Auf Grund des § 75a Abs. 4 des Krankenversicherungs⸗ Psetes in der Fassung vom 10. April 1892 (Reichsgesetzbl. S. 379) wird die durch Nr. 153 des Reichsanzeigers vom 1. Juli 1911 bekannt gemachte Bescheinigung, wonach die Weibliche Krankenkasse, genannt „Prima“ (E. H.) in Hamburg, vorbehaltlich der Höhe des Krankengeldes, den Anforderungen des § 75 a. a. O. genügt, mit Wirkung vom 1. Januar 1914 ab widerrufen. v“
Königreich Preußen. Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
8 Bekanntmachung.
Anuf Grund des § 377 Abs. 3 der Reichsversicherungs⸗ ordnung werden nachstehende Befugnisse der Ver⸗ sicherungsämter den Königlichen Eisenbahn⸗ direktionen als Aufsichtsbehörden über die Eisen⸗ bahnbetriebskrankenkassen übertragen:
1) Die Aufsichtsbefugnisse über die Betriebskrankenkassen (§§ 30, 34) *).
2) Die Erteilung einer Bescheinigung über die Zu⸗ sammensetzung und den Umfang der Vertretungsmacht des Kassenvorstandes (§ 6 Abs. 2).
3) Die Entscheidung über die Beanstandung gesetz⸗ und satzungswidriger Beschlüsse der Kassenorgane (§ 8).
4) Die Entscheidung über die Beschwerde gegen Bestrafung eines Vorstandsmitglieds durch den Kassenvorsitzenden (§ 20 in Verbindung mit § 19).
5) Die Genehmigung zum Verzicht auf Ersatzansprüche gegen die Mitglieder der Kassenorgane und Geltendmachung der Haftung an Stelle der Krankenkasse (§ 23 Abs. 1).
( 9 Die Genehmigung zur Festsetzung einer Mahngebühr
7) Die Genehmigung zur Abtretung des Anspruchs auf die Kassenleistungen (§ 119).
8) Die Stellung des Strafantrags bei Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Mitglieder der Kassenorgane (§ 141).
9) Die Entscheidung bei Streitigkeiten über die Zugehörig⸗ keit von Betrieben und Betriebsteilen zur Krankenkasse, wenn Fürang nur die Eisenbahnbetriebskrankenkassen beteiligt sind
§ 258).
10) Die Mitwirkung bei der Vereinigung von Betriebs⸗ krankenkassen und bei Ausscheidung von Mitgliedern (§§ 281 bis 283, 286, 287, 292, 298), sofern ausschließlich Eisenbahn⸗ betriebskrankenkassen beteiligt sind.
11) Die Leitung der ersten Wahl nach Errichtung der Kasse und bei Nichtvorhandensein eines Vorstands (§§ 333, 339).
8 12 Die Genehmigung der Krankenordnung (§ 347 Abs. 1 und 2). . —
13) Die Bestimmung über die Verwahrung von Wert⸗ papieren der Kasse (§ 365).
14) Die Entgegennahme des Rechnungsabschlusses und der sonstigen im § 367 vorgeschriebenen Nachweisungen.
15) Die Genehmigung zur Vereinbarung von Vorzugs⸗ bedingungen mit Apothekern (§ 375).
16) Die Bestellung von Mitgliedern der Kassenorgane oder ihrer Vertreter bei verweigerter Wahl (§ 379).
17) Die Entscheidung auf die Beschwerden gegen Ord⸗ nungsstrafen, die vom Kassenvorstande gegen Versicherte ver⸗ hängt sind (§ 529).
18) Die Aufsicht über die Betriebskrankenkassen gemäß
§ 377 Abs. 1, soweit die Aufsichtsbefugnisse vorstehend auf⸗
Berlin, den 24. Dezember 19’l3Z3. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. von Breitenbach.
1 *) Die angezogenen Paragraphen beziehen sich auf die Reichs⸗ versicherungsordnung. 8
Ministerium für Handel und Gewerbe.
Der Bergassessor Willert ist zum Oberlehrer an der Bergschule in Saarbrücken ernannt worden.
Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten. —
Der bisherige Privatdozent in der philosophischen Fakultät
der Universität Halle⸗Wittenberg Dr. Kurt Jahn ist zum außerordentlichen Professor in derselben Fakultät ernannt worden.
Dem Direktorialassistenten beim Königlichen Kunstgewerbe⸗ museum in Berlin Dr. Heinrich Doege und dem Dozenten an der Königlichen Technischen Hochschule in Aachen, Ingenieur Heinrich Henne ist das Prädikat Professor verliehen worden.
Regierungsbezirk
8 Finanzministerium.
“ 1 8 Das Katasteramt Strehlen im Breslau ist zu besetzen.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 30. Dezember 1913.
Diejenigen Persönlichkeiten, die Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Glückwünsche zum Neuen Jahre darzubringen beabsichtigen, werden ersucht, ihre Karten im Laufe des 31. Dezember d. J. bei Ihrer Erzellenz der Frau Oberhofmeisterin Gräfin von Brockdorff im Einschreibzimmer des Königlichen Schlosses zu Berlin — vom Lustgarten aus im Portal IVW links — und in Potsdam am 1. Januar 1914 in der Zeit von 10 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nach⸗ mittags im Königlichen Stadtschlosse daselbst, im Aufgange zur früheren Wohnung Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, abzugeben.
Die Republik Paraguay steht seit einiger Zeit durch ihren hiesigen Generalkonsul Ludwig Rehwinkel mit der Kaiserlich Deutschen Regierung wegen Ueberlassung von deutschen Instruktionsoffizieren für ihr Heer in Unterhandlungen, die, wie „W. T. B.“ meldet, nunmehr zu einem endgültigen Abschluß gekommen sind Es gehen acht deutsche aktive Offiziere der verschiedenen Waffengattungen unter vorteilhaften Be⸗ dingungen als Instrukteure zunächst mit einem Kontrakt für drei Jahre nach Paraguay; sobald die Auswahl der Offiziere getroffen und die Kontrakte hier beim Generalkonsul gezeichnet sind, wird die Militärmission unter Führung des Missionschefs oie Reise nach Paraguay antreten.
11““ ööö111“ eg “ Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 28. Dezember
S. M. S. „Luchs“ in Hongkong und S. M. S. „Iltis“ in Schanghai eingetroffen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Herrenhaus hat gestern die Re⸗ form der Personaleinkommensteuer mit einigen wesent⸗ lichen Abänderungen der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses an⸗ genommen, namentlich bezüglich des steuerfreien Existenzminimums, der sogenannten Junggesellensteuer, der Steuerskala und der Bucheinsicht.
Im Laufe der Debatte trat der Leiter des Finanzministeriums Freiherr von Engel, wie „W. T. B.“ berichtet, für die Annahme der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses ein, außer für den Be⸗ schluß bezüglich des Existenzminimums. Der Ministerpräsident Graf Stürgkh betonte die Dringlichkeit der Finanzreform, deren Durchführung von der Beumtenschaft sehnsüchtig erwartet werde, da die Besserung ihrer Verhältnisse hiermit im Zu⸗ sammenhang stehe. Der Ministerpräsident erkannte dabei die Ruhe und die Ausdauer an, die die Beamtenschaft trotz immer weiterer Verzögerung der Vorlage an den Tag lege. Gegenüber einigen Rednern, die über die Möglichkelt der Anwerdung des § 14 sprachen, erklärte der Ministerpräsident, ein abschlleßendes Urteil über die gegenwärtige parlamentarische Lage sei nicht möglich Die Regierung werde sich nicht kleinlich an Kalendertermine klammern. Keiner Regierung der Welt, auch nicht dieser Regterung, die das Bescheidene, was sie erreicht habe, auf normalem Wege zu er⸗ reichen vermocht hätte, sei es darum zu tun, ohne Not wissentlich und mit Willen den anormalen Weg zu wäbhlen. Auf der anderen Seite müsse sich die Regierung jedoch vorbehalten, die Lage gewissenhaft zu erforschen und gegebenenfalls diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die sie mit ihrem Gewissen und dem Gefühle ihrer Verantwortlichkeit als unerläßlich erforderlich und mit ihrer Verantwortung vereinbar erkenne.
Das Herrenhaus nahm hierauf die Vereinsgesetznovelle mit einigen Abänderungen sowie das Gesetz über die Auto⸗ mobilsteuer an.
— Die gestrige Sitzung des österreichischen Abgeord⸗ netenhauses wurde zum größten Teil durch die Obstruktion der Ruthenen ausgefüllt. Abends erklärte der Führer der Ruthenen, obiger Quelle zufolge, daß seine Partei die Ob⸗ struktion einstelle mit Rücksicht auf die die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses abändernden Beschlüsse des Herrenhauses über die Personalsteuerreform, da nun das Steuergesetz an das Abgeordnetenhaus zurückgeleitet werden müsse. Die Ruthenen hielten am Junktim und dem Finanzplan fest.
— Der bosnische Landtag ist gestern feierlich eröffnet worden. Als der Landeschef Potiorek den Sitzungssaal betrat, wurde er von der Mehrheit mit stürmischen Zioios, von den Serbischradikalen mit Abzugrufen empfangen. Die Opposition versuchte auch später die Eröffnungsfeier zu stören, wurde aber von der Mehrheit daran gehindert, worauf die Radikalen den Saal verließen. Die Eröffnung konnte dann ohne Zwischenfall vorgenommen werden.
Frankreich.
Die Session des Parlaments ist gestern geschlossen worden. Die Deputiertenkammer hat in der gestrigen Sitzung, wie „W. T. B.“ meldet, den Gesetzentwurf über die Solderhöhungen in der vom Senat abgeänderten Fassung mit 483 gegen 22 Stimmen angenommen. Der Senat hat die zwei Budgetzwölftel einstimmig angenommen und den bereits von der Kammer genehmigten Entwürfen über einen Vorschuß an Albanien und über die Kredite für eine neu zu errichtende Abteilung für Luftschiffahrt im Kriegsministerium zugestimmt, desgleichen dem Gesetzentwurf, der in der zeitlichen Verteilung des Baues von Linienschiffen bestimmte Abänderungen trifft, sowie dem Gesetzentwurf, betreffend Billigung der internationalen Konvention über Funkentelegraphie.
Der wegen der Beförderungsfrage zwischen der Allge⸗ meinen Vereinigung der Post⸗ und Telegraphenbeamten und dem Handelsminister ausgebrochene Zwist ist, obiger Quelle zufolge, durch ein Versprechen des Ministers beigelegt worden, daß die Beförderungsliste in Zukunft stets am 1. Juli jedes Jahres veröffentlicht werden solle. 1
Rußland.
Das Verkehrsministerium hat dem Ministerrat laut Meldung des „W. T. B.“ einen Antrag unterbreitet, zu dem Bau eines Hafens nahe der deutschen Grenze für die Aus⸗ fuhr von Holz auf der Weichsel 490 000 Rubel zu bewilligen.
Wie „Ruski Invalid“ meldet, war die im Jahre 1912 angewandte Zurückhaltung aktiver Untermilitärs ein günstiger Versuch hinsichtlich der Vorbereitung der Armee in den Wintermonaten. Gewöhnlich erfolgt die Entlassung zur Reserve zwischen dem 14. und 28. November, also anderthalb bis zwei Monate vor der gesetzlich festgestellten Frist. Nach der Entlassung beginnt das Eintreffen der Rekruten bei den Truppenteilen, was eine bedeutende Zahl geübter Unter⸗ militärs zur Ausbildung der Rekruten erforderlich macht. Infolgedessen bleiben die Truppenteile in der Winter⸗ periode vom 14. November bis 14. April während der ersten Uebungen der Rekruten in ihren Beständen in sehr fühlbarer Weise geschwächt. Solche Erwägungen haben im Zusammenhang mit dem Wachsen der Armeen wichtiger westeuropäischer Staaten das Kriegsressort bewogen, zu der be⸗ währten Maßnahme des Vorjahres zu greifen, die die Kampf⸗ tüchtigkeit der Armee ohne besondere Ausgaben bedeutend zu erhöhen gestattet. Der Kriegsminister beabsichtigt, die Hinaus⸗ schiebung der Entlassung zur Reserve auf gesetzgeberischem Wege zu einer ständigen Maßnahme zu es für nötig, diese Hinausschiebung auf der Grundlage des Artikels 22 des Wehrpflichtgesetzes für das laufende Jahr an⸗ zuordnen, wozu die Kaiserliche Genehmigung am 17. Dezember
1
machen, und fand
Die Königin⸗Witwe Sophie ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ heute früh in Stockholm im 88. Lebensjahre gestorben. Nach einem heute früh 5 Uhr ausgegebenen Bulletin hatte die Königin⸗Witwe gestern abend eine Temperatursteigerung bis zu 38,8 Grad. Im Laufe der Nacht verschlimmerte sich der Zu⸗ stand; die Temperatur stieg auf 40,1 Grad. Um 4 Uhr früh wurden deutliche Anzeichen einer akuten Lungenentzündung fest⸗ gestellt. Der König, die Königin und die Mitglieder der König⸗ lichen Familie waren seit 5 Uhr früh in den Gemächern der Königin⸗Witwe versammelt. .““
Wie offiziell gemeldet wird, unterhielt sich der Großwesir im Verlaufe des gestrigen diplomatischen Empfanges mit den Vertretern der Mächte über die Reformen, die die Pforte demnächst in der asiatischen Türkei einzuführen beabsichtigt.
Griechenland.
Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten offiziösen Mel⸗ dung hat sich Griechenland bereit erklärt, den von Bulgarien angerufenen Schiedsspruch des Präsidenten Poincaré zur Regelung der griechisch⸗bulgarischen Grenzfragen anzu⸗
nehmen.
— Die Meinungsverschiedenheit in der serbisch⸗ griechischen Grenzkommission ist durch beiderseitige Zu⸗ geständnisse beigelegt worden, die in einer Unterredung zwischen dem Ministerpräsidenten Venizelos und dem in Athen ein⸗ getroffenen Präsidenten der serbischen Kommission, Obersten Stefanoff, erfolgt sind.
Rumänien. .“
Aus Anlaß des Geburtstages der Königin Elisabeth fand gestern vormittag ein Tedeum statt. Die Minister sowie eine Abordnung des Heeres überbrachten ihre Glückwünsche, alle Hofbeamten defilierten vor dem Fenster der Königin und bereiteten der hohen Frau lebhafte Kund⸗ gebungen. Nachmittags war eine Feier aller Wohltätigkeits⸗ gesellschaften, deren Vorsitzende die Königin ist. .
Serbien. 88
In der gestrigen Sitzung der Skupschtina waren 86 Ab⸗ geordnete anwesend, sodaß die Beschlußfähigkeit erreicht war. Wie „W. T. B.“ meldet, nahm die Skupschtina trotz der Ab⸗ wesenheit der Opposition die Vorlage, betreffend die proviso rischen beiden Budgetzwölftel für Januar und Februar, mit den Krediten für die neuerworbenen Gebiete an. Die Regierung brachte den Gesetzentwurf über die Einverleibung der neuen Gebiete und ihre Verwaltung ein. Nach der Vorlage bleibt das gegenwärtige Regime in diesen Gebieten für die Dauer
von zehn Jahren in Kraft, doch wird die Regierung ermächtigt,
Abänderungen einzelner Verwaltungsbestimmungen vorzunehmen.
Bulgarien.
Die Direktion der Oeffentlichen Schuld veröffentlicht eine Darstellung des Standes der schwebenden Staats⸗ schuld. Wie „W. T. B.“ meldet, wird darin festgestellt, daß der bulgarische Staatsschatz infolge der beiden Balkankriege in eine beträchtliche Verschuldung geraten ist. Die schwebende Schuld belief sich am 7.,20. Dezember auf 720 946 149 Francs.
Darunter befinden sich 310 052 788 Francs aus den für die Kriegs⸗
kosten bewilligten Spezialkrediten, die durch Emissionvon Schatzbons und durch Ausgabe von Noten der Bulgarischen Nationalbank realisiert wurden. Ferner befinden sich in der genannten Summe 55 Millionen Francs Ausfälle in den außerordent⸗ lichen Budgets für Eisenbahnen und Häfen für 1911/12 und 1912/13, von denen die auf das erstere Jahr entfallenden 25 Millionen schon vor dem ersten Balkankriege durch Schatzbons gedeckt wurden. Auf 300 Millionen Francs be⸗ läuft sich der Gesamtbetrag der für Requisitionen aus gegebenen Bons; sie sollen mittels einer inneren, auf lange Sicht aufzunehmenden Anleihe gedeckt werden, deren sechs⸗ prozentige Obligationen die Requisitionsscheine würden. Weise an 550 000 Familien zurück. geleisteten Requisitionen wurden durchweg. aus der letzten guten Erntejahre aufgebracht. Die für die ab gelaufenen Rechnungsjahre rückständigen Steuern sollen bei dieser Regelung zurückbehalten werden. Diese Steuerrückstände werden auf 39 Millionen Francs berechnet. Die Abtragung der Schuld an die Nationalbank und die Landwirtschaftliche Bank, die mit 30 893 361 Francs ebenfalls in der Gesamt⸗ summe der schwebenden Schuld enthalten ist, wird als dringlich bezeichnet, ebenso wenig die
Die von den Dörfern
Bezahlung von
25 Millionen Francs Rückstand aus den Kosten der im Bauu
begriffenen Eisenbahnlinie Mezdra —Widin.
Die aus den Spezialkrediten für die Kriegführung sich er⸗ gebende Schuld soll durch eine im Ausland zu begebende kon⸗ solidierte Anleihe von 300 Millionen Francs gedeckt werden. Man glaubt, daß diese Anleihe, die zur Einlösung der emittierten Schatzbons im Betrage von 146 602 148 Francs und zur Begleichung der Schuld an die Bulgarische National⸗ bank im Betrage von 149 404 310 Francs dienen soll, in Frankreich untergebracht werden kann. Die Nationalbank erhält dadurch wieder Mittel zur Unterstützung ihrer in⸗ dustriellen und kommerziellen Klientel. Im übrigen hat die durch die Balkankriege hervorgerufene Desorganisation der Staatsfinanzen unter volkswirtschaftlichem Gesichts⸗ punkt keine katastrophalen Folgen für Bulgarien gehabt, das mit 80 Prozent landwirtschaftlicher Bevölkerung ausgesprochener Agrarstaat ist. Ein Stillstand im landwirtschaftlichen Betriebe ist nirgends eingetreten. Von den Krediten für die Krieg⸗ führung sind 75 Millionen Francs in Banknoten für die
Offiziersbesoldungen verausgabt worden. Viele Offiziere haben
von ihren erhöhten Kriegsbezügen Ersparnisse gemacht, sodaß
der Bestand der Sparkassendepots gegenüber der Zeit vor dem Kriege um 9 Millionen gestiegen ist.
Amerika. Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, ist der englische
Kreuzer „Lancaster“ auf die Meldung hin, daß bewaffnete Mexikaner die Grenze von Britisch Honduras überschritten
hätten, in den mexikanischen Gewässern eingetroffen und
hat Matrosen und Seesoldaten gelandet, die bei der Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung helfen und dafür sorgen sollen, daß das britische Gebiet nicht zu ungesetzlichen Zwecken miß⸗
braucht wird. . Nach einem vom „W. T. B.“ verbreiteten Telegramm
aus Presidio (Texas) haben. mehrere hundert Mann mexi⸗ kanischer Bundestruppen den Rio Grande überschritten
ersetzen Ungefähr 210 Millionen Francs gelangen auf diese
Ersparnissen
nicht
und das amerikanische Ufer des Flusses betreten. Amerikanische Truppen eilten herbei, entwaffneten die Mexikaner und zwan sie, wieder auf mexikanisches Gebiet zurückzugehen.
Asien.
Einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge haben in Talifu in der Provinz Yünnan am 8. Dezember drei Regimenter gemeutert, die Offiziere niedergeschossen, die Waffenlager und eine höhere Schule überfallen und einen Lehrer sowie mehrere Studenten und Bürger getötet. Sie haben darauf im Namen Sunjatsens die Unabhängigkeit erklärt. Die Meuterer richteten in dem umliegenden Distrikt eine Schreckensherrschaft auf; viele Personen wurden getötet oder verwundet, die Fremden aber geschützt. Vierzehn Tage später ist Talifu von einer Ab⸗ teilung loyaler Truppen wiedergenommen worden. Eine starke Truppenmacht ist jetzt von hünnanfu auf dem Marsche nach Talifu, um dort die Ordnung wiederherzustellen.
“ Parlamentarische Nachrichten.
Bei der Ersatzwahl eines Mitgliedes des Hauses der Abgeordneten, die am 29. d. M. in den Kreisen War⸗ burg und Höxter, Regierungsbezirk Minden, stattfand, ist nach einer Meldung von „W. T. B.“ der Gutsbesitzer Schönkäs⸗Altenheerse (Zentr.) mit sämtlichen 242 abgegebenen Stimmen gewählt worden.
(ESttatistik und Volkswirtschaft.
nats Zur Arbeiterbewegung.
. Infolge des Ausstands der Setzer haben die Druckereien in Lemberg, „W. T. B.“ zufolge, ihren Betrieb mit dem gestrigen Tage eingestellt. Sechs polnische Zeitungen veranstalteten gestern eine gemeinsame Ausgabe im Umfange von vier Seiten, die in dieser Form während der Dauer des Ausstands einmal räglich erscheinen wird. Die ruthenischen Blätter dürften vorläufig auch nicht erscheinen. Ungefähr fünfhundert ausständige Setzer, Maschinenmeister und Drucker hielten gestern dort eine Versammlung ab. 8
(Weitere „Statistische Nachrichten⸗ ’ Ersten Beilage
b Wohlfahrtspflege.
Der Verband märkischer Arbeitsnachweise
zeigt auch im Geschäftsjahre 1912/13 eine günstige Weiterentwicklung. Neue Arbeitsnachweise sind in Altlandsberg, Gransee, Lübben, Zehlen⸗ dorf und Werder ins Leben gerufen worden, während die Vermitt⸗ lungsstellen in Pritzwalk, Müncheberg und Züllichau im Sinne eines Ausbaues umgestaltet wurden. Hierzu sei noch bemerkt, daß bereits in dem neuen Geschäftsjahr noch Arbeitsnachweise in Löwenberg, Wusterhausen, Wittstock, Angermünde, Kriescht, Nowawes, Lankwitz und Spandau sowie in Neuruppin und Königsberg ins Leben gerufen werden konnten. Eine Umgestaltung erfuhr neuerdings noch derjenige in Fürstenwalde, während ein Ausbau in Wittenberge und Eberswalde beschlossen ist. Wurde bei den übrigen Arbeitsnachweisen die Gemeinde oder der Kreis Träger der neuen Einrichtung, so ist bei den Arbeitsnachweisen in Neuruppin, Königsberg und Züllichau der Verband dazu übergegangen, selbst Träger der Vermittlungsst lle zu werden. Dasselbe gilt auch von der speziell für landwirtschaftliche Arbeitskräfte getroffenen Ein⸗ richtung des märkischen Arbeitsnachweises für landwirtschaftliches Personal in Berlin, Schlegelstraße 18, der seine Tätigkeit am 15. August 1913 aufnahm. Indem der Verband märkischer Arbeits⸗ nachweise auch die Zentralstelle für Lehrstellenvermittlung, deren Wirkungskreis Groß Berlin und die übrige Provinz umfaßt, am 1. Juli 1912 errichtete, ist er als erster an die Aufgabe herangetreten, für wichtige Gebiete der Vermittlungstätigkeit, wo nach der Lage der Verhältnisse kein geeigneter Träger vorhanden war, eigene Einrichtungen ins Leben zu rufen. Zur Belebung ihrer Tätigkeit wurden an die öffentlichen Arbeitsnachweise der Provinz Brandenburg Beihilfen in Höhe von insgesamt 2300 ℳ gewährt. Besondere Maßnahmen, wie Einrichtung eines besonderen Telephon⸗ und Vakanzenlistendienstes, Abhaltung besonderer Dezernenten⸗ und Verwalterkonferenzen sind, abgesehen von der Zentralstelle für Lehr⸗ stellenvermittlung für Groß Berlin, getroffen worden. Gegenwärtig ind in der Provinz Brandenburg 88 öffentliche Arbeitsnachweise vor⸗ anden, die 1912/13 rund 279 000 Stellen besetzten;, davon 11 400 für landwirtschaftliches und 15 800 für hauswirtschaftliches Personal.
unst und Wissenschaft.
20. Dezember hatte die Gesellschaft für Anthro⸗ pologie, Ethnologie und Urgeschichte ihre letzte ordentliche Sitzung im Jahre 1913 und empfing, alter Gepflogenheit folgend, vom Vorsitzenden, Geheimrat Professor Dr. Hans Virchow den Ver⸗ waltungsbericht über das am 31. Dezember ablaufende Vereinsjahr. Die Gesellschaft zählt zurzeit 861 ordentliche, 6 Ehren⸗ und 112 kor⸗ respondierende Mitglieder. Sie verfügt über ein Vermögen von 83 100 ℳ. Aus den Mitteln der Rudolf Virchow⸗Stiftung wurde u. a. einem der nachher ausführlich von seinen Erfolgen berichtenden Vortragenden des Abends, Oberstabsarzt Dr. Gustav Velde⸗Berlin bei seinen Grabungen auf der Insel Leukas Beihilfe gewährt. Die Wahl zum Ersten Vorsitzenden für das Studienjahr 1914 fiel auf Professor Dr. Eduard Seler. Nachdem noch Herr Fragn Busse einen von ihm in einem vorgeschichtlichen Grabe am Scharmützelsee gefundenen Bronzeschmuck, bestehend aus Spiralen und Nadeln, vorgelegt hatte, sprach der Professor Dr. Wilhelm Dörpfeld über seine diesjährigen Forschungen und Funde in den Achäer⸗ gräbern auf Leukas⸗Ithaka, zu deren Ausführung er aus dem Katserlichen Dispositionsfonds die Mittel erhalten hatte. Die 1912 begonnenen Grabungen konnten im Herbst des laufenden Jahres fort⸗ gesetzt werden. Bekanntlich hält, gegenüber den abweichenden An⸗ schauungen der meisten Fachmänner, der Redner an der Ansicht fest, Leukas sei das homerische Ithaka und die Heimat des Odysseus gwesen. Zu den
ründen, mit denen Dörpfeld seine Theorie stützt, gehört u. a. auch, daß sich auf Leukas vielfach in den geographischen Namen die Erinnerung an die ehemals dort getriebene Schweinezucht erhalten hat, z. B. im Namen des Dorfes Sygros im Süden und der Sybota⸗Bucht. Auch dem modern griechischen Aus⸗ druck für „Schwein“ Chiro begegnet man in Ortsnamen. Auf die Frage, ob diesem Umstand irgend Beweiskraft inne wohnt, set hier nicht eingegangen. Es kann an dieser Stelle vielmehr nur der In⸗ halt der Dörpfeldschen Ausführungen kurz wiedergegeben werden. In der Mitte der Insel liegt eine Ebene, und 3—4 km nördlich davon muß nach Ansicht des Redners die Stadt des Odysseus gelegen haben; denn hier begegnet man der 3 km ins Innere einbiegenden, die Lage kennzeichnenden Meeresbucht. Diese Ebene ist schon in sehr alter Zeit durch die Arbeit der von den Bergen herabkommenden Wäͤsser mit Kies überschüttet worden, mag in vorgeschichtlicher Zeit bereits eine 2 m hohe Bedeckung mit Steinen gehabt haben, zu der sich seitdem weitere 2 m Bedeckung gesellt haben, sodaß die Kultur⸗ schichten erst nach Entfernung von 2 m erscheinen. In dieser Ebene Nidri ist noch heute, wie in homerischer Zeit, ein Oelbaumwald vor⸗ handen, und in diesem liegen die Fundstätten, die 1913 durch Dörp⸗ feld ausgebeutet wurden. Es sind Plattengräber, wie sie auch sonst in Griechenland vorhanden sind, etwa zu je 10—12 in viereckigen
ezirken angeordnet, in denen sich Geräte aus der Bronze⸗ oder der Kupferzeit, ja selbst solche aus der Steinzeit fanden.
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Um diese Gräber bestand eine dort in römischer Zeit errichtete Moner, deren Reste für sich selber sprechen. Die 1913 aufgedeckten Gräber lagen im südlichen Teil der Ebene, die 1912 untersuchten in deren nördlichen und westlichen Bezirken. Es gelang nun, einen ganzen Friedhof in seinen Umgrenzungen festzustellen, bestebend teils aus Kammergrähern, teils aus solchen, in denen die Skelette (meist Frauenstelette), in Pithoi (großen Gefäßen) in Hockerstellung beigesetzt waren. So lag eine Frau mit Halsschmuck in einem solchen Pithos. Als eine Merkwürdigkeit ergab sich, daß sich in den Kammer räbern unter den Knochen Reste des Scheite haufens fanden mit vielen Spuren von Holzkohle und Beigaben. Der Scheiterhaufen ist jedes⸗ mal vor dem Ausbrennen gelöscht, wie es auch Homer schildert, der indessen seiner sonstigen, beredten Schilderungen der reichen, mykenischen Kultur hinsichtlich der Bestattung nichts von den dortigen Kuppelgräbern meldet. Er schildert wohl die Bestattung des Elpenor oder des Patroklus, läßt den Scheiterhaufen des letzteren mit Wein löschen, Achill die Gebeine des Freundes in einer Urne nach der Heimat bringen, um sie dort beizusetzen, aber nähere Umstände der Beisetzung bleiben unerzählt. Doch die von Homer beschriebene Sitte, um den Scheiterhaufen einen Kreis zu setzen und darüber einen Hügel zu schütten, findet sich bei den Gräbern von Leukas wieder. Im ganzen vermochte man aus den 33 bisher durchforschten Gräbern von Leukas Zeit und Art der Bestattung genügend zu erkennen. Noch weitere Gräber sollen einer späteren Zeit und verbesserten Erforschungs⸗ methoden vorbehalten bleiben. In allen diesen Platten⸗, Kammer⸗ und Pithosgräbern fanden sich die Reste von Vasen der „nicht bemalten“ Keramik des zweiten Jahrtausends vor Christo, Schnabelkannen, doppelhenkelige Gefäße, Schalen mit rotem Firnis, wie sie ähnlich aus Thessalien bekannt sind; nur ein einziges ornamentiertes Gefäß wurde aufgehoben, während in der Nähe bei einem alten H iligtume Reste von ornamentierten Vasen mit Kerbschnittverzierung lagen. Es fand sich auch kein mykenisches Kupfer, dagegen gehörten Dolche und Degen aus Bronze, ähnlich den betr. thessalischen Funden, zur Ausbeute. Pfeilspitzen, 48 an der Zahl, lagen in einem Jünglings⸗ grabe, gefertigt aus schwarzen, weißen, roten und gelben Steinen, alle ersichtlich aus gleicher Zeit stammend. Einem Frauengrabe wurden Obsidianmesser entnommen, den Pithosgräbern aber mannig⸗ faltiger Frauenschmuck: eine Halskette aus doppelkonischen, hohlen, goldenen Perlen, Anhänger aus Knochen, zwei silberne Spiralarm⸗ bänder und drei als Lockenringe zu denkende Ringe, sämtlich Schmuck, wie er von Homer an Frauen geschildert wird. Das Alter aller dieser Dinge ist die Zeit vor der dorischen Wanderung; auch die jüngsten dieser Funde lassen sich als dem Ende des zweiten vorchristlichen Jihr⸗ tausends angehörig bestimmen. Die ältesten, wie die jüngsten Gräber gehören den Achäern, d. h. den ältesten Griechen an, welche die Halb⸗ insel betreten haben, dann gegen Troja zogen und später durch die Dorer vertrieben wurden. Auch an anderen Stellen hat man die Gräber dieser Achäer und die Spuren ihrer Kultur gefunden, u. a. in Thessalien, hier hinaufragend bis in die jüngere Steinzeit (Neolithicum) und bewundert wegen der hoben Stufe der Keramik in dieser fruhen Epoche, die bereits bemalte Vasen kannte. Ganz ähnlich liegen die Dinge auch in Leukas, wo die Achäer ihre mitgebrachte alte Kultur beibehalten haben, während sie an andern Orten, wie Tiryns und Mykene, mit der reichen Orienttultur in Berührung gelangt, diese annahmen. Homer schildert beide Kulturen nebeneinander: die reichen mykenischen Paläste, die kostbaren Waffen, die Kriegswagen und daneben die achäische schlichte Kultur, von der er weiß, daß sie auf den Inseln im Jonischen Meere besteht, während die orientalisch beeinflußte in den Palästen von Mykene und Sparta zu finden ist. In diesen Tatsachen liegt der Wert der Funde von Leukas: Homer und die dortigen Gräber sind in das zweite vorchrist⸗ liche Jahrtausend zu setzen, in eine Zeit somit, wo neben der achätschen auch schon die mykenische Kultur bestand. Die Bedeutung der Funde geht indessen noch weiter: Die von Norden her nach Griechenland gekommenen Achäer werden, wie auch die erwähnten Beziehungen zu Thessalien lehren, ihre Kultur von dorther mitgebracht haben, das heißt: wir müssen in dieser die gemeinsame Kultur der Indogermanen er⸗ blicken, die, wie schon Helbig vermutet hat, einen muteleuropäischen Charakter besessen haben muß. Diese Kultur haben wir auf Leukas. Ithaka vor uns. — Es berichtete hierauf der Oberstabsarzt Dr. Gustav Velde über die Fortsetzung seiner Grabungen in der Höhle Chirespilia auf Leukas im Jahre 1913. Mit dem Ergebnis seiner Untersuchungen führte er die Hörer in eine äͤltere Periode als die Achäerzeit. Die schon 1906 zum Teil untersuchte Höhle liegt beim Dorfe Euphyros und hat nach N., S. und O. gelegen je eine Grotte. 1906 wurde schon 8m tief in der Nordgrotte und dann in der Ostgrotte gegraben. Vom 2. bis 24. Oktober d. J. hat Dr. Velde in der Südgrotte ge⸗ graben und mehrere Durchschnitte nach verschiedenen Richtungen hin ausgeführt. Unter lockerer grauer Erde liegt eine fest versinterte Schicht roter Erde, darunter eine grau⸗schwarze Schicht. Die obere graue und die rote Schicht sind nach Professor Stremmes Unter⸗ suchungen gleichartig, die rote Farbe ist von organischen Ein⸗ flüssen bedingt. Erst in 5 m Tiefe erreichte man in der oberen lockeren Erde die Kulturschichten und holte aus ihnen Feuer⸗ steinwerkzeuge, Mahlsteine, Obsidianmesser und Muscheln heraus; aber kein vollständiges Menschenskelett, nur der Teil eines Schädel⸗ daches kam aus der Höhle. Dagegen fanden sich viele Tierknochen vom Hausschwein, vom Rind, vom Schaf, Reste vom Hai, von Kröten und von Eidechsen. Von Interesse sind die Reste vom Bergschaf auf Leukas, weil sie die einst bestandenen Zusammenhänge von Kleinasien und Europa zu beweisen scheinen. Die ge⸗ fundenen Geräte sind E“ Schaber, Lanzen⸗, Speer⸗ und Pfeilspitzen, Steinbeile, daneben Glätter und Pfriemen aus Knochen, Falzbeine, rot, weiß, braun und grau bemalte Scherben, Spinnwirtel aus Stein. Die in den oberen Schichten der roten Erde gefundenen Dinge tragen einen anderen Charakter als die in den unteren Schichten liegenden. Von dorther kamen auch keine Feuersteinbeile und keine bemalten Scherben zutage, auch keine Spinnwirtel. Unterhalb der roten Schicht liegt eine Steinplatte, unter welcher dann wieder die Dinge aus den grauen, oberen Erd⸗ schichten vorkamen. Eine blaue Glasperle weist, wie die Obsidian⸗ messer, gen Osten. Außer einem Bronzestück am Höhleneingan wurden 3,50 m tief drei Stückchen Eisenerz gefunden, vermutlich mit der roten Erde einst eingeschwemmt oder auch von Menschen hineingebracht. Die Keramik der Höhle bietet Anklänge an die thessalische Töpferware. — Beide Vortragende begleiteten und er⸗ läuterten ihre Darlegungen durch Lichtbilder.
In der sich anschließenden lebhaften Aussprache betonte u. a. Dr. Hubert Schmidt⸗Berlin, daß zu den Dingen aus Leukas eine Parallele in mitteleuropälschen Funden zu entdecken noch schwierig sei. Dr. Herzfeld⸗Berlin erinnerte an den Gold⸗ und Silberschatz von Dilbad bei Babplon, der u. a. auch eine Kette von 300 doppelkonischen goldenen Perlen neben Lockenringen und vielen silbernen Armspiralen enthalte und in die Zeit von Hammurabi, d. i. 1800 — 2000 v. Chr., anzusetzen sei. Auch Professor Schuchhardt betrachtet den Zusammenhang der Funde aus den Leukas⸗Gräbern mit der mitteleuropäischen Kultur noch zweifelnd: die Dolchformen schon stimmen mit den Formen der südländisch mittelländischen Dolche, aber nicht mit denen aus Mitteleuropa überein. Dr. Kiekebusch⸗Berlin wies darauf hin, daß für die mpkenische Kultur in den Unterstädten der Königsburgen von Tiryns und Mykene noch manches zu finden sein werde. In seinem Schlußwort betonte Pro⸗ fessor Dörpfeld noch die Bedeutung, die Leukas in den alten Zeiten
schon für den Seeverkehr bei seiner Nachbarschaft mit Korfu gehabt
habe. Dukato sei allezeit eine die Schiffer anlockende Quelle gewesen, hier habe auch ein Heiligtum des Apoll gestanden. Professor Dörpfeld hält die Achäer für die ersten Indogermanen, die nach Griechenland ge⸗ kommen sind. Die homerischen Dichtungen seien indogermanische Dichtungen, und da ihre Darstellungen erwiesenermaßen mit den archäologischen Funden übereinstimmen, dürfe, als den noch bestehenden Meinungszwiespalt lösend, gesagt werden, daß einige dieser Indo⸗ germanen zur homerischen Zeit die alte Kultur beibehalten
dagegen die neue, mykenische Kultur angenommen hätten.
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814. 82* 21* . 6 Wie „W. T. aus London gemeldet wird, erklärte Shackleton einem Vertreter des Reuterschen Bureaus, er werde die neue antarktische Forschungsreise im Jahre 1914 mit zwei Schiffen ausführen. Das erste werde im August von England nach Neuseeland abgehen, das zweite, ein größeres Schiff, zwei Monate später von Suüdamerika. Beide Fahrzeuge wüͤrden Oelfeuerung haben; ihre Bemannung werde die Zahl 30 nicht übersteigen. Der Plan Shackletons ist, das Südpolarfestland von der Weddell⸗See nach der Roß⸗See, das ist eine Entfernung von 1500 geographischen Meilen, zu durchqueren. Die Expedition wird volle Ausrüstung für zwei Jahre mitführen und zwei Schlitten bei sich haben, die durch Aeroplan propeller mit Aeroplanmotoren get ieben werden. Diese Schlitte werden je 2000 Pfund mit einer Geschwindigkeit von 5—6 Meile in der Stunde befö dern können. Ferner wird die Expedition einer Aeroplan mit sich führen.
Literatur.
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anuarheft der von Richard Fleischer herausgegebenen „Deutschen Revue“ (Deutsche Verlagsanstalt) hat Jahalt: Das Rüstungsfieber; Germain Bapst (Paris): ersten Unterhandlungsversuche des Marschalls Bazaine in Metz; Dr. Frei⸗ herr v. Jettel: Quousque tandem!; Prof. Dr. C A. Ewald, Geh Medizinalrat in Berlin: Das Blut und seine Hygtene; Demete A. Sturdza, Königlich rumänischer Ministerpräsident a D. Die Ent wicklung Rumäniens unter König Carol und der Balkankrieg (Fort setzung); Der politische Dilettantismus in Europa; Dr. Max B. Wein stein: Wissenschaftliche Verwegenheiten; General der Infanterie v. Goßler: Krieg und Frieden; Prof. Dr v. d. Borne (Breslau) Unser Wissen vom Innern der Erde; K. Th. Zingeler (Sig maringen): Briefe des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern an seine Gemahlin Josephine, geh. Prinzessin von Baden (Fort⸗ setzung); Konteradmiral z. D. Glatzel (Berlin): Die Flotten der Tripelentente; E. Goldstein: Ueber einige neuere Ergebnisse de Spektralanalyse; Prof. Dr. Rudolf von Scala: Persönlichkeiten Volk kräfte und Staatsmächte im vorigen Jahrhundert; Victor Jung, Dozent an der Universität in Wien: Der Gral als Symbol Generallandschaftsrat von Auerswald: Freiherr von Stein und Land⸗ hofmeister von Auerswald; Literarische Berichte; Eingesandte Neuig keit des Büchermarktes.
Im Kammerspielhause wurde gestern abermals der Versuch ge⸗ macht, Henri Becgues Lustspiel Die Pariserin“, das man vor zehn Jahren in Berlin kennen lernte, hier einzubürgern. Der Erfolg schien auch diesmal nicht gerade verbeißunsvoll. Obwohl diese in Frankreich fast als klassisch geltende Ehebruchskomödie turmhoch über den schwankmäßigen Variarionen desselben Themas steht, die ihr im Laufe der Jahre gefolgt sind, hat sie doch an Bübnenwirksamkeit narke Einbuße erlitten, weil ihr heute die Spannung und die Ueberraschungen fehlen; die gewissenhafte Charakterzeschnung des Gesellschaftssatirikers Becque, sein feingeschliffener, aber umständlicher Dialog erscheinen ferner als ein zu schweres Rüstzeug gegenüber der gestellten Aufgabe und der spielerischen Art, mit der die Neufranzosen sie zu lösen pflegen: so dürfte das Lustspiel hier bald wieder vergessen sein. Die im ganzen vortreffliche Darstellung, die ihm gestern unter der Spielleitung des Regisseurs von Gersdorff zuteil wurde, dürfte daran auch nicht viel ändern können. Die Titelrolle die in Berlin von Marie Barkany und von den französischen Schauspielerinnen Réjane und Despres gespielt worden ist, war Gertrud Cysoldt anvertraut. Aus der Klotilde, die keinem treu bleibt als sich selbst und alle Männer, die mit ihr in Berührung kommen, zum besten hält, machte sie eine fesselnde Charakter⸗ studie; freilich war aber die Gestalt, die sie schuf, mehr eme deutsch er⸗ dachte als französisch empfundene Pariserin. Unter den Vertretern der männlichen Hauptrollen zeichnete sich Herr Biensfeldt als Gatt Klotildes am meisten aus; die Herren Dumck⸗ und Swinborne per⸗ darben zwar nichts, traten aber auch nicht besonders hervor. Eine muntere Kammerzofe war Fräulein Lemke. Der Beifall hielt sich in mäßigen Grenzen.
Trianontheater. 8 “
„Anatoles Hochzeit“, ein vieraktiger Schwan n Paul Gavault und Georges Berr (deutsch von Erich Motz), die Weih⸗ nachtsneuheit des Trianontheaters, hatte ihren Erfolg in erster Reihe dem ausgezeichneten Spiel der Mitwirkenden und weniger dem zweifel⸗ haften Wert des ganz auf Situationskomik gestellten Stückes zu ver⸗ danken. Besonders drollig wirkte Hans Junkermann als Anatole, der unfreiwillig und noch dazu an seinem eigenen Hochzeitstage zum Schein die Rolle des Liebhabers der schönen Germatne spielen muß. Hertha Schönfeld wußte als Germaine das mit weiblicher List behufs Zurückeroberung ihres abtrünnigen Gatten diesem vorgetäuschte Liebes⸗ spiel mit Humor durchzuführen, besonders bei den mannig⸗ fachen Verlegenheiten, in die der arme Anatole verstrickt wird; es gelang ihr aber auch, die im Grunde ihres Herzens treue, liebende Gattin glaubhaft zu machen. Ebenso lösten Hans Stock als Professor Lejoncquois, Germaines Ehemann, und Fritz Spira als Dr. Cormainville, dessen Assittent und willenloser Helfers⸗ helfer bei allen Seitensprüngen, ihre Aufgaben mit großer Gewandt⸗ beit. Auch die anderen an dem krausen Durcheinander dieses zuletzt friedlich⸗schiedlich beigelegten Ehekrieges beteiligten Personen standen sämtlich auf dem rechten Platze.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, am Silbvester⸗ abend, Lortzings komische Oper „Der Wildschütz“ aufgeführt. In den Hauptrollen sind die Damen Durx, von Schreele⸗Müller, Engell, Lindemann und die Herren Pbilipp, Bronsgeest, Schultz und Luͤcke (als Gast) beschäftiat. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister von Strauß. Die Vorstellung degtnnt um 7 ÜUhr.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das beitere Volksstück „Der Schlagbaum“ gegeben. In den Hauptrollen wirken die Herren Kraußneck, Zimmerer, Eggeling, Böticher, Vollmer, Vallentin, Stange, Mannstädt und die Damen Abich, Ressel, Arn⸗ städt, Heisler, Hoff und Pategg mit. — Am Montag, den 5. Januar findet an Stelle der angekündigten Aufführung von „Prinz Friedrich von Homburg“ die 100. Aufführung von Gutzkows „Uriel Acosta⸗ statt. Die Vorverkaufskarten zur 5. Dauerbezugsvorstellung „Prinz Friedrich von Homburg“ gelten für die Ersatzvorstellung „Uriel Acosta“. Sie werden auch, jedoch nur bis zum Beginn der Vor⸗ stellung, an der Schauspielhauskasse zuzüglich des amtlichen Aufgeldes zurückgenommen. Eine spätere Zurücknahme ist ausgeschlossen.
In der Erstaufführung des „Parsifal“ im Deutschen Opern⸗ hause singt am 1. Januar Melanie Kurt die Kundry, den Titurel Herr Lehmann, den Amfortas Herr Werner Engel, den Gurnemanz Herr Blaß, den Klingsor Herr Schüller. Die Blumenmädchen⸗ soli werden von den Damen: Wally von Roemer, Katharina Jüttner, Maria Schneider, Lulu Kaesser, Hertha Stolzenderg, Louise Marck ausgeführt. Eynar Linden und Richard Rübsam stellen den ersten und zweiten Gralsritter dar, die vier singenden Gralsknappen die Damen Dänicke und Mareck sowie die Herren Werner und Hoyer. Was die Titelrolle anbelangt, so wird sie abwechselnd von den Herren Goltz, Hansen und Kirchner dargestellt. Am 1. Januar wird sie Herr Hansen singen, dem die Spielplanverhältnisse ein ungestörtes Studium der Partie und dauernde Proben gewährten, während Herr Kirchner durch andere Aufgaben und sein Gastspiel am Königlichen Opernhause verhindert wurde, die Aufgabe bis zum Jahresschluß zu bewältigen.
Joseph Giampietro, der ausgezeichnete, zuletzt am Metrapol⸗
theater tätige Charakterdarsteller, ist, wie hiesige Blätter melden,
gestern hier im 47. Lebensjahre plötzlich verstorben. Nur um karze Zeit hat er Nuscha Butze überlebt, die als Direktorin des Neuen Theaters den aus Oesterreich stammenden Künstler vor Jahren mach Berlin berief. Seine bedeutende schauspielerische Begabung ossendarte sich am stäkksten, als er später den Reimhardtbühnen aehöele Un-