1914 / 17 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Hier hätte man erst unsere Wünsche hören sollen. Wie nötig eine Unterstützung der Hochsee⸗ und auch der Binnenschifferei ist, das zeigen die Folgen der letzten Sturmflut. Der Mordprozeß Hopf sollte doch dem Reichsamte des Innern zu erwägen geben, ob nicht dagegen Maß⸗ regeln zu ergreifen sind, daß jeder K⸗beliebige sich Bakterienkulturen beschaffen kann. Ebenso gibt der vielfache Mord des Lehrers Wagner vielleicht Anlaß, der Einschränkung des Waffentragens näherzutreten. Wenn das Reichsamt des Innern alles tut, um die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft aufrechtzuerhalten, dann wird es wie in der Vergangenheit, so auch in Zukunft die treue Unterstützung meiner Partei finden.

Abg. von Graefe (dkons.): Am Sonnabend hat der Abgeord⸗ nete Schmidt⸗Berlin behauptet, daß im Gegensatz zu der Meinung seiner politischen Freunde auf anderer Seite der Ruf nach Schluß in der sozialpolitischen Gesetzgebung erhoben wird. Er zählt die Deutsch⸗ konservativen wohl auch zu dieser „anderen Seite“. Aber auf uns trifft diese Behauptung nicht zu. Wir haben stets auf dem Stand⸗ punkt gestanden, daß wir die sozialpolitische Gesetzgebung den tatsäch⸗ lichen Verhältnissen dauernd anpassen müssen. Wir fassen allerdings den Begriff der Sozialgesetzgebung nicht einseitig als eine bloße Arbeiterfürsorge auf, sondern verstehen darunter den dauernden Aus⸗ gleich zwischen den berechtigten Ansprüchen der verschiedenen Bevölke⸗ rungsklassen. Aber auch auf dem engeren Gebiete der Arbeiterfürsorge soll nach unserer Meinung kein Stillstand eintreten. Was vermieden werden muß, ist ein übertriebenes Tempo in dem Ausbau dieser Ge⸗ setzgebung, ein ununterbrochenes Aufeinandertürmen von Gesetzen. Wenn man die Wirksamkeit der einzelnen Gesetze nach ihrer Einfüh⸗ rung in die Praxis vorurteilslos prüft, wird man doch vielleicht auf allen Seiten hier und da eine gewisse Uebereilung konstatieren müssen. Als Gegner der sozialpolitischen Gesetzgebung kann uns nur Vor⸗ eingenommenheit bezeichnen. Auch Handelskammern haben festgestellt, daß die Durchführung der Sozialpolitik in Deutschland dem Unter⸗ nehmertum unverhältnismäßig hohe Lasten auferlegt hat, im übrigen darf ich auf die bekannte Schweighofersche Broschüre verweisen; Bebel selbst hat auf dem Parteitage in Jena sich ähnlich ausgesprochen. Den⸗ selben Ausgleich wie die Arbeiter in den höheren Löhnen findet der Landwirt nicht annähernd in dem Steigen der Preise für seine Pro⸗ dukte; dieses Steigen ist, wie gerade die letzte Zeit augenfällig zeigt, nicht konstant. Die Getreidepreise z. B. sind vielmehr einem steten Schwanken unterworfen. Die Arbeiterschaft ist doch nicht fähig, aus eigener Kraft diesem oder jenem Elend einmal abzuhelfen. Was soll sonst die kolossale Anhäufung von Kapitalien bedeuten, die gegen⸗ wärtig bis zu 100 Millionen in den Gewerkschaften thesauriert sind? Was würden Sie sagen, wenn von Staats wegen solche Steuersummen auf Vorrat bewilligt und im Juliusturm aufgespeichert würden? deutsche Arbeiter ist heute mit einer nichtstaatlichen Privatabgabe von 29,06 belastet, wovon nur 8 für Unterstützungen ausgegeben werden; im Ausland liegt das Verhältnis ganz anders. Keine andere Gesellschaftsklasse hat soviel Steuern auf Vorrat angesammelt. Die schreckliche Schilderung des Abg. Schmidt⸗Berlin über unsere soziale Gesetzgebung, über die elende Lage unserer Arbeiterschaft dürfte sich durch diese Erwägungen doch etwas modifizieren. Die Konsequenz⸗ macherei auf dem Wege einer schablonenhaften Fortführung der So⸗ zialpolitik zeigt sich in ihrer ganzen Schönheit jetzt in der Gleich⸗ stellung der ländlichen Bevölkerung mit der städtischen auf dem Ge⸗ biete der Dienstboten⸗ und der Krankenversicherung der Landarbeiter. Darüber geht jetzt ein großes Wehklagen durch die Lande. Der Be⸗ freiungsparagraph 418 der Reichsversicherungsordnung wird zum Teil von den Krankenkassen in einer Weise aufgefaßt, die die Bestimmung illusorisch macht. Man muß den Klagen des liberalen Kommunalvereins in Schöneberg zustimmen. Die Krankenkasse in Groß Lichterfelde verlangt eine Hinterlegung von 1000 für jeden Dienstboten, gleich⸗ gültig, welches Vermögen der Versichernde hat. Andere Kranken⸗ kassen haben Zahlungsmethoden, die ebenfalls die Bestimmung illuso risch machen, so die, daß sämtliche zu Versichernde ihre Einwilligung zu der Befreiung geben müssen. Es mag eine gewisse Vorsicht bei den Befreiungen am Platze sein, aber soweit dürfen die Kassen doch nicht gehen, wie es von ihnen geschehen ist. Das Angestelltenversicherungs⸗ gesetz ist nicht mit der nötigen Vorsicht behandelt worden. Eine Ani mosität gegen das Prinzip über die weitere Durchführung der sozialen Gesetzgebung liegt uns fern. Im Gegenteil, wir verlangen auch einen höheren Schutz für die Jugend. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter hat bedenklich zugenommen. In politischen Fragen stehen wir auf dem Standpunkt, daß auf dem Wege der Gesetzgebung für die Jugendlichen eingetreten werden muß; wir sind bereit, das Reichsamt des Innern auf diesem Gebiete zu unterstützen. Der Vorwurf, daß seit 1855 hier nichts geschehen ist, ist allerdings unbegründet. Freilich darf man nicht alles über einen Kamm scheren. Man muß unterscheiden zwischen Arbeiten, die nicht gesundheitsschädlich sind, und solchen, die leicht sind. Es muß unterschieden werden zwischen Fabrik⸗ und ländlicher Arbeit. Die Gesetzgebung darf diese Fragen nicht schematisch regeln. Die Re⸗ gierung ist bei der internationalen Konferenz in Bern auf dem richtigen Wege gewesen. Auch ich bedauere, daß die Kommission bisher den Reichszuschuß für die Olympischen Spiele abgelehnt hat. Meine poli⸗ tischen Freunde haben die Absicht, die Wiederherstellung dieses Titels zu beantragen. In der Jugendfürsorge haben wir also gewisse Be⸗ rührungspunkte mit der Sozialdemokratie. Wenn aber der Abgeord⸗ nete Schmidt am Sonnabend das Recht der freien Persönlichkeit be⸗ tonte und verlangte, daß der Arbeiter einer Koalition beitreten dürfe, wie er wolle, so wäre es nur logisch, daß die Sozialdemokraten unserem Antrag auf Schutz der Arbeitswilligen beitreten. Wir wollen das Recht des Arbeiters schützen, sich dort zu koalieren, wo er will. Wir

wollen also eine Sicherung des Koalitionsrechtes. Ich für meine Person bekenne mich uneingeschränkt als Freund des Organisations⸗ wesens und halte es für eine ganz notwendige Erscheinung unseres Wirtschaftslebens. Ich würde mir nicht aufrichtig vorkommen in meinem Eintreten für den Bund der Landwirte, wenn ich nicht anderen Erwerbskreisen denselben Zusammenschluß zugestände. Ich begrüße deshalb auch die nationalen Arbeitsverbände. Nach meinen Erfah⸗ rungen gehört ein großer Mut dazu, solchen Verbänden anzugehören. In der Frage der Organisation der Landarbeiter vermisse ich die Ob⸗ jektivität bei den Sozialdemokraten. Eine gewaltsame Mißernte zu verschulden, wird doch niemand verantworten wollen. Wollen Sie den Landarbeitern dasselbe Recht geben wie den gewerblichen, so kön⸗ nen Sie nicht verhüten, daß doch einmal ein Streik kommt und eine ge⸗ waltsame Mißernte die Folge ist. Es ist keineswegs so unbillig, daß wir den Landarbeitern nicht dasselbe Koalitionsrecht gewähren wollen. Eine gewisse Versicherung haben die Landarbeiter in dem patriarchali⸗ schen Verhältnis. Nirgends herrscht auf dem Lande eine eigentliche Armut. Die landwirtschaftlichen Löhne folgen den industriellen auf dem Fuße. Ich freue mich, daß die Landarbeiter die Früchte der ge⸗ werblichen Lohnkämpfe mitgenießen. Bei der Knappheit der Land⸗ arbeiter ist ihr Lohn in den letzten Jahren vielfach in einem schnelleren Verhältnis gestiegen als in der Industrie. Die Auswüchse des Koa⸗ litionsrechts, die zu einer Tötung der persönlichen Freiheit führen, sind auf das schärfste zu bekämpfen. Es ist erfreulich, daß sich draußen im Lande diese Erkenntnis immer mehr Bahn bricht. Wenn auch der Vorstand des Hansabundes den Beschlüssen seines Industrierates nicht beigetreten ist, so ist das Ganze doch immerhin ein erfreuliches Zeichen. Auch die Rede des Abg. Röchling im Abgeordnetenhause bietet hierfür den Beweis. Man meint allerdings, man könne mit den bestehenden Gesetzen auskommen. Wie wenig das der Fall ist, das zeigt doch die Rede des Abg. Schmidt vom Sonnabend. Ich bin kein Freund von Umwegen. Ist ein Schaden vorhanden, dann soll man ihm entgegen⸗ en. Da in Unternehmerkreisen das Streikpostenstehen als die uptquelle des Schadens angesehen wird, so soll man es eben ver⸗ bieten. Ich bedauere nur, daß die christlichen Gewerkschaften sich in dieser Frage so ablehnend verhalten. Sie sind vielleicht von ihrer eigenen Stärke zu sehr überzeugt. Sie sollen aber einmal nach Ge⸗ enden kommen, wo sie keine starke Organisation haben, dann werden ie erkennen, wie auch ihre Angehörigen unter diesem Terrorismus u leiden haben. Wir werden deshalb unsern dahinzielenden Antrag in Form einer Resolution wieder einbringen. Ich erkläre gleich von vornherein, daß wir uns nicht durch den Wortlaut unserer Resolution

N Ber

Mittel gefunden zu haben glaubt, dann für dieses stimmen. Am meisten leidet unter diesem Terrorismus der gewerbliche Mittelstand. Die Antwort der Berliner Handelskammer in der Frage des Zu⸗ gabeunwesens ist nur zu bedauern. Das Unwesen wird anerkannt, man verweist aber das Handwerk auf den Weg der Pribatklage. Eine starke Organisation des Handwerks halte ich für notwendsg. Wenn auch in ihm allerlei große Gegensätze vorhanden sind, so werden sie doch am besten durch eine starke Organisation ausge⸗ glichen. Deshalb begrüßen wir auch die Gründung der reichs⸗ deutschen Mittelstandsbereinigung. Der Abg. Peus führte im vorigen Jahre mit Bezugnahme auf die Konsumbäckerei in Dessau aus, daß dadurch 30 bis 40 selbständige Bäckermeister ruiniert worden sind. Er pries es als einen ungeheuren Vorteil, daß 4000 Arbeiter auf diese Weise jährlich zusammen 40 000 sparen. Also die 10 auf den Kopf sind mehr wert, als die 30 bis 40 selbständigen Existenzen. Es kann nicht laut genug in das Land herausgerufen werden, daß die Sozialdemokratie geradezu für den Ruin des ge⸗ werblichen Mittelstandes ist. Wie objektiv unwahr überhaupt das Gerede von dem unvermeidlichen Untergang der kleinen Betriebe ist, das zeigt die amtliche Statistik. Wenn solche Wirkung schon in Dessau eintreten konnte, wie mag es da in anderen Städten aus⸗ sehen! All das muß in ernsteste Erwägung gezogen werden. Der Standpunkt ist vollständig gerechtfertigt, daß bei Fortsetzung der sozialen Gesetzgebung die Sicherstellung des gewerblichen Mittel⸗ standes geradezu geboten ist. Das liegt im Interesse des Arbeiters elbst. Denn wenn unser Erwerbsleben so erschüttert ist, daß die Arbeitgeber ruiniert sind, dann muß der Zeitpunkt kommen, wo die ganze soziale Gesetzgebung auch für die Arbeiter illusorisch ist. Darum wünschen wir unsererseits eine besonnene Fortführung der Sozialpolitik, die den Grundsatz durchführt, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert ist, wie überhaupt jede erwerbstätige Person.

Abg. Pospiech (Pole): Man hat uns mit Stolz vorgeführt, was schon alles auf dem Gebiete der Sozialreform geleistet worden ist; wir sind der Meinung, daß noch vieles zu geschehen hat, um den Arbeiter in seinem Arbeitsverhältnis wie in seiner politischen und religiösen Ueberzeugung wirklich zu schützen. In Oberschlesien haben sich Verhältnisse entwickelt, die nach einer Reform geradezu schreien. In Oberschlesien gibt es Arbeitgeber und Vorgesetzte der Arbeiter, die da glauben, jeden Arbeiter wie einen Rekruten behandeln zu können, die sich der unglaublichsten Schimpfworte bedienen; es ist sogar vorgekommen, daß ein Steiger einen 17jährigen Arbeiter, der ihn polnisch anzureden wagte, nicht nur zu beschimpfen, sondern ihm auch noch ins Gesicht zu schlagen sich erdreistete. Es wird von den Arbeitern dort verlangt, daß sie auch außerhalb der Arbeitszeit sich der Willkür und Laune des Arbeitgebers in politischer und religiöser Beziehung unterordnen; tun sie es nicht, werden sie aus dem Dienst gejagt. Wegen Betätigung bei der Reichstagswahl 1903 sind Entlassungen erfolgt; noch heute ist es den Betreffenden nicht ge⸗ lungen, dort wieder Arbeit zu bekommen, und das nur deswegen, weil es der Herr Kohlenbaron nicht zuläßt. Bei den Landtags⸗ und Gemeindewahlen wird natürlich peinlich genaue Kontrolle geführt; wehe dem Arbeiter, der nicht so wählt, wie die Zechenverwaltung es haben will. Neuerdings mischen diese Verwaltungen sich sogar in die Kirchenwahlen ein. Natürlich ist das Koalitionsrecht der Bergarbeiter den oberschlesischen Grubenbaronen ein Dorn im Auge. Vereine, die nur die wirtschaftliche Hebung des Arbeiters bezwecken, erklärt man sofort für politisch. Es gibt in Oberschlesien Ort⸗ schaften, wo alles, jedes Haus, jede Wirtschaft und jeder Gewerbe⸗ betrieb dem Unternehmer gehört, wo also der Arbeiter dem Unter⸗ nehmer mit seiner ganzen Existenz ausgeliefert ist. Nicht minder gefährlich als die Bauernlegerei in der Landwirtschaft ist die Bauernlegerei, die die Industrie betreibt; ganze Ortschaften gehen auf diese Weise zu Grunde. Damit wird auch der Rest der politischen Freiheit des Arbeiters zu Grabe getragen. Aufgabe einer für⸗ sorglichen Regierung müß sei Wandel zu schaffen.

Hierauf wird um 6 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag 1 Uhr pünktlich vertagt; vorher Anfragen.

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 6. Sitzung vom 19. Januar 1914, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung fort.

Bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Gehalt des Ministers“ (36 000 ℳ), werden mitberaten der Antrag der Abag. Büchting und Genossen (nl.),

„das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung aufzufordern, möglichst bald geeignete Maßnahmen zu treffen, durch welche die schwierige Lage des Imkerstandes mit Erfolg gebessert werden kann“,

und der Antrag der Abgg. Dr. Faßbender (Zentr.) und Genossen, dem sich außer dem Zentrum auch die Konservativen, die Freikonservativen und die Nationalliberalen angeschlossen haben, und der lautet:

„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, bei dem Herrn Reichskanzler dahin zu wirken, daß entsprechend der vom Reichstage angenommenen Re⸗ solution vom 26. April 1913 möglichst bald dem Reichstag ein dem Grundgedanken des Nahrungsmittelgesetzes sinngemäß nach gebildeter Gesetzentwurf vorgelegt werde, welcher, dem Schutze der Landwirtschaft ebenso wie demjenigen des reellen Handels Rech⸗ nung tragend, geeignet erscheint zur Beseitigung der auf dem Gebiete des Handels mit Futter⸗, Düngemitteln undd Sämereien herrschenden Mißstande.“ Abg. von Kessel (kons.) als Referent: In der Kommission ist festgestellt worden, daß im Gegensatze zu dem vorigen Jahre eine wesentliche Erhöhung der Ausgaben in diesem Etat nicht vorgesehen ist. Es wurde dabei der Wunsch ausgesprochen, daß mit Rücksicht auf die Verhältnisse in der Landwirtschaft in Zukunft eine höhere Dotie⸗ rung des Etats vorgenommen werde; wenn auch die letzte Ernte quantitativ gut gewesen sei, so treffe dies doch nicht auf alle Gegenden zu. Es wurde auch auf die außerordentlich niedrigen Getreidepreise hingewiesen. Ferner wurde darüber debattiert, daß es notwendig sei, sich in Zukunft noch mehr der reinen Viehzucht zuzuwenden, aber daß man ebensowenig den Getreidebau vernachlässigen dürfe. Vor⸗ geschlagen wurde die Vermehrung der Winterschulen und eventuell die Anlegung von Musterfeldern. Der Minister hat zugegeben, daß der Etat für 1914 nicht erheblichere Mittel aufweise. Er macht aber. darauf aufmerksam, daß doch im vorigen Jahre der Etat eine große Erhöhung erfahren habe, und man doch dankbar dafür sein müsse, daß keine Abstriche gemacht worden sind. Der Schwerpunkt in der Fleisch⸗ versorgung liege ja in der Schweinezucht. Wichtig sei eine Viebh⸗ versicherung. Es sei wünschenswert, sie auch in den Provinzen einzu⸗ führen, wo sie bisher fehle. Bei Besprechung der Fleischnot wurde festgestellt, daß nur noch drei Städte, Berlin, Danzig und Nürnberg, von der Einfuhrerlaubnis Gebrauch machen, die zudem am 1. April 1914 aufhören müsse, da über diesen Zeitpunkt hinaus die Zollerleichte⸗ rungen nicht gewährt werden. Es wurde auch für wünschenswert er⸗ klärt, daß eine gewisse Fühlung zwischen Produzenten und Konsumenten angebahnt werden sollte. Die Bestimmungen gegenüber der Maul⸗ und Klauenseuche wurden als richtig anerkannt und festgestellt, daß diese Seuche tatsächlich im Rückgang begriffen ist. Auch mit der Tuber⸗ kulosebekämpfung sind im allgemeinen günstige Erfahrungen gemacht worden. Was den Handel mit Futter⸗ und Düngemitteln anbetrifft,

1 te es sein, auf diesem Gebiete gründlich

gestrigen

festlegen lassen. Wir werden, wenn jemand ein anderes wirksames

Gesetzentwurf zubereiten. Ferner wurde auch in der Kommission über die Frage der ausländischen Arbeiter und der russischen Rück⸗ wanderer gesprochen. Bei den ausländischen Arbeitern besteht die Gefahr, daß der Zuzug der landwirtschaftlichen Arbeiter aus Oester⸗ reich und Rußland unterbunden werden koönnte. Es wurde aber doch im allgemeinen ausgesprochen, daß Befürchtungen in dieser Beziehung vielfach übertrieben seien. Vom Landwirtschaftsminister ist nach dieser Richtung hin ausgiebige Auskunft gegeben worden. Was den Verein für russische Rückwanderer betrifft, so ist es nicht nur wünschenswert, sondern sogar notwendig, daß der Verein seitens der Staatsregierung die nötigen Mittel erhält, die ihm seine Weiterexistenz ermöglichen. Beim Zuckerrübenbau wurde in der Kommission der Ansicht wider⸗ sprochen, daß die Verhältnisse auf dem Zuckermarkte solche seien, daß der Zuckerrübenbau nicht mehr rentabel sei. Ebenso wurde der Schutz der Vogelwelt berührt und die Frage der Schädigung der landwirt⸗ schaftlichen Betriebe durch industrielle Anlagen.

Abg. Dr. Busse (kons.): Auf den Gebieten der landwirtschaft⸗ lichen Technik, der Viehzucht, der Getreidezucht liegen noch wichtige Aufgaben. Die Lage der Landwirtschaft kann keineswegs als eine rosige angesehen werden. Die Getreidepreise haben einen Tiefstand erreicht. Bedenklich liegen auch die Verhältnisse auf dem Gebiete der Viehhaltung und der Viehzucht. Magervieh und Mastvieh ist so klein geworden, daß die Mästung gar nicht mehr lohnt. Dabei müssen die Viehzüchter immer mit den Tier⸗ krankheiten rechnen, vor allen Dingen mit der Maul⸗ und Klauen⸗ seuche. Diese ist ja erfreulicherweise im Abnehmen begriffen, aber immer noch nicht ausgerottet. Ich freue mich, daß der Herr Minister es in dieser Frage an nichts fehlen läßt. Immerhin ist das allgemeine Interesse an der Viehzucht nicht zurückgegangen, aber in vielen Ge⸗ genden läßt sich der Viehbestand jedenfalls noch erheblich vermehren. In dieser Frage sollten sich die Landwirtschaftskammern noch weiter be⸗ mühen, und ich bitte auch den Minister, sein Augenmerk hierauf zu richten. In der Frage der landwirtschaftlichen Saisonarbeiter ist die Befürchtung aufgetaucht, Rußland könnte den Zuzug abschneiden. So viel steht aber doch fest, daß nach den bestehenden Handelsverträgen Rußland dies nicht darf. Schon Fürst Bülow hat es ausgesprochen, daß die Landwirtschaft die Quelle der Volkskraft ist.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich kann ohne jedes Bedenken die letzt zitierten Worte des Fürsten Bülow unterschreiben und mich ebenso auch zu dem Schlußsatze des Herrn Vorredners bekennen. Mir ist es sehr wohl verständlich, daß bei sämtlichen Herren Rednern, die bisher zu dem Etat gesprochen haben, und wohl hier im ganzen hohen Hause der Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung in soweit eine gewisse Enttäu⸗ schung hervorgerufen hat, als er gegenüber dem Jahre 1913 eine erhebliche Verstärkung der Mittel nicht aufweist. Ich habe schon in in der Budgetkommission zum Ausdruck bringen können, daß es mir als Landwirtschafsminister selbstredend nur erwünscht sein könnte, wenn jeder Etat eine möglichst hohe Vermehrung der Aufwendungen für landwirtschaftliche Zwecke mit sich bringen würde. Aber im gegenwärtigen Jahre habe ich doch in Rücksicht ziehen müssen, daß der Etat für 1913 besonders im Erxtraordina⸗ rium ganz erhebliche Verstärkungen aufwies, Verstärkungen, die sämtlich im laufenden Etat beibehalten worden sind, und daß ich mich deshalb gegenüber den großen Anfordernngen, die anderweitig an die preußische Finanzverwaltung gestellt worden sind, zur Zeit bescheiden mußte.

Meine Herren, ich habe dabei nicht verkannt, daß es auch in Zu⸗ kunft großer Anstrengungen bedürfen wird, um die Landwirtschaft auf der jetzigen Höhe zu erhalten und in ihren Leistungen weiter zu stei⸗ gern. Ich verkenne ebensowenig, daß einzelne Umstände, wie der be⸗ dauerliche Tiefstand der Zuckerpreise, das Zurückgehen der Getreide⸗ preise, die hohen Anforderungen, die Staat und Gemeinden an die landwirtschattlichen Betriebe stellen, die Schwierigkeiten in der Be⸗ schaffung von Wanderarbeitern und die Zunahme ihrer Ansprüche ge⸗ wiß dazu beigetragen haben, in einem großen Teil unseres Vaterlandes die Einnahmen aus den landwirtschaftlichen Betrieben herabzusetzen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich die Befürchtungen er⸗ wähnen, die in den letzten Monaten laut geworden sind anläßlich der Mitteilungen in der Presse über gesetzliche und polizeiliche Maßnahmen, die in Oesterreich⸗Ungarn und in Rußland bezüglich der Wander⸗ arbeiter geplant werden. In Rußland scheint es sich zunächst nur um ein polizeiliches Vorgehen, um eine Fürsorge für die Wander⸗ arbeiter nach der Richtung zu handeln, daß ihre Kontrakte einer Prüfung unterzogen werden und sie von den Behörden belehrt werden, wie sie zu möglichst günstigen Bedingungen abschließen können.

Die Befürchtung, daß Rußland dazu übergehen könnte, die Grenze für Saisonarbeiter zu schließen, muß ich schon deshalb für unbegründet halten, weil sich Rußland uns gegenüber in dem jetzt geltenden Handels⸗ vertrag verpflichtet hat, den Wanderarbeitern die sogenannten 10 ½-Monatspässe auszustellen, und diese Verpflichtung auch bisher un⸗ umwunden anerkannt hat. Aber ich bin auch nicht der Ansicht, daß die Kultur in Rußland so rasche und gewaltige Fortschritte gemacht hat, daß Rußland schon in absehbarer Zeit imstande wäre, den großen Ueberschuß an ländlichen Arbeitern bei sich zu beschäftigen und zu ernähren! Rußland wird noch lange Jahre hindurch einen Teil seiner Arbeiter im Sommer über die Grenze ziehen lassen müssen und ist jedenfalls augenblicklich gar nicht in der Lage, die vielen Millionen aufzubringen, welche seine Arbeiter jetzt außerhalb ihres Vaterlandes im Sommer verdienen und der Heimat zuführen.

In Oesterreich liegt dem Reichsrat ein Gesetz vor, welches an⸗ läßlich der betannt gewordenen Agitation der großen Schiffahrts⸗ gesellschaften in seinen einzelnen Bestimmungen noch verschärft worden ist. Auch dieses Gesetz befaßt sich mit den Wanderarbeitern und sieht eine allgemeine Paßpflicht für sie vor, strenge Ueberwachung der Werbetätigkeit und auch des Vertragsschlusses, Haft⸗ und Kautionspflicht der Werber. Das Gesetz bezweckt augen scheinlich nicht allein den Schutz der Auswanderer, der ja auch von unserem Standpunkt aus nur gutgeheißen werden könnte, sondern zweifellos auch eine Beschränkung der Abwanderung, die bei Durch führung der im Gesetze vorgesehenen Maßnahmen auch von selbf eintreten wird. Es sind Verhandlungen mit der österreichischen Re gierung in die Wege geleitet, und ich glaube, daß begründete Aussicht dafür vorhanden ist, daß die Bestimmungen dieses Auswanderungs gesetzes für Oesterreich so gefaßt und auch so ausgelegt werden, daß wir auch in Zukunft auf den für uns notwendigen Zuzug von Arbeitern aus der Donaumonarchie rechnen können.

Meine Herren, ich habe diese Ausführungen nicht gemacht, um dadurch den Eindruck zu erwecken, als hätten wir in den nächsten Jahren nicht notwendig, in noch größerem Umfange für die An⸗ setzung von ländlichen Arbeitskräften im Inlande tätig zu sein. Im Gegenteil; ich glaube, wir werden damit rechnen müssen, daß der Strom der vom Auslande kommenden Wanderarbeiter von Jahr zu Jahr

so hat sich der Minister auf eine Anfrage bereit erklärt, einen solchen

langsamer fließen, von Jahr zu Jahr sich vermindern wird. Gegen⸗

zber dieser Tatsache weiß ich allerdings keinen anderen Rat, als nach

Die Spannung der Preise zwischen,

Möglichkeit die Ansetzung inländischer Arbeitskräfte im Verein mit der inneren Kolonisation ins Auge zu fassen. (Sehr richtig und Bravo! rechts.) Was auf diesem Gebiete bisher geschehen ist und was in Zukunft noch geschehen kann, das darf ich mir auszuführen vorbehalten bei der Besprechung der inneren Kolonisation, die nach Fhrer heutigen Beschlußfassung ausgesetzt ist und auch meines Er⸗ achtens zweckmäßig an die Beratung des Grundteilungsgesetzes ange⸗ schlossen werden kann, welches hoffentlich in wenigen Wochen dem Landtage vorgelegt werden kann.

Meine Herren, angesichts der Fleischteuerung im vergangenen und vorvergangenen Jahre und angesichts des zeitweisen Rück⸗ ganges in unseren Viehbeständen ist natürlich die Vermehrung des heimischen Viehbestandes Gegenstand der unablässigen Fürsorge der landwirtschaftlichen Verwaltung geblieben. Zu meiner Freude kann ich Ihnen heute mitteilen, daß nach dem Ergebnis der gerade jetzt bekannt gewordenen Zahlen über die Viebzählung vom 1. De⸗ zember 1913 in Preußen unsere Bemühungrn nicht erfolglos geblieben sind. Die Viehzählung vom Jahre 1912 hatte in Preußen einen Gesamt⸗ bestand an Rindvieh von 11 866 079 Rindern ergeben; am 1. Dezember 1913 sind 12 257 403 Stück gezählt worden. Das ist eine Zunahme von 391324 Stück und gegen die Zahl des Vorjahres eine Zunahme um 3,3 %. Aber das hier ermittelte Ergebnis ist noch bedeutsamer, wenn Sie bedenken, daß der Höchststand in dem Rindviehbestande Preußens im Jahre 1908 mit 12 089 172 Stück erreicht war. Wir haben es also im Jahre 1913 trotz der Dürre von 1911, trotz der erheblichen Schädigungen der Maul⸗ und Klauenseuche zustande gebracht, den Höchststand von 1908 noch mit rund 168 000 Stück noch zu übertreffen. (Hört, hört! und Bravo! rechts.) Schweine zählten wir im Jahre 1912 am 1. Dezember 15 475 739 Stück: am 1. Dezember 1913 sind 18 014 338 Stück ge⸗ zählt worden (hört, hört! rechts), eine Zunahme von über 2 ½⅞ Millionen, gleich 16,4 %, gegen das Jahr 1912. (Bravo! rechts) Der bisherige Höchststand war im Jahre 1911 mit 17 244 855 Stück errelcht; also auch hier ist eine Zunahme von noch 769 483 Stück zu verzeichnen. Eine gleiche, wenn auch nicht so erheb⸗ liche Zunahme weisen die Pferde und die Ziegen auf. Nur bei Schafen ist der schon seit längerer Zeit stetige Rückgang, der in diesem Jahre gegen das vorige Jahr 7,10 % beträgt, nicht unter⸗ brochen.

Meine Herren, Sie werden mit mir dieses Ergebnis der letzten Viehzählung mit besonderer Befriedigung begrüßen. Zeigt es doch, daß unsere bieherigen Bemühungen nicht vergeblich gewesen sind, daß die preußische Landwirtschaft imstande ist, auch unter schwierigen Ver⸗ hältnissen auf dem Gebiete der Viehzucht Hervorragendes zu leisten, und daß, was ich nicht vergessen möchte hinzuzufügen, die von uns bisher zur Hebung der Viehzucht eingeschlagenen Wege auch die richtigen zu sein scheinen. (Bravo! rechts.)

Ich gebe gern, entsprechend der in der Budgetkommission ab⸗ gegebenen Erklärung, durch eine Denkschrift über die zur Hebung der Viehzucht getroffenen Maßnahmen näheren Aufschluß! Ich kann das aber nicht mehr in der laufenden Session; denn eine solche Arbeit bedarf, wenn sie gründlich und von Wert für längere Jahre sein sol, einer eingehenden Bearbeitung. Ich kann daher diese Denkschrift erst für die nächste Session in Aussicht stellen. 6

Meine Herren, im vorigen Herbst war die Maul⸗ und Klauen⸗ seuche im preußischen Vaterlande nahezu erloschen! Da kam von neuem eine Verseuchung. aus Rußland, die sich zunächst tn Ober⸗ schlesien, dann in den übrigen östlichen Provinzen geltend machte und in wenigen Wochen auch in einzelne westliche Provinzen durch den Handel übertragen wurde. Wir haben zum ersten Male bei diesem Anlaß von den Bestimmungen des Viehseuchengesetzes und den Ausführungsbestimmungen zu demselben Gebrauch machen können: insbesondere ist auch von der Befugnis zur Abtötung von Viehbeständen Gebrauch gemacht worden. Ich weiß sehr wohl, daß die Abtötung der Viehbestände trotz der gewährten Entschädigung den einzelnen unter Umständen sehr hart treffen kann, und es ist daher auch erklärlich, daß von verschiedenen Seiten, be⸗ sonders auch aus Schlesien, Beschwerden an die landwirtschaftliche Verwaltung gerichtet worden sind. Aber trotzdem möchte ich be⸗ haupten, daß es wesentlich der energischen Abtötung von Viehbeständen zuzuschreiben ist, daß wir augenblicklich der Seuche Herr zu werden scheinen, und daß, abgesehen von Westpreußen, ein entschiedener Rück⸗ gang der Maul⸗ und Klauenseuche zu konstatieren ist. 1

Die Tötung der Viehbestände ist in der Regel und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften nur dann angewandt worden, wenn noch die Möglichkeit bestand, auf diesem Wege in einem größeren oder engeren Bezirk die Maul⸗ und Klauenseuche vollständig zu unterdrücken. Wo eine Ausbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche durch eine Reihe von Dörfern und Gehöften stattgefunden hat, wo die Uebertragung des Ansteckungsstoffes von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Vieh nicht mehr zu hindern ist, da hilft auch eine Abschlachtung nicht mehr! Deshalb ist in solchen Fällen natürlich auch von derselben Abstand genommen worden. 1

Aber es ist außerdem in der Regel⸗ auch nicht abgeschlachtet worden, wenn Viehbestände in Frage kamen, die einen besonderen Zuchtwert darstellen! Solche Zuchtherden sind in ihrem Wert eigent⸗ lich unschätzbar. Wer sich eine solche Zuchtherde geschaffen hat, kann dieselbe, wenn sie geschlachtet wird, vielleicht während eines Menschen lebens nicht wieder aufziehen! (Sehr richtig! rechts.) Hiermit hängen wohl die Gerüchte zusammen, als habe die Veterinärverwaltung

vor den Ställen größerer Besitzer Halt gemacht und nur die kleinen Viehbestände abgeschlachtet. Es bedarf wohl keiner näheren Aus⸗ führung, daß die Veterinärverwaltung sich nur von veterinärpolizei⸗ lichen Gesichtspunkten und nicht von solchen Gründen leiten läßt, wie sie in einzelnen Blättern, besonders in Schlesien, ihr unterschoben worden sind. t

Meine Herren, ich möchte dann noch mit einem Worte auf die Fleischnot und auf die Fleischpreise kommen, weil auch diese von einzelnen der Herren Vorredner erwähnt worden sind. Gegenüber dem Höchststand im Jahre 1912 konnte im Dezember vorigen Jahres in den Schweinepreisen ein sehr erheblicher Rückgang konstatiert werden, auf 135 pro Doppelzentner gegen 166 im Oktober 1912. Wenn man berücksichtigt, daß über 50 % des Fleischbedarfs der Be⸗ völkerung durch Schweinefleisch gedeckt werden und daß Schweinefleisch gerade das Nahrungsmittel der ärmeren und mittleren Bevölkerungs⸗ klassen ist, dann ist dieses Ergebnis in bezug auf die Ernährung und Fleischversorgung der Bevölkerung sehr erfreulich, für die vieh

ungefähr schon die Grenze des Preises bdeuten, zu welchem die Schweine⸗ aufzucht sich noch lohnend gestalten kann.

Beim Rindfleisch ist ein entsprechender Rückgang noch nicht zu verzeichnen. Aber ich darf ohne weiteres annehmen, daß das Ergebnis der letzten Viehzählung auch den Preis dieser Fleischgattung günstiger beeinflussen wird.

Leider ist bis heute der Abschluß langfristiger Lieferungsverträge mit den Städten und größeren Gemeinden noch nicht gelungen! Die landwirtschaftliche Verwaltung hat, glaube ich, in dieser Richtung nichts versäumt. Aber die Schwierigkeiten, die sich dem Vertrags⸗ abschlusse in einzelnen Fällen entgegengestellt haben, waren doch so groß, daß sie vorläufig nicht überwunden werden konnten. Inzwischen haben die Ermächtigung zur Fleischeinfuhr, die im Winter 1912/13 in größerem Umfange erteilt worden sind, im letzten Winter nur noch Berlin, Nürnberg, und Danzig erhalten. Berlin hat aber bereits am 27. Dezember 1913 den Bezug von russischem Fleisch ein⸗ gestellt und, soweit mir bekannt, haben auch Nürnberg und Danzig von der ihnen erteilten Befugnis keinen Gebrauch mehr gemacht! (Hört, hört! rechts.) Angesichts der Steigerung unserer Viehproduktion und angesichts des Sinkens der Fleischpreise liegt gewiß kein Anlaß vor, die Maßnahmen, die bis zum 1. April 1914 in einzelnen Fällen noch gestattet waren, über diesen Termin auszudehnen. Ich hoffe, daß wir auch in den nächsten Jahren nicht mehr genötigt sein werden, zu solchen außerordentlichen Maßnahmen zu greifen. (Bravo! rechts) Wenn eine Fleischteuerung wieder besondere Maßnahmen nötig machen sollte, dann werden sich inzwischen hoffentlich wenigstens einige größere Städte und Gemeinden mit den einheimischen Fleisch⸗ produzenten verständigt haben. Nur so wird es möglich sein, der Fleischteuerung in den großen Städten dauernd abzuhelfen und die Fleischversorgung der ärmeren Bevölkerung sicher zu stellen. (Bravo! rechts.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch die Erhöhung und Herabsetzung des Schweinekontingents für Oberschlesien erwähnen. Oberschlesien hat bekanntlich schon durch den russischen Handelsvertrag die Ermächtigung, wöchentlich 2500 Schweine lebend aus Rußland einzuführen. Als die Schweinepreise im Jahre 1912 erheblich an⸗ zogen, ist dieses Kontingent für Schlesien um 500 Stück wöchentlich erhöht worden. Nunmehr sind aber die Preise auch in Rußland so gestiegen, daß gegenwärtig russische Schweine teurer sind als die ein⸗ heimischen. (Hört! hört! rechts.) Außerdem ist und das hängt mit der Preissteigerung in Rußland zusammen in den letzten Monaten das Kontingent nicht mehr voll ausgenutzt worden. Ferner ist inzwischen der Markt in Beuthen eingerichtet worden, der ganz allein auf der Beschickung von einheimischem Vieh beruht, und der in seiner Existenz gefährdet sein würde, wenn die Erhöhung des russischen Schweinekontingents noch weiter zu⸗ gelassen würde. Infolgedessen habe ich mich genötigt gesehen, seit einigen Monaten auf eine Herabsetzung des Kontingents hinzu⸗ wirken; seit dem 1. d. M. hat es bereits seinen alten Stand erreicht. Ich glaube, diese Maßnahme ist nach dem, was ich gesagt habe, wohl zu rechtfertigen, und sie ist in den letzten Monaten um so notwendiger gewesen, weil Rußland noch erheblich von Maul⸗ und Klauenseuche heimgesucht war und die Zufuhr einer größeren Anzahl Schweine zweifellos die Gefahr der Seuchenübertragung vergrößerte!

Meine Herren, ich möchte, ehe ich schließe, noch mit einigen Worten auf die Ausführungen zurückkommen, welche die Herren Ab⸗ geordneten v. Heydebrand und Herold über die Erteilung von Religionsunterricht in ländlichen Fortbildungsschulen gemacht haben. Gegenstand der Beschwerde, insbesondere auch in vielen westlichen Zeitungen, ist die Ausführungsanweisung vom 16. August 1913 geworden, welche von dem Herrn Kultus⸗ minister und mir zu dem Gesetze vom 19. Mai 1913 über den Besuchs⸗ zwang bei ländlichen Fortbildungsschulen erlassen worden ist. In diesen Vorschriften ist unter Nr. 9 gesagt:

Hierbei ist zu beachten, daß die Einfügung von Religionsunterricht in den Lehrplan der ländlichen Fortbildungsschulen nicht zulässig ist: insbesondere ist es also auch nicht statthaft, daß eine derartige Einfügung in den Ortsstatuten oder in den Kreisausschußbeschlüssen über den Besuchszwang vorgesehen wird.

Meine Herren, diese Bestimmung in der Ausführungsanweisung steht in Uebereinstimmung mit dem Standpunkt, den ich namens der Staatsregierung im vorigen Jahre bei der Beratung des Gesetzes über den Schulzwang bei Fortbildungsschulen sowohl im Herren⸗ hause wie im Abgeordnetenhause eingenommen habe. Ich habe damals, und zwar sowohl in den Kommissionssitzungen wie in den Plenarsitzungen, immer wieder hervorgehoben, daß die Staatsregierung einen Zwang zum Besuche des Religionsunterrichts in ländlichen Fortbildungs schulen nicht zulassen könne, daß die Aufnahme des richts in den Lehrplan der ländlichen Fortbildungsschulen aus diesem Grunde unzulässig erscheine, und daß aber auch ebensowenig in den Ortsstatuten über den Religionsunterricht eine Bestimmung getroffen werden könne, weil es nicht Sache des Ortsstatuts ist, über die Unter⸗ richtsgegenstände Bestimmungen zu treffen, diese Bestimmung vielmehr der Schulaufsichtsbehörde vorbehalten bleiben muß Aber, meine Herren, damit ist keineswegs gesagt und ich glaube, das aus⸗ reichend im vorigen Jahre betont zu haben —, daß die Staatsre⸗ gierung der Erteilung des Religionsunterrichts im Anschluß an den Unterricht in der ländlichen Fortbildungsschule, der religiösen Ein⸗ wirkung auf die Fortbildungsschüler auch in den übrigen Lehrfächern des Fortbildungsschulunterrichts in irgend einer Weise feindlich gegenüberstehe. Daß sie derartige Wünsche zu fördern geneigt ist, er⸗ gibt die Fortsetzung der eben von mir unter Nr. 9 der Ausführungs⸗ anweisung vom 16 August 1913 verlesenen Bestimmung. Hinter dem Satze, den ich vorhin bekannt gegeben habe, heißt es:

Hiergegen wird entsprechend dem in der Anleitung vom 29 Oktober

1910 mehrfach und nachdrücklich gegebenen Hinweis auf die Be⸗

deutung der erziehlichen Aufgabe des Fortbildungsschulunterrichts

sowie entsprechend den Darlegungen des mitunterzeichneten Land⸗ wirtschaftsministers in den Landtagsverhandlungen usw. bei der Auf⸗ stellung der Lehrpläne, der Auswahl der Unterrichtsstoffe sowie bei der Art ihrer Darbietung eine Einwirkung auf die Schüler in sittlich⸗religiösem Sinne überall anzustreben sein.

Hierzu wird sich bei der Erteilung jeglichen Unterrichts, namentlich

bei Lehrgegenständen wie Wirtschafts⸗ und Bürgerkunde oder der

hier und da eingeführten Lebenskunde hinreichend Gelegenheit finden.

Auch ist es wünschenswert, daß geeignete Geistliche mehr und mehr

zur Erteilung von Fortbildungsschulunterricht auf dem Lande be⸗

züchtenden Landwirte vielleicht insofern etwas weniger, als 135

sonders in den genannten Fächern herangezogen werden.

Religionsunter⸗

VWo neben dem lehrplanmäßigen Unterricht noch die Erteilung besonderer freiwilliger religiöser Unterweisung an die schulentlassene Jugend, wenn möglich im Anschluß an den Fortbildungsschulbetrieb 8 erforderlich oder wünschenswert erscheint, ist nach den Grundsätzen des Erlasses vom 26 Mai 1897 zu verfahren. Derartige Be⸗ strebungen sind in jeder Weise zu fördern.

Ich glaube, der Wortlaut und der Sinn dieser Bestimmung kann nur dahin gehen, daß außerhalb des Zwanges zum Besuch des Religionsunterrichts der religiöse Unterricht im Anschluß an die Fortbildungsschule, wo er dem Wunsch der Bevölkerung entspricht, nach jeder Weise gefördert werden soll. Etwas anderes habe ich auch nicht gesagt bei Beratung des Gesetzentwurfs in der Kommission des Herrenhauses, obschon mir von verschiedenen Rednern in Ver⸗ sammlungen der Zentrumspartei und ebenfalls in der Zentrumspresse der Vorwurf gemacht worden ist, daß meine Aeßerungen im Herren⸗ haus nicht in Einklang zu bringen wären mit den Bestimmungen des Erlasses. Zunächst ist meine Aeußerung in der Kommission des Herren⸗ hauses im Bericht in indirekter Rede widergegeben. Der Wortlaut derselben steht also nach dem Bericht nicht ohne weiteres fest. Ich will dennoch zugeben, daß ich bei der Verhandlung im Herrenhaufe eine Aeußerung dahin gehend gemacht habe, daß die Gemeinden in der Lage sein würden, durch besondere Bestimmungen für die Erteilung

konnten nach dem, was ich vorher über das Ortsstatut und über den Zwang gesagt hatte, nur darin bestehen, daß die Gemeinden außerhalb des Ortsstatuts über die Fortbildungsschule die zur Erteilung eines freiwilligen 3 Religionsunterrichts erforderlichen Maßnahmen beschließen könnten, daß ein Schullokal für den Religionsunterricht bereit gestellt, eine Remu⸗ neration für den Religionslehrer und sonstige Ausgaben bewilligt werden. Ich habe im Herrenhause wiederholt betont, daß die Staatsregierung soweit als möglich entgegenkommen, aber den Zwang nicht zugeben werde.

gegebenen Aeußerungen nicht enthalten. Damit bin ich auch nicht in Widerspruch mit dem Herrn Handelsminister getreten bei Beratung seines Gesetzentwurfs über gewerbliche Fortbildungsschulen im Jahre 1911. Damals war der Antrag gestellt worden, den § 7 in dem Gesetzentwurf folgendermaßen zu ergänzen: Den staatlich anerkannten Religionsgesellschaften kann durch Be⸗ schluß des Schulvorstandes eine angemessene Zeit zur religiösen Unterweisung zur Verfügung gestellt werden. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Hierzu hat der Herr Handelsminister nach richtiger Interpretation kaum etwas anderes gesagt, als ich bei Beratung des Gesetzentwurfs vom vorigen Jahr zum Ausdruck gebracht habe! Denn, wohl gemerkt nach der Fassung dieses Antrages, dem der Herr Handelsminister übrigens nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt des Ausschlusses jeg⸗ lichen Zwanges zur Teilnahme an der religösen Unterweisung zu⸗ gestimmt hat, handelt es sich nicht um ein Ortsstatut, nicht um einen Zwang zum Besuch des Religionsunterrichts, sondern nur darum, daß der Schulvorstand beschließen kann, daß zur Erteilung des Religions⸗ unterrichts eine angemessene Zeit eingeräumt wird. Wenn Sie mit solcher Erklärung zufrieden sein wollen, so bin ich in der Lage, sie jeden Augenblick namens meiner Verwaltung zu wiederholen.

1910 ist ein Fortbildungsschulgesetz für die Provinz Schlesien er lassen, das ganz genau dieselben Bestimmungen enthält wie das Gesetz vom 19. Mai 1913. Mir ist bis heute aus der Provinz Schlesien noch kein Wort der Klage darüber laut geworden, daß der Wunsch, neben dem Fortbildungsschulunterricht noch Religionsunterricht zu er⸗ teilen, durch das Gesetz erschwert worden sei! Wenn den Gemeinden und der Schulaussichtsbehörde Weitere überlassen und nicht durch allgemein bindende Beschlüsse von außerhalb in die Verhandlungen eingegriffen wäre, dann waren auch in Westfalen und in der Rhein⸗ provinz sehr bald Verbältnisse eingetreten, die auch vollkommen befriedigen würden. Und, meine Herren, Hand aufs Herz gelegt! Kommt es nur darauf an, daß in der Schule in der Woche vielleicht eine halbe Stunde Religionsunterricht erteilt wird, ein Religionsunterricht, der nebenbei noch in katholischen Gegender auch in der Christenlehre Sonntags stattfindet, zu deren Besuch die Knaben und Mädchen noch bis zum vollendeten 17. Leben jahre im Gewissen verpflichtet sind? Ist es vom Standpunkt de Kirche nicht wichtiger, daß den Geistlichen die Möglichkeit gegeben ist, selbst den allgemeinen Unterricht in den Fortbildungsschulen in die Hand zu nehmen und damit auch außerhalb einen besonderen Reli gionsunterricht, eine sittliche und religiöse Einwirkung auf die Sch ile auszuüben? Wenn dann außerdem noch auf Grund weiterer Verein barungen im Anschluß an den Fortbildungsschulunterricht oder in den Pausen des Unterrichts ein eigentlicher Religionsunterricht erteilt werden kann, dann weiß ich wirklich nicht, was noch weiter verlangt werden könnte, es sei denn, daß grundsätzlich unter allen Umständen darauf bestanden werden soll, daß ein Zwang zum Besuch de Religionsunterrichts eingeführt wird. Was den Zwang anlangt, so muß ich bei der Erklärung vom vorigen Jahre beharren: Wir werde nach jeder Richtung dem Religionsunterricht entgegenkommen, abe einen Zwang zum Besuch des Religionsunterrichts können wir nicht für zulässig erklären!

Meine Herren, ich komme damit zum Schluß. Was ich übe die Lage der Landwirtschaft und ihre Entwicklung auf einzelnen Ge bieten ausgeführt habe, hat, glaube ich, zur Genüge gezeigt, daß jede Stillstand für uns einen Rückschritt bedeuten würde, daß wir auch in den kommenden Jahren alle unsere Mühe und alle unsere Sorge darauf verwenden müssen, die Landwirtschaft nicht allein in ihrer gegenwärtigen Leistungsfähigkeit zu erhalten, sondern sie darin auch weiter und unter Aufwendung größerer Mittel zu fördern. Die land wirtschaftliche Verwaltung ist dazu gern bereit; sie erwartet aber be ihren Maßnahmen auch Ihre Zustimmung und Ihre Unterstützung (Bravo!)

Abg. Wallenborn (Zentr.): Die Forderung nach einer För⸗ derung der Landwirtschaft ist durchaus nicht eine rein agrarische sondern eine solche, die im allgemeinen Interesse erhoben werden muß. Wir müssen zu einer vom Auslande möglichst unabhängigen Ernährung unseres Volkes kommen. Grundbedingung dafür ist die Sicherung eines genügenden Zollschutzes und die fortschreitende Aus bildung in der landwirtschaftlichen Technik. Ungünstig ist es für die Viehzucht, wenn die Zuchttiere zum Schlachten auf den Mark gebracht werden. In bezug auf die landwirtschaftlichen Winter schulen ist eine Imparität zwischen dem Osten und dem Westen vor handen; im Osten gibt es viel mehr Winterschulen als im Westen

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Hier sollte mehr Parität Platz greifen

Etwas anderes ist in den von mir in der Herrenhauskommission wieder⸗ 8

Aber, meine Herren, bedenken Sie noch eins. Bereits im Jahre

von Religionsunterricht zu sorgen. Diese besonderen Bestimmungen

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