Zlur Behebung von Zweifeln, die über die Auslegung des § 68 des Gesetzes über einen einmaligen Wehr⸗ beitrag vom 3. Juli 1913 (Reichsgesetzblatt S. 505) ent⸗ standen sind, bestimme ich folgendes: Unter „Beitragspflichtiger“ im Sinne der ange⸗ führten Vorschrift ist jeder zu verstehen, der S9 den in den §§ 10 und 11 des Gesetzes aufgeführten Personen gehört. Die Wohltat des § 68 ist also jeder physischen oder nicht⸗ physischen Person zuzubilligen, die die Voraussetzungen der
subjektiven Beitragspflicht erfüllt, ohne Rücksicht veen ob sie überhaupt beitragspflichtiges Vermögen oder Einkommen be⸗ sitzt, ob sie verpflichtet ist, eine Vermögenserklärung abzugeben, oder ob sie tatsächlich zu einem Wehrbeitrage veranlagt wird.
Die Begünstigung hat auch hinsichtlich der Steuerhinter⸗ ziehungen eines Verstorbenen Anwendung zu finden, wenn der überlebende Ehegatte oder andere Erben im Rahmen und nach Maßgabe des § 68 die früheren Angaben über Vermögen und Einkommen des Verstorbenen berichtigen. Ist der Beitrags⸗ pflichtige nach dem 31. Dezember 1913 aber vor Abgabe der
eermögenserklärung gestorben, so kann die berichtigende An⸗ gabe mit der Wirkung der Befreiung von der Nachsteuer auch von den im § 18 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen des
Bundesrats bezeichneten Personen gemacht werden.
Die Freiheit von Strafe und von der Verpflichtung zur Nachzahlung von Steuer tritt ein, wenn die Berichtigung in der Zeit seit dem Inkrafttreten des Gesetzes, asc dem 25. Juli 1913 bis zum Abschlusse der Wehrbeitragsliste erfolgt. Auch ist diese Befreiung nicht davon abhängig, daß der Beitrags⸗ flichtige erklärt, er habe sein Vermögen oder Einkommen früher zu niedrig angegeben; sie tritt vielmehr lediglich auf Grund der Tatsache ein, daß er nunmehr richtig deklariert hat.
Für den Herrn Vorsitzenden der Einkommensteuerberufungs⸗ kommission liegt ein Abdruck dieser Verfügung bei, auch sind die erforderlichen Abdrucke für die Vorsitzenden der Ver⸗ anlagungskommissionen beigefügt.
Berlin, den 5. Dezember 1913. Der Finanzminister. 1 Lentze. An sämtliche Königlichen Regierungen und an die König⸗ liche Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin.
Nichtamtliches.
eutsches Reich.
Preußen. Berlin, 12. Dezember 1913.
In der am 11. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde dem Entwurf eines Besoldungs⸗ und Pensionsetats der Reichsbank⸗ beamten mit Ausnahme der Mitglieder des Reichsbank⸗ direktoriums auf das Jahr 1914 die Zustimmung erteilt. Zur Annahme gelangten ferner die Vorlage, betreffend die Anrechnung pensionsberechtigender Dienstzeit bei den Marinewerkführern, die Vorlage, betreffend ein Ab⸗ kommen mit Bulgarien wegen Anerkennung der Jdentitäts⸗ zeichen an Warenmustern, die von Handlungsreisenden eingeführt werden, der Entwurf einer Vorschrift zur Aenderung der Schiffsvermessungsordnung und die Vorlage, betreffend die Festsetzung der jährlichen Durchschnittserträge an Zuwachssteuer gemäß § 60 Abs. 1 des Zuwachssteuergesetzes für die entschä⸗ digungsberechtigten Gemeinden Kiel, Magdeburg und Zehlen⸗ dorf. Demnächst wurde die Wahl von Mitgliedern des Reichs⸗ gesundheitsrats vollzogen und über eine Reihe von Eingaben Veschluß gefaßt. e.“
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „See⸗ adler“ am 8. Dezember in Lindi und S. M. S. „Cormoran“ am 10. Dezember in Guam (Marianen) eingetroffen.
uer ist nach einer Meldung des von seinem Posten als zweiter Präsident der Die Neuwahl ist für
. B. Kammer der Reichsräte zurückgetreten. den 17. Dezember anberaumt.
OesterreichUngarn.
Die Oesterreichische Delegation setzte gestern nach⸗ mittag die Debatte über das Budget des Auswärtigen fort. Nach dem Bericht des „W. T. B* führte Freiherr von Beck aus, der Uebergang der jüngsten Vergangenheit auf dem Balkan in die Gegenwart bedeute die Notwendigkeit, der traditionellen österreichisch⸗ ngarischen Balkanpolitik eine neue Orientierung zu geben. Infolge eer durch die Frage der Sandschakbahn und durch die Einverleibung Bosniens erfolgten Beunruhigung habe Graf Berchtold eine schwierige Lage vorgefunden. Die Schaffung eines selbständigen Albanien be⸗ eute einen Erfolg der äußeren Politik und sei der Ausdruck der A These, daß die Adria ein mare clausum et nostrum für esterreich Ungarn und Italien sei. Italien und Oesterreich⸗Ungarn würden sich in der Adria vertragen. Die wichtigste Voraus⸗ etzung der Orientpolitik sei mit dem Dreibund gegeben, der sich selbst bei der schwersten Belastung als tragfähig erwiesen habe und der wirksamen Förderung der Interessen der einzelnen Dreibundstaaten ebenso sehr wie derer ganz Europas, ja der ganzen Welt gedient habe. Der Dreibund sei die monumentale Friedensgarantie. Der Redner offt, daß auch das Verhältnis der Monarchie zu Italien, durch egenseitiges Vertrauen und Loyalität vertieft, zu dem gleichen Grade er Intensität sich verdichten werde, wie jenes zu Deutschland. Zwischen beiden Staaten gebe es keinen realen Interessengegensatz, wohl aber ernste Interessengemeinschaft. Beider Flotten seien berufen, miteinander für die dria den Grundsatz zur Geltung zu bringen, als Sicherheits⸗ und Gleich⸗ ewichtsfaktor angesichts der ins Auge zu fassenden Möglichkeiten im Mittelmeer zu fungieren. Am Schluß seiner Rede sagte Freiherr von Beck, das Hauptgewicht sei auf eine endliche Lösung der nationalen Frage in beiden Staaten der Monarchie zu legen. Außer der Politischen und der wirtschaftlichen Schlagfertigkeit müsse die volle Schla e des Heeres und der Flotte vorhanden sein, dann könne
die Monarchie im gegebenen Falle ruhiges Vertrauen haben.
— Die Ungarische Delegation seßte in ihrer gestrigen Feererhsan gleichfalls die Beratung über das Budget des us wärtigen fort. „Graf Apponpi (Unabhängigkeitspartei), der erklärte, er sei stets ein Fürsprecher des Dreibundes und des Bundesverhältnisses zu
lands in der Revisionsfrage des Bukarester Friedens und stellte mit Genugtuung fest, daß die Gegensätze innerhalb des Dreibundes wieder aus der Welt geschafft seien, ohne eine Spur zu hinterlassen. Er wandte sich entschieden gegen die Entsendung des Grafen Czernin als Gesandten nach Bukarest, da Graf Czernin An⸗ schauungen vertrete, die dem ungarischen Nationalitätenstaate wider⸗ sprächen. Daß Graf Tisza diese Ernennung nicht habe verhindern können, sei das Resultat seiner Politik. „Der Sektionschef Graf Wickenburg erklärte im Namen des Ministeriums des Aeußern, daß sich dieses keineswegs mit den Anschauungen und Bestrebungen des Grafen Czernin identifiziere, daß es jedoch selbstverständlich sei, daß Graf Czernin keine andere Politik als die des Ministeriums des Aeußern betreiben werde. Der Ministerpräsident Graf Tisza wandte sich gegen die Behauptung des Grafen Apponyi von der Ohnmacht der ungarischen Regierung gelegentlich der Ernennung des Grafen Czernin und be⸗ tonte, daß das Koalitionsregime dem Ansehen des Landes unermeß⸗ lichen Schaden zugefügt habe, den zu verwischen, ehrliche Arbeit langer Jahre notwendig sein werde. Diese Worte riefen bei der Opposition andauernd großen Lärm und Zwischenrufe hervor. Der Oppositionelle Rakovsky wurde zur Ordnung gerufen. Auch während der folgenden Reden der Delegierten Berzeviczẽy und Rakovsky, der dem ersteren vorgeworfen hatte, daß er mit seinen An⸗ schauungen Verstecken spiele, kam es wiederholt zu andauernden lärmenden Auseinandersetzungen.
Großbritannien und Irland.
Der Generalpostmeister Samuel empfing gestern wiederum eine Abordnung von Postbeamten, die eine Lohnerhöhung von 15 Proz. forderte. Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Minister, die Regierung sei der Ansicht, daß die Löhne der Postbeamten ausreichend seien, um der Teuerung zu begegnen. Der Sekretär des Verbandes der Postangestellten erwiderte, die Antwort des Generalpostmeisters schaffe eine sehr ernste Lage, für die die Regierung die Verantwortung zu tragen habe. Der Sekretär teilte später einem Journalisten mit, es werde zu Weihnachten keinen Streik geben. Der Nationalausschuß der Postangestellten werde die ganze Frage prüfen.
verlas der Ministerpräsident Doumergue die Erklarnn
Frankreich. „In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer
des Kabinetts, die 1b über die auswärtige Politi laut Bericht des „W. T. B.“ folgendermaßen ausspricht: „Im Verlauf der Krise, die Europa soeben durchgemacht hat, hat die Regierung die Wirksamkeit ihrer Bündnisse und Freundschaften in vollem Maße erprobt und daraus einen Teil der Kraft geschöpft, die notwendig war, um die Interessen und die Würde des Landes zu wahren. Wir beabsichtigen, ihnen unbedingt treu zu bleiben. Wir werden also die intime und herzliche Zusammenarbeit mit Rußland fortsetzen, die bei so manchen Gelegenheiten den beiden verbündeten Staaten gestattet hat, zur Aufrechterhaltung des Friedens kräftig beizutragen. Wir werden uns der Weiterent⸗ wicklung der vertrauensvollen Intim ität mit England widmen, von der beide Staaten einander bereits entscheidende Beweise gegeben haben. Endlich werden wir nicht geringere Aufmerksamkeit anwenden, um die höflichen Beziehungen aufrechtzuerhalten, die Frankeich mit anderen Nationen verbinden, die seinen guten Ruf in der Welt sichern, für die Aufrichtigkeit seiner wesentlich friedlichen Absichten zeugen, und die uns erlauben werden, gestützt auf die Demokratie des Landes, auf seine Armee und Marine, deren republikanische Loyalität nicht in Zweifel gezogen werden kann, in Ordnung und Frieden an der Größe des Vaterlandes und der Republik zu arbeiten.“ Die Kabinettserklärung hebt dann hervor, daß die Regierung den Willen habe, den großen Interessen des Landes und der Republik durch eine wohl überlegte und dauernde Vereinigung der Republikaner
der Linken zu dienen. Die Regierung würde nicht an der Macht bleiben, wenn sie nicht die Mitarbeit einer Mehrheit habe, die unbedingt und ausschließlich republikanisch set. Die Regierung werde sich zunächst bemühen, das Budget für 1914 schnell zur Abstimmung zu bringen, und werde Entwürfe einbringen, um den außerordentlichen Ausgaben für die Landesverteidigung zu begegnen und sie auf eine kleine Zahl von 68 zu verteilen. Sie werde sich besonders mit der finanziellen Lage befassen, die sie bei der ersten Gelegenheit dem Parlament darlegen werde. Die Regierung werde sich bemühen, zugleich mit dem Budget für 1914 den Gesetzentwurf über die allgemeine Einkommensteuer, die alle Bürger und Einkommen treffen werde, Emäß dem Willen der Kammer zur Verabschiedung zu bringen.
benso werde sie die Einführung von Steuern auf das erworbene Vermögen weiter betreiben, um die Ausgaben für die Durchführung der Militärgesetze zu decken. Sie werde sich bemühen, das Steuer⸗ system elastisch zu gestalten, um die Finanzen Frankreichs unab⸗ hängig und stark zu machen, wie es für seine Sicherheit, seine Ent⸗ wicklung und seine Größe unumgänglich sei. „Indem wir Steuer⸗ gerechtigkeit walten lassen“, fährt die Erklärung fort, „und es vermeiden, durch Verschwendung die notwendigen, aber sehr großen Ausgaben, die die Sicherheit Frankreichs erfordert, höher werden zu lassen, werden wir das schwere Opfer, welches das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit dem Lande unter Umständen und als Folge von Er⸗ eignissen, die Sie kennen, auferlegt hat, weniger drückend machen. Jene Ereignisse zeigten die Notwendigkeit, unsere militärische Kraft zu stärken, nicht aus Angriffsabsichten — das erklären wir laut, wie unsere Vorgänger —, sondern einzig zur Sicherung des Friedens durch die Sicherstellung einer Macht, die Achtung einzuflößen imstande ist. Die Regierung wird es übernehmen, das Dreijahresgesetz in loyaler Weise anzuwenden und gleich⸗ zeitig eine Gesamtsumme von Maßnahmen vorzubereiten, die unab⸗ hängsig von der Dauer der Dienstzeit die Verteidigungskraft der Nation auf das Höchstmaß bringen kann; in erster Linie eine militärische Vorbereitung der Jugend, eine bessere Verwendung der Reserven und eine Erhöhung der Offiziers⸗ und Unteroffiziersgehälter. Die Regierung wird ferner zwischen Senat und Kammer eine Verständigung zu finden suchen, die Wahlreform durchzuführen, wenn möglich vor den nächsten Wahlen, sonst wird das Volk souverän entscheiden. Die Regierung wird die Laienschule mit Entschiedenheit gegen eine Agitation verteidigen, die nicht geduldet werden kann. Schließlich wird die republikanische Partei fich bemühen, das Gewissen und die Einsicht des Volkes zu stärken und sie Herrschaftsgelüsten zu entziehen.“
Nach der Verlesung der Erklärung des Kabinetts trat die Kammer in die Debatte ein.
Der Radikale Violette billigte die Erklärung des Kabinetts, die erfreulich sei besonders wegen der angekündigten allmählichen Rückkehr zu einem Militärdienst von geringerer Dauer. Die republi⸗ kaisch⸗ Partei, so sagte der Redner, erwache nach langer Erstarrun 8 und eine Vereinigung komme wieder zustande, die die unter der Asche der Beruhigung noch glimmenden Feindschaften vergesse. Unter allgemeiner Aufmerksamkeit nahm dann Briand die Verant⸗ wortlichkeit für diese Poliiik der Beruhigung für sich in An⸗ spruch und fügte hinzu, er habe Waldeck⸗Rousseau und Combes, deren Politik der Verweltlichung des Unterrichts er unter⸗ stützt habe, verteidigt. Der Redner verteidigte des längeren den Gedanken einer Politik der Linken, die allein der Republik würdig sei, und versicherte mit Feuer, er sei es gewesen, der als erster eine Politik der Versöhnung der Republikaner versucht habe. Briand sprach weiter von der unversöhnlichen Haltung der Sozialisten in Sachen der Wahlreform und fügte hinzu, er sei es müde, diesen Ge⸗ danken zu verteidigen. Er erinnerte daran, daß die Partei der ge⸗ einigten Radikalen auf ihrem Programm die Rückkehr zum zwei⸗ jährigen Dienst habe. Weiter stellte er fest, daß der Verfasser der Kabinettserklärung nur der Stimme seines Gewissens gefolat sei und unter der een Verantwortlichkeit für die äußere Politik etwas anderes geschrieben habe, als der Kongreß von Pau diktiert habe.
abgeschafft werden. Aber es wäre furchtbar, zu sagen, daß ma aufrecht erhalten müsse in der Hoffnung, ihm nicht alles 8 brauchen, was man von ihm erwarte. Briand wiederholte, er und seine Freunde seien für eine Peolitik der Versöhnung, aber das Kabinett müsse sich über die Frage der nationalen Verteidigung und besonders über seine Stellung zum Dreijahrsgesetz klar äußern. Der Abg. Joseph Reinach fragte, ob die Regierung über das Dreijahrsgesetz ebenso denke, wie Elémenceau oder wie Jaurès. Der Sozialist Vaillant, der das Dreijahrsgesetz als ein Verbrechen bezeichnete, wurde dafür zur Ordnung gerufen. Reinach sagte, da die Umstände sich nicht geändert hätten, so müsse das Drei⸗ jahrsgesetz unverändert aufrecht erhalten werden. Der Minister⸗ präsident Doumergue erklärte, er sei willens, eine Politik der Ver⸗ einigung der Linken ohne Zweideutigkeit durchzuführen. Die Re⸗ terung werde für Ideen und nicht gegen Personen kämpfen. Zu dem
reijahrsgesetz sagte er, die Dauer des Dienstes sei kein Dogma aber Gesetz sei Gesetz. Er werde es loyal anwenden. Allein die Notwendigkeit, das Vaterland zu verteidigen, sei für ihn ein Dogma. Wie der Militärdienst gleichmäßig obligatorisch für alle sein müsse und die finanziellen Folgen dieser Gesetze von dem er⸗ worbenen Reichtum getragen werden müßten, so vergesse er nicht die von ihm hierüber der Demokratie gegebenen Versprechen sowie die Versprechen des Kongresses von Pau. Die Regierung denke vor allem an das Land.
Im weiteren Verlauf der Debatte sagte der Abg. Lefövre, die große Mehrheit der Kammer erkenne die Notwendigkeit der An⸗ leihe an. Deren Begebung würde jedoch durch die Emission auswärtiger Anleihen erschwert werden, die, zu vier oder fünf Prozent verzinst, den Kredit reizen würden. Der Redner forderte eine Tagesordnung, daß keine fremde Anleihe in Frankreich emittiert werden dürfte, bevor die französische Anleihe zustande gekommen sei. Der Abg. Painlevé brachte eine Ver⸗ trauenstagesordnung ein, der Lefsvre seinen Zusatz über die Anleihen anfügen wollte. Der Finanzminister Caillaux äußerte sich zu der Zurückziehung der Anleihe und sagte, die Regierung würde so schnell wie möglich ein allgemeines Exposé über die Lage er tatten, aus dem sich dann die zu ergreifenden Maßnahmen ergeben würden. Die Re⸗ gierung habe schon jetzt beschlossen, den Anleihegesetzentwurf zurück⸗ zuziehen: erstens, weil die Anleihe gegenwärtig besonders schwierig zu realisieren sein würde, und zweitens, weil die Regierung sich über die Bedingungen und den Umfang der etwa nötigen Finanzoperation noch keine feste Meinung gebildet habe. Es seien außerordentliche Aus⸗ gaben gemacht worden; die vorgebrachten Ziffern müßten gründlich geprüft werden und sobald sie ‚festgestellt seien, werde die Regierung entweder zu einer in wenigen Budgetjahren zu E1“ Anleihe oder aber zu außerordentlichen Steuern ihre Zuflucht nehmen. Sobald die Regierung ihre Beschlüsse ge⸗ faßt habe, werde sie diese der Kammer mitteilen. Die Regierung beabsichtige nicht, auswärtigen Anleihen die Schleusen zu öffnen, sie behalte sich aber volle Freiheit vor und werde der Kammer so bald wie möglich ihre Absichten darlegen. Schon jetzt aber könne er mit⸗ teilen, daß er die Gesamtheit der zu regelnden Ausgaben oder der Rückstände durch eine Steuer auf das Kapital oder auf den erworbenen Reichtum zu decken vorschlagen werde.
Die Kammer nahm nach langer, lebhafter Debatte die von dem republikanischen Sozialisten Painlevé eingebrachte und von der Regierung genehmigte Tagesordnung, in der der Re⸗ gierung das Vertrauen ausgesprochen und sie aufgefordert wird, eine Politik der Reformen mit Hilfe einer ausschließlich republikanischen Mehrheit zu verfolgen, mit 293 gegen 137 Stimmen an. Darauf wurde uͤber die Priorität des von der Regierung zurückgewiesenen Zusatzantrags Lefêvre abgestimmt, wonach die Zulassung aller neuen fremden Anleihen zur Börsenkotierung verweigert werden solle, bis das Parlament die De ckung der außerordentlichen Militärausgaben bewilligt habe. Die Priorität wurde mit 283 gegen 214 Stimmen abgelehnt. Sodann wurde über einen von der Regierung Radikalen Gioux abgestimmt, quellen des Landes zunächst den nationalen Bedürfnissen gewahrt bleiben sollen. Der Zusatzantrag Giour wurde mit 250 Stimmen gegen 203 Stimmen angenommen. Darauf wurde die gesamte Vertrauenstagesordnung mit 302 gegen 141 Stimmen angenommen.
— Im Senat verlas der Justizminister Bienvenu Martin die Kabinettserklärung, die von der Linken und besonders von
wonach die finanziellen Hilfs⸗
Sitzung wurde nach Verlesung der Kabinettserklärung geschlossen.
Rußland.
Am 24. Dezember 1912 wurde auf Grund des Spionage⸗
gesetzes vom 18. Juli 1912 ein Verzeichnis von Informa⸗ ionen über Kriegs⸗ und Marineangelegenheiten erlassen, seine Veröffentlichung in der Presse jedoch verboten. Der gestrige Ministerrat sprach sich, wie „W. T. B.“ meldet, auf Antrag des Ministers des Innern prinzipiell dafür aus, das Verbot noch für ein weiteres Jahr in Kraft zu lassen, erachtete es aber für zulässig, einige Informationen aus dem Verbotsverzeichnis auszuscheiden. Zur Feststellung der aus⸗ scheidenden Informationen wurde eine besondere Kommission eingesetzt. — Der Abgeordnete der Rechten Schetschkow brachte in der Reichsduma einen von 66 Abgeordneten unterzeichneten Antrag ein, die Korobkasteuer, das heißt die von den Juden erhobene Schlachtsteuer, aufzuheben, den Juden das Schächten von Haustieren zu verbieten und auf dem Wege der Gesetzgebung die bereits in Finnland bestehenden Bestimmungen für das Schlachten von Vieh bei Juden einzuführen.
Italien.
„In der Deputiertenkammer wurde gestern die Debatte über die Politik der Regierung fortgesetzt.
Wie „W. T. B.“ berichtet, erklärte der Abg. Cameroni, daß er sicher sei, die Ansicht der organisierten Katholiken wiederzugeben und daß er von neuem in höchstem Maße ihre konstitutionelle Loyalität und ihren aufrichtigen Patriotismus bestätigen wolle, von dem sie während des Feldzuges in Libyen unzweifelhafte Proben ab⸗ gelegt hätten. Er weise die Anschuldigung zurück, daß seine Partet internationalistisch gesinnt sei. Wenn er auch wünsche, daß der Zwist zwischen Staat und Kirche aufhöre, so würde er doch niemals irgend einem Vorschlag zustimmen, der dahin abziele, die volle Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit Italiens dem Auslande gegenüber zu mindern. Der Redner und seine Freunde wünschten, daß die Zugehörigkeit zum katholischen Glaubensbekenntnis keinen Grund für politische Minder⸗ wertigkeit den anderen Mitbürgern gegenüber bilden. Dies sei die Grundlage für die Abkommen zwischen den Katholiken und den Liberalen gewesen. Der Redner versicherte, daß die Katholiken für demokratischen Fortschritt und soziale Reformen seien. Er vertraue auf den Minister⸗ präsidenten Giolitti, daß dieser sein demokratisches, aber nicht anti⸗ kleriales Programm nicht ändern werde. Der Radikale Alessio be⸗ tonte, der Erfolg der radikalen Partei könne entscheidend sein für die Fort⸗ setzung einer noch demokratischeren Politik der Regierung. Die Hand⸗ lungsweise des Ministerpräsidenten Giolitti habe immer einen demo⸗ kratischen Charakter getragen. In der kirchlichen Frage erwarte er von der Regierung volle Klarhelt. Es sei nicht richtig, daß mili⸗ tärische Ausgaben die Entwicklung der Ausgaben für soziale Zwecke hinderten. Von Abrüstung zu sei absurd. Man müsse
Italien gewesen, besprach, obiger Quelle zufolge, die Haltung Deutsch⸗
Wenn das Dreijahrsgesetz als unnötig angesehen werde, müßte es
vielmehr versuchen, durch internationale Verständigung die militä⸗
katholisch⸗konservativen Opposition im Bundesrat.
genehmigten Zusatzantrag des 8 Monopolwesens und der
Clémenceau mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde. Die
einzuschränken. Die radikale Partei werde ver⸗ Ausgahen; ffcgen Ausgaben in den notwendigen Grenzen zu artei werde der Regierung ihre herzliche Zustimmung
ringen. 1
Schweiz.
Vereinigte Bundesversammlung hat nach einer Mel⸗ “ . B.“ den bisherigen Vizepräsidenten des Bundesrats, Obersten Dr. jur. Arthur Hoffmann, der der freisinnigen Regierungspartei angehört, zum Bundes⸗ räsidenten der Schweiz für das Jahr 1914 gewählt. zum Vizepräsidenten des Bundesrats ist Dr. jur. Giuseppe Motta (Tessin) gewählt worden, der einzige Vertreter der
Türkei.
Von zuständiger Stelle wird dem Wiener „K. K. Tele⸗ ra h mit Ermächtigung des Groß⸗ wesirs die gestrige Meldung der „Neuen Freien Presse“ von einer angeblichen Demission des Großwesirs entschieden in Abrede gestellt. Der Großwesir habe sich lediglich
en einer Erkältung nicht auf die Pforte begeben.
Griechenland. 1 e Regierung hat, wie die „Agence d'Athénes“ och 18 Sn. Sn. Text der Konventionen von London, Bukarest und Athen mitgeteilt und ihnen so indirekt zur Kenntnis gebracht, daß die Insel Kreta hinfort einen Teil des Königreichs Griechenland bildet. Der Könhnig wird sich in Beleiung des Minister⸗ präsidenten Venizelos morgen abend an Bord der Jacht Amphitrite“ nach Kanea begeben. Der Panzerkreuzer "„Georgios⸗Aweroff“, das Küstenpanzerschiff „Spetzsase und sechs Torpedobootszerstörer werden der Jacht voranfahren. Die Kammer wird offiziell durch ihren Vorstand vertreten sein.
Serbien.
Der Fster sce ceg sche Gesandte, Feldmarschall⸗Leut⸗ nant Freiherr von Giesl ist gestern nachmittag vom König Peter in feierlicher Antrittsaudienz empfangen worden, der der Ministerpräsident Pasitsch sowie sämtliche Herren der öster⸗ reichisch⸗ungarischen Gesandtschaft beiwohnten. Auf die von dem Gesandten bei der Uebergabe der Beglaubigungsschreiben gehaltene Ansprache erwiderte der König, wie „W. T. B.” meldet, er werde im Verein mit der serbischen Regierung alles aufbieten, um die Beziehungen zwischen Serbien reich⸗Ungarn freundschaftlicher zu gestalten. Der König hielt sodann Cercle und gab hierbei seiner großen Verehrung für die Person Seiner Majestät des Kaisers und Königs Franz
ooseph Ausdruck, und sich bei Freiherrn von Giesl angelegentlichster Weise nach dem Befinden Seiner Majestät.
— Die „Politica“ meldet, daß die am Ende des Monats “ Skupschtina nach Erledigung der Staats⸗ notwendigkeiten aufgelöst werden wird. Die Neuwahlen würden für das nächste Frühjahr ausgeschrieben werden.
Amerika.
Das Programm, das der Präsident Wilson für die Antitrust⸗Gesetzgebung während der gegenwärtigen Session des Kongresses aufgestellt hat, zielt nach einer Meldung des „W. T. B.“ darauf hinaus, die Formen des 1 Ausschaltung der Konkurrenz im hea ese e oge die als unbillig und als gegen das Gesetz verstoßend zu gelten haben, zu definieren, die Beweis⸗ führung, daß keine unbillige Beschränkung der Konkurrenz im Handelsverkehr besteht, dem Angeklagten aufzuerlegen und es zu verbieten, daß ein⸗ und dieselben Personen in den Aufsichtsräten mehrerer Gesellschaften sitzen. Ferner faßt das Programm die Schaffung einer „Interstate Trade Commission ins Auge, die befugt sein soll, das Monopolwesen zu regulieren, Untersuchungen anzustellen und den Gerichten behilflich zu sein, über Trusts verhängte Auflösungsbeschlüsse zur Durchführung zu bringen. Dieses Antitrustprogramm wurde vom Präsidenten Wilson nach einer Konferenz mit den demokratischen Mitgliedern des Justizkomitees des Repräsentantenhauses entwickelt. In der Konferenz hatte der Präsident erklärt, daß er eine Gesetzgebung nach den Grundsatzen der Lenroot⸗La Follete⸗Bill befürworte, die bereits seit Juni dem Kongreß vorliegt. — Der mexikanische Kongreß hat vorgestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Aufnahme einer internationalen Anleihe von hundert Millionen Pesos zu fünf Prozent beschlossen. Die Abgeordnetenkammer at Huerta besondere Machtbefugnisse für die Ministerien der Finanzen, es Krieges und des Innern erteilt. 1 Amtliche Meldungen des Konteradmirals Fletcher an
das amerikanische Marinedepartement besagen, daß die Konstitutionalisten mit ihrem Angriff auf Tampico Fort⸗ schritte machen. Sämtliche Ausländer seien in die neutrale Zone gebracht worden; bisher sei kein Fremder verletzt worden. Nach einem Telegramm des Blattes „Sun“ aus Mexiko haben die Insurgenten gestern abend Tampico eingenommen.
— Die chilenische Kammer hat obiger Quelle zufolge einem Ausfuhrzoll auf ausländische Hölzer “ um die für Südchile sehr wichtige Holzindustrie zu heben.
Afrika. Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Mitteilung des französischen Kriegsministeriums ist Ain Galata, im Gebiete der Senussi, bereits am 27. November im Sturm genommen worden. Der Hauptmann Maignan, die Leutnants Barrier neteeetei ein Adjutant und zwölf Schützen sind dabei gefallen.
8*
Parlamentarische Nachrichten.
„Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Auf der Tagesordnung der seencen (188.) Sitzung des E1 welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück, der Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf und der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow beiwohnten, standen zunächst Anfragen Der Abg. Hoff (fortschr. Volksp.) fragte: Die 19; Hofir Cvrtsch hat einen erheblichen Rückgang des deutschen Viehbestandes, insbesondere der Rinder⸗ und Schweinebestände ergeben, der bei der wachsenden
8 1 8* 1“ 12 Z“ 11 rscheint. Zur Entschließung über die erforderlich Pdenllich ist die möglichst frühzeitige Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses der Viehzählung vom 1. De⸗ zember 1913 “ Welchen Termin kann der Herr “ für die Bekanntgabe dieses vorläufigen Ergebnisses in Aussicht stellen? 1 schtist im Reichsamt des Innern Müller: Nach dem Bundesratsbeschluß über die kleinen Viehzählurgen vom 7. November 1912 sind die vorläufigen Ergebnisse der Zählung bis zum 15. Fe⸗ bruar des auf die Zählung folgenden Jahres an das Kaiserliche Statistische Amt einzusenden. Auf Anregung des Kaiserlichen Statistischen Amtes wurde auf der Versammlung der Statistiker des Reiches und der Bundesstaaten bereits am 7. Mat 1913 darüber verhandelt, ob die Einsendung nicht an einem früheren Termin möglich sei. Die Versammlung erklärte sich damit einverstanden, den Zeitpunkt für die Einsendung der vorläufigen Ergebnisse auf den 15. Januar des auf die Zähgung fhlgenden Jahres festzusetzen. Falls dieser Termin von allen Bundesstaaten eingehalten wird, kann eine Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses der Viehzählung vom 1. Dezember 1913 bis zu Ende Januar 1914 in Aussicht gestellt werden. Der Abg. Irl (Zentr.) fragte:
Nach 85 63 des getb es zur Reichsversicherungs⸗ ordnung hat der Bundesrat im Jahre 1913 dem Reichstage die ge⸗ setzlichen Vorschriften über die Rücklagen der 1I“ zur erneuten Beschlußfassung vorzulegen. Am 17. Mai 1911 hat der Vertreter der verbündeten Regierungen dem Reichstage aus⸗ drücklich eine Gesetzesvorlage oder eine Denkschrift für das Jahr 1913 zugesagt. ann gedenkt der Herr Reichskanzler dieser gesetz⸗ lichen Verpflichtung und ausdrücklichen Zusage nachzukommen?
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Eine dies⸗ Vorlage wird dem Reichstage noch in dieser Session zugehen. 1 Der Abg. Dr. Oertel (dkons.) berichtete darauf namens der Geschäftsordnungskommission über Anträge auf Ge⸗ nehmigung zur WE“ der Abgg. Thiele (Soz.) wegen Beleidigung un Hofmann⸗Rudolstadt (Soz.) wegen Uebertretung des Impfgesetzes. Dem Kommissions⸗ antrage gemäß wurde die Genehmigung in beiden Fällen versagt. b In dritter Beratung wurde sodann die auf der inter⸗ nationalen Sanitätskonferenz in Paris am 17. Januar 1912 von 40 Staaten unterzeichnete EE“ betreffend Maßregeln gegen h Cholera und Gelbfieber, ohne Debatte endgültig genehmigt. 8 Auf Antrag des Abg. Dr. Junck (nl.) erledigte das Haus auch noch den Antrag auf Genehmigung der Straf⸗ “ des Abg. Wendel (Soz.) wegen Majestäts⸗ beleidigung. Die Geschäftsordnungskommission hat heute morgen beschlossen, auch hier die nachgesuchte Genehmigung nicht zu erteilen. Das Haus beschloß ohne Diskussion in gleichem Sinne.
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung. Aus Wien wird dem „W. T. B.“ berichtet: Wie die „Arbeiter⸗ zeitung“ meldet, hat gestern abend eine Vertrauensmännerversammlung der Buchdrucker und Schriftgießer Niederösterreichs be⸗ schlossen, daß die Buchdruckereiarbeiter und arbeiterinnen in denjenigen Druckereien in Wien, welche die Tarifvorlage bisher nicht angenommen haben, am 13. Dezember ihre Kündigung ein⸗ zureichen und am 27. Dezember die Arbeit niederzulegen haben. Wegen der Schriftgießer ist noch kein Beschluß gefaßt. (Vgl. Nr. 292 d. Bl.) Die Elektrizitätswerke von Ganz in Budapest haben, wie die „Köln. Ztg.“ ersahrt, den Betrieb wegen Zwistigkeiten mit Arbeiterschaft eingestellt. i Du 1 8 es, wie „W. T. B.“ meldet, gestern im Zu⸗ sammenhange mit dem Ausstand zu Unruhen. Ein Fuhrmann, der angegriffen wurde, gab Revolverschüsse ab, welche die Angreifer verfehlten, dagegen den Vizepräsidenten der Dockbehörde schwer ver⸗ wundeten, sodaß er in H“ u.“ ins Krankenhaus gebracht werden mußte. (Vgl. Nr. BWI. In “ 5 hat, wie dem „W. T. B.“ telegraphiert wird, die Vereinigung der ausständigen Seeleute beschlossen, die Forderung des freien Unterhalts fallen zu lassen und anstatt dessen die Reeder um Erhöhung des Unterhaltszuschusses von fünf auf zehn Gulden auf den Kopf und Monat und um Wiederherstellung der früheren Arbeitsbedingungen zu bitten. Die Antwort der Reeder wird emnächst erwartet. . gbsteer wird, „W. T. B.“ zufolge, bekannt gegeben, daß am 10. d. M. in den Kohlengruben und in der Zuckerindustrie in Natal und im Zululande 24 000 Inder arbeiteten, 681 noch ausständig und einige hundert noch im Gefängnis waren (vgl. Nr. 282 d. Bl.).
en zweiten Hauptteil der Sammlung von Gans, die als hochrenge Ctten Haupit das Antiquarium der Berliner Königlichen Museen gelangt ist (vgl. Nr. 291 d. Bl.), bilden die Gläser, die an Schönheit und Sestenheit den Schmuckstücken nicht nachstehen. Auch hier erstrecken sich die Stücke ihrer Fenftehanßse nach auf die verschiedensten Phasen, die diese Kunst durchgemacht hat. Da sehen wir Beispiele der ältesten Gattung von Glasgefäßen, deren Her⸗ stellung in Aegypten schon in der zweiten Hälfte des zweiten Jahr⸗ tausends geblüht hat: reizende Salbgefäße aus tiefblauer Masse, die nicht geblasen, sondern über einem Tonkern fein geformt sind, mit eingelegten und eingeschmolzenen weißen, gelben und hellblauen Fäden; seltener als diese sind ähnliche Fefis aus weißem Milchglas mit zart violetter Verzierung. Diese Technik erhielt sich bis in die Kaiserzeit. Staunen erregt dee Fülle bunter opaker Gläser aus dieser Periode, die sich weniger durch schöne Farben wie durch gefällige Formen aus⸗ zeichnen. Besonders 1- ist ein Schälchen aus einer tiefroten un⸗ durchsichtigen, wie Lack glänzenden Masse, die man zunächst gar nicht für Glas halten möchte. Die Färbung ist durch Kupfer erzeugt. In stattlicher Anzahl sind auch mehrfarbige antike Gläser vorhanden, zu denen auch die Millefiorigläser gehören, deren Schönheit und Mannig⸗ faltigkeit die heutige Technik auch nicht annähernd zu erreichen ver⸗ mocht hat. In diesen Gläsern mengen sich die verschiedensten Töne bandartig durcheinander, sodaß die Gefäße den aus Achat geschnittenen gleichen. wei reizende Flakons und einen Teller in dieser Technik weist die Sammlung auf. Hier bildet die Gefäßwandung ein Konglomerat von Rosetten, Augen und anderen Gebilden, die außen und innen sichtbar sind. Farbige Glasstäbe wurden zu Figuren zu⸗ sammengesetzt und durch Schweißung fest verbunden. Diese Bündel wurden dann in erhitztem Zustande langgezogen und in dünne Scheiben zerschnitten, deren jede auf beiden Seiten das Stäbchenmuster verkleinert zeigt. Ebenso stellt man heute die bekannten Zuckerbonbons mit den Blümchen auf den Schnitt⸗ flächen her. Verschiedene Scheiben wurden dann nebeneinander geordnet und mittels zwischengegossener Glasmasse zu Platten ver⸗ bunden, die endlich wieder . und in Gefäßform vgebrage wurden. Auch das Fadenglas, dessen Technik bei venezianischen Gläsern im 16. und 17. Jahrhundert angewendet wurde, kannte man schon im Altertum, wo es als Randstreifen, als Teilmuster bunter Gefäße oder als Verzierung gläserner Armbänder benutzt wurde. Eine Dose der Sammlung von Gans zeigt aber, daß im Altertum ausnahmsweise auch ganze Gesaße dieser Art hergestellt wurden. Ein Unikum ist auch eine große Amphora aus durchsichtigem Glas aus
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Kunst und Wissenschaft. G 8
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, die durch einen z gfältig wurden; die Fuge deckt ein W“ Bronzeband. Auch die sind besonders gearbeitet und mit Bronzehaken befeftior Es sich bei dem Stück um eine sehr alte Arbeit aus einer Zeit handeln, in der man derartige Sachen noch nicht im ganzen zu blasen verstand. Die geblasenen Gefäße, die in Hohlform hergestellt wurden, zeigen entweder Reliefschmuck oder ganz figürliche Form; beliebt waren Köpfe als Flaschen: eine Technik, die besonders in Syrien blühte. Eines dieser Stücke unserer Sammlung ist eine Seltenheit: ein Fläschchen in Gestalt einer sitzenden Göttin mit hohem Kopfschmuck, der zugleich den Flaschenhals bildet; zu ihren Füßen erscheint bis zur Brust ein Knabe mit erhobenen Armen, am Sitz be⸗ findet sich ein Relief des Eros mit Fackel und Kranz. Das Ganze ist die Nachbildung eines berühmten kolossalen Werkes, der Tyche von Antiochia mit dem Fluß Orontes als Knaben zu Füßen. Die syrische und ägyptische Glasbläserei setzte sich aus der römischen Zeit in die Herrschaft des Islam fort. Die schönen Gläser dieser Periode mit ihrem Schmuck in Gold und Emailfarben haben wieder ihre Vorläufer und Gegenstücke in Erzeugungen des klassischen Altertums. Auch diese interessante Entwicklung können wir an Stücken der Sammlung von Gans verfolgen. So zeigt eine wundervolle syrische Flasche nachrömischer Zeit in Gold aufgesetzt schreitende Greifen auf dunkelblauem Grunde. Die Gläser aus der islamischen Zeit zeichnen sich mitunter durch die schöne “ Irisbildung aus. Mit dem Islam verbreitete sich diese in Syrien, Mesopotamien und Persien blühende Kunst auch nach Südrußland, besonders in das Kaukasus⸗ gebiet, aus. Diese Kultur vergegenwärtigen uns zahlreiche Funde, die in mittelalterlichen Grabhügeln im Kurbandistrikt gemacht sind: schlanke Glasbecher, mit feinen Gold⸗ und Emailornamenten. Unsere Sammlung hat mehrere schöne Stücke derart. Außer Gläsern ehört dieser Periode und Gegend auch eine Bronzefibel an, mit fensärälöer durchbrochener Scheibe und Bernstein, die eine goldene, von einem Halbmond gekrönte Spitze enthält. An dem albmond scheinen früher Perlen ge 8 zu haben; an einer Ringöse Halt noch ein troddelartiges Gebilde, bestehend aus einer Kapsel mit einem Türkis und an Drähten angehängten Perlen und hellen Hyazinthen. Dieser Zierat schmückte einst eine spitze Frauenhaube, wie sie in Resten, noch mit den Spitzen verbunden, in den erwähnten Grabungen ge⸗ funden wurde. Demselben Kreise gehören große Silbergehänge und eine schöne, in Rußland gefundene Silberschale an. — Wichtige Ab⸗ teilungen der Sammlung sind in dieser kurzen Aufzählung noch gar nicht erwähnt worden. Hingewiesen sei nur noch auf ein dem Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. angehöriges keramisches Stück aus Tabolia in der Troas: Dionysos, fast unbekleidet, lehnt sich auf ein neben ihm stehendes kleines Mädchen, das eine große flache Schale auf dem Haupt trägt. Interessant sind auch einige mit bildlichen Darstellungen geschmückte E die in Griechisch die In⸗ schriften „Geschenk für die Hausfrau“ und „Geschenk für die Schwester“ tragen. Auf die zahlreichen Stücke der Sammlung, die nicht zu tiken Kunstkreis gehören, soll noch ku eingegan en werden. 1 m Kaiser Friedrich⸗Museum ist im Durchgangssaal vom “ zur Basilika, der vorübergehend 3 her⸗ gerichtet worden ist, eine Ausstellung der in den letzten Jahren erworben deutschen Bildwerke und Bi der
eröffnet worden.
Im Institut für Meereskunde (Georgenstraße 34 — 36) spricht 6 d. M. der Professor A. Tschermak Edler von Seysenegg⸗Prag über die Zoologische Station in Neapel. Der Vortrag beginnt um 8 Uhr Abends. Eintrittskarten zu 0,25 ℳ sind an den oreraessabenden von 6 Uhr an in der Geschäftsstelle (Georgen⸗
straße 34 — 36) zu haben.
Gefundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗
maßregeln
Malta.
Malta ist durch eine Regierungsverfügung vom 4. d. M. Salsnnn als “ erklärt worden (vergl. „Reichsanzeiger
vom 8. August d. J., Nr. 186).
FTheater und Musik.
Königliches Schauspielhaus. ö
m Königlichen Schauspielhause fand gestern die Erst⸗ auffüdeang deee Lustspiels „Graf Ehrenfried“⸗ von Otto Hinnerk unter der Leitung des Oberregisseurs Herrn Patry statt. Romantisch genug geht es in den vier Akten dieses Lustspiels zu. Der junge Graf Ehrenfried, der auf dem zerfallenden Schloß seiner Väter in bitterer Armut wohnt, ist ein seltsamer Schwärmer: nicht nur ein poetischer, die Waldeinsamkeit liebender, träume⸗ rischer Jüngling, sondern ein Phantast, der sich seine arm⸗ selige Dürftigkeit durch eine halb lustige, halb verschrobene Phantasie prächtig ausstaffiert. Das zerlumpte Hofgesinde, das an dem seltsamen Herrn mit Liebe und Treue hängt, muß ihn vor dem zerbröckelnden Schloßportal mit allen ritterlichen Ehren empfangen, der alte Diener spielt die Rolle eines Hofmarschalls und kredenzt in irdenem Topf den Ehrentrunk; die Fiktion, daß im längst verödeten Hundezwinger die Bracken vielstimmig Laut geben, wird aufrecht erhalten und der alte Schulmeister zieht eine Kuhglocke läutend und peitschenknallend über den Hof, eine nur noch in der Phan⸗ tasie existierende Kuhherde vor sich her treibend. Da der Schloßherr diesen Mummenschanz auch vor Fremden treibt und ihm die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit wirklich zu schwanken UHerat ist es nur natürlich, daß Graf Ehrenfried von allen, die ihm begegnen, für einen närrischen Kauz gehalten wird. Zu der phantastischen Aus⸗ schmückung seines Lebens gehört auch ein Prozeß, den sein Vater gehen die benachbarte Familie von Rosenberg um deren reiche Güter geführt und bereits verloren hat. Obwohl der Prozeß gar nicht wieder auf⸗ genommen wurde, hängt doch ein guter Teil der Ehrenfriedschen Lebenshoffnungen an seinem siegreichen Austrag. All dies erfährt der Zuschauer im ersten, an Gelegenheitskomik reichen Akt, und an jenen Prozeß knüpft sich auch die eigentliche Handlung des Lustspiels. Ein Lrfse eamter, der auf der Reise nach dem Rosenbergschen Schloß begriffen ist, auf dem sich auch der Kurfürst zur Jagd befindet, lernt den seltsamen jungen Grafen kennen und nimmt an seinem Geschick Fatezass Graf Ehrenfried soll mit der Erbin von Rosenberg zusammengeführt werden und eine Ehe soll dem Rechtsstreit, der in Wahrheit für den Grafen garnicht ungünstig stehen würde, ein Ende machen. Es kommt aber anders. Graf Ehrenfried rettet dem Fürsten, der im Walde im Schlaf überfallen wird, das Leben und gelangt zu hoher Gunst bei Hofe. Das weckt ihm Feinde und Neider, zudem zürnt ihm Elfriede von Rosenberg wegen des Prozesses. Der von den Höflingen geweckte Verdacht, jener Ueberfall. auf den Fürsten sei vom Grafen absichtlich ins Werk gesetzt, scheint sich zu bestätigen. Chrenfried soll, in Un⸗
nade s sich auf seinem alten Schloß einem Gericht des Kur⸗ ürsten stellen. Der Gerichtstag bringt eine, wie es dem
ustspiel ziemt, friedliche Lösung. Der Graf wird von jedem Ver⸗ dacht gereinigt, den Prozeß gibt er endgültig auf und die ihm angetragene Hand der reichen, rne⸗ Elfriede schlägt er aus. Er will in seinem Wald und auf dem alten, armen Schloß weiter leben und träumen; sein Ehegemahl aber wird des Schulmeisters Töchterlein, das seit jeher mit scheuer Liebe an ihm gehangen hat. Das ist die roman⸗ tische Handlung. Sie ist für ein Drama ziemlich dürftig, und der Dichter, dem das bb seiner Kunst noch wenig geraefig zu sein scheint, läßt sie mehr episch vorüberziehen, als daß er sie dramatisch entwickelte. Außer dem Grafen und seinem seltsamen Hof⸗
esinde sind die handelnden Personen oft benutzte Typen und der Ehren⸗ friedsche Kreis ist wiederum überzeichnet, sodaß der erste Akt, in dem er auf der Bühne herrscht, aus dem Lustspiel⸗ in den Schwankcharakter
Bevölkerung und dem steigenden Fleischbedarf des deutschen Volkes
Olbia; sie ist geblasen, sondern in zwei Teilen her⸗
fällt. Anderseits enthält das Stück manche dichterische Feinheit, die bei