4) In die Bauvorschristen für Schiffsdampfkessel im Abschnitt V „Berechnung der Blechdicken ebener Wandungen“ wird nach Ziffer 5 folgende neue Bestimmung aufgenommen: „5) a. Ebene, unversteifte Feuerkammerdecken dürfen nur bei Binnenschiffskesseln zur Verwendung gelangen. Dabei darf
die innere Weite der Feuerkammer 550 mm und die aus
der nachstehenden Formel sich ergebende Wanddicke 30 mm
nicht überschreiten. ” b1X“
S =V— 0,017 1 N P — 5. 8 Hierin ist für 7 in mm zu setzen:
wenn die Feuerkammerdecke einerseits auf der Rohrwand⸗
krempe, anderseits auf der Krempe der Feuerkammer⸗
rückwand aufgenietet ist, die Entfernung der beiden Niet⸗
reihen, wenn die Feuerkammerdecke einerseits auf der Rohr⸗
wand⸗ oder der Feuerkammerrückwandkrempe aufgenietet und auf der anderen Seite verschweißt ist, die Entfernung der Nietreihe von der anderen Wand, wenn die kammerdecke mit Rohrwand und Feuerkammerrückwand verschweißt ist, die Entfernung beider Wände.“
Berlin, den 14. Dezember 1913.
Der Reichskanzler. In Vertretung: Del brück
“ 85
Bescheinigung.
Der Kranken⸗Unterstützungsbund der Schneider in Braunschweig ist nach § 514 Abs. 1 der Reichsversiche⸗ rungsordnung vom 1. Januar 1914 ab als Ersatzkasse zugelassen. Berlin, den 19. Dezember 1913. Das Reichsversicherungsamt, r Kranken⸗, Invaliden⸗ und Hinterb 8 versicherung. “ Dr. Kaufmann.
Königreich Preußen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht den Baurat Dr.⸗Ing. Hercher in Wiesbaden zum Regie⸗ rungs⸗ und Baurat zu ernennen.
eine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Sanitätsrat Dr. Nellner in Westrhauderfehn den Charakter als Geheimer Sanitätsrat zu verleihen.
Auf den Bericht vom 28. November 1913 will Ich dem Kreise Minden, welcher die Genehmigung zum Bau und Betriebe einer Kleinbahn von Kutenhausen nach Wegholm erhalten hat, das Enteignungsrecht zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des für diese Anlagen in Anspruch zu nehmenden Grundeigentums verleihen. Die eingereichte Karte folgt anbei zurück. 8
Neues Palais, den 8. Dezember 1913.
Wilhelm R. von Breitenbach. en
Justizministerium.
Den Amtsgerichtsräten, Geheimen Justizräten Wriedt in riedrichstadt und Faber in Schönebeck, dem Landgerichtsrat Arthur Schmidt in Breslau, den Amtsgerichtsräten Do⸗ mauüski in Breslau, Peterschütz in Leobschütz und Stern in 1. ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension erteilt.
Versetzt sind: der Amtsgerichtsrat Zohlen in Wittenberge an das Amtsgericht Berlin⸗Mitte, der Amtsgerichtsrat Dr. Mantey in Havelberg und der Amtsrichter Heinemann in Falkenberg i. O. Schl. nach Wittenberge, der Amtsrichter Dr. Frobenius in Zielenzig als Landrichter nach Wiesbaden.
Die Versetzung des Landgerichtsrats Bering in Hagen als Amtsgerichtsrat nach Beverungen ist zurückgenommen.
In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die Rechts⸗ anwälte: Geheimer Justizrat Dr. Eduard von Harnier bei dem Landgericht in Frankfurt a. M., Wilhelm Dusch bei den Landgerichten I, II, III in Berlm, Dr. Weinberg bei dem Amtsgericht in Dortmund und Gleuwitz bei dem Amtsgericht in Schönebeck. b
In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Rechts⸗ anwälte: Wachsmann vom Landgericht II bei dem Land⸗ gericht I in Berlin, Schiemann aus Berlin bei dem Amts⸗ gericht und dem Landgericht in Brieg, Heydeman aus Mörs bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Kleve, Dr. Gumtz aus Merseburg bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Halle a. S., Dr. Droß in Charlottenburg außer bei dem Landgericht III in Berlin zugleich bei dem Amts⸗ gericht in Charlottenburg, Dr. Ulrich Schultze aus Heringen bei dem Amtsgericht in Spandau, die Gerichtsassessoren: Dr. Theodor Alexander, Dr. Paul Dienstag und Dr. Hans Lutz bei dem Landgericht I in Berlin, Dr. Eckels bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Göttingen, Dr. Kist bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Hannover, Dr. Corts und Holl bei dem Amtsgericht und dem Land⸗ gericht in Cöln, Meul bei dem Amtsgericht in Cöln mit dem Wohnsitz in Brühl, Villers bei dem Amtsgericht in Malmedy, Dr. Fußhöller bei dem Amtsgericht in Siegpurg, Weiland bei dem Amtsgericht in Schleswig, Hermann Meyer bei dem Amtsgericht in Allenburg, von Fischer⸗Treuenfeld bei dem Amtsgericht in Merseburg, Alfred Groß bei dem Amtsgericht in Kolberg, Otto Wex bei dem Amtsgericht in Neustettin und der frühere Gerichtsassessor Ludwig Schmidt bei dem Amts⸗ gericht und dem Landgericht in Neuwied.
Die Rechtsanwälte und Notare, Justizräte Hartung in Goslar und Kantorowicz in Koschmin, die Rechtsanwälte Wilhelm Bornstein und Dr. Wilhelm Engel in Berlin sind gestorben.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Der Regierungs⸗ und Baurat Kraefft, Mitglied der Eisenbahndirektion in Breslau, ist mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Referenten bei den Eisenbahnabteilungen des Minineriums der öffentlichen Arbeiten in Berlin beauftragt. Der Regierungsbaumeister Loewe ist unter Belassung in Breslau zwecks anderweiter Verwendung von den Geschäften des Vorstands des Hochbauamts I dortselbst entbunden worden.
“
Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.
Den Malern Hugo Ungewitter in Charlottenburg und Max Uth in Berlin sowie dem Chemiker Dr. phil. Nikodem Caro in Berlin ist das Prädikat Professor beigelegt worden.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Der Kreistierarzt Dr. med. vet. Hummel in Nakel (Netze) ist in die Kreistierarztstelle auf dem Zentralviehhof in Berlin versetzt worden. 1
Nichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 20. Dezember 1913.
In der am 19. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde der deutschen Arzneitaxe 1914 die Zustimmung erteilt. Zur An⸗ nahme gelangten ferner die Vorlage, betreffend Ergänzung der Ausführungsbestimmungen zum Kaligesetz, die Vorlage, be⸗ treffend die Inlandhöchstpreise für die einzelnen Kali⸗ salzsorten, der Entwurf von Bestimmungen über die Pro⸗ duktionsstatistik der Kohlen⸗, Eisen⸗ und Hüttenindustrie, die Vorlage, betreffend eine Denkschrift über die Rücklagen bei den Berufsgenossenschaften, und die Vorlage, betreffend die Uebergangsbestimmungen zur Durchführung der hausgewerb⸗ lichen Krankenversicherung. Zu Beschlüssen des Reichstags über verschiedene Petitionen wurde Stellung genommen. Demnächst wurde über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt.
Nr. 4 des Jahrgangs 1913 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung bringt zu⸗ nächst einen Nachtrag zu der Uebersicht über die⸗ jenigen Wertpapiere, in denen Bestandteile des Prämienreservefonds der Lebensversicherungs⸗ unternehmungen angelegt werden dürfen. Hieran schließen sich Mitteilungen über die neuesten Zulassungen zum Ge⸗ schäftsbetriebe, die Genehmigung von Aenderungen des Geschäftsplans in⸗ und ausländischer Gesellschaften, über Bestandsveränderungen, über die gegenüber mehreren inländischen Unternehmungen ausgesprochene Untersagung des Geschäftsbetriebs und über die Bestellung von Hauptbevollmächtigten für ausländische Unternehmungen.
Von den folgenden zwei Beschlüssen betrifft der erste die Genehmigung von Bedingungen für die Versicherung von Preisdifferenzen im Zuckerhandel. Der folgende be⸗ handelt die Frage, ob die Uebernahme der Schaden⸗ ersatzpflicht bei Erteilung unrichtiger Auskünfte seitens einer Auskunftei als Versicherungseinrichtung an⸗ zusehen ist; diese Frage wird für den gegebenen Fall verneint, weil es sich nur um eine nähere Umgrenzung der bereits ge⸗ setzlich sich ergebenden Haftung, also um eine vertragliche Nebenabrede handele, die als unselbständiger Bestandteil des gesamten Vertragsverhältnisses erscheine. Von den weiter mitgeteilten drei Senatsentscheidungen behandelt die erste (84) die Anforderungen für die Zulassung eines lediglich die Versicherung von Partikularschäden an Hochseefischereidampfern betreibenden Versicherungsvereins hinsichtlich des Versicherungsbestandes, der Beiträge, des Gründungsfonds und der Franchise. Durch die folgende Ent⸗ scheidung (85) ist einem Feuer⸗ und Einbruchdiebstahlversiche⸗ rungsvereine, der alle seine Mitglieder (zugleich Mitglieder eines Berufsvereins) gegen einen gleichen Durchschnittsbeitrag mit einer je nach dem Werte der beweglichen Habe verschiedenen Versicherungssumme bis zu 10 000 ℳ gegen Feuer und mit einer wesentlich geringeren festen Summe „auf erstes Risiko“ gegen Einbruchdiebstahl versichern wollte, wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit (§ 21 des Ver⸗ sicherungsaufsichtsgesetzee) und wegen Gefährdung der Interessen der Versicherten die Zulassung ver⸗ sagt worden. In der letzten, in der Rekursinstanz ergangenen Entscheidung (86) ist bei einer Kranken⸗ kasse die Einführung von Ordnungsstrafen bis zu 20 ℳ zur Regelung des Verhaltens im Krankheitsfall als zulässig an⸗ erkannt und die von der ersten Instanz aufgestellte Forderung einer Abstufung der Ordnungsstrafe nach der Höhe des Kranken u bis höchstens zum Dreifachen davon nicht aufrechterhalten worden.
In dem Anhange werden 25 das Versicherungswese betreffende Gerichtsentscheidungen abgedruckt. 8
8
“ 11“
Sigmaringen, 20. Dezember. In dem Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Fürstin⸗Mutter ist eine Wendung zum Bessern eingetreten, wie folgendes von „W. T. B.“ mitgeteiltes Bulletin vom gestigen Tage zeigt: Der Zustand der Frau Fürstin ist befriedigender. Die Nächte
waren in den letzten Tagen ziemlich ruhig. Die Nahrungsaufnahme war besser, der Kräftezustand hat sich etwas gehoben.
Hessen.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow ist, wie „W. T. B.“ meldet, heute von Karlsruhe in Darm⸗ stadt eingetroffen und vom preußischen Gesandten am Bahn⸗ hof empfangen worden. Der Staatssekretär wird im Laufe des Tages von Seiner Königlichen Hoheit dem Groß⸗ herzog in Audienz empfangen. 1
Die Erste Kammer hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den Gesetzentwurf über Hingabe eines Darlehens von einer Million Mark an die landwirtschaftlichen Genossen⸗ schaften des Großherzogtums entsprechend dem Beschlusse der Zweiten Kammer angenommen. Beide Kammern haben sich bis Mitte Januar vertagt.
Oldenburg. “ Der Landtag hat einer Meldung des „W. T. B.“ zu⸗ folge gestern mit knapper Mehrheit einen Antrag des liberalen Vizepräsidenten Tantzen angenommen, wonach die Regierung ersucht wird, dem nächstjährigen Landtag ein Gesetz über die Pflichtfortbildungsschule vorzulegen.
2. “
e“ Oesterreich⸗Ungarn. 5 “ Wie die „Wiener Allgemeine Zeitung“ meldet, waren di Verhandlungen über die Orientbahnen gestene setde gediehen, daß die Redigierung der vorläufigen Ergebnisse 5 lich war. Der Vertreter der französischen Gruppe wun de m Grafen Berchtold und vom Grafen Tisza empfangen. Serbien zeigte sich bereit, den von der Betriebsgesellschaft der orienta⸗ lischen Eisenbahnen zu stellenden Ansprüchen auf Entschädigung für erlittenen Schaden an rollendem Material unbeschadet b wisser Kompensationsforderungen zu entsprechen. g-
— Die österreichische Delegation hat das He⸗
Haet b 8 “
m Laufe der Debatte ging der Kriegsminister, Feld Ritter v. Krobatin laut Bericht des „W. T B.“ 185 der Delegierten vorgebrachten Beschwerden und Anregungen ein und gedachte in Worten des allerwärmsten Dankes der wertvollen Unter⸗ stützung und des wohlwollenden Verhaltens der Bevölkerung während der letzten Krise sowie der vollwertigen Leistungen der einberufenen Reserveoffiztere. Der Kriegsminister betonte, die Beziehungen zwischen der Armee und der Bevölkerung seien überall ohne Ausnahme die besten gewesen. Die letzte Krise habe den Beweis des festen Zusammenwirkens von Z vil⸗ und Militärbehörden erbracht, was das gute Funktionieren der Friedensvorbereitungen im Ernstfalle sicher er⸗ warten ließe. Bezüglich der Behandlung der Mannschaften sprach sich der Kriegsminister gegen jeden Drill aus. Er stehe auf dem Standpunkte wohlwollender Erziehung. Er halte das Verhältnis zwischen Offizier und Mannschaft für ein vorzügliches und vertrauens⸗ volles, das gewiß von keiner Armee des Auslandes übertroffen werde. Der Minister betonte nachdrücklich, es gehöre zu den schönsten Tm⸗ ditionen des Heeres, daß es alle Nationen mit gleicher Liebe und Ach⸗ tung umfasse.
Die Delegation wird heute ihre Arbeiten abschließen.
— Zu Beginn der gestrigen Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses beantwortete der Ministerpräsident Graf Stürgkh die Anfragen, betreffend eine angebliche Zu⸗ wendung einer Regierungssubvention an den Abge⸗ ordneten Stapinski.
Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Ministerpräsident: se wenig er hier etwas zu verschweigen habe, müsse er doch bedauern daß in einer politischen Parteiversammlung Mitteilungen gemacht worden seien, die mindestens zum Teil durch amtlich gebotene Die⸗ kretion vor einer öffentlichen Erörterung hätten bewahrt sein sollen. Auf Anregung von angesehener, politisch befreundeter po zaͤlscher Seite habe er aus dem Dispositionsfonds einen zum Ankauf eines gegen den Polenklub opponierenden Blattes erforderlichen Betrag be⸗ reitgestellt, damit dieses Blatt unter der Führung Stapinskis eine der bestehenden Mehrheit des Polenklubs und deren traditionell freund⸗ lichen Verhältnis zur Regierung entsprechende Richtung einhalte. Mit Stapinski sei er wegen irgend einer Regierungssubvention nie in Berührung gekommen. Es sei ihm nicht bekannt, ob Stapineki etwas davon gewußt habe, daß der Betrag für den Ankauf des Blattes aus dem Dispositionssonds der Regierung stammte. Der Ministerpräsident verwies darauf, daß in Oesterreich Ungarn ebenso wie in vielen anderen Staaten der Disposittonsfonds der Regierung nicht etwa zu Repräsentationszwecken oder ausschließlich humanttä en Zwecken, sondern zu polttischen Zwecken zur Verfügung gestellt werde und daß es sich im vocliegenden Falle um eine vollkommen erlaubte und den natürlichen Zwecken des Dispositionsfonds angepaßte Presse⸗ aktion handelte. Der Ministerpräsident verwahrte sich nachdrücklichst gegen die aus diesem Anlaß gegen seine Person und die Regierung gerichteten Angriffe.
Auf Antrag des polnischen Sozialdemokraten Daszynski beschloß das Haus mit 150 gegen 140 Stimmen, über die Pe⸗ antwortung der Interpellation in der nächsten Sitzung die Debatte zu eröffnen. Das Haus setzte hierauf die Erörterung des Ueberweisungsgesetzes fort.
Großbritannien und Irland.
König hat gestern die Mitglieder der Internationalen Konferenz für die Sicherheit des Lebens auf dem Meere im Buckinghampalast empfangen.
Das Parlament ist, wie „W. T. B.“ meldet, auf den 10. Februar 1914 einberufen worden.
Frrankreich.
Der Senat hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, ohne Debatte die bereits von der Kammer angenommene Vorlage, durch die im Mutterlande ein neues Armeekorps geschaffen wird, und ferner einen Antrag des Senators Labbé an⸗ genommen, nach dem eine obligatorische Schutzimpfung gegen Typhus in der Armee eingeführt werden soll.
— In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer wurde ein Gesetzentwurf angenommen, durch den der Maximal⸗ zinsfuß der nächsten von der Stadt Paris für die Beschaffung billiger Wohnungen aufzunehmenden Anleihe von 3,80 auf 4,20 Prozent erhöht wird, und darauf über die Erhöhung der Offiziersgehälter und Unteroffizierslöhnung verhandelt.
Der Abg. Benazet als Berichterstatter legte, obiger Quelle zufolge, dar, daß es sich darum handele, einen besseren Ersatz für den Kern des Heeres zu schaffen, da die wachsende Kompliziertheit der technischen Waffen immer gebieterischer Kaders von unzweifelhaftem Werte verlange. Der Abg. Briquet (Geeinigter Sozialift) erklärte sich für den Gesetzentwurf, während Jauros ihn bekämpfte, da man das durch die dreijährige Dienstzeit ver⸗ ursachte Defizit von 800 Millionen Francs nicht noch vergrößern dürfe. Er wies auf die militärische Organisation der Schweiz als ein empfehlenswertes Beispiel hin und erklärte, als man ihn Deutschland vorhielt, die französische Organisation dürfe nicht zum Plagiat der deutschen werden. Der Redner meinte, eine ausreichende Solderhöhung für die Unteroffiziere würde durch das Defizit verhindert werden und die Unzufriedenheit der Unteroffiziere würde zunehmen. Der Kriegsminister Noulens erklärte, der Ges tzentwurf bringe den Offizieren und Unteroffizieren die nötigen Aufbesserungen; man müsse die Verteuerung des Lebens, besonders in den östlichen Garnisonen, berücksichtigen. Er machte gewisse Vorbehalte gegenüber der von der Budgetkommission in den Entwurf eingefügten Begünsti⸗ gung starker Familien, die bei der Beratung im Senat Schwierig⸗ keiten machen könne. Unter diesem Vorbehalt bat der Minister um Annahme des Entwurfs, damit das Gesetz vor dem 31. Dezember verkündigt werden könne.
Ein sozialistischer Vertagungsantrag, den der Minister be⸗ kämpfte, wurde mit 475 gegen 74 Stimmen abgelehnt, der Uebergang zur Einzelberatung mit 513 gegen 70 Stimmen an⸗ genommen. In der Nachmittagssitzung wurden in der fort⸗ gesetzten Beratung über die Soldaufbesserungen ein Gegenent⸗ wurf des Sozialisten Vaillant mit 387 gegen 170 Stimmen und ein vom Kriegsminister und dem Berichterstatter Bénazet bekämpftes Amendement Augagneur (Soz.), das die Gehalts⸗ erhöhung nur den unteren Graden bis zum Bataillonskomman⸗ deur, Eskadron⸗ und Batteriechef zubilligen will, mit 310 gegen 247 Stimmen abgelehnt. ““
Der Ausschuß der Kammer für üüs wärge Angele genheiten hörte gestern das Exposé Georg
über die äußere Lage und die Interessen Laut Bericht des „W. T. B.“ erklärte Leygues:
Die Zukunft sei finsterer und ungewisser als je. Der Balkan⸗ krieg habe nichts entschieden. Indem der Dreibund aus dem Zaudern und den Fehlern der Tripleentente Nutzen gezogen habe, habe er die Ereignisse, die seinem Ansehen schweren Abbruch getan hätten, zu seinem Vorteil gewendet. Das Gleichgewicht im Mittelmeer sei erschüttert und Konstantinopel und die Meerengen seien in den Händen Deutsch⸗ lands. Die Ereignisse hätten einen unmittelbaren Widerhall in Kleinasien, wo Frankreich große Interessen habe. Die französischen Interessen seien von der französischen Diplomatie verkannt worden. Das fran⸗ zösische Protektorat sei für Frankreich eine große Stärke, und es würde einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begehen, wenn es dieses aufgäbe. Insbesondere in Syrien müßte Frankreich nicht bloß Unter⸗ richts⸗ und Wohltätigkeitsanstalten erhalten, sondern auch der wirt⸗ schaftlichen Aktion einen entschiedenen Impuls geben. Wenn Frank⸗ reich nicht verfallen wolle, schloß Leygues, wenn es mit Ehren die Krise bestehen wolle, die Europa durchmache, dann müsse es eine feste und klare Diplomatie haben, deren Direktiven unveränderlich seien, es müsse eine tätige und energische Diplomatie haben. Er nehme an, daß er von der Kommission verstanden werde.
Der Ausschuß ersuchte den Ministerpräsidenten und Minister des Aeußern Doumergue, über gewisse Fragen, insbesondere über die Orientfrage, Aufklärung zu geben. Doumergue ant⸗ wortete, er werde diesem Ersuchen erst nach dem Wieder⸗ zusammentritt des Parlaments willfahren können.
— Der Marineminister hat in der Deputiertenkammer einen Gesetzentwurf eingebracht, durch den die durch das Gesetz vom 30. März 1912 festgesetzte zeitliche Verteilung der Linien⸗ schiffsneubauten geändert wird. Der Entwurf erinnert, obiger Quelle zufolge, daran, daß zwei Kreuzer 1914 gebaut und am 1. Oktober auf Kiel gelegt werden sollten. Die Regierung ersucht, nur einen Kreuzer, und zwar aus militärischen Gründen, am 1. Januar auf Kiel zu legen. Die Sektion der zwei Schiffseinheiten soll die Grund⸗ lage für die Neubildung der Geschwader abgeben, wonach diese sechs oder acht Schiffe umfassen sollen. Da vier Schiffe vom Typ der „Normandie“ und drei im Jahre 1912 auf Kiel gelegte Einheiten zusammen eine Gruppe von sieben Kriegsschiffen bilden, die durch zwei nicht teilbar ist, so sei es k cfcen einen der neu zu bauenden Panzer früh genug auf Kiel zu legen, damit nur ein Abstand von wenigen Wochen seine Indienststellung von derjenigen der letzten Schiffe vom Typ der „Normandie“ trenne. Dagegen soll das zweite Kriegsschiff, das zu gleicher Zeit mit dem ersten auf Kiel gelegt werden sollte, auf das Jahr 1915 übertragen werden, um in die Reihe der neuen Kriegsschiffe einzutreten. 8
Rußland.
Der türkische Botschafter in St. Petersburg Turkhan Pascha, der jetzt seinen Posten verläßt, ist gestern nach Livadia abgereist, wo er vom Kaiser in Abschiedsaudienz empfangen werden wird.
— Der Handelsminister Timaschew hat dem Minister⸗ rat nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ folgende Gesetzentwürfe vorgelegt: Erstens einen Ent⸗ wurf, betreffend die Auferlegung eines Zolls auf ausländisches Getreide, das nach Finnland eingeführt wird, und zwar in Höhe von 4,30 ℳh für 100 kg brutto auf Roggen, Gerste, Hafer, Weizen und Buchweizen in Körnern sowie Erbsen und Spelz; von 6,50 ℳ auf dieselben Getreidearten in Mehlform. Der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfs ist noch nicht festgesetzt. Zweitens einen Entwurf, betreffend die Be⸗ steuerung von Getreide in Körnern, außer Reis, Erbsen und Bohnen, die nach Rußland eingeführt werden, und zwar in
Leygues . Frankreichs im Orient.
Höhe von 30 Kopeken für das Pud brutto.
— Die Reichsduma ist durch Kaiserlichen Ukas vom 20. Dezember bis zum 27. Januar vertagt worden.
8 Italien. In der Deputiertenkammer ist gestern, wie „W. T. B.“
meldet, die Antwortadresse auf die Thronrede durch
Erheben von den Sitzen mit großer Mehrheit angenommen
worden. Griechenland. Die Regierung hat den Mächten, einer Melduug der „Agence Havas“ zufolge, erklärt, daß die Kapitulationen zwischen den Mächten und der Türkei in den ehemals türkischen und jetzt griechischen Provinzen abgeschafft sind. Durch ein heute veröffentlichtes Dekret des Königs
wird, obiger Quelle zufolge, ein eigenes Armeekorps von
Attika geschaffen, das dem französischen General Eydoux unter⸗ stellt wird und als Modellkorps für die anderen Armeekorps ienen soll. “ Bulgarien.
Nachdem das Belgrader Kabinett seine Zustimmung erteilt hat, die letzten bulgarischen Kriegsgefangenen auszuliefern, hat die bulgarische Regierung, wie „W. T. B.“ meldet, in dem Wunsche, daß der anormalen Lage ein Ende bereitet und die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt werden, eingewilligt, der Ernennung Tscholak Antics zum serbischen Gesandten in Sofia die Zustimmung zu erteilen. Gelegentlich der diesbezüglichen Verhandlungen, die durch Vermittlung der russischen Gesandtschaft geführt wurden, hat die bulgarische
Regierung den Kabinettssekretär des Königs Tschabraschikoff
als diejenige Person bezeichnet, für die sie die Zustimmung als dutgarischen Gesandten in Belgrad verlangen wird.
Amerika.
Nach Ablehnung zahlreicher Abänderungsvorschläge hat der amerikanische Senat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Vorlage zur Währungsreform des Senators Owen angenommen. Diese stellt die Reformvorlage der Regierung dar. Sie geht jetzt an das Konferenzkomitee beider Häuser.
Einer Meldung aus El Paso zufolge verlangt der General Villa von den mexikanischen Familien Summen von tausend bis fünftausend Dollar und gestattet ihnen 81 eher, Chihuahua zu verlassen, als bis sie bezahlt haben. Villa⸗ hat bekannt gemacht, daß er die Rechte aller Ausländer, die Huerta nicht unterstützt haben, achten werde.
— Die brasilianische Kammer hat obiger Quelle zu⸗ folge, mit 63 gegen 58 Stimmen beschlossen, daß die Ueber⸗ reste des Kaisers und der Kaiserin von Brastlien mit dem ersten brasilianischen Kriegsschiff, das Lissabon berührt,
nach Brasilien übergeführt werden sollen.
—— Eine Botschaft des Präsidenten der argen⸗ tinischen Republik empfiehlt der Kammer, das Budget für 1914 ohne Zögern anzunehmen, um zu beweisen, daß die
wirtschaftliche Lage des Landes normal sei.
““ Afrika. “
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Marokko haben die Eingeborenen einen heftigen Angriff auf die spanische Besatzung des Blockhauses Gelber Hügel gemacht, sind aber zurückgeschlagen worden. Auf spanischer Seite sind zwei Mann getötet, elf, darunter drei Offiziere, verwundet worden. .
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Das Tarifamt der Deutschen Buchdrucker in Berlin hat „W. T B.“ zufolge in seiner gestrigen Sitzung mit Bezug auf den Ausstand der Buchdrucker in Oesterreich einstimmig be⸗ schlossen, den beiden streitenden Parteien seine Vermittelung an⸗ zubieten. (Vgl. Nr. 298 d. 89
Die Hanauer organisierten Diamantschleifer be⸗ schlossen, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, jede Tarifunterbietung ab⸗ 6 außerdem 1914 keine Lehrlinge im Diamantschleifen an⸗ zulernen.
Aus Wellington (Neuseeland) wird dem „W. T. B.“ tele⸗ graphtert: Die ausständigen Seeleute haben beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Kohlenbergleute sind noch aus⸗ ständig, doch wird ein baldiges Ende des Ausstandes erwartet. Die jetz ige Lage bedeutet im wesentlichen die Beendigung des Ausstandes in Neuseeland, der etwa zwei Monate gedauert hat. 11.“X“
Wohlfahrtspflege.
Der Vorstand der Landesversicherungsanstalt Berlin hat in seiner gestrigen Sitzung den Voranschlag für 1914 mit 21 Millionen Mark in Einnahme und Ausgabe festgestellt. Bei der Etatsposition „Einnahme aus Beiträgen“ führte der Vorsitzende des Vorstandes, Landesrat Dr. Freund, aus, daß der Rück⸗ gang der Einnahmen im November gegen das Vorjahr so beträchtlich gewesen sei, wie noch nie seit Bestehen der Landesversicherungsanstalt Berlin. Es werde sich voraussichtlich beim Jahresergehnis der noch nie dagewesene Fall eines absoluten Rückganges der Einnahmen er⸗ geben. Der Grund hierfür sei zweifellos in der gegenwärtigen Depression des Arbeitsmarktes zu suchen. Die Ausgaben für das vorbeugende Heilverfahren sind auf rund 4 Millionen Mark veranschlagt; mit dieser Summe steht die Landesversicherungs⸗ anstalt Ber in an der Spitze aller deutschen Anstalten. Der Ueber⸗ schuß ist auf rund 7 Millionen Mark veranschlagt, sodaß das Ver⸗ mögen der Anstalt auf rund 110 Millionen Mark anwachsen wird.
Literatur.
“ 8 8 — Albrecht Dürers Kupferstiche. In getreuen Nach⸗ bildungen mit einer Einleitung herausgegeben von Jaro Springer.
München, Holbein⸗Verlag 1914. (Preis gebunden 36 ℳ) Eine vollständige Sammlung der Dürerschen Stiche ist nicht bloß ein un⸗ entbehrliches Rüstzeug für jeden, der sich fachmäßig mit der Geschichte der deutschen Kunst befaßt, sie ist auch für einen weiten Kreis von Kunstfreunden eine willkommene Gabe. Freilich nur unter zwei Voraussetzungen: sie muß zu einem erschwinglichen Preis dargeboten werden; und die Revproduktionsart muß dem besonderen Charakter des Kupferstichs gerecht werden. Beide Wünsche erfüllt die vorliegende Ausgabe in einem Maße, wie man es noch vor ganz kurzer Zeit von einem mechanischen Verfahren nicht erwarten konnte. Durch die Uebertragung der photographischen Aufnahme auf eine Metallplatte vermittels eines Aetzverfahrens ist es gelungen, den Druck trotz des hier noch verwendeten Rasters so zu vervollkommnen, daß die trefflichen Heliogravüren der Reichsdruckerei jetzt in der Tat in der dekorativen Wirkung erreicht, in der Genauinkeit (denn Retuschen fallen hier weg) noch überboten erscheinen. Dazu kommt die bedeutende Verbilligung, die Vollständigkeit, und nicht zu⸗ 895* der den Blättern der Reichsdruckerei fehlende einführende Text. Ihn hat Jaro Springer geschrieben in einer weisen Beschränkung auf das Wesentliche, in klaren, knappen, schlichten Sätzen, ohne gelehrten Ballast, aber jedes Wort geschöpft aus einer jahrzehntelangen Ver⸗ trautheit mit dem Stoff; bei aller Zurückhaltung doch den eigenen Standpunkt wahrend, der hie und da an der traditionell ge⸗ wordenen Anschauung zu korrigieren unternimmt. Die Ordnung der Blätter ist nicht wie in Bartschs Peintregraveur eine sachliche, sondern sie folgt der zeitlichen Entstebnng der einzelnen Werke. Der Beschauer kann daher den Aufstieg Dürers beim Durchblättern nacherleben. Die Nummern von Bartsch, nach denen allgemein zitiert wird, sind den Stücken beigegeben und in einem besonderen Verzeichnis zusammengestellt. Alle Stiche erscheinen in der Originalgröße.
Selbstverständlich vermag auch dieses Werk die Originale nicht zu ersetzen. Seine schönsten, saftigsten Wirkungen erreicht es bei den Eisenradierungen und überall, wo die Gegensätze von hellen und dunklen Flächen hart aufeinander stoßen. Aber auch, wo die Mitteltöne vorherrschen, wird man sich des frischen, zarten Eindrucks der Blätter erfreuen. Und für das Studium, das der unendlich mannigfachen Benutzung Dürerscher Motive nachgeht, bietet die Ausgabe den unschätzbaren Vorteil, daß man nicht nur alle Blätter gleichzeitig zur Hand hat, sondern überall Reproduktionen nach den besten Exemplaren der Stiche benutzen kann. Einband, Papier und Druck sind gleich lobenswert. So ist dem Werk, in dem die Kunst⸗ wissenschaft mit der neuesten Technik sich so erfolgreich verbündet hat, ein voller Erfolg aufrichtig zu wünschen.
— Das 2. Dezemberheft der Deutschen Beamten⸗Rund⸗ schau, herausgegeben vom Verband Deutscher Beamtenvereine, hat folgenden Inhalt: I. Abhandlungen und Aufüätze allgemeinen Inhalis: Beamtenschaft und „Volksfürsorge“. Dienstaufsicht nach dem bayeri⸗ schen Beamtengesetz mit Berücksichtigung der entsprechenden Be⸗ stimmungen in Preußen und im Reich. Der außeretatsmäßige höhere und mittlere Beamte im preußischen Beamtenrecht. Ueber die Grün⸗ dung eines Sanatortumsvereins. Von Sanitätsrat Dr. Sperling in Birkenwerder bei Berlin. Kinderzulagen für Beamte. — II. Rechts⸗ verhältnisse der Beamten: A. Erörterungen und Nachrichten über Fragen des Beamtentums: Gesetzentwurf über die Wiederaufnahme eines Disziplinarverfahrens. Erhöhung der Bezüge der Altpensionäre und Althinterbliebenen. Postagenturen — ein Fingerzeig für pensio⸗ nierte Beamte und Beamtenwitwen. Von Radke, Charlottenburg. Eine neue Unterbeamtenklasse bei der Reichspostverwaltung. Weiterer Rückgang der Zahl der Gerichtsreferendare in Preußen. Die Re⸗ siden pflicht der Beamten und Lehrer. Erweiterung der Hinter⸗ bliebenenfürsoxge. Von Geh. Regierungsrat Dr. H. Stadthagen, Stadtverodneter. Aus Bayern: A. Zum Entwurf eines Gemeinde⸗ beamtengesetzes. B. Die Wünsche des gehobenen Postpersonals. Aus Württemberg: A. Mittlerer Finanzdienst. B. Die mittlere 1““ Beamtenrechtsbestrebungen in Sachsen. Mittlerer Bibliothekdienst in Baden. Zur Neuregelung des olden⸗ burgischen Beamtenrechts. Von Landgerichtsrat Dr. Högl (Fort⸗ setzung). Zur ungleichen Besoldung der verheirateten und un⸗ verheirateten Beamten. Notlage der österreichischen Beamtenschaft. Vakante Stellen. B. Briefkasten. C. Entscheidungen: Rechtsgrund⸗ sätze und Entscheidungen der obersten bundesstaatlichen Gerichtshöfe. — III. Vereinsnachrichten: A. Verband Deutscher Beamtenvereine und Verbandseinrichtungen: Ausscheiden von Vereinen. Cecilienhilfe. Der Verhband Deutscher Beamtenvereine. B. Aus anderen Verbänden und V reinen: Die mittleren Beamten der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Verein der staatlichen Pensionäre in Württemberg. C. Beamtenwohnungswesen: Kongreß für Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege. — IV. Vermischtes: Die Verschtebung der Be⸗ völkerung zwischen Stadt und Land. — V. Bücherschau. — Unter⸗ haltungsbeilage. 8
8 ½ Uhr, ein Weihnachtskonzert statt.
Kunst und Wissenschaft.
Ein Volk auf der Stufe der Steinzeit. Unter den Völkern der Erde ist eins, dem auch von den Vertretern der wissen⸗ schaftlichen Völkerkunde nachgesagt wurde, es stände noch auf einem ähnlichen Stand wie unsere europäischen Vorfahren während der älteren Steinzeit. Das sind die Urbewohner der australischen Insel Tasmanien. Dr. Johnson hat ausgiebige Gelegenheit gehabt, diese Behauptung nachzuprüfen, indem er sowohl steinzeitliche Reste aus Europa wie ähnliche in Südafrika untersucht und schließlich auch einen alten Wohnplatz der tasmanischen Eingeborenen selbst durchforscht hat. Die wichtige Stäue, die wenige Kilometer östlich von der Stadt Launceston im nördlichen Tasmanien liegt und erst in diesem Sommer entdeckt worden ist, besitzt eine ziemlich große Aus⸗ dehnung und lehnt sich an einen Strom an. Der Boden ist dort überall, wenn auch nicht gerade dicht, mit Steinwerkzeugen besät. Früher waren sie wahrscheinlich noch viel zahlreicher, bevor der Boden vor einigen Jahren einmal aufgepflügt wurde. In der Umgebung sind noch mehrere Stellen als Fundorte für solche Steinwerkzeuge be⸗ kannt. Der englische Forscher zieht nun in einer Zuschrift an die „Nature“ aus ihrer genauen Untersuchung den Schluß, daß die Ur⸗ bewohner Tasmaniens, die jetzt übrigens an Zahl sehr zusammen⸗ geschmolzen sind, doch nicht auf der Stufe der ältesten Steinzeit stehen, in der die Menschen nur solche Steine benutzten, die ihnen von der Natur schon in einer geeigneten Form dargeboten wurden. Auch die Tasmanier haben es vielmehr schon verstanden, ihre Steinwerk⸗ zeuge durch künstliche Bearbeitung hervorzubringen oder wenigstens erheblich zu verbessern. Ihre Geräte unterscheiden sich infolgedessen sehr zu ihren Gunsten von denen des ältesten europäischen Menschen und auch von denen der Urbewohner Südafrikas. Manche von ihnen zeichnen sich sogar durch eine außerordentliche Schönheit und Geschick⸗ lichkeit der Zurichtung aus, doch scheint diese „Vollkommenheit“ eine Ausnahme zu sein. Groß ist der Unterschied der Tasmanier vom älteren Steinzeitmenschen keinesfalls, und sie stehen immerhin auf einer Stufe, die der Mensch in Europa gegen das Ende der Eiszeit ohne Zweifel schon zu überwinden begonnen hatte. Leider werden ja auch diese Reliquien nicht erhalten werden können, da die Tasmanier ebenso wie die anderen australischen Naturvölker mit eiligen Schritten ihrem Aussterben entgegengehen. 1
Fischerei.
Zu den Fischen, die sich namentlich an bestimmten Festtagen einer großen Beliebtheit erfreuen, gehört der Karpfen. Das An⸗ gebot ist trotz der Erweiterung der Karpfenzucht oft nicht imstande, die Nachfrage zu decken, und die Preise blieben bisher für breite Volksschichten unerschwinglich. Ob der Karpfen jemals ein Volks⸗ nahrungsmittel werden kann, ist fraglich. Immerhin hat das Bulletin des internationalen Instituts für Landwirtschaft in Rom eine neue Hoffnung in dieser Hinsicht erweckt. Man hat sich die Ja⸗ paner zum Vorbild genommen, die ihre Reisfelder zur Karpfenzucht benutzen. Eine Nachahmung kommt danach freilich nur für solche Gegenden in Frage, wo gleichfalls Reis gebaut wird, für Europa also nur in den Mittelmeerländern und namentlich in der Lombardischen Ebene Oberitaliens. Seit dem Jahre 1909 sind dort Versuche mit der Karpfenzucht in Reisfeldern angestellt worden. Leider mußte der schöne galizische Spiegelkarpfen von vornherein davon aus⸗ genommen werden, da er mit seinem Körperbau in den Retsfeldern, die nur 20 cm hoch mit Wasser bedeckt werden, keinen Platz findet. Man mußte demnach Karpfen mit flacherem Rücken und mehr läng⸗ licher Form wählen, wie sie die böhmischen Rassen besitzen. Die jungen Fische wurden für 6 Lire das Tausend gekauft und in das Reisfeld eingesetzt, nachdem die Pflanze gut angewurzelt war. Die Brut, die beim Ankauf nur 30 mg das Stück wog, hatte sich nach einem Vierteljahr auf 150 — 200 g ausgewachsen. Wenn die Felder trocken gelegt werden müssen, läßt man das Wasser langsam ab, damit die Fische Zeit haben, sich an einer tieferen Stelle zu sammeln. Nach der Ernte werden sie dann in ein Winterbecken gebracht, wo sie fast ohne Nahrung bleiben. Im folgenden Sommer haben die Karpfen dann das Gewicht von einem Kilogramm erreicht und sind damit verkaufsfähig. Sie sind dem Reis sogar nützlich, da sie ihn von Unkraut befreien, und außerdem vertilgen sie unzählige Mücken⸗ larven. Die Fläche der Reisfelder in Italien, die für die Karpfen⸗ zucht benutzt werden können, wird auf 150 000 ha geschätzt.
Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonntag,
„Aida“ aufgeführt. Herr Kirchner vom Deutschen Opernhause in Char⸗ lottenburg setzt mit der Rolle des Radames sein auf Engagement ab⸗ zielendes Gastspiel fort, die Arda singt Frau Miekley⸗Kemp, die Amneris: Frau Goetze, den Amonasro: Herr Bronsgeest, den Ramphis: Herr Knüpfer, den König: Herr Bachmann. Dirigent ist der General⸗ musikdirektor Blech. — Am Montag geht, neu einstudiert, „Hänsel und Gretel“ unter der musikalischen Leitung des Generalmusikdirektors Blech und unter der Regie des Herrn Braunschweig in Szene. Die Besetzung lautet: Hänsel: Fräulein Dux; Gretel: Fräulein Engell; die Mutter: Frau von Scheele⸗Müller; der Vater: Herr Bachmann, die Knusperhexe: Fräulein Vilmar; das Sandmännchen: Fräulein Leisner, das Tau⸗ männchen Fräulein Manski. Den Beschluß des Abends bildet das Ballett „Die Puppenfee“ in der bekannten Wiedergabe. “ Königlichen Schauspielhause findet morgen in Ab⸗ hdeesng des Spielplans eine Aufführung des Gustav Freytagschen Lust⸗ spiels „Die Journalisten“ statt. Den Conrad Bolz spielt Heir Clewing, die Adelheid Runeck Fräulein Arnstädt. Die übrigen Hauptrollen liegen in den Händen der Herren Mannstädt, Patry, Böttcher, Werrack, von der Heyden, Stange, Vallentin und der Damen Abich und Thimig. Am Montag wird das Hexysesche Lustspiel „Hans Lange“ aufgeführt. Die Titelrolle spielt Herr Dr. Pohl. Außerdem sind noch die Herren Dr. Krauß, Leffler, Zimmerer, Vollmer, Vallentin, Eggeling und Stange sowie die Damen Poppe, Abich und Heisler beschäftigt.
In der Gethsemanekirche sindet morgen, Sonntag, Abends ; W Mitwirkende sind Fräulet
H. Wenzel (Sopran), Frau K. Meltendorf⸗Klapproth (Alt) und de
Kirchenchor. Der Eintritt kostet 10 ₰.
“
Mannigfaltiges Berlin, 20. Dezember 1913.
„ F. In der Dezemberversammlung der „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimatkunde“ sprach der Redakteur Rudolf Schmidt aus Evberswalde über „Mühlen und Müller in der Mar
Brandenburg“. Einleitend hob der Redner hervor, daß von jeher, solange es Mühlen gegeben, ihnen allüberall ein poetischer Zauber, eine Beziehung zur Kunst beigewohnt hat, die es schmerzlich empfinden lasse, daß allem Anschein nach auch dieser schmückenden Beigabe der Landschaft durch den nüchternen Fortschritt der Technik in naher Zeit das Ende droht
Die Dichter werden darauf gefaßt sein müssen, die „in einem kühlen
Grunde“ am rieselnden Bache gelegene Mühle künftig ebensowenig
mehr zu finden, als das „Liebchen, das dort gewohnet hat“, und die Maler werden in einiger Zeit auch vergeblich nach der reizvollen Umgebung der entzückend zwischen bewaldeten Bergabhängen ein⸗ gebetteten Talmühle suchen, ja selbst die als prächtige Staffage ihrer Landschaften gern aufgenommene Windmühle verschwindet je länger je mehr aus unserem Gelände. Denn es lohnt kaum mehr, die kleinen Wasserkräfte der Waldbäche zu benutzen oder den Wind mit dem Betriebe zweier Mahlsteine zu bemühen, seit die allgegenwärtige Elektrizität ihre Arbeit billiger verrichtet, und gegen die „amerikanische’ Müllerei kann der kleine Wald⸗ und Talmüller nicht mehr aufkommen. Es geht dank dem Beharrungsvermögen der Menschen nur langsam mit diesem sogenannten Fottschritt; aber die