1914 / 11 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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unnd ganz erfüllt.

Miilitärpartei schuld.

Ddie vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, die vereinigten 8 ag —— r1 8 8 7 2 Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

8— 88

„Der Königlich rumänische Gesandte Dr. Beldiman ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft

wieder übernommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 12. Januar

.M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdiwision

Syracus und S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ in Canton eingetroffen.

Der heutigen Nummer d. Bl. liegt das „Sachregister zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußi⸗ schen Staatsanzeiger“ für den Jahrgang 1913 bei. 6“ 2₰

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In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abge⸗ ordneten wurde in der Generaldebatte das Kapitel „Kriegs ministerium“ bewilligt und vorher die Zaberner Angelegen⸗ heit erörtert.

Der Abg. Dr. Müller⸗Hof l(liberal) erklärte betreffs der Zaberner Angelegenheit laut Bericht des „W. T. B.“, daß auch die bayerische Regierung die Verpflichtung habe, auf das allerschärfste gegen Belästigungen der Offiziere vorzugehen. Wäre bei Zeiten von oben eingegriffen worden, dann wäre es in der ganzen Angelegenheit uberhaupt nicht so weit gekommen. Auf einen so heißen Kampfesbdoden wie das Elsaß dürften nur die allertüchtigsten Leute gestellt werden. Das Schlimmste an der ganzen Zaberner Angelegenheit sei aber die Tatsache, daß Offiziere sich auf eine Kabinettsorder von 1820 hätten berufen können, die in der gegenwärtigen Zeit gar nicht mehr ernst genommen werden dürfte Der unklare Rechtszustand durfe unter keinen Um⸗ ständen mehr aufrechtexrhalten werden. Hier müsse die Reichs⸗ gesetzgebung eingreifen. Der Redner sagte ferner, daß es den Konflikt vom Reichstag auf Bayern übertragen hieße, wenn die bayerische Regierung sich weigern sollte, die Wunsche der Volksvertretung, wie sie in den Resolutionen zum Heeresetat festgelegt worden seien, zu erfüllen, weil eventuell die preußische Regierung derartige Wünsche ihrerseits ablehnen würde. Der Abg Beckh (kons.) e klärte, erfreulich sei, daß der Polizei⸗ präsident von Jagow den Mut gehabt habe, sich gegen den Ansturm zu nemmen. Er freue sich, daß eine dem Kaiser nahestehende Persön⸗ lichken dem Obersten von Reuter seine Auerke nung ausgesprochen habe. Die frühere franzosische rücksichtslose Präfektenwirtschaft in Elsaß⸗Lothringen sei viel besser gewesen als das jetzine konziliante Verhalten der Beamten im Reichelande. Die französische Verwaltung habe von Anfang an kurzen Prozeß mit der Bevölkerung ge⸗ macht, wenn sie sich nicht habe fügen wollen. Der Kriegsminister Freiherr von Kreß erklärte, daß er den Preßtreibereien, die neuerdings die Kriegsrüstungen als unzureichend hinstellten, fern⸗ stehe. Was das Einschreiten der bewaffneten Macht betreffe, so seien die Bestimmungen bei inneren Unruhen so einfach, daß er nicht glaube, daß bei den verantwortlichen Offizieren Zweifel über ihre Befugn sse bestehen könnten. Ein selbständiges Einschreiten des Militärs ohne eine Aufforderung der Zivilbehöcden set in Bayern unzulässig. Auf den Zaberner Fall einzugehen, sei er nicht gewillt, da er nicht vor das

Forum des Hauses gehöre. 8 8 Elsaß⸗Lothringen.

Bei dichtbesetzten Tribünen verhandelte die Zweite

Kammer des elsaß⸗lothringischen Landtags gestern nachmittag

über die von allen Parteien eingebrachte Interpellation,

betreffend Zabern. Am Regierungstisch hatte die gesamte

Regierung Platz genommen.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ führte der Abg. Knöpfler (Zentr.) in Begründung der Interpellation aus, es bestehe in Deutschland eine allmächtige Militärpartei, die mit allen Mitteln eine friedliche und ruhige Entwicklung in Elsaß⸗Lothringen zu ver⸗ hindern suche. Diese Militärpartei, die schon zu verschiedenen Malen das Deutsche Reich vor der ganzen Welt blamiert habe, babe in Zabern ein Glanzstück geleistet, das kaum noch übertroffen werden könne. Welchen Schmerz dies auslösen mußte, hätten im Reichstage in beredten Worten die Abgg. Fehrenbach und van Calker ausgeführt. Tiotz der Reden des Reichskanzlers und des Kriegs⸗ miaisters habe der Reichstag über das verderbliche Treiben der Militärpartei ein Scherbengericht gehalten, wie es in der Geschichte des Parlaments einzig dastehe. Gestützt auf unwahre Berichte, habe man sich bemüht, die Schuld an den bedauerlichen Vorkomm⸗ nissen der Zaberner Bevölkerung zuzuschreiben. Was hätte die Zaberner Bs⸗völkerung getan? Sie hätte dem Leutnant, der das ganze elsässische Volk beleidigt habe, deutlich zu verstehen gegeben, daß er von der Bildfläche verschwinden solle. Der Oberst von Reuter aber habe gesagt: Nein, jetzt erst recht nicht. In dieser schweren Zeit habe die Zaberner Bevölkerung eine würdige und ruhige Haltung an den Tag gelegt, wie sie unter ähnlichen Um⸗ ständen keine andere Stadt gezeigt hätte. Wenn in Zabern kein Blut geflossen sei, so habe man dies nur der dortigen Be⸗ völkerung zu verdanken. Die Polizei habe erreicht, daß keinem Offi ier ein Haar gekrümmt worden sei. Die Angriffe des Berliner Polizei⸗ präsidenten gegen das elsaß⸗lothringische Volk seien auf das ent⸗ schiedenste zurückzuweisen. Die ganze Affäre sei durch Leutnant vo Forstner ins Rollen gebracht worden. Wäre es nicht die Pflicht des Militärs gewesen, seinerseits Ruhe zu schaffen, da es doch die Mittel dazu in der Hand gehabt bätte? Man habe aber nicht einmal in den Bereich der Möglichkeit gezogen, daß sich der Leutnant für die Elsaß⸗Lothringen zugefügten Kränkungen entschuldige. An dem mangelnden Zusammenwieken zwischen dem Kreis⸗ direktor und dem Obersten sei letzterer schuld. Er habe die Zivil⸗ verwaltung völlig ignoriert. Und nun die Gerichtsverhandlung! Alle Begeiffe von Recht und Gesetz seien über den Haufen geworfen worden. Es seien ja Hochstehende gewesen, die vor Gericht gestanden hatten. Wie ganz anders sei die Verhandlung gegen die drei Re⸗ kruten verlaufen! Die Militärpartei habe gesiegt. Dieser Steg be⸗ deute aber eine kaum übersehbare Niederlage des deutschen Vater⸗ landes. Die Militärpartei habe eben siegen müssen, und wenn da⸗

i das ganze Vaterland zugrunde ginge. Wie Kulturwerte seien mit einem Schlage vernichtet worden! Wie vieler Jahre werde es bedürfen, um die Trümmer wieder aufzurichten. An dem grellen Mißklange, mit dem nach der „Nord⸗ deutschen Allgemeinen Zeitung“ das Jubeljahr geschlossen habe, sei die Neben dem deutschen Volke müsse den Elsaß⸗ Lothringern ein Kampfgenosse erstehen in der elsaß⸗lotheingischen Regierung. Bisher habe sich diese auf die Seite derer gestellt, die dem elsaß⸗lothringischen Volke nur mit Vorurteilen begegneten. Durch die Ausnahmegesetze habe sich die Regierung das glänzendste Armuteszeugnis ausgestellt. Trotzdem hoffe man, daß die Vor⸗ gänge in Zabern und die Urteilsfällung des Kriezsgerichts sie eines Besseren belehrt und daß sie erkannt habe, daß ihre Existenz auf dem Spiele stehe. Deshalb müsse man an die Regierung die Frage richten, was sie in dieser schweren Stunde getan habe. Der Kreisdirektor Mahl habe seine Pflicht voll Dieser Beamte sei im Gerichtesaale in geradezu unglaublicher Art und Weise behandelt worden. Es scheine, daß vor einem Kriegsgerichte jeder elfässische Beamte vpogelfrei sei. Die Re⸗

viele

gierung würde unverantwortlich bandeln, würde sie der Militärpartei nachgeben, die das ganze deittsche Volk gegen sich aufgehracht habe. Er sei aber andererseits überzeugt, daß die Regierung der mächtigen Militärpartei nicht gewachsen sei. Die Fragen an die Re⸗ gierung, so fuhr der Redyer fort, lauteten: Ob, wann und welche Schritte sie an den zuständigen Stellen unternommen habe, um sich die entsprechende Genugtuung für die Beleidigungen zu verschaffen und um ähnliche Uebergriffe des Militärs zu verhindern? Zum Schluß brachte der Redner folgenden Beschluß des Zaberner Gemeinderats zur Kenntnis: „Der Gemeinderat in seiner außerordentlichen Sitzung vom 12. Januar 1914 spricht dem Kreisdirektor Mahl den Dank der „Bevölkerung für sei ent⸗ schlossenes, maßvolles und den Verhältnissen entsprechendes Ver⸗ halten aus. Er stellt ausdrücklich fest, daß die berechtigte Er⸗ regung der Bevölkerung verursacht wurde dadurch, daß eine hinreichende rasche Suhne für die Beleidigungen, wie sie Leutnant von Forstner sich habe zuschulden kommen lassen, nicht gegeben wurde. Das Eingreifen des Militärs war ungerechtfertigt und un⸗ berechtigt. Vordem habe kein Auflauf stattgefunden.“ Der Abg. Weber (Lothringen) führte aus, das Milifär habe unter keinen Um⸗ ständen nachgeben wollen. Sie seien keine Gegner des Heeres, be⸗ kämpften aber auf das entschiedenste den weltfremden, rücksichtslosen Mäalitarismus, der in Zabern in die Erscheinung getreten sei. Die Militärgerichte seien eine Institution, die dem modernen Rechtsbewußt⸗ sein nicht entspreche. Nur der Kaiser könne ihnen noch belfen, vorausgesetzt, das er richtig informiert werde. Der Abg. Imbs (Soz.) bemerkte, Gesetz und Moral mürden mit Füßen getreten, solange Offiziere hohnlachend Belei⸗ dingungen aussprechen dürften. Zabern bedeute den Triumph einer kriegslüsternen Soldateska. Er klage die Regierung an, daß sie ihre Pflicht und Schuldigkeit nicht getan habe. Die Einmischung des Kronprinzen in die einschneidendsten Bedürfnisse des Volkes müßte zurückgewiesen werden. Bei allen großen Ereignissen seien sie von der Regierung verlassen gewesen, so auch hier. Im Gerichtssaale lägen die Garantien in Scherben geschlagen. Der Abg. Burger (liberal) sagte, eine schwere Beleidigung des elsaß⸗lothringischen Volkes habe bis auf den heutigen Tag ihre Sühne nicht gefunden. Es wäce so leicht gewesen die Hand zur Versöhnung zu bieten. Der Redner machte dann längere juristische Ausführungen, um die Unhaltbarke t des Kriegsgerichtsurteils nachzuweisen. Dem Kreisdirektor sei nicht das geringste vorzuwerfen. Es seien in Zabern seitens des Militärs eklatante Gesetzesverletzungen vorgekommen. Gerade aus den Zaberner Vorfällen müßten eine Erweiterung der Verfassung und eine Stärkung der Rechte des Statthalters hergeleitet werden Es unterliege keinem Zweifel, daß das Ansehen der Regierung einen schweren Stoß erlitten habe. Weshalb habe denn der Vertreter Eljaß⸗Lothringens im Buadesrate im Reichstage nicht gesprochen, wenn er etwa anderer Ansicht wie der Reichskanzler und der Krieas⸗ minister gewesen sei. Die Zaberner Unruhen seien nicht als ein Er⸗ folg einer nationalistischen und protestlerischen Hetze anzusehen. Viel⸗ mehr sei die ganze Angelegenheit aus dem nationalen Ehrgefühl herausgewachsen. Die Regierung möge die Rechte des Volkes energisch vertreten, und das ganze Volk werde hinter ihr stehen.

Hierauf ergriff der Staatesekretär Frelherr Zorn von Bulach as Wort und gab namens der Regierung eine Erklärung ab, in der er zunächst daran erinnerte, wie seinerzeit unbedachte Worte eines jungen Ofsiziers, der sich der Tragweite seiner nicht für die Oeffentlich⸗ keit bestimmten Aeußerungen zunächst wohl kaum bewußt gewesen sei, in der Bevölkerung eine starke Erregung erzeugt hätten und wie diese du chdie leidenschaftliche Spruche eines Teils der Presse, die die Aeußerungen als eine Beleidigung des ganzen Volkes hinstellte, noch erhöht worden sei. Irrtümlicherweise habe die Bevolkerung damals angenommen, daß jene beleidigende Aeußerung ohne Sühne bleiben werde. Der Staats⸗ sekretär gab dann die Entwicklungsphasen der bekannten Vorgänge in Zabern in kurzen Worten wieder und konstatierte, daß im ersten Stadium, in den Tagen vom 8. bis 11 November, tätliche Be⸗ leidigungen oder grobe Ausschreitungen nicht zu verzeichnen gewesen seien. Daß damals nach Offizieren Steine geworfen worden seien, sei der Regierung nicht gemeldet und erst jetzt durch die kriegs⸗ gerichtliche Verhandlung erwiesen worden. Die Zaberner Zivil⸗ behölden häsften dam’, von der Regierung die streng⸗ Weisung erhatten, untit allen Umständen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Pzeikräften für die Aufrechterhaltung von Rube und Ordnung zu sorgen, das Militär gegen Beleidigungen zu schützen und im Notfalle die bewaffnete Macht zu requtrieren, wie es gesetzlich vorgesehen sei. Die Regierung habe in diesem ersten Stadium der bedauerlichen Vorgänge einer Lage gegenübergestanden, die ein direktes Einschreiten ihrerseits, soweit es sich nicht um die Unterdrückung der Unruhen handelte, ausgeschlossen habe. Daß der Leutnant von Forstner die Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens habe beleidigen wollen, sei von dem Generalkommando durch öffentliche Erklärung in der Presse in Abrede gestellt worden Im übrigen habe der Leutnant unter der Disziplinargewalt seiner Vorgesetzten bezw. unter der Militärgerichtsbarkeit gestanden, und dieser allein ist die Ahndung etwaiger Verfehlungen des Offiziers zugefallen. Jede Einmischung der Regierung in diese Angelegenheit würde daher auch als ein unberechtigter Eingriff in die militärische Kompetenz zurückgewiesen worden sein. Die Regierung sei damals den Behauptungen entgegengetreten, daß die Zivilbehörden versagt hätten, da tatsächlich die ihnen zur Verfügung stehenden Polizei kräfte ausgereicht härten, um ernstere Unruhen zu verhindern. Auch der Anklagevertreter in dem kriegsgerichtlichen Verfahren gegen den Obersten von Reuter habe die damaligen Maßnahmen des Kreisdirektors als genügend anerkannt unter der Voraussetzung freilich, daß eine Kontrolle dabin auszuüben gewesen sei, ob die Z wilbehörden auch ihre Pflicht tären. Scharf verurteilte der Staatssekretär, daß ein Teil der Bevölkerung Zaberns, auch wenn er sich baleidigt glaubte, sich zu lärmenden Straßenkund⸗ gebungen und unflätigen Beschimpfungen von Offizieren habe hin⸗ reißen lassen. Dem Ansehen und der Pflicht der Bewohner würde es entsprochen haben, wenn sie den öffentlichen Aufforderungen des Bürgermeisters und des Kreisdirektors gefolgt wären, die wiederholt vor Ruhestörungen dringend gewarnt hätten. Die Frage, ob ein sofortiges Eingreifen der militärischen Vor⸗ gesetzten durch die Beurlaubung oder Versetzung des Leutnants Freiherrn von Forstner nicht am wirksamsten zur Beruhigung geführt hätte, sei durch die Zivilbehörden nicht zu entscheiden gewesen. Der Staatssekretär stellte dann fest, die Durchführung weiterer Maß⸗ nahmen habe nach den Vorgängen vom 28. und 29. November bis zum Abschluß des anhängigen kriegsgerichtlichen Verfahrens, dem die Feststellung der Verantwortlichkeiten gesetzlich in erster Linie zugefallen sei, zurückgestellt werden müssen. In letzterer Be⸗ ziehung nähere Auskunft zu geben, sei die Regierung nicht in der Lage. Inzwischen habe das Kriegsgericht gesprochen, und jede seiner Entscheidungen, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sei, habe die Regierung wie jeden Rechtsspruch zu achten. Die Regierung halte es indessen für ihre Pflicht, bei diesem Anlaß ausdrücklich festzustellen, daß in Zabern Militär und Bürgerschaft früher stets in gutem Ein⸗ vernehmen gelebt, Militär und Zvelbehörden freundliche Beziehungen

unterhalten hätten, und daß die Beschimpfungen sich ursprünglich nur,

Dur die eingeleitete Untersuchung würde festzustellen sein, ob auf seiten 8. lokalen Zivilbehörden Unterlassungen oder Verfehlungen vorgekommen seien. Die Annahme, daß eine Abneigung gegen das Militär als solches die Triebfeder der Demonstrationen gebildet habe, müsse mit aller Ent⸗ schiedenheit zurückgewiesen werden. Ebenso aber müsse die Regierung gewiß im Sinne der großen Mehrheit der Bevölkerung jeden Versuch, aus den bedauerlichen Vorfällen in Zabern Angriffspunkte gegen die Armee zu konstruieren und diese für die einzelnen Vorkommnisse verant⸗ wortlich zu machen, als irreleitend brandmarken. Die Armee, in der viele Taufe de von elsaß⸗lothringischen Landeskindern als tüchtige Soldaten mit Stolz ge ient haben und dienen, ist kein Fremdköͤrper, sondern Fleisch vom Fleisch des Volkes, und die Regierung sei über⸗ zeugt, daß sie dem stets bewährten militärischen Empfinden der Söhne des elsaß⸗ lothringischen Volkes richtig Ausdruck gebe, wenn sie sage, daß diese eine Beschimpfung des Ehren⸗

gegen den Leutnant Freiherrn von Forstner gerichtet hätten.

kleides, das sie selbst einst getragen, weit von sich weisen, und darum könnten und dürften die aus beiderseitiger momentaner Erregung entsprungenen bedauerlichen Vorfälle in Zabern die bisher guten Beziehungen zwischen Militär und Zwilverwartung nicht trüben. Die Armee sei der Fels, auf dem die Macht und Größe des Reiches ruhe, und wer an ihm rüttele, vergehe sich gegen das Vaterland und dessen Sicherheit. Freiherr Zorn von Bulach schloß mit den Worten: „Der Regierung sind aus ihrem anfänglichen Schweigen schwere Vorwürfe gemacht worden, als hätte sie die ihr vom Kaiser anvertraute und von ihr als heilige Pflicht übernommene Wahrung der Interessen des Landes außer Augen gelassen. Es erscheint absolut unzulässig, in Kompetenz⸗ fragen, deren Entscheidung nicht vor das eigene Forum gehört, öffent⸗ lich Stellung zu nehmen. Mit dem Generalkommando des XV. Armee⸗ korps bat die Regierung in dauernder Fühlung gestanden. Sie hat ohne Verzug die Schritte getan, die allein zur Feststellung vorge⸗ kommener Verfehlungen und deren Sühnung führen konnten. Im übrigen würde die Regierung nicht einen Tag zögern, ihren Platz zu räumen, wenn nicht die vollkommene Gewähr für eine Wahrung ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit gegeben wäre.“

Die Besprechung der Interpellation wurde auf heute vertagt.

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ͤs1114XX“ Gemäß einem seinerzeit gefaßten Beschlusse setzten die tschechischen Agrarier und die tschechischen Radikalen, wie „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Sitzung des Budget⸗ ausschusses des österreichischen Abgeordnetenhauses bei der Verhandlung des Budgetprovisoriums mit der Obstruktion ein. Der tschechische Radikale Stanek sprach, zumeist in tschechischer Sprache, von 7 Uhr Abends bis 4 Uhr früh, worauf die Sitzung eine Stunde unterbrochen wurde.

Frankreich. 3

Im gestrigen Ministerrat unter dem Vorsitz des Präsidenten Poincaré legte der Finanzminister Caillaur den Entwurf eines Kapitalsteuergesetzes vor.

Der Gesetzentwurf schließt sich, wie „W. T. B.“ meldet, an den im Senat eingebrachten Einkommensteuergesetzentwurf an und führt eine jährliche Abgabe ein, die berechnet werden soll nach dem Netto⸗ betrage der 30 000 Fr übersteig nden Vermögen. Für jedes Kind wird von dem steuerpflichtigen Vermögen ein Abzug von 5000 Fr. gemacht. Die Abgabe steigt in geringen Abstufungen bis zu einem Steuersatze von 2 50 pro Mille. Die Steuererklärung und die Steuereinschätzung werden nur alle fünf Jahre neu stattfinden, außer wenn eine Steigerung des Vermögens um mehr als 10 % vorliegt. Die Geheimhaltung der Vermögen wird in dem Ges tzentwurf auf⸗ rechterhalten. Die Kapitalsteuer soll mindestens 190 Millionen er⸗ geben.

Die ordentliche Session des Parlaments ist gestern eröffnet worden. Zum Präsidenten der Devputierten⸗ kammer wurde Deschanel mit 379 von 403 Stimmen wiedergewählt. Die Wahl der Vizepräsidenten gab, obiger Quelle zufolge, zu einer bemerkenswerten Kundgebung der radikalen Partei Anlaß. Der katholisch⸗demokratische Deputierte Abbé Lemire, der gegenwärtig vom Bischof von Lill mit der Erkommunikation be⸗ droht wird, falls er bei den nächsten Wahlen wieder kandidiert, wurde trotz des lebhaften Wider⸗ spruchs der Konservativen und Nationalisten von den Radikalen als Kandidat für das Amt eines der vier Vizepräsidenten auf⸗ gestellt und nach zwei Wahlgängen mit 275 Stimmen gewählt. Das Wahlresultat wurde von den Radikalen mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Auch die Wahl Augagneurs zum Vize⸗ präsidenten, der mit einer Mehrheit von 19 Stimmen gegen André Lefévre durchdrang, wurde von den Radikalen mit lautem Beifall begrüßt, da sie in dem Abstimmungsresultat eine Schlappe der neu gegründeten Partei Briands erblicken.

Die Vereinigung der Linken hielt gestern abend eine Plenarversammlung ab, an der u. a. Briand, Millerand, Barthou, Etienne, Pichon und Dupuy teilnahmen. Die Ver⸗ sammlung nahm eine an die Wähler gerichtete Erklärung an, die als Parteiprogramm folgende Punkte aufzählt: Laien⸗ schule, Gewissensfreiheit, Schutz des Rechtes und der Sicherheit aller Bürger, Garantie der nationalen Unabhängigkeit und Würde, Wahlreform ohne für die Republik gefährliche Gruppen⸗ bildungen, Entwicklung des seit zwanzig Jahren in An⸗ griff genommenen Werks der Demokratie, eine Steuerreform, die den Grundbesitz entlastet, ohne die produzierenden Stände des Landes zu beunruhigen. Die Statuten der Vereinigung legen ihren Anhängern die Verpflichtung auf, an die erste Stelle alle Fragen, betreffend die Verteidigung des Landes, die Zukunft der Nation und die Ausdehnung des französischen Ein⸗ flusses in der Welt, zu stellen, die Laienschule zu verteidigen und alle Kräfte anzuwenden, um die Schäden des parlamentarischen Regimes auszumerzen.

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Rußland. 9

Der Kaiser hat den Marineminister Grigorowitsch zum Mitglied des Reichsrats unter Belassung im Amt ernannt. Durch Kaiserlichen Ukas sind ferner Akimow und Golubew auch für das Jahr 1914 zum Präsidenten und Vizepräsidenten des Reichsrats ernannt worden. . Der finnländische Landtag ist auf den 2. Februar einberufen worden. ““

8 Niederlande. 8

Bei der Beratung des Kriegsetats in der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer richtete der Sozialist Terlaan an die Regierung die Anfrage, ob sie versichern könne, daß die niederländischen Offiziere von der Firma Krupp kein Schmiergeld erhalten bezw. erhalten werden, und wies darauf hin, daß die Offiziere, die bei Krupp Kanonen prüften, auf Kosten der Firma logierten. Der Kriegsminister Bosbom erwiderte laut Bericht des „W. T. B.“:

„Er sei über diese Anfrage höchst erstaunt. Er könne unmöglich dafür einstehen daß niemals ein Offizier unehrlich sein werde, er wolle aber wohl erwägen, der Firma Krupp sagen zu lassen, daß die niederlandischen Oifiziere fortan in Essen ihr Logis für Rechnung der Regierung beziehen sollten. .

Norwegen.

Der König hat gestern die Tagung des Storthings mit einer Thronrede eröffnet, in der zunächst auf die reichen Erinnerungen hingewiesen wird, die das Jahr 1914 für Nor⸗ wegen mit sich bringt. Es sei jetzt hundert Jahre her, seit sich das norwegische Volk die freie Verfassung erkämpft habe, in deren Gefolge es auf allen kulturellen und materiellen Ge⸗ bieten größere Fortschritte zu verzeichnen hätte, als je vorher in einem entsprechenden Zeitranm seiner Geschichte. Norwegen habe in diesen hundert Jahren ununterbrochen Frieden gehabt, 88 8 1“ zu den fremden Mächten eien andauernd freundschaftlich. Sodann heißt es laut Beri des „W. T. B.“ weiter: 8

8

fundigt worden sei, habe jedoch

lierungen der Wasserfälle rbältnis zwischen Eltern

rHeer und Flotte sollen Dienstzeit für die Wehrpflichtigen onate zu erhöhen, während die Frage über die Verlängerung der bbungszeit der Armeg vorläufig aufgeschoben ist, damit sie von einer bilen Verteidigungskommission erxörtert kungen über die Invaliden⸗ und Altersver sicherung seien ihrem Ab⸗

hdem alle höheren Offiziere, tieges angeboten hat, die Bewilligung des von dem zurück⸗

sung erfolgte, wie „W. T. B.“ izung,

bbieten vorgeommene Zählung hat obiger tdas bulgarische Thrazien eine Bevölkerung 8 190 Personen, davon 225 000 männlichen Geschlechts, für zͤbulgarische Mazedonien eine

schn Obersten Philipps, ist, der „Albanischen Korrespondenz golge, eine aus zwölf Stammeshäuptern bestehende Regie⸗ Ungskommission gebildet und der englische Hauptmann Francis vorläufiger Gouverneur eingesetzt worden. 1

eneralstreik

elen waren,

veerheit den Streik beschlossen.

Lütglieder erklärt werden. er Unruhen unterbrochen. trstützung einiger

Die Verhältnisse auf Spitzbergen seien beständig Gegenstand von zrterungen mit den übrigen interessierten Mächten. Die neue fetenz, die in dem 1912 unterzeichneten Schlußprotokoll an⸗ bis jetzt nicht abgehalten werden

nen. Die Thronrede kündigt dann eine Reihe neuer Gesetz⸗

twürfe, darunter solche betreffend die Errichtung eines Anleihefonds

„Handwerker und eines Handelsrates, neue Gesetze über die Re⸗ 8 Abänderungen in dem Konzessions⸗ ürsorge für unmeheliche Kinder, über das 1— und Kindern sowie eines über die wision des Gesetzes, betreffend Arbeiterwohnungen, an. Die Kredite erhöht werden. Es wird vorgeschlagen, zur See von sechs auf zwölf

ein Gesetz üͤber die

Die Be⸗

werden kann.

luß nahe. Rumänien.

Der Ministerpräsident Majoresco hat, einer Meldung z „W. T. B.“ zufolge, gestern abend dem Könige die emission des Kabinetts überreicht. des „W. T. B.“ ist die Regierung, denen sie das Portefeuille des

Nach einer Meldung

tretenen Kriegsminister Bojanowitsch aufgestellten Kriegs⸗

dgets gefordert haben, entschlossen, der von der Armeeleitung vmmütig vertreenen Budgetforderung jehrforderung der Kriegsverwaltung soll in Form nes außerordentlichen Kredits begwillgt werden.

zu entsprechen. Die

8 4 Bulgarien.

Die Sobranje ist gestern aufgelöst worden Die Auf⸗ meldet, nach neunstündiger in der die Gruppen der Opposition aus ver⸗ denen Gründen die Annahme der zwei provisorischen ogetzwölftel ablehnen zu müssen erklärten. Der Minister⸗ dent Radoslawow verlas um Mittternacht den Auf⸗ maserlaß, der mit der Arbeitsunfähigkeit der Kammer be⸗ ndet ist.

Eine von den Militärbehörden in den neuerworbenen Quelle zufolge von insgesamt

Bevölkerung von insgesamt

070 Personen, davon 42 500 männlichen Geschlechts, er⸗

ben. Im Bezirk Mustafa Pascha beträgt die männliche Be⸗ Pkerung 4000 bei einer Gesamtbevölkerüung von 33130 Personen.

Nach der Beilegung der Zwistigkeiten zwischen rwvorläufigen Regierung in Allessio und einem Teil Malissoren durch den Gouverneur von Skutari, den eng⸗

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Asien.

Der japanische Budgetentwurnf veist einer Meldung „W . B. zuslge an ordentlichen Einnahmen 328 645 Yen, an außerordentlichen Einnahmen 106 901 911 auf, an ordentlichen Ausgaben 425 292 026 Yen, an rordentlichen Ausgaben 213 938 530 Yen. Die ordent⸗ Ausgaben des Krieasbudgets betragen 79 873 504 Yen, außerordentlichen 12 087 288 Yen, die ordentlichen der ine 40 909 574 Yen, die außerordentlichen 59 790 846 Yen. Der japanische Admiral Graf Ito ist heute früh in

blio gestorben.

Meldungen des „W. T. ist gestern der für das ganze Gebiet der Süd⸗ kanischen Union von den Gewerkschaften proklamiert en. In Kapstadt ist der Belagerungszustand erklärt

Nach

vorden. Die gestern abend dort eingelaufenen Nachrichten lassen

befriedigend ist. Die

nen, daß die Lage in den Häfen normal,

in Port Eklisabeth und East london ist

enso in Durban, ausgenommen in den dortigen Eisenbahn

fstätten. In Kapstadt streiken nur 300 Arbeiter der River⸗Bergwerke und 60 Mann in den Werkstätten der z, ferner haben die Straßenbahnangestellten beschlossen, Arbeit einzustellen. Die Arbeiter, die die Krane den Docks bedienen und in den Ausstan ge⸗ haben die Arbeit wieder aufgenommen. Johannesburg haben die Minenarbeiter mit Zweidrittel⸗ Der Sekretär der Gewerk⸗ gibt bekannt, daß die

ft der Lokomotivführer und Heizer g für einen allgemeinen

immung in der Gewerkschaft, die

reik ausgefallen war, ungültig sei, da nicht die vorgeschriebene

von Zweidrittel der Mitglieder an der Abstimmung teil⸗ mmen habe. Es könne daher kein allgemeiner Ausstand der Der Straßenbeahnverkehr ist infolge Die Eisenbahnverwaltung hat mit treugebliebener Lokomotivführer und Zugdienst eingerichtet. In

Hilfe von Freiwilligen einen emfontein stehen fast alle Eisenbahner in den Werk⸗ en und im Fahrdienst im Streik. Doch verkehren die gtigsten Zige und werden von Angeestellten aus Kapstadt

Rjent. Die Eisenbahner in Bethlehem und K roonstad

ebenfalls in den Streik getreten. Der letzte Postzug, der tern abend Durban verließ, fuhr bis zur Allendale⸗Haltestelle en im Velt. Dort kuppelte der Lokomotivführer seine motive ab, fuhr nach Natal zurück und ließ Wagen und sagiere im Velt zurück.

Der General Botha hat als Minister für Eingeborenen⸗ legenheiten an alle Eingeborenen im Rand ein Rund⸗ iben gesandt, in dem er ihnen die Lage erklärt und sie zur e mahnt. Das Rundschreiben hat anscheinend eine gute lung ausgeübt.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten

lage.

1

geordneten, welcher der Justizminister Dr. Beseler, der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydom, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, der Minister des Innern Dr. von Dallwitz und der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnten, erbat und erhielt zunächst der Präsident Dr. von Schwerin die Ermächtigung, Seiner Mafestät dem Kaiser und König zum Geburtstage die Glückwünsche des Hauses darzu⸗ bringen.

Dann setzte das Haus die erste Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1914 fort.

Abg. Freiberr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Ich bin davon überzeugt, daß ich dem Hause aus dem Herzen spreche, wenn ich der großen Befriedigung über die E klärung des Ministerpräsidenten in der Welfenfrage hierdurch Ausdruck gebe. Die bündige Erklärung des Herzogs von Braunschweig dahin, daß die welfische Agitation nicht nur seinem Wunsche nicht entspricht, sondern ihm direkt wider⸗ spricht, wird zweifellos der welfischen Bewegung in Hannover den Boden gänzlich abgraben, und ihre vernünftigen Elemente werden sich immer mehr bereit finden, am Wohle unseres Vaterlandes mit⸗ zuarbeiten. Wenn auch vielleicht noch manche Unstimmigkeiten be⸗ stehen, so wird es den Welfen hoffentlich wie den Anhängern der Stuarts in England geben, die sich auch endgültig mit der geschaffenen Lage einverstanden erklärt haben. Ebenso wie der erste R dner, der Abg. Winckler, kann ich der Staatsregierung nicht dringend genug empfehlen, einer Verlängerung der Frist für die Ab⸗ gabe der Steuererklärung für den Wehrbeitrag zuzustimmen. Es ist bei der kurzen Frist ausgeschlossen, eine dem Gesetz entsprechende Vermögenserklärung abzugeben. Ich befürchte auch, daß die preußische Steuerverwaltung für die Bewältigung der großen Arbeit dieses Jahres sich nicht ausreichend grrüstet hat. Ich möchte glauben, daß die Finanzverwaltung das Maß der zu bewältigenden Arbeit nicht genügend eingeschätzt hat. Ich bitte deshalb, zu erwägen, ob nicht noch nachträglich eine Ergänzung der Arbeitskräfte eintritt. Ich kann den schweren Bedenken des Abg. Winckler über die Vermögenszuwachssteuer im Reiche nur in vollem Umfange beipflichten. Ich halte es für einen außerordentlich gefährlichen Vorgang, daß vom Reiche in das Steuer⸗ gebiet der Bundesstaaten eingegriffen worden ist. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, wie sehr die Sozialdemokratie an dieser Forderung interessiert war, wie sie sofort ihren Standpunkt verließ, als sie nach der ablehnenden Haltung der Konservativen befürchten mußte, daß diese Steuer keine Mehrheit findet. Es liegt auf der Hand, daß von der Sozialdemokratie dies als erster und wichtigster Schritt auf dem Wege zur Erfüllung des sozialdemokratischen Steuer. programms angesehen wird. Dieses fordert die Beseitigung aller indirekten Steuern und die Aufbringung aller Bedürfnisse durch direkte Steuern, wobei das Proletariat freibleiben soll. Eine solche Steuerordnung in der Hand von Parlamenten, die aus dem gleichen Wahlrecht hervorgehen, und in denen die Massen die entscheidende Gewalt haben sollen, würde in der Tat einen direkten Kommunismus gänzlich entbehrlich machen. Wenn wir uns öberlegen, daß das Endziel der Sozialdemokratie die Be⸗ seitigung des Privateigentums an allen Produktionsmitteln ist, dann würde es zur Durchführung dieses Endziels einer gewaltsamen Enteignung garnicht mehr bedürfen. Diese Perspektiven geben zweifellos zu denken. Der getane Schritt ist deshalb üͤberaus bedenklich, und ich bitte, doch zu erwägen, ob nicht, wie es möglich war, die Reichswertzuwachssteuer zu beseitigen, auch Mittel und Wege gefunden werden können, bis zum Inkrafttreten der neuen Reichsvermögenszuwachssteuer den Passus aus der Welt zu schaffen, der den Vermögenszuwachs unter Lebenden betrifft. Die Besitzsteuerfrage war im Reichstag nur auf zweierlei Weise zu lösen, entweder im Wege der Erbschaftssteuer oder im Wege der Vermäögenssteuer. Den Weg der Erbschaftssteuer wäre, glaube ich, die Reichsregierung gern gegangen, aber dieser Weg war ihr ver⸗ schlossen durch de ablehnende Haltung der Parteien gegenüber dem Erbanfallsteuergesez von 19909. Da war es in der Tat ein Akt voterländischer Pflichterfüllung, daß die ver⸗ bündeten Regierungen trotz der schweren Bedenken, die sie gegen die Vermögenszuwachssteuer hatten, schließlich im Interesse der Auf⸗ rechterhaltung des Friedens dieser Losung der Deckungsfrage zu⸗ stimmten. Auch meine Freunde im Reichstage haben, obwohl sie die⸗ selben schweren Bedenken gehabt haben, wie sie Kollege Winckler zum Ausdruck gebracht hat, schließlich aus denselben Gründen vater⸗ ländischen Pflichtgefühls fur die Vermögenszuwachesteuer gestimmt, zugleich von dem Gesichtspunkte geleitet, daß die Deckungefrage von derselben Mehrheit erledigt und beschlossen werde, die die Wehr⸗ vorlage bewilligt hatte, damit nicht bei der Erledigung der Oeckungsfrage die Sozialdem kratie als entscheidender Faktor in Szene trete. Was nun den Etat selbst betrifft, so steht er noch unter der rechtlichen Bindung des Ausgleichsfonds bei den Eisenbahnen und der Steuerzuschläge. Diese Steuerzuschläge sollen so lange in Kraft bleiben, bis die definitive Neuordnung unserer Steuern in Kraft tritt. Abgesehen von diesen formellen Gründen, werden wir nicht in der Lage sein, jetzt schon darüber Bestimmung zu treffen, ob und in welcher Höhe wir auf die Steuerzuschläge verzichten können. Ich teile die Auf⸗ fassung des Abg. Winckler, daß die Steuerzuschläge in ihrer jetzigen Höhe nicht für alle Zeit unveränderlich bewilligt worden sie

sind. (Schluß des Blattes.)

Zur Frage der Einschränkung der Diamanten⸗ förderung in Deutsch Südwestafrika erhält „W. T. B.“ von zuständiger Stelle folgende weitere Erklärung:

Die nicht zu bestreitende Tatsache, daß die Kentingentierunas⸗ verordnung den laufenden Vertrag mit dem Antwerpener Syndikat nicht berührt, ist irrtümlicherweise mit der seinerzeit dem Syndikat gestatteten verlangsamten Abnahme der Dtamantenförderung in Ver⸗ bindung gebracht worden. Dabei ist darauf hingewiesen, daß der Dispositionsfonds der Regie bisher nicht zur Unterstützung der Förderer, wie gesetzlich vorgeschrieben, verwendet werde. Dieser Fonds ist aber allgemein dazu bestimmt, die Entwicklung des Handels mit deutschen Diamanten zu fördern, insbesondere bei Fest⸗ setzung eines Höchstmaßes die Mittel zu Erleichterungen zu stellen. Soiche Ecleichterungen dürfen infolgedessen nur der Gesamtheit der Förderer zum Beispiel in Form eiger Milderung der Kontingentierung, wie geschehen gewährt werden, nicht in der Form direkter Unterstützungen an die Einzelförderer. Im übrigen fällt der Fonds bei einer Auflösung der Regie nicht den Förderern, sondern dem Fiskus zu; deshalb geht jede Min⸗ derung zu Lasten des Fiskus. Die Inanspruchnahme des Dispositions⸗ fonds bei der Durchführung der verlangsamten Ablieferung an das Syndikat durch Freihalten der Förderer von den finanziellen Folgen dieser Maßnahme entsprach semer Bestimmung. Die Maßnahme erfolgte in der Adsicht, den späteren Absatz der Diamanten dadurch zu sichern, daß der bisherige Abnehmer angesichts der mißlichen Marktlage nicht mit einer den Markt weiter drückenden Ueberfulle von Diamanten belastet wurde. Die unverbindliche Zu⸗ sage, daß die Regie bei hoher derung und ungünstigen Abnatz⸗ verhältnissen auf Erleichterung des Abnehmers Bedacht nehmen würde, ist übrigens sämtlichen ernsthaften Bewerbern von der Regie gemacht worden. Derartige Erleichterungen sind bei Leistungsverträgen in Industrie und Handel nichts Ungewöhnliches.

Die Besorgnis, daß die Kontingentierung lediglich der Kon⸗ kurrenz zugute komme, die unausgesetzt bestrebt sei, die höchste mögliche Menge zu förden, ist unbegründet. Nach dem letzten Jahresbericht der De Beers⸗Company sind in ihrem letzten Ge⸗

schäftsjahre zwar 200 000 Karat mehr gefördert, aber 30 000 Karat 8 v1XAX“

In der heutigen (3.) Sitzung des Hauses der Ab⸗

v“ 1“

marineamts sind durch den Vizeadmiral Grapow,

8

weniger abgesetzt als im vorletzten. Der Bericht weist darauf hin,

daß technisch der Verdopplung der Förderung nichts im Wege

stände, daß sich die Gesellschaft aber im Interesse der Preisbildung

von jeher und besonders in den letzten Jahren hinsichtlich der

mit der deutschen Ware konkurrierenden kleinen Steine beschränke. Das

Londoner Verkaufssyndikat unterstützt diese Politik der De Beers, in⸗

dem es unauffällig eine weitere scharfe Beschränkung des Angebots, Uebrigens ist das Angebot

besonders in kleinen Steinen, vornimmt.

der deutschen Ware für die Marktlage der kleinen Steine von größter Bedeutung, weil die deutsche Förderung mehr als die Hälfte der

Weltproduktion in dieser Gattung ausmacht.

Der Etat von Deutsch Südwestafrika für 1914 wird durch die Kontingentierung nicht berührt, da bei seiner Aufstellung nicht nur

mit einer ermäßigten Förderungsziffer gerechnet, sondern auch beim Ansatz der Gestehunaskosten und des Erlöses den tänden genügend Rechnung getragen ist.

ungünstigen Um⸗

Nachdem es den Förderern nicht gelungen war, sich über die

Kontingentierung freiwillig zu verständigen, mußte sie von Amts wegen erfolgen. Der Verteilungsschlüssel trägt

den Verhältnissen der

einzelnen Förderer weitgehend Rechnung, was dadurch bestätigt wurde,

daß von keinem der Betroffenen Einweadungen gemacht konnten, die eine wesentliche Aenderung erfordert hätten.

schränkung ist derart erfolgt, daß die Lebensfähigkeit der betroffenen

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werden

Die Be⸗

neun Gesellschaften nicht berührt wird, während die kleinen und

kleinsten Förderer überhaupt freigelassen worden sind.

Zu den Beanstandungen der technischen Durchführung der Kon⸗- tingentierung ist zu bemerken, daß diese unter Mitwirkung der genau unterrichteten örtlichen Bergbehörde festgesetzt ist. Das zugrunde ge⸗ legte Ma erial entsprach der neuesten Ermittlung. Nach zwingenden

gesetzlichen Vorschriften umfaßt das Kontingent jedes Förderers seine gesamte Einlieferung, auch diejenige aus fremden Feldern, sofern sie auf seinen Namen erfolgt. Das Verlangen der Auslieferu

den Nachweis voraus, daß die Förderer die beste mögliche Verwertung der Diamanten gewährleisten. Der Versuch der Regierung, ihnen durch Aufnahme in die Reie die Möglichkeit der Erbringung dieses Nachweises zu geben, ist leider fehlgeschlagen.

ng der Regie an die Förderer setzt

Nachdem kürzlich von

Fördererseite zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Regie ein vermittelndes Angebot gemacht und von der Regierung angenommen

war, sprüchen der Forderer gescheitert.

Theater und Musik. Deutsches Opernhaus.

„Im Deutschen Op Gastspiel. d-Alberts Musikdrama

1 „Tiefland“ und sollte als zweite Gastrolle den

„Fidelio“ singen. Daß der Gastspielabend nicht zustande kam, ist insofern bedauerlich, als sich aus einer einzigen Rolle kein richtiges Urteil ge⸗ winnen läßt. Ihre Marta stand gesanglich ziemlich weit hinter den früheren Vertreterinnen der Partie in Berlin zurück, stellerisch ließ sie, obzwar bühnengewandt, das nötige Temperament zuweilen vermissen. den anderen Partien Pedro, Eduard Schüller als stimmbegabter S bastiano, Elfriede Dorp als Nuri, und die Damen Stolzenberg, Kaesser und Mareck in dem Frauenterzett besonders aus. Vorte fflich klang das Orchester unter der Leitung des Kapellmeisters Keasselt. 1

In der morgigen Aufführung von „Parsifal“ im Königlichen Opernhause lautet die Besetzung: Parsifal: Kundry: Frau Leffler⸗Burckerd; Gurnemanz: Herr Knüpfer; Amfortas: Herr Forsell; Klingsor: Herr Habich; Titurel: Herr van de Sande (Anfang 7 Uhr) Mit sicht auf den Andrang zu den „Parsifal“⸗Vorstellungen und die zahlreichen bei der Generalintendantur der Königlichen Schauspiele einlaufenden Klagen, daß Eintrittekarten nicht zu erhalten seien, ist mit Allerhochster Genehmigung die Reihe der „Parsifal“⸗Auf⸗ führungen um einige Tage verlängert worden. Es werden weitere Vorstellungen des Bühnenweihfestspiels vom 20. bis 25. d. Mts. stattfinden.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, Donnerstag, Schillers „Wilhelm Tell“ in Szene. Herr Sommerstorff spielt die Titelrolle, Fräulein Schönfeld wird die Hedwig spielen. In den anderen Hauptrollen sind die Damen von Mayburg, Ressel, Gregorow und die Herren Kraußneck, Pohl, Eggeling, Böttcher, Geisendörfer, Zimmerer und Mannstädt beschäftigt.

Das Neue Operntheater (Kroll) wird noch volkskunstfreund⸗

lichen Zwecken dienen, bevor es der Spitzhacke verfällt, um dem Neu⸗ bau des Königlichen Opernhauses Platz⸗ zu machen. Die Generalintendantur der Königlichen Schauspiele beab⸗ sichtigt, bei außerordentlich kleinen Preisen (bis zu 50 abwärts) Volks⸗ und Schülervorstellungen bei Kroll zu veranstalten. Die erste dieser Vorstellungen soll G ethes „Iphigenie auf Tauris“ sein. Das Werk soll als Volks⸗ und Schülervorstellung am Sonntag, den 18. d. M., Abends 7 ½ Uhr. bei ermäßigten Preisen in Szene gehen. „Mittelparkett kostet 1,50 bis 2 ℳ, Seitenparkett 1 ℳ. 1 Die Elizabeth Duncan⸗Schule veranstaltet am kommenden Sonnabend, den 17. Januar, Nachmittags 4 Uhr, im großen Saal der Philharmonie eine volkstümliche Tanzaufführung, die inmirten des Saales abgehalten wird. Ein großer Teil der Sitze ist den Schulen vorbehalten. Dienstag, den 20. d. M., findet im Neuen Opern⸗ theater (Kroll) eine Festaufführung unter Mit virkung des Blüthner⸗Orchesters statt, bei der ganze Szenen mit Solo und Chor aus Glucks „Echo und Narziß“ und J. A. Hasses Intermezzo tragico „Piramo e Thisbe“ dargestellt werden. Eintrittskarten sind an den Theaterkassen des Warenhauses A. Wertheim zu haben.

Mannigfaltiges. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin bat, wie W. T. B.“ meldet, dem Ständigen Hilfskomitee für die das Hochwasser betroffenen Hilfsbedürftigen überwiesen. Gestern wurden die ersten 10 000 ereitstehenden Mitteln des Komitees dem Regierungs⸗ denten Drews in Köslin übermittelt. 1 (W. T. B.) Aus Anlaß des beute auf der Werft von Joh. C. Tecklenborg, Aktiengesellschaft, in Geeste⸗ münde stattfindenden Stapellaufs des dritten Schulschiffs des Deutschen Schulschiffvereins, das den Namen seines Protektors, Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich August von Oldenburg, tragen soll, sind außer Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Oldenburg Seine Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Altenburg, Seine Hochfürstliche Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg⸗Lippe und Seine Durchlaucht der Fürst zu Stol⸗ berg⸗Wernigerode hier eingetroffen. Ferner haben mit ihrer Vertretung beauftragt: Seine Majestät der Kaiser und König den Chef, der Marinestation der Nordsee Admiral von Heeringen, Seine Majestät der König von Württem⸗ berg den Konsul Nolze, S ine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen den Kammerherrn Freiherrn von Nagel, Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz Adalbert von Preußen den Korvettenkapitän von Haxthausen. Die Senate der drei Hansestädte sind durch den Bürgermeister Stadtländer⸗Bremen, den Bürgermeister Dr. Eschen⸗ burg⸗Lübeck und den Senator Dr. Schramm⸗Hamburg ver⸗ treten. Der Reichskanzler und der Staatssekretär des Reichs⸗ s der Staats⸗ sekretäur des Auswärtigen Amts durch den Wirklichen Ge⸗ heimen Legationsrat Dr. Lehmann, der Staatssekretär des Reichspost⸗ amts durch den Ministerialdirektor Kobelt vertreten. Außerdem sind die meisten Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses und zahl⸗

Bremen, 14 Januar.

ist die Verständigung an nachträglich erhobenen weiteren An⸗

ischen ernhause gab Fräulein Marie Hösl ein Sie sang am Sonnabend die Partie der Marta in vorgestern zweite

dar⸗

Alles in allem war die L istung mittelgut. In zeichneten sich Alfred Goltz als sympathischer

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Herr Kirchhoff;

Rück⸗