1914 / 7 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Anlagekapitals für allgemeine Staatszwecke zu verwenden sind, nach⸗ dem zuvor 1,15 % desselben Kapitals in das Extraordinarium ein⸗ gestellt sind. Etwa darüber hinausgehende Reinüberschüsse der Eisenbahnen sollen dem nach dem Gesetz vom 3. Mai 1903 zu bildenden Ausgleichsfonds überwiesen werden. Das Jahr 1914 ist das letzte Jahr dieser fünfjährigen Periode. Infolge⸗ dessen ist der Eisenbahnetat für 1914 von ganz besonderer Bedeutung. An ihm fällt dreierlei auf: 1) ein Herabgehen der Reinüberschüsse der Eisenbahnen in Gestalt der Ueberweisungen zum Ausgleichsfonds von 93,4 Millionen Mark nach dem Etat für 1913 auf 79,2 Millionen Mark; 2) ein Hinaufgehen Ides Betriebskoeffizienten auf 69 28 %, d. h. eine Steigerung um 2 98 % gegenüber der Wirklichkeit des Jahres 1912 und von 1,07 % gegenüber dem Voranschlag für 1913; und 3) ein so starkes Ansteigen des Bedarfs für das Extraordinarium, daß die dafür vorgesehenen 1,15 % bei weitem nicht ausreichen, sondern durch 45 Millionen Mark haben verstärkt und bereits weitere große Verstärkungen über die Grenze von 1,15 % durch Ein⸗ stellung von ersten Raten für die nächstfolgenden Jahre haben fest⸗ gelegt werden müssen.

Diese drei Momente lassen die Möglichkeit, durch eine stärkere Heranziehung der Eisenbahnüberschüsse eine Entlastung des Staats⸗ haushalts herbeizuführen, in einem viel trüberen Lichte erscheinen, als es noch vor einem Jahre der Fall war. Nach den eigenen Schätzungen der Eisenbahnverwaltung kann mit Rücksicht auf die zweifelhafter ge⸗ wordenen Aussichten des Erwerbslebens und das dadurch bedingte Abflauen des Verkehrs zwar noch immer mit einer Verkehrssteigerung, jedoch nur mit einer solchen von 6 % gegenüber der Wirklichkeit des Jahres 1912 gerechnet werden. Hiernach ergibt sich ein Reinüberschuß, die Rücklage an den Ausgleichsfonds als solchen eingerechnet, von 323,6 Millionen Mark. Vergleicht man diesen Reinüberschuß mit den Reinüberschüssen der Vorjahre, so ergibt sich, daß wir uns auf der abfallenden Kurve bewegen; denn der Reinüberschuß des Jahres 1911 betrug einschließlich der Rücklage 382 Millionen Mark, der des Jahres 1912 400 Millionen Mark; im Jahre 1913 ist er entsprechend dem bisherigen Verlaufe nach den eigenen Angaben der Eisenbahnverwaltung nur auf 328 Millionen Mark und im nächsten Jahre nur auf 323 Millionen Mark zu veranschlagen. Wir haben also auch hier das von mir bereits vorhin erwähnte nachträgliche An⸗ schwellen der Ausgaben nach Zeiten starker Verkehrssteigerung.

In diesem Jahre ist die Vermehrung der Ausgaben noch dadurch mit hervorgerufen, daß von den Besoldungserhöhungen 15,5 Millionen Mark auf die Eisenbahnen entfallen, und daß außerdem für Lohn⸗ erhöhungen 18,7 Millionen Mark mehr als im Vorjahre in den Etat eingestellt worden sind.

Alles dieses führt zu dem Betriebskoeffizienten von 69,28 %. Daß dieses Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen etwa zu hoch gegriffen sein sollte, ist nicht anzunehmen. Der bisherige Verlauf des Jahres 1913 und die von mir soeben angeführten Zahlen sprechen dagegen. Wir sind also mit dem Betriebskoeffizienten wieder auf der aufsteigenden Kurve, und zwar wird der Betriebskoeffizient um 4,05 % höher veranschlagt als er sich im Jahre 1911 ergeben hat. Da nach dem neuen Etat die Betriebseinnahmen auf 2638 Millionen Mark veranschlagt worden sind und 1 % infolgedessen 26,38 Millionen Mark ausmachen, so würde diese Erhöhung des Betriebskoeffizienten soviel bedeuten, daß von unseren Eisenbahneinnahmen gegenüber 1911 weit über 100 Millionen Mark durch verstärkte Ausgaben verzehrt werden.

Ganz besondere Beachtung verdient aber die Tatsache, daß der Eisenbahnetat mit dem im Jahre 1910 festgesetzten Prozentsatz von 1,15 für das Extraordinarium nicht mehr auskommt, sondern erklärt hat, sowohl für das Jahr 1914 wie auch für die folgenden Jahre bedeutend höhere Beträge aufwenden zu müssen. (Hört, hört! rechts) Dieses bedeutet nichts anderes, als daß in Zukunft ganz ohne Frage die Ueberweisungen an den Ausgleichsfonds heruntergehen oder gar aufhören werden, ja daß unter Umständen sogar die Dotierung der Staatskasse mit 2,10 % gefährdet werden kann.

Das Extraordinarium enthält Kapitalaufwendungen für die be⸗ stehenden Bahnen, soweit sie im einzelnen mehr als 100 000 be⸗ tragen. Die Kapitalauswendungen unter 100 000 werden vom Ordinarium bestritten. Während früher die gesamten nachträg⸗ lichen Kapitalaufwendungen über 100 000 auf das Extraordinarium übernommen wurden, ist dieses nach dem Abkommen von 1910 materiell und ziffermäßig begrenzt: materiell insofern, als erstens alle Ausgaben für zweite und weitere Gleise, zweitens für Beschaffung von Fahrzeugen über den Ersatz hinaus, drittens für Umwandlung von Nebenbahnen in Hauptbahnen und viertens für den Uebergang zu einer anderen Betriebsweise auf die Anleihe ver⸗ wiesen worden sind; ziffernmäßig, indem bei der Ermittelung des Reinüberschusses nur 1,15 % des zuletzt abgerechneten statistischen Anlagekapitals in Rechnung⸗ zu stellen sind. Ein etwa darüber hinaus⸗ gehender Bedarf soll aus dem Ausgleichsfonds gedeckt werden. Dieser Fall ist für 1914 vorgesehen. Nachdem im Jahre 1912 das Extra⸗ ordinarium noch durch den Nachtragsetat um sechzig Millionen Mark hat verstärkt werden müssen, ist nach dem neuen Etat der Baubedarf wieder so groß. daß die dafür zur Verfügung stehenden 1,15 % nicht ausreichen, sondern um fünfundvierzig Millionen Mark verstärkt werden müssen. (Glocke des Präsidenten.) Da für diese fünfundvierzig Millionen Mark Anleihen nicht in An⸗ spruch genommen werden können, weil die von mir soeben skizzierten Voraussetzungen fehlen, müssen sie nach dem Gesetz vom 3. Mai 1903 dem Ausgleichsfonds entnommen werden. Das Bedenkliche dabei ist aber, wie ich wiederholt betonen möchte, daß der Herr Eisenbahn⸗ minister erklärt hat, auch für die folgenden Jahre keinen geringeren Bedarf in Aussicht stellen zu können (sehr richtig!), und daß auch die durch die Einstellung der Raten einge⸗ gangene Bauschuld so stark gewachsen ist, daß die Annahme des Herren Eisenbahnministers dadurch bestätigt wird. Wir müssen also damit rechnen, daß im nächsten Jahre bei der Neuregelung des Eisenbahnetats die Ansprüche für das Extraordinarium ganz erheblich in die Höhe gehen werden, daß also die 1,15 % bei weitem nicht ausreichen, sondern erhöht werden müssen. Damit ist aber auch die Hoffnung, daß durch eine stärkere Inanspruchnahme der Reinüberschüsse der Eisenbahnverwaltung der Staatshaushalt entlastet werden könne,

in immer weitere Ferne gerückt, ja, es ist sogar in Frage gestellt, ob

die Eisenbahnverwaltung dauernd imstande ist, die 2,10 % für Staatszwecke zu liefern. (Hört, hört!)

Von manchem von Ihnen wird nun sicherlich eingewendet werden: dem läßt sich leicht dadurch begegnen, daß entweder das ganze Extra⸗ ordinarium oder die Verstärkungssummen auf die Anleihen verwiesen

sicht

werden. Meine Herren, dem ist nicht so. Das verbietet sich, ganz abgesehen von den schon wiederholt erötterten Erwägungen, aus zwei Gründen:

Die alljährlich für Eisenbahnzwecke zu bewilligenden Anleihen sind in den letzten Jehren ganz außerordentlich gestiegen, sodaß sie geradezu ein Gegenstand der ernstesten Sorge für die Finanz⸗ verwaltung geworden sind. 1911 und 1912 betrugen die jährlichen Anleihen noch 263 und 286 Millionen Mark; 1913 haben sie sich auf die riesenhafte Summe von 567 Millionen Mark verdoppelt, und ein Bedarf von mindestens derselben Höhe ist auch für die nächsten Jahre angemeldet worden. (Sehr richtig! und Bravo! links.) Diesem Bedarf gegenüber ist es ganz ausgeschlessen, die jähr⸗ lichen Anleihen durch die Ueberweisung weiterer Ausgaben auf Anleihe noch mehr zu steigern; das würde an der Unmöglichkeit scheitern, die Inanspruchnahme des Anleihemarktes weiter auszudehnen. Nah unseren bisherigen Erfahrungen ist der Anleihemarkt nicht geneigt, alljähr⸗ lich so hohe Anleihebeträge aufzunehmen; namentlich in Zeiten mit einem so angespannten Geldstande, wie wir ihn fast das ganze ver⸗ gangene Jabr hindurch hatten, ist es ohne die einschneidendsten, die ganze Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehenden Aenderungen unserer Emissionsbedingunen nicht möglich, so hohe Anleihebeträge flüssig zu machen. Unsere Mißerfolge bei der Begebung der letzten An⸗ leihen im vorigen Jahre haben uns ganz deutlich gezeigt, daß der Markt so hohe Beträge nicht aufnimmt. Wenn wir zu unserm Glück nicht den hohen Ausgleichsfonds von 300 Millionen zur vorüber⸗ gehenden Aushilfe bereit gehabt hätten, dann wären wir nicht im⸗ stande gewesen, die zahlreichen Eisenbahnbauten in vollem Umfange durchzuführen und auch den Markt mit Bestellungen zu versorgen, wie es tatsächlich geschehen ist; was das aber gerade zu Beginn des Rück⸗ gangs der Konjunktur zu bedeuten gehabt hätte, das brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen. Auch das Borgen hat seine Greazen (Heiterkeit), und wenn man es auch noch so gut versteht (große Heiterkeit), man kann es nicht beliebig weit ausdehnen. Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund liegt darin, daß neuerdings die jährlichen Reineinnahmen mit Einschluß der Rücklagen von den jährlichen An⸗ leihebewilligungen erheblich überstiegen werden. Während 1911 die Reinüberschüsse 382 Millionen, die Anleihe 263 Millionen Mark und 1912 die Reinüberschüsse 400 Millionen Mark, die Anleihe 286 Millionen Mark betrugen, hat sich von da ab das Verhältnis vollständig um⸗ gekehrt, indem 1913 die Reinüberschüsse etwa 328, die Anleihen aber 567 Millionen betragen haben und 1914 die Reinüberschüsse 323 Millionen Mark und die zu bewilligende Anleihe wiederum mindestens ebensoviel betragen werden. Es wäre ganz unverantwortlich, wenn dieses ungünstige Verhältnis zwischen Reinüberschuß und Anleihe noch weiterhin verstärkt werden sollte; es ist im Gegenteil sehr ernstlich zu überlegen, ob nicht im nächsten Jahre bei der Neuregelung des Eisenbahnetats diejenigen Ausgabezwecke, welche auf Anleihen ge⸗ nommen werden, wesentlich eingeschränkt werden müssen. (Wider⸗ spruch links.) Eine Verweisung der Ausgaben des Extraordinariums oder nur seines Mehrbedarfs auf die Anleihe ist deshalb tatsächlich unmöglich.

Dem Ausgleichsfonds sind in den Jahren 1910, 1911 und 1912 zusammen 407 Millionen Mark zugeflossen; im Jahre 1913 wird er etwa 93 ½ Millionen Mark und 1914 79,2 Millionen Mark er⸗ halten, sodaß er Ende 1914 etwa 580 Milltonen Mark erhalten haben wird. (Hört, hört!) Herausgenommen sind oder werden aus dem Ausgleichsfonds rund 60 Millionen Mark auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zur Dotierung des Dispositionsfonds des Arbeitsministers und 105 Millionen Mark zur Verstärkung des Extraordinariums. Der Ausgleichsfonds wird daher am Ende der fünfjährigen Periode netto etwa 415 Millionen Mark enthalten. Das ist eine sehr schöne und beträchtliche Reserve für schlimme Zeiten (sehr richtig!); sie ist aber keineswegs zu hoch, meine Herren. Denn, wenn man bedenkt, daß in dem einen Jahre 1908 die Verkehrseinnahmen einen Fehlbetrag von 132 Millionen erbracht haben, und daß dieser Fehlbetrag heute noch viel leichter eintreten kann, weil inzwischen das Einnahmesoll um mehr als eine halbe Milliarde Mark gestiegen ist, so wird man zugeben müssen, daß nur wenige schlechte Jahre genügen, um diesen Schatz, so voll gefüllt er jetzt auch scheint, wieder zu leeren. Es ist deshalb dringend erforder⸗ lich, daß dem Ausgleichfonds jedesmal nach einer Entnahme wiederum neue Mittel zugeführt werden; denn sonst ist er außerstande, den Zweck, den er erfüllen soll, auch wirklich zu erfüllen. Sollte aber tatsächlich der heute nicht wahr⸗ scheinliche Fall eintreten, daß der Ausgleichsfonds einen Bestand er⸗ reichen würde, welcher über den mit ihm verfolgten Zweck hinaus⸗ ginge, so würde dieses Mehr doch nicht für allgemeine Staatszwecke Verwendung finden können; dazu ist es viel zu schwankend. Es wäre vielmehr alsdann zu prüfen, ob dieser Betrag nicht besser der Eisen⸗ bahnverwaltung zur Bestreitung ihrer eigenen Bedürfnisse überwiesen werden sollte. (Sehr richtig!)

Meine Herren, nach alledem ist es ganz undurchführbar, daß die 72 Millionen, welche aus den Steuerzuschlägen heute aufkommen, durch eine stärkere Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds oder der Reinüberschüsse der Eisenbahnen ersetzt werden können. Ein anderer Ersatz steht aber nirgends zur Verfügung. Damit entfällt für die Staatsregierung die Möglichkeit, die Steuerzuschläge zurzeit in Weg⸗ fall bringen zu können. (Abg. Dr. Wiemer: Wann wird die Zeit kommen?) Wenn wir bessere Finanzen haben. (Bravo! Sehr richtig!; rechts Abg. Dr. Wiemer: 500 Millionen im Spar⸗ töpfchen!)

Meine Herren, die innere Kolonisation soll weiter gefördert werden. Im Jahre 1913 sind in Sachsen und Schlesien unter starker Beteiligung des Staates neue Siedelungsgesellschaften gegründet worden; die für Schleswig⸗Holstein bestehende Siedelungsgesellschaft ist in diesem Jahre reorganisiert, und für die Provinz Hannover steht das Inslebentreten einer Gesellschaft bevor, welche die Besiedelung und Kultivierung der Moore und Oedländereien zum Ziele hat. Durch die dadurch zweifellos eintretende Verstärkung der Siedelungstätigkeit werden die für Zwischenkredit zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem nicht mehr ausreichen; sie sind jetzt schon knapp. Infolgedessen wird dem hohen Hause ein Gesetzentwurf zugehen, welcher erheb⸗ liche Mittel für Zwischenkredite fordern wird. Der Herr Landwirtschaftsminister und ich haben ferner in Aus⸗ genommen, den gemeinnützigen Siedelungsgesellschaften einen Teil der Kursverluste an den Rentenbriefen auf die Staatskasse zu übernehmen, weil sich diese Kursverluste als den Siedlungen hinderlich erwiesen haben. (Sehr richtig!) Ich bin überzeugt, daß

Schutzgebiet und als Ausgangspunkt

diese Maßnahmen Ihren Beifall finden werden. (Sehr richtig!)

Auf die übrigen Einzelheiten des Etats will ich heute nicht weiter eingehen, da in dem veröffentlichten Ueberblick und dem Vor⸗ bericht zum Etat alles Wissenswerte enthalten ist.

Nur soviel möchte ich erwähnen, daß der Mehrzuschuß an die einzelnen Verwaltungszweige nach Verhältnis gleichmäßig verteilt worden ist. Der Löwenanteil, den im vorigen Jahre die landwitt⸗ schaftliche Verwaltung zur Hebung der Viehzucht erhalten hatte, ist in diesem Jahre auf die Bauverwaltung übergegangen, deren Etat besonders reich bedacht ist, um die Arbeitsgelegenheit zu vermehren. Trotzdem aber hat die landwirtschaftliche Verwaltung dadurch keinerlei Schaden erlitten; denn die im vorigen Jahre außerordentlich erhöhten Fonds sind in diesem Jahre auf derselben Höhe belassen worden.

Auch der Etat der Justizverwaltung ist wieder gestiegen. Die im vorigen Jahre eingetretene so seltene Erscheinung, daß ein Etat einen geringeren Zuschußbedarf hat als im Jahre vorher, ist leider in diesem Jahre wiederum geshwunden.

Meine Herren, ich komme nun zum Schluß. Ich habe mich bemüht, Ihnen ein genaues Bild über die schwierigen und komplizierten Zusammenhänge unseres Etats zu geben; hoffentlich ist mir dieses gelungen. Sie werden mir zugeben, daß der Etat in gam anderem Lichte erscheint, wenn man weiß, wie er von den Einzeletatz beeinflußt wird, und welche Aussichten diese für die Zukunft haben. Unsere Finanzlage ist das erkenne ich gern an durchaus befriedigend; sie ist aber keineswegs so, daß der Staatshaushalt über das, was er bisher zu tragen hat, belastet werden kann, oder daß ihm seine bestehenden Einnahmequellen genommen werden dürften. Die steigende Tendenz der dauernden Ausgaben und die von mir vorhin geschilderten ver⸗ schiedenen Unsicherheitsmomente hinsichtlich der zukünftigen Ent⸗ wicklung verbieten dies. Ein absichtliches Grau⸗in⸗Grau⸗schildern oder die Absicht der Plusmacherei liegt mir vollkommen fenn; davon ist gar keine Rede. (Na, na! links.) Ich bin mi sehr wohl bewußt, daß die Staatsfinanzen nicht Selbstzwech sondern nur Mittel zum Zweck sein dürfen und sich höheren Rücksichten unterordnen müssen; ich bin mir aber ebensowohl bewußt, daß sie dem hohen Zweck, d. h. dem Wohle des Landes und des Staates, dann am besten dienen können, wenn sie so gesund und geordnet bleiben, daß der Staat seine großen und be⸗ deutenden Kulturaufgaben dauernd erfüllen kann. Ich bitte das hohe Haus wie in den früheren Jahren so auch in diesem Jahre, die Königliche Staatsregierung in dem Bestreben zu unterstützen, daß unsere preußischen Staatsfinanzen gesund, solide und geordnet bleiben. (Bravo! rechts.) Um des hohen Zieles wällen hoffe ich keine Fehl⸗ bitte zu tun. In dieser Hoffnung sehe ich Ihren Beratungen mit Vertrauen entgegen. (Bravo! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)

Präsident Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz schlägt vor, die nächste Sitzung zur Beratung des Etats am Dienstag abzuhalten und schon um 10 Uhr zu beginnen.

Abg. Dr. Wiemer (fortschr. Volksp.) erhebt gegen diese frühe Stunde Widerspruch. Er begreife wohl, daß man der Budget⸗ kommission alsbald Beratungsstoff übergeben wolle, aber die Arbeiten des Hauses dürften nicht veerheh. werden. Schuld sei die späte Ein⸗ berufung des Hauses durch die Regierung, und dem Hause könne nicht zugemutet werden, das wieder gutzumachen.

Der Vorschlag des Abg. Dr. Wiemer, die Sitzung wie ge⸗ wöhnlich erst um 11 Uhr zu beginnen, wird gegen die Stimmen der Volkspartei und der Sozialdemokraten abgelehnt.

Schluß gegen 334 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 10 Uhr.

(Wahl der Präsidenten und der Schriftführer; Rechnungs⸗ sachen; erste Lesung des Etats.)

Koloniales.

eine deutschostafrikanische Landesausstellung in Daressalam.

Gegenüber auch in der Presse verbreiteten Mitteilungen, noch denen an eine Verschiebung der geplanten II. Allgemeinen deutschost⸗ afrikanischen Landesausstellung in Daressalam gedacht würde, ist „W. T. B.“ in der Lage, autbentisch festzustellen, daß hiervon keineswegs die Rede ist. Im Gegenteil hat eine Interessenten⸗ besprechung, die vor einigen Tagen im Reichskolonialamt statt⸗ fand, vollste Einigkeit darüber ergeben, alle Kräfte für die rechtzeitige und wirkungsvolle Durchführung der bekanntlich unter dem Protektorat Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron⸗ rinzen und dem Ehrenvorsitz Seiner Hoheit des Herzogs Johann

lbrecht zu Mecklenburg, des Präsidenten der Deutschen Kolonigl⸗

gesellschaft, stehenden Ausstellung einzusetzen. Dieses Resultat kann umsomehr begrüßt werden, als die bisherigen Vorarbeiten nicht nur in Dentschland in den verschiedensten In⸗ dustriekreisen auf lebhaftes Interesse gestoßen sind, sondern arch im Auslande, was von allen denjenigen heimischen Interessenten nicht vergessen werden sollte, die mit der auswärtigen Konkurrenz zu rechnen haben. So hat sich vor kurzem in Belgien mit Unterstützung des dortigen Kolonialministeriums ein Komitee gebildet, dem gleich bei Beginn seiner Arbeiten etwa 30 feste Anmeldungen zugingen⸗ Gerade diese belgische Regsamkeit zeigt deutlich, wie richtig men die gleichzeitig mit der Ausstellung erfolgende Tanganjikabahn⸗ eröffnung als Einleitung einer neuen Wirtschaftsära für unser neuer wichtiger Handels⸗ beziehungen zu dem ganzen bisher fast unerschlossenen Zentralafrit wertet. Anmeldungen und Anfragen aller Art sind an den heimischer Arbeitsausschuß in Berlin NW. 40, Roonstraße 1, zu richten.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Aussperrung der 4000 Arbeiter der Ganz⸗Danublut⸗ Fabrik in Budapest ist, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, wieder auf gehoben worden. (Vgl. Nr. 5 d. Bl.)

Gestern vormittag um 11 Uhr war die Lage im Eisenbahnen, ausstand in Südafrika (vgl. Nr. 6 d. Bl.), wie dem „W. T. B. aus Kapstadt gemeldet wird, folgende: In der Kapkolonie, 1 Natal und in der Oranje⸗River⸗Kolonie wurde gearbeikt In Transvaal war das Zugpersonal bei der Arbeit. Die Arbeig in den Werkstätten sind teilweise in den Ausstand getreten, teilweie bereiten sie den Streik vor. Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Johannesburg hat der ausführende Aussschng des Gewerkschafteverbandes noch keinen Beschluß bezüglin des allgemeinen Ausstandes gefaßt, und wahrscheinlich wird de Sonnabendnacht kein entscheidender Schritt getan werden.

um Deuti

Parlamentarische Nachrichten.

Eine Novelle zum preußischen Landesverwaltungs⸗ gesetz

ist dem Herrenhause gestern zugegangen. Sie gibt dem Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 eine nach einheitlichen Gesichtspunkten entworfene neue Fassung. In der Begründung wird auf die Resolutionen des Landtags aus dem Jahre 1908, durch die die Staatsregierung zur Herbeiführung einer Reform der allgemeinen Landesver⸗ waltung aufgefordert wurde, verwiesen. Die Staatsregierung hatte schon vorher in derselben Richtung eingehende Erwägungen eingeleitet. Allseitig wurde die Notwendigkeit zeitgemäßer Ver⸗ besserungen anerkannt, aper es stand auch fest, daß der in hundertjähriger organischer Entwicklung entstandene und be⸗ währte Grundaufbau der provinziellen Verwaltungsstaffel: Kreis⸗, Bezirks⸗ und Provinzialbehörde wohl beizubehalten und nicht durch Beseitigung der obersten oder der Mittelinstanz umzustürzen sei. Dieser von anderer Seite angeregte Gedanke wäre auch praktisch unausführbar. es hierzu:

„Der Oberpräsident als oberste Provinzialbehörde kann, auch ab⸗ esehen von politischen und repräsentativen Gründen, schon zum Fwecke der Aufrechterhaltung einheitlicher und dauernder Geschäfts⸗ beziehungen zur provinziellen Selbstverwaltung nicht entbehrt werden. Ebensowenig ist es möglich, auf die Bezirksregierungen als Mittel⸗ instanz zu verzichten. Ihre Zuständigkeiten zum Teil auf dem Wege der Zentralisation dem Oberpräsidenten zuzuweisen, würde bei der Größe der meisten preußischen Provinzen der obersten Anforderung jeder zweckmäßigen Verwaltungsordnung wider⸗ sprechen, daß die Geschäfte in stetiger lebendiger und frucht⸗ bringender Fühlung mit Land und Leuten durch eine diesen örtlich und persönlich nahestehende Stelle erledigt werden. Es würden mit solcher Zentralisation provinzielle Verwaltungsbehörden mit so großem Ge⸗ schäftsumfange entstehen. daß es unmöglich wäre, sie zu gemein⸗ schaftlicher Arbeit im Sinne und Interesse des Ganzen zusammen⸗ zuhbalten. Die unausbleibliche Folge wäre die Auflösung der be⸗ währten einheitlichen Verwaltung in der Bezirksinstanz in eine Reihe von Sonderbehörden, die ohne die unerläßliche Fühlung nebeneinander regieren würden. Das würde nicht bloß unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltung, sondern namentlich auch in sachlicher Beziehang eine sehr erhebliche Ver⸗ schlechterung des bisherigen Zustandes bedeuten. Mit einer solchen Zentralisation würden aber auch weder Kräfte noch Verwaltungs⸗ kosten, weder Arbeit noch Zeit erspart werden können, dagegen würde die Inanspruchnahme der Dienststelle für die Bevölkerung in unerträg⸗ licher Weise erschwert und verteuert werden. Ferner aber wäre für den anderen Teil der Regierungsgeschäfte der Ausbau der Landrats⸗ ämter zu kleinen Regierungen unvermeidlich; ihnen müßten dann ins⸗ besondere auch die kreisangehörigen Städte unterstellt werden, soweit diese jetzt unter der Regierung stehen. Die Folge einer solchen Aenderung würde ein gewaltiger Mehraufwand an Kräften und Kosten sein. Der Landrat geriete in Gefahr, die für sein Amt besonders unentbehrliche Fühlung mit der Bevölkerung zu verlieren und voll⸗ ständig bureaukratisiert zu werden.“

„Ist hiernach der grundlegende Aufbau der provinziellen Ver⸗ waltungsbehörden unveraändert zu erhalten, so bleibt, um der viel⸗ angefochtenen Instanzenhäufung und etwaigem Nebeneinanderregieren des Oberpräsidenten und des Regierungspräsidenten entgegenzuwirken, nur übrig, den Oberpräsidenten wieder als entscheidende Instanz, soweit möglich, auszuschalten und sein Amt seiner geschichtlichen Ent⸗ wicklung gemäß zu der Stellung einer hauptsächlich nur an der Ober⸗ leitung mitwirkenden Aufsichtsbehörde zurückzuführen, die Exekutivpe aber für die nicht über den Bereich des einzelnen Regierungsbezirks hinausgreifenden Aufgaben wieder möglichst einheitlich der Bezirks⸗ 8 zuzuweisen. Als Ziele der Reform sind hiernach auf⸗ gestellt:

die Vereinfachung und Neubelebung des Geschäftsgangs durch Be⸗ seitigung aller entbehrlichen, hemmenden Formlichkeiten und aller vermeidbaren Doppelarbeit;

die Vereinfachung des Behördenaufbaus im Sinne einheitlicher

Leitung und engeren Zusammenschlusses, namentlich in der Bezirks⸗ und Kreisinstanz, unter innerer Anpassung der Be⸗

bbörden an ihre Aufgaben;

die Vereinfachung und Verbesserung der Verwaltung durch Zu⸗ teilung der Dienstgeschäfte an die örtlich und sachlich geeignetsten Stellen;

die Vereinfachung des Rechtsmittelwesens und der Instanzenzüge.“

Zur Förderung dieses in alle Gebiete der inneren Ver⸗ waltung eingreifenden Reformplanes waren der durch die Kabinettsorder vom 7. Juni 1909 berufenen „Immediat⸗ kommission zur Vorbereitung der Verwaltungs⸗ reform“ bestimmte Aufgaben zugewiesen. Alle beteiligten Ressorts haben die zur Durchführung der weitangelegten Pläne, soweit dies im Verordnungs⸗ und Verwaltungswege möglich war, erforder⸗ lichen Arbeiten alsbald in Angriff genommen. Es wird hierbei erinnert an die mit dem Erlaß vom 17. Juni 1910 aufgestellten neuen „Grundzüge für eine (vereinfachte) Geschäftsordnung der Regierungen“, an das Gesetz zur Abänderung der Vorschriften über die Abnahme und Prüfung der Rechnungen vom 23. März 1912 und an den Erlaß vom 28. Mai 1912 zur Abänderung und Ergänzung des Regulativs über den Geschäftsgang bei der Oberrechnungskammer. Eine große Reihe Uebertragungen von früher höheren Stellen vorbehaltenen Geschäften an nach⸗ geordnete ist zur Hebung der Selbständigkeit, des Verantwortungs⸗ gefühls und der Arbeitsfreude der beteiligten Beamten in allen Ressorts nach Möglichkeit herbeigeführt. Durch solche Ueber⸗ tragungen ist eine Entbürdung der Zentralstellen von zahlreichen minderwichtigen Geschäften erreicht, der eine größere Entlastung der nachgeordneten Behörden von entbehrlicher Arbeit und überflüssigem Schreibwerk gegenübersteht. Die Arbeiten daran werden, auch nachdem sie zunächst zu einem gewissen Abschluß gelangt sein werden, darüber hinaus je nach dem aus dem praktischen Betriebe sich ergebenden Bedürfnis auch in Zukunft immer wieder aufgenommen werden müssen.

Für die Regierungen hat die neue Hinterlegungsordnung vom 21. April 1913 die Befreiung von Geschäften gebracht, die ihrem sonstigen Geschäftskreise fernlagen und zweckmäßiger, wie für das Publikum bequemer, von den Gerichten erledigt werden können. Anderseits hat eine Reorganisation des Melio⸗ rationsbauwesens diese Behörden für eine wirksamere Tätigkeit auf diesem wichtigen Gebiet wesentlich besser ausgestattet und zugleich durch schärfere Abgrenzung ihres Geschäftskreises gegen den des Oberpräsidenten die einheitlichere Verwaltung und kräftigere dieser Angelegenheiten in der Hand einer den Verhältnissen nahestehenden Behörde gesichert.

In der Begründung heißt.

chsanzeiger und Königlich Preußi

Berlin, Freitag, den 9

Der Entwurf einer „Novelle zum Landesverwaltungs⸗ gesetz“ beruht zum größten Teil auf den Vorschlägen der Immediat⸗ kommission. Er stellt in gewissen Beziehungen nur ein Programm auf, zu dessen Durchführung besondere Gesetze zu erlassen sein werden. Die Novelle seldst bezweckt eine erhebliche Erleichterung und Be⸗ schleunigung der Geschäftserledigung durch die Vereinfachung des Ver⸗ fahrens der Beschlußbehörden und der Verwaltungsgerichte. Demselben Zweck und zugleich der Entlastung der höheren Instanz dient die Aenderung im § 157 des Landesverwaltungsgesetzes für das vor Verwaltungsgerichten stattfindende förmliche Disziplinarverfahren durch Erweiterung der Einstellungsbefugnis des entscheidenden Disziplinargerichts erster Instanz. Auch die grundsätzliche Durch⸗ führung des sogenannten Bureausystems in allen Geschäetskreisen der Regierung wird zur Beseitigung geschäftlicher Hemmungen bei⸗ tragen. Demzufolge werden die jetzt noch bestehenden, kollegial eingerichteten Regierungsateilungen für Kirchen und Schulwesen und für direkte Steuern, Domänen und Forsten beseitigt. Alle Regierungsgeschäfte und ⸗befugnisse sollen grundsätzlich auf den Regierungspräsidenten zur eigenen Be⸗ arbeitung unter seiner alleintgen Verantwortung, ebenso wie es bisher bereits im Geschäftskreise der sogen. Präsidialabteilung der Fall war, übergehen. Nur zur Erledigung einzelner Geschäfte soll es einer be⸗ schließenden Mitwirkung der zu dem Geschäftskreise gehörigen Regie⸗ rungsmitglieder bedürfen.

Bei jedem Bezirksausschuß wird eine „Kammer für Abgaben⸗ sachen“ errichtet, die aus drei Mitgliedern bestehen soll. Sie soll an Stelle des Bezirksausschusses in erster Instanz über die im Entwurf näher bezeichneten Abgabenstreitigkeiten entscheiden. Die Berufung dieser Kammer zur erstinstanzlichen Entscheidung steht mit der Ein⸗ schränkung des Rechtsmittels der Revision im unmtttelbaren Zu⸗ sammenhang, auf welche im Jateresse der Entlastung des Oberver⸗ waltungsgerichts das größte Gewicht gelegt werden muß Der besseren organisatorischen Anpassung der Behörden an ihre Aufgaben dienen ferner Vorschriften über die Abteilungsbildung bei den Be⸗ zirksausschüssen, über die Sitzungspräsenz bei den Be⸗ schlußbehörden für gewisse Angelegenheiten und über die er⸗ leichterte Herbeiziehung technischer Beratung, endlich über die Einrichtung eines Disziplinargerichts, das die Vollver⸗ sammlung der Regierung im Disziplinarverfahren ersetzen soll.

Die Entlastung des Oberverwaltungsgerichts wird auch mit anderen Vorschriften angestrebt, so durch die Einschränkung der mündlichen Verhandlungen und der Prüfungspflicht des höchsten Verwaltungsgerichtshofs sowie der Gründe, auf die eine Revision gestützt werden kann, und durch Erhöhung der Kosten für die Tätigkeit des Oberverwaltungsgerichts.

ist bei den

Im dritten Titel des Landesverwaltungsgesetzes Vorschriften über das „Verfahren“ überall auf weitgehende Vereinfachung und Beschleunigung Bedacht genommen, so insbesondere durch Erleichterung des Erlasses von Vorbescheiden, durch Uebertragung von Befugnissen des Gerichts auf den Vorsitzenden, durch Abkürzung des Verfahrens in Ablehnungsfällen und durch Bindung der Unter⸗ gerichte an die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts. b

Die Rechtsverfolgung soll dem Publikum durch die grund⸗ sätzliche Vereinheitlichung der gesetzlichen Fristen in die Normalfrist von zwei Wochen, die Vereinfachung der Vorschriften über die An⸗ bringung der Rechtsbehelfe, die Herabsetzung der Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Prozeßvorschriften und die Ermöglichung nachträglicher Klageergänzungen und Klageänderungen erleichtert und gesichert werden.

In den Abschnitten über die „Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen“ und über die „Zwangsbefug⸗ nisse“ bringt der Entwurf Vereinfachungen des Rechtsmittelwesens und der Instanzenzüge. Darüber hinaus noch weitere Rechtsmittel⸗ wege und Instanzenordnungen zu verbessern, würde aus dem Rahmen des Landesverwaͤltungsgesetzes herausfallen und muß besonderer Regelung vorbehalten bleiben.

Im Hinblick auf die nötige Einheitlichkeit der Regierungs⸗ tätigkeit wird die Aufhebung der Generalkommission in Königsberg in der Novelle in Aussicht gestellt. Die darauf bezüg⸗ liche Bestimmung lautet:

„§ 16. Die Generalkommission für die Provinz Brandenburg bleibt zugleich für die Provinz Pommern, die Generalkommission für die Provinz Hannover zugleich für die Provinz Schleswig⸗Holstein zu⸗ ständig. Die Geschäfte der Auseinandersetzungsbehörden in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen gehen auf Behörden der allgemeinen Landesverwaltung und auf die ordentlichen Gerichte über. Die Generalkommission in Königsberg wird aufgehoben; das Nähere wird durch besonderes Gesetz geregelt. Die Aufhebung anderer Generalkommissionen bleibt vorbehalten.“

Der Minister des Innern ist ermächtigt, das „Landes⸗ verwaltungsgesetz“ in der durch die vorliegende Novelle abgeänderten Fassung zu veröffentlichen. Die zur Ausführung des Gesetzes erforder⸗ lichen weiteren Bestimmungen erläßt der zuständige Minister.

r 1 : 1: I“ 1“ Der Gesetzentwurf über Familienfideikommisse und Familienstiftungen.

Dem Herrenhause ist auch ein Gesetzentwurf über Familienfideikommisse und Familienstiftungen zugegangen. Der 197 Paragraphen umfassenden Vorlage ist eine allgemeine Be⸗ gründung und eine sehr umfangreiche besondere Begründung beigegeben. Eine statistische Sonderbeilage ferner gibt über den Stand und die Bewegung der Fideikommisse von 1895 bis 1912 Auskunft. G

In der allgemeinen Begründung zum Gesetzentwurf wird zunächst die Reformbedürftigkeit des Fideikommißrechts und die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung auf diesem Gebtet nachgewiesen. Die Reserve des bestehenden Rechtszustandes in Preußen kann aber nur in einer zeitgemäßen Neuordnung, ketnesfalls in der Ab⸗ schaffung des ganzen Rechtsgebildes bestehen. Letzteres ist zwar in Preußen wie in anderen Staaten früher versucht worden, doch ist die Errichtung von Familienfideikommissen zumeist, in Deutschland z. B. nahezu überall, wieder in praktischer Geltung. Schon die Tatsache, daß das Familienfideikommiß sich durch die Jahrhunderte hindurch unter völlig veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebensfäbig erhalten hat, widerlegt die Behauptung, daß diese Rechts⸗ bildung sich als eine für den Staat schädliche oder doch mindestens überflüssige Einrichtung erwiesen hätte. .

Zur Rechtfertigung der Familienfideikommisse wird hervorgerufen: 3

Gerade in der Gegenwart, wo so viele Verhältnisse auf die Lockerung und Auflösung der weiteren Familiengemein⸗ schaft hinwirken, muß dem Staat daran gelegen sein, Einrichtungen zu fördern, die auf eine Festigung dieser Gemeinschaft abzielen. Schon dieses sittlich⸗politische Interesse des Staats würde die Bei⸗ behaltung eines Rechtsgebildes rechtfertigen, das bei zweckentsprechen⸗ der Auegestaltung besonders geeignet erscheint, den Familien auf der Grundlage eines beständigen Familienvermöͤgens ein festeres Gefüge zu geben. Hierzu tritt aber noch ein wichtiger wirtschafts⸗ polirischer Grund. Sofern bei den Familiensideikommissen nach der geschichtlichen Entwicklung dieses Rechtsgebildes als wirtschaftliche Grundlage der Familtenverbände vorzugsweise

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die altererbten Familiengüter in Betracht kommen, trifft das private Interesse der Familien an der Erhaltung dieser Güter zu⸗ sammen mit einer staatlichen Aufgabe, deren volkswirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung für die Gegenwart mehr und mehr an⸗ erkannt wird, der Aufgabe nämlich, der Gefahr entgegenzutreten, daß der land⸗ und forstwirtschaftliche Grundbesitz unter dem Vordringen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu einem bloßen „Spekulations⸗ und Handelsobjekt“ wird. Wenn auch derzeit die Befestigung des mittleren und kleinen Grundbesitzes im Vordergrund steht, so hat der Staat doch auch ein wesentliches Interesse daran, ein Rechtsgebilde zu erhalten und auszubauen, das die gleiche Aufgabe für den Groß⸗ grundbesitz erfüllt. In der Tatsache, daß das Fideikommiß, wo es in der ihm natürlichen und geschichtlich begründeten Form des Grund⸗ fideikommisses auftritt, ein vorzüglich geeignetes Mittel für die Er⸗ haltung eines leistunasfähigen Großgrundbesitzes ist, liegt heute vor allem die Rechtfertigung dieses Rechtsgebildes. Die Erhaltung eines sachgemäß bewirtschafteten Großgrundbesitzes aber ist, abgesehen davon, daß der Großgrundbesitz dem Staate wertvolle Kräfte für die immer steigenden Anforderungen freiwilliger gemein⸗ nütziger Betätigung, insbesondere auf dem Gebiete der Selbstver⸗ waltung, zuführt, aus volkswirtschaftlichen Gründen von entschiedenem Nutzen für das Gemeinwohl.

Der Großgrundbesitzer ist in der Lage, seine Liegenschaften, wenn auch nicht immer in vollem Umfang, so doch wenigstens teilweise im Großbetrieb zu bewirtschaften. Dabei ist im Sinne des Entwurfs davon auszugehen, daß die einheitliche Bewirtschaftung eines Gutes von mindestens 300 ha sich regelmäßig als Großbetrieb dar⸗ stellt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Großbetriebe liegt nun zunächst darin, daß der wohlhabende und gebildete Großlandwirt, da es ihm seine Mittel ermöglichen, den Fortschritten auf wirtschaftlichem Gebiete dauernd zu folgen und dadurch eine besondere Erfahrung und

Einsicht zu erwerben und zu betätigen, berufen erscheint, dem kleineren

Besitzer mit seiner Wirtschaftsführung ein wertvolles Vorbild zu geben und dadurch zur Förderung des Wohlstandes des einzelnen wie der Gesamtheit beizutragen. Für manche Wirtschaftszweige, insbesondere für die Waldkultur, sind Güter größeren Umfanges überhaupt besser geeignet als kleinere.

Diese Bedeutung des Großgrundbesitzes teilen die ihm ange⸗ hörenden Familienfideikommisse in vollem Umfang. Infolge der grund⸗ sätzlichen Unteilbarkeit und Unverschuldbarkeit des fideikommissarischen Grundbesitzes bilden sie zudem einen wertvollen Schutz gegen die fortschreitende Ueberschuldung des ländlichen Grund⸗ besitzes sowie gegen eine der Notlage des Besitzers entspringende unwirtschaftliche Zerstückelung des Grund und Bodens. Vor allem aber wird durch die fideikommissarische Bindung der Groß⸗ güter eine vlanmäßige Forstwirtschaft begünstigt. Die große Wichtigkett der Waldungen für die Volkswirtschaft und insbesondere für die Landeskultur wird allseitig anerkannt und be⸗ darf keiner näheren Darlegung. Für den Staat ist daher die Er⸗ haltung und Vermehrung des Waldbestandes von erheblicher Be⸗ deutung. Es ist für ihn von besonderem Wert, wenn Aufgaben, die er sonst nur in seinen Wäldern oder in denen der Gemeinden und öffentlichen Anstalten erfüllen kann, von den Fideikommißbesitzern frei⸗ willig gefördert werden, weil dies zugleich ihrem Vorteil entspricht.

Der ganzen Eigenart des Fideikommißrechts entspricht es, daß die Errichtung von Familienfideikommissen dem Groß⸗ grundbesitz vorbehalten bleiben muß. Dem Gesichts⸗ punkt, daß das Familienfideikommiß eine dem Großgrundbesitz dienende Rechtsschöpfung sein soll, trägt das geltende Recht nicht überall aus⸗ reichend Rechnung. Einige der in Preußen geltenden Gesetze be⸗ stimmen zwar für den Wert des Grundbesitzes, der zu einem Familien⸗ fideikommiß gewidmet werden darf, oder fur den Reinertrag aus ihm eine Mindestgrenze; da dieser Grenze aber der Geltwert zur Zeit

des Erlasses jener Gesetze zugrunde gelegt ist, so ist sie heute bei

dem inzwischen gesunkenen Geldwert oft so niedrig, daß sie die Er⸗ richtung und das Bestehen von Familienfideikommissen aus mittleren und selbst aus kleineren Gutern nicht mehr ausschließt... Der Entwurf will die Gewähr dafür, daß Familienfideikommisse nur aus Grundbesitz errichtet werden, der sich als Großgrundbesitz darstellt, dadurch schaffen, daß er für den zum Familienfideikommiß zu widmenden land⸗ und forstwirtschaftlichen Grundbesitz eine Mindestfläche von 300 ha und ein reines Mindesteinkommen von 10 000 verlangt 3). Das Vorhandensein einer Mindestfläche und eines Mindesteinkommens bietet aber für sich allein noch keine Gewähr dafür, daß der zu bindende Grundbesitz den Anforderungen entspricht, die an ein Grundfideikommiß gestelt werden müssen. Soll das Grundfideikommiß dem Fideikommißbesitzer eine führende Stellung auf wirtschaftlichem Gebiet verschaffen und seine Teilnahme an den öffentlichen Verhältnissen seiner engeren Heimat anregen, so darf der zum Fideikommiß gewidmete Gerundbesitz nicht, wie es nach geltendem Recht zulässig ist, vollständig zersplittert sein und sich nicht auf weit auseinander liegende Landes⸗ teile verteilen, die vielleicht nach ihrer geschichtlichen Entwicklung und Eigenart sehr verschieden sind. Denn bei einer solchen Zer⸗ splitterung des Grundbesitzes wird der Fideikommißbesitzer auf seinem Besitz nirgends festen Fuß fassen und ihn oft nur als Einnahmequelle zur Deckung seiner personlichen Bedürfnisse betrachten. Nur von einem in der Hauptsache geschlossenen, in sich leistungsfähigen Besitz läßt sich auch erwarten, daß er zum wirtschaftlichen Rückhalt und zum Stammsitz einer Famtlie werden kann. Nach dem Entwurf soll des⸗ halb grundsätzlich nur solcher landwirtschaftlicher Grundbesitz zur fideikommissarischen Bindung zugelassen werden, der eine wirtschaft liche Einheit bildet. Für die Bindung forstwirtschaftlicher Grundstücke soll dies Erfordernis nicht gelten, weil der Entwurf die Widmung solcher Grundstücke zum Fideikommiß wegen der Vorteile für die Landeskultur tunlichst erleichtern will.

Eine zeitgemäße Neuordnung des Fideikommißwesens muß darauf Bedacht nehmen, daß die Befestigung des Großgrundbesitzes mit den auf Erhaltung und Mehrung der Bauern⸗ und Klein⸗ siedlerstellen gerichteten Gesetzen und Verwaltungsmaßnahmen in Einklang gesetzt wird. Mit Recht hat schon Sering darauf hin⸗ gewiesen, daß die Aufgabe der inneren Kolonisation und die Aufgabe, den verbleibenden Großbesitz zu befestigen, wohl zu ver⸗ einigen sind. Es muß nur bei der Neuordnung des Fideikommiß⸗ wesens im Auge behalten werden, daß einerseits ein übermäßiges Anwachsen der Fideikommisse auf Kosten des mittleren und kleinen Besitzes nicht geduldet werden darf und daß anderseits mehr als bisher die Möglichkeit geboten werden muß, Fideikommiß⸗ ländereien zu Ansiedlungszwecken heranzuziehen.

Nach den statistischen Erhebungen für 1912 ist zwar das Ver⸗ hältnis des Fideikommißbesitzes zur Gesamtfläche des Staates mit 7 vom Hundert und der landwirtschaftlich genutzten Fideikommißfläche zu der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Staate von 4,9 vom Hundert zurzeit noch kein übermäßiges, und auch die für die Provinzen und Regierungsbezirke ermittelten Ziffern geben im allgemeinen zu Besorgnissen noch keinen Anlaß. Aus den für die Kreise jestgestellten Verhältniszahlen geht aber doch hervor, daß in manchen Landesteilen ein verhältnismäßig recht großer Teil des Grundbesitzes durch fidei⸗ kommissarische Bindung dem Verkehr dauernd entzogen worden ist. Der Entwicklung einer derartigen Besitzstandsverteilung in einzelnen Gegenden wirksam entgegenzutreten, bietet das geltende Recht keine ausreichende Handhabe. In einigen Landesteilen kann zwar ein Familien⸗ fideikommiß nur mit landesherrlicher Genehmigung errichtet werden; in dem