1913 / 279 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Nov 1913 18:00:01 GMT) scan diff

sachern verteldigt, sodaß zuletzt dem Kaiser, der als moderner Geck und geschildert wird, nichts übrig bleibt, als die ganze Gesellschaft zu begnadigen. Durch eine von Reinhardt selbst in Szene gesetzte, auf den rechten Ton gestimmte Aufführung wirkten die geistvollen Shawschen Spöttereien, hinter denen man keine tiefergehenden Absichten zu suchen hat, äußerst erheiternd. Komisch durch seinen Ernst wie durch seine Einfalt war Viktor Arnolds Androklus, und der virtuos ausdrucksvoll brüllende Löwe Ernst Matrays erinnerte daran, wie Zettel der Weber in Shakespeares „Sommernachtstraum“ sich rühmt, den Wüstenkönig darstellen zu wollen. Eine Prachtgestalt schuf Wilhelm Diegelmann als hünen⸗ hafter Kraftmensch Ferrovius, in unübertriebenem Gardeleutnantston spielte Ernst Dumcke den Hauptmann und mit wienerischem Einschlag Egon Friedell den Kaiser. Die beiden Frauengestalten waren bei Margarete Kupfer (Megäre) und Mary Dietrich (Lavinia) in den allerbesten Händen. Die von Ernst Stern geschaffene Bühnen⸗ ausstattung zeigte mit dem Malerauge gesehene Bilder aus dem

antiken Rom. Lustspielhaus.

Der neue Schwank „Die spanische Fliege“, der gestern die Besucher des Lustspielhauses in fröhliche Heiterkeit versetzte, ist gewissermaßen im Hause gearbeitet. Franz Arnold und Ernst Bach, zwei begabte Darsteller des genannten Theaters, sind seine Verfasser. Sie haben aus dem reichen Schatz ihrer Bühnen⸗ erfahrungen und ⸗Erinnerungen ein Stück nach bewährten Rezepten geschickt verfertigt, das dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums gebübrend Rechnung trägt. Den Inhalt braucht man nicht zu verraten. Es ist ein Verwechslungsschwank wie andere mehr und wirkt, wenn man sich nicht an Unwahrscheinlichkeiten stoßen will, lustig genug; auch an Wortwitzen, Dialogscherzen und Ueberraschungen aller Art fehlt es nicht. Solche Stücke werden erst durch die gute Darstellung lebendig, und da die beiden Verfasser in Rollen mit⸗ spielten, die sie sich, wie der Kunstausdruck lautet, „auf den Leib ge⸗ schrieben“ hatten, so blieb auch der Erfolg nicht aus. Herr Arnold gab einen Berliner Mostrichfabrikanten in seiner behäbig komischen Art, und Herr Bach einen jener leichtsinnigen Frechlinge, die er so vor⸗ trefflich zu spielen versteht. Aber auch alle anderen füllten ihre Plätze gut aus, besonders die Herren Georg, Paulmüller und Häußer⸗ mann, die Damen Steimann, Novelly, Kollendt. .“ Wieder⸗ holungen dürften demnach dem Schwank beschieden sein.

Im Königlichen Opernbause findet morgen, Donnerstag,

eine Wiederholung der „Meistersinger von Nürnberg“ unter der musikalischen Leitung des Kapellmeisters Laugs statt. Den Sachs singt Herr Bischoff, die Eva Frau Hafgren⸗Waag, die Magdalene rau von Scheele⸗Müller, den Stolzing Herr Kirchhoff, den eckmesser Herr Schultz, den David Herr Henke, den Pogner Herr Schwegler, den Kothner Herr Habich. (Anfang 7 Uhr.) Die Königliche Oper kündigt für die erste Hälfte Dezember eine Richard Strauß⸗Woche an, in der die vier auf dem Spielplan stehenden Werke des Tondichters unter seiner persönlichen Leitung unnd in erster Besetzung aufgeführt werden sollen. Es werden ge⸗ geben „Salome“ am 8., „Elektra’“ am 10., „Ariadne auf am 12., und „Der Rosenkavalier“ am 14. Dezember.

Rücksicht auf das künstlerische Interesse, das dieser

3 durch die musikalische Interpretation des Kom⸗ ponisten selbst bietet, hat sich die Generalintendantur, vielfachen Wäünschen folgend, ausnahmsweise entschlossen, neben dem lichen Dauerbezug noch einen Sonderbezug zuzulassen, für den wesentlich ermäßigte Preise festgelegt sind. Diese Preise belaufen sich für eine Karte (3 Vorstellungen im Opernhause: „Salome“, „Elektra“* und „Rosenkavalier“, und eine Vorstellung im Schauspielhause: „Ariadne auf Naxos“) in der Fremden⸗ und Orchesterloge auf 39 ℳ, im I. Rang auf 30 ℳ, im Parkett (Parkett, Parkettsessel und Loge des Schauspielhauses) auf 29 ℳ, im II. Rang (Balkon des Schauspielhauses) 22 ℳ, im III. Rang (II. Balkon des Schauspielhauses) 15 ℳ, im IV. Rang, Sitzplatz (Galerie des Schauspielhauses) 9 ℳ. Eine Vorbestellungsgebühr wird nicht erhoben. Schriftliche Vorbestellungen auf diesen Sonderbezug (zu allen vier Aufführungen) nimmt die Generalintendantur der Königlichen

Schauspiele (Berlin NW. 7, Dorotheenstraße 3) von heute an bis ein⸗ schließlich 29. d. M. entgegen. Die Gesuche sind auf Postkarten mit Aufschrift „Richard Strauß⸗Woche“ unter Beifügung einer frei⸗ gemachten Antwortkarte einzureichen. Bestellungen zu einzelnen Vor⸗ stellungen werden nicht angenommen. Für die an den Kassen zum Se gelangenden Eintrittskarten bleiben die gewöhnlichen Preise maßgebend.

8 Königlichen Schauspielhause wird morgen das vater⸗ ländische Schauspiel „1812“ von Otto von der Pfordten gegeben. Den General York spielt Herr Patry, den Napoleon: Herr Clewing. Außerdem sind in größeren Rollen die Herren Mühlhofer, Böttcher, Kraußneck, von Ledebur, Zimmerer, Werrack und Geisendörfer sowie die Damen Abich und Ressel beschäftigt.

.“ Mannigfaltiges Berlin, 26. November 1913.

Am Donnerstag, den 4. Dezember 1913, finden in den Morgen⸗ internationale wissenschaftliche Ballonaufstiege tatt. Es steigen Drachen, bemannte oder unbemannte Ballons in den meisten Hauptstädten Europas auf. Der Finder eines jeden unbemannten Ballons erhält eine Belohnung, wenn er der jedem Ballon beigegebenen Anweisung gemäß den Ballon und die Instrumente sorgfältig birgt und an die angegebene Adresse sofort telegraphisch Nachricht sendet.

Das Winterfest, das die Berliner Frauenortsgruppe des Vereins für das Deutschtum im Ausland allährlich ver⸗ anstaltet, findet in diesem Jahre wieder in den Räumen der Phil⸗ harmonie statt, und zwar am 6. Dezember. Der Anfang ist auf 7 ½ Uhr angesetzt. Das Programm lautet: „Bilder und Tänze von den Ufern deutscher Ströme“ und wird von Damen und Herren der Gesellschaft ausgeführt. Im Anschluß daran findet ein Ball statt. Eintrittskarten zum Preise von 3 und 5 (Herren⸗ karten 1,50 ℳ) werden auf der Geschäftsstelle des Vereins, Kurfürsten⸗ straße 105, bei Bote u. Bock (Leipziger Straße 37 und Tauentzien⸗ straße 7), im Warenhaus A. Wertheim und an der Abendkasse er⸗ hältlich sein.

Im Lessing⸗Museum (Brüderstraße 13) hält morgen, Donners⸗ tag, Abends 8 Uhr, Fräulein Katharina Zitelmann einen Licht⸗ bildervortrag über „Vorderindien“. Einen Liederkreis „Saidja und Adinda“ von Lindner, Text von Multatuli, singt Fräulein Valerie Zitelmann. 8

Windhosenforschungen. Eine eigenartige Gelegenheit zur Beobachtung einer Windhose aus größter Nähe hatte der Kapitän Sazerac bei einer Fahrt mit einem Luftballon in der Umgebung von Paris. Nach der Schilderung, die er jetzt vor der meteorologischen Gesellschaft gegeben hat, fuhr er mit der geringen Geschwindigkeit von 25 km in der Stunde in einer Höhe von etwa 800 m gegen Nordosten, als er plötzlich in einer Entfernung von 8—10 km eine auffällige Erscheinung wahrnahm. Es zog sich dort scheinbar eine un⸗ geheure Wolkenschicht zusammen, die anfangs wie ein ganz leichter Nebel aussah, aber sehr schnell dunkler und massiger wurde, sodaß sie nach wenigen Minuten eine Dicke von 200 300 m und eine Länge von 20 bis 30 km erreicht hatte. Auch die fürs erste ziemlich verschwommenen Umrisse wurden immer schärfer, die oberen und unteren Flächen zeigten eine scharfe Grenzlinie, die zwar im allgemeinen horizontal verlief, aber sichtlich von störenden Be⸗ wegungen beeinflußt wurde. Die Luftschiffer betrachteten die mächtige Wolke mit respektvollem Staunen, als sie plötzlich, 20 Minuten nach ihrer ersten Wahrnehmung aus der oberen Fläche der Wolke, eine Art von Säule hervortreten sahen, die sich ganz gerade aufwärts erhob. Die Geschwindigkeit ihres Aufstiegs wurde auf 10—15 m in der Sekunde geschätzt, der Durchmesser der Säule auf 40 m. Sie zerstreute sich, nachdem sie eine Länge von 3 400 m erreicht hatte. Es kann sich hier kaum um etwas anderes als um die Entwicklung eines sehr eng umgrenzten Luftwirbels oder einer Zyklone gehandelt haben, die zur Ausbildung einer Wind⸗ hose in Feträchtlich

er Höhe über der Erdoberfläche führte. Am

27. Oktober wurde übrigens in Wales eine Windhose beobachtet, die über das Land hinging, aber ihre Wirkung nur auf einen Streifen von 180 m Breite erstreckte. Die Heftigkeit des Wirbels nahm mit dem Fortschreiten zu. Außer Störungen an Gehäuden und Bäumen kamen merkwürdige Ungluücksfälle vor. Zwei Männer, die sich an⸗ einander geklammert hatten, wurden von der Windhose auf ehoben und etwa 30 m durch die Luft geschleudert. Der eine brach beim Sturz das Genick, der andere kam mit einigen Rippenbrüchen davon. Ein dritter Mann, der gleichfalls ums Leben gekommen war, soll von dem Sturm, soweit es sich feststellen ließ, sogar 300 400 m weit

fortgetragen sein.

Brieg, 26. November. (W. T. 2 Amtlich wird gemeldet: Gestern wurde der Zug 331 auf der Strecke Brieg Neisse durch Ziehen der Notbremse in einem Frauenabteil vierter Klasse zum Halten gebracht. Während des Aufenthalts auf der Strecke wurden aus dem Packwagen fänf Geldtaschen mit 525 20 entwendet. Die leeren Taschen wurden heute früh 5 Uhr 30 Minann von einem Weichensteller auf der Strecke gefunden. Ein Polizeihund aus Neisse befindet sich an Ort und Stelle. Die Er⸗ mittlungen werden fortgesetzt.

Duisburg, 26. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Vergangene Nacht 4 Uhr 30 Minuten entgleisten beim Rangieren fünf Eilgüterwagen, sodaß der Verkehr teilweise ge⸗ stört war. Verletzt wurde niemand. Die Untersuchung ist ein⸗ geleitet.

Kar he, 25. November. (W. T. B.) In der vergangenen Nacht ist im Schwarzwald und in den Vogesen bis auf etwa 900 m herab erneut Schnee In den höheren Lagen, wo die Temperatur unter den Gefrierpunkt gesunken ist, beträgt die Schneehöhe 10 cm.

Prag, 26. November. (W. T. B.) Kurz vor dem Prager Franz Joseph⸗Bahnhof fuhr ein Arbeiterzug infolge falscher Weichenstellung in einen Güterzug. Zweiundsechzig Per⸗ sonen, meistens Eisenbahnangestellte wurden verletzt, von diesen

sieben erheblich.

Marseille, 25. November. (W. T. einer Meldung der „Agence Havas“ ist der ehemalige Bürgermeister von Usedom, Trömel, der, von einer Kommission im Hospital von Oran am 19. November wegen Taubheit für dienstuntauglich erklärt, aus der Fremdenlegion entlassen worden war, hier an⸗ gekommen. Er wird sich endgültig in Paris niederlassen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Wildpark bei Potsdam, 26. November. (W. T. B.) Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sind heute mittag um 12 Uhr 4 Minuten mittels Sonderzuges nach Primkenau abgereist.

El Paso, 26. November. (W. T. B.) Nach einer Mel⸗ dung des Generals Villa ziehen sich die Bundestruppen gegen Süden zurück. Die Konstitutionalisten sollen alles Ar⸗ tilleriematerial aus drei von den sieben Zügen, die die Bundes⸗ truppen in das Schlachtfeld brachten, erbeutet haben. Die verwundeten Offiziere der öö sind nach El Paso gebracht worden. Es wird gemeldet, daß 30 bis 40 gefangene Freiwillige von den Bundestruppen auf Befehl Villas summarisch hingerichtet worden sind.

(Fortsetzung des Amtlichen und Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Theater. Königliche Schauspiele. Donners⸗ tag: Opernhaus. 236. Abonnementsvor⸗ stellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind auf⸗

gehoben. Die Meistersinger von Nürn⸗ berg. Oper in drei Akten von Richard Wagner. Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister Laugs. Regie: Herr Regisseur Braunschweig. Chöre: Herr Professor Rüdel. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 231. Abonnementsvor⸗ stellung. 1812. Schauspiel in fünf Aufzügen von Otto von der Pfordten. Reqie. Herr Oberregisseur Patry. Anfang 1t 8

Freitag: Opernhaus. 237. Abonne⸗ mentsvorstellung. Die lustigen Weiber von Windsor. Komisch⸗phantastische

Oper in vier Akten nach Shakespeares gleichnamigem Lustspiel von H. S. Mosen⸗

shala, Musik von Otto Nicolai. Anfang r.

Schauspielhaus. 232. Abonnementsvor⸗ stellung. Die Quitzows. Vaterländisches Drama in vier Aufzügen von Ernst von Wildenbruch. Anfang 7 ½ Uhr.

Neues Operntheater. (Kron). Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Auf Allerhöchsten Befehl: Erste Vor⸗ stellung für die Berliner Arbeiter⸗ schaft: Prinz Friedrich von Hom⸗ burg. Schauspiel in 5 Aufzügen von Heinrich von Kleist. (Die Eintrittskarten werden durch die Zentralstelle für Volks⸗ wohlfahrt nur an Arbeitervereine, Fabriken usw. abgegeben. Ein Verkauf an einzelne Personen findet nicht statt.)

Deutsches Theater. (Direktion: Max

Reinhardt.) Donnerstag, Abends 7 ½ Uhr: Torquato Tasso. Ree-2 Ein Sommernachtstraum. onnabend: Viel Lärm um Nichts. Sonntag: Der lebende Leichnam. Kammersviele. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Androklus und der Löwe. -e Maria Magdalene. Sonnabend: Der verlorene Sohn. Sonntag: Androklus und der Löwe.

Berliner Theater. Donnerst. Abends 8 Uhr: Wie einst im Mai. Posse mit Gesang und Tanz in vier Bildern von Bernauer und Schanzer. Freitag und folgende Wie

Tage: einst im Mai.

Sonnabend, Nachmittags 3 ½ Uhr: Ein Volksfeind.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bummel⸗ studenten.

Theater in der Königgrützer

Straße. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die Kronbraut. Ein Märchenspiel in sechs Bildern von August Strindberg. Musik von August Enna.

Freitag bis Sonntag: Die Kron⸗ braut.

Komödienhaus. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Hinter Mauern. Schauspiel in vier Akten von Henri Nathansen.

Freitag und folgende Tage: Hinter

auern. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Film⸗ zauber.

Deutsches Künstlertheater (So⸗ zietät). (Nürnbergerstr. 70/71, gegenüber dem Zoologischen Garten.) 1ö1“ Abends 8 Uhr: Die Affäre. Lust⸗ spiel in vier Akten von Henri Nathansen.

Freitag: Zum 200. Male: Der Biberpelz.

Sonnabend: Der zerbrochene Krug. Vorher: Hanneles Himmelfahrt.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Das Prinzip. Abends: Die Affäre.

Lessingtheater. Donnerstag, Abends bl

8 Uhr: Pygmalion. Lustspiel in fünf Akten von Bernard Shaw. Freitag und Sonnabend: Pugmalion. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Pro⸗ fessor Beruhardi. Abends: Pyg⸗ malion.

Deutsches Schauspielhaus. (Direk⸗ tion: Adolf Lantz. NW. 7, Friedrich⸗ straße 104 104 a.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die heitere Residenz. Lust⸗ spiel in drei Akten von Georg Engel.

Freitag und folgende Tage: Die heitere Residenz.

Sonntag, Nachmittags 3 ¼ Uhr: Hedda Gabler.

Schillertheater. 0. (Wallner⸗ theater.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die goldene Ritterzeit. Burlesker Schwank in drei Akten von Charles Morlowe.

Freitag: Rosenmontag.

Sonnabend: Heimg'funden.

Charlottenburg. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Am Tage des Gerichts. Ein Volksschauspiel in vier Aufzügen von P. K. Rosegger.

Freitag: Hasemanns Töchter.

Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr: Zopf und Schwert. Abends: Hedda Gabler.

Deutsches Opernhaus. (Char⸗ lottenburg, Bismarck⸗Straße 34 —37. Direktion: Georg Hartmann.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Das Nothemdw.

Freitag: Undine.

Sonnabend: Die Jüdin. 8

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Freischütz. Abends: Undine.

Der

Montis Operettentheater. (Früher: Neues Theater.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Gastspiel Fritzi Massary,

ulius Spielmann: Die ideale Gattin.

perette in drei Akten von J. Bramer und A. Grünwald. Musik von Franz Lehär.

Freitag und Die

ideale Gattin.

folgende Tage:

Thenter des Westens. (Station: oologischer Garten. Kantstraße 12.)

onnerstag, Abends 8 Uhr: Polenblut. Operette in drei Akten von Oskar Nedbal. Freitag und folgende Tage: Polen⸗ ut. Sonnabend, Nachmittags 4 Uhr: Zum üas Male: Das tapfere Schnelder⸗ ein.

Sonntag, Nachmittags 3 ¼ Uhr: Der liebe Augustin.

Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die spanische Fliege. Schwank in drei Akten von Franz und Ernst Bach.

Freitag und folgende Tage: Die spanische Fliege.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: 777:10.

Residenzthenter. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Hoheit der Franz! Musi⸗ 1 Groteske in drei Akten von Artur Landsberger und Willi Wolff. Musik von Robert Winterberg.

Freitag und folgende Tage: Hoheit der Franz!

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die Frau Präsidentin. 3

Theater am Mollendorfplatz. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Der Mikado. Burleske Operette in zwei Akten von Arthur Sullivan.

Freitag und folgende Der Mikado.

Sonnabend. Nachmittags 4 Uhr: Frau Holle. Weihnachtskomödie von Robert Sachs. n

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr schöne Helena.

Tage:

Thaliatheater. (Direktion: Kren und Schönfeld.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die Füenph tgo hh. osse mit Ge⸗ sang und Tanz in drei Akten von Jean Kren und Curt Kraatz.

Freitag und folgende Tage: Die Tangoprinzessin. 1

Sonnabend, Nachmittags 4 Uhr: Kinder⸗ vorstellung: Aschenbrödel.

Trianontheater. (Georgenstr., nahe Bahnhof Friedrichstr.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Seine Geliebte.

Freitag und folgende Tage: Seine Geliebte.

Konzerte. Königl. Hochschule für Musth.

Donnerstag, Abends 8 Uhr: 4. Abend des Chopin⸗Zyklus von Raoul von Koczalski.

Philharmonie. Donnerstag, Abende 8 Uhr: 2. Winterkonzert der „Ber⸗ liner Liedertafel“. Chormeister: Max Wiedemann. Mitw.: Hertha Dehmlow (Gesang).

Bechstein⸗-⸗Saal. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Liederabend von Maria Freund. Am Klavier: C. V. Bos.

Beethoven-Snal. Donnerst., Abende 8 Uhr: Konzert von Hans Baer (Klavier) mit dem Philharmonischen Dirigent: Camillo Hilde⸗ rand.

Harmoniumsaal. Donnerst., Abends 8 Uhr: Konzert des Berliner Streich⸗ quartetts.

Birkus Schumrann. Donnerst. Abends 7 ½ Uhr: Große Galavorstellung. Vorzügliches Programm. Zum Schluß: Tango vor Gericht. Eine Pantomimenburleske mit Gesang und Tanz in drei Akten.

ZBirkus Busch. Donnerstag, Abends 7 ½ Uhr: Große Galavorstellung. Auftreten sümtlicher Spezialitäten. Zum Schluß: Die große Prunk⸗ pantomime: Pompeji.

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Henriette von Bergmann mit Hrn. Kapitänleutnant Helmuth von Hugo (Stöckel⸗Kauffung, Post Sbn ee 8 Baronesse von Holtey m rn. Haupt⸗ mann Frhrn. von Werthern (Stettin— Lübben).

Verehelicht: Pr. Major Curt Auer von Herrenkirchen mit Frl. Vera von

Schewitch (Wiesbaden). Hr. Noel Hemphreh mit Frl. Maria von Kalben Kaschmir).

reen Eine Tochter: Hrn. Ritt⸗ meister von Einsiedel (Dresden).

Gestorben: Hr. Oberlandesgerichtsrat a. D., Geheimer Justizrat Kasimir Thiel (Breslau). Fr Marie Edle von Oetinger, geb. von Gladiß (Quedlin⸗ burg). Fr. Caroline von Lowtzow, geb. von Treuenfels (Doberan). Fr. Clara von Hochwaechter, geb. von Harder G““ Fr. Alma von Treskow, geb. Gomansky (Berlin). . Frl. Hedwig von Zeschwitz (Deutsch Baselitz).

8 Redakteur:

Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.

Verlag der Expedition (Heidrich) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wi

Sieben Beilagen (einschließlich Börsenbeilage).

elmstraße 32.

Beilage

st zum Deutschen Reichsanzeiger und Königli

11ö16“

de und M

Nach Erntejahren, beginnend mit 1. August.

Vom 1. August bis 20. November (Mengen in dz = 100 kKg).

1) Ein⸗ und Ausfuhr.

2) Mehlausfuhr gegen Einfuhrschein.

1I““

Davon sofort verzollt oder zollfrei

Davon Ausfuhr aus dem freien Verkehr

Gattung, Ausbeuteklasse 1913 1912

1912 I 1911 1913 b 1912

1911 1913 1912 1911 1913 I 1912*

1911

643 727 553 616 428 283 326 022 14 582 35 350 99 574 78 632

766 975 518 445 22 246 80 588

Roggenmehl: 1. Klasse (0— 60 v. H.). . über 60 65 v. H.) . 0—65 v. H.).

1 443 450 9 265 809 884 937

849 825] 1 382 321 9 211 992 8 744 147 1 581 909 744 712

12 076 570 8 640 265 12 775 566

185 822 631 168 197 151

1 209 389 2 583 832 2 180 225 4 155 963 4 228 706 2 612 545 3 180 2 927 4 026

73 581 63 319 58 380

1 249 685 7 971 656

560 657 9 623 335

Faen Weizen.. Malzgerste. Andere Gerste Gerste ohne näͤhere Ang. LEu“ Iö. Weizenmehl.

965 424 2 683 042 2 781

44 793

794 496 7 605 506 915 832 7285 769

1 674 690 3 066 239

3 287 922 448 242

1 074 804 3 875 248 6 982 276

1 866 101 381 671 10 738 194 V 144 204

1 720 424 181 993

3 298 963 1 091 013

3 634 724 3 863 662 1 889 079] 1 347 708

339 354 198 897 23 715

1 271 794 1 475 734 1 129 295 193 110 158 158

1 616 110 296 255

2 716 40 471

767 603 622 836

644 130 583 846

554 242 767 508 643 808 516 47336 620 140 580 136

37 815

3 542 227 1 200 111

4945 4488 2.

914 422

145 696

617 051 484 382

Roggenschrotmehl *)

Weizenmehl: 1. Klasse (0—30 v. HP.).

101 288 113 612

579 692 513 217 507 0277 443 581 1 064 2 421 40 661 45 384 4. 24 643 11 019 [5. (0 75 v. H. 9 017 4 261 6 729 Hartweizenmehl*) .... 6 267 2 036 4 083

*) Ausbeute für jede Mühle besonders festgesetzt.

(„ 70 75

8 60 684 (0—70 v.

52 706

(über 30 70 v. 8 3 995 v. H.

3) Einfuhr in den freien Verkehr nach Verzollung.

4) Niederlageverkehr.

Davon verzollt

beim unmittelbaren Eingang in den freien Verkehr

bei der Einfuhr von

Niederlagen, Freibezirken usw. Warengattung

1913

1912

Einfuhr auf Niederlagen,

Verzollt von Nieder⸗ lagen,

Ausfuhr von Niederlagen,

in Freibezirke usw. Freibezirken usw.

1911 1913 1912 1911

1913

Frei⸗ bezirken

1911 usw.

1912 1913 1912

1

1 404 099 8 681 324 553 462 12 271 232

1 241 821 7 967 888

544 592 9 622 972

890 213]/1 328 196 8 403 57317 5

960 447 391 030 9 414 367/12 966 428 1 182 576 2 002 782 1 870 288 961 686 1161““ 3 173 102 3 688 827 2 232 988-⁄ 2 683 042 Roggenmehl. 147 248 183 147 30 542 35 048 25 218 28 723

Weizenmehl Berlin, den 25. November 1913.

We 86 Malzgerste. Andere Gerste

28 9 22727272

Deutscher Reichstag.

174. Sitzung vom 25. November 1913, 2 Uhr Nachmittags.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) „Der Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung mit

folgenden Worten:

Meine Herren! Indem ich Sie nach einer Pause von bei⸗ nahe 5 Monaten bei Ihrer Rückkehr zu neuer und frischer Arbeit begrüße, eröffne ich die Sitzung. Während der Zeit unserer Vertagung hat der Reichstag schmerzliche Verluste erlitten. (Die Mitglieder erheben sich von den Plätzen.) Nicht weniger als 5 unserer Kollegen sind uns durch den Tod entrissen worden. Am 9. Juli verschied unser Kollege Kohl, gewählt für den dritten Wahlkreis der Oberpfalz, am 3. Oktober Kollege Klose, Mitglied des Reichstages für den 9. Wahl⸗ krets des Regierungsbezirks Oppeln. Von den beiden haben der 2 seit 1898, der letztere seit 1887 in treuer Pflichterfüllung ihr Mandat ausgeübt. Am 29. Juli starb unser ältestes Mitglied, Kollege Lender, in einem Alter von 83 Jahren, der seit 1873 ununterbrochen vom 8. Wahlkreise des Sestt Je ttts Baden in den Reichstag ent⸗ sandt worden ist, und der nunmehr berufen gewesen wäre, als unser Alterspräsident zu fungieren. Am 30. Juli verschied unser lang⸗ jähriger Kollege Graf von Kanitz, der Wen im Reichstage des Nord⸗ deutschen Bundes und seit 1889 dem Deutschen Reichstage angehört hat, und am 13. August unser langjähriger Kollege Bebel, der Mit⸗ glied des Reichstages des Norddeutschen Bundes, des Zollparlaments und mit Ausnahme eines Jahres, des Jahres 1882, Mitglied des Deutschen Reichstages gewesen ist. In dem Augenblick, wo wir diese Männer nicht mehr unter uns sehen, brauche ich nur an ihre umfang⸗ reiche und tiefgreifende parlamentarische Tätigkeit zu erinnern, um den Verlust zu kennzeichnen, den der Reichstag durch ihr Hinscheiden er⸗ litten hat. Das Andenken dieser verstorbenen Kollegen werden wir in Ehren halten.

Am 9. September ist die deutsche Marine von einem schweren Unglücksfall betroffen worden. Das Marineluftschiff „L. 1“ ging bei einer Manöverübung bei Helgoland während eines Sturmes zu⸗ grunde. haben zahlreiche Männer ihren Tod gefunden. Am 17. Oktober traf ein neuer schwerer Unglücksfall unsere Marine. Das Luftschiff „L II“ explodierte in der Nahe des Müchlases Johannis⸗ thal. Und auch hierbei fanden viele Männer in kreuer ( rfüllung ihres Berufes ihr Ende. In beiden Fällen habe ich dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes die herzlichste Teilnahme des Reichstages ausge⸗ sprochen. Wir werden all diesen Männern ein ehrendes eer bewahren, und ich stelle fest, daß Sie sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Sitzen erhoben haben.

MNeu eingetreten in das Haus sind die Abgeordneten: Dr. Böhme (b. k. F.), Buck (Soz.), Neuhaus (Zentr.), Freiherr von Aretin (Zentr.), Emminger (Zentr.) und Stolten (Soz.).

Darauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein, die nur Kommissionsberichte über Petitionen enthält.

Der ö für Hessen⸗Nassau in Wiesbaden bittet um Abhilfe gegen Schädigungen des Mittelstandes durch verschiedene Maßnahmen, z. B. gegen das Ueberhandnehmen des Filialunwesens, der Konsumvereine und der Warenhäuser.

Die Petitionskommission beantragt, die Petition dem Reichskanzler als Material zu überweisen, während die Sozial⸗ demokraten Albrecht und Gen. den Uebergang zur

agesordnung beantragen.

Berichterstatter Abg. Dr. Burckhardt Gehc. Vgg.) empfiehlt den Kommissionsantrag im Sinne früherer Abstimmungen der Mehrbeit und die Ablehnung des sozialdemokratischen Antrages. Abg. Brühne (Soz.): Wenn man Petitionen an den Reichs⸗ tag richtet, sollte man wenigstens einigermaßen der Wahrheit die Ehre geben; diese Petition sagt aber vollkommen die Unwahrheit. Die

786 991

7 602 907 915 832 7 285 725 10 737 971 1 670 781 3 066 239 215 162

26 598 2

1 065 553 6 977 041 381 671

162 278 103 222 713 436 800 666 8 870 44 615

2 648 260 2 128 642 220 890 332 001 225 669 490 060 622 588 320 619

8is 33 21 1 819 8 450 1 393

Kaiserliches Statistisches Amt.

262 643 594 468 9 359

2 228 457

Roggen.. Weizen Gerste

1 644 619 1 912 369 Roggenmehl.. Weizenmehl..

Delbrück.

193 765 1 294 153 2 946 186 243 965 1 472 921

28 788

11 586 518 393 120 489

55 329

1 606 486 2 588 408

91 91; 1 761 871 2 564 481] wie 3,

909 142 530 018 Spalte 8 1 162 467 700 176 399 211 624 22 848 20 565

8*

92 497 688 968 194 409 244 690 486 815 357 372 bis 10 181 835 296 097 193 019

95 322 431 2 696 3 710 2 972

16

11 041 642 771 334 409

Petition behauptet von den Arbeiterkonsumvereinen: In Wiesbaden allein zähle man bereits 11 Warenverteilungsstellen mit 4300 Mit⸗ liedern. Ihr Gesamtjahresumsatz beziffere sich auf weit über zehn Millionen Mark. Im ganzen gäbe es nach der letzten Zählung 1218 Filialen mit rund 400 Millionen Mark Umsatz. Wenn diese Zahlen richtig wären, so müßte auf eine Familie ein Umsatz in Lebens⸗ mitteln von 2131 entfallen, eine solche Familie müßte mindestens ein Einkommen von 6⸗ bis 7000 haben. Solche Zahlenangaben werden dann in die Welt hinausgeschleudert und von den Erwerbs⸗ sceisen geglaubt. Ehrliche Kaufleute müßten sich gegen solche Machen⸗ schaften verwahren. Die Arbeiterkonsumvereine in Wiesbaden haben 1912 nur einen Jahresumsatz von 1,1 Millionen gehabt, die Petition weicht also um 9 Millionen von der Wahrheit ab. Es ist geradezu unerhört, wenn die Petition eine Erhöhung der Warenhaussteuer fordert, denn die Warenhaussteuer wird nicht von den Warenhäusern getragen, sondern auf die Warenpreise geschlagen. Unter den gegen⸗ wärtigen Verhältnissen kann man es den Arbeitern nicht verdenken, wenn sie sich zu Konsumvereinen zusammenschließen; diesen gehören auch Tausende von kleinen Gewerbetreibenden an, und sie haben auf Hunderttausende von Arbeitern erzieherisch in bezug auf Barzahlung gewirkt. Die Landwirte haben ihre Genossenschaften, die Handwerker haben ihre Genossenschaften, aber den Arbeitern will man ihre Konsum⸗ vereine nehmen. Ich bitte, die Petition dahin zu befördern, wohin sie gehört, in den Papierkorb.

In Verbindung hiermit berichtet der Abg. Thiele (Soz.) über die Petition des Mittelstandsbundes Hessen⸗Nassau in Wiesbaden, be⸗ treffend die Besteuerung der Konsumvereine und das Verbot an Lehrer und Beamte, einem Konsumverein anzugehören. Eine wörtlich gleich⸗ lautende Petition hat der Verein gegen das Unwesen im Handel und Gewerbe mit dem Sitz Leipzig, sowie die Schutzgemeinschaft für Handel und Gewerbe in Chemnitz an den Reichstag gerichtet. Die Kommission beantragt, auch diese Petitionen dem Reichskanzler als Material zu überweisen.

Abg. Schulenburg (nl.): Den Ausführungen des Redners der Sozialdemokratie kann ich nicht zustimmen. Der Mittelstand be⸗ findet sich doch in einer sehr schwierigen Lage. Was die Maßnahmen zum Schutze des Mittelstandes gegenüber den Warenhäusern usw. be⸗ trifft, so ist es heute nicht im Rahmen einer Petition dieses weitschichtige Material zu erschöpfen. Meine Fraktion wird für Ueberweisung der Petitionen als Material stimmen.

Abg. Sachse (Soz.): Arbeiter und Beamte sollen nicht das gleiche Recht haben, das man dem Mittelstande durch Förderung des Genossenschaftswesens zubilligt. Das Zentrum ist hierin geteilter Ansicht. Die Versammlung des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereinigungen vom 19. Juli v. J. hat eine Resolution angenommen, worin auf die schädliche Entwicklung der Konsumvereine hingewiesen wird. Dagegen findet es der Geschäftsbericht der Vereinigung der west⸗ deutschen christlichen Konsumvereine unbegreiflich, daß man vom preußischen Landtage eine Ausnahmebesteuerung der Konsumvereine verlangte. Dies Verlangen bedeute nichts mehr und nichts weniger als eine weitere Verteuerung der Lebensmittel weiter Massen des Volkes. Auch die christlichen Arbeitergewerkschaften haben für die Konsumver⸗ eine Stellung genommen und in einer Resolution ausgesprochen, daß die Konsumgenossenschaftsbewegung eine notwendige Ergänzung der Be⸗ rufsorganisation ware. Also nicht bloß von unserer Seite werden die Konsumgenossenschaften gefördert. Auch in dem christlichen Zentralblatt der Gewerkschaften Deutschlands, dessen Redakteur der Abg. Gies⸗ berts ist, wird gesagt, daß diese Bewegung durch gesetzl iche Hemmungen nicht aufzuhalten sei. Uebergang zur Tagesordnung ist die einzig richtige Antwort auf die reaktionären Forderungen der vorliegenden Petitionen.

Abg. IrI (Zentr.): Es ist zu bedauern, daß das Reichsamt des Innern sich für diese Feche so wenig interessierk. Es läßt sich nicht vereinbaren, daß vom Volke bezahlte Beamte ihre Kräfte auch noch in den Dienst von Konsumvereinen stellen. Sie dürfen nicht dazu bei⸗ tragen, den Mittelstand ruinieren zu helf3en. v1

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Abg. Meyer⸗Herford (nl.): Auch wir meinen, daß die Konsumvereine, wo nicht ein besonderes Bedürfnis vorliegt, als Schäd⸗ linge des gewerblichen Mittelstandes angesehen werden müssen. Wir sind nicht arbeiterfeindlich, aber wir können auch nicht Arbeiterfreund⸗ lichkeit auf Kosten der anderen Stände treiben. Ein Verbot an Be⸗ amte und Lehrer zu erlassen, sich an Konsumvereinen zu beteiligen, ist ein Eingriff in ihre staatsbürgerlichen Rechte. Wir müssen ihnen jedoch ans Herz legen, daß sie nichts unterstützen, was den Mittelstand schäͤ⸗ digen kann. Der Beamte soll immer daran denken, daß er ein ge⸗ sichertes Einkommen hat und auch eine Pension im Alter bezieht. Er muß Rücksicht nehmen auf die Stände, die im Kampfe ums Dasein stehen. Man muß aber dann auch dafür sorgen, daß besonders unsere Unterbeamten das nötige Einkommen haben. Darauf werden wir im Reich und auch in den Einzelstaaten dringen. Dann brauchen sie sich auch nicht in Konsumvereinen zusammenzuschließen.

Abg. Gunßer ffortschr. Volksp.): Wie die Dinge hier be⸗ handelt werden, könnte man annehmen, das Schicksal des Reiches hinge davon ab. Kein I will, daß die Konsumvereine oder die Arbeiter⸗ genossenschaften getroffen werden. Auf jeden 5 kann man verlangen, daß nicht hohe Staatsbeamte mit großem Gehalt solche Vereine unter⸗ stützen. Mit Reden ist dem Mittelstande nicht geholfen. Wollte man all das, was von dieser Stelle aus an Mittelstandsfreundlichkeit ge⸗ G ist, in Flüssigkeit umsetzen, der Mittelstand müßte darin ersaufen.

Abg. Dr. Burckhardt (wirtsch. Vgg.): Die Wirtschaftliche Vereinigung ist nicht Gegner der Konsumvereine. Wir bekämpfen allerdings, daß die Sozialdemokratie die Konsumvereine dazu benutzt, den Mittelstand zu ruinieren. Das ganze Genossenschaftswesen kann und soll nicht verboten werden. Wir bekämpfen nur den damit ge triebenen Mißbrauch.

Abg. Werner⸗Hersfeld (d. Reformp.): Die Petition ist höchst unglücklich abgefaßt. Ihr Kern ist zweifellos berechtigt. Es ist eine falsche Ansicht, daß man in den Konsumvereinen billiger kauft. sich das Publikum daran gewöhnen, wie in diesen Vereinen, auch w anders sofort bar zu bezahlen, dann würden die kleinen Kaufleute un 2 Handwerker den Wünschen ihrer Kundschaft noch mehr entgegen

ommen. Mißbilligen muß man es auf jeden Fall, wenn Leute, die an der Spitze einer großen Kommunalverwaltung stehen, die Kon I als hervorragende Erscheinung des Wirtschaftsleben eiern.

Abg. Feuerstein (Soz.): Es handelt sich hier um das wirt schaftliche Interesse von zwei Millionen Familien, darunter mindesten 1 % Millionen Arbeiterfamilien. Da sollte man sich doch nicht so ge ringschätzig wie der Kollege Gunßer darüber äußern. Daß die Sozial demokratie den Mittelstand nicht ruinieren will, das beweisen Aeuße rungen des Deutschen Handwerker⸗ und Gewerbekammertages, der das 86 erwähnt hätte. Die Konsumvereine beschäftigen eine halbe

Killion Menschen, die durch ein Verbot arbeitslos würden. Wenn den Konsumvereinen 200 000 selbständige Gewerbetreibende un 130 000 Beamte angehören, so kann man doch nicht behaupten, daß di Konsumvereine den Mittelstand schädigen; man schädigt den Mittel viel mehr, wenn man die Konsumvereine hindert. Daß die Kon umvereine ungenügend besteuert würden, hat die „Soziale Praxis“ durch Gegenüberstellung der Besteuerung der Genossenschaften und der Konsumvereine in Preußen vollkommen widerlegt. Speziell in meiner Heimat Württemberg sind die Konsumvereine viel stärker besteuert als die Genossenschaften. Wo bleibt da schon heute die steuerliche Ge⸗ rechtigkeit, und wo kommt demgegenüber der Mut her, noch eine weitere Besteuerung der Konsumvereine zu verlangen? Angesichts der Teuerungsverhältnisse und der ungeheuren Arbeitslosigkeit muß man gerade die Konsumvereine fördern. Die Mehrheit des Hauses ein⸗ schließlich des Zentrums sollte mit solchen unwahren Petitionen durch Uebergang zur Tagesordnung aufräumen, und die Herren, die sich als Mittelstandsretter fühlen, sollten von solchen utopistischen rigorosen Forderungen Abstand nehmen, um die Blamage der Mittelständler nicht noch zu vergrößern. 6“ 88