1914 / 31 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

diesen Sitzungen zu tun haben? Ein solches Gutachten ist ähnlich einer Aussage, die ein Zeuge unter Eid vor Gericht macht; hier würde also der Polizespräsident unter Eid die Unwahrheit sagen. (Vizepräsident Dove: Wollen Sie damit den Vorwurf erheben, daß unter Eid eine Unwahrheit ausgesagt worden sei 2) Nein, keineswegs, es ist nur ein Vergleich. In dem Gutachten ist die Unwahrheit ent⸗ halten, eine Unwahrheit, die der Polizeipräsident als solche sehr leicht hätte feststellen können. (Vize⸗präsident Dove: Jedes Gutachten ist ein Urteil über Tatsachen; ich möchte keine Unklarheit darüber be⸗ stehen lassen, daß Sie nicht den Vorwurf bewußter Unwahrheit er⸗ heben wollen.) In dem Gutachten ist weiter angeführt, daß 16 her⸗ vorragende Gewerkschaftsführer als Abgeordnete im Reichstage sitzen; weiter wird gesagt, daß an den Sitzungen des Aktionsausschusses der Partei die Mitglieder Körsten und Ritter von der Generalkommission teilnehmen. Ich sagte schon, daß letztere nichts mit dem Aktionsausschuß zu tun har; wohl aber sind die beiden Genannten, Körsten und Ritter, Mit⸗ glieder der Berliner Gewerkschaftskommission. Diese ganze Poltzei⸗ aktion hat keinen anderen Zweck, als unseren Gewerkschaften die jugendlichen Mitglieder zu nehmen. Wenn diese Aktion fortgesetzt wird, werden Sie dasselbe erleben, was in dem Kampfe gegen das preußische Vereinsgesetz erlebt worden ist. Wenn diese Angriffe weiter erhoben werden, werden wir von den sämtlichen jetzt vor⸗ handenen 15 000 Zahlstellen durch die Gerichte feststellen lassen, ob sie politisch sind; und Sie werden sich wundern, welchen ganz anderen Widerstand als in den Jahren vor 1908 wir leisten werden. Man kennt die Bedeutung unserer jugendlichen Mitglieder für den wirt⸗ schaftlichen Kampf; man will § 17 benutzen, um die wirtschaftliche Kampffähigkeit unserer Gewerkschaften zu vermindern; das ist die Tendenz dieser riesigen Polizeiakt on. Man will auch verhindern, daß unsere jugendlichen Arbeiter zur Selbstachtung kommen. Ff den Jugendorganisationen der Arbeiter wird keine Politik getrieben. Man will der nur die paar Jugendjahre erhalten. Die bürgerliche Jugendbewegung treibt dagegen Politik. Man will die Proletarierjugend mit den Anschauungen ihrer Eltern in Widerspruch setzen. Die Leiter der bürgerlichen Jugendbewegung erklären ja ganz offen, daß man politisch auf die Jugend einwirken will. Warum schreitet da der Staatsanwalt nicht ein? In Westdeutschland hat man 113“ bestraft, weil sie die Zeitschrift „Wir sind Deutschlands Jugend“ nicht abonnieren wollten. Dieses Blatt sucht in unsagbar alberner Weise die Sozialdemokratie zu beschimpfen. Man hätte da doch anerkennen müssen, daß diese jungen Leute so viel politisches Anstands⸗ und Reinlichkeitsgefühlt hatten. Die Polizei cheut sich sogar nicht, Jungen als Spitzel zur Ueberwachung von Arbeiterjugendvereinen anzustellen. So etwas sollte man doch alten Subjekten überlassen und nicht die Jugend verderben. Die bürger⸗ lichen Parteien laden eine große Sünde auf sich, wenn sie die Zu⸗ stände so lassen, wie sie sind. Mit dieser knifflichen Rechtsaus⸗ legung und Rechtsbeugung muß gebrochen werden.

Abg. Marx (Sentr.): Die alljährlichen Aussprachen über das

Vereinsgesetz sind gerade nicht sehr erquicklich und erfreulich. Es gibt kein vorzüglicheres Agitationsmittel für die Sozialdemokratie, als gerade die Auslegung und Anwendung des Vereinsgesetzes. Bei der des Vereinsgesetzes haben wir durch unsere Haltung be⸗ wiesen, daß wir für alle Staatsbürger das freie Recht der Versamm⸗ lung verlangen. Nach alledem, was wir bisher gehört haben, ist es nun aber höchste Zeit, zu fragen, ob man nicht an eine freiheitliche Aenderung dehse Gesetzes herantreten muß. Es besteht eine Rechts⸗ unsicherheit ohnegleichen. Auch die Staatsregierung müßte von ihrem Standpunkt aus schon im Interesse der Staatsautorität sich zu Aende⸗ rungen entschließen. Aber nicht nur die sozialistischen Gewerkschaften werden ausschließlich durch die Handhabung des Bereinsgesetzes be⸗ troffen. Auch gegen christliche und katholische Gewerkschaften ist man so vorgegangen. Ich erinnere nur an das Versammlungsverbot im Jahre 1909 in Breslau gegenüber katholischen Arbeitern. Wenn aber sich der Vorredner darüber beschwerte, daß man die Gewerkschaften als politische Vereine ansieht, dann muß man doch dem entgegenhalten, daß gerade die seseüstschen Gewerkschaften daran nicht ganz un⸗ schuldig sind. Man bezeichnet die EE11““ direkt als eine proletarische, und es ist auch das Wort gefallen, daß Partei und Gewerkschaft eins ist. Auch der frühere Abg. Dr. Potthof hat in der „Werkmeisterzeitung“ ausdrücklich erklärt, es sei kein Zweifel, daß die Gewerkschaftsversammlungen politische Versammlungen seien. Man kann es der Polizei nicht verdenken, wenn sie solche Aeußerungen für sich ausnutzt. Gerade vom Gewerkschaftsstandpunkte aus ist es doch sehr bedauerlich, wenn aus CETE111““ heraus der Polizei Material geliefert wird. Der Staatssekretär hat allerdings eine etwas andere Ansicht vertreten als die Gerichte. Wenn die bebatten von Jahr zu Jahr unerquicklicher werden, so liegt das daran, daß auf diesem Gebiet eine Rechtsunsicherheit herrscht wie auf keinem anderen Gebiete. Es mutet humoristisch an, wenn ein Urteil genau das Gegen⸗ teil des anderen sagt. Das Erkenntnis des Oberlandesgerichts in Marienwerder ist doch ganz unverständlich. Die Art des Vorgehens der Polizeibehörde stärkt nicht die Staatsautorität. Am meisten ist der sogenannte Sprachenparagraph des neuen Reichsvereinsgesetzes an⸗ gefochten worden. Er hat alles vernichtet, was an Vorteilen in das Gesetz gekommen ist. Wir haben, seitdem das Vereinsgesetz erlassen ist, oft Gelegenheit gehabt, die Klagen der Polen zu hören. Ich mu sagen: Die Staatsautorität wird auf diesem Wege nicht gefördert. Ich will auf einzelne Fälle nicht eingehen, aber jedenfalls hat der Fall Amundsen großes Aufsehen erregt. Durch solche kleinlichen Maß⸗ nahmen hebt man unser Ansehen nicht im Auslande. Wo bleibt da eine großzügige Politik? Der Minister des Innern mußte eingreifen, um den Vortrag in norwegischer Sprache zu ermöglichen. Es ist schon bfter auf die Mißstände im Kreise Ratibor hingewiesen worden. Durch solche Maßregeln wird die radikale Bewegung nur gefördert. Wenn die gemäßigten polnischen Elemente der radikalen Bewegung nicht Herr werden, so trägt einen großen Teil der Schuld die Re⸗ gierung, die eine solche Auslegung des. Vereinsgesetzes zuläßt. In Essen hat ein Prozeß geschwebt gegen eine polnisch⸗marianische Kon⸗ gregation, die auch als eine politische bezichtigt wurde. Der Verein wurde allerdings freigesprochen. Wir verlangen, daß das Verbot des Gebrauchs einer nicht deutschen Sprache in öffenklichen Versamm⸗ lungen aufgehoben wird. Ferner fordern wir, daß das Verbot. der Teilnahme jugendlicher Personen an politischen Vereinen und Ver⸗ sammlungen Feseitigt wird. Die „Deutsche Tageszeitung hat sich über diesen Antrag gewundert und ihre Neugierde 1.“ wie wir diesen Antrag wohl begründen könnten. Dieser Antrag ist doch nichts Neues. Kein anderer als der damalige Staatssekretär Beth⸗ mann Hollweg hat ihn seinerzeit begründet. Er sprach sich für die Notwendigkeit aus, als Gegengewicht gegen die sozialdemokratischen Tendenzen die deutsche Jugend mit politischem Geist zu erfüllen. Die Sozialdemokratie hat es verstanden, die Jugend an sich heranzuziehen und an dem Gesetze vorbei zu kommen. Die bürgerlichen dagegen haben den Schaden gehabt von dieser Bestimmung des Ge⸗ setzes. Es muß ein Gegengift gegen das Gift der Sozialdemokratie der Jugend eingeflößt werden. Wir wollen unsere jungen Leute im olitischen Kampfe stärken. Wir wollen unseren jungen Leuten schon frübzeitng den gewerkschaftlichen Sinn beibringen, und darin sind wir beschränkt durch die einseitigen Bestimmungen des Vereinsgesetzes. Die Zeit ist hart und streng, und der junge Mann muß frühzeitig für den Kampf vorbereitet werden. Das Recht der Polizeibehörden, Be⸗ auftragte in öffentliche Versammlungen zu entsenden, muß in freiheit⸗ lichem Sinne geregelt werden. Es herrscht auf diesem Gebiete eine aroße Unklarheit. Es besteht eine Kontroverse zwischen Reichsgericht und Oberverwaltungsgericht, die nicht zu er⸗ tragen ist. Es muß einen Weg geben, um hier zu besseren Resultaten zu kommen. So geht es nicht länger weiter. Weiter wünschen wir eine freiheitliche Regelung „hinsichtlich der Handhabung der Polizeistunde an Stelle der gegenwärtigen Willkür, die schließlich dahin führt, das Versammlungsrecht überhaupt illu⸗ sorisch zu machen. Schließlich fordern wir, daß es ermöglicht wird, daß für die öffentliche Bekanntmachung von Versammlungen eines Reichstagswahlkreises auch unabhängige Blätter, sofern sie nur in diesem Kreise erscheinen, als genügend angesehen werden. Zurück⸗ kommen muß ich noch auf das Verbot der geplanten Vereinigung Berliner Schutzleute,. Die Angelegenheit ist hier in Gestalt einer

Anfrage zur Sprache gekommen, im Abgeordnetenhause hat man sich in der Budgetkommission neuerdings darüber unterhalten. Dort ist nun gesagt worden, das Verhalten der Herren, welche die Vereinigung betrieben, sei derartig gewesen, daß angenommen werden mußte, es solle sich um alles andere als den in den Satzungen angegebenen Zweck handeln. Diese Angaben sind doch sehr auffällig. Der Minister des Innern hat mitgeteilt, daß die Schutzleute schon bei der Anstellung einen Revers unterschreiben müssen, wonach sie zum Beitritt zu einer Versammlung der Genehmigung bedürfen. Mir scheint, als ob dieses Verfahren des Ministers eventuell selbst gegen das Koalitionsrecht, das die Beamten durchaus auch besitzen, ver⸗ stößt. Wenn aber die bloße Unterlassung der Anzeige an den Vor⸗ gesetzten schon zu einer Strafpersetzung führt, so scheint das doch ganz außerordentlich über das Ziel hinauszuschießen. Es muß dafür gesorgt werden, daß auch den Beamten das Koalitionsrecht erhalten bleibt. Es muß an die Reform des ganzen Vereinsrechts gegangen werden, und zwar recht bald, man sollte keine Zeit mehr verlieren.

Direktor im Reichsamt des Innern Lewald: Sie wollen mir gestatten, die Situation darzulegen, in der sich die verbündeten Regierungen und die Reichsleitung den hier vorgebrachten Taten gegenüber befinden. Wie bei fast allen anderen Reichsgesetzen liegt auch die Handhabung und Ausführung des Reichsvereinsgesetzes in der Hand der Einzelregierungen. Es gibt keinen Reichsbeamten, der unmittelbar damit etwas zu tun hätte, und wenn die Klagen hier vorgebracht werden mit der Tendenz, daß die Reichsleitung ein⸗ schreiten solle, um sie zu beseitigen, so werden Sie mir zugeben, daß die Reichsleitung dazu nicht in der Lage ist. Der Inhalt der Be⸗ stimmungen und Vorschriften der Verfassung ist doch nicht etwa der, daß die Reichsleitung in die Lage käme, im Einzelfalle einzu⸗ schreiten, Berichte zu fordern, Anordnungen zu treffen; der Sinn ist doch nur der, daß die Reichsleitung in der Lage sein kann, mit der Regierung des betreffenden Bundesstaats, wenn sich Differenzen herausstellen, in Verbindung zu treten. Würden die zahlreichen Aus⸗ führungsbestimmungen, die die Einzelregierungen zu dem Gesetz er⸗ lassen haben, grundsätzlich von dem Gesetz abweichen, hätte selbst⸗ verständlich die Reichsleitung Anlaß, gegebenenfalls der betreffenden Regierung eine entsprechende Erklärung abzugeben. Das ist aber durchaus nicht der Fall; diese Ausführungsbestimmungen bewegen sich durchaus auf dem Boden des Gesetzes und der bei seiner Be⸗ ratung abgegebenen Erklärungen, und sind von dem Willen und dem Wunsche getragen, das Gesetz in einem liberalen, von Schikanen freiem Sinne auszuführen. Noch in den letzten Jahren, nachdem hier gerade über die Handhabung der in Preußen veröffentlichten Grundzüge für die Ausführung des Gesetzes Anklagen vorgebracht waren, hat der preußische Minister des Innern Anlaß genommen, mit aller Entschiedenheit die Behörden anzuweisen, daß sie sich mit größter Strenge an diese Auslegung des Gesetzes halten sollten, nun drängt sich mir die Wahrnehmung auf, wenn ich an die früheren Debatten über die Ausführung des Reichsvereinsgesetzes denke, daß die Zahl derjenigen Beschwerden, die gegen Exekutiv⸗ behörden erhoben werden, nahezu verschwunden ist, daß die An⸗ griffe, die erhoben werden, sich nicht richten gegen diese, sondern gegen die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte. Ueber die Ausführungen des Vereinsgesetzes haben in erster Linie endgültig die Oberverwaltungsgerichte zu entscheiden, wie wir sie fast in allen größeren Staaten haben. Aber auch die Oberlandes⸗ gerichte werden in die gleiche Lage versetzt, und das Reichsgericht kommt als dritte rechtsbildende Instanz für das Vereinsgesetz in Frage, wenn es sich um Fälle handelt, die im Zusammenhang mit anderen Straftaten stehen. Da wir in einem Rechtsstaate leben, so muß man sich natürlich nach diesen Ausführungen richten. Diese Urteile und Auslegungen des Vereinsgesetzes wurden im Reichsamt des Innern ständig verfolgt und gesammelt und bilden gewissermaßen einen Kommentar zum Reichsvereinsgesetz. Wir werden ihn gern zur Verfügung stellen. Wenn man diese Entscheidungen prüft, dann will ich nicht leugnen, daß mal die eine oder die andere voneinander abweicht. Aber auf Grund der Studien der Urteile muß man auch zu der Ueberzeugung kommen, daß man is den fünf oder sechs Jahren seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu einer großen Sicherheit in der Auslegung gekommen ist. Es hat sich ein ganz anderer Zustand herausgebildet, denn die Klagen richten sich nur noch gegen einzelne Kleinigkeiten. Es sind nun eine Reihe von Anträgen auf Ab⸗ änderung gestellt worden. Ich will gleich vorweg bemerken, daß bei der Reichsregierung, der preußischen Staatsregierung und auch bei den anderen verbündeten Regierungen keine Neigung besteht, eine Novelle zum Reichsvereinsgesetz zu bringen. Mit aller Entschieden⸗ heit muß ich mich aber gegen die Bemerkung wenden, als ob das Oberverwaltungsgericht einen Rechtsbruch begangen habe. Die Gerichte begehen keine Rechtsbrüche. Es wird die Abschaffung des Sprachenparagraphen gefordert. Auf dieses so viel umstrittene Gebiet will ich hier nicht genauer eingehen, aber bemerken, daß die Regierung ihren Standpunkt hierin nicht geändert hat. Auch der Fall Amundsen wurde erwähnt. Nicht Amundsen selbst hatte den Antrag gestellt, in Flensburg einen Vortrag in norwegischer Sprache halten zu können, sondern die Konzertagentur Sachs, mit der er Verträge über eine Reihe von Vorträgen in einer Reihe deutscher Städte abgeschlossen hat. Die Konzertagentur mußte wohl das Empfinden haben, daß man die Versammlung vielleicht als eine politische ansehen könne, und sie suchte deshalb die Genehmigung des Regierungspräsidenten nach. Diese wurde aber versagt, und der Regierungspräsident war dazu durchaus berechtigt. Flensburg ist eine durch und durch deutsche Stadt, wo es kaum einen Menschen gibt, der nicht deutsch spricht oder versteht. Wahrscheinlich haben andere Einflüsse dahinter gesteckt, man wollte von dänischer Seite in Flens⸗ burg wohl eine Art Heeresschau abhalten. Der Regierungspräsident war der Ansicht, daß es sich nicht allein darum handelte, den höchst inter⸗ essanten Ausführungen des Herrn Amundsen beizuwohnen, sondern um eine politische Agitation. Nun ist in der Oeffentlichkeit des In⸗ und Auslandes es so ausgelegt worden, als wollte man Roald Amundsen, den ich persönlich kenne und sehr hoch schätze, treffen. Dieser wollte aber keine Agitation vornehmen. Man hat ihn aufgefordert, einen deutschen und einen norwegischen Vortrag zu halten. Er sagte zu, weil er die Mehreinnahmen für seine weiteren Forschungsreisen verwenden wollte. Amundsen hat sich nicht darüber beschwert. Weil die Sache aber so aufgefaßt und so dargestellt worden ist, als wolle man diesen großen Forscher nicht sprechen lassen, darum hat der Minister des Innern die Genehmigung erteilt und nachträglich gestattet, daß auch der Vortrag in norwegischer Sprache vonstatten ging. Der Regierungspräsident meinte zuerst, daß es sich um eine dänische Agitation handle. Heute beschweren Sie sich (zu den Sozialdemokraten gerichtet), daß eine höhere Instanz einen Erlaß wieder aufgehoben hat. Früher haben Sie sich darüber beschwert, wenn es nicht geschah; es wurde auch darüber Beschwerde erhoben, daß auch landwirtschaftliche Vereine unter das Vereinsgesetz gestellt worden sind. Damit komme ich zu einem Punkt, der ja heute verschiedentlich angeschnitten worden ist, Wir sind uns eben nicht darüber klar, was ein politischer Verein ist. Es kommt nicht darauf an, was in den Satzungen steht. Darin kann sehr viel stehen. Ich kann mich da auf einen Kommentar Müller⸗Schmidt berufen, worin ausgeführt wird, es käme nicht auf die Firma an, sondern darauf, was der Verein wirklich tut. Ich gebe zu, es ist damals in der Kommission den verbündeten Regierungen nicht gelungen, eine Definition dafür zu finden, was politische Vereine und politische Versammlungen sind. Man hat diese Frage der Judi⸗ katur anheimgestellt. Ein landwirtschaftlicher Verein braucht kein politischer Verein zu sein, aber er kann es auch sein. Sieht eine Polizeibehörde einen solchen als einen politischen Verein an und das höchste Gericht bestätigt diese Auffassung, dann kann man es der Polizei nicht übelnehmen, wenn sie auch die Bestimmungen des Vereinsgesetzes zur Anwendung bringt. Was von den landwirt⸗ schaftlichen Vereinen gilt, gilt auch von Turn⸗, Gesang⸗ und anderen Vereinen. Auch wissenschaftliche Vereine kann man natürlich darunter beziehen. Der Abg. Legien ist sehr eingehend auf die Arbeitersport⸗ und Arbeiterturnvereine eingegangen. Er griff sehr heftig die Recht⸗

sprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts an. In einer Ent⸗

scheidung beschäftigt sich dieses Gericht sehr eingehend mit dem poli⸗ tischen Charakter des Arbeiterturnerbundes. Das Erkenntnis umfaßt 19 Seiten. Man ist in dem Urteil auch auf andere als polizeiliche Ansichten über diesen Turnerbund eingegangen. Seite ist auch ausgesprochen worden, daß der ganze Grund durchzogen und durchwachsen 9” von dem olitischen Gedanken des heenkampfes und zur Stärkung der sozialdemokratischen Bewegung. Der Redner ber⸗ liest dann aus Zeitungsstimmen eine Reihe von ällen, in denen darauf hingewiesen wird, daß in erster Linie die Agitation für die Sozial⸗ demokratie und dann erst das Turnen steht, und fährt dann an 8ch glaube nicht, daß andere Turnerbünde derartige politische Ziele haben. Es gibt nur eine deutsche Turnerschaft, die sich von politischen Bestrebungen im einzelnen vollständig fernhält und auf nationalem Boden steht. Der Abg. Legien ist 68 eingehend auf die Frage ein⸗ gegangen, inwieweit die gewerkschaftliche Bewegung als eine politische Bewegung anzusehen sei, insbesondere auf die Frage, ob der Holz⸗ arbeiterverband ein politischer Verein sei. Ich habe den Abg. Legien nicht ganz verstanden. Wer hat diese Gutachten abgegeben und wem sind sie abgegeben; Der Abg. Legien hat mit großer Schärfe, die von dem Herrn Präsidenten gerügt worden ist, sich gegen die Auskünfte gewandt, die der hiesige Polizeipräsident und verschiedene andere Polizeiverwaltungen erstattet haben. Wenn ein Gericht vor die Frage gestellt ist, ob ein Verein ein politischer Verein ist, so muß es sich selbstverständlich Gewißheit darüber verschaffen, und es kann dazu auch die Gutachten der Polizeibehörden einfordern, die mit der Ueber⸗ wachung der Vereine betraut sind. Wenn nun

Legien dem Polizeipräsidenten unterstellt hat,

wahrheit gesagt habe, so gehört dazu ein Mut, den ich nicht besitze. Das Gericht kann sich doch auch 88 andere Weise seine Ueberzeugung verschaffen. Es findet doch eine öffentliche Verhandlung statt, das Schöffengericht kann Zeugen laden und die Sache richtigstellen. Die Mitglieder des Holzarbeiterverbandes konnten ja eventuell die Gut⸗ achten vor Gericht richtigstellen. Aber es geht doch nicht an, von einer bewußten Unwahrheit zu sprechen. Nun ist ja die Frage eine überaus tiefgreifende und sehr oft erörtert worden, wie weit die sozialdemokratischen freien Gewerkschaften politische Vereine sind. Ich werde mich hüten, hierüber eine apodiktische Meinung zu äußern. Jedenfalls besteht auch auf anderen Seiten die Meinung, daß die freien Gewerkschaften politische Vereine sind, und wenn der Abg. Legien sich auf den verstorbenen Abg. Bebel berufen hat, so weiß ich wirklich nicht, welcher große Unterschied zwischen der proletarischen Massenbewegung und der sozialdemokratischen besteht. Die Frage, ob die freien Gewerkschaften oder andere Gewerkschaften politische Vereine sind oder nicht, kann von dieser Stelle oder von einer anderen nicht beeinflußt werden. Darüber entscheiden die Gerichte frei und unabhängig. Ich möchte gegenüber den Beschuldigungen, die gegen die Gerichte erhoben werden, darauf hinweisen, daß vor einigen Tagen sogar ein Kommerzienrat, der bei einem Begräbnis gesprochen hatte, in Strafe genommen wurde, weil er nicht die Genehmigung nach⸗ gesucht hatte. Die Gerichte gehen also ohne Ansehen der Person vor, und ich kann nicht zugeben, daß sie mit zweierlei Maß messen. Das Verhältnis der Zahlstellen zum Hauptverein ist auch von der Judi⸗ katur vielfach berührt worden, und ist sehr schwer zu beantworten. Diese Frage kann auch nur von Fall zu Fall entschieden werden. Tatfragen aber können hier nicht entschieden werden, man muß sie der Judikatur überlassen. Nun hat der Abg. Marx die Aufhebung des Verbots der polnischen Sprache in Vereinen und Versamm⸗ lungen verlangt. Ich habe mich darüber bereits ausgesprochen. Gegen das Verlangen, daß jugendliche Personen politische Versamm⸗ lungen besuchen dürfen, hat eigentlich der Abg. Legien selbst Stellung genommen, indem er meinte, seine Freunde wollen nicht, daß die jungen Leute bis zum 18. Jahre am politischen Kampf teil⸗ nehmen, sie müßten erst lernen. Diese Auffassung haben wir auch. Ich komme nun noch auf den 68 des Polizeipräsidenten von Jagow, wegen der Schutzmannschaft, zu sprechen. Die Frage des Verhält⸗ nisses des Reichsvereinsgesetzes zum Disziplinarrecht ist hier schon viel und eingehend erörtert worden. § 1 des Reichsvereinsgesetzes schafft keineswegs eine Exemption für das Gebiet des Vereinsgesetzes. Ich will das an einem Beispiele klar machen. Wenn die Oberprimaner Berlins eine öffentliche Versammlung abhalten wollen, so darf sie die Polizei hieran nicht hindern, wohl aber kann dies der Direktor. Dasselbe gilt auch auf dem Gebiete der Kirche. Ich frage den Abg. Marx: Können die Diszesankleriker sich ohne weiteres vereinigen, und kann der Bischof nicht sagen: nein, das erlaube ich nicht? Dasselbe Recht, das die Direktoren, die Bischöfe usw. haben, dasselbe Recht steht auch den Disziplinarbehörden zu. Es ist durchaus unrichtig, daß etwa das Beamtenrecht geknebelt ware, daß die Beamten keinem Ver⸗ ein beitreten dürften. Das wird schon durch die Tatsache widerlegt, daß die Beamtenvereine sich nirgends so üppig entfalten wie bei uns. Der Reichstag wird ja gerade durch Petitionen der zahlreichen Be⸗ amtenvereine bestürmt. Ich habe hier keine Statistik im einzelnen; aber es gibt eine Statistik für die Reichspostverwaltung, aus der hervorgeht, daß ein Reichspostbeamtenverein für die mittleren Be⸗ amten existiert, der über 40 000 Mitglieder zählt, ein Unterbeamten⸗ verein, der über hunderttausend Mitglieder zählt. Es gibt in der Post⸗ verwaltung kaum einen Beamten, der nicht einem Verein angehört. Also die Beamten haben das Recht, sich zu Vereinen zusammenzu⸗ schließen, und es ist völlig ausgeschlossen, daß man ihnen dieses Recht nehmen will. Nun müssen Sie mir zugeben, daß für die Schutz⸗ mannschaft einer so großen Stadt wie Berlin bei der großen Ver⸗ antwortung für die Sicherheit des Lebens und des Eigentums von Millionen eine straffe Disziplin notwendig ist. Das Eigentümliche ist, daß fast zu derselben vzeit, als der Polizeipräsident von Jagow seinen Erlaß herausgab, der Polizeipräsident von Groß London einen Erlaß herausgab, der fast Wortlaut hatte. Dieser Erlaß enthielt das Verbot an die Polizeibeamten, Mitglieder eines Bundes oder Vereins zu werden. Eine solche Mitgliedschaft sei durch die be⸗ stehende Dienstordnung verboten, und wer dem zuwiderhandele, habe seine Entlassung zu gewärtigen. Dies deckt sich fast wörtlich mit dem Erch des Polizeipräsidenten von Berlin. Wie stellt sich nun die englische Presse zu diesem Erlaß in einem Lande, wo die Gewerk schaftsbewegung seit einem halben Jahrhundert das ganze Volk er⸗ griffen hat? Der „Daily Graphic“ schrieb, der Präsident habe sehr weise gehandelt, als er gegen den Beitritt zu jener Vereinigung Front machte, so etwas sei nicht vereinbar mit den Pflichten eines Polizei beamten. Die Polizei sei eine fast militärische Einrichtung usw. Ich glaube, diese Argumente treffen absolut auf unseren Fall zu. Man hat auf die Statuten des Vereins hingewiesen. Ich habe schon vorhin aus geführt, was die Statuten besagen, das steht auf dem Papier, und was aus solchen Sachen später wird, kann niemand wissen. Es ist durchaus verständlich ‚daß die Stelle, die die Verantwortung trägt, das Bedürfnis hat, die Leute fest in der Hand zu haben, zur Er füllung ihrer schweren Aufgabe, und ich bin überzeugt, wenn der Vor redner Polizeipräsident von Berlin wäre, er würde ebenso verfahren.

Abg. von Veit (bons.): Ich darf namens meiner politischen Freunde erklären, daß wir nicht geneigt sind, auch nur in einem Punkte der Aenderung des Gesetzes zuzustimmen. Ich kann meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß der Vorredner namens des Reichskanzlers sich auf denselben Standpunkt gestellt hat. Der Sprachenparagraph, wie er in der Kommission angenommen und von den Ausführungsbestimmungen der Landesbehörden interpretiert worden ist, bezweckt die Stärkung des Deutschtums im Kampfe gegen die großpolnische Agitation. Daß das Deutschtum durch diese Ver⸗ stärkung den Kampf erfolgreich führen wird, davon sind wir über zeugt. Wir glauben, daß wir den Kampf gegen das Großpolentum, der uns aufgezwungen ist, ohne den Sprachenparagraph nicht führen können. In den Reichslanden, so hat das dortige Ministerium verfügt, kann der Gebrauch der französischen Sprache erfolgen. Da⸗ gegen haben meine Freunde bei der Entwicklung, die die Elsaß Lothringer bedauerlicherweise genommen haben, erhebliche Bedenken. Auch an dem § 17 halten wir fest. Die beiden konservativen Frak tionen des Reichstags haben diesen Paragraphen in das Gesetz hineingebracht. Er bezweckt, die Jugend von der politischen Tätigkeit auszuschließen. Darüber, daß die unreife Jugend von der Politik

ferngehalten werden soll, kann doch ein Zweifel nicht bestehen. Es

Gerade von anderer

weiter um sich greift, die Kenntnis der deutschen Sprache namentlich

l da 9 vC. 2 Landessprache verstehen. Einen zweiten

wollen die öffentliche Autorität nicht schwächen, sondern stärken; wir

tt Tatsache, daß durch den § 17 in Verbindung mit dem § 2 es Uche der Rechtsprechung des Oberverwaltun sgerichts worden ist, mit Erfolg gegen sozialdemokratische Jugendorganisationen einzuschreiten. Wir müssen unterscheiden zwischen sozialdemokra⸗ tischen Jugendorganisationen und der sogenannten nationalen Jugend⸗ bewegung. Die sozialdemokratische Jugendbewegung hat zuerst ein⸗ gesetzt und hat zweifellos Erfolge erzielt. Es ist ihr gelungen, die Fugend im Sinne der proletarischen Weltanschauung zu erziehen, und erst aus dieser Wahrnehmung ist die nationale Jugendbewegung herausgewa sen. Die nationale Jugendbewegung treibt keine Politik. ( ziderspruch bei den Sozialdemokraten.) Ich wiederhole: ie treibt keine Politik. Bei unserer nationalen Jugendbewegung der alle bürgerlichen Parteien angehören, oder doch angehören sollten, handelt es sich um eine große, edle Sache. Dazu beizutragen, ist die Pflicht eines jeden nationalgesinnten deutschen Mannes. Die nationale Jugendbewegung will die Jugend in ihrer körperlichen und sittlichen Entwicklung stärken und ihr nahelegen, festzuhalten am Vaterlande, festzuhalten am angestammten Herrscherhause. Das ist keine Politik. Das ist nach ünserer Volksschule unsere vornehmste Aufgabe. Wir müssen fortgesetzt bemüht sein, zwischen der Schul⸗ zeit und der Militärdienstzeit zu erreichen, daß die Jugend, wenn sie in das zweite große deutsche nationale Erziehungsinstitut hinein⸗ kommt, sittlich fest ist, wenn sie den bunten Rock anzieht. Der Antrag der Zentrumspartei verlangt, daß das Recht der Polizei in einschränkendem Sinne gehandhabt wird. Wir halten einen solchen Antrag nicht für nötig. Es besteht allerdings eine Verschiedenheit in der Judikatur des preußischen Oberverwaltungsgerichts und einer ganzen Reihe Oberlandesgerichte und des Reichsgerichts. Die Landesbehörden, die mit der Ausführung beguftragt sind, haben sich der Rechtsprechung des Reichsgerichts anzuschließen. Wir glauben, daß die Vorschriften über die Polizeistunde nicht unter allen Um- ständen zurücktreten müssen gegenüber dem Reichsvereins⸗ und Ver⸗ sammlungsrecht. Die Entscheidung des Kammergerichts über den § halten wir für durchaus zutreffend und können uns damit ein⸗ verstanden erklären, daß im Oktober 1911 der preußische Minister des Innern an seine nachgeordneten Behörden eine Verfügung er⸗ lassen hat, die diesen nahelegt, von den Vorschriften über die Polizei⸗ stunde nur dann Gebrauch zu machen, wenn das zur Erreichung der Zwecke, nämlich Verhinderung der Völlerei, Trunksucht usw., er⸗ forderlich ist. Danach halten wir eine Aenderung des Gesetzes in diesen Punkten, wie das Zentrum es beantragt, nicht für erforderlich. In Ziffer 5 des Zentrumsantrages soll die bisher der Landeszentral⸗ behörde zustehende Befugnis für die Form der Bekanntmachung ein⸗ geschränkt werden. Wir halten eine solche Einschränkung nicht für angezeigt, schon aus prinzipiellen Rücksichten, und auch aus dem sehr praktischen Grunde, weil es sich zweifellos empfiehlt, eine Bestimmung nicht Fu erlassen für einen ganzen Reichstagswahlkreis, sondern für den Bezirk der unteren Verwaltungsbehörden. Ein Reichstags⸗ wahlkreis besteht in Preußen vielfach aus mehreren landrätlichen Kreisen. Wenn die Polen behufs Herbeiführung einer einheitlichen Zudikatur oberste Gerichte in den Einzelstaaten, in Preußen also das Kammergericht, bestellen wollen, so glauben wir, auch das ablehnen u sollen; denn wir sehen darin einen Eingriff in die gesetzlichen Befugnisse der Einzelstaaten. Selbstverständlich verhalten wir uns auch ablehnend gegen den sozialdemokratischen Antrag; denn wenn der angenommen wird, was bleibt dann noch von dem ganzen Segen des Reichsvereinsgesetzes übrig? Dann sollten Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) schon lieber das ganze Gesetz aufheben. Wir aber glauben, daß das ganze Gesetz gerade gemacht ist zum Schutze für alle die, die sich versammeln und zu Vereinen zusammentun wollen. Wir 1“ alle beantragten Abänderungen ablehnen. g. ertin (Rp.): Gewiß ist das Reichsvereins 8 es beraten wurde, viel umstritten gewesen; daß 19 nüls änderungsanträge kommen würden, daß man mit diesem Gesetz Fuß⸗ sale pielen könnte, hätten wir doch nicht erwartet. Der sozialdemo⸗ katische Antrag unter 3 will die für politische Vereine gegebenen Be⸗ fimmungen beschränken auf Vereine, die die Erörterungen politi⸗ scher Angelegenheiten in Versammlungen bezwecken. Diesen Antrag kann ich auch beim besten Willen nicht ernst nehmen. Ebenso halten 8 den Antrag der Polen unter 2 für unannehmbar, weil dafür der Reichstag nicht zuständig ist, aber auch praktisch eine solche Regelung sich nicht empfiehlt; es handelt sich da um Verhältnisse, wo zweck⸗ mäßigerweise den oberen Instanzen örtlicher Art, also den Oberlandes⸗ serichten, die letzte Entscheidung zu belassen ist. Den Fall Friedland kenne ich nicht, aber die von dem Abg. Legien gegen den betreffenden heitzan vaft erhobenen Vorwürfe kann ich nicht unterschreiben. Den Gehanten, über die Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisationen Gutachten von den verschiedensten Polizeibehörden einzuholen, halte 16 für sehr klug. Das Verlangen der einschränkenden Klarstellung des Rechts der Polizeibehörde zur Ueberwachung von Versammlungen er⸗ scheint uns auch unerfüllbar. Die Ueberwachung den höheren Polizei⸗ organen zu übertragen, ist gar nicht möglich; es würde nur eine be⸗ schränkte Anzahl von Beamten zur Verfügung stehen. Dieser Dienst ist auch kein angenehmer; es wird den Beamten das Leben herzlich gemacht. Ich erinnere bloß an die Schwierigkeiten, die ihnen hinsichtlich der Anweisung eines angemessenen Platzes gemacht werden. Daß die Rechte der Polizei hinsichtlich der Ueberwachung übermäßig große wären, kann niemand behaupten. Politische Versammlungen sind doch nicht nur geeignet, sondern dazu bestimmt, die Leidenschaften zu erregen; wenn irgendwo, muß der Schützer der öffentlichen Ordnung hier am Platze sein. Wir wollen namentlich auch nicht irgendeine Be⸗ schränkung der landespolizeilichen Befugnisse. Der wichtigste Punkt n den gesamten Anträgen ist der Sprachenparagraph. Der jetzige seichskanzler hat bei der Beratung des Gesetzes erklärt, Deutschland wäre ein Nationalstaat, kein Ich kann hinzu⸗ fügen, wie kann ein Reich als groß und mächtig gelten, wenn es nicht Linmal imstande ist, sich seine Sprache zu erhalten. Und ist denn der jetzige Zeitpunkt besonders geeignet, an dem Gesetz, dessen Formu⸗ lierung in diesem Punkt das Aeußerste an Konzessionen darstellt, die gemacht werden konnten, Aenderungen vorzunehmen? Blicken Sie doch auch einmal nach dem Westen. Durch die Zeitungen ist unwider⸗ sprochen die Nachricht gegangen, daß ein deutscher mit einem deutschen Hauptmann Französisch gesprochen habe und von dem letzteren erst ersucht werden mußte, mit ihm Deutsch zu sprechen. Ich will durchaus vermeiden, eine Polendebatte heraufzubeschwören. Aber ich glaube, daß ich die Dinge im Osten doch auch einigermaßen kenne, und genau genug, um zu erkennen, daß in Konsequenz eines ganz be⸗ stimmten und strikte festgehaltenen Systems die Gewohnheit immer

vor Gericht abzuleugnen, um auf diese Weise der deutschen Sprache Abbruch zu tun. Auch bei Zeugenvernehmungen ist sehr oft 8 obachten, daß ein Zeuge⸗ der erklärt, nicht Deutsch zu können, und

Polnisch vernommen wird, dem Lauf der Verhandlungen ganz gut zu

folgen vermag und Wort für Wort versteht. So wird auch hier die

fremde Sprache gebraucht, um Absonderungsgelüsten zu fröhnen. Im Fehre 1908 haben die Polen selbst eine Verfügung erlassen, wonach die chüler sich die polnische Sprache aneignen mußten, da es nötig sei, ß alle Einwohner des Landes, unter dessen Regierung sie stehen, die auptpunkt in den Anträgen 8 den die Jugendlichen. Nach meiner Ansicht besteht die Jugend⸗ vewegung, von der heute soviel die Rede ist, darin, daß man die Jugend inausführt in Wald und Feld und sie die Schönheiten der Natur söhen läßt, nicht aber darin, sie in die Politik einzuführen. Der Abg. 8 kar; sprach von der Notwendigkeit, der Jugend ein Gegengift gegen das sozialdemokratische Gift einzuflößen; wir wollen aber, daß unsere Jugend überhaupt nicht medizinisch in dieser Weise beeinflußt wird, mir wollen weder Gift noch Gegengift. Es ist ja noch zweifelhaft, ob ie Politik bei längerem Gebrauch mehr den Charakter oder mehr en Intellekt verdirbt; bei manchen wird vielleicht beides verdorben. Es soll ja auch Leute geben, wo nichts mehr zu verderben ist. Wir

lehnen die Anträge ab, gleichwie die Konservativen, und hoffen, daß auch die Regierung an diesem Standpunkt festhalten wird.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 18. Sitzung vom 4. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen? 2 d. Bl. berichtet vb Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats der Justizverwaltung fort. An Einnahmen aus der Beschäftigung der Ge⸗ fangenen wirft der Etat 7 474 000 aus, 470 000 mehr als im Vorjahre. 1 der Diskussion werden hiermit die dhes erbes tehe 28gen ngen 8 85 LS aus dem verdienste“ ℳ) und „Unfallentschädigu Gefangene“ (10 000 ℳ) verbunden. v“

Es liegt hierzu der Antrag der Abgg. Aronsohn und eS- See Volksp.) vor: 8. ie Regierung zu ersuchen, dem Hause der Abgeordnet eine Denkschrift vorzulegen, welche über den jegigen GSeen der Gefängnisarbeit, insbesondere über Umfang und Art der Befdaeen 8* ee. die dafür gezahlten Löhne und e Tätigkeit der für die einzelnen Provi i⸗ üger Aefcätigkeit 3 Provinzen eingesetzten Bei Abg. Boisly (nl.): Die Einnahmen aus der Gefängnisarbei steigen stärker als die Zahl der Gefangenen. Beruht 1nb allgemeinen Steigerung der Löhne, die ja auch auf die Gefängnisse nicht ohne Einfluß sein kann, oder auf der intensiveren Be⸗ schäftiaung der Feenseehen⸗ Ich möchte das letztere annehmen. Die Klagen des Mittelstandes beruhen darauf, daß den Unternehmern in der Gefängnisarbeit durch die geringeren Löhne es möglich gemacht wird, die anderen Konkurrenten zu unterbieten. Es ist deshalb erforderlich, daß die Lohne in den Gefängnissen so weit wie möglich gesteigert werden. Kann nicht vielleicht ein Versuch damit gemacht werden, eine Vergebung der Gefängnisarbeit an den Meistbietenden vorzunehmen? Ich weiß nicht, ob das geschehen kann; es würde sich aber vielleicht empfehlen. Wenn sich damit nicht mehr erzielen lassen würde, so würde sich daraus ergeben, hs die Klagen des Mittelstanles unbegründet sind. Dem Antrag Aronsohn stimme ich zu, die Denk⸗ schrift müßte sich aber nicht nur auf die Justizgefängnisse, sondern auch auf die Gefängnisse der Verwaltung des Innern beziehen, denn nur dadurch werde man ein richtiges Urteil bekommen. Abg. Hammer (kons.): Nach der Statistik der Justizverwaltu werden 23 000 Gefangene in etwa 30. Zuchthäusern sita vaßhicha größeren Strafanstalten handwerklich beschaftigt. In diesen 30 An⸗ stalten sind für die Schneiderei ein Reinertrag von 2589 ℳ, für die Schuhmacherei ein solcher von 6000 ℳ, für die Tischlerei 228 000 ℳ, für die Weberei 35 000 ℳ, für sonstige Arbeiten ein Reinertrag von 90 000 erzielt worden. Es liegt auf der Hand, daß dadurch die freie Konkurrenz schwer geschädigt wird. Insbesondere werden die Schneider, Schuhmacher und Tischler arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Ein⸗ führung von Arbeitsbelohnungen scheint ausgezeichnet zu wirken. Diejenigen, welche sich willig und geschickt bei der Arbeit zeigen, er⸗ halten Arbeitsbelohnungen bis zu 15 und darüber. Im Jahre 1913 sind für diesen Zweck 219 000 ausgeworfen worden. Das ist eine sehr humane, praktische Maßregel, die sehr zu begrüßen ist. Ein Regierungskommissar hat im vorigen Jahr in der Budgetkommission bemerkt, es sei erfreulich, daß die Heereslieferungen zum weitaus größten Teil in den Gefängnissen angefertigt werden, die Arbeit der Gefangenen solle nach Möglichkeit den Staats⸗ und Reichsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Mit diesem Grundsatz kann ich mich nicht einverstanden erklären. In der Frage der Beitäte ist die Ant⸗ wort des Ministers interessant, daß sie keine nennenswerte Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse gemacht haben. Die beteiligten Kreise sollte doch diese Bemerkung des Ministers zum Nachdenken veranlassen. Eine Handwerkskammer hat bei dem Kriegsminister darüber Be⸗ schwerde geführt, daß eine Garnisonverwaltung die Offerten, die von der Innung zum Selbstkostenpreise aufgestellt worden waren, mit Lachen zurückgewiesen hat. Die Garnisonverwaltung sagte, die Preise seien zu hoch, und deshalb müßten die Liefe⸗ rungen der Gefängnisverwaltung übergeben werden. Dieses Verhalten muß auf das schärfste gerügt werden. Früher hat die Regierung die Erklärung abgegeben, daß in Zuchthäusern und anderen Straf⸗ anstalten keine Dampfmaschinen zur Anwendung kommen sollen. Aber mit diesem Grundsatz ist in der letzten Zeit gebrochen worden. In einer Reihe von Gefängnissen sind trotz der Erklärung der Re⸗ gierung Maschinen aufgestellt worden. Wir geben über 15 Millionen Mark für gewerblichen Unterricht aus, um Handwerker auszubilden. Und hier wird das Handwerk und Gewerbe außerordentlich stark ge⸗ schädigt. Die Arbeiten, die die Gefangenen liefern, sind in der Regel minderwertig. Der Vorlegung einer Denkschrift werden wir zu⸗ stimmen. Die Denkschrift wird allerdings den notleidenden Hand⸗ werkern nichts helfen. Helfen wird nur, wenn die Regierung zu dem Grundsatz übergeht, daß alle Arbeiten, die in Gefängnissen und Zuchthäusern ausgeführt werden, allerhöchstens 25 % sämtlicher Aufträge ausmachen, und daß die anderen Arbeiten dem freien Wetthewerb überlassen werden.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Den Ausführungen der Herren Vorredner über die Beschäftigung der Gefangenen kann ich ja im großen und ganzen nur zustimmen. Selbstverständlich kann ich mich hier nur über die Dinge äußern, die das Ressort der Justiz betreffen, und soweit einzelne der Herren Vorredner auch Wünsche oder Anregungen ge⸗ äußert haben, die für die Verwaltung des Innern bestimmt sind, möchte ich anheimstellen, sie beim Etat des Ministeriums des Innern erneut vorzubringen.

Ich will nur in aller Kürze darlegen, wie die allgemeinen Grund⸗ sätze der Justizverwaltung in Beziehung auf die Arbeit der Gefangenen sind. Da steht natürlich in erster Linie das Bestreben, die Gefangenen, die in den Gefängnissen verwahrt werden müssen, an⸗ gemessen durch Arbeit zu beschäftigen. (Bravo! bei den Freikons.) Das wird, soweit es möglich ist, durchgeführt. Es gibt natürlich einige Fälle, wo eine Arbeit nicht geleistet werden kann: bestimmte Kate⸗ gorien der Gefangenen brauchen nicht zu arbeiten, sie sind nicht dazu verpflichtet. Aber man kann sagen, die Regel ist es, daß alle Gefan⸗ genen in den Gefängnissen der Justizverwaltung, mögen sie nun lange oder kurze Strafen zu verbüßen haben, oder auch als Untersuchungs⸗ gefangene sich dort aufhalten, regelmäßig mit Arbeiten beschäftigt werden.

Daß für diese Arbeiten ein Entgelt gefordert wird, ist notwendig. Die Arbeit, die unentgeltlich geliefert wird, hat nicht die Bedeutung wie die entgeltliche Arbeit, auch nicht in erzieherischer Wirkung. Auch erhalten die Gefangenen von dem Verdienste ihren Anteil. Das ist ein Ansporn für sie, fleißig zu arbeiten, sich an Arbeit zu gewöhnen. Bezüglich der Lohnfestsetzung wird von der Justizverwaltung eine Unterscheidung darin gemacht, ob für sie selbst, die Justizverwaltung, gearbeitet wird oder nicht. Ist ersteres der Fall, so werden 40 Pfennig für ungelernte, 60 Pfennig für gelernte Arbeiter berechnet. Soweit es sich um Arbeiten handelt, die über diesen Rahmen hinausgehen, wird sehr viel mehr gefordert, und zwar, wie einer der Herren Vor⸗ redner bereits bemerkte, so viel, als man billigerweise erreichen kann; das scheint auch durchaus den Verhältnissen angemessen zu sein.

Nach 6 ¼ Uhr wird die Fortsetzung der Beratung au Donnerstag 1 Uhr vertaggtt.

(Abg. Hammer: Sehr richtig!) Auf diese Weise glaube ich, daß die

Justizverwaltung es erreichen kann, angemessene Arbeit zu finden, und die Arbeiter angemessen zu beschäftigen.

Es ist ja betont worden, daß durch die Arbeit in den Gefangen⸗ anstalten die freien Arbeiter sehr geschädigt würden. Deshalb wird der Grundsatz festgehalten, daß, wenn irgend möglich, nur für den Staat gearbeitet werden soll, und daß nur da, wo dies nicht möglich ist, auch Gefangenenarbeit für einen Unternehmer geleistet werden kann. Aber ich möchte auch hervorheben, daß selbst da, wo es sich um Arbeitsfälle handelt, die für den Staat gemacht werden, Ausnahmen zu machen sind, wo es der Billigkeit entspricht. Da, wo Handwerker von langer Zeit her auf derartige Arbeiten hin ihr Geschäft errichtet hatten, sind ihnen die Arbeiten gelassen worden, die sie bisher gehabt haben, die sie bisher gemacht hatten, obgleich es Staatsarbeiten sind. Das ist aus Billigkeitsgründen geschehen.

Dann ist wiederholt auf die neu eingerichteten Beiräte hin⸗ gewiesen worden. In den meisten Provinzen sind sie eingeführt; ich glaube, nur in 4 sind sie bisher noch nicht errichtet. Es haben auch schon wiederholt Zusammenkünfte mit ihnen stattgefunden, und sie haben einzelne Anstalten eingehend besichtigt. Es ist mir angenehm gewesen, zu hören, daß diese Beiräte sich im großen und ganzen durch⸗ weg in jeder Hinsicht befriedigt ausgesprochen haben über das, was sie gesehen hatten, und daß sie in den meisten Fällen wesentliche Anregun⸗ gen zu geben, sich gar nicht in der Lage sahen. (Abg. Hammer: Hört, hört!) Dagegen ist hier und da allerdings auch von ihnen auf einzelne Einrichtungen aufmerksam gemacht worden, die verbessert werden könn⸗ ten, und da ist sofort ihren Anregungen entsprechend vorgegangen wor⸗ den, sodaß diese Besprechungen durchaus harmonisch und befriedigend ausgefallen sind. (Bravo!) Ich glaube, daß das auch ein Beweis dafür ist, daß die Verwaltung bei der Art und Weise der Gefangenen⸗ beschäftigung im ganzen auf dem richtigen Wege ist.

Nun ist noch vielfach von einer Denkschrift gesprochen worden, die erwünscht sei. Es ist ja richtig, daß sehr vieles, was in dieser Denkschrift stehen könnte, auch schon in den jetzigen Publika⸗ tionen enthalten ist. Ich gebe aber zu, daß es eine gewisse Schwierig⸗ keit hat, ein Gesamtbild zu finden, wenn man diese Statistiken für die beiden Verwaltungen nebeneinanderhält. Denn die beiden Ver⸗ waltungen arbeiten nach verschiedenen Methoden, und so erscheinen denn auch die Ergebnisse anders, je nachdem man diese oder jene Methode zugrunde legt. Will man also dieser Frage näher treten, ob eine Statistik im weitesten Sinne angezeigt sei, so wird es notwendig sein, daß die beiden Ressorts des Innern und der Justiz sich darüber vereinigen, nach welchen gemeinsamen Grundsätzen sie ihre Statistik oder die Denkschrift aufstellen wollen. Dann erst wird sich übersehen lassen, wie das Ganze wirkt, und ob hier und da bei den einzelnen Ressorts vielleicht Einrichtungen getroffen sind, die besser nach der anderen Methode getroffen werden möchten. Ob eine Denkschrift auf gemeinschaftlicher Grundlage und nach denselben Grundsätzen aus⸗ gearbeitet werden kann, ist eine Frage, über die ich nicht allein ent⸗ scheiden kann, indessen, da der Wunsch besteht, und ich ihm eine Be⸗ rechtigung nicht abspreche, so gedenke ich mit dem Herrn Minister des Innern in Verbindung zu treten. Die Arbeit wird ziemlich groß sein; aber wenn sie von Bedeutung ist, muß sie natürlich gemach rden (Bravo!)

dem

Abg. Wenke sfortschr. Volksp.): Die Konkurrenz, die 2 durch die Gefängnisarbeit bereitet wird, muß möglichst be⸗ eitigt werden. Unser Antrag bezweckt, etwas über die Art der Be⸗ schäftigung der Gefangenen zu wir wollen auch wissen, wie viele der Gefangenen bei den einzelnen Arbeitszweigen beschäftig werden. Die Klagen über die Gefängnisarbeit sind zwar zurück⸗ gegangen; aber immerhin sind uns doch noch genug zu Ohren ge⸗ kommen. Durch die Gefängnispreise müssen die Preise der Hand⸗ werker heruntergedrückt werden. Deshalb müssen die Preise für die. Gefängnisarbeit erhöht werden, damit eine zu große Schädigung der freien Arbeiter vermieden wird. Wir halten die Denkschrift auch für unbedingt notwendig, damit wir Bescheid wissen, nach welchen Grun sätzen bei der Gefängnisarbeit verfahren wird. Eine erhebliche Ein⸗ schränkung der Gefängnisarbeit muß dann stattfinden, wenn sie eine Konkurrenz bedeutet. Eine Beschäftigung der Gefangenen halten w allerdings auch für notwendig, da eine Nichtbeschäftigung geradezu eine Grausamkeit wäre.

„Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): An eine Einschränkung der Ge⸗ fängnisarbeit kann kein Mensch denken, es handelt sich nur darum, in angemessener Weise die Gefangenen zu beschäftigen und dabei die Interessen des freien Gewerbestandes, der Handwerker und auch der Arbeiter zu berücksichtigen. Auch die Arbeiter wollen nicht, daß ihnen in den Gefängnissen eine Schleuderkonkurrenz gemecht wird. Bei dem heutigen Stande der Technik kann die Fehesnisarcber allerdings nicht von dem Maschinenbetrieb absehen, dieser ist sogar notwendig, damit die ins Leben wieder hinaustretenden Gefangenen genügend die freie Arbeit vorbereitet sind. Die Löhne in den Gefängnissen müssen erhöht werden; der vorliegende Etat beweist, daß dies möglich ist. Es kommt nur 1 an, die Arbeit zweckmäßig nach den Eigenschaften der einzelnen Gefangenen zu verteilen, dann wird in⸗ tensiver gearbeitet werden können, und die Arbeiter werden die Arbeit lieber machen. Es heißt, die Gefängnisarbeit soll möglichst nur die Staatsbetriebe geleistet werden; dieses Aushilfsmitel besagt gar nichts, denn die Arbeit für die Staatsbetriebe muß auf jeden Fall gemacht werden, wenn nicht durch die Gefängnisse, dann durch die freien Gewerbe. Also auch in dieser Weise wird den freien Ge⸗ werben durch die Gefängnisarbeit Konkurrenz gemacht. Die Kosten des Staates für die Strafvollstreckung sind zwar höher als der Wert der Gefängnisarbeit, aber dennoch ist es ungerecht, den Gefangenen von ihrem Verdienst noch Spesen über die Betriebsauslagen der Gefängnisarbeit hinaus abzuziehen. Wenn die Gefangenen entlassen werden, brauchen sie einen finanziellen Rückhalt, damit sie nicht wieder dem Verbrechen anheimfallen. Dann kommt auch die Lage der Familien der Strafgefangenen in Betracht, denn sie sind im Grunde am schwersten gestraft. Diese Fürsorge darf man nicht den Wohl⸗ tätigkeitsvereinen überlassen. Die Strafvollstreckung soll nicht dazu führen, den unsozialen Charakter der Sträflinge zu verewigen und darüber auch noch die Familienangehörigen auf die Bahn des Ver⸗ brechens zu drängen. Wir werden dem Antrag der fortschrittlichen Volkspartei zustimmen. Die Besprechung wird geschlossen, die Etatspositionen werden bewilligt, und der Antrag der fortschrittlichen Volks partei wird angenommen.

Bei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel „Ministergehalt“ bemerkt 8 „Abg. Itschert (Zentr.): Wir haben alte Wünsche, deren Er⸗ füllung allein eine gute Rechtspflege gewährleisten kann. Das ist vor allem eine möglichst vollkommene Aus⸗ und Vorbildung aller zur Rechtspflege berufenen Personen und ihre möglichst unabhängige Stel⸗ lung. Manches Gute ist inbezug auf die theoretische und praktische Ausbildung in den letzten Jahren geschehen. Auch die jüngste Ver fügung des Justizministers vom 24. Januar d. J. ist zu begrüßen. Das Ergebnis der großen Staatsprüfung im allgemeinen hat sich im Jahre 1912 erheblich verschlechtert. Während im Jahre 1908 noch 82 %, im Jahre 1909 83,6 %, im Jahre 1910 sogar 83,8 % und im Jahre 1911 78,4 % bestanden haben, haben im Jahre 1912 nur noch

75,2 95 die große Staatsprüfung bestanden. Das liegt zum Teil an.