1913 / 305 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Justizministerium.

Dem Landgerichtsrat Dr. Parow in Oppeln und dem Amtsgerichtsrat Diederichs in Opladen ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension erteilt.

Der Amtsrichter Lierau in Margonin ist nach Zoppot und der Staatsanwalt Hardt in Meseritz an die Staatsanwalt⸗ schaft des Landgerichts in Naumburg a. S. versetzt.

In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die Rechts⸗ anwälte: Geheimer Justizrat Dr. Ludwig Adolf von Harnier bei dem Landgericht in Frankfurt a. M., Justizrat Pantzlaff bei dem Oberlandesgericht in Stettin, Justizrat Kaliski bei dem Landgericht in Posen, Dr. Max Liebert und Dr. Wil⸗ helms bei dem Landgericht I in Berlin, Wilhelm Teusch bei den Landgerichten I, II, III in Berlin, Dr. Weinberg bei dem Landgericht in Dortmund, von Zakrzewski bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Gleiwitz, Dr. Höchster bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Elberfeld sowie bei der Kammer für Handelssachen in Barmen und Dr. Skorczewski in Berlin⸗Steglitz bei dem Amtsgericht Berlin⸗ Schöneberg.

Mit 8 Löschung des Rechtsanwalts, Justizrats Kaliski in Posen in der Rechtsanwaltsliste ist zugleich sein Amt als Notar erloschen.

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Rechts⸗ anwälte: Justizrat Pantzlaff vom Oberlandesgericht in Stettin bei dem Amtsgericht daselbst, Dr. Ernst Salinger vom Landgericht III bei dem Landgericht I in Berlin, Goch vom Landgericht II bei dem Landgericht III in Berlin, die Gerichts⸗ assessoren: Hafner bei dem Oberlandesgericht in Frankfurta. M., Dr. Berthold Blumenthal, Fritz Boese, Alfred Grün und Dr. Otto Kampfhenkel bei dem Landgericht I in Berlin, Dr. Hugo Ascher bei dem Landgericht II in Berlin, Dom⸗ browski bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Brauns⸗ berg, Althaus bei dem Amtsgericht in Perlebera, Stanietz bei dem Amtsgericht in Peiskretscham, Dr. Schüler bei dem Amtsgericht in Blumenthal, Dr. Paul Krüger bei dem Amts⸗ gericht in Reinfeld und der frühere Gerichtsassessor Max Blankenburg bei dem Landgericht II in Berlin.

Der Landrichter Baumann in Trier und der Rechts⸗ anwalt und Notar, Justizrat Dr. Philipp Fraenkel in Berlin

sind gestorben.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

n 5 8 2

Ueber die Zuständigkeit des Knappschafts⸗Ober⸗ versicherungsamts in Halle bestimme ich auf Grund des § 63 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung sowie auf Grund des § 61 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung in Ver⸗ bindung mit § 80 des Knappschaftsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachungen vom 17. Juni und 30. Dezember 1912 (Gesetzsamml. 1912 S. 137, 1913 S. 2) folgendes:

I. Reichsgesetzliche Aufgaben auf dem Gebiete

der Krankenversicherung.

Das K. O.V. A. hat für die im Eingang der Bekanntmachung vom 19. Juni 1912 I. 4633, III. 4430 genannten Knappschafts⸗ vereine, soweit sie von dem Königlichen Oberbergamt in Halle be⸗ aufsichtigt werden, sowie für den Knappschaftsverein der Werke am

inowkanal in Messingwerk bei Eberswalde und für den Wernigeröder

nappschaftsverein in Jisenburg die Aufgaben des Oberversicherungs⸗ amts nach §§ 370 375, 1502 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (§§ 20 24 des Knappschaftsgesetzes) wahrzunehmen.

Außerdem entscheidet es im Spruchverfahren an Stelle der

allgemeinen Oberversicherungsämter bei Streit über Ersatzansprüche zwischen den bezeichneten Knappschaftsvereinen untereinander oder zwischen einem dieser Vereine und einem anderen Knapp⸗ schaftsvereim oder einer besonderen Krankenkasse 5 des Knappschaftsgesetzes) nach §§ 219, 220, 222, 500 der Reichs⸗ versicherungsordnung 15 Abs. 1, 2 und 4 des Knappschafts⸗ gesetzes), zwischen den bezeichneten Knappschaftsvereinen und den Arbeitgebern nach §§ 221, 222, 500 Abs. 1 der Reichs⸗ Z“ 15 Abs. 3 und 4 des Knappschafts⸗ gesetzes), den bezeichneten Knappschaftsvereinen und einer Gemeinde oder einem Armenverband nach §§ 1531 1533, 1544 der Reichsversicherungsordnung. II. Angelegenheiten der knappschaftlichen Versicherung.

Dem K. O.V⸗A. obliegt für die unter I bezeichneten Knapp⸗ schaftsvereine die schiedagerichtliche Entscheidung der Streitigkeiten nach § 70 Abs. 2 des Knappschaftsgesetzes in der Fassung der Bekannt⸗ machungen vom 17. Juni und 30. Dezember 1912.

Vorstehende Bestimmungen treten, soweit es sich um Maß⸗ nahmen zur Durchführung der §§ 370 ff. der Reichsversiche⸗ rungsordnung handelt, sofort, im übrigen mit dem 1. Januar

Berlin, den 23. Dezember 1913.

Der Minister für Handel und Gewerbe.

J. V.: Schreiber.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten

Bekanntmachung,

betreffend Aenderungen bei den Eisenbahn⸗ werkstättenämtern.

Am 1. Januar 1914 wird im Bezirk der Königlichen Eisenbahndirektion in Essen (Ruhr) ein neues Eisenbahnwerk⸗ stättenamt in Wedau errichtet.

Das zum Bezirk der Königlichen Eisenbahndirektion in Halle (Saale) gehörige Eisenbahnwerkstättenamt Hoyerswerda erhält mit dem 1. Januar 1914 die Bezeichnung Eisenbahn⸗ Werkstätten⸗-Nebenamt Hoyerswerda. 8

Berlin, den 22. Dezember 1913.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten.

von Breitenbach.

Finanzministerium.

Dem Wirklichen Geheimen Oberfinanzrat Wolffram ist die Stelle eines Dirigenten bei der Abteilung für die Ver⸗ waltung der Fölle und indirekten Steuern im Finanzministerium verliehen worden.

Das Katasteramt Kattowitz im Regierungsbezirk Oppeln ist zu besetzen.

Hauptverwaltung der Staatsschulden.

Bei der Hauptverwaltung der Staatsschulden ist der Kassen⸗ sekretär Hautz zum Buchhalter ernannt worden.

Bekanntmachung. 1 Die im Jahre 1894 geborenen und die älteren jungen Männer, über deren Mllitärverhältnis noch keine endgültige Entscheidung getroffen ist, haben sich zur Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle in der Zeit vom 2. bis 15. Ja⸗ nuar 1914 von Vormittags 8 bis Nachmittags 7 Uhr (Sonn⸗ tags nur Vormittags) im Geschäftsraum ihres Polizeireviers persönlich zu melden und ihre Geburts⸗ oder Losungsscheine usw. mitzubringen. Vorübergehend abwesende Militärpflichtige sind von ihren Eltern, Vormündern, Lehr⸗, Brot⸗ oder Fabrikherren anzumelden. Wer die Anmeldung versäumt, wird mit einer Geldstrafe bis zu 30 oder mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft. Anträge auf Zurückstellung oder Befreiung von der Aus⸗ hebung sind vor dem Musterungsgeschäft, späteste is aber im Musterungstermin anzubringen. 8 Berlin, den 20. Dezember 1913. Die Ersatzkommissionen der Aushebungsbezirke Berlin. 1 Frommel.

. Errichtungsurkunde Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten und des Evangelischen Ober⸗ kirchenrats sowie nach Anhörung der Beteiligten wird von den unterzeichneten Behörden folgendes festgesetzt:

§ 1. In der evangelischen Luisen⸗Kirchengemeinde in Char⸗ lottenburg, Diözese Friedrichswerder II, wird eine siebente Pfarrstelle errichtet. 82

Diese Urkunde tritt mit dem 1. Januar 1914 in Kraft. Berlin, den 12. Dezember 1913. Berlin, den 16. Dezember 1913. (L. S.) (L. S.) Königliches Konsistorium Der der Provinz Brandenburg, Königliche Polizeipräsident. Abteilung Berlin. von Jagow. Steinhausen.

1 Bekanntmachung.

Den Markscheidern Franz Uhde zu Helmstedt, Kurt Stephan zu Bad Salzbrunn und Diplombergingenieur Georg Goepfert zu Biala⸗Lipnik (Galizien) ist von heute ab die Befugnis zur selbständigen Verrichtung von Markscheider⸗ arbeiten für den Umfang des preußischen Staats erteilt worden. b ABrreslau, den 23. Dezember 1913. Königliches Oberbergamt.

Schmeißer.

Bekanntmachung. 8 Das durch Bekanntmachung vom 28. Juli d. J. für das Jahr 1914 ausgeschriebene Stipendium der Adolf Ginsberg⸗ Stiftung ist durch Beschluß des Kuratoriums dieser Stiftung in Höhe von 2000 an den Studierenden, Maler Erich Mäüller aus Berlin verliehen worden. Charlottenburg, den 29. Dezember 1913. Der Vorsitzende des Kuratoriums der Adolf Ginsberg⸗Stiftung. J. V.: J. Ehrentraut, Professor.

Abgereist: Seeiine Erzellenz der Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklicher Geheimer Rat Dr. Solf mit kurzem Urlaub.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. Dezember 1913. Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des

Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rates

von Valentiniu. v“

Diejenigen Persönlichkeiten, die Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Glückwünsche zum Neuen Jahre darzubringen beabsichtigen, werden ersucht, ihre Karten im Laufe des. 31. Dezember d. J. bei Ihrer Exzellenz der Frau Oberyofmeisterin Gräfin von Brockdorff im Einschreibzimmer

des Königlichen Schlosses zu Berlin vom Lustgarten aus im Portal IV links und in Potsdam am 1. Januar 1914 in der Zeit von 10 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nach⸗ mittags im Königlichen Stadtschlosse daselbst, im Aufgange zur früheren Wohnung Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, abzugeben.

Das Abkommen zwischen der Organisation der Aerzte und der Krankenkassen, über das am 24. Dezember be⸗ richtet ist, sieht verschiedene Maßnahmen vor, bei denen auf eine Mitwirkung der Landesregierung gerechnet wird. Wie „W. T. B.“ meldet, ist die dieserhalb vorbehaltene Zustimmung nunmehr von der Königlich preußischen Regierung bereits aus⸗ gesprochen worden.

In Leipzig traten, wie hiesige Blätter melden, gestern vormittag Vertrauensmänner und Beirat des Leipziger wirt⸗ schaftlichen Verbandes mit dem Vorstand des Verbandes und dem des deutschen Aerztevereinsbundes zusammen, um zu dem Abkommen zwischen den Vertretern der Aerzte und der Krankenkassenverbände endgültig Stellung zu nehmen. Das Ergebnis der Beratung war die Annahme des Ab⸗ kommens mit geringer Mehrheit. L“

In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ ist eine G enehmigungsurku nde, betreffend eine Anleihe der Stadt Frankfurt a. Main, veröffentlicht.

Braunschweig. 8 Heute mittag ist Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, wie „W. T. B.“ meldet, zu kurzem Besuche in Braunschweig eingetroffen und von Ihren Königlichen Hoheiten dem Herzog und der Herzogin auf dem Bahn⸗ hof empfangen worden. Die Abreise Ihrer Majestät erfolgt

heute abend gegen 8 Uhr.

Oesterreich⸗Ungatn.

Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht zwei Allerhöchste

Handschreiben, durch die der Minister von Dlugosz unter Würdigung der von ihm geleisteten Dienste vom Amte eines Ministers enthoben und der Sektionschef des österreichischen Finanzministeriums, Freiherr Engel von Mainfelden bis mit der Leitung des Finanzministeriums betraut wird.

In der vorgestrigen Schlußsitzung der Ungarischen Delegation wurde die Uebereinstimmung der Beschlüsse der beiden Delegationen festgestellt. Der Minister des Aeußern Graf Berchtold übermittelte der Delegation den Dank und die Anerkennung des Königs für die seitens der Delegation be⸗ kundete Hingebung und Opferfreudigkeit und sprach hierauf im Namen der gemeinsamen Minister den wärmsten Dank für das ihnen entgegengebrachte Vertrauen aus. Mit begeistert auf⸗ genommenen Hochrufen auf den König schloß der Präsident die Sitzung.

Unter Entfaltung des üblichen Gepränges ist vorgestern der neugewählte kroatische Landtag mittels Königlichen Reskripts, das u. a. das Gesetz über die Regelung des Aus⸗ wanderungswesens ankündigt, durch den Banus Baron Skerlecz eröffnet worden. Ueber den Verlauf der Sitzung berichtet das „W. T. B.“ wie folgt:

Nach den Eröffnungsformalitäten kam es zu stürmischen Szenen. Der Alterspräsident Mileusnicz (Ovppositionell) beraumte die nächste Sitzung für Montag an, die Mehrbeit wünschte dagegen, daß am Nachmittag eine neue Sitzung stattfinde zum Zwecke der Wahl des Präsidiums. Als Mileusnicz die Anberaumung der nächsten Sitzung für Montag erneut ankündigte, rief die Mehrheit: „Gehen Sie von der Präsidentenestrade, dorthin gehört Tuskan“. Hierauf verließ Mileusnicz seinen Platz, den der Regierungsparteiler Tuskan, der der zweitälteste der Landtagsmitglieder ist, bestieg. Tuskan verkündete dann, daß die nächste Sitzung Nachmittags 2 Uhr stattfinden solle. Zwei Oppositionelle stürzten sich auf Tuskan und wollten ihm den Stuhl wegziehen. Die Regierungsparteiler suchten Tuskan zu schützen, es kam zum Handgemenge und Tumult. Plötzlich erschien Mileusnicz wieder auf der Tribüne und erklärte, es bleibe dabei, daß die nächste Sitzung am Montag stattfinde. Unter Protest⸗ rufen der Rechten und unter Lärm wurde die Sitzung geschlossen.

Am Nachmittag fand sich der Alterspräsident Mileusnicz noch vor der für den Beginn der Sitzung anberaumten Stunde ein und nahm auf dem Präsidentensitz Platz. Er eröffnete jedoch die Sitzung nicht, sondern unterhielt sich mit seinen Freunden. Inzwischen hatte sich das Haus versammelt, doch der Präsident blieb unerschütterlich. So war die Lage bis 7 ½ Uhr. Zu dieser Zeit war die Mehrheit voll⸗ zählig im Saale und ein Onästor forderte Mileusnicz auf, den Präsioenten⸗ sitz zu verlassen, da er sich weigere, seinen Funktionen als Vorsitzender zu entsprechen und die Sitzung zu eröffnen. Der Banus Baron Skerlecz erschien von Zeit zu Zeit im Saale, um zu sehen, wie sich die Lage entwickle. Mileusnichz weigerte sich, der Aufforderung des Quästors nachzukommen, und erklärte, er bleibe auf seinem Platze. Der Quästor hegab sich nun direkt auf die Präsidentenestrade und er⸗ klärte, da der bisherige Vorsitzende seinen Funktionen nicht nachkomme, werde der Abg. Tuskan (Regierungsparteiler) als zweitältestes Landtags⸗ mitglied aufgefordert, den Vorsitz zu übernehmen. Die Opposition, namentlich die Starceviepartei, begleitete diese Erklärung mit tosendem Lärm. Mehrere Abgeordnete eilten zur Estrade und riefen in den Saal: Wir lassen Mileusnicz von hier nicht fort, denn er ist unser Präsident. Trotz des ungeheuren Lärms, der fast eine Stunde an⸗ dauerte, konnte es die Opposition nicht verhindern, daß Tuskan den Vorsitz übernahm und, wäahrend Mileusnicz auch weiterhin auf dem Präsidentenstuhl verblieb, vor diesem stehend und von sämtlichen Abgeordneten der Mehrheit stürmisch begrüßt, die Erklärung abgab, daß er den Vorsitz ubernommen habe und nunmehr zur Verlesung der Berichte des Wahlprüfungsausschusses geschritten werde. Die ein⸗ elnen Referenten ernalteten in dem ungeheuren Lärm ihre Herichte, die unter lautem Beifall und Händeklatschen der Mehrheit und tosendem Lärm der Opposition zur Kenntnis genommen wurden. Sämtliche eingereichten Mandate wurden für gültig erklärt, mit Ausnahme von vieren, die als strittig bezeichnet wurden. Während die Abgeordneten der Mehrheit den Referenten des Wahlprüfungsausschusses Beifall spendeten, ergingen sich die Mit⸗ glieder der Starcevicpartet in Schmähungen gegenüber der Mehrheit. Schließlich erklärte der Alterspräsident Tuskan, daß die Sitzung bis auf weiteres unterbrochen sei. Die Mitglieder der kroatisch⸗ serbischen Koalition zogen sich zu einer Konferenz in ihre Klubräume zurück. Die Starceviepartei blieb im Saale. Nach 9 Uhr wurde die Sitzung durch den Altersprasidenten Tuskan wieder eröffnet. Mileusnicz rührte sich nicht vom Präsidentensitz. Die Opposition setzte neuerlich mit Lärm ein. Der Alters⸗ präsident Tuskan erteilte dem Regierungsparteiler Dr. Duschan Popowitsch das Wort, der zu sprechen begenn, doch war er in dem allgemeinen Lärm vollkommen unver⸗ ständlich. Um 11 Uhr machten sich bei der Ovpposition Zeichen der Ermüdung bemerkbar, und der Lärm e nachzulassen. Schließlich konnte sich der Abg. Duschan Popowitsch wieder verständlich machen und er hielt seine Rede, in der er den Standpunkt der Regierungspartei bei den Abmachungen mit dem Ministerpräsidenten Grafen Stefan Tisza verteidigte. Der Redner sprach bis 12 ½ Uhr, worauf die Sttzung unterbrochen wurde. Um 2 Uhr Nachts wurde untec ohrenbetäubendem Lärm von seiten der Opposition die Konstituierung vorgenommen. Zum Präsidenten wurde Bogdan Medakowitsch gewählt, der auch in den zwei letzten Landtagen präsidiert hat. Nach der Wahl des Präsidenten hörte die Opposition mit dem Lärm auf, da jetzt die strenge Ge⸗ schäftsordnung in Kraft war. Um 3 Uhr früh wurde die Sitzung geschlossen.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg⸗Schwerin sind mittels Sonderzuges gestern mittag in Gmunden ein⸗ getroffen und am Bahnhofe von Ihren Königlichen Hoheiten dem Herzog und der Herzogin von Cumber⸗

land mit der Prinzessin Olga empfangen worden.

11““ 8 Frankreich. Der Ministerrat hat in einer vorgestern unter dem Vorsitz des Präsidenten abgehaltenen Sitzung beschlossen, in Würdigung der Führung der gelegentlich der Einbehaltung ihres Jahrganges wegen Insubordination bestraften Soldaten eine Anzahl von Erleichterungen eintreten zu lassen.

Der Senat beriet in der vorgestrigen Sitzung den Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung der Gehälter der Offiziere und Unteroffiziere. Wie „W. T. B.“ berichtet, brachte der Senator Bérard einen Abänderungsvorschlag ein, der die Bestimmung wieder einführen wollte, die von der

Kammer angenommen, von der Senatskommission aber ab⸗

gelehnt worden war und die die Generale von der Wohltat des Gesetzes ausschließt. Der Ministerpräsident Doumergue und der Kriegsminister Noulens bekämpften den Abände⸗ rungsvorschlag, weil er die Annahme des Gesetzes ver⸗ zögern würde, da es an die Kammer zurückgehen müßte. Der Senat lehnte darauf den Bérardschen Vorschlag mit 153 gegen 112 Stimmen ab. Der Gesetzentwurf wurde sodann im ganzen einstimmig mit 293 Stimmen angenommen. Hierauf trat der Senat in die Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die provisorischen beihen S ein.

ordnung zu bezeichnen sei.

Der Senator Ribot übte heftige Kritik an der finanziellen age, von der er sagte, da sie mit einem einzigen Wort als Un⸗ r verlangte sodann von der Regierung, daß sie den Schlendrian der jetzigen Verwaltung hindere, die fort⸗ fahre, Ausgaben zu machen, ohne dazu berechtigt zu sein. Er glaube, daß die Änleihe nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden könne. Er hoffe, daß kein Zwischenfall in der äußeren Politik eintreten werde. Europa set gewiß fiiedlich gesinnt. Die gegenwärtige Lage des Schatzes dürfe jedoch nicht länger dauern. Er halte es nicht für möglich, so schnell eine Steuer auf das Vermögen zu bewilligen, wie in Deutschland, wo bereits eine Vermögenssteuer bestehe und wo die Steuerzahler an ein streng kontrolliertes Steuererklärungssystem gewöhnt seien. Ribot warf Caillaux vor, daß er mehr Parteiführer als Finanzminister sei. Er verurteilte sodann die heftigen persönlichen Kämpfe, denn über den Parteien stehe die Republik Frankreich. Darauf schilderte der Finanz⸗ minister Caillaux die finanzielle Lage und wies nach, daß ein Defizit von 794 Millionen bestehe. Das Budget für 1915 würde ein Defizit von 450 Millionen aufweisen, nicht eingerechnet die Ausgaben für Marokko. Die außerordentlichen militärischen Ausgaben würden die Voranschläge überschreiten, die Ausgaben zur Verstärkung der Rüstungen, die nach dem ersten Entwurf auf 420 Millionen be⸗ rechnet waren, würden auf 920 Milltonen sich belaufen. Ferner erinnerte der Minister an die noch ausstehenden Ausgaben zur Ausführung des Dreijahresgesetzes und für die Marine. Eine Liquidationsanleche sei unvermeidlich. Die Regierung wolle eine solche mit kurzfristiger Amor⸗ tisation aufnehmen und das Anleihegesetz nach Aufstellung des Pro⸗ gramms für die Ausgaben einbringen. Man müsse zu einem regel⸗ rechten Budget zurückkehren, um ernste Unzuträglichkeiten für die Zu⸗ kunft zu vermeiden. Die Regierung sti beschäftigt, ein Programm für die notwendigen Ausgaben aufzustellen. Man müsse einer neuen Belastung von 600 Millionen ins Aug sehen. Die Einkommen⸗ steuer werde 100 Millionen ergeben. Für den Rest müsse man die ersten Opfer von den günstig gestellten Klassen verlaagen. Er erinnere daran, daß man in Deutschland nicht gezögert habe, eine schwere Steuer besonders den wohlhabenden Klassen aufzuerlegen. Die Re⸗ gierung werde verlangen, daß zuerst das Programm für die außer⸗ ordentlichen Ausgaben genehmigt werde, weiterhin die unvermeidlichen Steuern erörtert würden und endlich die erforderliche L quidations⸗ anleihe geprüft werde. Die Regierung zähle dabei auf den Senat, der stets den Finanzen des Landes seine Aufmerksamkeit geschenkt habe und es verstehe, daß der Kredit Frankreichs eine der ersten dingungen für seine Größe sei. Die Verhandlung wurde sodann auf heute vertagt.

Die Deputiertenkammer nahm in der vor⸗

gestrigen Sitzung obiger Quelle zufolge ohne Debatte einen

Initiativgesetzentwurf, dem die Regierung zugestimmt hatte, an, in dem diese aufgefordert wird, der Frage der Herstellung eines Einvernehmens mit den Nachbarstaaten näher zu treten zwecks Schaffung internationaler Bestimmungen auf dem

Gebiete des Wasserwesens, besonders in Bezug auf die

Landbewässerung, die Nutzung von Wasserkräften zur Elek⸗ trizitätserzeugung und die Schiffahrt.

Auf einem zu Ehren des Handelsministers Malvy ge⸗ gebenen Bankett in Lyon erklärte der Präsident der dortigen Handelskammer, daß die Kaufleute bereit seien, den auf sie ent⸗ fallenden gerechten Anteil der neuen Steuern zu übernehmen, vorausgesetzt, daß dabei das Geschäftsgeheimnis gewahrt werde. Der Handelsminister Malvy erwiderte, wie „W. T. B.“ meldet, er könne die Kaufleute hierüber beruhigen. Die Regie rung wolle durch die Einkommensteuer, die an Stelle der gegenwärtigen direkten Steuern treten solle, nur eine bessere Verteilung der öffentlichen Lasten und das Gleichgewicht im Staatshaushalt erzielen. Aber bei der Einführung der neuen Steuern werde die Regierung dafür Sorge tragen, daß die Freiheit des Handels nicht gestört, das Geschäftsgeheimnis nicht verletzt und der Kredit der Kaufleute nicht gefährdet werde.

Türkei. Vorgestern ist eine Irade veröffentlicht worden, durch welches der frühere Beirat des Justizministeriums Graf

Ostrorug, ein französischer Advokat polnischer Abkunft, zum Ersten Rechtsbeirat bei der Hohen Pforte ernannt wirrd.s

Griechenland.

Von den durch die Reorganisation des Heeres ge⸗ schaffenen fünf Armeekorps, die sich aus fünfzehn Divisionen von zusammen 45 Regimentern Infanterie ohne Evzonen zusammensetzen, werden laut Meldung des „W. T. B.“ zwei Armeekorps in Mazedonien, eins in Epirus, eins in Athen und eins in Larissa aufgestellt werden. Von dem letztgenannten Korps werden eine Division in Larissa selbst und zwei in Süd⸗ mazedonien stehen:; eine Division wird auf Kreta und die anderen ägäischen Inseln verteilt werden.

8 ““

Rumänien. Die Königin Elisabeth, die heute ihr 70. Lebensjahr vollendet, empfing, wie „W. T. B.“ meldet, am Vormittag den österreichisch⸗ungarischen Gesandten Grafen von Czernin in Audienz, der ihr das zum 70. Geburtstag vom Kaiser Franz Joseph verliehene Großkreuz des Elisabethordens und ein Glück⸗ wunschschreiben des Kaisers überreichte. Sodann empfing die Königin in Anwesenheit des Grafen Czernin und des deutschen Gesandten Dr. von Waldthausen, der Vertreter der beiden Schutzmächte der evangelischen Kirchengemeinde, den Vorstand dieser Gemeinde sowie Vertreter des männlichen und weib⸗ lichen Lehrkörpers der deutschen Schulen. Ein deutscher Knaben⸗ und Mädchenchor und ein Schülerorchester brachten der Königin ein Ständchen dar, worauf der Präsi⸗ dent der Kirchengemeinde der Königin eine Adresse über⸗ reichte, in der ihr mitgeteilt wird, daß die Kirchengemeinde eine Stiftung mit dem Namen „Königin Elisabeth⸗Stiftung“ gegründet hat, deren Erträgnis für eine dauernde Freistelle am Mädchenpensionat der evangelischen Gemeinde bestimmt ist. Sodann folgte unter Führung des Protektors Grafen Czernin das Präsidium des österreichisch⸗ ungarischen Hilfs⸗ vereins, dessen Präsident Freiherr von Bornemisza der Königin eine Adresse überreichte, in der mitgeteilt wird, daß der Verein zum Geburtstag der Königin eine Stiftung errichtet hat, deren aus einem Kapital von 20 000 Kronen sich ergebende Zinsen zur Unterstützung von Armen jeder Kon⸗ fession bestimmt sind. Am Nachmittag fand ein feierlicher Gottesdienst in der evangelischen Kirche statt, dem der deutsche und der österreichisch⸗ungarische Gesandte, die Herren der beiden Gesandtschaften und Konsulate sowie die Mitglieder der beiden Kolonien beiwohnten.

STerbien. Der Ministerpräsident Paschitsch erstattete vorgestern vor⸗ mittag dem König Bericht über den Verlauf der letzten Sitzung der Skupschtina und unterbreitete hierbei, wie „W. T. B.“ meldet, die Demission des gesamten Kabinetts. Der König nahm sedoch die Demission nicht an, versicherte vielmehr en Ministerpräsidenten seines vollen Vertrauens

In einer Nachmittags abgehaltenen Sitzung der Regierungs⸗ partei erstattete der Ministerpräsident ein ausführliches Shele. worin er insbesondere die ernste auswärtige Lage

ilderte.

Der Ministerpräsident leate dar, daß der serbisch⸗türkische Friede noch nicht abgeschlossen, die Orienthahnfrage noch ungelöst und die orthodoxe sowie die katholische Kirchenfrage noch nicht geregelt seien. Ebenso sei weder die serbisch⸗griechische Grenze, noch die serbisch⸗ albanesische Grenze vollkommen reguliert. In finanzieller Hinsicht müsse zunächst die Deckung des diesjährigen Defizits von 30 Millionen gesucht und die Herstellung des Gleichgewichts im nächstjährigen Budget angestrebt werden. Schließlich müßten die Geldmittel für die Invalidenversorgung beschafft werden. Besondere Sorge erwecke die allgemeine internationale Lage, die Serbien zwinge, etwaigen Er⸗ eignissen schlagfertig begegnen zu können.

Nach der Rede des Ministerpräsidenten entwickelte sich eine lebhafte Debatte, in der die Redner der Regierung das Ver⸗ trauen aussprachen und den Wunsch äußerten, die Regierung möge auch weiter im Amte bleiben und erforderlichenfalls ein Einvernehmen mit den Jungradikalen anstreben.

Bulgarien.

Die bulgarische Regierung hat die Zustimmung für den serbischen Gesandten Tscholakantitsch und die serbische Re⸗ gierung die Zustimmung für den bulgarischen Gesandten Tschaprachikow erteilt.

Die Sobranje ist auf Donnerstag einberufen worden.

Amerika.

Das Schatzamt der Vereinigten Staaten von Amerika hat, wie „W. T. B.“ meldet, eine am 1. Januar 1914 in Wirk⸗ samkeit tretende Verfügung erlassen, wonach für Weizenmehl, Erbsen, Splißerbsen, die aus Deutschland unmittelbar oder mittelbar zur Einfuhr in die Vereinigten Staaten gelangen und für die bei der Ausfuhr aus Deutschland Einfuhrscheine erteilt worden sind, Zuschlagzölle zu erheben sind. Die Ver⸗ fügung findet keine Anwendung auf Artikel, die nicht deutscher Herkunft oder aus nicht deutschem Rohmaterial hergestellt sind und die ohne Erhebung oder unter Rückerstattung der deutschen Zollgefälle im Veredlungsverkehr aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten ausgeführt werden. Zwecks Durchführung der Verfügung sollen die amerikanischen Konsularbeamten in Deutschland Weisung erhalten, bei der Ausfuhr der in Frage kommenden Artikel die Vorlage von Ursprungszeugnissen ꝛc. zu fordern, die den Konsularfakturen beizufügen sind.

Die mexikanische Regierung hat, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge, ihren Vertreter in Washington beauftragt, bei dem Staatsdepartement gegen die Unterstützung Einspruch zu erheben, die die Amerikaner den Rebellen in Tampico und Mazatlan geleistet haben.

Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche aus Guayaquil zufolge haben die Regierungstruppen vor⸗

gestern vierhundert Rebellen in der Provinz Carchi zurück⸗

geworfen. Die Rebellen hatten große Verluste.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ haben Ein⸗ geborene am Freitag voriger Woche erneut auf den an der afrikanischen Küste gestrandeten englischen Dampfer „Ludgate“ Schüsse abgegeben. Der spanische Kreuzer „Pelayo“, der in der Nähe kreuzte, richtete sofort seine Schein⸗ werfer auf die Küste und sandte vierzig Seesoldaten mit Maschinengewehren an Bord der „Ludgate“. Die Seesoldaten feuerten auf die Eingeborenen, die daraufhin in die Berge flohen. An Bord der „Ludgate“ wurde niemand verwundet; die Verluste der Eingeborenen sind unbekannt. Kriegsschiffe bewachen das gestrandete Schiff, an dem die Bergungsarbeiten fortgesetzt werden. Einer Meldung vom gestrigen Tage zufolge ist der Dampfer wieder flott gemacht und in den Hafen von Gibraltar eingeschleppt worden.

Der Tod Menelliks hat bis jetzt in Abessinien keine Unruhen hervorgerufen. Der „Tribuna“ zufolge liegt die Re⸗ gierung in Wirklichkeit in den Händen des Ras Michael, des Vaters des Thronerben Lidsch Jeassu. Die in der Hauptstadt versammelten Führer haben den Regierungswechsel mit Ruhe und Vertrauen aufgenommen. Den Führern der Bevölkerung in der Landschaft Tigreh wurde verboten, ihr Gebiet zu ver⸗ lassen. Dieses Verbot ist gegen Ras Olie, den Bruder der Kaiserin Taitu gerichtet, von dem befürchtet wird, daß er gegen Ras Michael eine unfreundliche Haltung einnehmen könnte.

Ras Michael ordnete für alle Fälle die ammangiähüng

größerer Truppenmassen an der Grenze von Tigreh an.

Koloniales.

Zu der in Nr. 301 des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ vom 22. d. M. wiedergegebenen Nachricht von der Ermordung des Oberförsters Deininger und eines anderen deutschen Ge⸗ lehrten sowie der 14 eingeborenen Begleiter durch Kannibalen auf Neumecklenburg (Deutsch Neuguinea) telegraphiert der Norddeutsche Lloyd dem Reichskolonialamt, wie „W. T. B.“ berichtet, daß der ermordete deutsche Be⸗ gleiter des Oberförsters Deininger der Forstassessor Kempf gewesen sei. Eine amtliche Bestätigung der Richtigkeit dieser Meldung liegt noch nicht vor. Unmittelbar nach dem Eingang der ersten Nachricht von der Ermordung Deiningers ist vom Reichskolonialamt beim Gouvernement telegraphisch angefragt worden. Der Norddeutsche Lloyd hat seine Nachricht durch ein Telegramm des Kapitäns vom Lloyd⸗ dampfer „Prinz Waldemar“ erhalten, der wiederum als seinen Gewährsmann den Landungsinspektor Genten in Rabaul nam⸗ haft macht. Der Forstassessor Kempf war erst vor kurzem aus dem bayerischen Forstdienst in den Kolonialdienst übergetreten. Er sollte jetzt vom Oberförster Deininger, der schon auf eine mehr⸗ jährige Tätigkeit in den Tropen z rückblickt, in sein neues

Arbeitsgebiet eingeführt werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Ueber die Rücklagen bei den Berufsgenossen⸗ schaften wird in der dem Reichstage zugegangenen Denk⸗ schrift ausgeführt:

Der Entwurf der Reichsversich rungsordnung hielt an dem Grundgedanken der Ansammlung fest, milderte aber für die Berufs⸗ genossenschaften, die bereits erhebliche Rücklagen angesammelt hatten, die Bestimmungen dahin, daß die nach Ablauf der ersten elf Jahre zu erhebenden Zuschläge der angesammelten Rücklage an⸗

epaßt werden können, indem lediglich das Ziel der An⸗

fammlung, naͤmlich das Hreifache der Entschädigungssumme, die im Jahre des letzten Zuschlags zu zahlen ist, festgelegt wurde. In besonderen Fällen kann die Frist, in der die Ansammlung erfolgen soll, um höchstens zehn Jahre verlängert werden. Die Berechnungen, die zu den im Entwurfe der Reichsversicherungsordnung vorgeschagenen Bestimmungen geführt haben, sind bei den Beratungen im Reichstag und auch in Preßäußerungen beanstandet worden. Die geltend ge⸗ machten Bedenken fuhrten dazu, die vorgeschlagenen Bestimmungen zwar anzunehmen, sie aber alsbald einer erneuten Prüfung unterziehen zu lassen. Zu diesem Zwecke haben im Reichsamt des Innern unter Zuziehung von Mitgliedern des Reichstags, Vertretern der ge⸗ werblichen Berufsgenossenschaften und mathematischen Sach⸗ verständigen Verhandlungen stattgefunden, die zu dem Er⸗ gebnis führten, daß die Erfahrungen über die Weiter⸗ zahlung der erstmalig festgesetzten Entschädigungen als eine geeignete Grundlage für Berechnungen über die Höhe der Belastung der ge⸗ werblichen Berufsgenossenschaften angesehen werden können und auf neue statistische Erhebungen im Hinblick auf die kurze zur Verfügung stehende Zeit verzichtet werden müsse. Die Prüfung ist durch neue Untersuchungen erfolgt, die sich, wie es von vornherein beabsichtigt gewesen ist, lediglich mit den Rücklagen der gewerblichen Berufs⸗ genossenschaffen befassen, von denen jedoch die Tiefbau⸗Berufs⸗ Fe ausscheidet, weil sie ihre Belastung nach anderen Grund⸗ sätzen deckt.

Die Notwendigkeit einer Rücklage für die gewerblichen Berufs⸗ genossenschaften ist allseitig anerkannt worden, nur wird die Höhe, bis zu welcher die Ansammlung erfolgen soll, bestritten. Die Rück⸗ lage ist in erster Reihe dazu bestimmt, eine teilweise Deckung der entstandenen Ansprüche auf die Leistungen der Unfallversicherung zu bieten. Es liegt auf der Hand, daß sie diesen Zweck um so besser erfüllen kann, je höher der Betrag ist, bis zu dem die Rücklage an⸗

esammelt wurde. Die Umlagen der einzelnen Jahre schwanken bei ast allen Berufsgenossenschaften noch zu sehr, als das man eine gesetz⸗ mäßige Weiterentwicklung erkennen könnte. Der Eintritt des Beharrungszustandes, in dem das Verhältnis zwischen Entschädigungs⸗ zahlungen und Lohnsummen im wesentlichen sich nicht mehr ändert, scheint in weiter Ferne zu liegen. Dagegen ist beil rund einem Drittel der Berufsgenossenschaften bereits der Fall eingetreten, daß der Beitrag nach dem Kapitaldeckungsverfahren niedriger ist als nach dem Umlageverfahren, und es ist anzunehmen, daß in absehbarer Zeit dieser Fall auch für die übrigen Berufsgenossenschaften eintritt. Dann würde also die in der finanziellen Begründung zum Entwurfe der Reichsversicherungsordnung mehrfach erwähnte Möglichkeit eintreten, daß private Versicherunge unternehmungen die gleichen Leistungen zu niedrigeren Beiträgen gewähren können, als die Berufs⸗ genossenschaftee. Es ist deshalb zu erstreben, daß den finanziellen Nachteilen, welchen die Berufsgenossenschaften durch das Umlageverfahren teils schon ausgesetzt sind, teils ausgesetzt werden, dadurch begegnet wird, daß ein möglichst großer Teil der erforderlichen Entschädigungszahlungen aus zurückgestellten Deckungsmitteln entnommen werden kann. Eine Begründung dafür, ob das Doppelte der Entschädigungszahlungen oder das Hreifache oder ein anderes Vielfach s ausreicht, um die Umlagebeiträge auf einer tunlichst gleichmäßigen Höbe zu erhalten, läßt sich aus dem bisher vorliegenden Beobachtungsstoffe nicht ableiten. Die Ergebnisse über das Verhältnis der Rücklagen zum Deckungskapital der Ent⸗ schädigungszahlungen des Jahres 1912 lassen aber erkennen, wie gering die angesammelte Deckung bei der größten Zahl der Berufsgenossenschaften gegenwärttg ist. Vergleicht man die Entschädigungssumme des Jahres 1912 für sämtliche in Betracht kommenden Berufsgenossenschaften mit dem Deckungskapital, das für diese Entschädigungezahlungen errechnet ist, so ergibt sich, daß durchschnittlich das 10,9 fache der Ent⸗ schädigungszablungen dem Deckungskapital für diese Entschädigungen enispricht. Die finanzielle Begründung zur Reichsversicherungsordnung errechnete das Deckungskapital für die von allen gewerblichen Berufs⸗ genossenschaften gezahlten Entschädigungen nach den Erfahrungen des Jahres 1907 zum 10 8 fachen der Entschädigungszahlungen. Danach deckt eine Rücklage in der im § 743 der Reichsversicherungsordnung bestimmten Höhe des Dreifachen der Entschädigungssumme, für den Hrech chgttt der Berufsgenossenschaften nur etwa ein Drittel der ntschädigungspflichten. Bei einzelnen Berufsgenossenschaften wird eine Rücklage in Höhe des Dreifachen der Entschädigungszahlungen nur ein Viertel oder ein Fünftel der Entschädigungsvpflichten decken. Es kann demnach nicht empfohlen werden, die im § 743 gezogene Grenze herabzusetzen. Die Grenze, die im § 744 gezogen ist, wird wohl nur in Ausnahmefällen erreicht werden.

Für neuerrichtete Berufsgenossenschaften bietet die Bestimmung im § 742 die Möglichkeit zu einer beschleunigten Ansammlung einer Rücklage. Allerdings führt die Bemessung der Zuschläge nach den Entschädigungszahlungen zu einer sehr ungleichmäßigen Entwicklung. Anfänglich hohe Entschädigungen führen zur Ansammlung hoher Rücklagen und bringen eine Berufsgenossenschaft, bei der die Unfall⸗ lasten im Anfang hoch sind, in Vorteil gegenüber Berufsgenossen⸗ schaften mit anfänglich niedrigen Entschädigungspflichten. Gerade diese Bemessung der Rücklage nach den Entschädigungszahlungen der ersten eif Jahre hat zu der verschiedenartigen Höhe der Rück⸗ lagen der oben untersuchten Berufsgenossenschaften geführt und dann zu Klagen über das ungleiche Maß der weiter an die Rücklage ab⸗ zuführenden Beträge. Die nach Ablauf der ersten elf Jahre vor⸗ gesehene weitere Stärkung der Ruücklage läßt sich nach den Vorschriften des § 743 den besonderen Verhältnissen der einzelnen Berufsgenossen⸗ schaft entsprechend regeln. Die Mehrzahl der Berufsgenossenschaften wird das Ziel ohne Schwierigkeit erreichen; wo besonders hohe Zu⸗ schläge nötig werden, kann das Reichsversicherungsamt helfend eingreifen. Wenn dann noch, wie es in den letzten Jahren der Fall war, günstige Lohnverhältnisse obwalten, kann selbst eine außergewöhnlich hohe Mehrbelastung durch die Zuschläge zur Rück⸗ lage, wie sie der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektro⸗ technik im Jahre 1912 auferlegt wurden, mühelos getragen werden. In Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs wird allerdings die Belastung aus den Zuschlägen zur Rücklage unter Umständen drückend empfunden; dann aber kann das Reichsversicherungsamt in Anwendung des § 746 es zulassen, das Kapiltal der Rücklage anzugreifen.

Hiernach sehen die verbündeten Regierungen keinen Anlaß, eine Aenderung der Reichsversicherungsordnung vorzuschlagen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung. Heute, Montag, beginnt in Graz und in der ganzen Steier⸗ mark, wie die „Frkf. Ztg.“ meldet, der Ausstand der Setzer. Alle bürgerlichen Zeitungen stellen ihr Erscheinen ein. In Le Havre haben, wie „W. T. B. erfährt, die ausständigen Hafenarbeiter am Sonnabend beschlossen, am heutigen Montag die Arbeit wieder aufzunehmen.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Der kürzlich verstorbene Privatier Gustav Schmey hat, wie „W. T. B.“ meldet, sein Vermögen in Höhe von 300000 der Stadt Frankfurt vermacht. Die Zinsen des Vermögens sollen für das Wöchnerinnen⸗ und Säuglingsheim verwendet weren.

Kunst und Wissenschaft.

Nach einem bei Professor Hergesell in Straßburg eingetroffenen Telegramm befinden sich sämtliche Mitglieder des deutschen Wissenschaftlichen Observatoriums auf Spitzbergen bei bester Gesundheit. Die Beobachtungen nahmen einen ungestörten und

erfolgreichen Verlauf. Außer den luftelektrischen Arbeiten wurden.

0 wnen