssigem Paraffin bei 80° C. und läßt dies während 10—15 Stunden erstarren. Es genügt alsdann Einlassen von Wasser, um das Paraffin von dem Ton zu trennen. Das so gewonnene rohe Modell aber bedarf noch einer sorgfältigen Bearbeitung und Adjustierung, um es in genaue Uebereinstimmung mit der Zeichnung zu bringen. Das geschieht mittels einer Maschine, an der das Modell auf einem horizontal beweg⸗ lichen, vertikal verstellbaren Schlitten zwischen zwei Fräsern hin⸗ durchgeführt wird, deren Entfernung voneinander in sinnreicher Art dadurch sicher geregelt wird, daß auf der über der Maschine ausgebreiteten Zeichnung des betreffenden Querschnittes dessen Um⸗ risse mit einem Stift verfolgt werden. Diese Operation wird unter entsprechender vertikaler Verstellung des Schlittens so oft fortgesetzt, als Profile auf das Modell übertragen werden sollen. Es entstehen dadurch so viele horizontale Furchen am Modell, als Profile übertragen wurden, und es bedarf dann nur der Beseitigung der zwischen den Furchen stehen gebliebenen Paraffinstege, um das Modell symmetrisch, der Zeichnung getreu, und mit glatter Ober⸗ fläche herzustellen. Nunmehr ist das Versuchsobjekt zur Anstellung der Widerstandsprobe in dem Wasserbecken bereit. Ueber das⸗ selbe hinweg fährt auf zwei rechts und links angelegten Schienen, durch Elektromotor bewegt, jener ad 2 gedachte Schleppwagen, dee die selbstregistrierender Meßinstrumente trägt. Diese bestehen im wesent⸗ lichen aus einer mit Papierstreifen belegten, sich drehenden Trommel, auf der eine Tintenfeder die Bewegungen des kurzen Armes eines zweiarmigen, vertikalen Hebels verzeichnet, dessen sehr viel längerer unterer Arm bis dicht über die Wasseroberfläche hinabreicht und hier in feste Ver⸗ bindung mit dem auf dem Wasser schwimmenden Modell gebracht ist, über das man zu diesem Zwecke vom Vorder⸗ zum Hinterende einen hölzernen Bügel gesvannt hat. Da bei der Fortbewegung des Wagens das Modell im Wasser Widerstand findet, wird auf den Hebel ein von dem Widerstande abbängiger größerer oder geringerer Druck ausgeübt, der in Form einer leicht in Ziffern zu übertragenden Kurve zur Aufzeichnung gelangt. Aus der Aufzeschnung ist zugleich die Geschwindigkeit des Wagens zu ersehen. Mit jedem Modell werden mehrere Versuche angestellt, sodaß den Ergebnissen große Zuverlässigkeit beiwohnt. — Von der Tätigkeit der Versuchsanstalt gibt eine ungefähre An⸗ schauung der folgende Leistungsbericht seit 1905: Alle seit diesem Jahre in Bau gegebenen Kriegsschiffe der deutschen Marine sind im Modell in der Anstalt geschleppt worden. Mehrfach wurden nach dem Ausfall der Versuche die Konstruktionsrisse berichtigt. Aber auch von ausländischen Schiffswerften, so auch von der österreichi⸗ schen und russischen Marine, wurde die Anstalt viel benutzt, sodaß schon über ein Jahr mit doppelter Arbeitsschicht ge⸗ arbeitet werden muß, um alle Aufträge zu erledigen. Im verflossenen Jahre war die Anstalt mit 110 Versuchen an etwa 50 Modellen von Schiffen und 100 Propellern beschäftigt. Neuer⸗ dings hat die Marine bei Marienfelde, weil die ihr gewährte Teil⸗ nahme an der Anstalt (3 Monate im Jahre) nicht mehr ausreichte, eine eigene Modellschlepperei angelegt. Es wird sich voraussichtlich aus dieser Entlastung die Möglichkeit ergeben, die Anstalt in größerem Umfange auch für den Handelsschiffbau zur Verfügung zu stellen und über manche Fragen des Schiffbaues vermehrtes Licht zu verbreiten. Immer jedoch wird auch hier die Wissenschaft das letzte Wort in der Gewinnung und Nutzbarmachung gewonnener Ergebnisse behalten
Land⸗ und Forstwirtschaft.
8 Zur Konservierung der Kartoffeln
führt der Deutsche Landwirtschaftsrat in seiner Korrespondenz aus: In dem letzten Saatenstandsbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats wurde mitgeteilt, daß die Berichterstatter vielfach über schlechte Haltbarkeit der Kartoffeln geklagt hätten und daß man größeren Verlusten durch schnelles Verfüttern und Trocknen vor⸗ zubeugen versuche. Hiernach scheint ein neues und sicheres Verfahren für die Konservierung der Kartoffeln in landwirtschaftlichen Kreisen noch wenig beachtet zu werden. Dieses besteht in der Einsäuerung nach einem vom Institut für Gärungsgewerbe (Berlin, Seestraße) ausgearbeiteten Verfahren mit Reinzuchtmilchsäurebakterien. Während die Hartoffeleinsäuerung mit „wilder Säuerung“ 40 — 50 % Verlust bringt, arbeitet die Einsäwerung mit Reinkulturen fast ohne Verlust.
Weizeneinfuhr nach Marseille.
Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung „Le Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nach Marseille auf dem Seewege betragen:
in der Zeit vom 19. bis 24. Oktober davon aus Rußland .. in der Zeit vom 26. bis 31. Oktober 1 1 davon aus Rußland. in der Zeit vom 2. bis 7. November davon aus Rußland.. und aus Hamburg. . der Zeit vom 9. bis 14. November.. 8 davon aus Rußland.. 8 c2“*“ In den Zollniederlagen in Marseille befanden 12. November 109 270 dz. (Bericht des Kaiserli Marseille vom 15. November 1913.)
177 956 dz 109 059 234 687 197 090 192 903 76 604 11 490
133 552
5 050 sich a Konsuls in
298 805 „ imn
8
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Sonnabend, den 22. November
Berichte von deutschen Getreidebörsen und Fruchtmärkten.
Hauptsächlich gezahlte Preise für 1 t (1000 kg) in Mark
November
Weizen
11“
Gerste
Hafer
mittel gut
Königsberg i. Pr. Danzig. Berlin Stettin. Posen⸗ 8 Breslau. Crefeld. Cöln... Dresden. Mainz.. 4 Hamburg. 8 Straßburg.
Berlin, den 22.
d0 — *.
183 182—1
178 182—1 183—1
189—1
8ZZ“
191 — 194 190 — 193 182 — 187 190 — 196,50
. 8 200—2
145 — 146
84
84 146 — 148 85 153 — 155 159 — 161 6 157 — 159 156 — 157
160 —169 154 — 156 161 — 163 166— 169 173 — 176
Kaiserliches Statistisches Amt. 6,3 Srtzisc
167 — 170 166— 169 155 — 157 175 — 182,50
“
von anderen deutschen
1913
mittel Verkaufte
November G
ezahlter Preis für 1 Doppelzentner Menge
Tag niedrigster V ℳ
höchster
niedrigster höchster niedrigster höchster Doppelzentner ℳ ℳ ℳ ℳ ℳ
133 8
180 — 183 167,50 — 177,50
167— 170
Außerdem wurdern am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentne (Preis unbekannt)
Am vorigen Markttage
zentner
ℳ
Landshut Augsburg
Landshut Augsburg
Landshut Augsburg 1 14,20 10,75
Landshut 13,60
Augsburg Bemerkungen. E
in liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,
Berlin, den 22. November 1913.
. kaufte M wird volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Ird Die ver auste Mene wteh, agl daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten,
Weizen.
19,67 0 y20,00 18,80 19,00
Roggen.
20,33
17,67 19,60
16,40
19,00 16,80
15,36
15,20 16,00
15,80
Gerste.
15,00 15,00
Hafer. 15,59 15,00
15,40 15,60
15,77
13,08 16,00
14,80
13,46
11,92 14,80
14,20
46 6,6 1199
14,52 15,40 266
14,80
13,44 V 14,40
12,37 14,20
Kaiserliches Statistisches Amt. n— elbrück.
20,06 18,38
19,37 18,00
3 982 3 671
15,98
108 15,36 15,56
2 753 15,55
3 149
13,38 350
888 14,58
15,39
1 661
13,95 3 895
14,78 V 14,64
14,65
Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
daß entsprechender Bericht fehlt.
— 8
Wohlfahrtspflege.
Die erste Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Kinderhorte fand am 8. und 9. d. M. in Erfurt statt. In der öffentlichen Abendversammlung am 8. sprach der Bürgermeister Maß⸗Görlitz über das Thema: „Was kann der Kinderhort gegen die zunehmende Verwahrlosung der Jugend tun? Die Notwendigkeit der Horte ergibt sich, wie der Redner etwa ausführte, aus der Tatsache, daß 4 ½ Millionen Frauen außerhäuslich erwerbstätig sein müssen, ihnen also die Möglichkeit fehlt, sich ihrer Kinder in ausreichender Weise anzunehmen. Schwer⸗ wiegend sind die Gefahren, die diesen aufsichtslosen Kindern drohen, die ohne Heim, ohne mütterliche Fürsorge zu genießen, auf die Straße angewiesen sind. Eine große Zahl der Fürsorgezöglinge, der jugend⸗ lichen Verbrecher stammt aus dem Kreise dieser aufst tslosen Kinder, bei denen die traurigen Familienverhältnisse, nicht die schlechte Veranlagung, der Grund zur Verwahrlosung war. Der Hort will bei den aufsichtslosen Schulkindern die Familie .“ aber er soll und muß stets nur Aushilfscharakter haben und will nicht in die Familie eingreifen, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Bis jetzt wird durch die Hortfürsorge nur ein Bruchteil der aufsichtslosen Kinder erfaßt, eine große Anzahl steht noch außerhalb dieses Kreises, da die vorhandenen Mittel nicht im mindesten zur Erweiterung und Vertiefung der Arbeit ausreichen; daher ist die Schaffung von Geldmitteln eine wichtige Aufgabe der beteiligten Kreise. Der Vortragende entwarf dann eine Organisation des G Der Hort muß in engster Verbindung mit der Schule stehen, ohne aber daß die Lehrpersonen die Hortleitung in Händen haben. Es ist wünschenswert, daß die Horträume sich außerhalb des Schulgebäudes befinden, um das Schulmäßige völlig zu verbannen, das Heim mehr zu betonen. Die Eltern sollen, wenn irgend möglich, für den Hortbesuch einen kleinen Beitrag leisten; es liegt in der Erinnerung, deß ihnen eine Last abgenommen wird, ein nicht zu unterschätzender erzie 68 Wert. Von großer Bedeutung für die gedeiliche Arbeit an den Kindern ist die Persönlichkeit der Portleitering eine dringende Forderung daher, diese Arbeit nur beruflich gründlich vorgebildeten Frauen zu über⸗ tragen. — Die Verhandlungen am Sonntag wurden durch die Ab⸗ legung des Jahres⸗ und Kassenberichts eröffnet. Der Verband umfaßt seit seiner Gründung im Jahre 1912 63 Vereine, 2 Einzelpersonen und 4 korrespondierende Mitglieder in Phtladelphia, Toronto (Canada), Tokio (Japan) und Budapest. In einer Ausschußsitzung am 29. Junt dieses Jahres wurden verschiedene Gruppen gebildet, die bestimmte Arbeits⸗ gebiete übernehmen: Vorbereitung von Mitgliederversammlungen, Bearbeitung der Presse, Ausbildung und Fortbildung der leitenden Persönlichkeiten, Revision der Satzungen usw. — Zu dem Haupttema: „Wie muß das Hortwesen ausgestaltet werden, um seinen Aufgaben in der Gegenwart zu genügen?“ sas der Rektor Matag⸗Berlin in seiner einleitenden Berichterstattung einen statistischen Ueberblick über die ungeheure Zahl der der Hortfürsorge bedürftigen Kinder und der zur Durchführung dieser Arbeit not⸗ wendigen Mittel. Bis jetzt ist die Trägerin dieser Bestrebungen in der Hauptsache die Charitas. Staat und Kommune, die bis jetzt etwa †½ der Kosten bestreiten, müßten und würden in ihrem eigenen Interesse höbere Aufwendungen machen, da durch die prophylaktische Tätigkeit des Hortes der Armenverwaltung, Für⸗ sorgeerziehung usw. große Summen erspart würden. Die Hortarbeit — allerdings nur als Notbehelf anzusehen — soll eine Not lindern, eine Lücke ausfüllen, die das Wirtschaftsleben riß, da es die Frau zwang Erwerbsarbeit außerhalb des Hauses zu suchen. — Fräulein Anna von Gierke⸗Charlottenburg beschäftigte sich mit der üußeren Einrichtung der Horte und der Einteilung des Tages⸗ plans und entwarf ideale Zukunftsbilder des 1b Rahmens wohl wie des inneren Gerüstes der Hortarbeit. Eine Fülle
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von Problemen enthält die Frage: welche Kinder sind in den Hort aufzunehmen, wie ist die Zusammenarbeit mit den Nachbargebieten zu organisieren, die Fürsorne für das noch nicht schulpflichtige und das schulentlassene Kind zu regeln? Der Hort ist ein Glied in der Kette der sozialen Fürsorge, das, je vollkommener es in sich ist, desto besser der Allgemeinheit dient. Die Einteilung der Räume, Ausstattung der⸗ selben, die Zeiteintetlung, die Gruppierung der Kinder, die Wahl der Hortleitung, die beruflich arbeitende Kraft, unterstützt durch ehrenamt⸗ liche Hilfen, die Organtsation der Beschäftigung, jedes stellt einen überaus wichtigen Teil des Ganzen dar und bedarf der gründ⸗ lichsten Prüfung. — Fräulein Lili Dröscher⸗ Berlin sprach über und Beschäftigung im Hort“. Aus freudloser, trauriger Umgebung kommen diese aufsichtslosen Schulkinder in den Hort, wissend um die Not des Lebens, erdrückt vom grauen Alltag. Aus ihnen sollen starke, freie Menschen werden; der Hort soll ihnen helfen, zu einer reineren, helleren Atmosphäre aufzusteigen. Ein wichtiges Erziehungsmittel ist die Arbeit. Grundsatz für die Beschäftigung im Hort soll sein, das Kind nur sinnvolle Arbeit tun zu lassen, es zur Werkfreude zu erziehen. — Die letzte Unterabteilung des Haupttemas bildeten die Ausführungen des Beigeordneten Dr. Heß⸗Barmen über „Die Beziehungen der Kinderhortarbeit zur sozialen Wohlfahrts⸗ pflege’. Er sieht in der ausgedehnten sozialen Fürsorge für das Kind vom Säuglingsalter bis zur und nach der Schulentlassung eine erhebliche Gefahr für das Familienleben. Die Mutter wird ihrer schönsten und heiligsten hh enthoben, das Familienleben aufgelöst. Die Gesetzg⸗bung bemüht sich, die Frau mehr der Familie zu erhalten durch das teilweise Verbot und die Einschränkung der Frauenarbeit in gewerblichen Betrieben. Bei der Hortarbeit sollte man drei Forderungen stellen: 1) nicht zu vergessen, daß Mutter und Kind unbedingt zusammengehören, und nur einzu⸗ greifen, wenn die Frau zur Vermeidung von Armenunterstützung Arbeit nehmen muß oder eine sittliche Gefährdung der Kinder vorliegt, 2) nicht zu unterstützen, sondern zu helfen, das Uebel an der ” zu fassen, eingehend zu prüfen, ob die Hortfürsorge wirklich die einzig mögliche Maßnahme für das Wohl der Familie ist; 3) liegt in der Häufung der Wohltaten auf eine Familie eine weitere Gefahr, der durch den Zusammenschlußaller lokalen sozialen Bestrebungen zu einem Wohlfahrtsverband erfolgreich entgegengetreten werden kann. — Die Richtlinien, welche die Verhandlungen für das neue Arbeitsjahr angezeigt haben, liegen 1) in der sorgsältigen Auswahl der in den Hort auf⸗ zunehmenden Kinder, 2) in der Ausbildung des Horts zum wahr⸗ haften Heim, zu einer Stätte, die Ersatz bieten soll für liebevolle mütterliche Erziehung, 3) in der engen Einordnung des Horts in die gesamte Wohlfahrtspflege zur Wahrung der einheitlichen Gesichts⸗ punkte sowie zur Abstellung und Verminderung der Grundübel. Da es sich, wie die Statistik feststellt, um eine Massennot handelt, ist eine öffentlich ergäntende Tätigkeit notwendig, sowohl um die not⸗ wendigen Erziehungskräfte vorzubilden, als auch um die materielle Grundlage für eine erweiterte Hortpflege zu schaffen.
Nr. 47 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 19. November 1913 hat folgenden In⸗ halt: Personalnachricht. — Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. — Desgl. gegen Cholera. — Desgl. gegen Gelbfieber. — Gesetzgebung usw. Internationale Uebereinkunft über Handels⸗ bezeichuungen auf Waren. — (Deutsches Reich.) Desinfektion
von Güterwagen. — (Preußen.) Gegengiftkasten. — (Bayern.) Geisteskranke. — (Württemberg.) Kinderlähmung. — (Lippe.) Apotheken. — (Spanien.) einuntersuchung. — (Ver⸗ einigte Malaienstaaten.) Lebensmittel ꝛc. — (Südafrikanischer Bund.)
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Wein, Essig ꝛc. — (Vereinigte Staaten von Amerika) Nahrungsmittel. — Fleisch. — Tierseuchen im Auslande. — Desgl. in Großbrilannien, 3 Vierteljahr. — Desgl. in Irland, 1912. — Desgl., 3. Vierteljahr 1913. — Verbhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften, Vereinen, Kon⸗ gressen usw. (Großbritannien.) X. internationaler tierärztlicher Kon⸗ greß. — Vermischtes. (Preußen.) Uebertragbare Krankheiten, 1912. — (Niederlande Rotterdam.) Lebensmitteluntersuchung, 1912 — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und
München, Oktober.
Handel und Gewerbe.
Konkurse im Auslande. Bosnien.
I. Kreisgericht Mostar. Name des Falliten: Brada (Brüder) Mréié (Inh. Ivo und Simun Meëié) in Capljina. Konkurs⸗ verwalter: Rechtsanwalt Dr. D. Mact, Stellvertreter Rechtsanwalt Dr. Pero Mandié, beide in Mostar. Anmeldetermin und Prüfungs⸗ termin: 12. Februar 1914. 1
II. Kreisgericht Tuzla. Name des Falliten: Osmanbeg H. Isabegovié & Söhne in Tuzla (Inh.: Alibeg und Hamdibeg H. Isabegovie). Konkursverwalter Rechtsanwalt Dr. Nikola Sto⸗ janovié, Stellvertreter Rechteanwalt Dr. Ivo Pilar, beide in Tuzla. Anmeldetermin: 20. Dezember 1913. Prüfungstermin: 12. Januar 1914.
Den Anmeldungen, die in serbo⸗kroatischer Sprache abzufassen sind, müssen etwaige Beweisurkunden in Ur⸗ oder Abschrift beigefügt werden. 1
6 Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 21. November 1913:
Rluhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen
“ Nicht gestelt —
— In der gestrigen Hauptversammlung des Roheisen⸗ verbandes in Cöln wurde laut Meldung des „W. T. B.“ über die Marktlage berichtet. Auch im Oktober war der Versand befriedigend und hielt sich mit 92,75 % der Beteiligung auf der Höhe des Vor⸗ monats, wobei hervorgehoben werden muß, daß der Versand ins Ausland bereits seit Monaten zurückgegangen ist. Die Verkaufstätig⸗ keit für das erste Semester 1914 ist vor einigen Wochen aufgenommen worden. Ein Teil der Abnehmer deckte inzwischen den Bedarf. Vom Auslande ist in den letzten Tagen die Nachfrage nach Roheisen ent⸗ schieden lebhafter geworden.
Berlin, 22. November. (W. T. B.) Die Einnahmen der Türkischen Tabak⸗Regie⸗Gesellschaft betrugen im Monat Oktober 1913: 26 700 000 Piaster gegen 17 600 000 Piaster in dem
gleichen Monat des Vorjahres.
Paris, 21. November. (W T. B.) Der von dem Ausschuß der Obligationsbesitzer der Südbahn einberufenen Versammlung wohnten gegen 1500 Obligationäre bei, welche etwa 700 000 Obli⸗ gationen vertraten. An den von dem Vorsitzenden Gardé erstatteten Bericht knüpfte sich eine längere Besprechung, worin die Ver⸗
sammlung nahezu einstimmig die vom Ausschuß vorgeschlagene
Resolution annahm, in der den in Wien am 9. und 11. Ok⸗