1914 / 12 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

durch Entscheidung vom 11. November, 23. Dezember 1913: 7) a. der Witwenkasse,

b. der Begräbniskasse,

e. der Waisenkasse des Deutschen Privat⸗Beamten⸗Vereins in Magdeburg auf die Pensionskasse dieses Vereins, welche nunmehr unter dem Namen „Deutscher Adler in Magdeburg“ Versicherungs⸗ verein auf Gegenseitigkeit. Vereinigte Versicherungs⸗ kassen des Deutschen Privat⸗Beamten⸗Vereins zum Geschäftsbetrieb im Deutschen Reiche zugelassen ist.

II. Sodann ist folgenden, auf Grund des § 3 Abs. 1 ga. a. O. der Reichsaufsicht unterstellten Unternehmungen unter Anerkennung als kleinere Vereine die Erlaubnis zum Ge⸗ schäftsbetrieb erteilt worden, und zwar:

durch Entscheidungen vom 12. Dezember 1913:

1) der Pensions⸗Zuschußkasse des Vereins der Baye⸗ rischen Verkehrsbeamtinnen (E. V.) in München zum Be⸗ triebe der Pensions, und Sterbegeldversicherung 4 a. a. O),

2) dem Zweiten Sterbekasse⸗Verein zu Michelstadt zum Betriebe der Sterbegeldversicherung 96 Satz 1 a. a. O.),

3) der Privat⸗Unterstützungs⸗Kasse der Firma Wacker Wund Doerr in Niederramstadt (Hessen) zum Betriebe der Kranken⸗ und Sterbegeld⸗Versicherung 96 Satz 1 a. a. O.), 4) dem Arbeiter⸗Unterstützungsverein Gammelsbach in Gammelsbach zum Betriebe der Krankenversicherung 4a a O.), M5) dem Ersten Kranken⸗ und Sterbekassen⸗Verein zu Neckarsteinach zum Betriebe der Kranken⸗ und Sterbegeld⸗Ver⸗ sicherung 96 Satz 1 a a. O.);

durch Entscheidungen vom 15. Dezember 1913: 6) der Rindviehversicherungs⸗Gesellschaft zu Dorf Sill 96 Satz 1 a. a. O.), 7) dem Ziegenversicherungs⸗Verein zu Klein

Auheim 96 Satz 1 a. a. O.),

8) dem Rindviehversicherungs⸗Verein zu Hilters⸗ klingen 4 a. a. O.), . 9) dem Viehversicherungs⸗Verein Fürth⸗Steinbach

in Fürth 4 a. a. O.),

10) dem Ziegenversicherungs⸗V.

Groß Karben in Groß Karben 4 a. a. O.),

11) dem Rindviehversicherungsverein zu Lollar 96

Satz 1 a. a. O.),

12) der Viehversicherungs⸗Gesellschaft in Ginsheim

96 Satz 1 a. a. O.),

13) der Schiederschen Rindvieh⸗Versicherungs⸗Ge⸗ sellschaft zu Schieder 4 a. a. O.).

Berlin, den 12. Januar 1914. 3

Das Kaiserliche E“ für Privatversicherung.

runer.

Gemeinde

Königreich Prentßen. Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den expedierenden Sekretären und Kalkulatoren beim König⸗

lichen Statistischen Landesamt in Berlin Gustav Seidel und Hugo Wallies den Charakter als Rechnungsrat zu verleihen.

Zufolge der Allerhöchst genehmigten Vorschriften, welche den hier akkreditierten Botschaftern auswärtiger Mächte gegen⸗ über zu beobachten sind, haben sämtliche zum Allerhöchsten Hofe ehörigen oder daselbst vorgestellten Herren den Botschaftern nd deren Gemahlinnen, nachdem dieselben von Ihren Kaiser⸗ lichen und Königlichen Majestäten, von Ihren Kaiserlichen ud Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kron⸗ prinzessin und von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen nd den Prinzessinnen des Königlichen Hauses empfangen worden sind, sowie sämtliche zum Allerhöchsten Hofe gehörigen oder daselbst vorgestellten Damen den Botschafterinnen nach allgemeinem Herkommen den ersten Besuch, und zwar in Person, zu machen. Diese Bestimmung tritt jetzt in betreff des Bot⸗ schafters der Vereinigten Staaten von Amerika und dessen Ge⸗ mahlin in Kraft. Berlin, den 12. Januar 1914. Der Oberzeremonienmeister:

.

Freiherr von Reischach.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗* angelegenheiten.

Der ständige juristische Hilfsarbeiter bei dem Provinzial⸗ schulkollezium in Maadeburg, Gerichtsassessor Dr. Karl Israbsl. is bei seiner Uebernahme in die Verwaltung der Provinzial⸗ schulkollegien zum Regierungsassessor ernannt worden.

binisterium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Die Oberförsterstelle Potsdam im Regierungsbezirk Potsdam ist zum 1. Mai 1914 zu besetzen. Bewerbungen müssen bis zum 1. Februar eingehen.

Ministerium des Innern. Dem Dozenten der Akademie für praktische Medizin, Ober stabsarzt Dr. Ernst Stuertz in Cöln ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Bekanntmachung.

Der Vorschrift im § 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. 7. 1893 (G.⸗S. S. 152) entsprechend wird zur öffent⸗ lichen Kenntnis gebracht, daß der im Steuerjahr 1913 ein⸗ schätzbare Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1912 für die preußische Strecke der Altenburg⸗Zeitzer Eisenbahn einschl. der Zweiglinie Meuselwitz Spora auf

festgestellt worden ist. Erfurt, den 12. Januar 1914. Der Königliche Eisenbahnkommiss b.X.“*“

Seine Majestät der Kaiser und König konferierten heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam mit dem Neichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg und hörten die Vor⸗

träge des Kriegsministers, Generalleutnants von Falkenhayn, des Chefs des Generalstabes der Armee, Generals der Infanterie von Moltke und des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Freiherrn von Lyncker.

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Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenarsitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Justizwesen und für Rechnungs⸗ wesen, die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Rechnungswesen sowie der Ausschuß für Handel und Verkehr

8 8 lsch 8 8 8 b Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika, The Honourable James W. Gerard und dessen Gemahlin werden, wie aus der bereits veröffentlichten Hof⸗ ansage hervorgeht, nunmehr die zum Allerhöchsten Hofe gehörigen oder daselbst vorgestellten Herren und Damen empfangen. Dieser Empfang wird am Montag, den 19. d. M., Abends von 9 Uhr ab, in der Botschaft hierselbst, Wilhelmplatz 7, statt⸗ finden. Der Anzug ist für die Damen in ausgeschnittenen Kleidern, für die Herren vom Militär in kleiner Unikorm (Ge⸗ sellschaftsanzug), für die Herren vom Zivil in Frack mit Ordensband über der Weste.

Bayern.

Bei der gestrigen Beratung des Etats des Ministeriums

des Aeußern im Finanzausschuß der Reichsratskammer

kam die frühere Erklärung des Ministerpräsidenten Grafen

Hertling über die Ergänzung der Kammer der Reichs⸗ räte zur Erörterung.

Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Referent Graf Crailsheim, er sei der Ansicht, daß eine Ergänzung der Kammer der Reichsräte auf Grund von Wahlen oder Präsentationen ihr nicht zuträglich sei. Die Reicheratskammer sei unabhängig von den wechselnden Strömungen des Parteilebens und biete daher eine Garantie für die stetig, aber besonnen fortschreitende Entwicklung des Staatswesens. Der Ministerpräsident Graf Hertling erwiderte, er wolle feststellen, daß er bei seinen Ausführungen in der Kammer der Abgeordneten das Wort „R form der Reichsratskammer“ nicht gebraucht habe, mit Absicht nicht, denn er sei der Anschauung, daß die Kammer der Reichsräte nicht reformbedürftig sei. Als bei der Beratung des Etats des Aeußern in der Kammer der Abgeordneten die Frage einer Aende⸗ rung der Zusammensetzung der Reichsratskammer neuerdings erörtert worden sei, habe die Staatsregierung geglaubt, die Sache gewisser⸗ maßen selbst in die Hand nehmen zu sollen, um dadurch einer unnötigen Verschärfung der Frage vorzubeugen. Die Absicht der Re⸗ gierung sei dahin gegangen, in Fühlunz mit der Reichsratskammer gewisse Aenderungsvorschläge auszuarbeiten und diese dann als Vor⸗ schläge der Staatsregierung dem Landtage zu unterbreiten. Auch der Ministerrat habe sich mit dieser Sache in diesem Sinne befaßt

Baden.

Am Schluß der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer gab der Staatsminister von Dusch, wie „W. T. B.“ meldet, die Erklärung ab, daß die Regierung hinsichtlich der Jesuiten⸗ frage in jeder Hinsicht gesetz⸗ und rechtmäßig vorgegangen sei. Es sei nichts geschehen, was den Charakter einer Verfolgung gehabt habe. Einer vollständigen Aufhebung des Jesuiten

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gesetzes könne die Regierung nicht zustimmen, einer Milderung aber werde sie nicht ablehnend gegenüberstehen. 8

Sachsen.

Seine Königliche Hoheit der Kronprinz Georg vollendet heute sein 21. Lebensjahr. Er wird damit groß⸗ jährig und tritt gemäß der Verfassung als Mitglied in die Erste Kammer der Ständeversammlung ein. Seine Majestät der König hat nach einer Meldung des

.T. B.“ aus diesem Anlaß 35 Strafgefangenen im Alter von noch nicht 21 Jahren die Freiheit geschenkt und bei zwei Verurteilten in gleichem Alter Erlaß der Strafe eintreten lassen. Ferner hat Seine Majestät einige Disziplinarstrafen gegen Angehörige des 1. Leibgrenadierregiments Nr. 100 und des 5. Infanterieregiments Kronprinz Nr. 104 erlassen.

In der Ersten Kammer wurde gestern mit der all⸗ gemeinen Etatsberatung begonnen. Mehrere Redner wandten sich entschieden gegen die vom Reiche ausgehende Beeinträchtigung der finanziellen Selbständigkeit der Bundes⸗ staaten. Der Finanzminister von Seydewitz erklärte, obiger Quelle zufolge: s 8

Die sächsische Regierung werde jederzeit einer direkten Besteuerung des Vermögens durch das Reich entgegentreten, wie sie überhaupt eine ihrer vornehmsten Aufgaben darin erblicke, die Reichsverfassung vor jeder Abbröckelung zu bewahren. Ebenso würde eine Fixierung der Matrikularbeiträge das bundesstaatliche Verhältnis zum Reiche beein⸗ trächtigen. Er freue sich, bei dieser Politik die Zustimmung des sächsischen Landtages zu finden.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung gab der Kultusminister

Dr. Beck auf eine Anfrage „Wie die Regierung zur Errichtung einer zweiten Universität in Sachsen stehe“ die Erklärung ab, er habe auf Grund eines Beschlusses des Gesamtministeriums mitzuteilen, daß die Regierung wie früher so auch jetzt aus finanziellen Gründen die Errichtung einer zweiten Universität in Sachsen nicht für angemessen erachte.

Elsaß⸗Lothringen.

In der Zweiten Kammer des Landtags gab gestern nachmittag zu Beginn der Debatte über die Interpellation, be⸗ treffend die Zaberner Angelegenheit, laut Meldung des 2 T. B.“ der Präsident Dr. Ricklin folgende, von den vier Parteien des Hauses eingebrachte Resolution bekannt: Die Zweite Kammer ist mit der Regierung der Ueberzeu⸗ gung, daß die Zivilverwaltung in Zabern durchaus ihre Pflicht getan und daß zu dem Eingreifen des Militärs jeder tatsächliche Anlaß und jede rechtliche Grundlage gefehlt hat. Sie stellt fest, daß die Regierung auch im engen Rahmen ihrer verfasfungsmäßigen Befugnisse eine größere Energie zur Erlangung einer Genugtuung für die dem elsaß⸗lothringischen Volke zugefügte Beleidiaung hätte entfalten sowie zur Aufflärung und Beruhtgung etwas hätte tun können. Sie vermag endlich in der gestrigen Erklärung keire Gewähr gegen eine Wiederholung solcher gesetz⸗ und rechteverle tzenden Vorkon mnisse zu finden. Die Zweite Kammer bittet den Reichstag, dem sie füͤr sein energisches Eintreten den Dank des elsaß⸗loth ingischen Volkes ausspricht, in Fortführung des Kampfes um die Wahrung von Gesetz und Recht einzutreten für⸗ 1) eine den modernen burgerlichen Anschauungen entsprechende reichs⸗ gesetzliche Abgrenzung der Gewalten, 2) eine Reform der Militär⸗ gerichtebarkeit, 3) einen Ausbau unserer Verfossung in der Richtung der vollen bundesstaatlichen Selbständigkeit Elsaß Lothringens.

Hierauf wurde in die Debatte über die Interpellation ein⸗

getreten.

Zunächst ergriff der Unterstaatssekretär Dr. Petri das Wort, um folgendes auszuführen: Es ist richtig, daß die drei Staatsanwälte in Zabern vom Vorsitzenden des Kriegsgerichts nicht geladen worden waren. Ich habe darauf die Staatsanwälte von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entbunden und telegraphisch aufgefordert, sich dem Präsidenten des Kriegsgerichts zur Verfügung zu stellen. Sie haben Punkt für Punkt die Angriffe widerleat, die Oberst von Reuter erhoben hat. Ich habe meinerseits Veranlassung ge⸗ nommen, einen Bericht vom Oberstaatsanwalt einzufordern, der vor⸗ gestern eingelaufen ist. Daraus ergibt sich, daß die Staatsanwalt⸗ schaft durchaus sachgemäß gehandelt hat. Dabei ist festzustellen, daß gegen keine einzige Zivilperson eine Anzeige ergangen war und somis auch keine Verfolgung von Zivilpersonen eintreten konnte. Oberit von Reuter hatte keinen Grund, der Meinung Ausdruck zu geben, als ob die Staatsanwaltschaft bei ihren Entschließungen von einer gewissen Voreingenommenheit befangen war, sei es gegen die Person des Herrn Obersten, sei es gegen das Militär überhaupt. Ich weise eine solche Unterstellung im Namen der Staatsanwaltschaft und der ganzen Justizverwaltung entschieden zurück. Bezüglich der Zurück⸗ haltung der Verhafteten im Pandurenkeller verweise ich auf die gestrige Regierungserklärung. Verwahrung muß ich aber dagegen ein⸗ legen, daß Oberst von Reuter seine Maßnahmen damit begründet, es sei nicht damit abgetan, daß die Sistierten dem Amtsgericht vor⸗ geführt werden. Daraus klingt der Vorwurf, das Gericht würd⸗ seines Amtes nicht pflichtgemäß walten und die Verhaftungen nicht mit dem nötigen Ernst behandeln. Die Justizverwaltung hat die Interessen der Justiz nach bestem Wissen und Gewissen gewahrt. Ich schließe mit der Erklärung, daß auch fernerhin unbegründete Angriffe und Vorwürfe gegen die Justizbehörde von mir mit aller Entschieden⸗ heit zurückgewiesen werden, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Der Abg. Hauß (Zentr.) drückte dem Unterstaatssekretär die An⸗ erkennung des Hauses für seine energischen Worte aus. Umsoweniger habe die gestrige Regierungserklärung befriedigt, in der vor allem die Bürgschaft dafür vermißt werde, daß künftighin die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten strenge Beachtung finden, eine Bürgschaft, die doch in Donaueschingen feierlich verkündet worden sei. Die er⸗ schreckende Kluft, die sich zwischen dem bürgerlich n Rechtsbewußtsein und den haltlosen Ehr⸗ und Rechtsbegriffen des Militärs aufgetan, sei unerträglich im Rechtsstaat, der die Freibeit des Bürgers garantiere. Der Redner kritisierte das Kriegsgerichtsurteil scharf. Die Beein⸗ flussung durch den Polizeipräsidenten von Jagow sei nicht die einzige, die in diesem traurigen Prozeß festzustellen gewesen sei. Daß auch der Kronprinz des Deutschen Reiches beteiligt sein solle, schmerze die Elsaß⸗Lothringer besonders Die Kabinetts⸗ order von 1820, auf die sich der sei ungültig. Es sei erwiesen, daß die Kräfte der Zivilverwaltung in Zabern genügt hätten, um die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Trotz des Urteils bleibe er dabei, daß von Reuter und seine Offiziere wider Recht und Gesetz die Zivilver⸗ waltung an sich gerissen und Freihettsberaubungen der schiimmsten Art verübt hätten. Habe dem Oberst von Reuter auch das Be⸗ wußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt, als ihn die Richter und Staatsanwälte auf das Ungesetzliche seines Vorgehens aufmerksam gemacht hätten? Das Gericht habe sonderbarer Weise diese Spuren nicht verfolgt. Wäre der Schleier gelüftet worden, dann wären der General von Deimling und der Chef seines Generalstabes Graf von Waldersee erschienen, die die Vorgänge in Zabern verschuldet hätten. Noch nie sei eine Regierung so mit Ruten gezüchtigt worden. Pflichtverletzung habe man ihr vorgeworfen; in Zabern selbst aber habe sie ihre Pflicht und Schuldigkeit getan. In Berlin habe der Vertreter der Regierung in eigener Sache nicht sprechen dürfen. Zabern zeige somit in krassester Weise die Ab⸗ hängigkeit der elsaß⸗lothringischen Regierung von Berlin. Der Träger der Staatsgewalt von Elsaß⸗Lothringen sei in erster Linie König von Preußen. Sobald elsaß⸗lothringische Interessen mit den preußischen in Widerspruch gerieten, werde sich natur⸗ gemäß das Herz dieses Kaisers und Königs auf die preußische Seit⸗ meigen. Da)u käme, daß unverantwortliche Ratgeber sich das Ohr des Monarchen erschlichen hätten, die ihm die Verhältnisse in Elsaß⸗ Lothringen in einer Weise schilderten, die im Gegensatz zu der Wirk⸗ lichkeit stände. Im preußischen Herrenhause habe der Reichskanzler erklärt, daß der Kaiser die elsaß⸗lothringischen Bundesratsstimmen instruiere. Damit sei ein Gegensatz zu der elsaß⸗lothringischen Verfassung geschaffen, die bestimme, daß der Statthalter die Bundesratsbevollmächtigten zu instruieren habe. Der 10. Januar sei der größte Unglückstag für Elsaß⸗Lothringen gewesen. An diesem Tage habe der Reichskanzler mit rauher Hand den Hauplbestandteil der Verfassung Elsaß⸗Lothringens zertrümmert. Hierauf führte der Unterstaatssekretär Mandel aus, er habe umsoweniger Anlaß gehabt, im Reichstage zu sprechen, als von seiten des Reichse kanzlers und des Kriegsministers nicht der mindeste Vorwurf gegen die Landesver⸗ waltung von Elsaß⸗Lothringen erhoben worden sei. An der Erregung der Zabderner Bevölkerung sei zum größten Teil die Presse schuld. Was ein janger unerfabrener Leutnant in der Kaserne sage, das könne einen ganzen Volksstamm nicht beleidigen. Die Zaberner Angelegenheit habe mit der Verfassung nichts zu tun. Es sprachen noch die Abgg. Kiener (Lothr. Block) und Emmel (Soz.) worauf der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach nochmals, wiederholt von Zwischenrufen unterbrochen, den Standpunkt der Regierung darlegte. Er bestritt das Be⸗ stehen einer Nebenregierung und betonte, daß die Regierung nicht das Recht gehabt hätte, sich in die Militärangelegenheiten einzumischen. Die Regierung sei stets bestrebht gewesen, die Interessen des Landes zu schützen. Der Staaätssekretär schloß mit dem Appell zur Mir⸗ arbeit, damit das Resultat bald erreicht werde, welches die Regierung und das elsaß⸗lothringische Volk sehnlichst wünschen. 8

amn daran

schwer. Oberst berufe,

Oesterreich⸗Ungarn. 8 vorgestern begonnene Sitzung s Budgetar schusses des österreichischen Abgeordnetenhauses dauerte, wie „W. T. B.“ meldet, infolge der Dauerreden der tschechischen Agrarier und der Tschechisch⸗Radikalen gestern nachmittag noch fort. Die Sitzung soll gegebenenfalls bis heute vormittag bis zum Beginn der Sitzung des Abgeordnetenhauses fortgeführt werden.

In der gestrigen Sitzung des ungarischen Abge⸗ ordnetenhauses kam es zu großen Lärmszenen. Die Opposition war nämlich äußerst erregt darüber, daß der Immunitätsausschuß wegen verschiedener Vorfälle in der vor⸗ gestrigen Sitzung für die nächste Sitzung einen Bericht vor bereitet hatte, worin dem Abgeordnetenhause äußerst drakonische Strafen für einige Abgeordnete vorgeschlagen werden. Ueber den Verlauf der Sitzung berichtet das „W. T. B.“, wie folgt:

Zu Beginn der Sitzung rief der Präsident den Minister⸗ präsidenten Grafen Tisza zur Ordnung, weil er in seiner gestrigen Rede nach einer Rede des Abg. Vazsonyvi die ppositionellen „Abenteurer und Desperados“ genannt hatte. Der Ordnungsruf wurde von der Opposition mit großem Lärm aufgenommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung beantragte der Immunitäts⸗ ausschuß, daß wegen der vorgestrigen Vorfälle drei Abgeordnete von 15 und einer von 45 Sitzungstagen ausgeschlossen werden sollen. Die Opposition nahm diesen Antrag mit stü mischen Protest⸗ rufen auf und rief: Das stenographische Protokoll ist gefälscht. Graf Julius Andrassy ergriff das Work und sagte u. a., der Präsident habe den Ministerpräsidenten nachträglich zur Ordnung ge⸗ rufen, weil er sich inzwischen vergewissert habe, daß der Minister⸗ präsident ihm deshalb nicht zürnen werde. Graf Andrassy wurde zur Ordnurng gerufen, und als er seine Bemerkung wiederholte, zum zweiten Male. Später kam es zu einer neuen Lärmsz ne, als nach der Rede des Abg. Andrassp ein Abgeordneter der Mehrbeit

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1 zuerst mit dem Ministerpräfidenten Graf Tisza sprach und scch sodann zur Präsidentenestrade begab. Die Opposition nahm dies mit großem Lärm und den Rufen auf: „Jetzt erhält er von dem Minister⸗ präsidenten seme Befehle.“ Zwei Abgeordnete wurden an den Im⸗ munitätsausschuß gewiesen. Der Ministerpräsident Graf Tisza er⸗ griff hierauf das Wort und begründete die Urteile des Immunitäts⸗ ausschusses. . Redner wurde von der Opposition wieder⸗ holt durch lärmende Protestrufe unterbrochen, weshalb mehrere Abgeordnete zur Ordnung gerufen und zwei Abgeordnete an den Fmmunitätsausschuß verwiesen wurden. Der Ministerpräsident verurteilte das Vorgehen der Opposition und sagte, wer die Ehre

des Parlaments hochhalte, werde es begründet finden, daß derartige

Maßnahmen gegen die lärmenden Abgeordneten getroffen werden müßten. Diese Maßregeln würden durch die Haltung der Opposition provoziert. Bezüglich gewisser Vorwürfe erklärte der Minister⸗ präsident, daß er sich nicht darum kümmere, welche Abgeordnete in die bekannte Korruptionsaffäre der Margarethen⸗Insel⸗Spielbank verwickelt wären. Wenn jemand konkrete Daten vorbringe, werde er sofort strengste Untersuchung einleiten und mit den strengsten Naßnahmen vorgehen. Nachdem der Ministerpräsident ge⸗ schlossen hatte, forderte der Vorsitzende die ausgeschlossenen Abgeordneten, darunter den Grafen Michael Karolyi, auf, den Sitzungssaal zu verlassen. Die Abgeordneten leisteten dieser Auf⸗ sorderung nicht Folge, weshalb der Präsident die Sitzung aufhob. Während der Pause erschien die Parlamentswache und forderte die drei Abgeordneten auf, den Sitzungssaal zu verlassen. Da sie sich weigerten, erteilte der Kommandant mehreren Soldaten der Wache den Befehl, die drei Abgeordneten aus dem Saale zu entfernen. Nun ergaben diese sich in ihr Schicksal und verließen in Begleitung der Wache den Saal. Die Opposition brachte den ausgeschlossenen Abgeordneten dabei laute Huldiguugen dar.

Nach der Wiederaufnahme der Sitzung wurde die General⸗ zebatte über das Preßgesetz fortgesetzt.

Großbritannien und Irland. Antwort des Dreibundes auf den britischen Vorschlag, betreffend die Aegäischen Inseln, ist gestern abend im Auswärtigen Amt überreicht worden. Die Noten, die einzeln überreicht wurden, sind ihrem Charakter nach überein⸗

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simmend. Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, enthalten die

Antworten keinerlei Ueberraschungen in der Richtung, daß Griechenland eine der Inseln vorenthalten würde, die nach dem britischen Vorschlage ihm zufallen sollten. Die Antworten nehmen in allgemeinen Ausdrücken mehr oder weniger alle britischen Vorschläge einschließlich der in Greys Note enthaltenen Vorbehalte für die Wahrung der Freiheit der Minderheiten, sowohl der griechischen wie der muselmanischen, an. Was die von Italien besetzten Inseln angeht, so wird dies als eine besondere Frage angesehen; doch wiederholt Italien seine Erklärung, daß die Inseln der Türkei zurückgegeben werden sollen, sobald alle Verpflichtungen des Friedens von Lausanne aus⸗ geführt sind. 8 8 Frankreich. Der Präsident der Republik Poincaré mittag den griechischen Ministerpräsidenten empfangen.

Der Marineminister Monis bereitet, wie „W. T. B.“ meldet, bezüglich des Verhaltens der Kriegsflotte bei religiösen Veranstaltungen einen Erlaß vor, durch den dem Trennungsgesetz und dem Grundsatz der religiösen Neu⸗ tralität des Staates Rechnung getragen werden soll.

Der radikale Deputierte Andrieur hat an den Finanz⸗

hat gestern nach⸗ Venizelos

minister eine schriftliche Anfrage gerichtet, ob es ihm bekannt

sei, daß französische und ausländische Banken gegenwärtig ohne amtliche Ermächtigung ausländische Anleihewerte bei

dem französischen Publikum privatim unterzubringen

suchen, und welche Maßnahmen er dagegen zu ergreifen ge⸗ denke. Der Finanzminister Caillaux antwortete obiger Quelle zufolge, daß gegenwärtig keine gesetzmäßigen Handhaben gegen ein derartiges Vorgehen bestünden, daß jedoch die Finanz⸗ verwaltung nach Mitteln suche, um eine heimliche Plazierung ausländischer Wertpapiere zu verhinderrn.

Portugal.

Das Budget für das Rechnungsjahr 1914/15 siehrt nach einer Meldung des „W. T. B.“ einen Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben von 3392 Contos Reis vor. Der Finanzminister hofft, für Zwecke der Landesverteidigung außer den bereits im Budget mehr als im Vorjahre aus⸗ geworfenen 858 Contos Reis noch 2500 Contos Reis mehr zur Verfügung stellen zu können.

Die Angestelten der portugiesischen Eisen⸗ bahngesellschaft sind gestern früh in den Ausstand ge⸗ rreten. Der Eisenbahnverkehr ist dadurch lahmgelegt. Als Grund des Ausstandes wird obiger Quelle zufolge angegeben, daß die Angestellten mit den neuen Bestimmungen über die bensionskasse unzufrieden sind. Von einzelnen unbedeutenden Sabotagefällen abgesehen, verlief der Streik bisher ruhig. Die Regierung wird die Bahnhöfe durch Truppen besetzen lassen. Die Post wird teils mit Automobilen, teils See befördert.

„Nach einer Meldung des „W. T. B.“ ist der General LEiman von Sanders zum Marschall des türkischen Heeres mmd der General Bronsart von Schellendorf zum ersten tellvertretenden, Chef des Generalstabes ernannt worden. .

¹ Rumänien.

Der König Karol hat anläßlich des Neujahrstages an T in dem er laut

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die Armee einen Tagesbefehl erlassen, Meldung des „W. T. B.“ auf die treue Pflichterfüllung hin⸗ wies, die die Armee bei Vollbringung der bedeutsamen Taten des letzten Jahres bewiesen habe, und hinzufügte, daß die Schnelligkeit und Energie, mit der die großartige Aktion durch⸗ zeführt worden sei, den Ruhm der Arme rde

Montenegro.

Aus Anlaß des Neujahrsfestes empfing der König gestern die Mitglieder des diplomatischen Korps, für das der deutsche sandte von Eckart als Doyen die Glückwünsche aussprach.

Nach dem endgültigen Wahlergebnis sind, wie „W. T. B.“ meldet, 46 Mitglieder der Regierungspartei und 16 Oppositionelle, darunter 9 Radikale in die Skupschtina gewählt worden.

Albanien.

Wie nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ ver⸗ schert wird, sollen die Griechen fünfzehn Dörfer in den Bezirken Scrapari und Coritza geräumt haben. Die Nach⸗ richten aus Elbassan lauten beruhigender.

Amerika.

Die kanadische Regierung wird dem „Reuterschen Bureau“ zufolge in der neuen Parlamentssession, die heute beginnt, die Flottenvorlage nicht wieder einbringen. Die Regierung beabsichtigt vielmehr zu warten, bis die Mehrheits⸗ verhältnisse im Senat sich geändert haben werden.

Afrika.

Der von der Regierung der Südafrikanischen Union ver⸗ hängte Belagerungszustand erstreckt sich nach Meldungen des „W. T. B.“ auf die wichtigsten Bezirke Transvaals, des Oranjestaates und Natals, durch die Hauptbahnen führen, mit Einschluß Durbans, Pietermaritzburgs und, entgegen der gestrigen Nachricht, mit Ausschluß der Kapkolonie. Die Lage dort bessert sich. Die Hälfte der Arbeiter in den Docks und Werkstätten, die die Arbeit niedergelegt hatten, haben sie gestern wieder aufgenommen. Die Straßenbahnen waren gestern vormittag in Betrieb, doch waren die Motor⸗ führer übereingekommen, die Arbeit niederzulegen, wenn ein Ruf an sie ergehen sollte. Der vom Gewerkschaftsverband an geordnete Streik der Bergarbeiter bezieht sich vorläufig nur auf Transvaal und den Oranjefreistaat. Dem Vernehmen nach wird der Gewerkschaftsverband der Kapprovinz je nach den Umständen den Streik anordnen oder nicht. In Johannesburg wird das Kriegsrecht streng durchgeführt. Die Bürger sind ge⸗ halten, von 8 Uhr Abends bis 5 Uhr früh in ihren Häusern zu bleiben. Niemand darf ohne besondere Erlaubnis die Stadt betreten oder verlassen. Patrouillen von Bewaffneten durch⸗ ziehen beständig die Straßen. In der Gewerkschaftshalle be finden sich etwa 300 bewaffnete Männer, die entschlossen sind, jedem Sturm auf das Gebäude Widerstand entgegenzustellen. In dem Gebäude befindet sich der Streikführer Bain, der von dort aus Anordnungen für die Streikbewegung trifft. Die unter Tage arbeitenden Bergleute auf der Grube Sinner Jack haben sich über die offizielle Abstimmung hinweggesetzt und gestern nachmittag eine eigene Abstimmung abgehalten, die so gut wie einstimmig gegen den Streik aus⸗ gefallen ist. Um 11 Uhr Abends war die Nachbarschaft der Gewerkschaftshalle fast gesäubert, und eine geschlossene Kette von Polizisten mit aufgepflanztem Bajonett verhinderte jeden Zutritt zur Halle. Die City Deepgrube ist in normalem Betrieb, und die Verwaltung beabsichtigt, den Betrieb aufrecht⸗ zuerhalten. Auf den Witbankkohlengruben hat alle Arbeit auf⸗ gehört. Am Westrand sind alle Gruben mit Ausnahme der West Rand Consolidated im Betrieb. Man glaubt, daß die Arbeiter weiter arbeiten werden, wenn sie eines sicheren Schutzes gewiß sind. Die Dynamitanschläge auf die Eisenbahnen dauern fort.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (4.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeitenn von Breitenbach, der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow, der Minister der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz, der Minister des Innern Dr. von Dallwitz, und der Finanz⸗ minister Dr. Lentze beiwohnten, wurde zunächst der An⸗ trag der Abgg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) und Genossen, die Staatsregierung zu ersuchen, das beim Landgericht in Posen gegen den Abg. Ernst schwebende Strafverfahren wegen Beleidigung für die Dauer der Session auszusetzen, ohne Debatte einstimmig angenommen. 1

Darauf setzte das Haus die erste Beratung des Ent⸗ wurfs des Staatshaushaltsetats für 1914 fort.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa kkons.): Ich werde mich möglichst wenig mit dem Etat und mehr mit Dingen be⸗ schäftigen, die mit dem Staatsinteresse zusammenhängen. Der Abg. Herold hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, bemängelt, daß der Landwirtschaftsminister eine Verfügung erlassen hat, die den Gemeinden die Aufnahme der obligatorischen Einführung der religiösen Unterweisung in den Fortbtldungsschulen erschwert. Der Abg. Herold fand, dat diese Verfügung zu großen Bedenken Veranlassung gebe. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der Landwirtschaftsminister bereits im vorigen Jahre eine ähnliche Erklärung abgegeben hat. Er sagte damals, die Staatsregierung trage Bedenken, eine solche Zulassung den Gemeinden zu⸗ zugestehen. Es wäre vielleicht am Platze, wenn der Landwirtschafts⸗ minister auch andere Seiten dieser Frage berücksichtigt hätte. Bei den Verhandlungen über die gewerblichen Fortbildungsschulen wurde auch von unserer Seite angeregt, daß den Gemeinden überlassen werden müsse, im Ortsstatut eine solche Verpflichtung zur religiösen Unterweisung in den Lehrplan aufzunehmen. Der Handelsminister gab damals die Erklärung ab, daß die Entscheidung hierüber von Fall zu Fall erfolgen müsse. Daraufhin ist eine Beschlußfassung so erfolgt, wie sie auch unseren Interessen entsprach. Daraus geht hervor, daß immerhin eine gewisse Ver⸗ schiedenartigkeit der Auffassung innerhalb der Staatsregierung vor⸗ liegt. Grundsätzlich sind meine Freunde der Ansicht, daß es auch im Staatsinteresse liegt, eine solche religiöse Unterweisung in den Fortbildungsschulunterricht aufzunehmen. Der Hinweis auf das Landrecht, nach denen das Kind mit 14 Jahren über seine Zugehörigkeit zu einer Religion entscheidet, er⸗ scheint uns reichlich bureaufratischer Natur. Gegenüber gewissen subversiven Tendenzen sind solche bureaukratischen Hinweise heute wirklich nicht am Platze. An die heranwachsende Jugend treten in moralischer und sonstiger Beziehung so große Ver⸗ suchungen heran, daß man sie nicht feüh genug davor schützen kann. Ich glaube, das Staatsministerium hat alle Veranlassung, dem Gegenstand erneut seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und viel⸗ leicht einen einheitlichen Standpunkt in der Sache herzu⸗ stellen. Es wäre mir lieb, wenn der Handelsminister nicht gleich antwortete, sondern sich die Sache erst überlegte. Abg. Dr. Wiemer hat das Wahlgesetz zum Gegenstand seiner Aus⸗ führungen gemacht. Meine polilischen Freunde stehen auf dem Standpunkt, der Ministerpräsident und der Minister des Innern dieser Tage eingenommen haben. Sie sind der Meinung, daß es Sache der Regierung ist, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen erachtet, mit einem Wahlgesetz vor das paus zu treten; besondere Eile hat es ja nicht. (Zuruf links.) Wenn Sie einmal an der Regierung sind, würde ich Ihnen das ganz entschieden empfehlen, einigermaßen reicht es noch aus. Man muß zwar zugeben, daß das preußische Wahlrecht einiger Be⸗ richtigungen bedarf. Aber es gibt auch noch andere Wahlrechte, die ebenfalls reformbedürftig sind. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Gemeindewahlrecht!) Die Sozzaldemokraten verlangen ja, daß auch die Frauen das volle Stimmrecht haben, ebenso jedes Kind, ich weiß nicht, ich glaube von 14 Jahren. Die Geschäfte des Landes sind auch auf Grund dieses Wahlrechts immer in der richtigen Weise erledigt worden (Widerspruch links). Wollen Sie dem widersprechen⸗ Ich habe die

den

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Meinung gehabt, daß Sie das auch für sich in Anspruch nehmen würden. Ueber Ihre Begründung der Forderung des allgemeinen Reichstags⸗ wahlrechts für Preußen habe ich mich eigentlich gewundert. Es würde Ihnen hier auch sicher genau so gehen, wie im Reichstag.

sinnigen nur ein einziges Mandat bei der Hauptwahl erworben haben. Da werden die Herren Freisinnigen einsehen, daß noch andere Kräfte vorhanden sind, die ihnen bei diesem politischen Selbstmordversuch in den Arm fallen und sie daran verhindern, daß er praktische Gestalt annimmt. Wenn Sie also ein solches Verlangen nach dem allge⸗ meinen Wahlrecht haben, dann machen Sie doch einen Versuch damit. Ich glaube, daß wir auch in der Stadt Berlin immer noch besser daran sein werden, als wenn das erfüllt wird, was Sie wünschen. Abg. Dr. Wiemer erwähnte auch den Fall Jagow, der das Interesse seiner in den letzten Wochen lebhaft beschäftigt hat. Diese Erörterung, die Herr von Jagow in der Zeitung er⸗ lassen hat, ist ohne jede Beifügung seines Amtscharakters ge⸗ schehen. Wenn das gleichwohl geschehen ist, so ist es ohne sein Zutun, ohne seinen Willen und ohne seine Verantwortung der Fall gewesen. Dafür kann er nicht verantwortlich gemacht werden (Zuruf links: Er mußte das doch voraussehen). Wenn eine solche Erklärung von einem Mitgliede Ihrer Partei in die Oeffentlich⸗ keit gekommen wäre, so wäre ein solches Aufsehen niemals ent⸗ standen. Von einer abfälligen Kritik des Gerichtsurteils ist keine Rede. Jeder Staatsbürger hat das Recht, wenn er glaubt, wichtige rechtliche Gesichtspunkte zu erkennen, sie zur Gel⸗ tung zu bringen. Es handelt sich auch nicht um eine Kritik der Regierung, das wird nur von Ihnen immer so dargestellt. Auch von einem Eingriff in die Kompetenzen des Reichstags ist nicht die Rede. Denken Sie auch daran, wie Sie im vorigen Jahre über das Urteil des Erfurter Kriegs⸗ gerichts gesprochen hatten; an dem Urteil ist kein Haar gut geblieben (Zuruf). Da ist auf Ihr Geschrei sogar ein Gesetz mitten in ein Verfahren hinein erlassen. Das Vorgehen gegen den Herrn von Jagow erklärt sich wohl nur daraus, daß er ein konservativer Mann und so den linksstehenden Herren keine sympathische Person ist. (Sehr richtig! links.) Richtig ist allerdings, ein Leisetreter ist er nicht. Er ist einer der tüchtigsten Beamten, die wir in Preußen haben. Wir werden uns unsererseits die Freude an diesem außerordentlichen Manne nicht trüben lassen. Die Rede des Herrn Dr. Röchling war uns durchaus sympath ssch. Mit Herrn Wiemer bedauern auch wir, daß Herr Dr. Friedberg nicht hier sein kann, und auch wir hoffen, daß er bald gesund sein wird. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß wir annehmen, Wir sind mit der Aeußerung des Herrn Dr. vollkommen einverstanden, daß das Kartell der schaffenden Stände, das sich in den letzten Monaten angebahnt hat, ein sehr wichtiger Fortschritt auf dem Gebiete der allgemeinen Verständigung ist. Auch wir meinen, daß wir damit einen Schritt vorwärts tun. Wir sind nicht so einseitig wie vielfach geglaubt wird. Wir treten nicht nur für die Landwirtschaft ein; wir wissen sehr wohl, daß auch die anderen Erwerbsstände das⸗ selbe Recht haben, und wir sind bereit, mit allen diesen zusammen⸗ arbeiten und gemeinsame Ziele zum Wohle des Vaterlandes zu ver⸗ folgen. Damit ist auch den Arbeiterinteressen gedient, deren Wohl auch wir im Auge haben. Deshalb hat die Arbeiterschaft keinen Grund, sich gegen dieses Kartell zu wenden. Zu unserer großen Freude hat Herr Dr. Röchling den Schutz der nationalen Arbeit als einen der wichtigsten Gegenstände bezeichnet. Wir wollen jedem Erwerbsstande den Schutz zugestehen, der zu seiner Existenz notwendig ist. Gegenüber den Aeußerungen des Herrn Dr. Röchling kann ich nur den Wunsch aussprechen, daß er auch in den Kreisen seiner Partei recht nachdrücklich für diese seine Auffassung wirkt. Diese Fragen werden ja leider nicht im Ab⸗ geordnetenhause, sondern im Reichstage erledigt. Deshalb darf man es uns nicht übel nehmen, daß wir in dieser Beziehung gewisse Bedenken haben wegen des nahen Verhältnisses, in dem im Reichstage die Nationalliberalen zu der fortschrittlichen Volkspartei stehen. Herr Wiemer hat allerdings gestern auch schöne Worte für die Landwirtschaft gehabt. Aber dabei ist es bisher immer geblieben, und ich fürchte, daß die Ein⸗ wirkung der Freundschaft seiner Partei auf ihre nationalliberalen Genossen nur einen sehr bedenklichen Einfluß haben könnte. Deshalb hoffe ich, daß die Richtung, die Herr Röchling hier vertreten hat, zum Durchbruch kommt, damit der Schutz der nationalen Arbeit zur Verwirklichung kommt, wie es das Interesse unseres Vaterlandes verlangt. Es wäre besser gewesen, wenn Herr Dr. Röchling allerdings nicht erst den Vorwurf gegen die Agrarier, also gegen die Konservativen erhoben hätte, daß diese der Industrie das Brot so recht nicht gönnten. Gewisse Richtungen in der Industrie finden ja nicht unseren Beifall. Auch gebe ich zu, daß wir Konservativen das liegt vielleicht in unserer ganzen Entwicklung nicht immer das rich ige Ver⸗ ständnis für die Interessen der Industrie gehabt haben. Das haben wir aber inzwischen gelernt; wir sind desbalb weit entfernt von einer grundsätzlichen Industriefeindschaft. Wir wollen ihr geben, was sie braucht. Die Caprivischen Handelsverträge sind seinerzeit geradezu im Interesse der Industrie abgeschlossen worden, und sie haben die Landwirtschaft direkt an den Rand des Abgrunds gebracht. Sie wurden damals von den Vertretern der Industrie verlangt. Herr Dr. Miguel, der doch auch ein national⸗ liberaler Mann war, hat später selbst einmal gesagt, daß es höchste Zeit wäre, daß nun endlich auch einmal die Landwirtschaft heran⸗ käme. Während dieser Zeit hat die Industrie ihr Fett abgeschöpft. Es ist zu verstehen, wenn sich damals in agrarischen Kreisen ein ge⸗ wisser Mißmut geltend gemacht hat. Doch lassen wir das Vergangene begraben sein. Wir stehen jetzt auf demselben Boden, und ich hoffe, daß uns die wirtschaftlichen Kämpfe, die uns bevorstehen, nicht trennen werden. 3

(Schluß des Blattes.)

vertreten. Röchling

dortigen Kunsthalle Alfred Lichtwark im Alter von 62 Jahren gestorben. Lichtwark war in Hamburg geboren, studierte in Leipzig und Berlin Kunstgeschichte und war nach vollendetem Studium längere Zeit Bibliothekar am Königlichen Kunstgewerbemuseum in Berlin. Aus dieser Stellung wurde er als Leiter der Kunsthalle in seine Vater⸗ stadt berufen, und hier gelang es seinem Organisationstalent, seinem Kunstsinn und seiner Werbekraft die Hamburger Galerie in 27 ähriger Arbeit zu einer der wertvollsten Kunststätten auszugestalten. Auch literarisch war der Verstorbene vielfach tätig und hat auf den Kunst⸗ geschmack weiter Kreise anregend und veredelnd eingewirk

Im letzten Jahre ist es Hauptmann Bailcy und Hauptmann Morshead gelungen, das Tsangpo⸗Brahmaputra⸗Problem zu lösen. Sie haben festgestellt, daß Tsangpo und Brahmaputra tatsächlich, wie man bereits auf Grund indirekter Beweise ver⸗ mutete, die gleichen Flüsse sind. Die Reisenden hatten, wie die Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde schreibt, mit großen keiten zu kämpfen, da Gebirgsketten mit über 5000 m hohen Gipfeln zu übersteigen waren. Hier vergewisserte man sich auch, daß die in einer schwer zugänglichen Schlucht vermuteten Tsangpo⸗Fälle vorhanden sind.

1 kürzlich die 2. Internationale Welt⸗ kartenkonferenz getagt. 34 Staaten hatten Vertreter gesandt, darunter Preußen und Sachsen die Professoren Penck⸗Berlin und Partsch⸗Leipzig. Die Konferenz hatte den Zweck, die in Paris über

In Paris hat

eine einheitliche Weltkarte im Maßstabe 1:1 000 000 gefaßten Be⸗

Denken Sie nur an die letzten Reichstagswahlen, wo die Frei⸗

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Herr Röchling habe die Interessen seiner Partei nicht ebenso gut

In Hamburg ist nach langer, schwerer Krankheit der Direktor der