1914 / 30 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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führen, müssen wir überzeugt sein, daß sie zum Ziele führen. Es ist nichts schlimmer als die Einführung von einer Maßnahme nach der anderen, das trägt nur zur Unsicherheit bei. . 8 Abg. Hue (Soz): Was der Minister über den Ort und die Ursache der Explosion gesagt hat, stimmt ziemlich überein mit meinen Informationen an Ort und Stelle. Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, daß in der Tat bei der Explosion irgend etwas Rätselhaftes vorgekommen ist. Die Arbeiter haben mir gesagt, von einer schlechten Berieselung tönne man im allgemeinen nicht reden, ebensowenig von starken Wetteransammlungen. In einem so großen Betriebe können natürlich 8 auch Störungen in den Wasserleitungen vorkommen, die sich der Vor⸗ aussicht entziehen. Die Katastrophe hat einen merkwürdig geringen Umfang angenommen. Das bestätigt das, was von unserer Seite schon immer gesagt worden ist, daß, wenn auch nur einigermaßen diese Berieselungsanlagen in Ordnung sind, Katastrophen von dem Umfange Radbods absolut unmöglich sind. Da ist nun die Erklärung des Ministers, daß auf der Zeche „Minister Achenbach“ niemals Schlagwetter aufgetreten seien, sehr auffällig. Nach den mir gemachten Mitteilungen hat sich in der Tat wochen⸗ lang vorher eine Schlagwetteransammlung bemerkbar gemacht. Es ist absolut falsch, die Gefährlichkeit des Bergbaues nach der Zahl der Massenunglücksfälle zu bemessen. Es kommen im Bergbau so viel Einzelunglücksfälle vor, daß man die Zahl der Menschen, die bei Massenunglücksfällen getötet werden, nur eine geringe nennen muß. Die Unglücksfälle im Bergbau nehmen bei uns in erschreckender Weise zu. Im Jahre 1886 kamen auf 1000 beschäftigte Bergleute 65 Ver⸗ unglückte. Im Jahre 1912 dagegen 140. Der europäische Bergbau steht an der Spitze der Unfallstatistik. Dazu hat im wesentlichen beigetragen die preußische Berggesetzgebung, die unsere guten alten Bergordnungen, die Schutzbestimmungen für die Arbeiter radikal be⸗ seitigte. England hat sich die Erfahrungen des Auslandes zunutze ge⸗ macht und eine bessere Schu gesetzgebung für die Bergleute eingeführt. Dadurch ist in England die Zahl der Unglücksfälle außerordentlich gefallen. Es ist eine erschreckende Tatsache, daß die Bergleute immer mehr gegen Unglücksfälle abgestumpft werden. Wenn heute drei oder vier tote Becgarbeiter zutage gefördert werden, so macht dies auf unsere Bergleute gar keinen Eindruck mehr. Das ist etwas Fürchterliches. Durch die ungeschulten Arbeiter, die noch dazu meist Auslän der sind, werden die Gefahren besonders gesteigert. Bei strenger Handhabung der bergpolizeilichen Vorschriften würde mindestens ein Drittel der Hauer und Schlepver aus den Bergwerken verschwinden. Im Ruhrgebiet ist die Zahl der ausländischen Arbeiter, die von Betriebs⸗ nfällen betroffen wurden, bedeutend größer als die der einheimischen. Wie frivol werden diese Leute an die gefährlichsten Stellen gestellt, wo eine einzige Unvorsichtigkeit das größte Unglück hervor⸗ rufen kann! Deshalb haben wir die Pflicht, danach zu sehen, ob auch alles getan wird, um der Unfallvermehrung zu steuern. Es sind durchaus nicht ältere Arbeiter, die von dem Unglück betroffen sind, wie der Minister sagte. Allerdings sind wir im Ruhrrevier daran gewöhnt, daß ein Arbeiter von 40 Jahren schon invalide ist. (Widerspruch.) Sie wollen bestreiten, daß Arbeiter, die 20 bis 25 Jahre in den Gruben gearbeitet haben, schon invalide sind? Die Grube Minister Achenbach ist als sehr schlagwetterreich bekannt. Des⸗ wegen wäre eine besonders sorgfältige Bewässerung am Platze. Da die Arbeiter die gesamte Nebenarbeit im Gedinge machen müssen, so bedeutet das, daß weniger sorgfältig verbaut wird. Die Schlagwetter sammeln sich vorzugsweise oberhalb der neuen Auszimmerung der Stollen in den Hohlräumen. Diese Hohlräume sollen nach § 35 zwar ausgefüllt werden, der Steiger kümmert sich aber wenig darum; denn er muß vorzugsweise dafür sorgen, daß möglichst viel Kohle gefördert werde. Der Oberberghauptmann weiß recht gut, daß sich in solchen Hohlräumen eine große Menge von Schlagwettern ansammeln kann. Eine kleine Explosion kann sich durch diese angesammelten Schlag⸗ wetter leicht und schnell verbreiten in die anderen Abteile. Man sollte eshalb sür diese Verfüllungen besondere Reparaturarbeiter einstellen. Was können die Ergebnisse der Forschung helfen, wenn diese Dinge nicht genügend beachtet werden? Nun ist mir eine Nachricht zu⸗ gegangen, die auf das Unglück ein ganz neues Licht wirft. Fachleute, die sich mit der Sache befaßt haben, halten es nicht für ausgeschlossen, daß die unmittelbare Zündung der Schlag⸗ wetter durch den elektrischen Strom gekommen ist. Ich bitte den Herrn Minister, dem nachzuforschen, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß sich hier eine große Gefahrenquelle findet, daß man nämlich die Leitung nicht genügend isoliert hat. Hier hat sich wieder gezeigt, daß, wenn irgendwo ein Mordsystem vorliegt, es hier der Fall ist. Man muß mit den Grubenarbeitern Mindestlöhne vereinbaren. Sie legen ja bei anderen Arbeiten Mindestlöhne zugrunde, warum denn nicht hier? Wir wünschen, daß dieser Tarifvertrag im Bergbau eingeführt wird. Die Einführung dieses Tarisvertrages ist wohl möglich. Das Aufzwingen der Gedinge wirkt darauf hin, daß alles in die Willkür der Steiger gestellt wird. Durch die Verhängung von Geldstrafen und durch die Verringerung der Löhne werden die Arbeiter gezwungen, noch kräftiger zu arbeiten. Es werden Strafen für unreine Förderung bis zu 5 nicht nur pro Wagen, sondern auch pro Mann verhängt. Darunter leidet die Sicherheit im Bergwerk. Die Arbeitskraft der Bergleute hängt von der guten Ernährung der⸗ selben ab; im Verhältnis zur Verteuerung der Lebensmittel sind die Löhne nicht gestiegen. In dem starken Arbeiterwechsel, der im Durch⸗ schnitt 61 %, auf der Zeche Achenbach aber 63 % betrug, liegt eine Ursache der Unfälle. Darf denn ein Wettersteiger überhaupt noch den Posten eines Betriebssteigers oder Fahrsteigers über⸗ nehmen? Das ist doch eine tolle Sache. Auf der Zeche Achenbach ist aber der Wettersteiger zugleich Betriebssteiger. Wenn der Wettersteiger nicht so arbeitet, wie es im Sinne der Bergwerksbesitzer liegt, so werden ihm Strafschichten zu⸗ diktiert, er muß wieder mitarbeiten. Recht viele Bergbeamte sind newvös, nervöse Menschen können aber leicht Unheil anrichten. Wenn die Sicherheitsmänner weniger Interesse an den Befahrungen zeigen, so liegt das daran, daß die gewerkschaftlich organisierten Sicherheitsmänner in jeder Weise getriezt werden, und daß man die Sicherheitsmänner gegen die Arbeiter aufzuhetzen sucht. Weiß der Minister nicht, wie gerade auf der Zeche Achenbach die Sicherheits⸗ männer schikaniert worden sind? Die Befahrungen der Sicherheits⸗ männer sind Jagden; sie werden durch die Gänge gejagt, daß sie nur recht schnell fertig werden und nichts bemerken können. Vor allem können die Sicherheitsmänner gar nicht kontrollieren, ob die von ihnen ge⸗ rügten Mängel abgestellt sind. Energische Sicherheitsmänner, die an ihrer Organisation einen Rückhalt haben, können sich auf alles gefaßt machen. Man kündigt diesen Leuten nicht, sondern man löst z. B. einfach den Steigerdistrikt auf, und der Sicherheitsmann vperliert dann einfach seine Stellung. Der Vorredner hat gesagt, sie hätten sich von der Einführung der Sicherheitsmänner nichts Gutes versprochen. Schon im Jahre 1909, kurz nach dem großen Unglück in Radbod, hat hier in Berlin im Palasthotel eine Konferenz stattgefunden, in der über die Sicherheitsbeamten gesprochen worden ist in einer Weise, die ich, der ich eine große Achtung vor dem Menschenleben habe, für unmöglich gehalten habe. Man hat die Einrichtung der Sicherheitsbeamten zum Teil als Kulisse hingestellt, hinter der sich ja die eigentlich verantwortlichen Stellen verstecken. Auch der Interpellant wird mir bestätigen können, daß ihm von Arbeitern gesagt worden ist, vielfach beständen Mißstände, aber auf ihre Abstellung zu dringen, das läßt man lieber. So werden diese Leute schikaniert, die sich der Sache wirklich annehmen wollen. Mir ist zufällig zu Ohren gekommen, daß die holländische Regierung sich Einblick in die Einrichtung der Sicherheitsbeamten verschafft hat, und ich habe Einblick in dieses Material bekommen. Nun frage ich: wer hat denn dieses Material zusammengestellt? Es ist weiter nichts als eine systematische Diskreditierung und Herabsetzung der Sicherheitsmänner. Warum sollen wir denn nicht dazu kommen, wie in England, einen Mindestlohn festzusetzen? Warum kommt bei uns kein Gesetz über den Schichtwechsel zustande? Wann kommt es? Es werden viel Ueberstunden verfahren, die nach meiner Ueberzeugung ein Mittel zur Steigerung der Unfallziffer sind, weil die Arbeiter übermüdet werden. Es werden sogar Doppelschichten perfahren, diese

dauern ununterbrochen unter Tage 16 und 18 Stunden. In den Schächten herrscht eine hohe Temperatur. Die Leute Fe. halb⸗ nackt, in manchen Schächten sogar splitternackt arbeiten, wo Tempera⸗ turen von 30 Grad und mehr noch herrschen. Ist es dann ein Wunder, wenn die Qualität der Arbeiter zurückgeht, wenn die Volks⸗ kraft nachläßt? Der Staatssekretär Dr. Delbrück hat von der „Pause in der Sozialpolitik“ gesprochen; ich meine, in der Frage des Bergarbeiterschutzes stehen wir erst am Anfang. Wenn die Unglück⸗ lichen auf Zeche „Minister Achenbach“ nicht umsonst gestorben sein sollen, so helfen Sie uns, daß wir nicht dem Kapitalismus unter⸗ liegen, sondern ihn überwinden. 8

Oberberghauptmann von Velsen: Auf die politischen Aeuße⸗ rungen des Abg. Hue, die nicht zu meinem Ressort gehören, gehe ich nicht ein. Bezüglich des Unglücks auf Zeche Achenbach sind ihm einige Irrtümer unterlaufen. Der Minister hat gerade darauf hingewiesen, daß in der betreffenden Abteilung wenig Arbeiterwechsel gewesen wäre, daß sogar eine relativ ständige Belegschaft dagewesen wäre, die die Gefahren des Bergbaues kennt. Sodann beträgt die Anzahl der Unfälle durch Stein⸗ und Kohlenfall in Preußen nicht 28 % (Abg. Hue: 19121), sondern 38 %. (Abg. Hue: Also immer noch 38 gegen 50!) Die Zahl 50 habe ich nicht in meinem amtlichen Material, bei dem Abg. Hue wird also ein Augenfehler vorgekommen sein. Wenn der Wettersteiger auf Zeche Achen⸗ bach nebenbei Reviersteiger sein soll und daher seines Amtes als Wettersteiger nicht regulär gewaltet haben soll, so liegt nach Mitteilung des Referenten, der auf Achenbach war, anscheinend ein Irrtum vor, denn der Wettersteiger war nicht nebenher Reviersteiger, sondern Fahrsteiger und als solcher Vertreter des Betriebsführers in der Nachmittagsschicht. Dabei konnte er sehr wohl nebenher die Wetterführung kontrollieren. Daß der Sicherheitsmann seit dem Juli 1913 nicht mehr gefahren ist, erklärt sich ungezwungen dadurch, daß er gleichzeitig Schießmeister war und als solcher jeden Tag die ganze Abteilung zu befahren hatte, um die Schüsse abzutun. Er hat also seine Abteilung nicht nur allmonatlich, sondern jeden Tag befahren. Er hat ausdrücklich erklärt, daß er, insoweit er etwas gefunden, es dem Abteilungssteiger gemeldet hätte und die Sache dann geregelt worden wäre. Er hat es also lediglich für überflüssig gehalten, das Ergebnis seiner Befahrungen in das Tagebuch einzutragen. Er hat auch bekundet, daß er jederzeit das vollste Entgegenkommen gefunden hätte. Der hiesige Referent hat sich auch die Abteilung auf etwaige Auskesselungen und mangelnde Ausfüllung der Löcher in der Firste angesehen und hat am Ausbau alles regelmäßig vorgefunden. Bei dem Unglück von 1912 ist die Bezeichnung Schlag⸗ wettergrube nur als terminus technicus gebraucht worden für solche Gruben, die Schlagwetterausströmungen aufweisen. Es ist aber nicht davon die Rede gewesen, daß Achen⸗ bach besonders schlagwetterreich oder besonders schlagwetterfrei wäre. Wenn jetzt keine Schlagwetter gefunden wurden, so folgt daraus nicht, daß keine Menthanexhalationen stattgefunden haben. Unter Schlagwetter versteht man eben nur die Mischungen, die explosibel sind, und explosible Gemenge sind in dieser Abteilung nicht gefunden worden, weder von den Verfahrern oder Sicherheitsmännern, noch von den Wettersteigern oder den Revierbeamten, abgesehen davon, daß gestern in einem Riß Schlagwetter entdeckt sind. Ob die Entzündung der Schlagwetter etwa durch den elektrischen Strom herbeigeführt sein kann, ist uns auch schon Anlaß zu Kopf⸗ schmerzen und Bedenken gewesen. Aber sowohl die Rieselleitungen wie die Luftleitungen sowohl vor wie hinter den betreffenden Flözgruppen“ waren geerdet, sodaß vagabondierende Ströme, die zur Funkenbildung Anlaß geben könnten, in die Baue nicht hätten eintreten können. Wir werden selbstverständlich der Sache noch weiter nachgehen. Was die Unfälle allgemein betrifft, so darf man nicht nach einem besonders ungünstigen Jahre rechnen. Die Durch⸗ schnittszahl der Unfälle von 1867 bis 1880 war 2,465; von 1891 bis 1900 ging sie auf 2,185 herunter, 1901 betrug sie 2,20; dann ist sie langsam auf 1,705 heruntergegangen und dann wieder gestiegen; von 1901 bis 1910 betrug sie 1,965, 1911 1,929 und 1912 allerdings 2,388. Leider haben wir in Preußen eine große Menge von Unfällen, großenteils infolge unserer geognostischen Verhältnisse. Unsere Verhältnisse in Westfalen sind viel gefährlicher als in den englischen Bergrevteren. Anderseits liegen die Gründe der Unfälle in der Entwicklung. Wenn ein Bergbau sich so entwickelt wie der west⸗ fälische, kann nicht ein so gleichmäßiger Stamm erfahrener Bergleute vorhanden sein, wie in Revieren, die sich langsamer entwickeln. Aus der Zahl der Explosionsfälle und der Verunglückten kann man nicht auf das Maß der Sorgfalt der Bergpolizei oder der Gruben⸗ beamten schließen. Wenn die Anzahl der Explosionsfälle 1881/90 116,2, 1891/1900 70,5, 1901/10 30,7 betrug, dann ist doch eine ge⸗ waltige Verbesserung gegen den früberen Zustand eingetreten. Wenn 1911 eine Zunahme stattfand und 37 Fälle vorkamen, 1912 aber nur 22 Fälle, so sind doch diesen 22 Fällen 190 Menschenleben zum Opfer gefallen, während bei den 37 Fällen nur 30 Menschen ver⸗ unglückten. Das Jahr 1913 ist das günstigste gewesen, das wir jemals hatten. Bisher sind nur vier gemeldet, die bei der Explosion zu Tode gekommen sind, die Zahlen für das letzte Quartal liegen allerdings noch nicht vollständig vor. Nicht zu bestreiten ist, daß die Anzahl der Unfälle bei uns höher ist als in England, Frankreich und Belgien. Aber Sie wollen überzeugt sein, daß von uns alles geschieht, um durch die Fortschritte der Technik, der Organisation und der Verwaltung den Unfällen vorzubeugen.

Abg. Schrader (freikons.): Vom Minister haben wir gehört, daß alles geschehen wird, um die Ursachen des beklagenswerten Un⸗ glücksfalles aufzuklären. Meine politischen Freunde haben das feste Vertrauen zu der Behörde, daß sie das tun wird, so wie es bei der preußischen Behörde üblich ist, mit der Gewissenhaftigkeit und Pünkt⸗ lichkeit, die den preußischen Beamten eigen ist. Daß der organisierte Bergmann nur imstande sein soll, solchen Unglücksfällen mit Erfolg entgegenzutreten, ist wohl nicht zutreffend. Es wäre sehr zu wünschen, daß die politischen Organisationen sich nicht nur damit beschäftigen, ihre Mitglieder politisch aufzuklären, sondern auch damit, sie für ihren Beruf aufzuklären und weiterzubilden. Sie würden sich dadurch ein sehr großes Verdienst erwerben. Die Meinung, daß die Berufsgenossenschaften den Arbeitern nicht grün sind, ist unbegründet. Die Berufsgenossenschaften haben auf dem Gebiete der Unfallverhütung Hervorragendes geleistet, und wir alle können stolz darauf sein. Der Abg. Hue hat ja eine Geschichte der Bergarbeiter geschrieben. Ich habe dieses Werk mit heißem Be⸗ mühen studiert. Es umfaßt zwei dicke Bände. Der erste Band ist wirklich lesenswert. Aber der zweite Band ist so tendenziös gehalten, daß man wirklich sagen könnte, es wäre besser gewesen, der Abg. Hue hätte ihn nicht geschrieben. Eine derartige Art der Geschichtsschreibung führt nur zur Verhetzung und Beunruhigung der Gemüter und insbesondere der Bergarbeiter. Dadurch wird die Ruhe die die Arbeiter zu ihrer Arbeit brauchen, gestört. Die politischen Organisationen nehmen ihren Mitgliedern die Freude am Beruf und stumpfen sie ab. Sie wollen, daß die Leute sich als Proletarier fühlen. Der deutsche Bergarbeiter ist kein Proletarier und ist immer noch stolz auf seinen Beruf und wird nicht mehr auf das reagieren, was Sie ihm vorhalten. (Abg. A. Hoffmann: Warum regen Sie sich dabei so auf!) Abg. Hoffmann, ich sage zu Ihnen, wie der Erdgeist im Faust: Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir. Alle Mißstände, die im Bergbau auftreten, müssen wir gemein⸗ schaftlich bekämpfen, die Bergbehörde sowohl wie die Arbeitgeber und die Arbeiterorganisationen würden sich ein großes Verdienst erwerben, Füüa sie sich daran beteiligen würden, anstatt ihre Mitglieder auf⸗ zuhetzen.

Abg. Korfanty (Pole): Das Unglück ist zu groß und er⸗ schütternd, als daß wir bei dieser Gelegenheit parteipolitische Kämpfe austragen sollen. Der Vorredner ist ja Fachmann. Ich habe aber aus seinen Ausführungen nicht viel gehört, was zur Sache paßt. Ich muß Protest erheben dagegen, wie der Vorredner hier die Diskussion geführt hat. Ich bin kein Freund der Sozialdemokraten. Ich fechte manche Kämpfe mit ihnen aus. Aber sozialdemokrarisch war die Rede des Abg. Hue heute nicht. Der Abg. Hue hat sich einer

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meft ung befleißigt die ihm alle Ehre macht. Seine Rede war sach i8 und stand in einem Gegensatze zu der Rede des Vorredners. Die Jagd nach der Kohle ist eine Hauptursache für die große Zahl der Unglücksfälee. Man hat in früherer Zeit hierfür häufig die Arbeiter verantwortlnch gemacht, weil sie nach Sonn⸗ und Feiertagen betrunken zur Arbeit gekommen seien. Es ist aber festgestellt, daß die größte Zahl der Unglücksfälle sich am Ende der Woche ereignet, wo die Arbeiter abgearbeitet und abgehetzt sind. Die Arbeit macht den Mann zu einem Arbeitsinstrument; er hört auf, ein Mensch zu sein. Ueberschichten und Doppelschichten sind an der Tagesordnung. Die Bergleute werden sogar bestraft, wenn sie den Anordnungen der Beamten dazu nicht nachgekommen sind. Ez ist eine ganze Reihe von Umständen, die dazu beitragen, diese hohe Unfallziffer zu erreichen. Die Löhne werden künstlich in einer Gleichmäßigkeit erhalten dadurch, daß dem fleißigen Arbeiter das Gedinge herabgedrückt wird. An der großen Anzahl der Unglücksfälle hat die Bergbehörde selbst den unge⸗ schulten Arbeitern einen großen Teil der Schuld beigemessen. Die Staatsregierung tut nicht alles, was nötig ist, um diese großen Unfallziffern zu vermeiden. Die ausländischen Arbeiter werden aus politischen Gründen in den Gruben beschäftigt. Die Aufsichtsbehörden lassen es an der nötigen strengen Beaufsichtigung fehlen. Deshalb wird häufig gegen wichtige Vorschriften verstoßen, z. B. gegen die, daß ein Arbeiter nicht allein an einer Stelle arbeiten darf. er Mann geht häufig elend zugrunde. Beschwerden der Bergleute wird nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Bergleute, die sich beschwerdeführend an das Oberbergamt in Breslau wandten, sind nicht einmal einer Antwort gewürdigt worden. Aber gerade diesen Beschwerden müßte man bis ins Kleinste nachgehen. Die Arbettszeit in den Bergwerken muß gesetzlich geregelt werden. Wenn ein Bergmann acht Stunden gearbeitet hat, so hat er sein Tagewerk erfüllt. Auch die Ein⸗ führung von Mindestlöhnen und der Abschluß von Tarifverträgen ist erforderlich.

Abg. Hasenclever inl.): Ich möchte feststellen, daß an der

Stelle, wo sich jetzt das Unglück ereignet hat, im Jahre 1913 kein

Unglücksfall passiert ist. Sowohl hier wie im Reichstage werden immer politische Momente in diese rein wirtschaftlichen Fragen hinein⸗ getragen. Man schießt aber weit über das Ziel hinaus. Der Berg⸗ werksbesitzer hat selbst das größte Interesse daran, solche Unglücksfälle zu verhüten. Das Gefühl für Menschlichkeit besteht. auch bei den Arbeitgebern. Die Bergwerksbesitzer lassen es sich seit Jahrzehnten angelegen sein, wissenschaftliche Untersuchungen zu fördern; sie haben keine Mittel gescheut, um vorbeugende Maßregeln zu treffen. Der Bergbau beschäftigt Jahr für Jahr mehr Arbeiter, das liegt in der Entwicklung, die er zum Vorteil des Deutschen Reiches nimmt. Der größte Teil der neueingestellten Arbeiter kommt aber nicht aus dem Auslande. Es ist nicht zutreffend, daß bezüglich der Hauer und Schlevpper die bergpolizeilichen Vorschriften immer überschritten werden. Im Jahre 1912 sollen 2000 Arbeiter verunglückt sein. Daran sind indes die Arbetter selbst schuld, die sich nicht an die polizeilichen Vorschriften halten, und das kann ich in meiner privaten Tätigkeit immer wieder beobachten. Die absolute Lohnhöhe der Bergarbeiter ist trotz der sinkenden Konjunktur bis zum 31. Oktober 1913 so weit gestiegen, wie niemals zuvor. Bei den Strafen sind Bestimmungen getroffen worden, daß die Strafsummen nicht zu hoch werden dürfen. Das Allheilmittel zur Vorbeugung von Unglücksfällen sollen die Sicherheitsmänner sein. Es wird die Einführung staatlicher Grubenkontrolleure verlangt. Aber bei den Wahlen der Sicherheitsmänner werden gerade von den Gewerkschaften immer politische Momente hineingetragen. Das Fahrtenbuch, in das der Sicherheitsmann seine Beobachtungen einträgt, liegt jederzeit zu seiner Einsicht aus. Er kann sich davon überzeugen, was auf Grund seiner Angaben geschehen ist. Die von sozialdemokratischer Seite ge⸗ machten Ausführungen über die Tätigkeit der Sicherheitsmänner zeigen, daß es nach Ansicht der Sozialdemokraten nicht in erster Linie daran liegt, die Gesundheit und das Wohl der Arbeiter zu schützen. Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß die Bergwerks⸗ besitzer alles tun werden, um die Unglücksfälle zu vermeiden. Wir brauchen keine Einführung von staatlichen Kontrollbeamten. Im Jahre 1912 wurden auf dem internationalen Kongreß von Ber

arbeitervertretern Belgiens ausdrücklich ausgeführt, daß die geringe Zahl von Unfällen nicht auf die Sicherheitsbeamten zurückzuführen sei. Wir brauchen eine Stärkung des Verantwortlichkeitsgefühls nicht nur der Arbeitgeber, sondern des Arbeiters. Wenn der Arbeiter in der Grube weiß: er hat so und so viel staatliche Aufsichtsorgane, die dafür sorgen, daß ihm nichts passiert, so wird das Verantwort⸗ lichkeitsgefühl geschwächt, und es werden politische Momente un⸗ nötigerweise hereingezogen.

Abg. Brust (Zentr.): Die Arbeiter sollen technisch mehr ge⸗ schult werden, dann wird man sich nicht mehr über ihre technische Unkenntnis zu beklagen haben. Wenn die Sicherheitsmänner, wie es leider vielfach vorkommt, Schikanierungen ausgesetzt sind, so kann man es verstehen, wenn die Etnrichtung ihren Zweck nicht erfüllt. Ich glaube nicht, daß aus den Rissen auf der Zeche Minister Achenbach plötzlich eine so große Menge Gas ausströmen konnte, da muß noch irgendetwas anderes dazu gekommen sein. Das Unglück wird von der Arbeiterschaft mit aller Wahr⸗ scheinlichkeit darauf zurückgeführt, daß plötzlich an anderer Stelle ein Gasausbruch stattgefunden habe. Es wird bestritten, daß die Jagd nach der Kohle zu den Unglücksfällen führt. aber bei stärkerer Nachfrage nach Kohle oft ungeschulte Arbeiter eingestellt, und damit erhöht sich die Gefahr. Auf den Stand⸗ punkt können wir uns nicht stellen, daß die ganze preußische Berg⸗ werksgesetzgebung zu beseitigen wäre, wenn wir auch zahlreiche Mängel anerkennen. Ich hoffe, daß die Mehrheit dieses Hauses sich dazu bereit finden lassen wird, das Gesetz zu verbessern. Politische Momente werden seitens der Gewerkschaft der christ⸗ lichen Arbeiter bei der Wahl der Sicherheitsmänner nicht hinein⸗ gebracht. Darauf hinzuweisen, daß die Arbeiter vielfach selbst an den Unglücksfällen schuld sind, halte ich für sehr über⸗ flüssig, denn es ist nachgewiesen worden, daß diese Art von Unglücksfällen zurückgegangen ist. Wenn man den Sicherheits⸗ männern mit mehr Vertrauen entgegengekommen wäre, dann würde dieses Institut segensvoller haben wirken können, als dies jetzt der Fall ist. Ich bitte die Bergverwaltung, daß sie allen Beschwerden über die Unzulänglichkeit der Lampen alten Systems usw. ein offenes Ohr leiht, damit die Unfallziffer in Deutschland zurückgeht.

Hierauf wird die Diskussion geschlossen Persönlich bedauert Abg. Dr. Cremer (nl.), durch

seinen Ausführungen verhindert worden durch die heutige Aussprache

den Schluß der Debatte an zu sein, und wünscht, daß allgemein eine Beruhigung erreicht worden sei, und daß der Versuch, in die rheinisch⸗westfälische Industrie Beunruhigung hineinzutragen, mißlungen sei. Damit ist die Interpellation erledigt.

Schluß 4 Uhr. Nächste Si Ihr. (Justizetat.) lächste Sitzung Mittwoch, 11 Uh

Nr. 4 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 31. 16“ ha folgenden Inhalt: Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 2. Ja⸗ nuar 1914, betr. die dem Internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr beigefügte Liste. Nachrichten.

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Tatsächlich werden,

Aufnahme

Parlamentarische Nachrichten. Dem Reichstage ist der folgende Entwurf eines

Luftverkehrsgesetzes nebst Begründung zugegangen:

Erster Abschnitt. Verkehrsvorschriften.

A. Luftfahrzeuge und ihre Führer.

plätz

1 Luflfahrzeuge (Freiballone, Luftschiffe, Flugteuge), die zur von Menschen bestimmt sind, dürfen außerhalb der Flug⸗ e nur verkehren, wenn die Behörde sie zugelassen hat.

Die Zulassung gilt für das ganze Reich; sie wird durch einen

Zulassungsschein nachgewiesen.

2. Genügt ein zugelassenes Luftfahrzeug den Anforderungen

der Verkehrssicherheit nicht mehr, so kann die Behörde es vom Verkehr

uße

rhalb der Flugplätze ausschließen. Der Ausschluß gilt für das ganze Reich; der Zulassungsschein ist

der Behörde abzultefern.

§ 3. Wer außerhalb der Flugplätze ein Luftfahrzeug führen will

(Freiballon⸗, Luftschiff⸗, Flugzeugführer), bedarf der Erlaubnis der

Behörde.

Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn der Bewerber seine

Befähigung durch eine Prüfung dartut und keine Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er nicht geeignet ist, Luftfahr⸗ zeuge zu führen.

Die Erlaubnis gilt für das ganze Reich; sie wird durch einen

Führerschein nachgewiesen.

§, 4. Wer sich außerhalb der Flugplätze in der Führung“ von

Luftfahrzeugen übt, bevor er den Führerschein erhalten hat, muß

einen Begleiter haben, der durch auszubilden.

rch die Behörde ermächtigt ist, Führer Das Gleiche gilt, wenn bei der Prüfung Fahrten

außerhalb der Flugplätze vorgenommen werden.

Bei den Uebungs⸗ und Prüfungsfahrten gilt im Sinne dieses

Gesetzes der Begleiter als Führer des Fahrzeugs.

§ 5. Werden Tatsachen festgestellt, welche die Annahme recht⸗

fertigen, daß eine Person nicht geeignet ist, Luftfahrzeuge zu führen, so kann die Behörde ihr die Erlaubnis dauernd oder für bestimmte Zeit entziehen.

Die Entziehung gilt für das ganze Reich; der Führerschein ist

der Behörde abzuliefern.

§ 6. Wird die Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen aus

anderen Gründen als wegen ungenügenden Ergebnisses der Prüfung

oder Gefährdung der Landessicherheit versagt, so ist der Rekurs zulässig. Das Gleiche gilt, wenn die Erlaubnis entzogen wird; der Rekurs hat keine aufschlebende Wirkung.

Die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren bestimmen

sich nach den Landesgesetzen und, soweit solche fehlen, nach den

0, 21 der Gewerbeordnung.

8 Die Vorschriften des § 6 gelten nicht, wenn die Heeres⸗ un 2

karineverwaltung, die Postverwaltungen oder eine andere Ver⸗

kehrsverwaltung des Reichs oder eines Bundesstaats jemandem, den

sie als Führer von Luftfahrzeugen verwenden, die von ihnen erteilte Fahrerlaubnis entziehen.

nehmigung der Behörde angelegt werden.

B. Aufstieg⸗, Landungs⸗ und Flugplätze.

§ 8. Aufstieg⸗, Landungs⸗ und Flugplätze dürfen nur mit Ge⸗

Vor der Erteilung der

Genehmigung sind die Heeres⸗ und Marinebehährden zu hören; erheben

sie aus Gründen der Landessicherheit Widerspruch, so ist die Ge⸗ nehmigung zu versagen.

Die §§ 17 bis 19 a, 26, 51 und der § 147 Abs. 3 der Gewerbe⸗

ordnung sind entsprechend anzuwenden.

berührt wird.

2

Soll ein Flugplatz gewerb⸗

ichen Zwecken dienen, so kann die Genehmigung auch dann versagt werden, wenn kein Bedürfnis für den Betrleb besteht. Gegen die Versagung der Genehmigung ist, soweit sie nicht auf

inen

Heeres⸗ oder Marinebehörden beruht, der Rekurs

aus Gründen der Landessicherheit erhobenen Widerspruche der zulässig; die V

chrift des § 6 Abs. 2 findet Anwendung.

C. Luftfahrtunternehmen.

§ 9. Die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrzeuge (Luftfahrtunternehmen) bedarf der Genehmigung der Behörde; die Genehmigung kann von der Leistung einer Sicher⸗ heit abhängeg gemacht werden.

Erstrecken sich die Fahrten über den Bereich mehrerer Bundes⸗ staaten, so sind zur Genehmigung die Zentralbehörden der Bundes⸗ staaten gemeinsam zuständig, deren Gebtet bei Aufstieg und Landung

Beginnen oder enden die Fahrten im Ausland, so ist

zur Genehmigung die Zustimmung des Reichskanzlers erforderlich.

§ 10. Ist ein Luftfahrtunternehmen nach der Entscheidung des Reichskanzlers dienlich, so kann der Reichskanzler mit Zustimmung des Bundesrats den Erwerb des Unternehmens für das Reich gegen

Ersatz des vollen Werts beanspruchen.

Erstrecken sich die Fahrten

eines Luftfahrtunternehmens über den Bereich mehrerer Bundesstaaten und hat dieses Unternehmen nach der Entscheidung des Reichskanzlers eine solche Bedeatung für den öffentlichen Verkehr, daß es den allge⸗ meinen Verkehrsunternehmen des Reichs oder der Bundesstaaten gleichgestellt werden kann, so können die Zentralbehörden der Bundes⸗ staaten, deren Behörden das Unternehmen genehmigt haben 9), gemeinsam den Erwerb des Unternehmens für die Staaten gegen Ersatz des vollen Werts beanspruchen. Tun sie dies nicht, so steht das gleiche Recht für das Reich dem Reichskanzler mit Zustimmung des Bundesrats zu.

Die Höhe der Entschädigung wird im Rechtswege festgesetzt, so⸗

weit sich die Beteiligten nicht einigen.

Die Besitzergretfung wird

durch die Beschreitung des Rechtswegs nicht aufgehalten.

§ 11. Luftfahrtunternehmen, die im Interesse der Verteidigung des Reichs oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für not⸗ wendig erachtet werden, können vom Reichskanzler mit Zustimmung des Bundesrats auch ohne Einwilligung der Bundesstaaten, deren Gebiet sie durchfahren, unbeschadet der Landeshoheitsrechte für Rech⸗ nung des Reichs angelegt oder Privatunternehmern zur Ausführung übertragen werden.

§ 12. den Artikeln

Die Rechte der Post, und Telegraphenverwaltungen aus 48 bis 50 und Artikel 52 der Reichsverfassung bleiben

unberührt.

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D. Gemeinsame Vorschriften.

§ 13. Der Bundesrat erläßt

1) die Anordnungen, die zur Ausführung der §§ 1 bis 12 er⸗ forderlich sind, insbesondere die über Prüfung, Zulassung und Kennzeichnung der Fahrzeuge und über Prüfung und Zulassung der Führer, 88 die sonstigen zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sichecheit ersorderlichen Anordnungen über den Verkehr mit Luftfahrzeugen außerhalb der Flugplätze sowie Be⸗ stimmugen über verbotene Zonen,

Vorschriften über den Verkehr innerhalb der Flugplätze, Vorschriften über Steuerleute, Maschinisten und die sonstige Mannschaft, 1 Vorschriften darüber, unter welchen Voraussetzungen Aus⸗ länder die Berechtigungen dieses Gesetzes erwerden und aus⸗ üben können, 6) Vorschriften über die Zulassung der vom Ausland in das Reichsgebiet kommenden, hier nicht zugelassenen Luftfahr⸗

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Zweite Beilage

nzeiger und Königlich Preußischen Staa

Berlin, Mittwoch, den 4. Fehruar

zeuge (ausländische Luftfahrzeuge) sowie ihrer Führer und Mannschaften, Vorschriften über Luftfahrzeuge, die nach § 1 einer Zulassung nicht bedürfen (nicht zur Aufnahme von Menschen bestimmte Luftfahrzeuge) und über luftfahrzeugähnliche Geräte (Fessel⸗ ballone, Drachen, Fallschirme, Gleitflugzeuge u. dergl.), Anordnungen darüber, wie weit die Vorschriften des § 8 auf Luft⸗ und Wetterwarten Anwendung finden, 9) die Uebergangsvorschriften. Der Bundesrat kann den Erlaß der Anordnungen gemäß Abs. 1 Nr. 1 bis 9 anderen Behörden übertragen; soweit er oder die von ihm bezeichneten Behörden keine Anordnungen erlassen, können die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bezeichneten Bebörden es tun. Die Anordnungen des Bundesrats sind durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen. § 14. Die Zentralbehörden bestimmen die Zuständigkeit für die durch dieses Gesetz und durch die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats den Behörden übertragenen Obliegenheiten.

Zweiter Abschnitt.

.“ 88 Haftpflicht. 8

§ 15. Wird bei dem Betrieb eines Luftfahrzeugs, das zur Auf⸗ nahme von Menschen bestimmt ist, jemand getötet oder sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen.

Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall weder durch Verschulden des Fahrzeughalters oder einer bei dem Betriebe be⸗ schäftigten Person noch durch einen Fehler in der Beschaffenheit des Fabrscuge oder durch ein Versagen seiner Verrichtungen verursacht worden ist.

Setzt jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahr⸗ zeughalters in Betrieb, so ist er an Stelle des Halters zum Ersatze des Schadens verpflichtet.

§ 16. Die Vorschriften des § 15 finden keine Anwendung, wenn zur Zeit des Unfalls der Verletzte oder die beschädigte Sache durch das Fahrzeug befördert wurde oder der Verletzte bei dem Betriebe des Fahrzeugs tätig war.

§ 17. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung; wird eine Sache beschädigt, so steht dem eigenen Verschulden des Verletzten das Verschulden dessen gleich, der die tatsächliche Gewalt über sie ausübt.

§ 18. Im Falle der Tötung ist der Schadenersatz durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Getötete dadurch erlitten hat, daß während der Krantheit seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert war oder seine Bedürfnisse sich vermehrt hatten. Der Ersatzpflichtige hat außerdem die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, der ver⸗ pflichtet ist, diese Kosten zu tragen.

Stand der Getöte zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten insoweit Schadenersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung erzeugt, aber noch nicht geboren war.

§ 19. Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesund⸗ heit ist der Schadenersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbs⸗ fähigkeit aufgehoben oder gemindert ist oder seine Bedürfnisse sich vermehrt haben. ““

§ 20. Der Ersatzpflichtige haftet,

1) wenn ein Mensch getötet oder verletzt wird, nur bis zu einem Kapitalbetrage von fünfzigtausend Mark oder bis zu einem Rentenbetrage von jährlich dreitausend Mark, wenn mehrere durch dasselbe Ereignis getötet oder verletzt werden, unbeschadet der in Nr. 1 bestimmten Grenze nur bis zu einem Kapitalbetrage von insgesamt einhundert⸗ fünfzigtausend Mark oder bis zu einem Renteabetrage von insgesamt neuntausend Mark,. wenn Sachen beschädigt werden, nur bis zum Betrage von zehntausend Mark.

Uebersteigen die Entschädigungen, die mehreren auf Grund des⸗ selben Ereignisses nach Abs. 1 Nr. 1, 3 zu leisten sind, insgesamt die in Nr. 2, 3 bezeichneten Höchstbeträge, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in welchem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrage steht.

§ 21. Der Schadenersatz für Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder für Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach § 18 Abs. 2 einem Unterhaltsberechtigten zu ge⸗ Schadenersatz ist für die Zukunft durch eine Geldrente zu eisten.

Die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetz⸗ buchs und des § 708 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden, ebenso bei der Geldrente des Verletzten die Vorschrift des § 850 Abs. 3 und bei der des Unterhaltsberechtigten die Vorschrift des § 850 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung.

st bei der Verurteilung des Verpflichteten zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherhettsleistung erkannt worden, so kann der Berechtigte sie gleichwohl verlangen, wenn sich die Vermögens⸗ verhältnisse des Verpflichteten erheblich verschlechtert haben; unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urteil bestimmten Sicherheit verlangen.

§ 22. Die Ansprüche auf Schadenersatz nach den §§ 15 bis 21 verjähren in zwei Jahren, nachdem der Ersatzberechtigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, neen Kücficht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von dem

nfall an.

Schweben zwischen dem Eesatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über den Schadenersatz, so ist die Verjährung ge⸗ hemmt, bis der eine oder der andere Teil sich weigert, die Verhand⸗ lungen fortzusetzen. 8

Im übrigen richtet sich die Verjährung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

§ 23. Der Ersatzberechtigte verliert die Rechte, die ihm nach diesem Gesetze zustehen, wenn er nicht spätestens zwei Monate, nach⸗ dem er von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erhalten hat, diesem den Unfall anzeigt. Das Recht geht nicht verloren, wenn die Anzeige infolge eines Umstandes unterblieben ist, den der Ersatzberechtigte nicht zu vertreten hat, oder wenn der R innerhalb der Frist auf andere Weise von dem Schaden Kenntnis erhalten hat.

§ 24. Wird ein Schaden durch mehrere Luftfahrzeuge der im § 15 bezeichneten Art verursacht und sind die Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatze des Schadens verpflichtet, so hängt im Verbältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist. Das

b

Gleiche gilt, wenn der Schaden einem der Fahrzeughalter entstande ist, von der Haftpflicht, die für einen anderen von ihnen eintritt.

Die Vorschriften des Abs. 1 sind entsprechend anzuwenden, wenn neben dem Fahrzeughalter ein anderer für den Schaden verant⸗ wortlich ist.

§, 25. In den Fällen des § 15 Abs. 1 ist auch der Führer d Luftfahrzeugs zum Eisatze des Schadens nach den §§ 16 bis 23 ver pflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nich durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.

Ist neben dem Führer ein anderer zum Ersatze des Schadens verpflichtet, so sind die Vorschriften des § 24 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. 3

§ 26. Unberührt bleiben die reichegesetzlichen Vorschriften, nach denen der Halter oder Führer eines Luftfahrzeuges in weiterem Um⸗ fange als nach diesem Gesetze für den bei dem Betrieb entstehenden Schaden haftet oder nach denen ein anderer für den Schaden ver⸗ antwortlich ist.

§ 27. Für Klagen, die auf Grund dieses Abschnittes erhoben werden, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Unfall

eingetreten ist. Dritter Abschnitt.

Strafvorschriften.

§ 28. Wer den zur Erhaltung der Ordnung und Sichrrheit über den Verkehr mit Luftfahrzeugen und luftfahrzeugähnlichen Apparaten erlassenen polizeilichen Anordnungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.

„§ 29. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Ge⸗ fängnis bis zu zwei Monaten wird bestraft,

1) wer außerhalb der Flugplätze ein Luftfahrzeug führt, das zum Verkehre nicht zugelassen ist,

2) wer außerhalb der Flugpläͤtze ein Luftfahrzeug führt, das

vom Verkehr ausgeschlossen ist,

3) wer als Führer oder Halter eines Luftfahrzeuges der Be⸗ hörde, die das Fahrzeug vom Verkehr ausgeschlossen hat,

bres gathevezen den Zulassungsschein nicht abliefert. . In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1. 2 trifft die gleiche Strafe den Halter des Fahrzeugs, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig dessen Ge brauch gestattet. 3

§ 30. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten wird bestraft,

1) wer außerhalb der Flugplätze ein Luftfahrzeug führt, ohne einen Führerschein zu besitzen, wer außerhalb der Flugplätze ein Luftfahrzeug führt, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen ist, . wer seinen Führerschein der Behörde, die ihm die Fahr⸗ erlauhnis entzogen hat, trotz Aufforderung nicht abliefert.

In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1, 2 trifft die gleiche Strafe den Hälen des Fahrzeugs, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig jemand zur ührung bestellt oder ermächtigt, der sich nicht durch einen Führer⸗ schein ausweisen kann oder dem die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. 8 31. Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Ge⸗ fängnis bis zu drei Monaten wird bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, wer in rechts⸗ widriger Absicht 1

1) ein Luftfahrzeug, für welches die Polizeibehörde ein Kenn⸗

8 zeichen nicht ausgegeben oder zugelassen hat, mit einem

Zeichen versieht, das geeignet ist, den Anschein der polizeilich angeordneten oder zugelassenen Kennzeichnung hervorzurufen

2) ein Luftfahrzeug mit einem anderen als dem polizeilich dafür ausgegebenen oder zugelassenen Kennzeichen versieht, das an einem Luftfahrzeuge nach polizeilicher Anordnung angebrachte Kennzeichen verändert, beseitigt, verdeckt oder

sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt.

Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der von einem Luftfahrzeuge Gebrauch macht, von dem er weiß, daß die Kennzeichnung in der im Abs. 1 nnter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist. § 32. Wer vorsätzlich oder fahrlässig verbotene Zonen über⸗ fährt, in ihnen Fesselballone oder zu photographischen Zwecken luft⸗ fahrzeugähnliche Geräte aufläßt, wird, soweit nicht in anderen Vor⸗ schriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder mit Gefängnis bestraft.

33. Wer vorsätzlich ein Luftfahrzeug oder ein luftfahrzeug⸗ ähnliches Gerät, die zur Beförderung von Menschen dienen, be⸗ schädigt, zerstört oder auf andere Weise unbrauchbar macht oder die Fahrt eines solchen Fahrzeugs oder Geräts durch falsche Zeichen oder auf andere Weise stört und dadurch Gefahr für Menschenleben herbei⸗ führt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. De Versuch ist strafbar. 1

Hat die Handlung eine schwere Körperverletzung oder den Tod eines Menschen verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus, bei mildernden Umständen efängats nicht unter sechs Monaten.

Wer fahrlässig eine der im Abs. 1 bezeichneten Handlungen begeht, wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder mit Ge⸗ fängnis bis zu einem Jahre und, wenn die Handlung den Tod eines Menschen verursacht hat, mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.

Vierter Abschnitt

8 ESchlußvorschriften. v“

§ 34. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend ge⸗ macht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung in letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungs⸗ gesetze dem Reichsgerichte zugewiesen.

§ 35. Elsaß⸗Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.

§ 36. Dieses Gesetz kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrags vom 23. November 1870 [(Bedecgecs blatt 1871 S. 9) unter III §§ 4, 5, in Württemberg nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrags vom 25. November 1870 (Bandesgesetzblatt 1870 S. 654) unter Artikel 2 Nr. 4 zur Anwendung.

§ 57. Dieses Gesetz tritt am. .. in Kraft.

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1 Koloniales. . in den deutschen

Ueber die Fortschritte des Bergbaues

Kolonien berichtete Diplom⸗Bergingenieur J. Kuntz bei der vor kurzem ab⸗ fäheetsnt Sitzung des Vorstands des Kolonialwirtschaftlichen Komitees olgendes:

1) Deutsch Südwestafrika. In diesem Schutzgebiete, das infolge seiner günstigeren klimatischen und Verkehrsverhältnisse einen Vorsprung vor den anderen Kolonien hat, spielt von den berabaulichen Betrieben heute die Diamantengewinnung wirtschaftlich die erste Rolle. Seit Entdeckung der Diamanten hat sich die Produktion ständig gehoben und im laufenden Rechnungsjahre eine Höbe erreicht, die in Zukunft kaum erheblich überschritten werden dürfte. Es beträge