klärt hat, daß sie erst durch den Beschluß der sogenannten Schul⸗ organisation der Zentrumspartei genötigt worden sei, in anderer Weise die Sache zu regeln. (Hört! hört! bei den Freikonservativen und links.)
Meine Herren, ich hatte geglaubt, daß ich mich im übrigen in der letzten Sitzung so ausführlich über den angeblichen Widerspruch zwischen dem Herrn Handelsminister und meiner Wenigkeit ausgelassen hätte, daß ich nicht genötigt werden würde, nochmals darauf zurückzu⸗ kommen. Aber die Ausführungen des Herrn von Pappenheim zwingen mich doch, noch einmal den wirklichen Tatbestand hervorzuheben.
Meine Herren, der Herr Handelsminister hat bei der Beratung des Gesetzentwurfs über die gewerbliche Fortbildungsschule sich in der Kommission des Abgeordnetenhauses zu einem Antrage, der folgender⸗ maßen lautete:
Den staatlich anerkannten Religionsgesellschaften kann durch Beschluß des Schulvorstandes eine angemessene Zeit zur religiösen Unterweisung zur Verfügung gestellt werden. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörden
geäußert. Die Aeußerungen des Herrn Handelsministers hat der ver⸗ ehrte Herr von Pappenheim nicht ganz vollständig wiedergegeben. Der Minister hat in dem Eingange seiner diesbezüglichen Erklärungen aus⸗ drücklich betont — ich zitiere hier den Wortlaut des Kommissions⸗ berichts —:
Gegen den Antrag Nr. 97 zu III dann keine Einwendungen er⸗ heben zu wollen, wenn unter keinen Umständen irgend ein Zwang
ur Teilnahme an dem fakultativen Religionsunterricht ausgeübt werde.
Und dann hat er am Schlusse selner diesbezüglichen Ausführungen wiederum hinzugefügt:
Der Antrag Nr. 97 sei für die Staatsregierung unannehmbar,
edoch nur für den Fall, daß irgend ein Zwang zur Teilnahme
nicht ausgeübt werde.
Also, meine Herren, in dem wesentlichen Punkte, auf den es an⸗ kommt, nämlich in der Frage, ob ein Zwang der Beiwohnung des Religionsunterrichts statuiert werden soll, stimme ich mit dem Herrn Handelsminister vollkommen überein. Aber ich stimme mit ihm auch in der anderen Frage überein, daß nämlich durch Ortsstatut eine Be⸗ stimmung über die Lehrgegenstände in der Fortbildungsschule nicht eingeführt werden könnte, eine Vorschrift, die ausdrücklich in der An⸗ weisung vom 16. August 1913 hervorgehoben worden ist und hier bei den beiden letzten Herren Rednern eingehende Kritik gefunden hat.
Meine Herren, der Antrag, um den es sich in der Aeußerung des Handelsministers handelte, spricht nicht vom Ortsstatut, er spricht auch nicht von einer Genehmigung des Ortsstatuts, sondern davon, daß der Schulvorstand eine angemessene Zeit zur religiösen Unterweisung zur Verfügung stellt, und dieser Beschluß durch die Aufsichtsbehörde genehmigt werden kann. Er hält also daran fest, daß die Schulbehörde diejenige ist, die berufen ist, den Unterrichts⸗ gegenstand festzusetzen, in diesem Falle den Religionsunterricht, und daß zweitens dazu die Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde er⸗ forderlich ist.
Meine Herren, ich habe bereits gegenüber Herrn Abg. von Heydebrand ausdrücklich betont, um damit auch den Schein eiues Widerspruches zwischen meinen Ausführungen und denen des Herrn Handelsministers, zwischen dem Herrn Handelsminister und der Ausführungs⸗ anweisung, die von dem Herrn Kultusminister und mir erlassen worden ist, zu beseitigen, daß ich jeden Augenblick bereit sein würde, dieselbe Erklärung abzugeben, die der Herr Handelsminister abgegeben hat, daß ich unter der Voraussetzung, daß der Beschluß des Schul⸗ vorstandes der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde unterliegt und ein Zwang zur Beiwohnung des Religionsuaterrichts nicht statuiert wird, auch meinerseits dem damals zur Beratung stehenden Antrage zugestimmt haben würde. Ich kann unter der gleichen Voraussetzung auch dem Antrag von Pappenheim zustimmen. (Sehr gut! bei den Freikonservativen.)
Meine Herren, ich muß mich doch ausdrücklich darüber beklagen, daß nach den Ausführungen, die ich zu dem in Frage stehenden Ge⸗ setz gemacht habe, und besonders nach den Ausführungen, die ich in der Sitzung vom 19. Januar d. J. gemacht habe, noch Zweifel dahin erhoben werden können, als wenn die Königliche Staatsregierung nicht auch ihrerseits davon durchdrungen wäre, daß die Unterweisung und Erziehung der heranwachsenden Jugend nicht anders als mit der Hilfe religiös⸗sittlicher Elnwirkung, auch mit Hilfe des Religions⸗ unterrichts erreicht werden könnte. Der ganze Widerspruch, der sich zwischen den Herren der konservativen Partei und der Zentrums⸗ partei einerseits und der Staatsregierung andererseits aufgerollt hat, beruht, bei Licht besehen, eigentlich lediglich auf dem Worte „Zwang“. (Sehr richtig! bei den Freikonservativen.)
Die Staatsregierung hat aus den Gründen, die ich bei den früheren Verhandlungen wiederholt angeführt habe, unverändert den Standpunkt eingenommen, daß sie der Erteilung des Religionsunter⸗ richts in keiner Weise entgegen wirkt, ihn im Gegenteil fördern will, daß sie aber den Zwang zur Beiwohnung des Religionsunterrichts nicht zugeben kann. Ich glaube, Sie werden es mir erlassen, diese Gründe zu wiederholen, mit denen ich damals den Standpunkt der
Staatsregierung gerechtfertigt habe. Eine Aenderung des Stand⸗ punkts der Staatsregierung ist ausgeschlossen, und ich kann nur die Bitte aussprechen, daß Sie dem Wege folgen, den das leitende Blatt der Zentrumspartei, die „Kölnische Volkszeitung“, in ihrer Nummer vom 19. Januar angegeben hat: begnügen Sie sich mit dem, was Ihnen die Staatsregierung angeboten hat, und helfen Sie uns mit, durch die Fortbildungsschule die heranwachsende Jugend auch zu staatstreuen und kirchlich gesinnten Männern zu erziehen. (Bravo! bei den Freikonservativen und Nationalliberalen.)
Abg. Dr. von Campe (nl.): Nach den Worten, die der Land⸗ wirtschaftsminister soeben gesprochen hat, wird man sich davon über⸗ zeugt haben, daß ein Widerspruch zwischen ihm und dem Handels⸗ minister dem Sinne nach tatsächlich nicht besteht. Wenn Ahg. von Pappenheim gesagt hat, daß man den Gemeinden vollständig freie Hand lassen und aus dem Grunde auf die Zentrumsanträge nicht eingehen wolle, so ist er einem Irrtum verfallen gegenüber den Er⸗ klärungen, die im Herrenhause fowohl als auch vom Abg. von Pappen⸗ beim selbst hier im Plenum gemacht worden sind. Abg. von Pappen⸗ heim hat früher gesagt, daß seine Partei es nach der bestimmten Er⸗ klärung des Ministers ablehne, die Frage des Religiensunterrichts mitzuentscheiden. Wenn der Minister den Gemeinden die freie Hand beschränkt, so stehen dem unsere Erklärungen entgegen. Nun hat der Abg. von Pappenheim — und darin liegt der Schwer⸗ punkt seiner Ausführungen — gesagt, die jetzigen Ausführungsbestim⸗ mungen ständen im Widerspruch mit dem Gesetz. Das ist ein un⸗
gemein schwerer Vorwurf gegen den Minister. Aber er ist durchaus unbegründet. Die Ausführungsverordnungen stehen weder im Wider⸗ spruch mit dem Gesetz noch auch mit der Resolution, die vorhin hier vorgelesen worden ist. Der Abg. von Pappenheim hat allerdings einen Satz aus der Ausführungsverordnung vorgelesen. Nach diesem Satze aber folgen Ausführungen, die aus einem warmen religiösen Herzen kommen, in denen darauf hingewiesen wird, wie der ganze Unterricht von christlichem Geiste erfüllt werden kann, wie zu diesem Zwecke geeignete Geistliche zum Unterricht herangezogen werden sollen. Da weiß ich nicht, wie man auch gegenüber dem Wortlaut der Resolution sagen kann, aus der Anweisung erhelle ein Geist, der die Religion gewissermaßen als quantité négligeable behandle. Das ist nicht der Fall. Wäre es der Fall, dann würden Sie ganz gewiß auch meine Freunde an Ihrer Seite finden. Diese Ausführungsanweisung verweist dabei ausdrücklich auf eine frühere Ausführungsverordnung, wo von der Notwendigkeit der religtösen Vertiesung gesprochen wird. Die Ausführungen des Abg von Pappen⸗ heim sind also durchaus abwegig. Wenn man sich die Gedankengänge der damaligen Verhandlungen vergegenwärtigt, so zeigt sich das noch viel mehr. Im Herrenhause hatte Kardinal Kopp den Antrag gestellt, es solle eingefügt werden, es sei die religiose Fortbildung zu erstreben. Diesen Antrag ließ er später fallen, und er zog sich auf die Resolution zurück, die dann angenommen wurde. Der Landwirtschaftsminister hat erklärt, er könne der Resolution nur dann zustimmen, wenn keinerlei Zwang ausgeübt werde. Kardinal Kopp hatte gesagt, daß auch dieser Antrag nur den freien Untecricht bezwecke, der Religions⸗ unterricht brauche noch nicht einmal lehrplanmäßig festgelegt zu sein. Dann hat er also diesen Antrag zurückgezogen, die Resolution wurde angenommen, und jetzt wird behauptet, daß auf Grund dieser Resolution eine Verpflichtung der Staatsregierung vor⸗ liege, den obligatorischen Religionsunterricht zu dulden. Bei einer genauen Verfolgung der Verhandlungen an der Hand der stenographischen Berichte kann man zu einem solchen Urteil gar nicht kommen. Ebenso war es auch hier im Abgeordnetenhause. Die Agitation gegen die Einführung von Fortbildungsschulen im Lande draußen ist nicht gerade spontan aus dem Volke heraus enistanden, sondern sie ist hervorgerufen worden von Vertretern der Zentrums⸗ partei. Das beweisen klar die Preßäußerungen. Der Landoirt⸗ schaftsminister hat von der sog. Unterrichtskommission des Zentrums gesprochen — ich nehme an, er meint den Verein für christliche Unterweisung —, von dem der Widerstand ausgegangen ist. Die Art, wie die Agitation von seiten des Zentrums gegen den Land⸗ wirtschaftsminister betrieben wird, ist nicht die Art von Stützen der Autorität. Dem Antrag des Abg. von Pappenheim können wir nicht zustimmen, denn er ist in dieser allgemeinen Form einfach die Brücke zur Einführung des obligatorischen Religionsunterrichts, und deshalb hoffe ich, daß die Resolution, auch wenn sie hier angenommen wird, die Zustimmung der Staatsregierung nicht sinden wird. Es ist behauptet worden, die Fortbildungsschule würde zu sozial⸗ demokratischen Zwecken mißbraucht. Weisen Sie uns das erst einmal nach. Wenn Sie das nachweisen können, dann würden Sie uns an Ihrer Seite sehen, denn für politische Zwecke ist die Fortbildungs⸗ schule nicht da. Die Fortbildungsschule ist dazu da, um junge Leute für den Konkurrenzkampf tauglich zu machen, der heute mehr als je den Mittelstand bedroht. Dahin zu wirken, werden Sie uns immer bereit finden. Aber wenn Sie hier in bezug auf den Religionsunterricht irgendeinen Zwang, direkt oder indirekt, ausüben wollen, dafür sind wir im wohlverstandenen Interesse der Religion nicht zu haben. (Lachen beim Zentrum.) Sie sind anderer Ansicht, ich achte Ihre Meinung, bitte achten Sie auch unsere Meinung. Treten Sie uns mit sachlichen Gründen entgegen, dann werden wir uns über diesen Punkt zwar vielleicht nicht verständigen können, aber wir werden uns mit aller Ruhe auseinandersetzen können. Lachen sind keine Gründe. Mit Lachen verdeckt man oft nur, daß man keine Gründe hat. Wir wissen ganz genau, daß nur auf religiöser Grundlage den Kindern das gegeben werden kann, was sie brauchen für den Kampf ums Dasein.
Abg. Ramdohr (freikons.): Wir haben mehr Vertrauen zu der Resolution des Abg. Pappenheim als der Abg. von Campe. Wir haben nicht den Eindruck, daß der Antrag Pappenheim letzten Endes den ovligatorischen Religionzunterricht in den Fortbildungs⸗ schulen einführen will. (Zuruf lints: Sie sind ein Optimist!) Wenn ich nun einmal die Wahl habe zwischen Pessimismus und Optimismus, dann stelle ich mich doch lieber auf die Seite des Optimismus. Uebrigens stehe ich in dieser optimistischen Auffassung nicht allein da. Wir können den Antrag von Pappenheim nur so verstehen, daß auf die Einführung des Religionsunterrichts in den ländlichen Fortbildungsschulen kein Zwang ausgeübt werden soll. Ich habe das Vertrauen, daß dies im Sinne des Abg. von Pappenheim liegt. Wir können daher diesen Antrag annehmen. Ich habe leider die Befäürchtung aus meiner Praxis, daß die großen Hoffnungen, die wir im vorigen Frühjahr bezüglich der Entwicklung der Fortbildungsschulen hatten, nicht so in Erfüllung gegangen sind, wie es wünschenswert wäre. Wenn in den ländlichen Gemeinden durch Ortsstatut der Fortbildungs⸗ schulunterricht eingeführt werden kann, so ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß leider nicht so viel Orte, wie wir ge⸗ wünscht hätten, den Unterricht einführen. Wenn in einer Gemeinde mit ungefähr 26 jungen Leuten nur am Unterricht durch Ortsstatut 5 bis 6, höchstens 7 teilnehmen, so kann das leider nicht als ein glänzendes Resultat bezeichnet werden. Dadurch wird auch die Freudig⸗ teit des Lehrpersonals am Unterricht wesentlich ei geschränkt. Bedingt durch die Leutenot hat sich ein großer Teil der Landgemeinden ge⸗ weigert, Forthildungsschulen durch Ortsstatut einzurichten. Die Landgemeinden wollen sich nur zur Errichtung von Fortbildungs⸗ schulen entschließen, wenn sie die Garantie haben, daß in ihrem Amts⸗ bezirke sämtliche Dörfer ebenfalls Fortbildungsschulen ein’ichten. Die Ausbilbungskurse für die Fortbildungsschullehrer begrüße ich freudig. Ich habe selbst an einem dieser Kurse teilgenommen und hatte meine helle Freude daran, mit welcher Freudigkeit und welchem Optimismus die Herren an die Arbeit gingen. Ich danke der Re⸗ gierung, daß sie diese Kurse eingerichtet hat, und bitte sie, noch mehr von diesen Karsen einzurichten. Der Turnunterricht läßt sich aller⸗ dings in sämtlichen Fortbildungsschulen nicht überall ganz gleich⸗ mäßig einführen. Das ist zu bedaueen, aber nicht abzuändern. In den städtischen Fortbildungsschulen kann der Turnunterricht doch regel⸗ mäßig erteilt werden, weil da sehr viele Turnlehrer zur Verfügung stehen. Auf dem Lande aber geht es nicht so. Hier ist immer nur ein einziger Lehrer. Jedenfalls um allen Mißständen auf dem Ge⸗ biete des Fortbildungsschulwesens entgegenzutreten, ist es unbedingt notwendig, daß uns ein allgemeines obligatorisches Fortbildungsschul⸗ gesetz vorgelegt wird.
Abg. Graue⸗Brandenburg (sortschr. Volksp.): Namens meiner politischen Freunde erkläre ich, daß wir den Antrag von Pappenheim ablehnen. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn dieser Antrag von seiten des Zentrums eingebracht wäre. Dieser Antrag macht ja zu⸗ nächst einen ganz unschuldigen Eindruck. Aber nach den Aus⸗ führungen, die früher von konservativer Seite in dieser Beziehung gemacht wurden kann man das Schlimmste befürchten. Die kurze Zeit, die den Fortbildungsschulen zur Verfügung steht, sollte man nicht noch mit Religionsunterricht weiter verkürzen. Es wird hier der Versuch gemacht, die Kirche einen ausschlaggebenden Einfluß auf die Fortbildungsschulen gewinnen zu lassen. Ich habe das Vertrauen zu der Regierung, daß sie diesen Bestrebungen wie bisher entschlossenen Widerstand entgegensetzen wird. Es ist nicht Aufgabe des sovveränen Staates, den Interessen und Ansprüchen der Kirche irgendwie zu dienen. Es würde den Interessen des Staates widersprechen, wenn wir auf den Antrag Pappenheim eingehen würden. Es liegt auch nicht im Interesse der Kirche. Was würde denn das für ein Religionsunterricht werden, für den nur eine ganz kurze, knappe Zeit zur Verfügung steht? Man könnte da nur einen ganz oberflächlichen Unterricht geben. Was sollen wir denn von dem Religionsunterricht der Volksschule halten, wenn er so er⸗ gebnislos ist, daß er jetzt wieder aufgenommen werden soll? Da die
Einführung des Religionsunterrichts nicht im Staatsinteresse liegt, so müssen wir den Antrag Pappenheim ablehnen. bs
Abg. Hoffmann (Soz.): Den Abg. von Pappenheim ein⸗ treten zu sehen für die Selbständigkeit der preußischen Kommunen, ist etwas ganz Besonderes und muß hier festgestellt werden. Wir kennen unsere Pappenheimer! Sie wollen den Religionsunterricht von der Wiege bis zum Grabe oder, modern ausnedrückt, vom Brut⸗ apparat bis zum Kremato ium. Das Ministerium hat in dieser Frage Schritt für Schritt nachgegeben. Es soll kein Zwang ausgeübt werden, aber niemand wird bestreiten, daß man den obligatorischen Religionsunterricht in das Gesetz hineinschmuggeln will. Die Wünsche des Zentrums können durch den Antrag Pappenheim wohl kaum noch übertroffen werden. Der Religionsunterricht soll zur Unterdrückung der arbeitenden Massen führen, das ist ein Mißbrauch der Religion. Es zeugt von sehr wenig Gottvertrauen und Zuversicht zu Ihrer Religion, wenn Sie glauben, ohne Gendarm Religionsunterricht nicht erteilen zu können. Ste sind davon überzeugt, daß dies ohne Zwang nicht geht, das ist ein sehr bedenkliches Zeichen. Das Zentrum hat seine Forderungen noch immer bezahlt bekommen, darum verstebe ich, daß es auch hier energisch für den Antrag Pappenheim eintritt. Der Turn⸗ unterricht ist auf Verlangen des Kriegsministers eingeführt worden, damit die Diensttauglichkeit der jungen Leute nicht noch weiter zurück⸗ geht. Der Hauptgrund aber war der, daß die Sozialdemokratie schon vor dem Kriegsminister eingesehen hatte, wie nützlich das Turnen ist, und daß man den Arbeiterturnvereinen nur die Schlinge um den Hals legen wollte; der Zweck ist nur, die Kinder von der Volksschule bis zur Kaserne vor dem sozialdemotratischen Geist zu schützen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen, wenn Sie nicht etwa Zellenunterricht einführen wollen, bei dem keiner mit dem anderen in Berührung kommt. Wenn die Regierung Versammlungsbeschlüsse beachten soll, dann kommen wirc nicht zu kurz, denn unsere Massenversammlungen sind immer viel größer als die des Zentrums; da bringen Sie die Regierung in die Klemme. In der Schule werden die Kinder mit Religion schon überfattert, daher werden Sie mit der Religion in der Fortbildungsschule nur das Gegenteil Ihres Zweckes erreichen. Sie haben kein Recht dazu, die Kinder nach dem vierzehnten Lebens⸗ jahre zur Teilnahme am Religionsunterricht zu zwingen. Die Jugend, die denken gelernt hat, würde sich einfach auf ihr gesetzliches Recht berufen und die Teilnahme verweigern. Die Fortbildungs⸗ schulen sollen doch dazu da sein, die mangelhafte Ausbildung die den Kindern auf den Volksschulen noch immer zu teil wird, wenigstens einigermaßen zu ergänzen. Aber da wird davon gesprochen, es müsse die staatserhaltende Gesinnung gepflegt werden. Da stimmen wir gern den Worten des Abg. von Campe zu, der sagte, die Fort⸗ hildungsschulen dürften nicht zu politischen Zwecken mißbraucht werden. Offenbar liegt die Sache jetzt so: man sieht, daß die obligatorische Fortbildungsschule kommt, und da will man ihr rechtzeitig die Giftzähne ausbrechen; jetzt gehen Sie darauf aus, daß der Unterricht möglichst illusorisch wird, deshalb die Verquickung mit der Religion. Sie wollen sich in einen Konflikt stürzen mit der Jugend gerade in dem Alter des Stürmens und Drängens. Ver⸗ suchen Sie es nur, und Sie werden sehen, wie elend Sie Fiasko erleiden. . .“
Abg. Marr (Zentr.): Es ist ein eigenartiges Schauspiel, hier ausgerechnent Abg. Hoffmann als Verteidiger einer Ausführungs⸗ bestimmung der Regierung zu sehen. Das sollte doch dem Minister zu denken geben. Jedes Bekenntnis eines positiven Christen⸗ tums wird ja von diesen Herren mit Spott und Hohn über⸗ schüttet. So, wie es der „Vorwärts“ noch jüngst getan hat, lassen wir unser Weihnachtsfest nicht begeifern. Die sozialdemokratische „Fretheit“ in religiösen Dingen ist Intoleranz. Wo ein cheiistliches Volk ist, da ist kein Boden für die Sozial⸗ demokratie. Wo die katholische Kirche sich voll auswirken kann, da gibt es keine Sozialdemokratie. Die Fortbildungsschule soll ein Gegengift gegen die sozialdemokratischen Einflüsse sein; deshalb fordern wir den Religionsunterricht. Das verstößt nicht gegen das Landrecht. Gerade im Alter von Sturm und Drang braucht die Jugend die Hilfe der Religion. Die Taten des Landwirtschaftsministers stehen im Widerspruch mit seinen warmen Worten über die Bedeutung der Religion, über die wir uns nur freuen können. Die Schulorganisation zur Verteidigung des christlichen Unterrichts ist auf Beschluß des Katholikentages gegründet worden und ist eine rein katholisch⸗konfessionelle Organisation. Sie hat als solche mit der Zentrumspartei gar nichts zu tun, und ich muß daher von vornherein und für alle Zukunft jede Verantwortung der Zentrumsvartei ablehnen für das, was diese Schulorganisation tut. (Abg. Adolf Hoffmann: Und der Vorsitzende?) Der Unglücksmensch, der: Vorsitzender der Schulorganisation ist, ist zufällig auch Mitglied der Zentrumspartei, aber die Schul⸗ organisatioen hat mit politischen Dingen gar nichts zu tun. Dem Minister muß ich sagen, daß bindende Beschlüsse der Geistlichen mit den Behörden überhaupt nicht gefaßt worden sind. Die National liberalen sind gar nicht imstande, in dieser Sache eine Polemik mit uns zu führen. Diese Herren betrachten das Zentrum ganz in der Auffassung des Evangelischen Bundes. Die Zentrumspartei ist eine politische Partei, die genau weiß, was sie für das Wohl des Vater⸗ landes zu tun hat. Wir haben ein großes staatserhaltendes Pro⸗ gramm, dessen Erfüllung Sie uns erschweren, wenn Sie in solcher Weise gegen uns hetzen. Die Staatsregierung wird es uns einst Dank wissen, daß wir auf die Wichtigkeit der religiösen Ueberzeugung hinae⸗ wiesen haben. Das wird sehr bald der Fall sein, wenn die Wellen des Umsturzes so weiter wachsen. Wir lassen uns bei unseren Be⸗ schlüssen davon leiten, was uns unser Gewissen vorschreibt, wenn wir verlangen, daß der Reltgionsunterricht den alten Unterrichtsgegen⸗ ständen gleichgestellt wird.
Abg. Freiherr von Richthofen kkons.): Wir halten die religiöse Volkserziehung an sich für grundsätzlich absolut wünschens⸗ wert. Wir haben uns aber auf die Einführung des fakultativen Unter⸗ richts geeinigt. Unser Antrag war dadurch veranlaßt, daß die Regie⸗ rung den obligatorischen Religionsunterricht für unannehmbar erklärt hat, und weil wir uns sagten, die Einführung des obligatorischen Religionsunterrichts ist nicht mit einem Schlage ausführbar. Gegen die Einführung des obligatorischen Religionsunterrichts spricht auch, daß Lehrer und Geistliche zur religiösen Unterweisung weder auf dem Lande, noch in den Städten in genügender Anzahl vorhanden sind. Wir wollten deshalb nehmen, was durchführbar ist. Daß das Gesetz über die Pflichtfortbildungsschule nicht zustande kam, hatte zwei⸗ Gründe. Neben dem Antrag auf Einführung des fakultativen Reli⸗ gionsunterrichts ist auch von meiner Partei in der Kommission da⸗ mals der Antrag gestellt worden, daß das Wegbleiben von dem Reli⸗ gionsunterricht dann straffrei sein soll, wenn die Eltern oder Vor⸗ münder der betreffenden Kinder sich mit dem Wegbleiben einverstanden erklären. Das glaubten wir als einen sehr gelinden Zwang bezeichnen zu können, und wir nahmen an, daß die Regierung darauf eingehen würde. Der Handelsminister aber ging darauf nicht ein. Der zweite Grund, weswegen das Gesetz nicht zustande kam, war der, daß wir der Ansicht waren, daß der Kultusminister bei der Ueberwachung der Fortbildungsschulen eine gewisse Mitwirkung haben musse. Auch dies wurde damals von der Regierung nicht akzeptiert, und deswegen kam das Gesetz nicht zustande. Aber der Handelsminister gab noch eine andere Erklärung ab. Er sagte allgemein, er werde die fakultative Einführung des Religionsunterrichts nicht verbieten, wenn derselbe in die sechs Stunden eingereiht werden könnte. Insofern ist allerdings ein Unterschied zwischen der Ansicht des Landwirtschaftsministers und der des Kultusministers festzustellen. Ich glaube, so war tatsächlich die Sachlage. Es ist auch ein genereller Unterschied zwischen der zweiten Ausführung des Handelsministers und den in den letzten Tagen von der Regierung gemachten Ausführungen festzustellen. Aber schließlich ist das doch alles Nebensache. Die Hauptsache ist doch, daß wir uns klar werden, um welche staatserhaltenden fundamentalen Ge⸗ sichtspunkte es sich hierbei handelt. Es handelt sich darum, wenn die Gemeinde in ihrer Mehrheit den Religionsunterricht fakultativ ein⸗ führen will, ob einem solchen Willen die Regierung ein kategorisches Nein gegenüberstellen will. Es handelt sich darum: welche Gründe der Staatsraison hat die Regierung, einer solchen Entschließung der Gemeinde ein Nein entgegenzusetzen? Man hat hier zurückgegriffen
auf das preußische Landrecht, das bestimmt, daß ein vierzehnjähriger
unseres Herzens gewiß nicht übereinkommen können.
Mensch selbst darüber entscheiden könne, welcher Religion er sich an⸗ scließen will. Aber ich meine, es sind die wichtigsten Gründe der Staatsraison, die dafür sprechen, daß kein Nein einem solchen Be⸗ sclusse der Gemeinde entgegengesetzt wird. Die Regierung sollte sic darüber klar sein, was denn eigentlich der im Staatsinteresse mehr
zu bekämpfende Zwang ist. Ist es die Einführung des Religions⸗ unterrichts oder der Terrorismus der Sozialdemokratie? Von dieser Frage des Nein oder „nicht Nein“ hängt die Zukunft unseres Jung⸗ Zutschlands ab. Neben dem Zusammenschluß der schaffenden Stände, neben den wirtschaftlichen Elementen gibt es für unser Volk no Zdeale, die noch von viel größerer Bedeutung sind. Es handelt sich jicht um katholisch oder evangelisch, nicht um die Frage der Orthodoxie, sondern darum, zu sagen: ich schame mich des Evangeliums von Christi nicht. Das ist das Fundament unseres deutschen Volkes, nicht das Evangelium, von dem der Abg. Hoffmann gesprochen hat. Wir wollen allerdings, daß unsere jugendlichen, unreifen Gemüter vor solchen Giften möglichst geschützt werden. Es handelt sich nicht um Konser⸗ vative oder Liberale, sondern darum, daß unsere Volksvertretung zu⸗ fammengeht, um unserem Volke die Religion zu erhalten. Ich hoffe von der Regierung eine erfolgreiche Mitwirkung. Abg. Dr von Campe (nl.): Gewiß, die katholische Kirche
ist ein E“ die Sozialdemokratie. Die katholische Kirche hat weitgehende Mittel, um der Sozialdemokratie entgegenzu⸗ treten. Auch wir schätzen diese Mittel. Aber in der Form, wie der Abg. Marx dies vorgebracht hat, bedeutet seine Behauptung doch zum mindesten eine starke Uebertreibung, die mit den Tatsachen im Wider⸗ spruch steht. Gerade in Belgien, dem erzkatholischen Lande, besteht eine starke Sozialdemokratie. Auch in Oesterreich, wo die Katholiken in der Mehrheit sind, ist die Sozialdemokratie ebenso stark wie bei uns. Ebenso verhält es sich mit München. Der Abg. Marx sagt: Der einzige Grund, weshalb in den ländlichen Fortbildungsschulen der obli gatorische Religionsunterricht nicht eingeführt wird, ist der, daß das preußische Landrecht den Kindern mit vierzehn Jahren die freie Ent⸗ schließung in der Wahl der Konfession überläßt. Gewiß, das war der einzige, aber auch der Hauptgrund. Wir stehen auf dem Stand⸗ punkt, daß gerade bezüglich der religiösen Unterweisung eine gewisse Freiwilligkeit gewahrt werden muß. Wer der Religion den Charakter der Freiwilligkeit nimmt, nimmt ihr den Nimbus einer inneren Herzenssache. Wenn Sie die Autorität schützen wollen, so dürfen Sie nicht zulassen, daß die Kinder durch die Verhältnisse, die im praktischen Leben an sie herantreten, in Widerspruch geraten mit dem, was in der Schule gelehrt wurde. Das muß Zwietracht in des Kindes Herz bringen, und gerade in den Entwicklungsjahren sollte man einen Zwang nicht ausüben, damit ruiniert man mehr, als man wieder gutmachen kann. Der Abg. Ramdohr ist optimistisch genug, um in dem Antrag Pappenheim keinen Zwang zu sehen, und stimmt ihm deshalb zu. Der damalige Gesetzentwurf ließ den Gemeinden freie Hand zur Er⸗ richtung einer Fortbildungsschule und machte nur den Unterricht obli⸗ gatorisch, sobald die Schule errichtet war. Nun haben manche Ge⸗ meinden im Westen im Ortsstatut auf den obligatorischen Religions⸗ unterricht bestanden und wollten bei Nichtgenehmigung des Ortsstatuts die Schule ganz fallen lassen. Ist das nicht indirekt ein Zwang? Die Regierung ist geradezu in der Zwangslage. Soll sie alle Ziele der Fortbildungsschule hintansetzen oder den obligatorischen Religions⸗ unterricht zulassen? So besteht ohne Zweifel in dem Antrag Pappen⸗ heim ein Zwang. Das stellt auch der Abg. von Pappenheim nicht in Abrede, wenn er von dem integrierenden Bestandteil des Unterrichts sprach, und auch nach den Ausführungen des Abg. von Richthofen ist hes nicht zweifelhaft, wohin die Reise gehen soll. Nach diesem Antrag wird etwas ganz anderes Gesetz, als Gesetz werden sollte. Damals wurde im Abgeordnetenhause der Zentrumsantrag auf Zulassung des obligatorischen Religionsunterrichts durch Ortsstatut mit den Stimmen der Konservativen abgelehnt, und heute stehen diese auf dem entgegen⸗ gesetzten Standpunkt. Auf den herenischen Ton des Abg. Marx ant⸗ worte ich nicht mit gleicher Münze, und zwar aus einer gewissen
Selbstachtung. Wenn der Abg. Marx dem Abg. von Kardorff zurief ob er lache, sei ihm vollständig Wurscht, so kann ich das Urteil darüber getrost dem Hause überlassen. Diese Ausdrucksweise billigt kein ein⸗ üger aus dem Zentrum, das behaupte ich — Sie schweigen still, stimmen mir also zu. Gewiß haben Sie das Recht, zu sagen, die Ausführungsbestimmungen widersprächen dem Gesetze. Aber was ich treffen wollte, das war der Ton; und daran halte ich fest, daß dieser Ton etwas gewagt ist, gerade in dem Augenblicke, wo man sich immer als Stütze der Autorität hinstellen will. Mit solchen Wendungen schützt man die Autorität nicht. Der Abg. Marx ist der letzte, der müber den Evangelischen Bund urkeilen kann. Ich halte mich für ver⸗“ pflichtet, die evangelischen Christen gegen die Aeußerungen, die Sie hier gemacht haben, in Schutz zu nehmen. Wir wünschen eine ruhige Auseinandersetzung auch über solche Fragen, in denen wir im Grunde Wenn man in Ruhe seine Ueberzeugung ausspricht, dann kann man einander näher kommen, aber nicht in der Weise, wie es der Abg. Marvx hier getan hat.
Abg. Styczynski (Pole): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich nur zu erklären, daß wir dem Antrag des Abg. von Pappenheim Al-hhrben werden.
Abg. Hoffmann (Soz.): Wir achten die religiöse Ueber⸗ zeugung. Wir dulden nur nicht den Mißbrauch der Religion, wie er gerade von der Zentrumspartei tagtäglich verübt wird. Abg. Marx hätte nur das Handbuch des Abgeordnetenhauses zu nehmen brauchen, um unseren Standpunkt in dieser Sache kennen zu lernen. Wir über⸗ lassen es jedem, seine Kinder in dem Glauben zu erziehen, den er für den richtigen hält. In den Schulen soll gelehrt werden, was für das Leben notwendig ist. Durch die Einführung des Religionsunterrichts in den Fortbildungsschulen wird die Kirchenaustrittsbewegung am besten gefördert. Für die Konservativen spricht nur die Erhaltung der Staatsraison für die Einführung des Religionsunterrichts. Das hat der Abg. von Richthofen klar ausgesprochen. Unsere National⸗ liberalen sind zwar in liberaler Beziehung nicht viel wert, aber sie gehen den sächsischen doch um eine Pferdelänge voraus. Unser Idealis⸗ mus ist, das Volk von der Junkerherrschaft zu befreien, die es knechten und aushungern will. 8 Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (rreikons.): Wir stehen mit dem Abg. von Pappenheim und seinen Freunden auf dem Standpunkte, daß im Interesse der Jugend die Religion mit allen Mitteln zu erhalten ist. Ein Zwang führt jedoch in dieser Richtung nicht zum Ziele; in diesem Sinne stimmen wir für der An von Pappenheim.
Damit schließt die Debatte. .
In persönlicher Bemerkung behält sich „ Abg. Marx (Zentr.) vor, später die Richtigkeit seiner Aus⸗ führungen zu beweisen.
Der Antrag von Pappenheim wird angenommen.
Um 5 ½ Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung des
landwirtschaftlichen Etats auf Donnerstag, 11 Uhr.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und
Absperrungs⸗
v1“
maßregeln.
8 Malta. 3 de InMalta sind durch eine Regierungsverfügung vom 14. d. M. een, Hafen von Mazagan und die Provinz Dukkala für pestfrei rklärt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 1. November 1911, Nr. 258.)
Spanien. Januar. In Algar sind, „W. T. B.“ zufolge, von Trichinose vorgekommen. Eine Frau ist Personen sind hoffnungslos erkrankt.
Murcia, 22. sechzig Fälle gestorben, mehrere
Verdingungen. und
(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs⸗ Staatsanzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Dienststunden von 9—3 Uhr eingesehen werden.) Italien. . Vormittags 9 Uhr. Bürgermeisteramt in Feltre. Lieferung der für den Bau von 4 Wasserleitungen er⸗ forderlichen Materlalien. Voranschlag 53 075 Lire. Vorläufige Sicherheit 2820 Lire, endgültige 5640 Lire. Näheres in italienischer Sprache beim „Reichsanzeiger“. — .9. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. Generaldirektion des Königlichen Marinearsenals in Venedig und gleichzeitig diejenige in Spezia. Verkauf von alten Eisen⸗ und Stahlmaterialien. Wert 76 334 66 Lire. Sicherheit 15 268 Lire. Näheres in italie⸗ nischer Sprache beim „Reichsanzeiger“.
Belgien. (Lastenhefte können, wenn nichts anderes vermerkt, vom Bureau des adjudications in Brüssel, Rue des Augustins 15, bezogen werden.)
27. Januar 1914, 3 Uhr. Maison communale in Herstal bei Lüttich: Lieferung von 375 m Lederrohr mit 30 pch⸗ Ver⸗ bindungestücken für die Feuerwehr. Bedingungen vom Secrétariat communal.
4. Februar 1914, 11 Uhr. Salle de la Madeleine in Brüssel: Lieferung von Lederartikeln für die Post⸗ und Telegraphenverwaltung. Sicherheitsleistung 1000 Fr. Speztiallastenbeft Nr. 221. Ein⸗ geschriebene Angebote zum 31. Januar, Speziallastenheft Nr. 221.
20. Februar 1914, Mitiags. Hôtel de ville in Antwerpen. Lieferung und Aufstellung von 3 Dampfkesseln im Nord⸗Wasserwerk am Ostkai des Kattendyckbeckens. Sicherheitsleistung 2000 Fr. Lastenheft zum Preise von 50 Cts. vom Stadtsekretartat.
Türkei.
Ministerium für Handel und Landwirtschaft in Konstantinopel: Vergebung der Konzession für eine Mine phosphorsauren Kalks in einem dem Staate gehörigen Gebiete im Kaza Salat, Wilajet Syrien. Die Mine erstreckt sich, soweit bekannt, über 778 Dönums. Angebote in versiegeltem Umschlag bis zum 14. Mai 1914 an das genannte Ministerium, woselbst näheres.
Direktion der Dampfschiffahrtsgesellschaft Chirket⸗Hairie in Konstantinopel: Der Zuschlagstermin für die Vergebung der Lieferung von 10 Dampfschiffen (vergl. „Deutschen⸗Reichsanzeiger“ vom 9. d. M. Nr. 7) ist bis zum 3. Februar 1914 verlängert worden.
4. Februar 1914,
Handel und Gewerbe.
im Reichsamt des Innern zusammen⸗ „Nachrichten für andel, Industrie und Landwirtschaft“) u““
(Aus den gestellten
Vereinigte Staaten von Amerika.
Einfuhrbehandlung von Sträflingsarbeiten. Wie in den früberen Tarifen, so ist auch in dem neuen Zolltarif vom 3. Oktober 1913, Abschnitt IV Absatz I, die Einfuhr von Waren, die ganz oder teilweilse durch Arbeit von Strafgefangenen ber⸗ gestellt sind, verboten. Aus Anlaß eines besonderen Falles hat das Schatzamt eine Anweisung darüber erlassen, bis zu welchem Grade bei der Herstellung von Einfuhrwaren Sträflingsarbeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen als vorliegend er⸗ ochtet werden darf. In dem besonderen Falle handelt es sich um aus England eingeführtes Packmaterial (sogenanntes grobes Packleinen), für welches ein Einfuhrverbot von einer amerikanischen Konkurrenz⸗ firma gefordert wurde. Bei der Untersuchung ist festgestellt worden, daß nur das Rohmaterial aus Abfällen, wie altem Tauwerk, alten Säcken, Juteabfällen, Abfällen der Flachsspinnereien in Straf⸗ anstalten gewonnen war, daß dagegen weder beim Weben und Zurichten der Stücke noch bei dem Spinnen und Zu⸗ richten der bei dem Weben verwendeten Garne Sträflingsarbeit in Frage kam. Das Schatzamt hat daher entschieden, daß die in Frage stehenden Packgewebe von der Einfuhr nicht ausgeschlossen werden könnten, da bei der Herstellung der Gewebe wie auch der Garne Sträflingsarbeit nicht in Betracht komme. (Nach einem Berichte des Kaiserl. Generalkonsulats in New York.)
Ausbesserungsberkehr. Gemäß § 404 des Zolltarifs sollen Einfuhrwaren, welche zum Zwecke der Abänderung oder Ausbesserung nach dem Ausland ausgeführt worden sind, bei ihrer Wiedereinfuhr nur nach Maßgabe des Wertes der Ausbesserungen zur Verzollung herangezogen werden. Aus den Ausführungsbestimmungen des Schatz⸗ amts ist folgendes hervorzuheben:
Unter „Ausbesserungen“ sind nur solche Abänderungen, Erneue⸗ rungen, Wiederherstellungen zu verstehen, durch welche das zur Aus⸗ fuhr gelangende Stück seine Nämlichkeit nicht verliert oder durch welche ein neues oder verschiedenartiges Stück nicht geschaffen wird. Als besonderes Erfordernis ist vorgeschrieben, daß der Besitzer vor dem Zollkollektor beschwört, daß nach seinem besten Wissen und Ge⸗ wissen die Ausbesserung in zufriedenstellender Weise in den Ver⸗ einigten Staaten praktisch unausführbar sei. Uebersteigt der Wert des ausgebesserten Stückes den Betrag von 100 Dollar, so ist eine gehörig beglaubigte Konsularfaktur ersorderlich, woraus der Gesamt⸗ wert des ausgebesserten Stückes und der Wert oder die Kosten der Ausbesserung an sich getrennt ersichtlich sein müssen. (Nach einem Berichte des Kaiserl. Genertalkonsulats in New Pork.)
Kennzeichnung von Beuteltuch für Müllereizwecke und von Preßtuch für Oelmühlen. Gemäß Runsverücung des amerikanischen Schatzamts vom 29. November 1913 wird auf Grund der Bestimmung in § 422 des Zolltartfgesetzes vom 3. Ok⸗ tober 1913, welche für Beuteltuch aus Seide für Müllereizwecke und für Preßtücher aus Kamelhaar für Oelmühlen unter bestimmten Voraussetzungen Zollfreiheit vorsieht, folgendes bestimmt:
Beuteltuch aus Seide, eigens für Müllereizwecke eingeführt, wird zollfrei zugelassen, wenn es von Rand zu Rand in Abständen von 8 als 4 Zoll mit den Worten: „Bolting cloth, expressl)y- or milling purposes“ in Holzbuchstabern ö88 Höh beruche in. purl lzbuchstabendruck von 3 Zoll Höhe 8 Preßtücher aus Kamelhaar, eigens für Oelmühlen eingeführt, in Längen von nicht mehr als 72 Zoll geschnitten und in Breiten von nicht weniger als 10 Zoll und nicht mehr als 15 Zoll gewebt, im Gewichte von nicht weniger als ½ Pfund auf ein Geviertfuß, werden zollfrei zugelassen, wenn sie so gekennzeichnet sind, daß ihr Gebrauchs⸗ zweck ersichtlich ist. Preßtücher, für welche die zollfreie Zulassung be⸗ ansprucht wird, müssen mit einem Kennzeichen versehen sein, das sich der Länge nach in der Mitte des Gewebes hinzieht und in 3 Zoll “ mit Herenchkicet Fürucen Buchstaben die Worte: „For oil milling purposes“ enthällt, wobei an jedem Ende des Gew höchstens 10. Zoll unbedeckt bleiben däͤrfen. Ee Der Aufdruck muß dauerhafter Art sein; Säuren oder Chemi⸗ kalien schädlicher Art dürften indes nicht verwendet werden.
Beutel⸗ oder Preßtuch, das bei der Einfuhr nicht in der vor⸗ stehend angegebenen Weise gekennzeichnet ist, kann von den Einführern in öffentlichen Niederlagen unter Aufsicht von Zollbeamten mit Auf⸗ druck versehen und danach ausgehändigt werden. CTreasury Decisions under the customs etc. laws.)
Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 21. Januar 1914: Ruhrrevier Oberschlesisches Revier 1 Anzahl der Wagen .“ 28 0 1 Nicht gestellt. —
London 16 ⁄2.
ü 9 8 7,00 — 7,10. Stimmung: Ruhig. Brotraffin. I o aß 19,12 ½ — 19,37 ½ Kristallzucker! mit Sas tge n. nehne 1e6 19,121-19,89 Gem. Melis I mit Sack 18,37 ½ — 18,62 ½. Stimmung: Geschäftslos. Rohzucker 1 9,25 Gd., 9,30 Br., Februar 9,27 ½ Gd., 9,30 Br., 9,37 ½ Br., Mai 9,52 ½ Gd., 9,55 B Oktober⸗Dezember 9,65 Gd., 9,67 ¾
Von dem Berliner Psandbriefinstitut sind bis Ende De zember 1913: 20 204 100 ℳ 3 ½ % ige (alte), 22 402 800 ℳ 4 % ige (alte 46 098 900 ℳ 4 ½ % ige. 9 990 900 ℳ 5 % ige, 12 330 100 ℳ 3 %oige neue, 171 706 600 ℳ 3 ½ % ige neue, zusammen 457 528 900 ℳ Pfandbriefe ausgegeben worden, von denen noch 5 447 700 ℳ 3 ½ % ige (alte), 3 955 500 ℳ 4 % ige (alte) 2 479 500 ℳ 4 ½ % ige, 537 300 ℳ 5 % ige, 9 646 300 ℳ 3 % ig neue, 121 221 900 ℳ 3 ½ % ige neue, 140 656 600 ℳ 4 %ige neue zusammen 283 944 800 ℳ Pfandbriefe von den Grundstückseigentümern zu verzinsen sind. In der Zeit vom 1. Januar 1912 bis zum 31. Dezember 1913 sind 382 Grundstücke mit einem Feuerkassenwerte von 81 047 250 ℳ zur Beleihung mit neuen Berliner Pfandbriefe angemeldet worden. Von den darauf erfolgten Zusicherungen sin 40 183 200 ℳ noch nicht abgehoben worden.
— Ueber zweifelhafte ausländische Firmen in Man chester (Agenturen) sind den Aeltesten der Kaufmannschaf von Berlin Mitteilungen zugegangen. Vertrauenswürdigen Inter essenten wird im Zentralbureau der Korporation, Neue Friedrich straße 51 I, an den Werktagen zwischen 9 und 3 Uhr mündlich oder schriftlich nähere Auskunft gegeben.
Albany, 22. Januar. (W. T. B.) Das unter der Führun von Kuhn, Loeb u. Co. stehende Svndikat hat den Zuschlag auf die ganze viereinhalbprozentige Anleihe des Staates New York erhalten. Der Uebernahmepreis beträgt 106 077 Prozent. 8
Berlin, 21. Januar. Bericht über Speisefette von Gebr Gause. Butter: Das Geschäft bleibt schleppend bei gleich großen Zufubren feinster Butter. Frische russische Butter ist wenig gefragt, 1 nur für billigere Standware besteht etwas Interesse. Die heutigen Notierungen sind: Hof, und Genossenschaftsbutter Ia Qualität 128 bis 130 ℳ, IIa Qualität 124 — 128 ℳ. — Schmalz: Steigende Schweinepreise ließen die amerikanischen Fettwarenmärkte in fester Tendenz bei ebenfalls steigenden Preisen verkehren. Die Konsum⸗ nachfrage ist der Jahreszeit entsprechend mäßig. Die heutigen Notierungen sind: Choice Western Steam 64 — 65 ℳ, amerikanisches Tafelschmalz Borussia 66 ℳ, Berliner Stadtschmalz Krone 65 ¼ bis 8 Berliner Bratenschmalz Kornblume 66 — 70 ℳ. — Speck: ruhig.
4““ bo Magerviehhof in Friedri felde. Schweine⸗ und Ferkelmarkt Mittwoch, den 21. Januar 1914. jai 11“ b Auftrieb Schweine. 699 Stück Wo1“ “““ Verlauf des Marktes: Reges Geschäft; Preise gedrückt. Wc⸗ Es wurde gezahlt im Engroshandel für: Läuferschweine: 7—8 Monate alt. . Stück 46 — 57 ℳ 5— 6 Monate alt.. 34 — 45 „ Palhe 3 —4 Monate alt. . . 26 — 33 erkel: 9. 13 öö. 21 — 25 8 Wöoche alt.. 14 — 20
Ueberstand — Stück
b einzelne Sorten im
Kursberichte von auswärtigen Fondsmärkten. 1 “ 21. (W. T. B.) Gold⸗ in Barren das Kilogramm 2790 Br., 2784 Gd., Silber in B 8 Ki 1)8 Be. 8 88 arren das Kilogramm en, 22. Januar, Vormittags 10 Uhr 45 Min. (W. T. B. Einh. 4 % Rente M./N. p. 82,75, Oesterr. 8..92 in Kr.⸗W. pr. ult. 83,20, Ungar. 4 % Rente in Kr.⸗W. 82,70, Türkische Lose per medio 230,50, Orientbahnaktien pr. ult. —,—, Oesterr. Staatsbahnaktien (Franz.) pr. ult. 712,00, Südbahn⸗ gesellschaft (Lomb.) Akt. pr. ult. 103,75, Wiener Bankvereinaktien —,—, Oesterr. Kreditanstalt Akt. pr. ult. 633,25, Ungar. allg. Kreditbankaktien —,—, Oesterr. Länderbankaktien 528,00, Unionbank⸗ aktien 602,00, Türkische Tabakaktien pr. ult. 432 50, Deutsche Reichs⸗ banknoten pr. ult. 117,56, Oesterr. Alpine Montangesellschaftsaktten 803,25, Prager Eisenindustrieges.⸗Akt. 2480, Brüxer Kohlenbergb.⸗ Gesellsch.⸗Akt. v“ erwartete Zinsfußermäßigungen, die Erledigung der Steuerreform und günstiges New York. Lebhafter jedoch 888 Montanwerte. „London, 21. Januar, Nachm. (W. T. B.) Silber pror 26 ½, 2 Monate 26 6. Privatdiskont 8 — S2nds Aer, Pegmat Konsols 735716. — Bankeingang 95 000 Pfund Sterling. Paris, 21. Januar. (W. T. B.) (Schluß.) 3 % Franz.
“ G
kadrid, 21. Januar. (W. T. B.) Wechsel auf Paris 106,15. Lissabon, 21. Januar. (W. T. B.) Gleb ans 9“ 1— New York, .21. Januar. (Schluß.) (W. T. B.) Der Verkehr an der heutigen Börse eröffnete infolge von größeren Deckungen und Meinungskäufen bei lebhaftem Geschäft in 818. Haltung. Im weiteren Verlauf machte die Befestigung noch Fortschritte, und ver⸗ schiedene Spezialwerte konnten ihren Kursstand aus mancherlei Gründen bedeutend verbessern. So wurden Stahlwerte und Papiere von Ausrüstungsgesellschaften hauptsächlich infolge von Meldungen über die günstige Gestaltung der Geschäfts⸗ lage befestigt. Bahnwerte stellten sich höher, da immer mehr die Annahme durchdringt, Präsident Wilson stehe der Gewährung der von den Ostbahnen geforderten Ratenerhöhung freundlich gegenüber. In den Nachmittagsstunden regten besonders Anzeichen an, aus denen man die Ueberzeugung gewann, daß die neue Bondsemission des Staates New York (siehe unten) stark überzeichnet sei. Viel bemerkt wurde das Steigen von Readings; es wurde nämlich behauptet, daß trotz einer eventuellen Herabsetzung der Antrazitraten die Einnahmen der Bahn wenig in Mitleidenschaft gezogen werden würden. In der Schlußstunde wirkte die Meldung, daß der zwecks Trennung der Central Pacific von der Southern Pacific Nr. eingeleitete Prozeß demnächst beginnen werde, lähmend auf die Unternehmungs⸗ lust ein. Wenn vorübergehend auch Realisationen auf die Kursgestaltung drücklen, so wurde die Tendenz zum Schluß auf Deckungen doch wieder sehr fest. An Aktien wurden 628 000 Stück umgesetzt. Mit der Oeffnung der Angebote auf die neue 4 ½ prozentige Bondsausgabe des Staates New York in Höhe von 51 Millionen Dollar wurde heute mittag begonnen. Es waren über 350 Offerten eingelaufen und dies bedeutet einen großen Erfolg. Es wird erklärt, daß aus den Angeboten eine erhebliche Besserung des Anlagemarktes und der Lage am Geldmarkte zu erkennen ist. ie Bonds, die mit einer Laufzeit von 50 Jahren ausgestattet sind, wurden an der Straßenbörse zum Kurse von 107½8 % gehandelt. Die Anleihe wurde, wie schließlich gemeldet wird, sechsmal überzeichnet. Tendenz für Geld: Stetig. Geld auf 24 Std.⸗Durchschn.⸗Zinsrate 2, do. Zins⸗ rate f. letzt. Darlehn d. Tages 2, Wechsel auf London 4,8360,
Cable Transfers 4,8670, Wechsel auf Berlin (Sicht) 95.
Rio de Janeiro, 21. Januar. (W. T. B.) Wechsel auf
Kursberichte von auswärtigen Warenmärkten.
Ma deburg, 22. Januar. (W. T. B.) Zuckerbericht. Korn⸗ rad ohne Sack 8,85 — 8,95. Nachprodukte 75 Grad ohne Sack em. Raffinade m. S. 18,87 ½ — 19,12 ¼. I. Produkt Transit frei an Bord Hamburg: Januar März 9,35 Gd., r., August 9,75 Gd., 9,77 ½ Br., r Br. Rubig. Cöln, 21. Januar.
Mai 67,50.
W. T. B.) Rüböl loko 70,00, für
167 795 500 ℳ 4 % ige neue .