1914 / 23 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Zahlmstr. vom 1. Garde⸗Drag. R. Königin Viktoria von Groß⸗ britannien und Irland, der Titel „Ob. Zahlmstr.“ verliehen.

Den 31. Dezember. Hoffmann (Willi), Int. Sekr. von d. Int. d. 21. Div., zur Int. d. XVIII. A. K. vers.

Den 1. Janugr. Bielefeldt, Regierungsbaumeister, Leiter eines Neubaus in Trier, etatmäßig, Kaehler, Mil. Bauregistratur⸗ diätar in Danzig⸗Langfuhr, als Mil. Bauregistrator endgültig, angestehlt. 1 . 8

Den 2. Januar. Littwin, Prov. Amts⸗Insp. und Amts⸗Vorst. in Marienburg, zum Prov. Meitter ernannt. .

en 3. Januar. Kanzlei⸗Sekr. b. Gr. Gen. Stabe, Wum Geh. Kanzlei⸗Sekr. b. Kr. Min. ernannt. t en 6. Januar. Wickmann, Prov. Amts⸗Dir. und Rechn. Rat in Cassel, auf seinen Antrag m. Pension in d. Rubestand vers.

Den 7. Januar. Groß, Schellin, Schülke, geprüfte Int. Registraturanwärter, bei d. Int. d. XIL, XXE A. K. und Garde⸗ korps als Mil. Int. Diätare angest. 8

Versetzt zum 1. Februar. Duhnsen, Faak, Laz. Inspektoren in Quedlindurg und Spandau, nach Spandau und II Berlin⸗Tempelhof, Börnicke, Laz. Insp. in Berlin⸗Tempelhof, nach Quedlinburg als Kassenvorst., Linkamp, Laz. Insp. in Straßburg i. E., nach Bonn.

Den 10. Januar. Menzel, Mil. Int. Diatar von d. Int. d. VI. A. K, zum Mil. Int. Sekr. ernannt.

Den 11. Januar. Meusel, Mil. Bauregistrator b. Bauamt in Halle, d. Titel „Ob. Mil. Bauregistrator“ verliehen. Hoenecke, Rechn. Rat, Ob. Zahlmstr. vom Stabe d. Schlesw. Holst. Fußart. Regts. Nr. 9, auf seinen Antrag m. Pens. in d. Rubestand vers.

Durch Verfügung des Chefs des Generalstabes der Armee.

Klapschke, Mil. Anwärter, als Kanzleidiätar b. Gr. Gen.

Stabe angest. Im Beurlaubtenstande. Durch Verfügung des Kriegsministeriums. Den 13. Dezember. Klein (Montjoie), Meier (Coesfeld), Gronau (Neustettin), Lembeck (I Trier), Schroeter (Cottbus), Willig (I Cassel), Lorent (Montjoie), Kohnert (Braunsberg), Elschner (I Darmstadt), Unt. Apotheker d. Beurl. Standes, zu Ob. Apothekern befördert. Pollack (Lauban), Dr. Spieker (Duisburg), Paravicini (Freiburg i. B.), Ob. Apotheker d. Beurl. Standes, der Abschied bew. Beamte der Militärverwaltung. Durch Allerhöchste Bestallung.

Den 8. Januar. Bergmann, bisher Kr. Ger. Rat b. Gen.

Komdo. XVIII. A. K., zum Ob. Kr. Ger. Rat ernannt. Durch Allerhöchsten Erlaß. 1

Den 8. Januar. von der Horst, Ob. Kr. Ger. Rat b. Gen. Komdo. I. A. K., d. Stellenrang d. dritten Klasse, Tesmer, Kr. Ger. Rat bei d. 36. Div., d. Stellenrang d. vierten Klasse d. höheren Provinzialbeamten, verliehen.

8 Durch Verfügung des Kriegsministeriums. Den 12. Januar. Beꝛgmann, Ob. Kr. Ger. Rat, d. Gen. Komdo. XVI. A. K. zugeordnet.

Den 14. Januar. Grauert, Kr. Ger. Rat bei d. 15. Div., . Z. 1914 zum Gen. Komdo. XIV. A. K. vers. en 19. Januar. Boll, Kr. Ger. Rat von d. 21 Gen. Komdo. XVIII. A. K. vers.

Beamte der Militärverwaltung. Durch Verfügung des Kriegsministeriums.

Den 28. Dezember. Heu fer, Ger. Referendar bei d. Int. d. X. A. K., unter Uebernahme in d. Mil. Verw. Dienst zum Mil. Int. Referendar ernannt. 1

Den 7. Januar. Jaekel, Amtsrat, Administrator d. Remonte⸗ Dep. Hardebek, in gleicher Eigenschaft zum Remonte⸗Dep. Ferdinandshof, Frhr. von Toll, Insp. für d. Wirtschaftsbetried b. Remonte⸗Dep. Hunnesrück, zum Remonte⸗Dep. Arendsee, vers.

Den 9. Januar. Versetzt: Aulich, Insp. für d. Wirtschafts⸗ betrieb b. Remonte⸗Dep. Arendsee, als Administrator auf Probe zum Remonte⸗Dep. Hardebek, Rademacher, Insp. für d. Wirtschafts⸗ betrieb b. Remonte⸗Dep. Jurgaitschen, zum Remonte⸗Dep. Neuhof⸗ Ragnit, Sommer, Neumann, Garn. Verw. Inspektoren in Berlin I und Posen, gegenseitig. 88

Den 12 Januar. Versetzt: Schultz, Ob. Mil.

. Int h Eö“ dorf, Insp. für d. Wirtschaftsbetrieb b. Remonte⸗Dep. Remonte⸗Dep. Hunnesrück.

Den 13. Januar. Kühne, Garn. 3 ftr. Wahrn. d. Stelle d. Kassenkontrolleurs bei d. Haupt⸗Kad. Anst. in Berlin⸗Lichterfelde, zum Kassenkontrolleur ernannt.

Den 14. Januar. Blum, Mil. Int. Sek

.Div., d. Titel „Ob. Mil. Int. Den 15. Januar. Schmidt

egts. Herzog Ferdinand von Braunsch seinen Antrag m Pens. in d. Ruhestan r

Den 16. Januar. Warzitz, Laz. Insp.

tag m. Pens. in d. Ruhestand vers.

zum zum

Verw. Insp., beauftr. m.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Sitzung vom 26. Januar 1914, Vormittags 11 Uhr. Bericht

—**

a Auf der Tagesordnung steht die Interpellation Abgg. Dr. Wagner und Genossen (freikons.):

Was gedenkt die Staatsregierung zur Beseitigung der Dienstbotenversicherung in den Ortekrankenkassen getretenen Mißstände zu tun?

Nach der Begründung der Interpellation durch den A

Wagner⸗Breslau (freikons.), über die bereits in

ünsn Walske Gosbbrrenk;scho⸗ RBüuro u.) von Wolsss Telegraphischem Bureau.

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bg. der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt zu deren Beantwortung das Wort der

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydo Auch mir zahlreiche Klagen zugegangen über Mißstände, mit der Durchf der Reichsversicherungsordnung in bezug auf Krankenversicher sind. Ehe ich auf Mißstände im einzelnen eingehe und erörtere, was zu ihrer 2 w zu tun sei, möchte ich eine al ine Bemerkung vorausschicken, die sich auf einige einleitende W des Herrn Vorredners beziekht. Der Herr Vorredner hat Angriffe gegen die Reichsversicherungs⸗ ordnung selbst gerichtet, insofern als sie die Dienstbotenversicherung ein⸗ füährt, und dieses Beginnen als zum min 1 überflüssig bezeichnet. Hitferauf einzugeben bin ich an dieser St icht in der Lage.

Dornstegtoern Serbunbden Dienstdone ——22neen

12 Das

ordnung zustande kam. Ich will hamaf keinen besonderen Wert legen, daß es denn doch ein eigentümliches Vorgehen der preußischen Staats⸗ regierung gewesen wäre, wenn sie sich diesem Gesetz, das mit ihrer Zustimmung im Bundesrat und Reichstag eingebracht wurde, schleunigst, ehe es in Kraft trat, zu entziehen gesucht hätte. Mehr Wert lege ich darauf, daß nach der ganzen Entstehungsgeschichte dieses § 440, wie er in der Reichstagskommission zur Sprache ge⸗ bracht worden ist, man die Einrichtungen, die schon vorhanden waren, schonen wollte, und daß man insbesondere an das hamburgische Gesetz vom Jahre 1890 dabei gedacht hat. Es wurde von seiten der Regierung gesagt: 8 Für den Vorbehalt des § 468 ⸗das ist der jetzige 440 1X11“ kommt nicht Preußen, sondern hauptsächlich Hamburg in Betracht. Der Entwurf wollte nur eine unnötige Schematisierung vermeiden durch billige Rücksichtnahme auf bestehende Einrichtungen.. Ich bezweifle auch, daß ein solches Landesgesetz für Preußen nur Vorteil gebracht haben würde. Denn hätte man in Preußen be⸗ sondere Dienstbotenkrankenkassen geschaffen, so hätte man in vielen Orten die Errichtung von Landkrankenkassen unmöglich gemacht, nämlich überall da, wo eine Landkrankenkasse ohne Hinzunahme der Dienstboten nicht leistungsfähig ist.

Doch nun zur Ausführung des Gesetzes, für die natürlich die preußische Regierung verantwortlich ist. Die Mißstände, die hervorgetreten sind, sind doppelter Art. Zunächst beruhen die Klagen darauf, daß man in Preußen nicht überall die Dienstboten in Land⸗ krankenkassen zusammengefaßt habe, also daß man nicht überall Land⸗ krankenkassen errichtet habe.

Die Frage der Errichtung von Landkrankenkassen hat ein doppeltes Gesicht. Es handelt sich einmal um Landkrankenkassen auf dem platten Lande, also dort, wo die landwirtschaftlichen Arbeiter die Hauptzahl der Versicherten ausmachen. Da bin ich überall im Einverständnis mit dem Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vorgegangen. Wie weit auf dem Lande Landkrankenkassen zweckmäßig sind oder nicht, wie weit sie leistungsfähig sind oder nicht, das be⸗ rührt in erster Linie die Interessen, die der Landwirtschaftsminister vertritt. Wo keine Landkrankenkasse für die ländliche Bevölkerung errichtet worden ist, ist das mit Zustimmung des Herrn Landwirtschafts⸗ ministers geschehen.

Was daneben die Landkrankenkassen in den Städten betrifft, so ist dafür natürlich ausschließlich die Verantwortung bei meinem Ressort (Aha! bei den Konservativen). Nun gilt für die Errichtung von Land⸗ krankenkassen gesetzlich schon eins: wenn ein Gemeindeverband eine Landkrankenkasse errichten will, so kann er nach dem Gesetz überhaupt daran nicht gehindert werden (Abg. Dr. Hahn: Hört! hört!). Daraus folgt, daß überall, wo Landkrankenkassen nicht errichtet sind, die Zu⸗ stimmung des Gemeindeverbandes vorhanden gewesen ist. Es ist nach dem Gesetz gar nicht anders möglich, denn nach § 229 Reichsversiche⸗ rungsordnung kann überhaupt die Errichtung einer Landkrankenkasse nur unterbleiben mit Eenehmigung des Oberversicherungsamtes dort, wo das Versicherungsamt nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber und Versicherungspflichtigen das Bedürfnis verneint, und das Ver⸗ sicherungsamt ist ja im wesentlichen identisch mit der lokalen Instanz. Also ich konstatiere zunächst, daß nirgends eine Landkrankenkasse ver⸗ hindert ist, wo die örtlichen Instanzen eine solche wollten.

Zweitens! Es sind vielfach Anregungen zur Errichtung von Land⸗ krankenkassen von den Regierungsbehörden ausgegangen, auch da, wo die örtlichen Instanzen solche nicht wollten. Wenn man nicht weiter⸗ gegangen ist, als es geschehen ist, wenn im ganzen nur etwas über 400 Landkrankenkassen errichtet worden sind, so ist das durchweg in Uebereinstimmung auch mit den Bezirksinstanzen, insbesondere den Regierungspräsidenten, geschehen.

Nun ist es doch in einem Staate wie Preußen gar nicht möglich, die Sache von der Zentrale zu entscheiden ohne Rücksicht auf die lokalen Bedürfnisse, und wie verschieden da die Wünsche, wie ver⸗ schieden da die Bedürfnisse waren, kann ich Ihnen an einigen Bei⸗ svielen nachweisen. Ich kenne zwei Städte im Westen, die gar nicht weit voneinander liegen, beides große Städte. In der einen legte der Gemeindeverband den größten Wert darauf, daß die Dienstboten in die Ortskrankenkasse hineinkämen, weil sonst die Verwaltung der Ortskrankenkasse durchweg sozialdemokratischen Einfllssen anheimgefallen wäre. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) In der anderen, nicht weit davon entfernt, wurde die Errichtung einer Landkrankenkasse für nötig gehalten, weil die Ortskrankenkasse so von sozialdemokratischen Einflüssen durchdrungen wäre, daß die Dienst⸗ boten, wenn sie dort hineinkämen, auch diesem Einfluß ausgesetzt sein würden. (Unerhört! bei den Sozialdemokraten.) Da bleibt der Zentralinstanz nichts anderes übrig, als zu sagen: was die örtlichen Instanzen wünschen, das mag geschehen.

Ich kenne einen dritten Fall, in welchem in einer großen Stadt der Gemeindeverband um deswillen keine besondere Landkrankenkasse für die Dienstboten haben wollte, weil die Dienstboten zum größten Teile zugleich gewerblich beschäftigt waren, und deswegen schon der Ortskrankenkasse angehörten, die übrig bleibenden Dienstboten aber zu gering an Zahl waren, als daß sie in Verbindung mit den landwirt⸗ schaftlichen Arbeitern, den Hausgewerbtreibenden und den im Wander⸗

leistungsfähige Krankenkasse bilden

8 1“ 1“

verschieden besondere auch die Preußen kann die nehmen,

liegen die Verhältnisse, so verschieden ist ins⸗ Leistungsfäbigkeit. Also in einem Staate

entralbehörde nicht die Verantwortung über⸗

ssen überall Landkrankenkassen errichtet

nister, behalte mir in jedem Falle

* wie

Fall üssen die örtlichen Verhältnisse geprüft

sonst kommt gerade das, was der Herr Vorredner bekämpft,

nämlich isieren; das wollen wir aber doch vermeiden. Also ich s bei der Errichtung oder Nichterrichtung der

Reichsgesetz besteht, und ich möchte doch in gewisser Beziehung auch dem Herrn Vorredner die Aktivlegitimation daz eichsgesetz haben alle Parteien (sehr richtig! links), ie Dienstbotenversicherung betraf, insbesondere auch Herrn Vorredners damals freudig zugestimmt. (Hört! Eine andere Frage, die er berührt hat, darf ich au erledigen. Er hat gefragt, warum die Koöniglich nicht von dem § 440 Gebrauch gemacht un Landesgesetzgebung noch schleunigst eine Di sonderer Art für Preußen eingeführt habe,

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denn diesem

.

Landkrankenkasse die örtlichen Wünsche in erster Linie maßgebend ge⸗

wir nach Einholung der Gutachten der Ober⸗

versicherungsämter möglichst aus den besonderen Verhältnissen jedes Landesteils und jedes Oris entschieden haben.

Im übrigen haben wir uns gesagt, daß es ja kein Unglück ist,

iu Anfang eine Landkrankenkasse an einem Orte nicht

wo sich nachber das Bedürfnis zu ihrer Errichtung

wesen sind wesen sind,

ürümiic⸗h

sein sollte,

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Dann muß eben die Landkrankenkasse errichtet werden. (Bravo! rechts.) Nun gebe ich vollkommen zu, daß berechtigte Interessen auch auf Seiten der Dienstherrschaften bestehen können, eine Landkrankenkasse zu haben an einem Ort, wo zunächst nur eine Ortskrankenkasse besteht. Die Unterschiede zwischen den Landkrankenkassen und den Ortskranken⸗ kassen sind, soweit es sich um die großen Städte handelt, wo oft ein Ort nur eine Ortskrankenkasse, der andere Ort auch eine Landkranken⸗ kasse hat, gar nicht so sehr in der Verschiedenheit der Leistungen zu finden. Wenn Sie z. B. die Verhältnisse in Berlin und Umgegend ansehen, so finden Sie, daß zwei von den Berliner Vororten, Friedenau und Wilmersdorf, neben den Ortskrankenkassen Land⸗ krankenkassen errichtet haben. Die übrigen Vororte und die Stadt Berlin selbst haben nur eine Ortskrankenkasse. Die Leistungen sind überall ziemlich dieselben. Einige, sowohl Ortskrankenkassen wie Landkrankenkassen, geben 39 Wochen Krankenunterstützung, andere, Land⸗ und Ortskrankenkassen, 26 Wochen. Der einzige Unterschied, der vielleicht von Bedeutung ist, ist der, daß die eine oder andere Ortskrankenkasse Familienhilfe gewährt, die aber doch für die Dienst⸗ boten keine praktische Bedeutung hat.

Nun ist es sehr schwer, das finanzielle Risiko, das mit der Dienst⸗ botenversicherung verbunden ist, genau zu präzisieren. Noch fehlen die Erfahrungen. Aber an sich wird man sagen müssen, daß es bei den Dienstboten jedenfalls erheblich geringer ist als bei einem ganzen Teil der industriellen Arbeiter (sehr richtig! rechts), weil sie in besseren Wohnungen leben, im allgemeinen auch besser verpflegt werden, vielleicht auch wegen der in stärkerem Maße eintretenden Krankenhauspflege: wenn diese zwar an sich auch teurer ist, so bewirkt sie doch, daß die Krankheiten schneller zu Ende geführt werden. Auf der anderen Seite fehlen noch zahlen⸗ mäßige Erfahrungen. Aber dafür, daß im allgemeinen die Bei⸗ träge, die für die Versicherung in einer Ortskrankenkasse, vor allem in stark industriellen Orten zu entrichten sind, größer sind als die⸗ jenigen für Landkrankenkassen, die sich im wesentlichen auf Dienst⸗ boten beschränken, gibt es einige ziemlich schlagende Zahlen aus Berlin und Umgebung. Beispielsweise ist in Charlottenburg nur eine Ortskrankenkasse. Ich vergleiche damit die Landkrankenkasse in Wilmersdorf. Um ein tägliches Krankengeld von 1,80 zu erreichen, müssen in Charlottenburg jährlich 51,48 Bei⸗ träge gezahlt werden, zu demselben Zweck in Wilmers⸗ dorf nur 39 ℳ. (Hört, hört! rechts und im Zentrum.) Ferner will ich Schöneberg mit Friedenau vergleichen. Schöneberg hat nur eine Ortskrankenkasse, Friedenau hat daneben eine Land⸗ krankenkasse, in der besonders Dienstboten sind. Um ein Krankengeld von 1,50 zu erzielen, müssen bei männlichen Dienstboten in Schöne⸗ berg 49,92 jährlich gezahlt werden. Genau denselben Kranken⸗ geldsatz finden Sie nicht in Friedenau. Aber um 1,40 also 10 weniger tägliches Krankengeld zu erzielen, müssen in Friedenau 35,88 entrichtet werden. (Hört, hört! rechts.) Um 2 tägliches Krankengeld zu erreichen, sind in Schöneberg 65,52, in Berlin 72 jährlich zu erheben, in Friedenau sind für 1,90 tägliches Krankengeld auch hier findet sich die Zahl von 2 nicht 48,46 Jahresbeitrag zu entrichten. (Hört! hört.) Also es ist nicht zu leugnen, daß nach den jetzt zu Grunde gelegten Vor⸗ anschlägen die Beiträge zu den Landkrankenkassen in den großen Städten und ihren Vororten niedriger sind als die Beiträge für 8 Ortskrankenkasse.

Dazu kommt nun noch eins: die Organisationsfrage. Bei den Ortskrankenkassen werden der Vorstand und der Ausschuß von den Arbeitgebern einerseits und den Arbeitnehmern andererseits ge⸗ wählt; in den Landkrankenkassen werden Vorstand, Ausschuß und Vorsitzender von der Gemeindevertretung gewählt. Viele Dienstherrschaften haben ein wie ich glaube: be⸗ rechtigtes Interesse daran, daß ihre Dienstboten nicht in die politische Wahlagitation und damit auch in die sozialdemokra⸗ tische Wahlarbeit hineingezogen werden. (Lebhafte Zustimmung.) Dieser Gesichtspunkt wird vom Gesetz auch dadurch anerkannt, daß man die Dienstboten diesen besonders konstruierten Landkrankenkassen überwiesen hat. Aber auch das andere Interesse: nicht mehr zu zahlen, als notwendig, ist doch vom Gesetz auch auf dieselbe Weise anerkannt; denn das Gesetz will, daß Dienstherrschaften und Dienstboten, die doch beide zusammen die Beiträge zu zahlen haben wenigstens theoretisch beide (Heiterkeit) nicht unnötigerweise zur Mittragung des Risikos für viel schlechter stehende gewerbliche Arbeiter herangezogen werden sollen.

Also ich erkenne durchaus an, daß Umstände vorliegen können, welche in großen Städten und ihrer Umgebung die Errichtuug von Landkrankenkassen zweckmäßig erscheinen lassen (Abg. Dr. Hahn: Hört, hört!) und ich bin durchaus bereit, da, wo Beschwerden geltend gema werden, die Oberversicherungsämter zu veranlassen, diese

(Bravo!) kommt nun noch ein Gesichtspunkt hinzu, den auch der Herr 8 llaut berührt hat, nämlich die Arztfrage. Ich stehe persönlich und habe das auch offen ausgesprochen durchaus nicht auf dem Standpunkt, daß den Krankenkassen die freie Arztwahl aufgenötigt werden sollte; ich halte das mit der Entstehungsgeschichte der Reichs⸗ versicherungsordnung nicht für vereinbar. Aber wenn es sich

K nkassen für Dienstboten handelt, dann muß, wenn ihren Zweck erfüllen sollen, dafür gesorgt werden, daß die

sich derselben Aerzte bedienen können wie die haften. (Sehr richtig!') Einmal will die Dienst⸗ herrschaft nicht jedermann in ihr Haus kommen lassen, und zweitens würden die Dienstboten die Hilfe von einem Arzt, der nicht auch von ihrer Dienstherrschaft zu Rate gezogen wird, nicht recht schätzen. (Sehr richtigz) Daher kann man bei Land⸗ krankenkassen für Dienstboten nur vorwärts kommen, wenn man da der Tat die freie Arztwahl einführt. Daher wird also die weitere Errichtung von Landkrankenkassen davon abhängen, ob man die Gewähr hat, daß die Kasse sich nachher auf die freie Arztwahl einläßt.

Also, meine Herren, um mit diesem Punkt zum Abschluß zu kommen ich erkläre mich bereit, wo in den Städten Klagen hzarüber bestehen, daß die Ortskrankenkassen, denen augenblicklich die

ienstboten angehören, nach der einen oder anderen Richtung Zweck nicht erfüllen, die Oberversicherungeämter zu veranlassen, daß sie prüfen, ob die Genehmigung zur Nichterrichtung einer Land

[ krankenkasse nicht zurückzuziehen ist. (Bravo!)

nachträglich das Bedürfnis erkennt, zurückziehen. (Hört hört! rechts.)

Dann muß ich noch auf einen a er organlsatorischer Art ist, sondern die Auslegung des Gesetzes betrifft,

ausf die Mißstände, die sich aus der verschiedenartigen und wohl oft

enfechtbaren Auslegung des Gesetzes bei der Beurteilung der Be⸗ freiungsanträge ergeben haben. Ich will gar nicht von den Ihnen dorch die Zeitungen bekannten Klagen über die Ortskrankenkasse in Schöne⸗ sprechen, die auf 1200 Befreiungsanträge 1200 formularmäßig vor⸗ gedruckte Ablehnungsbescheide erteilt hat. (Hört, hört! und Heiterkeit.) Der Mißstand ist beseitigt. Sowohl das Versicherungsamt als auch das Oberversicherungsamt haben mit aller wünschenswerten Energie engegriffen. (Bravo!) Das Versicherungsamt hat den Vorstands⸗ mitgliedern der Kassen Ordnungsstrafen angedroht, wenn sie auf wesem gesetzwidrigen Wege fortschreiten (bkavo!), und das Oberver⸗ scherungsamt hat in dankenswerter Weise die Kasse darüber belehrt, nie ein solcher Bescheid sachlich zu prüfen und zu beantworten sei. Aber die Auslegung des viel umstrittenen § 418 ist hier kurz zu berühren. Die Schwierigkeiten bei der Ausführung der Reichsversiche⸗

ungsordnung beruhen das kann ich hier ruhig aussprechen zum

goßen Teil in der Vieldeutigkeit der Bestimmungen. (Sehr richtig!) Ein so zsführliches Gesetz, das lange Zeit durch das Fegefeuer des Reichs⸗

mnges gegangen ist (hört, hört! Heiterkeit), wird leicht vieldeutig,

und man kommt auf Erklärungen von der einen oder der anderen Seite, bei denen man sich fragt, ob sie denn mit der Absicht des Gesetzes vereinbar sind. Da bleibt natürlich der ausführenden Landes⸗

zmtralbehörde nichts anderes übrig, als daß sie sich das Gesetz an⸗ stht, nach seinem vernünftigen Zwecke fragt und, soweit es mit dem

Wertlaut des Gesetzes vereinbar ist, es so ausführt, wie man glaubt,

dch die vernünftige Absicht des Gesetzgebers der Geist des Gesetz⸗ gebers ist. (Bravo!) Sie kennen ja wohl das Wort eines berühmten Zuristen: der Geist des Gesetzgebers ist oft sehr viel klüger, als die

die das Gesetz gemacht haben, sich haben träumen lassen. (Große Heiterkeit.)

Also wenn man sich den § 418 einmal daraufhin ansieht, so nuß man zunächst sagen: er will dem Arbeitgeber ein Recht auf Be⸗ eriung unter gewissen Voraussetzungen geben. (Sehr richtig!) Dieses Reccht darf nicht durch die Auslegung angetastet werden. Ob solche befteiungen wünschenswert sind oder nicht, lasse ich dahingestellt. Ich efönlich stehe auf dem Standpunkt, daß der Beitritt zu einer öffent⸗ hen Kasse, die gut verwaltet ist und entsprechende, nicht zu hohe Geitääge erhebt, das Wünschenswertere ist (sehr richtig! rechts); denn inter ihr steht die Gemeinde, steht die öffentliche Aufsicht. Eine Privatunternehmung, wenn sie noch so gut ist, kann doch einmal heitern. Aber immerhin, das Recht ist anerkannt, es muß also auch gwahrt werden.

Ich spreche mich hier über die Auslegung des Gesetzes aus, kwohl ich als Minister nicht in letzter Instanz die Entscheidung abe. Die letzte Instanz bilden an sich die Oberversicherungsämter. ise sind aber in der Lage, wenn es sich um prinzipielle Auslegungs⸗ agen handelt, nach § 1799 der Reichsversicherungsordnung das Reichs⸗ sscherungsamt um Entscheid anzugehen. Ich halte es trotzdem für tig, hier meine Meinung zu sagen, weil sehr große Zweifel bei den bewersicherungsämtern bestehen und ich zunächst die Absicht habe, un Vermeidung weiterer Klagen des Publikums, die Auslegung, die hfür richtig halte und vertreten werde, auch in der Prarxis der Ober⸗ escherungsämter einzuführen. (Bravo!)

Die erste Frage ist die der Leistungsfähigkeit: wie weit kann da⸗

ei die sogenannte Rückversicherung berücksichtigt werden? Da hat in allerdings bei der Beratung des Gesetzes ein Kommissar erklärt: Lestungsfähigkeit muß ohne Rücksicht auf eine etwaige Rückver⸗ tüerung sicher gestellt sein. Ich halte das mit dem Wortlaut und imn Sinn des Gesetzes nicht für vereinbar (hört, hört!). das Gesetz bestimmt: Voraussetzung ist, daß die Leistungsfähigkeit dauf Befreiung Antragenden sicher ist. Es handelt sich hier um ie beistungsfähigkeit in bezug auf die Gewährung von Kranken⸗ nierstützungen, und da kann meines Erachtens kein Zweifel daran en, daß jemand, der durch einen Rückversicherungsantrag für einen gatresbeitrag erreicht hat, daß seinem Dienstboten die Krankenpflege die Krankenunterstützung zu teil wird, dadurch leistungsfähiger ist ie jemand, der einen solchen Vertrag nicht gemacht hat (hört, bört!), i das sozusagen ein Aktivum des Arbeitgebers ist, das bei Be⸗ tilung seiner Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden muß. Ueber die Frage, wie hoch man nun die Summe des eigenen Ver⸗ igens des Betreffenden bemessen soll, möchte ich mich nicht aus⸗ trechen. Das muß man von Fall zu Fall prüfen und kann da keine gemein gültigen Zahlen geben.

Ich kann auch darin dem Herrn Interpellanten beistimmen, daß

Corto⸗

ualbe

nereen die Auffassung, die ich hier betreffs der Berücksichtigung einer

sückversicherung vertreten habe, nicht die Nr. 1 des § 418 angeführt teden kann, wonach der Arbeitgeber die volle Unterstützung aus senen Mitteln decken soll; denn damit hat nach der Entstehungs⸗ ishichte des Gesetzes nur verhindert werden sollen, daß ein Teil der hümie auf den Dienstboten abgeschoben werde, wie das in einem Pundesstaate unter dem alten Krankenversicherungsgesetz zur Praxis vorden war. Im übrigen trägt sich ja auch der, der die Prämie ült, für die nachher die Krankenunterstützung von dem Versicherer klestet wird, die Kosten der Unterstützung aus eigenen Mitteln. 9 halte es auch nicht für durchaus verwerflich, wenn Krankenkassen Befreiung von der Stellung einer Kaution abhängig machen, eil das eine Erleichterung für den auf Befreiung Antragenden sein un. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und bei der Be⸗ tsung der Kaution soll man meines Dafürhaltens nicht den aller⸗ üümmsten Fall zugrunde legen. Es gibt Fälle, in denen sich die ankenunterstützung auf mehr als ein Jahr ausdehnen kann, nämlich unn, wenn sich der Versicherte erst 3 Wochen nach Ablauf seines Denstverhältnisses außer Stellung befindet und während dieser ochen krank wird, danach, je nach dem Statut, 26 oder Wochen krank, aber nicht arbeitsunfähig ist, und am Ende dieser eiode noch 26 Wochen arbeitsunfaͤhig wird. Solche Fälle darf man sct zugrunde legen (sehr richtig!), man muß zwar an ernstere Fälle kaken, nicht nur an leichtere, aber man soll auch in dieser Be⸗ kbung nicht bureaukratisch sein. (Sehr richtig!)

Dann ist noch eine wichtige Frage, die der Herr Inter⸗ elant berührt hat; wie soll den Dienstboten der Rechtsan⸗ nch eingeräumt werden? Es heißt im § 418, daß der Arbeit⸗ lhmer, der auf Antrag des Arbeitgebers befreit wird, bei Erkrankung nen Rechtsanspruch auf Unterstützung haben muß, die den Leistungen h zuständigen Kasse gleichwertig ist. In dem hier in Berlin schen, von dem Herrn Interpellanten erwähnten Formular heißt es

.

Ich bestätige hiermit, daß ich von der obigen Erklärung meines

Dienstgebers, die Gewährung des Rechtsanspruchs betreffend,

Kenntnis genommen habe. Nebenbei: es wird nicht verlangt, daß der Dienstbote auch von der Angabe des Dienstgebers bezüglich seines Vermögens Kenntnis ge⸗ nommen hat; das steht nicht darin. Es ist bestritten worden, ob diese Kenntnisnahme genügt. Ein Rechtsanspruch kann nur durch einen zweiseitigen Vertrag entstehen; es muß also ein Vertrag zwischen Dienstboten und Dienstherrn geschlossen werden; dazu genügt, wie ich glaube, die obige Feststellung. Denn wenn der Dienstbote erklärt: ich habe davon Kenntnis genommen, und nicht Widersprucht erhebt, hat er meiner Ansicht nach das Angebot des Dienstherrn still⸗ schweigend angenommen und das ist nach dem Bürgerlichen Gesetz⸗ buch ausreichend. (Sehr richtig!)

Dann haben einzelne Ortskrankenkassen eine Klarstellung verlangt, in welcher Weise denn nun eine gleichwertige Unterstützung eingeräumt sei. Hier in dem Berliner Formular erklärt der Dienstberechtigte nur dem Wortlaut der Reichsversicherungsordnung entsprechend, daß er für den Fall der Erkrankung einen Rechtsanspruch auf eine gleich⸗ wertige Unterstützung gewähre. Ich glaube, von einer Prüfung weiterer Einzelheiten können die Krankentassen absehen; denn sie haben kein besonderes Interesse daran. Nach § 422 der Reichs⸗ versicherungsordnung hat die Krankenkasse in allen Fällen, in denen der Arbeitgeber tatsächlich den Dienstboten nicht die Unterstützung leistet, die Verpflichtung, sie dem Nichtversicherten, also dem Arbeit⸗ nehmer, der von der Versicherungspflicht befreit ist, zu ge⸗ währen, und die Krankenkasse hat nachher für das Ge⸗ leistete einen Rückgriff auf den Arbeitgeber, einerlei, wie das Abkommen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im einzelnen aussieht. Also auch nach der Richtung hin braucht man keine Schwierigkeiten zu machen.

Ich glaube also: wenn die Bestimmungen über die Befrelung so gehandhabt werden, so wird eine Reihe der jetzigen Klagen hin⸗ fällig sein. Von meiner Seite aus will ich nach Maßgabe meiner Zuständigkeit gern dazu beitragen. Im übrigen werden wir, wie ich schon sagte, nochmals prüfen, ob an Orten, an denen jetzt keine Land⸗ krankenkassen eingerichtet sind, nachträglich ein Bedürfnis anzuerkennen ist. Ehe wir etwa weitere Schritte in bezug auf die Abänderung des Gesetzes überhaupt in Erwägung ziehen, wollen wir versuchen, mit einer vernünftigen Ausführung des Gesetzes das Nötige zu erreichen. (Bravo!)

Die Abgg. Dr. Pieper (Zentr.) und Dr. Arendt (freikons.) beantragen die Besprechung der Interpellation; der Antrag wird genügend unterstützt.

Abg. Dr. Hahn kkons—): Meine politischen Freunde verkennen auch ihrerseits die Klagen nicht, die der Abg. Wagner hier vorgebracht hat; sie sind der Meinung, daß bei Ausführung des Gesetzes sich eine große Reihe von Uebelständen, die wohl beseitigt werden können und beseitigt werden müssen, gezeigt haben. Dem Minister mache ich das Kompliment, daß er sich als geschickter Parlamentarier den Aus⸗ führungen des Abg. Wagner gegenüber gezeigt hat. An dem Zu⸗ standekommen der Reichsversicherungsordnung haben ja alle bürger⸗ lichen Parteien mitgearbeitet, und sie tragen ein gut Teil Ver⸗ antwortung für dieses Gesetz. Der Minister hat gemeint, eine besondere drenhece Versicherung wäre kaum am Platze ge⸗ wesen, kaum vereinbar mit dem Grundgedanken des Reichsgesetzes. Auch das verkennen wir nicht. Auch das preußische Staatsministerium ist ja nicht mit allen Einzelheiten der Ausführung des Gesetzes ein⸗ verstanden. In einer Beziehung weiche ich von der Auffassung des Ministers wesentlich ab. Wir haben in Preußen nur 410 Landkranken⸗ kassen. Es gibt solche zweierlei Art, solche, die neben den Orts⸗ krankenkassen, und solche, die für sich allein errichtet werden. Wir glauben, daß für die Nichteinführung von Landkrankenkassen nicht der Landwirtschaftsminister, sondern der Handelsminister ausschlaggebend gewesen ist, und zwar eigentlich seine Geheimräte. Meine politischen Freunde sind die letzten, die die Nichteinführung dem Minister auf das Konto schreiben. Ich erinnere an das bekannte Wort Bis⸗ marcks, daß wir eigentlich in Preußen von den Geheimräten regiert werden. Nun liegt es mir ja fern, die Herren Geheimräte oder den Herrn Minister zu attackieren; was wir aber verlangen müssen, ist, daß die Direktive für die Herren Geheimräte eine einheitliche ist. Ich könnte nun eine Reihe von Speztalfällen vorbringen, in denen Land⸗ krankenkassen anstelle von Ortskrankenkassen nicht eingerichtet worden sind, wo Landkrankenkassen wohl am Platze gewesen wären. Dies il speziell von Unna, einer Stadt mit 17 000 Einwohnern, deren

erhältnisse ich genau kenne. Es hat sich gezeigt, daß in diesem Falle durchaus nicht in Uebereinstimmung mit den Lokalbehörden und dem Regierungspräsidenten vorgegangen ist, wie der Minister behauptet hat. Der Landrat von Brilon hat sich für die Errichtung einer Orts⸗ krankenkasse ausgesprochen, der Regierungspräsident und auch die Mehrheit der Einwohner dagegen für eine Landkrankenkasse. In der Ministerialinstanz hat der Landrat gesiegt, nicht der Regierungs⸗ präsident. So könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe von Fällen anfihren. Dadurch, daß in den Städten die Dienstboten den Orts⸗ krankenkassen zugeteilt werden, wird den Großbetrieben eine Last ab⸗ genommen; die Dienstherrschaft muß für diese das größere Risiko mittragen. Das entspricht nicht der Gerechtigkeit. Ueberhaupt ist es eine Ungerechtigkeit, daß der Mittelstand in unserer sozialpolitischen Gesetzgebung die Lasten für das Großgewerbe, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit aufbringen muß. Das bezieht sich namentlich auf die Schul⸗ und Armenlasten. Was den § 418 der Reichsversicherungs⸗ ordnung betrifft, so freue ich mich, daß der Minister die Uebelstände, die hier vorgekommen sind, rückhaltslos anerkannt hat. Um so be⸗ denklicher ist die Auffassung, die Geheimrat Gotkowsky im „Berliner Tageblatt“ vertreten hat; diese steht mit der Auffassung des Ministers nicht im Einklange Der Artikel vertritt die Ansicht, daß hohe An⸗ forderungen an die Leistungsfähigkeit des Versicherers zu stellen sind. Ich freue mich, daß der Minister gesagt hat, es solle bei der Stellung von Kautionen nicht an die schlimmsten Fälle gedacht werden. Sie kennen die Wirkungen der Ausführung des Gesetzes; in Berlin⸗ Schöneberg hat sich die Lage der Aerzte und Zahnärzte verschlechtert. Die Aerzte und Zahnärzte weisen darauf hin, daß ein wesentlicher Teil ihrer Einnahmen aus der Krankenkassenpraxis stamme, da die Krankenkassenversicherung ihnen einen großen Teil der freien Patienten entzogen hat. Von einer Ortskrankenkasse wurde von einem dreifachen Millionär zur Sicherstellung der Ansprüche für jeden Dienstboten eine hohe Kaution gefordert, die in einem anderen Falle bis zu 1000 betrug. Die Krankenkassen haben eben das Gefühl der Allmächtigkeit. Die Dienstboten stehen sich allerdings gegen früher viel besser. Aber einen großen Teil der Kosten müssen zum größten Teil, manchmal voll⸗ ständig, die Dienstherrschaften tragen, so die Zahnpflege, bei schweren Erkrankungen, wie Transportkosten usw. Diese Kosten werden noch vergrößert, wenn man die Dienstboten in die Ortskrankenkassen bringt, da diese wegen des höheren Risikos bei den anderen Versicherten höhere Beiträge nehmen müssen. Deshalb eignen sich für die Dienst⸗ boten e Landkrankenkassen besser, denen man, um ihnen den agrari⸗ schen Geschmack zu nehmen, besser vielleicht den Namen Landes⸗ krankenkassen beilegen könnte. ie Kosten der Diensther schaften werden noch dadurch größer, daß die meisten Diensthoten sich schon versscherungsfrei vermieten. Ich möchte für solche Fälle empfehlen, die Versicherungsheiträge und die Lohnsumme immer extra zu ver⸗ buchen, weil sonst ein falsches Bild herauskommt. Wenn immer gesagt würde, wieviel Deputat die Landarbeiter z bekommen, dann

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würde nicht immer so viel über niedrige Löhne auf dem Lande gesprochen werden. Bei der Handhabung des Gesetzes wird zu wenig auf die lokalen Bedürfnisse Rücksicht genommen, und Versicherte werden grundlos gezwungen, in Orkskrankenkassen einzutreten. Bei Zuckerfabriken hat man das schlechte Erntejahr 1911 zugrunde gelegt, in dem der Betrieb erheblich eineschränkt werden mußte. Es wird einfach verfügt, daß die betreffenden Fabrikkrankenkassen nicht erhalten bleiben können. In vielen Fällen wurde sogar eine Vermögens⸗ konfiskation vorgenommen, weil das Vermögen dieser Fabrikkranken kassen den Oꝛtskrankenkassen zugeführt werden mußte Es ist schon darauf hingewiesen, das da werden. Auf diese Weise muß die Sozialdemokratisierung Deutsch⸗ lands immer weitere Fortschriite machen. Der Grundgedanke der Reichsversicherung war doch, daß man den immer sozialdemokratischer werdenden Ortskrankenkassen ein Gegengewicht entgegensetzen wollte. Zu den 14 Millionen bisher Versicherten kommen noch 6 Millionen hinzu, sodaß es mit den Familienmitgliedern nahezu 40 Millionen Versicherter geben wird. Wir haben deshalb ein Interesse daran, daß der bürgerliche Einfluß in der Verwaltung der Ortskrankenkasse nicht nur erhalten, sondern noch gestärkt wird. Die Sozialdemokratie hat zwar in einzelnen Städten des Westens eine kleine Schwächung erfahren, dem stehen aber bedeutendere Stärkungen an anderen Stellen gegenüber. Dies macht sich ganz besonders in Mitteldeutschland und in Sachsen bemerkbar. Wenn bei den Wahlen zu den Kraakenkassen im Jahre 1913 ein kleiner Erfolg zu spüren war, so liegt das daran, daß viele Arbeiter unter der Einwirkung der patriotischen Stimmung standen. Bei den nächsten Wahlen werden die Bürgerlichen wieder schlechter abschneiden. Aus diesem Grunde haben wir ja dem Ausdruck gegeben, daß der Reichskanzler im vorigen Jahr ruhig hätte neue Reichstaaswahlen vornehmen können. Auch hier hätte die Jubiläumsstimmung mitgewirkt. Leider hat sich in Berlin die Konkurrenz der sozialdemokratischen Aerzte recht bemerkbar gemacht, indem sich die sozialdemokratischen Aerzte zusammengeschlossen und sich den Ortskrankenkassen zur Ver⸗ fügung gestellt haben. Wir wünschen, daß die Sozialdemokratie von den Kreisen der liberalen Berufe durchaus ferngehalten wird. Aus den Veröffentlichungen der Reichsregierung ersehen wir, daß allein in einem Jahre über 359 Millionen Mark für Krankheitskosten aus⸗ gegeben worden sind. Sie sehen, welche enormen Mittel für die Zwecke der Versicherten aufgebracht werden unter sehr erheblicher Be⸗ teiligung der Arbeitgeber. Für den Grundbesitz hat ja Graf Mirbach in der „Deutschen Tageszeitung“ darauf hingewiesen. Das Budget des Arbeitgebers ist deshalb schon außerordentlich belastet. Eine Ver⸗ mehrung der Lasten ist ja leicht zu tragen, wenn der Betrieb selbst rentabel ist. Die Lage der Landwirtschaft war ja einige Jabre gebessert, auch bei der Industrie war das der Fall. Gerade in den Kreisen der Industrie wird die Meinung ausgesprochen, daß es für die Belastung auch Grenzen gibt. Man kann deshalb den Wunsch begreifen, die beteiligten Erwerbskreise erst einmal wieder aufatmen zu lassen. Ich würde mich freuen, wenn auf seiten der Arbeitnehmer auch die notwendigen organisatorischen Grundlagen unserer gewerblichen Betriebe gewürdigt würden. Man sollte nicht immer von Scharfmachern und davon sprechen, dat das Wohl der Arbeiter in diesen Betrieben allein zu berücksichtigen ist. Wir haben die Syndikate an sich nicht immer perhorretziert, wir haben sie nur in den Dienst der Allgemeinheit stellen wollen. Von sozialdemokratischer Seite wird es immer so dargestellt, als ob die Versicherung nur im Interesse der Arbeitgeber gemacht worden sei. Herr von Bötticher hat aber seinerzeit selbst darauf hingewiesen, daß in der Industrie die gemeinsamen Interessen der Arbeitgeber und Arbeit⸗ nehmer gefördert werden sollen Kein Land kann sich aber mit Deutsch⸗ land sozialpolitisch messen. Die bürgerliche Gesellschaft hat bei uns eine Fülle von Gesetzen zum Wohle der Arbeiterklasse geschaffen unter dem Widerspruch der Sozialdemokratie. So sind unter der Fübrung der Regierung Gesetze zustande gekommen, wie sie bisher in der Wert unbekannt waren. Die betreffenden Bestimmungen sind nicht überall richtig gehandhabt worden. Sie haben Konsequenzen nachgezogen, die man nicht vorausgesetzt hat. Unsere ganze sozialpolttische Gesetzgebung ist von Hause aus vom christlichen Gedanken erfüllt und beruht auf der Allerhöchsten Botschaft. Die Sozialdemokratie hat sich aber zum Teile der Einrichtungen bemächtigt, und die Vertreter einzelstaatlicher Regierungen sind dem nicht immer mit Nachdruck entgegengetreten. Man hätte deshalb die Landkrankenkassen überall einführen müssen. Das Versprechen des Ministers ist sehr erfreulich. Unsere Bureau⸗ kratie hat vielfach etwas einseitig an die gedacht, die nur Arbeiter sind, und nicht auch an die, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu⸗ sammen sind. Es bedurfte erst großer Anstrengungen, um auch diesem Teile des Mittelstandes etwas zu gute kommen zu lassen. Die Er⸗ klärungen des Ministers zeigen die erfreuliche Tendenz, früher Ver⸗ säumtes wieder gutzumachen. Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

Meine Herren! Ich will dem Herrn Vorredner nicht auf den Ozean der allgemeinen Sozialpolitik folgen. (Sehr richtig! links.) Ich möchte nur eine Kleinigkeit berichtigen, wo er unrichtig informiert war. Das bezieht sich auf die Landkrankenkasse Brilon. Mir liegen die Akten vor. Dort war der Kreistag gegen die Errichtung einer Landkrankenkasse. Das Oberversicherungsamt hat dem entgegen die Landkrankenkase angeordnet. Dann hat sich der Kreistag gegen die Verfügung des Oberversicherungsamts bei den beteiligten Ministerien beschwert, und durch eine gemeinsame Verfügung der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten und für Handel und Gewerbe ist diese Beschwerde abgewiesen worden. Also es ist umgekehrt, wie es sich der Herr Vorredner gedacht hat. Im übrigen sehen Sie daraus, wie einträchtig die Minister für Landwirtschaft und für Handel und Gewerbe in der Sache arbeiten. Es hat mir im übrigen ganz fern gelegen, die Verantwortung, die mich trifft, auf einen anderen Minister abzuwälzen. Es versteht sich aber von selbst, daß man sich, wenn die Interessen zweier Ressorts beteiligt sind, mit dem anderen Ressort in Verbindung setzt und, wenn dessen Interessen überwiegen, auf die Wünsche des anderen Ressorts möglichst Rücksicht nimmt.

Dann noch eins: es betrifft die Kritik, welche der Oberregierurgs⸗ rat von Gostkowski seitens des Herrn Vorredners in bezug auf die Auslegung der Frage der Leistungsfähigkeit erfahren hat! Herr von Gostkowski hat das, was der Herr Vorredner von ihm vorgetragen hat, als seine persönliche Meinung bezeichnet. (Aha! rechts). Er hat mir die Sache vorgetragen, auch seine Meinung, wie das doch sein gutes Recht ist man kann bei diesem vieldeutigen Paragraphen ver⸗ schiedener Meinung sein Ich habe seine Argumente reiflich er⸗ wogen. Er wird jetzt einen Bescheid in dem Sinne erhalten, wie ich es hier als meine Ansicht vorgetragen habe, und es ist nicht daran zu zweifeln, daß er ihm loval nachkommen wird. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Pieper (Zentr.): Die Besprechung über die Dienst⸗ botenversicherung hat bis jetzt klargestellt, daß sich die K. agen und Be⸗ denken nicht gegen das Gesetz selbst, sondern nur gegen seine Aus⸗ führung richten. Es ist deshalb Pflicht der Versicherungsäͤmter bezw. Oberversicherungsämter, die hierfür in letztter Instanz zuständig sind, dafür zu sorgen, daß die Mängel in der Durchführung möglschst bald beseitigt werden. Ich freue mich, daß der Minister zugesagt hat, e werde die Beschwerden auf ihre Berechtigung hin prüfen und, wo notwendig, seinen Einfluß dabin geltend, machen, daß Abbiltee ge- schaffen wird. Allerdings bin ich der Ansicht, daß hierbei nicht üͤberoll zugunsten der Landwirtschaft entschieden werden kann, sondern daß ahe Interessen möglichst gleichmößig Berücksichtigung ersahren. Gs kann leicht der Fall eintreten, daß in den Bezirken, die nicht eine einbeit⸗

2 wir wird.

liche Bevölkerung aufweisen, die Landkrankenkassen wegen der ver⸗

auch Innungekrankenkassen getroffen