Große Unruhe und Zurufe bei den Soz.) Den Ausdruck „Hoch⸗ verräter“ dürfen Sie nur gegen einen Menschen benutzen, der des Hochverrats schuldig erkannt worden ist. (Zuruf von den Soz.: Es sind aber Hochverräter! — Große Unruhe. — Wiederholte Rufe rechts: Zur Ordnung!)
Meine Herren, vollkommen verfehlt aber erscheint mir das Be⸗ streben, die bedauerlichen Vorgänge in Zabern nicht aus ihren be⸗ sonderen Umständen heraus, sondern als Ausdruck eines tiefgehenden allgemeinen Gegensatzes zwischen Zivil⸗ und Mili⸗ tärverwaltung ansehen zu wollen. Ich habe objektiv dargelegt, wie der Fall entstanden ist. Er ist aus verhältnismäßig kleinen örtlichen Vorkommnissen, aus kränkenden Worten in der Kaserne, aus bubenhaften Schmählichkeiten auf der Straße (Unruhe bei den Soz.), durch eine fortgesetzte Steigerung von Wirkung und Gegen⸗ wirkung erwachsen. Er ist weder für die allgemeinen Zustände bei uns charakteristisch, noch kann oder muß ein allgemeiner Gegensatz zwischen Militär⸗ und Zivilverwaltung in den Reichslanden als Ursache für diese Unstimmigkeiten in Zabern unterstellt werden.
Meine Herren, ich glaube, wir sollten, so wenig erfreulich die Vorgänge der Vergangenheit sind, nicht lediglich an der Vergangenheit festkleben, sondern wir sollten auf die Zukunft sehen. (Zurufe von den Soz.) Für die Zukunft kommt es vor allem darauf an (Zuruf von den Soz.: — daß der Deimling wegkommt!), daß an dem Herde, wo die Erregung entstanden ist, daß in Zabern wieder normale Zustände hergestellt werden (Sehr richtig! rechts), damit Vorgänge, wie die jetzigen, bei denen eine gesunde Kooperation zwischen den öffentlichen Gewalten nicht stattgefunden hat, nicht wiederkehren können. Dazu gehört ein andauernder Kontakt zwischen der militärischen und der zivilen Behörde, dazu gehört die Wiederherstellung des guten und freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Militär und der Be⸗ völkerung, wie es in Deutschland allgemein ist, und wie es in Zabern bis vor kurzer Zeit ein besonders gutes gewesen ist. (Sehr richtig! links.) Landesverwaltung, meine Herren, und Miltlärverwaltung arbeiten gemeinsam auf dieses Ziel hin. Ein General ist nach Zabern gesandt worden, um von der militärischen Seite aus das Nötige zu tun. Wenn aus einer gestrigen Pressenotiz etwa geschlossen sein sollte, daß er dauernd nach Straßburg zurückgekehrt wäre — es stand drin, er wäre nach Straßburg gereist —, so ist das falsch; sein Kommando ist noch nicht beendigt. Es ist aber durchaus notwendig — und ich spreche die ernste Hoffnung aus —, daß die elsässische Bevölkerung dieses Bestreben der Behörden von sich aus unterstützt; sonst kann dieses Streben nicht zum Ziele führen. Und ich habe das Vertrauen zu der elsässischen Bevölkerung, auch wenn sich ihrer infolge dieser Ereignisse eine tiefe Erregung bemächtigt hat, daß sie auf dieses Ziel mit den Behörden hinarbeiten wird. Gerade mit Rücksicht auf diese Erregung habe ich mir Mühe gegeben, den Fall objektiv (Lebhafte Rufe bei den Soz.: Objektiv nennen Sie das?!) darzustellen. (Zurufe bei den Soz.: Einseitige Parteinahme!) Ich habe die Tatsachen objek⸗ tiv dargestellt und sie leidenschaftslos betrachtet. (Sehr richtig! rechts.)
Ich habe am Montag gesagt: die Autorität der öffentlichen Ge⸗ walten und die Autorität der Gesetze muß gleichmäßig geschützt werden. (Lebhafte Zurufe bei den Soz.: Sie ist aber verletzt!) Dabei bleibe ich, und dafür will ich mich einsetzen. (Bravo! rechts. — Lebhaftes, wiederholtes Zischen und Zurufe bei den Soz.)
Preußischer Kriegsminister Generalleutnant Falkenhayn:
Meine Herren! Meinen Ausführungen bei der Beantwortung der kurzen Anfrage, die an den Herrn Reichskanzler über die Vorgänge in Zabern gerichtet war, habe ich für die Zeit vom 6. bis 11. November, auf die sich die Anfrage damals bezog, nichts hinzuzufügen. Ich sollte meinen, trotz des Widerspruchs, der heute hier von der Tribüne erfolgt ist, daß die für jeden, der hören wollte, alles enthielten.
Eines freilich, meine Herren, konnten sie nicht enthalten und haben sie nicht enthalten, die Zusicherung nämlich, daß sich die Militär⸗ behörden den von lärmenden Tumultuanten und hetzerischen Preß⸗ organen aufgestellten Forderungen — — — (Große Unruhe links, langandauernde stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten: Beleidi⸗ gung der ganzen deutschen Presse! — Deimling ist der Hetzer! — Ge⸗ meinheit! — Militärische Frechheit! — Wiederholte Pfuirufe bei den Sozialdemokraten. — Glocke des Präsidenten.) Meine Herren, darf ich meinen Satz noch einmal wiederholen! (Erregte Zurufe bei den Sozialdemokraten: Ja!l Ja! Nein! Nein!) Eines freilich konnten meine Ausführungen nicht enthalten und haben sie nicht enthalten, die Zusicherung nämlich, daß sich die Militärbehörden (Zuruf bei den
Sozialdemokraten: Gesetzlich benehmen!) den von lärmenden Tumul⸗
tuanten und hetzerischen Preßorganen — — — (Langandauernde Unter⸗ brechung und stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten: Unver⸗ schämtheit! — Pfui! Pfui! — Gemeinheit! — Herunter von der
Tribüne! — Glocke des Präsidenten. — Rufe rechts: Ruhe! Bravo! — Abg. Ledebour: Sie sprechen wie ein agent provocateur! Schämen Sie sich gar nicht?! — Lebhafte Rufe rechts: Ruhe! Abg.
Ledebour: Er provoziert hier den Reichstag! Genau wie Forstner in Zabern, so arbeiten Sie hier! — Glocke des Präsidenten.)
Dies, meine Herren, ist in Wahrheit der springende Punkt, um den sich seit dem 9. November der ganze Spektakel in Zabern dreht. (Sehr gut! und Bravo! rechts.) Es handelt sich längst nicht mehr um
die mehr oder weniger übertriebenen Verfehlungen des Leutnants oder seiner Rekruten. (Erregte Rufe von den Sozialdemokraten: Nein,
um den Obersten und um den General!) Auch der Blödeste im Lande weiß, daß deren Angelegenheiten in den festen Händen der Vorgesetzten
(Lachen und Ohorufe links und bei den Sozialdemokraten) ihre gesetz⸗ und ordnungsmäßige Erledigung finden werden (Ja, ja! links —
Bravo! rechts), sondern es handelt sich um den ausgesprochenen Ver⸗
such, durch Pressetreibereien, durch Aufläufe, durch systematische Be⸗
schimpfungen von Militärpersonen (Acht links), ja durch deren Be⸗
hinderung in ihren gewöhnlichen Dienstverrichtungen einen ungesetz⸗ lichen Einfluß auf die Entscheidung der zuständigen Behörden zu er⸗ ringen. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Unwahr, direkte Fälschung, militärische Provokation! — Die Abgeordneten haben das auch beab⸗ sichtigt) — Meine Herren, ich spreche vom Elsaß und nicht hier von den Abgeordneten! — In solchem Versuche erblicke ich eine nicht zu er⸗ tragende Anmaßung! (Bravo! rechts. Rufe links: Wir auch!)
8 Meine Herren, ich will ohne weiteres zugeben, daß ein Zurück weichen davor vielleicht für den Augenblick Ruhe im Zorntal geschaffen hätte. Aber, meine Herren, das wäre eine trügerische Ruhe gewesen. Der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. (Unruhe und Zurufe
8 8 8 .
von
links.) Nach allem, was wir da unken in den letzten Zeiten erlebt haben, ist mir ganz sicher, daß der einmal geglückte Versuch nicht nur einen, sondern unzählige Nachfolger gehabt hätte. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Sie arbeiten bloß für uns!) Um Vorwände dazu zu vermeiden — und um Vorwände dazu wären diejenigen, die jetzt diesen Skandal gemacht haben, nicht verlegen gewesen (sehr gut! rechts); wem es recht war, die läppischen Geschichten in der Kaserne zu solchem Zweck auszubeuten, für den wird es immer möglich sein, irgend etwas zu solchem Zwecke zu frisieren. (Bravo! rechts. Unruhe links.) Auf diese Weise, meine Herren, glauben Sie mir, würden wir uns schnell einem Chaos nähern (Rufe links: Haben wirl), das zu schaffen zwar leider viele Elemente und nicht nur in der in Be⸗ tracht kommenden Gegend wünschen, das aber sicherlich nicht im Inter⸗ esse der ordnungs⸗ und gesetzliebenden Kreise des Volkes wäre. (Stürmische Zurufe links. — Glocke des Präsidenten. — Zuruf: Diktatur ist bei Ihnen Ordnung!) — Ich komme noch darauf, meine Herren! — In deren Sinne, im Sinne der ordnungs⸗ und gesetzlieben⸗ den Kreise glaube ich zu sprechen, wenn ich sage, daß die Armee vor jenen Elementen, mögen sie sich auch noch so wild gebärden, nicht zurückweichen kann und wird. (Lebhafte Zustimmung rechts. — Stürmische Zurufe und Unterbrechungen links und bei den Sozial⸗ demokraten.) — Meine Herren, ich sage doch nur meine Meinung, dazu bin ich doch verpflichtet. (Sehr gut! rechts. — Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten: Die ist aber danach!) — Das ist An⸗ sichtssache! — (Sehr gut! und Heiterkeit rechts.) Es ist aber in den Reden der Interpellanten hier viel die Rede von der Notwendigkeit der Wahrung der Volksrechte gewesen; und ich bin ganz gewiß der⸗ selben Ansicht. Da aber die Armee bekanntlich ein Teil des Volkes ist (sehr richtig! rechts, lärmende Zurufe und Lachen bei den Sozial⸗ demokraten), — und ich darf sagen: nicht der unwichtigste (sehr richtig! rechts), was die unbestreitbare Tatsache beweist, daß nicht ein Stein dieser stolzen Mauern hier stände ohne die Tüchtigkeit und Zu⸗ verlässigkeit der Armee (lebhafter Beifall rechts, Lachen und Zurufe von den Sozialdemokraten), daß nicht ein Arbeiter im deutschen Lande sein Brot im Frieden verdienen könnte ohne die Armee (bravo! und sehr gut! rechts), und daß die Sicherheit des Bestandes des Reiches ohne die Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit der Armee undenkbar ist (bravo! rechts, andauernde Zurufe von den Sozialdemokraten), — da das so ist, meine Herren, so nehme ich an, daß die Herren Vorredner die Rechte der Armee von selbst in den Kreis der Güter, die sie wahren wollen, hineinbezogen haben; freilich haben sie das zu erwähnen unter⸗ lassen. (Heiterkeit rechts.)
Zu, den Rechten, zu den Lebensbedingungen der Armee gehört aber auch, und zwar wie der Sauerstoff zum Atmen, meine Herren (Lachen bei den Sozialdemokraten), daß die Autorität, die Disziplin und das Ehrgefühl geschützt und hochgehalten werden. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Ehrgefühl?) Daß eine Armee ohne Disziplin schon im Frieden nicht den Namen verdient, zahen vor mir tausend erfahrene Männer — lesen Sie bitte die Work des Feldmarschalls Moltke darüber nach! — (Lachen bei den Sozialdemokraten) besser gesagt, als ich es vermag. (Unruhe und Zurufe von den Sozialdemo⸗ kraten.) Kann aber irgend jemand, der nicht von Parteileidenschaft verblendet ist, glauben, daß es der Disziplin in der Armee förderlich wäre, wenn man von außen her durch unverantwortliche und ununter⸗ richtete Treiber die pflichtmäßigen Entschließungen der verantwort⸗ lichen Stellen beeinflussen würde? (Sehr richtig! rechts. — Zurufe von den Sozialdemokraten: Wer ist der Treiber? Ist der Reichstag der Treiber?) — Ich spreche nicht vom Reichstag, sondern ich spreche zum Reichstag von den Vorgängen in Zabern, meine Herren. Ich bitte, mir die Worte nicht im Munde herumzudrehen. — (Sehr gut! rechts.) Was das Ehrgefühl in der Armee bedeutet, das weiß jeder, der je eine scharfe Kugel hat pfeifen hören. Ich rufe die Soldaten hier im Hause zu Zeugen auf. In den ernsten Stunden, in denen auf dem Felde der Ehre das Schicksal des Vaterlandes entschieden wurde, da halfen dem Soldaten nicht Worte oder Reden, sondern da half ihm nur die Disziplin und das Ehrgefühl. (Bravol rechts. — Zurufe von den Sozialdemokraten: Redensarten! Zur Sache!) — Ich komme sofort darauf. — Ich meine hiermit durchaus nicht Ueber⸗ hebung. Fragen Sie doch, wenn es Ihnen beliebt, in Lothringen nach, wo ich, wie ich Ihnen schon einmal mitteilte, vier Jahre in verant⸗ wortlicher Stelle tätig gewesen bin, ob ich jene Ueberhebung, mili⸗ tärische Ueberhebung vertreten hätte. Vielmehr meine ich das Ehr⸗ gefühl, das den Soldaten nicht einen Augenblick zweifelhaft sein läßt, wenn es sich um die Entscheidung, um die Wahl zwischen Schande und Tod handelt. (Lachen und stürmische Zurufe von den Sozialdemo⸗ kraten: Zur Sache! Zur Sache!) Ein solches Ehrgefühl, meine Herren, dem Manne, ganz gleich, ob er Offizier oder Soldat ist, anzuerziehen, ist nicht leicht. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Kommen Sie zur Sache!) — Ich komme gleich darauf. — Es wäre unmöglich, wenn man fordern wollte, daß Soldaten dauernd planmäßige Beschimpfungen ertragen sollten.
Man hat heute hier betont, daß nur — und ich unterstreiche das „nur“ — Handlungen und Beleidigungen eines jungen Offiziers in Frage kommen. Man könnte ihn einfach wegjagen. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ich habe nach den mir zugegangenen Berichten guten Grund zu der Annahme, daß nicht nur ein junger Offizier be⸗ leidigt ist. Aber selbst wenn die Angabe richtig ist, frage ich mich, ob denn die Leute, die das anführen, kein Verständnis dafür haben, was in unserer Armee der junge Offizier und Unteroffizier bedeutet. (Sehr richtig! rechts. — Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ich schätze das ehrwürdige Alter sehr hoch, um so mehr, als ich leider auch schon darin eingerückt bin. (Heiterkeit.) Aber ich bin ganz gewiß, meine Herren, daß die besten Lehren des ehrwürdigsten Greises das Beispiel eines einzigen frischen jungen Offiziers oder Unteroffiziers im Gefecht nicht ersetzen können. (Bravo! rechts. — Lachen und Zu⸗ rufe bei den Sozialdemokraten.) Die Armee braucht ihre jugendlichen Leutnants und Unteroffiziere, und je jünger, um so besser sind sie, um so eher werden sie bereit sein, ihr Leben für die Ideale ins Feld zu schlagen. Die Armee braucht die jungen Führer so sehr, daß sie gern die Begleiterscheinungen, die von den manchmal etwas täppischen Aeußerungen ihres jugendlichen Mutes unzertrennbar sind, in den Kauf nimmt. (Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten.)
Wir haben ja die Mittel, sie zu bändigen, und sind durchaus nicht zimperlich in ihrer Anwendung. Aber auch bei der Beurteilung solcher Seitensprünge behält das goldene Wort unseres Reglements
schwerere Belastung bilden als ein Fehlgreifen in der Wahl der
Mittel. (Hört, hört! links.) Und dieser Grundsatz muß auch ange⸗
seine volle Gültigkeit, daß Unterlassungen und Versäumnisse eine
wendet werden für die Beurteilung und die Bewertung der Vorgänge
in Zabern am letzten Freitag.
Für die Zustände dort will ich mich nicht auf militärische Be⸗ richte beziehen; ich will — hier ist schon Verschiedenes verlesen worden — den Artikel eines Zaberners verlesen. (Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Den kennen wir schon!) — Erlauben Sie, daß ich ihn trotzdem verlese. — Der Redakteur des „Zaberner Tageblatts“ schreibt am 29. November (Zuruf von den Sozialdemokraten) — Sie haben sich hier doch auch auf Zeitungsartikel berufen! —:
Ich war bis vor einem Dezennium Franzose und habe mich erst vor 10 Jahren als Elsässer naturalisieren lassen, bin also kein „Schwob“
— ich weiß nicht, was das heißen soll — (Stürmische Heiterkeit und
Zurufe) und stehe außerhalb des Verdachts, als ob ich mich von deutscher Seite in meiner Stellungsnahme hätte beeinflussen lassen. Ich muß aber erklären, daß die Skandalvorfälle in der letzten Zeit, die derart zum Himmel schreien, daß die deutsche Behörde zugunsten einer hochverräterischen Anarchie abdanken müßte, wenn sie nicht mit aller Entschiedenheit einschreiten würde, unbedingt nicht weiter geduldet werden können. —
(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)
Wenn die Behörde nicht energisch die Hetze unterdrückt, darf Der land sich darauf gefaßt machen, daß in Zabern die Deutschen und alles, was deutsch denkt und fühlt, weniger ihres Lebens mehr sicher sind, als wenn sie im Kongo wohnen würden.
(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten. — Beifall rechts⸗ Es ist mir überaus schwer gefallen, diese Auffassung, die in Zabern gang und gäbe ist, zu Papier zu bringen, aber es mußte endlich ein⸗ mal deutsch herausgesagt werden, was nicht nur in deutschen, son⸗ dern auch in den wahren ruhigen elsässischen Kreisen voll banger Sorge gedacht wird.
(Zuruf des Abg. Röser: Ableger der „Rheinisch⸗Westfälischen
Zeitung“!) 1
— Meine Herren, mir ist der Artikel heute morgen zugegangen. —
Meine Herren dann komme ich aber noch mit einem zweiten
Artikel, der mir ebenfalls heute morgen zugegangen ist. Mir ist eine
Proklamation des Zaberner Kreisdirektors mitgeteilt worden. Ich darf sie vielleicht verlesen, sie ist kürzer: .
Aus Anlaß der jüngsten Vorgänge in Zabern und Dettweiler, wo Militärpersonen durch flegelhafte Zurufe beleidigt wurden, und wo das Militär darauf hin gezwungen war, zur Selbsthilfe zu greifen 8
(Große Unruhe links), 1 fordere ich im Auftrage des Statthalters die besonneneren Bürger auf, gegebenenfalls dazu beizutragen, daß Personen, die Offiziere und Mannschaften durch Zurufe beleidigen, dingfest gemacht werden und dem Richter behufs Bestrafung zugeführt werden. Die Be⸗ treffenden würden dadurch nicht nur sich um den guten Ruf der Bürgerschaft, der durch das unanständige Auftreten einiger Buben kompromittiert wird, verdient machen, sondern auch dem Militär jeden Anlaß zum Selbstschutz nehmen.
(Große Unruhe links.)
Meine Herren, dieser Schilderung der Zustände in Zabern habe ich nichts hinzuzufügen und ebensowenig den Ausführungen des Herm Reichskanzlers über die Rechtslage.
Nur eins möchte ich noch streifen. Die Armee ist eine furchtbare Waffe, und sie muß es sein, wenn sie ihrem Zwecke gerecht werden will. Das werden selbst die Herren hier zugeben müssen. Sie ist nicht geschaffen — wirklich nicht! — und beflimmt, um Polizei⸗ und Sicherheitsdienste außerhalb ihres eigenen Bereiches zu tun. (Zuruf des Abg. Ledebour: Dann braucht sie auch keine Politik zu treiben! Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) — Ganz gewiß nicht, nein! Es ist im höchsten Grade bedauerlich und mir selbst auch, wie in unserem Falle dies durch die wiederholten Warnungen der Militärbehörde an die Zivilbehörde bewiesen wird (Lebhaftes Hört, hört! bei den Sozialdemokraten), in ebenso hohem Grade ver⸗ haßt, wenn sie zum Einschreiten in dieser Beziehung kommt. Schreitet sie aber einmal ein (Erneutes Hört, hört! links), dann sind Härten da⸗ bei ganz unvermeidlich. (Anhaltende Unruhe links, Beifall rechts.) Ich wiederhole, meine Herren, schreitet eine Armee oder ein Teil der Armee ein, so sind Härten dabei ganz unvermeidlich. (Lebhafte Zu⸗ stimmung rechts, Zurufe links: Ganz so auf der anderen Seite.) — Pardon, meine Herren, ich habe eben gesagt: ich schließe mich den Darlegungen des Herrn Reichskanzlers an. Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Ich muß doch bitten, daß meine Worte angehört werden. 1
Meine Herren, dann darf ich vielleicht noch ein paar Worte auf einige Behauptungen, die im Anschluß an meine Ausführungen hier soeben erhoben worden sind, erwidern.
Es war hier die Rede von den provozierenden Spaziergängen der Offiziere. (Sehr richtig! links, Zurufe von den Sozialdemokraten.) — Meine Herren, erlauben Sie: das können Siee unmöglich aufrecht erhalten. Der Herr, der davon sprach — ich bitte, daß er mich korri⸗ giert, wenn ich unrecht habe —, sagte: am 8. November, am 8. No⸗ vember haben die Offiziere provozierende Spaziergänge gemacht — da war aber noch gar nichts passiert. (Hört, hört! rechts. Wider⸗ spruch links. Zuruf: Am 6. November!) Da ssoll ein solcher Offizier in Zabern nicht spazieren gehen können! TDaas nennt ein deutscher Reichstagsabgeordneter provozierende Spaziergfänge machen. (Zwischen ruf links.) — Nein, nicht Aenderung des e sondern Aenderung des Ausdrucks. In dem Ausdruck liegt das gerade, daß er von provo⸗ zierenden Spaziergängen sprach. .
Derselbe Herr — wenn er es nicht gefagt haben sollte, so korri⸗ giere ich mich sofort — hat gesagt: Selbstverständlich wurden den Offizieren Zurufe aus der Bevölkerung nachgerusen. (Widerspruch links.) — Er bestreitet es. Dann bitte um Verzeihung, wenn es nicht wahr ist. Derselbe Herr sagt: Als zwei Bataillone alarmiert waren, wären auch die Maschinengewehre mut alarmiert worden. Ich weiß nicht, leben wir in Deutschland oder sonst wo in der Welt? Maschinengewehre gehören doch einmal zur Infanterie. Wo sollen sie denn bei einer Alarmierung bleiben? Derselbe Herr hat sich so lustig gemacht über die Patrouillen! Ich muß zugeben, daß man im ersten Augenblick einen Preller kriegt, oder Schrecken will ich lieber sagen, aber überlegen wir uns doch einmal etwas: Was wäre denn besser, daß ein Offizier womöglich in äußerster Erwegung in Zabern den Mann, der ihm ein Schimpfwort Zuruft, den Degen durch den Leib stößt — (Große Unruhe links. Abg. Ledebour: Das ist
anderen Welt. Da gibt es gar keine Ueberbrückung mehr.
1114““
Aufreizung zum Mord!) Wenn ein Offizier öffentlich beschimpft wird, ist es da nicht viel besser, wenn die beiden Leute mitgehen und helfen ihm (Zuruf links: einen Mord begehen!) — nein, den Uebeltäter ein⸗ fach anzupacken und zur Polizei zu bringen. (Sehr gut! rechts. Un⸗ ruhe links.)
Dann hat vorhin einer der Herren gesagt, es wäre hier eine Prämie auf den Totschlag gesetzt. Ich glaube, es war der Herr Abg. Peirotes. Meine Herren, ich verstehe nicht, wie so etwas ausgesprochen werden kann. Der Leutnant hat nach allen Angaben in der Instruk⸗ tionsstunde gesagt: Wenn dich einer so angreift — oder „Sie“ wird er hoffentlich gesagt haben — (Heiterkeit) wie jetzt wöchentlich An⸗ griffe vorgekommen sind im ganzen Reichslande, in verschiedenen Städten des Reichslandes, so wehren Sie sich ordentlich und gehen ihm zu Leibe. Das soll eine Anreizung zum Mord sein? (Sehr gut! rechts.) Endlich hat man mir die Deutung des Wortes „Wackes“
vorgeworfen. Das war wohl eine Wortklauberei. Ich glaube, ich brauche darauf nicht eingehen, denn der betreffende Herr wird mir zu⸗ geben, daß ich mich anders ausgedrückt habe. Man hat auch hier — und das ist wohl das letzte, was ich zu er⸗ wähnen brauche — von einem hohen General als einem Typus einer übermütigen Soldateska gesprochen. Meine Herren, im Reichs⸗ tage sind schon mehr Leute (Zwischenruf: entgleist! Große Heiter⸗ keit) — jawohl, entgleist. Also es sind schon mehr Leute hier ent⸗ gleist als meine Wenigkeit oder der unglückliche junge Offizier in Zabern oder der Herr General von Deimling. Es ist auch schon anderen, auch Parlamentariern, passiert, zu denen ich den General zicht rechne. Ich meine, das sollten Sie ihm nach sieben Jahren nicht so hoch anrechnen. (Zwischenruf links: Er ist ja noch genau so wie damals!) — Das ist ja gerade das Beste an ihm! (Stürmische Heiter keit. Lebhaftes Bravo! rechts.) Abg. Haase (Soz.) beantragt die Besprechung der Inter⸗ ellationen. 1
Das Haus tritt fast einmütig diesem Antrage bei.
Abg. Fehren bach (Zentr.): Das Unglaubliche, hier wird's Ereignis. Das ist leider die Fessia ug. mit der wir den Vorgängen in Zabern im Monat November gegenüberstehen, mit der wir aber leider noch mehr gegenüberstehen den Ausführungen, die wir vorbin von der Re⸗ gierung gehört haben. Sie weckten ein Gefühl der Beschämung, und dazu gesellte sich ein bitterer Schmerz über die morallschen Verluste dieses Unglücksmonats, die erst durch schwere Arbeit nach langer, langer Zeit wieder gutzumachen sind. Das soll mich von meiner Absicht, ruhig und gerecht die Sache zu behandeln, nicht abbringen. Aufgabe des Parlaments ist es ja, zum Ausdruck zu bringen die Meinung der gerechten und einsichtigen Volksteile, keine unbegründeten und un⸗ gerechten Anschuldigungen im ganzen oder gegen einzelne Personen zu erheben. Ich bedaure nur außerordentlich, daß ich in meiner bestimmten Erwartung, in den Ausführungen des Reichskanzlers und des Kriegsministers eine erfreuliche Vorarbeit vorzufinden, so schwer enttäuscht bin. Es wird mir und meiner Partei niemand nachsagen können, daß uns das Gefühl der Autoritat ab⸗ geht, daß wir nicht in voller Würdigung einzutreten bestrebt sind ir die Bedeutung und Machtstellung auch unseres Militärs. Aber was heute hier vorgetragen worden ist, das klingt aus einer 1 Das Recht immer voran! Und wenn der Reichskanzler von einer Beschützung des Rechts und der öffentlichen Gewalt gesprochen hat, so sage ich, das zarteste Pflänzchen, das am meisten des Schutzes bedarf, ist Recht und Gesetz. Wenn sie beeinträchtigt werden, durch irgend wen, auch durch die öffentliche Gewalt, so müssen wir von der egierung erwarten, daß sie dafür eintritt. Wir haben ja einige bedauernde Aeußerungen gehört über das, was sich von seiten des Militärs drüben in Zabern zugetragen hat, aber haben wir irgend etwas gehört, was dagegen gemacht worden ist? Von einer Remedur haben wir nichts gehört. ir haben Ausführungen vom Reichskanzler gehört, die sich wesentlich auf die Berichte des Militärs stützen. Wir haben Darlegungen gehört, die, wie mir scheint, wenn es auch nicht direkt ausgesprochen worden ist, die Personen und die Tätigkeit der “ in Straßburg in das verfänglichste Licht stellen. Wir haben dann Aus⸗ führungen vom Kriegsminister gehört in bezug auf dos Säbel⸗ stechen, die dem Gesetz und dem Recht widersprechen. Wenn man das Militär von dem Gesetz ausnimmt, und die Zivilbevölkerung der Willkür des Militärs preisgibt, dann sage ich: sinis Germaniac! Es ist schmerghaft, an dieser Stelle so reden zu müssen. Ich will nur wünschen, daß der Ton, in dem der Keiegsminister hier gesprochen hat, nicht die Resonanz ist von Unterredungen, die kurz vorher statt⸗ gefunden haben, dies ist ein dies ater für das Deutsche Reich. Ich habe nicht erwartet, so syrechen zu müssen; aber gegenüber diesen Ausführungen, die wir hier gehört haben, da war es Pflicht und Schuldigkeit des ersten Redners, der aus dem Hause hier auftrat, in entsprechender Weise seiner Meinung Ausdruck zu geben! (Stürmisches und andauerndes Händeklatschen im ganzen Hause mit Ausnahme der Konservativen; der Präsident rügt das Händeklatschen.) Der Leutnant v. Forstner hat also in der Instruktionsstunde ge⸗ sagt: wenn Sie einen Wackes niederstechen, so bekommen Sie von mir noch 10 ℳ, und dann kam noch der Sergeant mit seinen 3 ℳ. Der Kriegsminister hat hier ausgeführt, der Leutnant habe damit nur gewisse streitsüchtige Elemente gemeint. Ich bedaure außerordentlich, daß ich in diesem Punkte dem Leutnant nicht folgen kann. Die Ge⸗ schiche mit den Wackes ist nun allmählich klargestellt. Aber es steht est, daß in der Instruktionsstunde die Elsässer von dem Leutnant v. Forstner mit dem Ausdruck „Wackes“ angeredet wurden; es steht sest, daß sich einzelne nach der Weisung des Unteroffiziers bei dem Leutnant als „Wackes“ melden mußten; in diesem Falle waren natürlich nicht streitsüchtige Elemente damit gemeint. Und es steht auch fest, daß ein früherer Regimentskommandeur den Befehl erlassen hat. der auch dem Leutnant v. Forstner bekannt war, daß der Aus⸗ druck „Wackes“ gegenüber den Elsässern nicht gebraucht werden dürfe. An sich ist ja das Wort nicht so schrecklich, wie es jetzt gedeutet wird. Es ist ein Spottname für die Elsässer, wir haben rechts und links des Rheins parallele Bezeichnungen für einander. Rechts des Rheins sagen wir für die Elfässer „Wackes“ und links des Rheins sagt man für uns „Schwob“. Der Ausdruck bekommt aber einen ganz anderen Charakter in dem Munde dieses Leutnants. Nach den Präzedenzien und mit dem Zusatze: „und wenn Sie einen solchen „Wackes“ nieder⸗ stechen, bekommen Sie 10 ℳ!“ Ich erinnere mich eines Vorganges aus meiner Militärzeit, und da er das gleiche Regiment betrifft, aus dem der Generalleutnant v. Deimling hervorgegangen ist, will ich ihn hier erzählen. Wir waren damals zwei Offiziere, ein aktiver Premier und ich als junger Reserveleutnant, unter einem ausgezeichneten Hauptmann. Unterwegs hatte der Premier u einem Manne den Ausdruck „Kamel“ gebraucht. Das atte der Hauptmann gehört. Nach dem Einrücken hat dann der Hauptmann zu dem Premier gesagt: „Herr Leutnant, ich habe es Ihnen schon wiederholt verboten, die Mannschaften mit Schimpf⸗ namen zu belegen, ich habe Sie wiederholt gewarnt; es hat nichts genützt. Sie haben heute wieder einen solchen Ausdruck ge⸗ braucht. Jetzt verwarne ich Sie in Gegenwart ihres Kameraden zum letzten Male. Wenn Sie diesen Ausdruck nicht unterlassen, werde ich andere Schritte ergreifen.’ Die Elsässer haben alles Recht, sich den Gebrauch des Wortes Wackes in diefem Zusammen⸗ hang zu verbitten. Hiesr darf nicht der Gerechtigkeitssinn unserer Bebörden versagen. Es gibt ja parallele Ausdrücke für die Berölkerung in Freiburg oder in Karlsruhe; und in Freiburg hat die Bürgerschaft einmal einem berühmten Schriftsteller eine ordentliche Katzenmusik gebracht, weil man sich gekränkt fühlte.
Rehmen Sie einmal an, in Freiburg hätte ein Leutnant dasselbe
getan, was der Leutnant v. Forstner in Zabern unbegreiflicherweise getan hat, glauben Sie, daß in dem wirklich militärfrommen Freiburg die Sache nicht gerade so zugehen würde, wie die in Zabern? oder wenn das sich in Karlsruhe abspielen würde? Wer das nicht glaubt, hat keine Ahnung von der Seele des Volkes und von dem Elr efühl des Volkes. Glauben Sie, die Badener hätten sich das gefallen lassen, wenn ein solcher Mann nicht sofort versetzt würde? Aber die Elsässer sollen sich das gefallen lassen? So etwas ist unperantwortlich. Daß dies in der deutschen Stadt Zabern vor sich gegangen ist, das setzt der ganzen Sache die Krone auf. Seit dem Jahre 1877 hat Zabern einen Vertreter der Reichspartet in den deutschen Reichstag geschickt. Zabern war der erste Wahlbezirk in Elsaß⸗Lothringen, der sich mit vollem Herzen, mit beiden Füßen auf den deutschen Standpunkt gestellt und jemand in eine hier schon bestehende Fraktion hineindelegiert hat. Ich meine, Sie (nach rechts gewendet) seien es bei aller Vorliebe für das Militär dem Andenken Ihres ehemaligen Kollegen Hoeffel schuldig, doch hier zu sehen, wo das Richtige ist. Wenn Hoeffel hier wäre, er würde Sie in richtiger Weise belehren. Soviel wollte ich ausführen über die Beleldigung, die gegenüber den Elsässern gefallen ist, und über das Recht der Elsässer, sich gekränkt zu fühlen und dafür Sühne zu verlangen. Am 25. November versammelte der Korps⸗ und Divisionskommandeur das Offi ierkorps um sich, und dem Leutnant Forstner wurde ein Ver⸗ weis erteilt. Auch der Ausdruck Wackes wurde verboten. Man glaubt, die Ursache der nun folgenden Schneidigkeit des Militärs auf die Deckung des Obersten v. Reutter durch den Generalleutnant v. Deimling zu⸗ rückführen zu müssen. Generalleutnant v. Deimling war mein Schul⸗ kamerad, und wir verkehren sehr freundschaftlich miteinander, sodaß mir die heute ihm gemachten Vorwürfe leid tun und ich einiges zu seiner Entschuldigung anführen will. Er ist allerdings ein sehr schneidiger Herr, und es ist möglich, daß die Schneidigkeit ihn mal etwas zu weit führt. Das ist nicht so schlimm. Auch im Mai 1906 hat mein lieber Freund Berthold hier im Reichstage keine berühmte Figur gespielt. Aber er kam direkt aus der Schlacht heraus und war an den Ton unserer parlamentarischen Debatte nicht gewöhnt. Sonst habe ich den Herrn als einen intelligenten bürgerlichen Mann kennen gelernt, dessen Wirken in Freiburg im guten Angedenken steht. Auch das, was man ihm in Straßburg vorwirft, finde ich nicht so schlimm. Die Aufregung in Zabern nach dem 26. November ist einmal darauf zurückzuführen, daß die elsässischen Soldaten von Zabern entfernt wurden, daß zweitens wegen des Bruchs des Schweigegebots ein Feldwebel und Mann⸗ schaften verhaftet wurden und drittens in der Instruktionsstunde die be⸗ kannten Ausführungen des Leutnants von Forstner über die Fremden⸗ legion oder die französische Fahne gemacht worden sind. Die Ver⸗ haftungen waren nach dem Militärstrafgesetz vielleicht berechtigt. Aber wenn man den Offizieren, also gebildeten Leuten, mildernde Umstände zubilligte. dann hätte man es doch umsomehr den Rekruten gegenüber tun müssen Wenn man darauf hinweist, daß die Soldaten sich beschweren könren, so weiß ja jeder, was es damit auf sich hat. Ich habe erst kürtlich einem Vater, dessen Sohn auch Beschwerden hatte. geraten, er solle warten, bis sein Sohn vom Militär fort ist. Wir wissen ja alle,
wie die Leute unter Umständen von Unteroffizieren kujoniert werden⸗
können. Das Beschwerderecht hat seine engen Grenzen, und zu seinem Recht kommt der Mann dabei selten. Ueber die Aeußerung des Leutnants v. Forstner bezüglich der Fremdenlegion und der französischen Fahne schweben ja, wie der Reichskanzler ausführte, noch Untersuchungen. Wir wollen hoffen, daß die Erhebungen ergeben, wie hier angedeutet wurde, daß die Zeuße⸗ rungen nur der Fremdenlegion galten. Allerdings entspricht die Ausdrucksweise nicht der eines gebildeten Mannes, der abends im Salon den Feinen herausbeißen will. Es wäre wünschenswert, wenn auch auf den Kasernenhöfen und in der Kaserne selbst ein solcher Ton herrscht, wie man ihn von gebildeten Menschen erwarten darf. Es ist ja erwiesen, daß die ersten Ausschreisungen von der Zivil⸗ bevölkerung ausgegangen sind. Was man jedoch dann gegen diese unternommen hat, das steht in keinem Verhältnis zu der Tat. Bis zu Verstößen gegen das Gesetz durfte das Militär nicht gehen. Wenn das richtig ist, was hier heute über die Behandlung der Verhafteten und über die Inhaftierung in den Kellerräumen vorgetragen ist, so muß man energisch fordern, daß baldmöglichst eingeschritten wird. Der Reichskanzler hat sich ausschliek lich auf den Bericht des Generalkommandos berufen. Von einem Bericht der Zivilverwaltung haben wir gar nichts gehört. Der Inhalt dieser Berichte zeigt uns eine tendenziöse Färbung. Wir müssen unter allen Umständen verlangen, daß sich der Reichskanzler objektiver informiert. Daß Leutnant von Forstner einen lahmen Schuster durch einen Säbelhieb verletzt hat, ist für ihn keine besondere Ruhmestat. Das dies eine große Erregung in der Bevölkerung hervorruft, ist begreiflich. Ebenso begreiflich ist es, daß es aufreizend wirken muß, wenn Leutnant v. Forstner sich auf der Straße von vier Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten begleiten läßt. Das ist schon die reine Donquichoterie. Der Grundfehler, der gemacht worden ist, liegt darin, daß der Oberst nicht die Einsicht hatte, daß dem verletzten Ehrgefühl des ganzen elsässischen Stammes nur dadurch die nölige Sühne zuteil werden konnte, daß der Leutnant v. Forstner sofort aus Zabern verschwunden wäre, oder man hätte ihn wentgstens auf 14 Tage beurlauben sollen, um in dieser Zeit die Angelegenheit zu erledigen. Wir wünschen, daß die Bevölkerung mit dem Militär in bestem Einvernehmen lebt, und müssen uns auf das entschiedenste dagegen wehren, daß durch ein derartiges Vorgehen des Militärs ein Keil in die Bevölkerung des Deutschen Reiches hineingetrieben wird. Wer dies duldet, der weiß gar nicht, welche Verantwortung er damit auf sich nimmt. Die Verteidigung der Zivilverwaltung überlasse ich dem Vertreter der elsässischen Regierung. Es handelt sich hier nicht um einen ä ö sondern um einen Fall, der sich ganz genau unter den ähnlichen Verbältnissen auch in ganz Deutsch⸗ land wiederholen würde. Das mögen sagt sein lassen. Die Entrüstung über diesen all macht sich geltend durch das ganze Deutschland. Halten Sie sich nicht stark genug, dieser Entrüstung mit den Mitteln, die Sie bisher versucht haben, Herr zu werden? Wir hoffen, daß noch in letzter Stunde die verbündeten Regierungen aus der Art dieser Vor⸗ gänge und der Art ihrer Besprechung hier die genügenden Lehren ziehen werden. Und ich erwarte zuversichtlich, daß die nachfolgenden Redner in der gleichen Weise, wie ich es getan habe, der Regierung das Gewissen schärfen mögen. Prreußischer Kriegsminister Falkenhayn:
Meine Herren! Der Herr Abg. Fehrenbach hat die Frage auf⸗ geworfen, ob nach den gesetzlichen Bestimmungen die Verfehlungen des Offiziers in Zabern mit einem Verweise geahndet werden konnten. Das war nicht möglich, wie der Herr Abgeordnete auch schon bemerkt hat. Dieser Schluß ist richtig. Der Offizier ist entsprechend dem Gesetz bestraft worden. (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten: Wie denn?) — Meine Herren, ich kann sagen — und ich hoffe, daß Ihnen das genügen wird —: Er ist sehr schwer bestraft worden. (Erneute Zurufe von den Sozialdemokraten: Also wie denn2) — Meine Herren, ich bin nicht berechtigt, über disziplinarische Maß⸗ nahmen hier eine öffentliche Erklärung abzugeben.
Der Herr Abg. Fehrenbach hat weiter für Milderungsgründe gegenüber den Rekruten gesprochen, die man unter Anklage gestellt hat. Es handelt sich um drei Mann. Ueber die Milderungsgründe hat das Gericht zu entscheiden. Es handelt sich um ein Vergehen, das auf disziplinarischem Wege nicht erledigt werden darf, und ich hoffe, daß das Gericht Veranlassung nehmen wird, die Sache nach allen Seiten eingehend zu prüfen.
Meine Herren, schließlich hat der Herr Abg. Fehrenbach einen
sich die Herren ge⸗
Generalleutnant von
Ausdruck, den ich gebraucht habe, besonders angegriffen. Er hat ge⸗
meint, in dem Ausdruck, mit dem ich von den etwaigen Folgen der Beleidigungen eines Offiziers auf der Straße sprach, hätte eine Auf⸗ forderung oder eine Rechtfertigung für den Waffengebrauch eines Off ziers bei schweren Beleidigungen gelegen. Meine Herren, das ist nicht der Fall. (Zurufe von den Sozialdemokraten: So, so!t) Was ich gesagt habe, war nur das: Wenn ein Offizier schließlich bei solchen Zuständen, wie sie jetzt in Zabern herrschen, immer und immer wieder — (Zurufe von den Sozialdemokraten) — meine Herren, ich konnte bas wegen der vielen Zwischenrufe im einzelnen nicht ausführen — beleidigt wird und dann zur Selbsthilfe schreitet, den Mann fest⸗ nehmen will und dann gezwungen wird, seine Waffe zu gebrauchen, weil dieser Mann sich wehrt (erregte Zwischenrufe von den Sozial⸗ demokraten), so ist das sehr viel schlimmer, als wenn eine Patrouill mitgenommen wird. (Wiederholte Unruhe links.)
Abg. van Calker (nl.): Sie werden mir nachfühlen können, daß es mir recht schwer wird, die Tribüne zu besteigen. Der Reichs⸗ kanzler hat es mir nicht erleichtert. Ich habe dem Reichskanzler ge⸗ sagt, daß im ganzen Elsaß heute eine Entrüstung über die Vorfälle vorhanden ist, daß ihre Bedeutung weit hinausgeht über rein mili⸗ lärische Gesichtspunkte, daß sie zu einer Frage von höchster politi⸗ scher Bedeutung geworden ist. Der Reichskanzler hat mich nach der Universität Straßburg geschickt, nicht allein, um dort Vorlesungen zu halten, sondern auch, um für die deutsche Entwicklung und das deutsche Recht zu wirken. 16 Jahre habe ich zu arbeiten gesucht für eine Politik der Versöhnung der Gegensätze, für eine Politik der Rechte des Elsässers. Ich kann Sie versichern, daß nicht nur die Alt⸗ Elsässer aufs tiefste betrübt sind durch die Ereignisse dieser Zeit. Denken Sie sich einmal in meine Lage hinein. Meine ganze Dispo⸗ sition ist über den Haufen geworfen worden. Ich habe die Hoffnung gehabt, daß auch meine Kinder arbeiten würden für die Versöhnung, und heute, nach 16 Jahren, muß ich mir bei ehrlicher Ueberlegung sagen: alles wieder kaput. Ich war manchmal am Heulen über die Entwicklung, die die Sache genommen hat. Hier gibt es kein Beschönigen mehr. Es liegt mir sehr fern, die Sachen aufzubauschen, und ich wäre sehr froh gewesen, wenn sie von seiten der Regierung entsprechend behandelt worden wären. Der Reichskanz ler hat ganz recht, daß der Fall des Leutnants von Forstner nicht weltbewegend war, aber fast weltbewegend ist es, daß sich das Militär an die Stelle der Justizbehörden gesetzt hat. Als ich vor 16 Jahren in das Land kam, erklärte mir ein Student den Ausdruck „Wackes“. Ich glaube, ich habe das dem Reichskanzler erzählt. Ein Kollege von mir war anfangs besonders erstaunt darüber, daß man dieses Wort so schwer nahm, aber er hat sich auf den richtigen Standpunkt ge⸗ stellt, daß, wenn man in ein fremdes Land kommt, man mit diesem Lande fühlen müsse. Es erging vor einiger Zeit ein Erlaß des Ge⸗ neralkommandos, nach dem der Gebrauch des Wortes „Wackes“ verboten wurde. Wenn der Ausdruck auch in einem beinahe kosenden Sinne gebraucht wird, dann hat ihn vielleicht auch der Leutnant von Forstner in diesem Sinne gebraucht. Es mag sein, daß dem Leutnant, der noch nicht lange im Lande ist, tatsächlich das Bewußtsein gefehlt hat, daß dieser Ausdruck tat⸗ sächlich als eine schwere Beleidigung empfunden wird. Jedenfalls hat er seiner Instruktion zuwider gehandelt. Ich bin auch Soldat gewesen und habe Ausdrücke aus der Landwirtschaft und Zoologie gebraucht, aber der Ausdruck, den er in bezug auf die fran⸗ zösische Fremdenlegion gebraucht haben soll, hätte mit den schärssten Worten gekennzeichnet werden müssen. Man muß auch die Emp⸗ findungen der anwesenden Rekruten schonen und richtig beurteilen. Ein Leutnant, der das nicht tut, eignet sich nicht für das Amt, das ihm anvertraut ist. Ich verstehe es, wenn ein ffizier sich nicht die kleinste Beleidigung des Königsrockes gefallen läßt; er darf aber nichts tun, was die Gefühle eines anderen, der des Königs Rock trägt, verletzt. Auch der Ausdruck „Schwob“ ist im Zusammenhange mit gewissen Zusätzen eine Beleidigung. Gewiß muß die Autorität geschützt werden, aber die Militärverwaltung hat einen schweren Fehler gemacht, und ich habe vom Kriegsminister erwartet, daß er sagen würde, wir haben den Fehler korrigiert. Wenn wirklich die Zivilverwaltung das Mili⸗ tär nicht hätte schützen können, dann wäre es ein schweres Unrecht des Reichskanzlers gewesen, daß er nicht längst eingegriffen hat, dann wäre es die höchste Zeit, daß im Elsaß der Kriegszustand verkündet würde. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß man dem Statthalter von Elsaß⸗Lothringen bittres Unrecht getan hat, wenn man gesagt hat, er könne mit den Zivilmännern die Ordnung nicht schützen. Ich wünschte, wir wären im englischen Parlament. Aber wir sind ja gutmütiger. Ich hoffe, daß es mit der Durchführung der Einzelheiten dahin kommen wird, daß alles unterlassen wird, was die Freiheit des einzelnen Staatsbürgers bedroht. Die Einsperrung der Leute im Panduren⸗ keller ist doch unglaublich, Zabern ist auch heute noch eine brabe Stadt, und von französischer Gesinnung kann keine Rede sein. Die Militär⸗ verwaltung muß also diese französische Gesinnung erst beweisen, und daß elche, Naahriceln dadurch gerechtfertigt sind. Wenn man wirklich Elsaß⸗Lothringen als Festungsgelände ansehen will, wodurch man natürlich ein Land nicht für sich gewinnen kann, dann muß man doch sich fragen, ob eine solche Regierungsmethode jahrelang durchzuführen ist. Der Reichskanzler soll uns sagen, in welcher Richtung die Politik dort weiter gehen foll. Wenn Soldaten von halbwüchsigen I beleidigt und mit Steinen beworfen werden, dann braucht die Militärverwaltung sich das nicht gefallen zu lassen. Wo soll das aber hinführen? Es können doch nicht überall ein Gendarm und vier mit Bajonetten bewaffnete Soldaten dabeistehen. Ich bitte, in dieser für Elsaß⸗Lothringen schicksalsschweren Stunde uns zu sagen, welche Maß⸗ regeln getroffen werden, um Elsaß⸗Lothringen nicht vom Deutschen Reiche abzustoßen, sondern es näher heranzuziehen. Das wünschen alle Elsässer, und vor allem alle Deutschen.
Preußischer Kriegsminister, Falkenhayn:
Bedauerlicherweise bin ich bei den ersten Ausführungen des Herrn Abg. von Calker nicht hier gewesen. Aber er hat dann die Frage an mich gerichtet, wie ich mir die Zukunft Elsaß⸗Lothringens in politi scher Beziehung dächte. (Lebhafte Zurufe: An den Reichskanzler Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.) — Er hat direkt mich angeredet. (Widerspruch.) Er hat gesagt, wie denken Sie sich die Zu⸗ kunft Elsaß⸗Lothringens. Meine Herren, ich kann hier nur über die militärische Zukunft sprechen. Da kann ich Ihnen sagen, wir werden schon Ordnung in der Armee halten, darauf können Sie sich verlassen. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Ich bitte, sorgen Sie dafür, daß der Geist in die Bevölkerungsteile, die jetzt verhetzt sind, einzieht Gurufe: Einzieht?) — oder besser gesagt: heraus geht, der jetzt darin gewesen ist, und der zu diesen bedauerlichen Vorkommnissen geführt hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen. (Heiterkeit bei den Sozial⸗ demokraten.)
Inzwischen ist ein Antrag Ablaß und Fischbeck ein⸗ gegangen:
„Der Reichstag wolle beschließen, festzustellen, daß die Be⸗ handlung der den Gegenstand der Interpellationen bildenden Ange⸗ legenheiten durch den Herrn Reichskanzler den Anschauungen des Reichstags nicht entspricht.“
Der Antrag wird von allen Parteien mit Ausnahme der Rechten unterstützt.
Darauf wird Vertagung beschlossen.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstagl Uhr. (Handelsprovisorium mit England; Fortsetzung der Inter⸗ pellationsbesprechung, betr. Zabern.)
Generalleutnant von