1913 / 281 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Nov 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Kommission wird noch recht viel Arbeit haben, ehe etwas Brauch⸗ bares zustande kommt. Mit der Regelung der Gebühren für die Sach verständigen sind wir einverstanden. .

Abg. Warmuth (Rp.): Die Sachverständigen sind in der Vorlage genügend berücksichtigt, sodaß man sagen kann, damit ist eine

Quelle der Unzufriedenheit verstopft. Ich würde es nicht für richtig halten, wenn man die freie Vereinbarung zwischen einer Partei und einem Sachverständigen verbietet. Ich glaube nicht, daß das Urteil irgendeines Sachverständigen von der befreudigkeit der Parteien abhängt. Wir leben nicht in Rußland, wo ja so etwas vorkommen soll. Die Entschädigung der Zeugen ist meiner Ansicht nach nicht ausreichend. Jedoch spielt die Kostenfrage eine ganz erhebliche Rolle.

esonders bei Strafprozessen, wo ein großer Zeugenapparat aufgeboten werden muß, können die Angeklagten die Zeugengebühren meist nicht zurückerstatten, sodaß der Staat eintreten muß. Das muß natürlich auf die Steuerzahler zurückwirken. Ebenso muß natürlich darauf ge⸗ sehen werden, daß die unterliegende Partei nicht allzu sehr belastet wird. Auch wir stimmen der Kommissionsberatung zu.

Die Vorlage wird einer Kommission von 14 Mitgliedern berwiesen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Beschäftigung von Hilfs⸗ richtern beim Reichsgericht. Danach sollen die von dem Reichskanzler einberufenen Hilfsrichter bei dem Reichsgerichte noch bis zum 1. Juni 1914 beschäftigt werden.

Abg. Dr. Junck (nl.): Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, aber unter der Feststellung, daß die Zahl der Reichsgerichtsräte im nächsten Etat erhöht wird, wie es in der Begründung versprochen ist.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Auch wir stimmen der Vorlage zu. Von einer Kommissionsberatung können wir wohl Abstand nehmen.

Abg. Dr. Giese (dkons.O) schließt sich diesen Ausführungen an.

Damit schließt die erste Beratung. In zweiter Beratung wird der Entwurf in seinem einzigen Paragraphen ohne De⸗ batte unverändert angenommen.

Das Haus wendet sich dann zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs über die Errichtung eines Kolonialgerichtshofes.

Abg. Stolten (Soz.): Der vorliegende Gegenstand hat uns schon früher eingehend beschäftigt. Wir knuüpfen da an, wo vor zwei Jahren die Verhandlungen nach der zweiten Lesung ab⸗ gebrochen wurden. Der Gesetzentwurf unterscheidet sich von dem früheren dadurch, daß er sich auf die Kolonialgerichtsbarkeit beschränkt, während die Konsulargerichtsbarkeit ausgeschieden werden soll. Es er⸗ scheint mir sehr fraglich, ob das als eine Verbesserung anzusehen ist. Wichtiger als die Beschleunigung der Vorlage erscheint mir die Not⸗ wendigkeit der Einheitlichkeit der Rechtsprechung für die kolonialen Rechtsfälle und für die sonstigen Streitigkeiten, die aus überseeischen Ländern stammen. Sie wissen ja, daß wir keine besonders großen Freunde der Kolonialpolitik an sich sind, namentlich so, wie sie heute betrieben wird. (Der Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf erscheint am Bundesratstisch.) Nachdem wir aber einmal Kolonien haben, müssen wir auch dafür sorgen, daß in ihnen keine Rechtsun⸗ sicherheit Platz greift. Dann müßte auch die Konsulargerichtsbarkeit dem neuen Gerichtshofe unterstellt werden. Diese Frage kann nicht ohne weiteres im Plenum entschieden werden, und deshalb beantragen wir die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 14 Mit⸗ gliedern. Die neue Vorlage hat ja einige Steine des Anstoßes aus der alten Vorlage beseitigt, so vor allen Dingen die Zulassung von Ver⸗ waltungsbeamten zum Kolonialgerichtshof. Auch die Zuständigkeit des Kolonialgerichtshofes ist in der neuen Vorlage besser umgrenzt und ge⸗ nauer präzisiert worden. Eine sehr wichtige Frage ist die, wo der Kolonialgerichtshof seinen Sitz haben soll. Schon vor zwei Jahren ist hier ein großer Streit daruͤber gewesen, ob Berlin oder Hamburg genommen werden soll. In der Kommission fand sich zuerst eine Mehr⸗ heit für Hamburg, und erst gegenüber dem von der Regierung ausge⸗ übten Druck in Form der Erklärung, daß Hamburg für sie unannehm⸗ bar sein würde, erfolgte ein Umfall, sodaß eine Mehrheit für Berlin sich entschieden hat. Es geschah also nicht aus sachlichen Gründen. Wenn ich als Hamburger und als Vertreter eines Hamburger Wahl⸗ kreises für Hamburg plädiere, so geschieht das nicht aus lokalpatrioti⸗ schen oder aus partikularistischen Gründen. Was den wirk⸗ lichen Patriotismus anbelangt, so sind wir besser als unser Ruf. Wir müssen uns aber dagegen verwahren, daß wir etwa aus engherzigen Gründen uns hier für Hamburg aus⸗ sprechen. Wir sind bekanntlich auch keine Partikularisten wie die⸗ jenigen, denen preußische Eigenart über alles geht, aber wir sind Gegner einer übertriebenen Zentralisation, bei der alles nach Berlin strömt und unter dem Einfluß der Berliner politischen Luft steht. Ein einheitliches deutsches Staatsgebilde wäre uns zwar lieber als die Vielstaaterei, aber nur, wenn es auf freiheit⸗ licher Grundlage stände, denn die Einheitlichkeit auf dem Boden preu⸗ ßischer Rückständigkeit halten wir für eine große Gefahr. Darum ist uns die Vielgestaltigkeit des deutschen Staatssystems doch ein Vor⸗ teil, weil sich dabei doch noch hie und da eine freiheitliche Entwicklung herausbildet, die vielleicht auf das reaktionäre Preußen einwirkt. Dem speziell preußischen Geist stehen wir mit Mißtrauen gegenüber, und gerade darum wollen wir den kolonialen Gerichtshof nicht nach Berlin, sondern nach Hamburg bringen. Für Hamburg sprechen auch rein sach⸗ liche Gründe. Hamburg ist die erste deutsche Welthandelsstadt, die Richter dort sind mit kolonialen und überseeischen Streitigkeiten am besten vertraut, sie stehen unter dem Einfluß einer Weltauffassung, die weit über den Gesichtskreis eines binnenländischen Richters hinausgeht. Und wenn wir das Laienelement zu diesem Gerichtshof hinzuziehen wollen, was allerdings die Vorlage nicht vorsieht, was aber in der Kommission erwogen werden muß, so ist das geeignete Laienelement nirgends besser zu finden als in Hamburg. Für die Arbeiter kommt zwar dieser Gerichtshof in Zivilstreitigkeiten kaum in Frage, wohl aber in strafrechtlicher Beziehung, und darum wollen wir, daß er möglichst unbeeinflußt bleibt. Der Kolonialgerichtshof darf nicht unter Ein⸗ flüsse geraten, die seiner Spruchpraxis nicht dienlich sind. Ich spreche nicht von einer unmittelbaren Beeinflussung der Richter, aber an dem Ort, wo die Regierung sitzt, können auch die Richter leicht unter den Einfluß dieses ganzen Milieus geraten. Ich bitte Sie also, für Ham⸗ burg und gegen Berlin zu stimmen, zunächst aber die Kommissions⸗ beratung zu beschließen.

Abg. Dr. Belzer (Zentr.): Auch meine Freunde meinen, daß wir eine oberste Gerichtsbarkeit für Kolonialsachen schaffen müssen, da das wirtschaftliche Leben in unseren Kolonien immer mehr wächst. Für die Vorlage von 1910 führte aber die Regierung als Hauptgrund die Ent⸗ lastung des Reichsgerichts an. Von der Belastung des Reichsgerichts hört man aber jetzt kein Wort mehr, sie scheint also nicht mehr vor⸗ handen zu sein. Ich erkenne das an, aber deshalb können wir jetzt er⸗ wägen, ob nicht die ganzen Kolonialstreitigkeiten dem Reichsgericht überwiesen werden können. Es ist zu erwägen, ob es nicht zweckmäßig ist, beim Reichsgericht einen besonderen Senat für koloniale Sachen zu schaffen. Dieser Senat könnte vielleicht bei einer Besetzung von fünf Mitgliedern urteilen. Dann würde vor allen Dingen das ver⸗ hindert werden, was sonst unzweifelhaft eintreten würde, nämlich eine Differenz in der Rechtsprechung. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß man ohne zwingenden Grund die Kolonialgerichtsbarkeit nicht vom Reichsgericht wegnehmen sollte. Ich hoffe, daß dieser unser Vorschlag sympathisch begrüßt wird. Die schwerwiegenden Bedenken, die wir gegen den Entwurf von 1910 hatten, sind allerdings hier bei dem vor⸗ liegenden Entwurf weggefallen, vor allem der Umstand, 9 kein Nicht⸗ richter mehr in das Kollegium dieses Gerichtshofes zugelassen werden soll. Aber als Ersatz bringt die Vorlage etwas Neues in dem pro⸗ cureur du roi. Hier wird also eine verehrungswürdige Mumie zum neuen Leben erweckt. Dieser procureur du roi soll außerhalb des Kollegiums stehen und nur sprechen, wenn das Staatsinteresse in Frage steht. Ich sehe keinen Grund ein, weshalb man diese Institution treffen will. Ich zweifele aber nicht, daß wir in allen diesen Fragen in der Kommission zu einer Verständigung gelangen werden, und ich

kläre, so geschieht

hoffe, daß wir Jann ein brauchbates Gesetz erhalten wverden. Die Frage über den Sitz des Gerichtshofes ist streitig und dunkel, ich glaube aber, daß man auch hier nach genauer Abwägung der in Betracht kommenden Verhältnisse zu einer Einigung kommen wird. Jedenfalls werhen wir alle Einzelheiten in der Kommission auf das genaueste prüfen.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Ich kann mich im großen und ganzen mit der Vorlage einverstanden erklären. Wir wären geneigt, mit ge⸗ wissen Abänderungen dem vorliegenden Gesetzentwurf unsere Zu⸗ stimmung zu geben. Die Ausführungen meines Vorredners veranlassen mich jedoch noch zu einigen weiteren Bemerkungen. Der Gedanke, der eben hier vorgetragen worden ist, man solle den Kolonialgerichtshof als einen besonderen Senat dem Reichsgericht angliedern, hat für mich etwas sehr Bestechendes. Beim augenblicklichen Stand der Dinge kann es ja leicht kommen, daß über eine bestimmte Sache der Kolonial⸗ gerichtshof zu entscheiden hat, daß aber über eine ganz ähnlich gelagerte Angelegenheit die Konsulargerichtsbehörde entscheidet. Dieser Miß⸗ stand wird abgestellt, wenn man dem Gedanken des Vorredners nach⸗ geht. Wenn dieser Gedanke sich vielleicht verwirklichen lassen sollte, so würde auch die ganze große Haupt⸗ und Staatsaktion, die in der Frage, ob Hamburg oder Berlin, in Szene gesetzt worden ist, sich er⸗ ledigen, indem an Stelle dieser beiden Städte eben Leipzig treten würde. Ich muß freilich sagen, daß ich als Sitz eines obersten Kolonialgerichts⸗ hofes Hamburg für geeigneter als Berlin ansehen würde. Meine politischen Freunde würden gleich mir lieber für Hamburg als für Berlin stimmen, aber die endgültige Entscheidung darüber müssen wir uns noch für die Kommission vorbehalten. Wenn freilich die Anregung der Herren vom Zentrum sich verwirklichen lassen sollte, so würde sich der ganze Streit ja von selbst erledigen. Meine politischen Freunde legen mit Rücksicht auf die Schwierigkeit und Wichtigkeit der Materie Gewicht darauf, daß 21 Mitglieder, nicht nur 14, in die Kommission gewählt werden.

Abg. Dr. Giese (dkons.): Meine politischen Freunde erkennen an, daß die Gerichtszustände in den großen Kolonien nicht genügen, wo die oberste Entscheidung allein in den Händen eines Gerichtshofes mit vier Laienrichtern liegt. Das mag in kleineren Verhältnissen ganz gut sein; aber seitdem die Entwicklung der Kolonien so stark fortschreitet, muß das geändert werden. Auch für meine politischen Freunde wäre es das erfreulichste, wenn dieser oberste Kolonialgerichkshof an das Reichsgericht angegliedert würde. Eine einfache Ueberweisung der Kolonialgerichtssachen an das Reichsgericht müßte aber an der Ueber⸗ lastung des Reichsgerichts scheitern. Ganz neu ist nun der Vorschlag, diesen obersten Gerichtshof dem Reichsgericht gewissermaßen als einen besonderen Senat anzugliedern. Der Vorschlag hat außerordentlich viel für sich. Es ist ja richtig, daß, wenn eine. derartige Regelung der Frage vorgenommen würde, der Streit, ob Hamburg oder Berlin der Sitz des Gerichtshofes sein soll, sich erledigen würde. Da dies aber noch nicht feststeht, so muß ich erklären, daß über diese Frage die Meinungen in meiner Fraktion auseinandergehen. Das Nähere hierüber wird sich in der Kommission ergeben. Was die Bestimmungen im einzelnen an⸗ geht, so sind wir im ganzen damit einverstanden. Wir sind küher da⸗ für eingetreten, daß in einem solchen obersten Kolonialgerichtshof ein höherer Beamter der Kolonialverwaltung sitzen müsse, der die Ver⸗ hältnisse in den Kolonien aus eigener Anschauung genau kennt. Unseren Wunsch hat der Reichstag damals abgelehnt, und die Regierung hat jetzt leider diesen Gedanken ganz fallen lassen. Der Schwerpunkt des Kolonialgerichtshofes wird in seiner Funktion als Revisionsinstanz liegen. Es muß aber auch eine beschränkte Berufung an ihn möglich sein. Hierüber ist ja bereits in der Kommission bei der früheren Be⸗ ratung ausführlich verhandelt worden, und ich habe selbst die Ehre ge⸗ habt, dieser Kommission anzugehören. Ich würde mich freuen, wenn diese Vorlage in der Kommission jetzt möglichst schnell erledigt werden könnte, denn die Errichtung eines solchen Gerichtshofes ist ein dringen⸗

des Erfordernis und liegt im Interesse des Vaterlandes. Ich stimme

dem Antrag zu, daß der Entwurf an eine Kommission von 21 Mit⸗ gliedern verwiesen wird, und ich möchte an diese Kommission bereits jetzt die Bitte richten, ihre Arbeiten möglichst zu beschleunigen.

Abg. Dr. Dove (fortschr. Volksp.): Die Vorlage ist das Pro dukt früherer Kommissionsberatungen. Aber auch jetzt wieder sind eine Reihe weiterer Bedenken erhoben worden. Die Frage des Sitzes dieses Gerichtshofes steht für mich erst in zweiter Linie. Hauptsache ist, daß hier wirklich ein unabhängiger Gerichtshof geschaffen wird. Von verschiedenen Seiten ist für Hamburg eine Lanze gebrochen wor⸗ den. Da ist es wohl gestattet, daß auch für die Vorstadt von Ham⸗ burg, Berlin, ein gutes Wort eingelegt wird. Ueber Leipzig haben wir uns damals in der Kommission noch nicht unterhalten koͤnnen. Es ist ausgeführt worden, daß es mit der Ueberlastung des Reichsgerichts nicht so schlimm ist. Ich erinnere aber nur an die vielen Verhand⸗ lungen, die wir gerade hier gehabt haben, um das Reichsgericht zu ent⸗ lasten. Wenn wir schon daran gehen wollten, die Revisionssumme heraufzusetzen, dann muß doch sicherlich eine Ueberlastung vorliegen. Dazu kommt, daß in der jetzigen Vorlage die Revision anders be⸗ handelt wird, als sie für das Reichsgericht zulässig ist. Die betonte Einheitlichkeit der Rechtsprechung wird also dadurch nicht erreicht. Der Abg. Stolten hat sich sehr scharf gegen Berlin und Preußen aus⸗ gesprochen. Ich muß mich gegen die Art wenden, wie das geschehen ist. Die Art, wie hier Berlin bekämpft wird, erinnert an die Kampf⸗ weise einer bestimmten Partei im preußischen Landtage, wo man immer vom Wasserkopf Berlin spricht. Hamburg behauptet, daß bei ihm für die Kolonien das meiste Verständnis vorhanden ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß in Berlin doch mehr Kolonialgesell⸗ schaften und Institute als in Hamburg sind. Von einer Abhängig⸗ keit der Berliner Richter kann man doch auch nicht sprechen. Die Abhängigkeit beruht doch schließlich auf anderen Dingen als auf dem Sitze. Eine ähnliche Erwägung führte seinerzeit dazu, das Reichs⸗ gericht nach Leipzig zu legen. Es ist fraglich, ob jetzt alle die wieder dafür sein würden, die damals dafür eintraten. Hauptsache ist aber vor allem, daß wir endlich zu einer ordentlichen obersten Instanz für die Kolonien kommen. Ueber Kleinigkeiten werden wir in der Kom⸗ mission hinwegkommen.

Abg. Warmuth (Rp.): einen Fortschritt. Zu begrüßen ist es auch, daß trotz der scharfen Trennung zwischen Justiz und Verwaltung der Verwaltung genügend Raum zur Vertretung ihrer Interessen gegeben ist. Ebenso sind wir damit einverstanden, daß in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Art der Revision der Febi proheordnng hier keine Anwendung finden soll. Die drei für den Sitz des Gerichtshofs in Vorschlag gebrachten Städte haben ja ihre besonderen Vorzüge. Hamburg hat als Sitz des über⸗ seeischen Handels eine gewisse Berechtigung, und das hanseatische Ober⸗ landesgericht genießt ja auch in der Beurteilung überseeischer und kolonialer Dinge einen großen Ruf. Man soll aber nicht vergessen, daß doch in den Kolonien preußisches Recht herrscht. Da die Mit⸗ glieder des Gerichtshofes ihre Tätigkeit nur im Nebenamt ausüben sollen, ist es vielleicht besser, wenn man den Sitz eines preußischen Gerichtes, in diesem Falle also Berlin, nimmt. Bedauerlich ist es, daß gerade in diesem Gesetze so viel Bezug auf fremde Gesetze ge⸗ nommen wird. Das erschwert die Uebersicht. Man muß an manchen Stellen direkt eine ganze juristische Bibliothek zur Hand haben. Im übrigen sind wir mit der Kommissionsberatung einverstanden.

Abg. Dr. Junck (nl.): Ich glaube, daß die Aufgaben, die dem Kolonialgerichtshof übertragen werden sollen, am besten vom Reichsgericht erfüllt werden können. Daß das Reichsgericht außerdem seinen Sitz in meiner Vaterstadt hat, spielt keine Rolle. Es handelt sich hier nur darum, eine Revisionsinstanz zu schaffen, und zur Er⸗ ledigung dieser Rechtssachen ist nur ein Verständnis der kolonialen Angelegenheiten erforderlich. Es handelt sich in der Hauptsache um die X“ von Rechtsfragen, um Fragen des Handelsrechts und andere, für die das Reichsgericht jetzt schon zuständig ist. Von einer Belastung des Reichsgerichts kann man heute nicht mehr so sprechen wie vor einigen Jahren. 88 werden die Aufgaben des Kolonialgerichtshofes zurzeit noch nicht sehr groß sein. Der Vor⸗ schlag des Zentrums bedarf jedenfalls einer näheren Prüfung.

Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Wenn ich als Altonaer mich für die Verlegung des Kolonialgerichtshofes obgleich ich A , nich

Die Vorlage bedeutet entschieden

bin. Wenn Sie jetzt den Kolonialgerichtshof nach Leipzig verlegen

wollen, so steht das in einem sonderbaren Gegensatz zu dem Gesetzent⸗ wurf, den wir vorhin beschlossen haben, und der die Entlastung des Reichsgerichts bezweckt. Man sollte doch die Gesetzgebung nicht in dieser Weise 1““ - t heitlichkeit der Rechtsprechung verlange, daß dieser Gerichtshof na Leipzig komme. Der Kolonialgerichtshof wird zu entscheiden haben über Urteile, die von einem Richter und vier Laien gefällt worden sind. Er wird alles andere sein als eine Revisionsinstanz. Es wird also nur Berlin oder Hamburg in Frage kommen, wenn sich nicht etwa noch andere Orte melden, wie Witzenhausen, das eine Kolonialschule hat, und Wittenberge, das zwischen Berlin und Hamburg in der Mitte liegt. Warum hat denn die Regierung es seinerzeit für unannehmbar erklärt, daß der Gerichtshof nach Hamburg käme? Weil sie Wert dar⸗ auf legte, daß Verwaltungsbeamte in den Gerichtshof kommen, und weil man namentlich Räte des Auswärtigen Amtes hinein haben wollte, die in Berlin wohnen. Jetzt hat die Regierung darauf ver⸗ zichtet und es liegt kein Grund mehr vor, Hamburg auszuschließen. Für Hamburg haben sich auch mit seltener Einmütigkeit die Kolonien selbst erklärt. Wenn schon das Recht entfernt von der Heimat ge⸗ prochen werden soll, so ziehen sie unter allen Umständen Hamburg Berlin vor. Daß in Berlin mehr Kolonialgesellschaften vorhanden sind, hat mit der Frage nichts zu tun. Die Vertreter der kolonialen Bestrebungen sind doch eigentlich die alten Firmen in Hamburg und Bremen, die drüben in den Kolonien Faktoreien errichtet haben. Ebenso wie man seinerzeit das deutsche Seerecht in Hamburg gemacht hat, weil man es dort am besten lernen konnte, so sollte man auch den überseeischen Gerichtshof nach Hamburg legen.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Ich hatte die Absicht, diesen Gesetzentwurf, der dem Hohen Hause bereits seit dem Jahre 1910 bekannt ist, für diejenigen Herren Mitglieder des Reichstages, die dem alten Reichstag nicht angehört haben, mit einigen erläuternden und empfehlenden Worten einzuführen. Ich hatte mir vorgenommen, zum Schluß dieser Einleitung meiner zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck zu geben, daß der Gesetzentwurf, der aus einer gemeinschaftlichen fleißigen Arbeit des Hohen Hauses mit den verbündeten Regierungen zustande gekommen ist, schnelle und sichere Annahme bei Ihnen finden möchte. Leider hatte die Debatte schon angefangen, als ich eintrat, und meine Rede wäre post festum gewesen. Nachdem ich aber die Debatte über den Kolonialgerichtshof gehört habe, bin ich mit banger Sorge erfüllt, daß unsere Landsleute in den Kolonien noch längere Zeit der Privilegien verlustig bleiben müssen, die wir in der Heimat seit Jahrzehnten genießen. Es sind heute so viele neue Gesichtspunkte aufgeworfen worden, es sind so viele ältere Gesichtspunkte, die ehedem verworfen waren, wieder aufgetaucht, daß ich nicht in der Lage bin, ohne mich mit den Vertretern der verbündeten Regierungen ins Benehmen zu setzen, dazu Stellung zu nehmen. Soviel kann ich Ihnen aber mit Sicherheit sagen: die Kaiserliche Regierung hält es für ein nobile offlcium, das wir ein oberstes Gericht unseren Landsleuten in den Kolonien geben und schnell geben! Ich möchte nicht von Einzelheiten sprechen: ob wir mit dem Kolonialgerichtshof an das Reichsgericht kommen, ob wir als Sitz des Kolonialgerichts Leipzig oder Hamburg oder Berlin wählen, ob wir den Prokureur behalten oder ihn streichen, ob wir das Be⸗ schwerderecht so oder so ausgestalten das sind alles sekundäre Fragen, über die die Regierung mit Ihnen in der Kommission in die ein⸗ gehendste Prüfung eintreten wird. Ich möchte mich nur an die zu gründende 21⸗iger⸗Kommission mit der Bitte wenden, alles zu tun, damit der Gerichtshof schnell auf die Füße gestellt wird. Das bitte ich im Namen der gesamten weißen Bevölkerung unserer Kolonien. (Beifall.)

Die Vorlage wird darauf einer Kommission von 21 Mit⸗ gliedern überwiesen.

Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildet die erste Beratung des Gesetzentwurfs wegen Ab⸗ änderung der §8§ 56 und 56e der Gewerbeord⸗ nung (Hausierhandel, Wanderlager).

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Dieser Ge⸗ setzentwurf bedarf kaum einer besonderen Einführung. Er ist lediglich bestimmt, verschiedenen Uebelständen entgegenzutreten. Zunächft soll das Verzeichnis derjenigen Waren, die vom Verkauf im Umherziehen aus⸗ geschlossen sind, erweitert werden. Es ist eine Notwendigkeit, diese neuen Bestimmungen möglichst bald in Wirksamkeit treten zu lassen. Bezüglich der einzelnen Gegenstände, die vom Verkauf ausgeschlossen werden sollen, darf ich auf die eingehende Begründung der Vorlage Be⸗ zug nehmen. Daneben will der Entwurf den Betrieb der Wanderlager von der Erlaubnis der zuständigen Behörde abhängig machen; er will damit Mißständen, die seit langem allgemein beklagt werden, entgegen⸗ treten. Der Reichstag hat wiederholt Resolutionen an uns gerichtet, wonach für die Wanderlager eine besondere Erlaubnis vorgeschrieben werden möge, die von dem Nachweis des Bedürfnisses abhängig zu machen sei. Die Wanderlager entsprechen allerdings einem gewissen Bedürfnis, und deshalb sieht der Entwurf von einem Verbot der Wanderlager ab, aber neben dem einwandsfreien Betriebe der Wander⸗ lager gibt es andere, über die viel geklagt wird. Dier nach den örtlichen Verhältnissen für den seßhaften Handel schädlichen Wanderlager können beseitigt werden, ohne daß das Kaufbedürfnis darunter leidet. Die Käufer sollen vor unlauteren Maßnahmen der Wanderlager ge⸗ schützt werden. Nachdem andere Mittel dagegen keine Wirkung gehabt haben, dürfte dieser Entwurf unter Berücksichtigung der örtlichen Ver⸗ hältnisse die Mißstände wirksam bekämpfen.

Abg. Brey (Soz.): Ich erblicke in dem Gesetzentwurf einen Versuch, dem Hausierhandel neue Schwierigkeiten zu bereiten. Die Ge⸗ werbeordnung kennt bereits eine Reihe von Einschränkungen, hier sollen für ihn neue geschaffen werden. Jede bisherige Aenderung in der Gewerbeordnung hat wenigstens diesen Erfolg gehabt. Einer immer größeren Anzahl von Volksgenossen wurde so die Existenzmöglichkeit genommen. gegen die das Publikum geschützt werden . Aber unter den Hausierern befinden sich sicherlich ebensoviel anständige Elemente wie in anderen Berufen. Jedenfalls kann sich eine große Anzahl von Menschen nur

noch durch Hausieren ernähren, da sie sich auf andere Weise kein Geld

mehr erwerben können. Deshalb stehen wir jeder Aenderung der Ge⸗ werbeordnung mit der allergrößten Vorsicht gegenüber. Wenn man die Leute vor Uebervorteilung schützen will, dann muß es anders geschehen als durch Gesetzesparagraphen und Unterstellung unter die Obhut des Gendarmen und Staatsanwalts. Gifte, gifthaltige Waren, Arzneien und Geheimmittel, die als schädlich für die Gesundheit des Menschen gelten, und die, der einzelne nicht als solche erkennen kann, dürfen natürlich nur mit größter Vorsicht an die Käufer gebracht werden. Der Entwurf geht aber darüber weit hinaus, indem er auch andere Mittel vom freien Verkauf ausschalten will, wie die zur Verhütung der Empfängnis. Der Entwurf läßt sich da nicht von ethischen Motiven leiten. Man will dem Geburtenrückgang entgegenwirken. Aber man greift hier in recht ungeschickter Weise ein, man verfährt hier wie das Wirken eines gewissen Tieres im Porzellanladen. Wenn eine Familie ihren Zuwachs regulieren will, so darf man dabei nicht vergessen, daß die Mietpreise für Wohnungen immer mehr in die Höhe gehen. An dem Geburtenrückgang ist auch der mangelhafte Schutz der Arbeite⸗ rinnen schuld. Immer mehr Frauen werden unfähig zum Austragen und Gebären von Kindern. Die Dinge, deren Vertrieb im Umbher⸗ ziehen jetzt verboten werden soll, dienen zum Teil sanitären Maß nahmen, und viele Personen sind wirklich nicht imstande, sich diese Dinge anzuschaffen, wenn sie ihnen nicht durch Aufsuchen in ihrer

Es ist auch nicht richtig, daß die Ein⸗

er Hausierhandel wird immer als eine Plage hingestellt,

Wohnung in erreichbare Nähe gebracht werden. Ich beantrage, die Vorlage einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Irl⸗Erding (Zentr.): Die Vorlage wird pon der Regie⸗ rung gewissermaßen als Abschlagszahlung gegeben. Ich glaube, der Reichstag hat schon zu wiederholten Malen durch Resolutionen zum Ausdruck gebracht, daß auch für andere Fragen in diesem Hause eine Mehrheit zu finden wäre. Ueber alle diese Fragen wird aber immer wieder erklärt, daß noch die Erwägungen schweben. Der Gesetzentwurf befriedigt unsere Erwartungen durchaus nicht. Der Ministerialdirektor hat gesprochen von „einigen“ Gegenständen, deren Vertrieb im Wander⸗ gewerbe beschränkt werden solle. Ich finde im ganzen nur drei, und dafür mehrere andere, die neuerdings freigegeben werden sollen. Ich möchte auf eine Resolution verweisen, die im vorigen Jahre im Reichs⸗ tag angenommen wurde. Da wurde verlangt, daß der Betrieb des Hausierhandels möglichst eingeschränkt würde. Es wurde auch gefragt, wie es denn komme, daß offenbar bei uns viel mehr ausländische Hausierer sind, als in der Statistik nachgewiesen sind. Zu dieser wich⸗ tigen Frage nimmt der Entwurf gar keine Stellung. Im Zusammen⸗ hang damit muß auch auf den schweren Mißstand hingewiesen werden, daß die Kinder der Wandergewerbetreibenden ständig die Schule wechseln müssen. Die Kinder müssen immer da eingeschult werden, wo sich die Eltern zufällig aufhalten. Von einem zusammenhängenden und geordneten Unterricht kann da natürlich nicht die Rede sein. Wir haben früher in unserer Resolution verlangt, daß das Mitführen von Personen anderen Geschlechts mit Ausnahme der Ehefrau verboten sein solle. Auch hierauf nimmt die neue Vorlage gar keinen Bezug. Die Hausierer gehen in der Art, wie sie den Leuten ihre Waren auf⸗ udrängen versuchen, oft unglaublich weit. Sie werden unter Um⸗ ständen geradezu gewalttätig gegen solche Leute, die ihnen nichts ab⸗ nehmen. Natürlich will ich damit nicht behaupten, daß alle Hausierer o gewalttätig seien, aber es jst das doch ein weit verbreiteter Uebel⸗ stand. Das, was die Regierhng veranlaßt hat, den Vertrieb von Rohbernstein im Umherziehen zu verbieten, trifft auf soundso viele andere Gegenstände auch zu. Das Verbieten des Feilhaltens der Pfandscheine begrüßen wir. Wir begrüßen auch das Verbot des Feil⸗ haltens von Mitteln zur Verhütung der Empfängnis und zur Be⸗ seitigung der Schwangerschaft. Der Vorredner hat ja den Gebärstreik mit der Zollpolitik in Verbindung bringen wollen, aber ganz mit Un⸗ recht. In der Frage, ob der Hausierhandel mit Gemüse⸗ und Blumen⸗ samen aufgehoben werden soll, möchte ich mich noch nicht festlegen, das müssen wir erst in der Kommission sehen. Bezüglich der Frage der Wanderlager, deren Errichtung an eine besondere Erlaubnis geknüpft werden kann, genügt mir die Vorlage durchaus nicht. Es ist gar kein Bedürfnis für die Wanderlager vorhanden, diese müßten vollkommen verboten werden. Für die Kommissionsberatung sind wir selbstverständ⸗ lich auch. Wir schlagen aber eine Kommission von 28 Mitgliedern vor, weil vielleicht doch noch andere Punkte der Gewerbeordnung zu prüfen sind. Wir werden uns bemühen, in den Entwurf Bestimmungen hineinzubringen, die dem wirklichen Bedürfnis der Praxis entsprechen. Wir sind durchaus nicht gewillt, den ganzen Hausierhandel mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dadurch würde die Existenz mancher Familien in Frage gestellt werden. Anderseits muß ich unterstreichen, daß zahl⸗ reiche E des Mittelstandes, namentlich in den kleinen Städten, durch die unlautere Konkurrenz der zweifelhaften Hausierer bedroht werden. Ich bitte die Regierung dringend, den Interessen des seß⸗ haften Mittelstandes mehr entgegenzukommen. Mit Trostworten allein ist dem Mittelstand nicht gedient.

Abg. Dr. Böttger (nl.): Der vorliegende Entwurf stellt einen Versuch dar, den Wünschen des gewerblichen Mittelstandes zu ent⸗ sprechen. Wir sind gewillt, auf den Boden des Gesetzentwurfes zu treten, und schließen uns dem Antrage auf Kommissionsberatung an. Es würde aber eine Kommission von 14 Mitgliedern genügen. Es ist nicht zu bestreiten, daß es auch zweifelhafte Elemente unter den Hausierern gibt, und daß das Publikum vor ihnen geschützt werden muß. Ueber etwaige Ausnahme⸗ und Uebergangsbestimmungen wird noch in der Kommission zu sprechen sein, auch darüber, ob vielleicht auch die Margarine zu den von dem Hausierhandel auszuschließenden Gegenständen gehören soll. Im Gegensatz zu dem Vertreter der Sozialdemokratie kann ich nur billigen, daß Gifte und gifthaltige Waren wie Mittel zur Verhütung der Empfängnis und Beseitigung der Schwangerschaft im sittlichen Interesse des Volkes vom Hausier⸗ handel ausgeschlossen werden. Die Frage, ob der Hausierhandel im großen Stile, nämlich mit Pferd und Wagen, zu verbieten ist, wäre ebenfalls in der Kommission zu erwägen. Auch uns gehen die Be⸗ stimmungen über die Wanderlager nicht weit genug. Die Fassung des Paragraphen ist unklar und muß verbessert werden. Wir akzeptieren diese Vorlage lediglich als eine Abschlagszahlung an den Mittelstand. Wir werden die Novelle ausgestalten, wie es dem praktischen Be⸗ dürfnis entspricht.

Abg. von Payer ffortschr. Volksp.): So harmlos, wie die verbündeten Regierungen uns den Inhalt der Vorlage hinstellen, ist er in Wirklichkeit doch nicht. Wir müssen den Inhalt des Gesetzes mit der größten Vorsicht behandeln. Wir sind deshalb auch für eine Kommissionsberatung. Ich halte aber 21 N9. eitglieder für ausreichend. In der Frage des Hausierhandels haben wir stets eine vermittelnde Stellung eingenommen. Gewiß muß das seßhafte Gewerbe geschützt werden, aber deswegen darf das Hausiergewerbe nicht für vogelfrei erklärt werden. Es gibt eine große Anzahl von Hausierern in Württemberg und Waldeck, die auf diesen Beruf angewiesen sind. Das sind nicht immer bloß arbeitsscheue Leute. Von den Interessen der Konsumenten haben die Vorredner noch gar nicht gesprochen. Auch diese bedürfen des Schutzes. In manchen Gemeinden sieht man den Besuch des Hausierers gar nicht so ungern. Ob der Rohbernstein vom Hausierhandel ausgeschlossen werden soll, regt uns nicht auf, ebenso das Verbot des Hausierens mit Pfandscheinen. Auch in bezug auf das Verbot des Hausierens mit Gegenständen zur Verhütung der Empfängnis oder zur Beseitigung der Schwangerschaft liegt kein Grund vor, dies nicht zu verbieten. Die Gemüse⸗ und Blumensamen waren seinerzeit mit Rücksicht auf zwei Gemeinden zum Hausierhandel zugelassen worden, jetzt sollen sie auf einmal ausgeschlossen werden. Wir glauben, daß es sich hierbei um so geringe Beträge handelt, daß der Hausierhandel mit Gemüse⸗ und Blumensamen ohne Bedenken zugelassen werden kann. Es kommen auch hier die Interessen der Konsumenten in Frage. Es hat sich hier zwischen Händlern und Publi⸗ kum ein Vertrauensverhältnis herausgebildet, das die Regierung nicht stören sollte. Ueber die Wanderlager haben die Vorredner doch zu scharf geurteilt. Wenn man sie hört, muß man glauben, die Wander⸗ lager wären etwas unbedingt Gemeinschädliches. Gewiß wird auch mit den Wanderlagern Unfug getrieben, aber es gibt auch Fälle, wo sie nicht bloß zweckmäßig, sondern unbedingt notwendig sind im Interesse des konsumierenden Publikums. Das Verbot der Wanderlager in das Belieben der Behörden zu stellen, geht nicht an. Wir müßten doch wenigstens seste Grundsätze dafür schaffen, sonst kommt man immer zu unliebsamen Streitigkeiten. In dieser Fassung ist dieser Teil des Gesetzes für uns unannehmbar.

Abg. Graf von Carmer⸗Zieserwitz (dkons.): Dieser Gesetzentwurf richtet sich mit vollem Recht in erster Linie gegen den Hausierhandel. Er hatte früher eine Berechtigung, wo die Hausierer ihre eigenen Produkte oder die ihrer Heimat vertrieben. Jetzt er⸗ gänzen 6 ihren Warenvorrat meist in den großen Fabriken und Ramschbazaren. Ich vperkenne durchaus nicht, daß es Ausnahmen hier sehr wohl gibt, daß Gegenden vorhanden sind, wo die eigentliche Art des Hausiergewerbes noch besteht. Diesem irgendwie nahe zu treten, liegt kein Grund vor. Jetzt aber werden meist alle möglichen Gegen⸗ stände zusammengekauft und Hausierer mit Wagen und Pferd werden ausgesandt, die dem Publikum in aufdringlichster Form ihre Waren anpreisen, sogar manchmal gegen Wechsel. Der Ausschluß des Roh⸗ bernsteins vom Hausierhandel is in der veränderten Gesetzgebung be⸗ gründet. Jetzt würde er nur schädlich wirken. Der Zwischenhandel würde nur dazu dienen, die ausländische Konkurrenz zu stärken. In der Kommission wird aber auch darauf gesehen werden müssen, daß auch die Ausländer nach Möglichkeit ausgemerzt werden. Das Ver⸗ bot des Hausierhandels mit Pfandscheinen ist ebenfalls berechtigt. Eine gewisse Industrie stellt jetzt Waren her, die äußerlich den auten Goldwaren ähnlich sind, und fälscht sogar den Goldstempel. Diese

Gegenstände werden dann keuer versetzk. Als anderer Uebelstand hat sich der herausgebildet, daß Hausierer Leuten, die aus Notlage Gegen⸗ stande versetzt haben, diese abschwatzten. Das Verbot des Handels mit Gemüse⸗ und Blumensämereien wird ganz besonders in der Lieg⸗ nitzer Gegend begrüßt, wo eine intensive Gärtnerei betrieben wird. Wenn auf den eigenartigen württembergischen Hausierhandel in Saäme⸗ reien hingewiesen wird, so braucht dieser nicht von dem Verbot berührt zu werden. Wir haben ja die Vorschrift, daß die Landesregierungen notwendige Ausnahmen zulassen können. Es sollen ferner Gegenstände verboten werden, die zur Verhütung der Empfängnis oder Beseitigung der Schwangerschaft dienen. Dieses Verbot macht mir eine große Freude, zumal ja der Gesetzentwurf, der auch diesen Passus enthielt, nicht zustande kam. Wie erschreckend der Geburtenrückgang bei uns ist, sieht man daraus, daß, während im Jahre 1876 auf 1000 Menschen noch 41 Geburten kamen, diese Zahl im Jahre 1911 auf 29. zurückgegangen ist. Darin liegt eine große Gefahr für den Fortbestand des Volkes. Die Gefahr ist um so größer, wenn man in Erwägung zieht, daß die Bewegung zur Verhütung des Kindersegens immer weitere Kreise ergriffen hat. Ich weise hier nur auf die neumalthusia⸗ nistische Lehre hin, die noch nicht die gefährlichste ist. Sie erwartet eine Verbesserung der Rasse. Wie es damit aussieht, das zeigt ja Frankreich mit seinem Zweikindersystem. Dort hätte schon eine solche Rasse herangewachsen sein müssen, die turmhoch über den anderen Rassen steht. Gerade die leitenden Kreise Frankreichs sind aber ganz außerordentlich cpre. In kinderarmen Regierungsbezirken, wie Berlin⸗Potsdam, beträgt die Prozentzahl der Diensttauglichen nur 40 und 45 %, während sie in den kinderreichen Bezirken Pommern, West⸗ preußen und Posen 60 bis 68 % beträgt. Auch von sozialdemokrati⸗ scher Seite wird in Wort und Schrift der Proletarierfrau empfohlen, doch den Kindersegen einzuschränken, sogar von sozialdemokratischen Aerzten geschieht das, z. B. in einer Schrift eines Schweizer Arztes „Kindersegen und kein Ende“. In einer anderen Schrift werden auch Apparate empfohlen, die praktisch diese Wirkung erzielen sollen. Ich verweise ferner auf die Schrift eines Dr. Zadeck „Verhütung der Schwangerschaft“, die im Verlage des „Vorwärts“ erschienen ist. Auch in öffentlichen Versammlungen werden nicht nur von männlichen Vertretern, sondern auch von Frauen Verhaltungsmaßregeln zur Ver⸗ hütung des Kindersegens empfohlen, sogar mit Zuhilfenahme von Lichtbildern. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Sie (zu den Sozialdemokraten) mögen darüber lachen, mir ist es bitterer Ernst. Wir sehen hierin eine Gefährdung unseres Volkswohls, der Ehe. Es entsteht dadurch eine Schädigung unserer Wehrkraft, unserer Volks⸗ kraft. Aber das ist für mich noch nicht das schlimmste. Viel schlimmer ist die Schädigung der Moral. Meine politischen Freunde sind fest entschlossen, unser Volk gegen diese Schädigung zu schützen, und deshalb werden wir uns nicht scheuen, dieses Gesetz möglichst aus⸗ zubauen. Was die Wanderlager betrifft, so mögen sie früher, wo der Verkehr noch nicht so ausgebildet war wie jetzt, am Platze gewesen sein, und ich gebe auch zu, daß sie in gewissen Fällen auch heute am Platze sein mögen, und zwar in dünner bevölkerten Gegenden. Es ist aber doch eine merkwürdige Erscheinung, daß die Wanderlager nur in stark bevölkerten Gegenden zu finden sind., Sie würden auch nicht die hohe Steuer bezahlen, wenn sie nicht ihren Profit machten. Ich kann Sie versichern, daß der Handel der Wanderlager mit den billigen Grammophonen in meiner Gegend geradezu zu einer Plage geworden ist. Von 1900 bis 1910 sind die Wanderlager in Städten bis zu 10 000 Einwohnern um 60 % gestiegen, in den größeren Städten um 80 %. Die Wanderlager sind nicht nur für das kaufende Publikum eine Gefahr, sondern vor allem für den wirklich soliden Handwerker und Kleinhändler. Wenn das Publikum sich davon überzeugt, daß es Schundware gekauft hat, dann ist es zu spät, dann sind die Wander⸗ lager längst fort. Der Artikel über die Wanderlager geht uns nicht weit genug. Meine politischen Freunde haben in den Jahren 1911 und 1912 mehrfach darauf hingewiesen, daß die einzige Möglichkeit, diese Wanderlager einzuschränken, darin besteht, daß die Genehmigung abhängig gemacht wird von der Bedürfnisfrage. Nun sagt der Ar⸗ tikel 2, daß die Landeszentralbehörden befugt sind, für ihr Gebiet oder Teile ihres Gebietes zu bestimmen, daß der Betrieb eines Wander⸗ lagers der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf. Es heißt dann aber weiter, daß die Erlaubnis nur versagt werden darf, wenn ein Be⸗ dürfnis zur Veranstaltung nicht vorliegt. Wir werden in der Kom⸗ mission beantragen, daß die Prüfung der Bedürfnisfrage durch das Reich und nicht durch die Landeszentralbehörde geschieht. Wir wollen nicht einen Bundesstaat dem aussetzen, daß sein Nachbarstaat vielleicht eine andere Auffassung gelten läßt, als er selbst. In diesem Sinne werden wir in der Kommission an der Vorlage arbeiten, abgesehen auch von einigen anderen Punkten, in denen wir Sonderforderungen tellen. So werden wir z. B. darauf hinwirken, daß der Handel mit Flaschenbier und Margarine vom Hausierhandel ausgeschlossen wird.

Abg. Dr. Hegenscheidt (Rp.): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich zu erklären, daß wir für alle Bestrebungen eintreten werden, die auf eine bessere Sicherung der Existenz des Mittelstandes abzielen. Den Ausführungen meines Vorredners habe ich Wesentliches nicht hinzuzufügen. Ich möchte aber noch einen Spezialwunsch zum Ausdruck bringen. Ich möchte anempfehlen, daß die Beschränkung des Hausierhandels mit Taschenuhren ausgedehnt wird auf alle Uhren überhaupt. Man hat früher angenommen, daß der Hausierhandel sich hauptsächlich auf Taschenuhren beschränken würde. Das ist aber leider nicht der Fall. Vielfach werden Wecker und andere Uhren im Hausier⸗ handel vertrieben. Jedenfalls kann ein Zweifel nicht bestehen, daß diese Art des Hausierhandels einen Mißbrauch darstellt, unter dem nicht nur die eingesessenen Kaufleute leiden, sondern auch die Käufer. Ich bitte Sie, den berechtigten Klagen Gehör zu schenken, und stimme der Ueber⸗ weisung an eine Kommission zu.

Die Verhandlung wird hierauf um 6174 Uhr auf Frei⸗ tag 1 Uhr pünktlich vertagt. (Vorher: Kleine Anfragen; Interpellation der Sozialdemokratie über die Vorgänge in Zabern und über die Besetzung der Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen, und Wahlprüfungen. Ferner erste Beratung des Gesetzentwurfes über die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens.)

Koloniales.

58

Zur Eisenbahn⸗ und Schiffahrtsfrage 6

in Alt⸗ und Neukamerun. 1 Die Frage eines Eisenbahn⸗Schiffahrts.Verkehrs in Kamerun be⸗ schäftigte die Technische Kommission des Kolonialwirt⸗ schaftlichen Komitees in einer kürzlich abgehaltenen Sitzung. Von besonderer Bedeutung für diese Frage ist der Bericht des soeben zurückgekehrten Leiters der kameruner Schiffahrtsexpedition F. Michell⸗

München, dem wir folgendes entnehmen: 1

Der Landmarsch erfolgte mit 300 Trägern und militärischer Be⸗ gleitung von Kribi aus. Vom Keaiserlichen Gouvernement war Regierungsbaumeister Hassenstein beigegeben. Am 3. Mäaͤrz erreichte die Expedition Olama am Njong, den Ausgangspunkt der wasser⸗ wirtschaftlichen Erkundung. Die Arbeiten der Expeditton ergaben, daß

I. der Njong

mit Bezug auf seine Schiffbarmachung in zwei voneinander ganz ver⸗ schiedene Hauptstücke einzuteilen ist:

1) Die Strecke von Mbalmajo, dem künftigen Endpunkt der kameruner Mittellandbahn, bis in die Nähe von Ajoshöhe mit einer Länge von ungefähr 225 km. Hier ist bei dem minimalen, rund 1:40 000 betragenden Gefälle, einer Stromgeschwindigkeit von 0,135 Sek.⸗Metern und einer Wassermenge von 8,8 cbm in der Sekunde die Möglichkeit geboten, durch Kanalisierung, d. h. vermittels eines Wehres, mit verhältnismäßig geringen Kosten den Wasserspiegel bis Akonolinaga zu heben und weiterhin von dort bis Aioshöhe mit Hilfe von Buhnen usw., also durch Regulierung, wozu auch teilweise Baggeruncen kommen werden, die gewünschte Tiefe zu erreichen. Es können dann zu jeder Wasserzeit, also das ganze Jahr, Schiffe ihren

Betrieb ohne Unterbrechung durchführen; mit anderen Worten: diefer Teil kann in einen leistungsfähigen Wasserweg umgewandelt werden, der später auch den größten Anforderungen voll genügen wird, also imstande ist, eine Eisenbahn zu ersetzen.

2) Das Stück Ajoshöbe —Abongmbang mit einer Länge von 103 km. Auf dieser Strecke wird sowohl mittels Kanalisierung als auch durch Regulierung eine auch nur einigermaßen befriedigende Besserung kaum zu erhoffen sein. Bei nur ganz geringer Breite von 5 bis 20 m zur Niedrigwasserzeit schlängelt sich der Fluß in sehr gewundenem Laufe durch niederes Sumpf. und Moorland, das er bei gehobenem Wasserstand auf kilometerbreite Strecken überschwemmt. Die Geraden genannter Kurven besitzen häufig kaum eine Länge von 20 m, große Kanus finden in ihnen Schwierigkeiten, herumzukommen. Der Flußlauf biegt nicht selten um 90 bis 120 ° scharf um mit einem Radius von stellenweise nur 20 m. Die Ufer bestehen in der Hauptsache aus angeschwemmten pflanzlichen Sinkstoffen; das Land zu beiden Seiten, wenn man es als solches bezeichnen kann, ist eine weiche Masse, die nur mit äußerster Vorsicht zu betreten ist. Die bei Kilometer 304 be⸗ ginnende, besonders starke Verunreinigung des Njong ist mit den nötigen Mitteln zu heseitigen und würde kein besonderes Hindernis für eine Schiffahrt bilden. Wenig Aussicht aber für eine Korrektion verspricht insbesondere die ganz geringe Wassermenge des oberen Njong, die nur auf 2 chm in der Sekunde ermittelt wurde. Es würde, um auch nur kleineren Motorbooten ein einigermaßen ungehindertes Passieren zu ermöglichen, die teilweise Verlecung des Gesamtflußbettes zur Notwendigkeit werden. Die Strecke Ajoshöhe Abongmbang wird daher niemals eine bedeutende Wasserstraße werden; sie wird mehr oder minder das bleiben, was sie jetzt schon he ein den lokalen Bedürfnissen einigermaßen genügender Transportweg, der nach Ausführung kleiner möglicher Verbesserungsarbeiten, insbesondere einer gründlichen Reinigung, kleineren Motorfahrzeugen nach dem Tunnelschraubensystem den Verkehr ermöglicht und so auf diese Weise als ubringer zu einer Bahn eine gewisse Rolle zu spielen berufen ist. Auf alle Fälle wird aber während der Trockenzeit, je nach den Jahren verschieden, der Verkehr auf dieser Strecke 2 bis 3 Monate ruhen müssen.

Kehren wir zurück zur ersten Strecke Mbalmajo Ajoshöhe und sehen uns den Njong an, wenn sein Wasserspiegel durch das Wehr um 1 m bei Akonolinga gehoben sein, der niedrigste Wasserspiegel also 1,3 m betragen wird, so unterliegt es keinem Zweifel, daß auf ihm ganzjähriger Betrieb durchführbar ist und verhältnismäßig große Heckradschiffe verkehren können, sicher solche von 80 t Tragfähigkeit bei 1 m Tiefgang in beladenem Zustande. Die voraussichtlichen Kosten der Gesamtkorrektion des Niong bis Ajoshöhe werden die Summe von 3 ½ Millionen Mark kaum übersteigen, eine im Verhältnis zur Gesamtstrecke geringe Summe. Ein Bahnbau Mbalmajo —Ajoshöhe die Linie würde vielleicht 175 km lang werden venefagt einen Kostenaufwand von 17 ½ Millionen Mark; es können also bei Be⸗ nutzung des Wasserweges 14 Millionen Mark gespart und dafür weitere 149 km Schienenstrang nach Osten gelegt werden. 140 km. Luftlinie führen uns aber schon bis nach Bertua ins Grasland oder fast nach Nyassi am Dume, also ein gutes Stück näher an das gesteckte Ziel, den Sangha.

II. Der Dume.

Es konnte einwandfrei festgestellt werden, das die früher an⸗ genommene Verbindung zwischen Njong und Dume nicht besteht. Der Dume wird von Dume⸗Station an bis Nvassi in ganz kleinen, wenig Lasten fassenden Kanus befahren. Erst von Nyassi ab konnten etwas größere Kanus zur Verwendung kommen. Im Gegensatze zum Njong fällt dem Reisenden sofort angenehm auf, daß der Fluß durch Baumstämme und Pfähle fast nicht verunreinigt ist und von dieser Seite ein Hindernis für die Schiffahrt kaum zu befürchten sein wird. Dagegen besitzt er anhaltend starke Kurven bis manchmal zu 160 Grad. Seine Breite, bei Dume⸗Station 15 m, bei Nyassi 25 m, erweitert sich später bis zu 50 und 70 m. Die Strömung ist stark, sie hat ein Gefälle von 1 9000. An den konkaven Seiten der Ufer ist der Strom sehr heftig, 1.2 bis 1,5 Sek.⸗Meter, während die konvexen Seiten sast keinen Strom oder sogar Gegenstrom aufweisen, wodurch bewirkt wird, daß besonders abwärts gehende Fahrzeuge große Schwierigkeiten finden, da sie vielfach umgedreht und in dem überhängenden Baumwuchs be⸗ schädigt werden. Bei Bimba beginnt im Fluß Felsbildung, die sich bei Molambi zu einer Felsbarre verdichtet, sodaß hier die Schiffahrt ihr größtes Hindernis findet. Für eine größere Schiffahrt kommt der Dume niemals in Frage, es können höchstens kleine Motorboote, deren Konstruktion außerdem den eigentümlichen Verhältnissen an⸗ gepaßt sein müßte, während neun bis zehn Monate im Jahre dort Verwendung finden.

III. Der Kadei.

Der Kadei wurde, eine Tagereise oberhalb von Baturi beginnend, erkundet. Auf diesem Flusse gibt es außer einigen Fähren bis zur Dumemündung bisher noch keine eigentliche Kanuschiffahrt. Der Ex⸗ pedition stand nur ein einziges Fährkanu zur Verfügung, das, teilweise unter großen Schwierigkeiten, im Juni noch über die Schnellen und Fels⸗ barren hinwegzuztehen war. Der Gesamtlauf des Kadei besteht aus einer ununterbrochenen Kette von durchziehenden Felsbarren, die selbst eine Kleinschiffahrt während sieben Monate des Jahres nicht gestatten. Oberhalb von Kentzu, noch innerhalb der alten kameruner Grenze liegend, beginnt eine Reihe von Fällen, manchmal bis zu 8 m Höhe. Bei Kentzu selbst, dem einzigen Orte, in dem der Expedition von seiten der Eingeborenen Schwierigkeiten bereitet wurden, mußte der Wasser⸗ weg verlassen werden. Bei Kumbo liegen Fälle bis zu 12 m Höhe: es wurde der Kadei erst wieder bei Nakumbo für ganz kleine Kanus schiffbar angetroffen. Von hier sind es noch 60 km bis Nola, eine Flußstrecke, die anhaltend über teilweise bedeutende Schnellen führt. An seiner Mündung hat der Kadei nur eine sekundliche Geschwindig⸗ 35 1n . m und führt zur Niedrigwasserzeit eine Wassermenge

on 154 cbm.

IV. Der Sangha.

Der Sangha, einschließlich des Mambere, muß in bezug auf seine Schiffbarkeit in sechs verschiedene Strecken eingeteilt werden: f .1) Von seiner Mündung in den Congo bis Wesso, wo Schiffahrt in Normaljabren die ganzen 12 Monate hindurch mit Fahrzeugen bis zu 1 m Tiefgang betrieben werden kann. In den Hochwassermonaten, Ende September bis Mitte Januar, vermögen Schiffe jeder Größe hier zu verkehren. Bei besonders niedrigem Wasserstande zur Trocken⸗ die größeren Schiffe nur mit verminderter Ladung sichere

assage.

2) Von Wesso nach Salo bezw. Bajanga. Hier können, immer normale Jahre vorausgesetzt, das ganze Jahr die Dampfschaluppen der Compagnie Forestière mit einem Tiefgang von 60 bis 70 cm ver⸗ kehren. Gleich oberhalb liegt das große Hindernis für die Schiffahrt, die sogenannten Saloschnellen.

3) Die Strecke Bajanga Nola. Sie ist im augenblicklichen Zustand während sechs Monate des Jahres, von Juli bis Ende De⸗ zember, für die unter Nr. 2 genannten Schaluppen fahrbar; während 3 ½ Monate, Mitte August bis Ende November, können größere Schiffe bis zu 25 t Tragfähigkeit und nur zwei Monate im Jahre, zurzeit des höchsten Wasserstandes, 40 t⸗Schiffe ohne Risiko bis nach Nola gelangen.

4) Die Strecke Nola-—Banja. Von Nola ab, oder richtiger gesagt: am Einfluß des Kadei, führt der Sangha den Namen Ekela, oberhalb von Banja heißt er Mambere. Genannte Strecke ist nur während 2 ½ Monate des Jahres, von Mitte September bis Ende November, für die Schaluppen von 60 cm Tiefgang fahrbar. Das Haupthindernis liegt in erster Linie in den Schnellen bei Mokello. Dann stellen noch ungefähr 12 km vor Banja die Schnellen bei Ngama ein weiteres Hindernis dar.

5) Das Schnellenstück Banja-—Likaja. Der Fluß hat hier in Jahrtausenden seinen Weg durch eine Menge hoher Felsriffe gespült, die hier und da kaum einen Durchlaß von einigen Metern Breite haben. Die Länge der eigentlichen Schnellenstrecke beträgt 4 km.

Sie wird am rechten Ufer auf einem 7 km langen Landweg um,.