1914 / 39 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

die Behandlung der Entwürfe für neue Eisenbahnen sowie für die Umgestaltung und die

Ergänzung von Staatseisenbahnanlagen.

1) Bei Aufstellung der Entwürfe für neue Eisenbahnen owie für die Umgestaltung und die Ergänzung von Staats⸗ eisenbahnanlagen ist es die Aufgabe der Eisenbahnverwaltung, nicht nur den Anforderungen des Eisenbahnbetriebes und des Eisenbahnverkehrs zu genügen, sondern unter Abwägung aller Verhältnisse gleichermaßen auch den sonstigen Inter⸗ essen, in deren Gebiet die neuen Anlagen eingreifen, in dem Sinne gerecht zu werden, daß Schädigungen von den Interessenten des öffentlichen oder privaten Rechts abzu⸗ halten sind, soweit dies technisch angängig und wirtschaftlich vertretbar ist, und zwar auch dann, wenn solchen Beteiligten nach dem bestehenden Recht ein zivilrechtlicher Entschädigungs⸗

anspruch nicht zur Seite steht. Bei Abwägung der hiernach zu berücksichtigenden Umstände sind nicht lediglich die zur Zeit der Entwurfsaufstellung bereits vorhandenen örtlichen Verhält⸗ nisse in Betracht zu ziehen, sondern es darf auch die Weiter⸗ entwicklung nicht unberücksichtigt bleiben, die in der nächsten Zukunft zu erwarten ist. Voraussetzung ist hierbei, daß bereits feste Tatsachen vorliegen, durch die eine bestimmte Weiter⸗ entwicklung sichergestellt ist.

2) Ich habe Anlaß, auf die obigen bisher schon maß⸗ gebenden Grundsätze hier im Zusammenhang hinzuweisen, da sie in einzelnen Fällen bei der Aufstellung von Entwürfen nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Diese Grundsätze ent⸗ sprechen dem Sinne des Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838. Die in dessen § 4 mir zugewiesene Aufgabe der Fest⸗ stellung der Entwürfe zu Eisenbahnanlagen ist von mir in meiner Eigenschaft als Staatsminister gegebenenfalls im Einvernehmen mit den übrigen beteiligten Ministern im Interesse einer Pflege der allgemeinen Wohlfahrt und da⸗ mit des gesamten Staatswohls durchzuführen. Ich wünsche, daß sich alle mit der Aufstellung und Vertretung von Ent⸗ würfen betrauten Beamten von diesen Gedanken durchdringen lassen und bei den Verhandlungen mit den Beteiligten diese über die Gesichtspunkte aufklären, von denen die Verwaltung ausgeht.

3) Zur Gewinnung von Unterlagen für die Gestaltung des Bauentwurfs hat rechtzeitig ein Benehmen mit den be⸗ teiligten Behörden, Gemeinde⸗, Kreis⸗ ꝛc. Verwaltungen und ggeeignetenfalls auch mit privaten Beteiligten stattzufinden. Dies gilt namentlich auch für die Interessen der Forst⸗ und Domänenverwaltung, für etwaige im Gange befindliche Zusammen⸗ legungs⸗ oder Aufteilungsverfahren, gegebenenfalls auch für die Interessen des Ansiedlungswerks und für die Interessen der Moorkultur, endlich für die bergbaulichen, militärischen und poostalischen Interessen und für die Interessen an der Er⸗ haltung von Natur⸗ und Kunstdenkmälern (zu vergl. zu dem Vorstehenden Ziffer 1 der über allgemeine Vor⸗ arbeiten für Eisenbahnen, Ausgabe 1911). Weiter kommen die allgemeinen land⸗, forst⸗ und wasserwirtschaftlichen Inter⸗ essen, die Interessen des Wasser⸗ und Straßenbaues und der städtebaulichen Entwicklung in Betracht. Die Wege⸗ und Vor⸗ flutverhältnisse, die bei der landespolizeilichen Prüfung vielfach Veranlassung zu eingehenden Verhandlungen bieten aber keineswegs den einzigen Gegenstand dieses Verfahrens zu bilden haben —, sind bei Sammlung der Unterlagen für die Alufstellung der Entwürfe sorgfältig zu untersuchen und es haben sich die damit betrauten Beamten über die Ver⸗ hältnisse auf Grund der Oertlichkeit und geeignetenfalls auch durch Benehmen mit den zuständigen Stellen sowie mit Privaten zu unterrichten. Dies gilt auch für die Aufklärung über die oft schwierigen landwirtschaftlichen Wegeverhältnisse, insbesondere über die Art, wie die Felder in einem Gemeinde⸗ bbezirk verteilt sind und von den Besitzern befahren werden. Auch im übrigen ist mit Rücksicht auf die unter Ziffer 1 hervorgehobenen allgemeinen Gesichts⸗ punkte auf eine Ermittlung der berührten privaten Interessen Bedacht zu nehmen. Handelt es sich um die Neu⸗ herstellung oder die Erweiterung von Verkehrsanlagen, so ist die Art, der Umfang und die zweckmäßige Abwicklung des Verkehrs zu ermitteln; hierfür Material an die Hand zu geben, werden vielfach die Handelskammern in der Lage sein. Wegen Berücksichtigung der deichpolizeilichen Interessen bei der Plan⸗ gestaltung verweise ich auf die besonderen Bestimmungen des Erlasses vom 16. Juni 1902 M. d. ö. A. IV. A. 2957 III b 4738 M. f. L. I. C. 4411 (E. V. Bl. S. 307; W. Bl. f. d. i V. S. 138).

Im Stadium aller dieser Ermittlungen können irgend welche Verpflichtungen gegenüber den Interessenten nicht über⸗ nommen werden. Die Sammlung des bezeichneten Materials kommt bei größeren Entwürfen regelmäßig erst dann in Frage, wenn auf Grund des Nachweises, daß die Weiterverfolgung eines Vorschlags wegen Neubau, Umgestaltung oder Er⸗ gänzung von Bahnanlagen geboten erscheint, der Eintritt in förmliche Entwurfsarbeiten von mir genehmigt ist. Ob und inwieweit schon zur Vorbereitung meiner Entscheidung wegen des Eintritts in förmliche Entwurfsarbeiten und zwar unter der Hand eine allgemeine Fühlungnahme mit Behörden, Gemeindeverwaltungen ꝛc. angängig und angezeigt ist, muß dem verständigen Ermessen im einzelnen Fall überlassen bleiben.

4) Werden in der gekennzeichneten Weise die Verhältnisse rechtzeitg aufgeklärt, so können nach Ab⸗ schluß der Bemirsarbeilen Ueberraschungen im nach⸗ folgenden förmlichen Prüfungsverfahren nur noch in seltenen Fällen vorkommen. Es ist aber zweckmäßig und erwünscht, daß die den Entwurf aufstellende Behörde sich nicht nur im Sinne der Anordnungen unter Ziffer 3 über alle Verhältnisse rechtzeitig unterrichtet, sondern daß sie sich, sobald die landespolizeiliche Prüfung von mir an⸗ geordnet ist, in wichtigeren Fällen, soweit irgend an⸗ gängig, schon vor dem Eintritt in förmliche Plan⸗ prüfungsverhandlungen mit den beteiligten Behörden, Staats⸗ und Gemeindeverwaltungen verständigt. In dieser Hin⸗

sicht verweise ich auf den Erlaß vom 20. Juli 1906 IV. D. 13 496 (E. V. Bl. S. 470; M. Bl. f. d. i. V. S. 239), worin den Königlichen Eisenbahndirektionen empfohlen wird, wichtigere Entwürfe, welche in die von anderen Behörden, namentlich den Landespolizeibehörden, wahrzunehmenden Interessen wesent⸗ lich eingreifen, diesen Behörden tunlichst schon vor der landes⸗ polizeilichen Prüfung mitzuteilen, damit rechtzeitig eine Ver⸗ ständi ung herbeigeführt werden kann.

eber das landespolizeiliche Prüfungsverfahren selbst er⸗

geht hierneben ein besonderer Erlaß.

eingenommenheit zu prüfen. Für eine Aufklärung der Beteiligten über die Sach⸗ und Rechtslage ist zu sorgen. Insbesondere ist, wenn geäußerte Wünsche nicht zu er⸗ füllen waren und ein privatrechtlicher Entschädigungsanspruch nicht vorliegt, die irreführende Verweisung auf ein Ent⸗ schädigungsverfahren zu vermeiden. Für die Behandlung be⸗ sonderer Fälle, in denen bei Veränderung von Wegeverhältnissen das Fehlen eines Entschädigungsanspruchs zu besonderen Härten führt, verweise ich auf meinen Erlaß an die Königlichen Eisen⸗ bahndirektionen vom 23. B. Snber 1910 V. D. 9913 —. 6) Soweit es sich bei Pestellten Anträgen um solche An⸗ lagen handelt, deren Kostendeckung nach den obigen Grundsätzen der Eisenbahnverwaltung nicht zuzumuten ist, muß den Be⸗ teikigten die Aufbringung der Kosten oder Mehrkosten überlassen bleiben. Es ist aber in solchen Fällen für die mir zu machenden Vorschläge stets sorgfältig die Gesamtheit der be⸗ teiligten Interessen und das etwa mitbeteiligte Interesse der Eisenbahnverwaltung zu prüfen. Bei dieser Gelegenheit mache ich darauf aufmerksam, daß in einzelnen zu meiner Kenntnis gekommenen Fällen die in dem Erlaß vorn 7. Dezember 1887 II b (a) 18 025 über die Anlage der Bahnhofzufuhr⸗ wege gegebenen Weisungen zu eng aufgefaßt worden sind. An den bestehenden Grundsätzen, wonach in bezug auf Entrourfsgestaltung und Beitragsfragen von den Eisenbahn⸗ direktrꝛonen usw. Erklärungen, die der Anerkennung besonderer Ansprüche oder der Bemessung der Beiträge der Interessenten vorgreifen würden, nur mit meiner Ermächtigung abgegeben werden dürfen, wird nichts geändert. 7) Die Grunderwerbsverhandlungen und die damit in Zusammenhang stehenden landmesserischen Arbeiten sind recht⸗ zeitig vorzubereiten und mit Beschleunigung zu betreiben. Die Verhandlungen beim freihändigen Erwerb sind tunlichst münd⸗ lich geeignetenfalls unter Verwendung erfahrener Grund⸗ erwerbsbeamter ꝛc. zu führen, damit etwaige Mißverständ⸗ nisse auch hinsichtlich der Pläne sofort aufgeklärt werden können. Die in diesem Verfahren häufig vorkommenden An⸗ träge auf Veränderung von Feldwegen usw. und sonstige Entwurfs⸗ änderungen sind den mit der Planbearbeitung betrauten Beamten alsbald zur Kenntnis zu bringen. Die Auszahlung fälliger Kaufgelder ist auf jede Weise zu beschleunigen. Sofern die endgültige Abwicklung noch nicht erfolgen kann, sind, soweit tunlich, Abschlagszahlungen zu leisten. Jedenfalls müssen die Grundbesitzer baldigst in den Besitz etwaiger Aufwuchs⸗ entschädigungen kommen, deren bare Auszahlung sich vielfach schon im Termin zu ihrer Feststellung ermöglichen lassen wird. Die Grundbesitzer, mit denen eine Einigung über den Geländepreis erfolgt ist, deren Grundstücke aber noch mit dinglichen Lasten beschwert sind, sind bei der Ein⸗ holung der Freigabe⸗ ꝛc. Erklärungen der Berechtigten in weitem Maße zu unterstützen. Darauf, daß solche Grundbesitzer, die Bauerlaubnis erteilt haben, nicht zu Schaden kommen, ist besonders Bedacht zu nehmen. 8 Berlin, den 7. Februar 1914. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. von Breitenbach.

königlichen Eisenbahndirektionen, zur Kenntnis an die Herren Regierungspräsidenten und an den Herrn Polizeipräsidenten Berlin.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Dem Privatdozenten in der philosophischen Fakultät der riedrich Wilhelms⸗Universität in Berlin Dr. Hans von Staff ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

8

Bekanntmachung.

82

Die im Jahre 1914 in Berlin abzuhaltende Prüfun für Direktoren und Direktorinnen an Taubstummen⸗ anstalten wird am Montag, den 14. September, Nach⸗ mittags um 3 Uhr, beginnen. Meldungen zu der Prüfung sind an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten zu richten und bis zum 1. April d. J. bei demjenigen Königlichen Provinzialschulkollegium bezw. bei derjenigen Königlichen Re⸗ gierung, in deren Aufsichtsbezirk der Bewerber im Taubstummen⸗ oder Schuldienst beschäftigt ist, unter Einreichung der im § 5 der Prüfungsordnung vom 20. Dezember 1911 bezeichneten Schriftstücke anzubringen. Bewerber, die nicht an einer preußischen Anstalt tätig sind, können ihre Meldung bei Führung des Nachweises, daß solche mit Zustimmung ihrer Vorgesetzten bezw. ihrer Landesbehörde erfolgt, unmittelbar an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten richten. 89 XX“

““

Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten.

I8. Weedon hgin. 8

1““

Nichtamtliches.

8

Preußen. Berlin, 14. Februar 19141.

Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Leopold, Friedrich Heinrich, Joachim Albrecht und Fechserrc Wilhelm von Preußen haben mit Aller⸗

öchster Genehmigung Seiner Maäjestät des Kaisers und Königs dem Pächter des Königlich Prinzlichen Familien⸗ fideikommißgutes Prinzenau, Oberamtmann Reinhold Schulz den Charakter als Amtsrat zu verleihen geruht

„Das Königliche Staatsministerium tra einer Sitzung zusammen.

EBVI

1 heute zu

8

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Rechnungs⸗ wesen, für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für

ustizwesen sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen ielten heute Sitzungen.

8

5) Faage. die im Vorbereitungsverfahren oder bei der landespolizeili hen Prüfung gestellt werden, sind ohne Vor⸗

Nach einer im Reichsversicherungsamt gefertigten Zu⸗ sammenstellung sind von den 31 Landesversicherungsanstalten und den 10 vorhandenen Sonderanstalten bis einschließlich 31. Dezember 1913 2 239 933 Invalidenrenten, 150 610 Krankenrenten, 528 599 Altersrenten, 12 285 Witwen⸗ und Witwerrenten, 413 Witwenkrankenrenten, 39 881 Waisenrenten (Rente an Waisenstämme) und 6 Zusatzrenten bewilligt worden.

Davon sind in dem letzten Kalendervierteljahr 32 670 Invalidenrenten, 3160 Krankenrenten, 2997 Alters⸗ renten, 2155 Witwen⸗ und Witwerrenten, 110 Witwenkranken⸗ renten, 6149 Waisenrenten (Renten an Waisenstämme) und 3 Zusatzrenten festgesetzt worden.

Infolge Todes oder aus anderen Gründen sind bereits 1 241 594 Invalidenrenten, 134 055 Krankenrenten, 441 338 Altersrenten, 542 Witwen⸗ und Witwerrenten, 90 Witwen⸗ krankenrenten, 2107 Waisenrenten (Renten an Waisenstämme) und 2 Zusatzrenten weggefallen, sodaß am 1. Januar 1914 noch 998 339 Invalidenrenten, 16 555 Krankenrenten, 87 261 Altersrenten, 11 743 Witwen⸗ und Witwerrenten, 323 Witwenkrankenrenten, 37 774 Waisenrenten (Renten an Waisenstämme) und 4 Zusatzrenten liefen. Bis einschließlich 31. Dezember 1913 ist Witwengeld in 12 200 Fällen (davon kommen 2146 auf das letzte Vierteljahr) und Waisen⸗ aussteuer in 568 Fällen (davon kommen 178 auf das letzte Vierteljahr) bewilligt worden. v

am 12. Februar in Manila eingetroffen.

Bayern.

1“

die Staatsregierung den Entwurf eines Gesetzes vor, nach dem zu der Erbschaftssteuer, die nach den Vorschriften des Reichserbschaftssteuergesetzes veranlagt wird, laut Meldung des „W. T. B.“ ein Fuschlag von 25 Proz. für die Staatskasse erhoben werden soll. Es wird dabei auf die gleiche Maßnahme in Baden hingewiesen. Die Vorlage, die mit einer Einnahme von etwa 1,7 Millionen Mark rechnet, wird begründet mit der erheblichen Steigerung des Staatsaufwandes, der Ver⸗ minderung des Anteils der Bundesstaaten an der Erbschafts⸗ steuer von einem Viertel auf ein Fünftel und dem ganz empfind⸗ lichen Rückgang einzelner Staatsgefälle. Der Finanzminister von Breunig stellte ein ausführliches Exposé für später in Aussicht und gab für heute einen summarischen Ueberblick über die Finanzlage des Staates. 1

Die Abgleichung des Gesamtetats, erklärte er, stellte sich schon nach den Rechnungsergebnissen vom Jahre 1913 als außerordentlich schwierig dar. Wenn auch kein großer Ueberschuß erhofft wurde, so hat man doch nicht mit so wesentlichen Ausfallen gerechnet, wie sie jetzt vorliegen. Es ergeben sich an Mindereinnahmen bei der Erb⸗ schaftssteuer 3,6, bei den direkten und indirekten Steuern 3,8 und bei der Post⸗ und Telegraphenverwaltung 1,5, insgesamt 8,9 Millionen Mark; an Mehrausgaben für Pensionen 3 Millionen, für Justiz⸗ und Innere Verwaltung 600 000 und für die Staats⸗ schuldentilgung 500 000, insgesamt 41 Millionen Mark Aus der letzten Finanzperiode ergibt sich ein Defizit von rund 2 Millionen; auch für das kommende Rechnungsjahr muß mit einem Ausfall von 1,5 Millionen Mark bei dem Malzaufschlag gerechnet werden. Eine notwendige Umarbeitung der Etats für Eisenbahn und Post wird gleichfalls niedrigere Einnahmen aufweisen. Erfreulich ist einzig und allein der Ueberschuß von 600 000 bei den Forsten, Jagden und Triften. Zu einem Hinaufsetzen der Einnahmeziffern ist im übrigen kein Anlaß gegeben. Eine Erhöhung der Ueberweisungen des Reiches kann angenommen werden, die Ziffer selbst ist aber nicht an⸗ nähernd zu bestimmen. Am allerwenigsten lassen die direkten Steuern ein besseres Ergebnis erhoffen. Schon die jetzt beratenen Staatsetats haben eine Mehrausgabe von 800 000 im Vergleich zu den An⸗ sätzen der Regierung gebracht und weitere Ueberschreitungen stehen sicher bevor. Nach alledem sind die Vorlagen der Staatsregierung, die sich auf die Erbschaftssteuer, die Grundwertzuwachssteuer und die des Gebührengesetzes beztehen werden, durchaus gerecht⸗ ertigt.

Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde eine außer⸗ ordentliche Forderung von 17 Millionen Mark zur Be⸗ schaffung von Güterwagen als unabweisbar genehmigt.

Der Referent Dr. Pichler hatte diese Forderung als eine Folge der Güterwagengemeinschaft bezeichnet und erklärt, daß dieser Anfall weit über den eigentlichen Bedarf Bayerns hinausgehe und ein Warnungssignal sei vor der oft gewünschten Betriebsgemeinschaft mit Preußen. Der Staatsrat von Endres entkräftete diesen Einwand mit dem Hinweis darauf, daß Preußen heute 80 %. Bayern aber nur vas Anteil T habe, abgesehen davon, daß auch in

a

Oesterreich⸗Ungarn. 1 Der Prinz Wilhelm zu Wied hat gestern nachmittag, wie die „Neue Freie Presse“ meldet, dem türkischen Botschafter Hilmi Pascha einen Besuch abgestattet und mit ihm eine längere Unterredung gehabt. Hilmi Pascha konnte dem Prinzen die Versicherung geben, daß die türkische Regierung haig Mission durch den Einfluß des Kalifats wesentlich unter⸗ tützen werde. Später wurde der Prinz vom Kaiser Franz Joseph in Schönbrunn in Audienz empfangen. Im Anschluß an die Audienz fand beim Kaiser Hoftafel statt, zu der der Prinz zu Wied mit dem Kapitän Armstrong und dem Obersten Mietzl, der deutsche Botschafter von Tschirschky und Bögendorff, der Minister des Aeußern Graf Berchtold, der Fürst Montenuovo, die obersten Hofchargen, die General adjutanten, der Kriegsminister von Krobatin, der Minister präsident Graf Stürgkh, der ungarische Minister a latere von Burian, der künftige österreichisch⸗ungarische Gesandte in Albanien Legationsrat Freiherr von Löwenthal, der Vizekonsul Buchberge und der Hofstaat erschienen waren.

Großbritannien und Irland.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, sind in der Frag der Bagdadbahn die ehohüret zwischen Deutschlan und England geregelt, ebenso die Frankreichs Interessen b. rührenden Hauptfragen. Es bleiben nur noch Einzelheiten zu

regeln. Frankreich. Die Deputiertenkammer verhandelte gestern über die Interpellationen, betreffkend den Gesundheitszustand der

Truppen im Osten. . Nach dem Bericht des „W. T. B.“ suchte Dr. Lachaud an der

neuen Nengtähegebe. stets bei der Armee Epidemien u“

seien, namentlich bei den Soldaten des ersten Jahrgangs

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Planet“

In der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses legte

Hand statistischen Materials nachzuweisen, daß nach der Einführung eines der griechischen Regierun

erinnerte daran, daß im Januar die Masern in 76 Garnisonen geherrscht hätten, besonders in Epinal, Nancy, St. Dis, das Scharlachfieber in 60 Garnisonen, daß an den Masern 31, am Scharlachfieber 34, an der Genickstarre 20 und an anderen Krankheiten auch noch eine Anzahl Soldaten gestorben seien. Lachaud bemängelte die Bauart der niemals gelüfteten, nie gereinigten und stets bewohnten Kasernen und beklagte die Ungewißbheit, in der man sich betreffs des Zustands in den neuen Kasernen befände. Er kritisierte weiter gewisse Hospitäler und Lazarette. Laut der vom Redner ongeführten Statistik zählte man im Januar bei einem Mann⸗ schaftsbestande von 717 415 Mann 194 052 Revierkranke, 44 192 Lazarettkranke, 21 570 Hospitalkranke, weiter 280 Todesfälle und 1489 zeitweilig wegen Dienstuntauglichkeit Entlassene. Als Lachaud fortfuhr, unterbrach ihn der Sozialist Kouanet durch Zwischenrufe, indem er dem früheren Kriegsminister Etienne vorwarf, er sei für den gegenwärtigen Zustand der Dinge verantwortlich. In heftiger Erwiderung nahm Etienne die Verantwortlichkeit dafür voll auf sich. Rouanet und nach ihm Albert Thomas machten Etienne den Vorwurf, er habe den Ab⸗ änderungsantrag zu den Millitärgesetzen angenommen, durch den auf einmal 45 000 Mann mehr eingestellt worden seien. Er hätte erklären müssen, daß es unmöglich sei, sie alle unterzubringen. Die äußerste Linke beteiligte sich leb⸗ haft an den Zwischenrufen gegen Etienne, sodaß der Präsident energisch einschreiten mußte. Lachaud verlangte verschiedene Verbesserungen hinsichtlich des Schuhzeugs, der Bekleidung und der Beköstigung der Soldaten sowie eine Vermehrung der Militärärzte und forderte zum Schluß, die Regierung solle einen Gesetzentwurf betreffend die Aus⸗ besserung der alten Kasernen einbringen. Cochéry, der Vorsitzende der Budgetkommission, verwahrte sich gegen den Vorwurf Lachauds, die Kommission habe einen Teil der notwendigen Kredite verweigert. Der Ministerpräsident Doumergue erklärte, die Regierung habe nicht gezögert, die Maßregeln für die Gesundheit der Soldaten zu ergreifen, die die Lage erforderte. Seit 2 Monaten beschäftige sich die Regierung damit, der zu starken Belegung der Kasernen porzubeugen und die Gebäude gesünder zu gestalten sowie besondere Kohlenvorräte zu ver⸗ teilen und für Bekleidnng und Schuhzeug der Mannschaften zu sorgen. Ueberall, wo Fehler gemacht worden seien, habe die Re⸗ gierung bereits Gegenmaßregeln ergriffen, die sie fortsetzen werde. Die Regierung werde sich jedoch nicht auf Manöver einlassen, die darin beständen, sich der Soldaten zu politischen Zwecken zu be⸗ dienen und die Abstimmung über das Budget hinauszuschieben. Doumergue forderte, die Kammer solle am Montag in der Ab⸗ stimmung über das Budget fortfahren und der Regierung ihr Ver⸗ trauen aussprechen.

„Ein Antrag Reinachs, die Beratung der Interpellation über den Gesundheitszustand der Soldaten am Montag fort⸗ zusetzen, wurde mit 353 gegen 159 Stimmen nach lebhafter Diskussion abgelehnt. Die Besprechung der Interpellation wird am Freitag fortgesetzt; Montag nachmittag findet die Beratung des Marinebudgets statt.

Der Senatsausschuß hat bei der Beratung des Gesetzentwurfs über die Spielbanken, wie „W. T. B.“ meldet, den von der Kammer angenommenen Artikel, wonach in der Umgebung von Paris in einem Umkreise von mindestens 100 km keine Spielbank errichtet werden dürfe, mit 11 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Er hat ferner gegen jenen Artikel ge⸗ stimmt, durch den die Errichtung von Spielkasinos in den Universitätsstädten verboten werden soll, jedoch einen Zusatz⸗ antrag angenommen, daß den Studenten der Zutritt zu den Spielsälen untersagt werde.

Mehrere hervorragende katholische Persönlichkeiten, dar⸗ unter der Oberst des Ruhestandes, Keller, haben beschlossen, im Hinblick auf die bevorstehenden Kammerwahlen eine große katholische Partei zu gründen, die an die Stelle des katholischen Wahlvereins „Action libérale“ treten soll, weil dieser bei seiner Propaganda allzu große Rücksicht auf die republika⸗ nische Verfassung des Landes nehme. Oberst Keller hat sich be⸗ müht, die päpstliche Genehmigung für die von ihm geplante Partei zu erlangen, doch wurde ihm erklärt, daß er nur dann auf eine wirksame Unterstützung des Vatikans rechnen könne, wenn er die einmütige Zustimmung des französischen Episkopats er⸗ halte. Am 28. Februar soll in Paris eine Versammlung stattfinden, in der das Programm der Partei und die Bil⸗ dung eines Wahlfonds erörtert werden sollen. An sämtliche französischen Bischöfe ist eine Einladung zur Teilnahme an dieser Versammlung ergangen. v““

„Das „Svenska Telegrambyran“ ist ermächtigt, mitzu⸗ teilen, daß der Gouverneur Freiherr de Geer dem König er⸗ klärt hat, er habe, nachdem er die Lage geprüft, gefunden, daß die Voraussetzungen, die er für die Bildung eines neuen liberalen Ministeriums für notwendig erachtet hatte, nicht vorhanden sind. Der König hat unmittelbar darauf den Gouverneur Hammarskjöld zu sich rufen lassen und ihm angeboten, das Ministerium zu bilden. Hammarskjöld hat mit Rücksicht auf die Lage, die durch die Weigerung der Linken des Reichstags, an der Bildung eines Ministeriums mitzuwirken, entstanden ist, dem König geraten, sich an die Rechte des Reichstags wegen der Bildung eines Ministeriums zu wenden. Der König hat jedoch den Gouverneur Hammarskjöld ersucht, die Frage von nenem in Erwägung zu ziehen. 1

Türkei.

8 Im Zusammenhang mit der ege ga Mitteilung der Pforte über den Zeitpunkt des Abschlusses der großen An⸗ leihe wird nach einer Meldung des Wiener „K. K. Tele⸗ graphenkorrespondenzbureaus“ von unterrichteter türkischer Seite mitgeteilt, daß Dschawid Bei in Paris erklärt habe, die zu schließenden Uebereinkommen müßten, da sie dem türkischen Parlament, das Mitte März zusammentrete, unterbreitet werden müßten, bis zu diesem Zeitpunkt geschlossen sein. Die franzö⸗ sische habe die Nichtigkeit dieser Erklärung eingesehen und zugesagt, daß sämtliche Uebereinkommen vor dem 15. —. unterzeichnet werden würden. v

Griechenland. „Die Gesandten der Großmächte haben gestern der griechi⸗ schen Regierung die gemeinsame Note über die Aegäischen Inseln und die Grenze Südalbaniens In der Note heißt es der „Agence d'Athéenes“ zufolge:

Die sechs Großmächte beschließen, Griechenland die von ihm besetzten Inseln mit Ausnahme von Tenedos, Imbros und Castello⸗ rizo zu überlassen. Von der griechischen Regierung wurden genügende Bürgschaften für die Nichtverwendung der Inseln zu Flotten⸗ und milttärischen Zwecken sowie für die muselmanischen Minderheiten verlangt. Die Zuweisung der Inseln an Griechenland wird erst dann endgültig sein, wenn die griechischen Truppen das Albanien zu⸗ gewiesene Gebiet geräumt haben. Die griechische Regierung wird aufgefordert, keinen Widerstand zu leisten und weder direkt noch indirekt den Widerstand der Epiroten zu ermutigen. Die Räumung wird mit Koritza beginnen und bis zum 31. März beendet sein müssen. Die Mächte hegen das Vertrauen, daß ihre Beschlüsse von

ektiert werden

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Serbien.

Der Kronprinz von Griechenland ist gestern abend in Belgrad eingetroffen und auf dem Bahnhof von dem General⸗ adjutanten des Königs, den Mitgliedern der Regierung, den Ministerpräsidenten Paschitsch und Venizelos, dem Bürger⸗ meister von Belgrad, höheren Offizieren, dem griechischen Ge⸗ sandten und dem Personal der Gesandtschaft empfangen worden. Heute vormittag wurde der Kronprinz vom König empfangen.

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Der König und die Königin haben der „Agence Bulgare“ zufolge eine Reise nach Amerika in Aussicht ge⸗ nommen, da der König bereits seit Jahren erkannt hat, welchen großen Nutzen eine persönliche Fühlungnahme mit der großen Nation der Vereinigten Staaten von Nordamerika für Bulgarien hätte. Auf der Reise wird der König von hervorragenden

bulgarischen Persönlichkeiten aus Kreisen der Wissenschaft, des Handels und des Ackerbaues begleitet sein. 1“

8

Amerika. 6

Der amerikanische Staatssekretär Bryan und der schweize⸗ rische Gesandte Dr. Ritter haben nach einer Meldung des „W. T. B.“ einen Vertrag unterzeichnet, durch den die Ver⸗ einigten Staaten und die Schweiz sich für ein Jahr ver⸗ pflichten, alle Streitfragen, die auf diplomatischem Wege nicht geregelt werden können, einem Schiedsgericht zu unterbreiten.

Der amerikanische Senat hat eine Bill an⸗ genommen, durch die die Stellen für sechs Vizeadmirale neu geschaffen werden. Die Forderung war damit be⸗ gründet worden, daß, da die Vereinigten Staaten bisher keine Offiziere dieses Grades hatten, es möglich gewesen wäre, daß der britische Befehlshaber in mexikanischen Gewässern im Range höher gewesen wäre, als der amerikanische. Die Bill geht nun dem Repräsentantenhause zu.

Wie „W. T. B.“ aus Montevideo meldet, ist der Minister des Aeußern Barbarourx zurückgetreten. Der Unterrichtsminister hat sein Portefeuille einstweilen über⸗

nommen. Asien.

Wie das „Reutersche Bureau“ aus Peking erfährt, ver⸗ fügt das Konsortium der fünf Mächte gegenwärtig über ge⸗ nügende Mittel aus der Salzsteuer, um die Zinsen der Anleihe für 1914 zu decken.

Afrika.

1 südafrikanischen Abgeordnetenhause ergriff gestern der Premierminister Botha während der Debatte über die Indemnitätsbill das Wort und verteidigte die Haltung de Regierung während der Ausschreitungen im Juli und Januar.

Wie „W. T. B.“ meldet, bezeichnete Botha den Ausbruch der Unruhen im Juli als einen Krieg gegen Frauen und Kinder und als einen mörderischen Angriff auf die Volksfreiheit. Johannesburg habe sich am 5. Juli in einem Zustande der Revolution befunden. Er habe viele Kriegstragödien gesehen, doch sei die Lage in Johannesburg an jenem Tage das schrecklichste gewesen, was ihm jemals vor Augen gekommen sei. Wenn die Regierung nicht mit den Streikenden ein Uebereinkommen getroffen hätte, so würden die Folgen entsetzlich gewesen sein, da eine viertel Million Eingeborene sich erhoben und überall Anarchie geherrscht hätte. Tausende von Menschenleben wären verloren gegangen, und ein Schaden von Millionen wäre entstanden. Botha erklärte sodann, er sei fest über⸗ zeugt, daß die Arbeiterführer niemals eine Abstellung der von ihnen etadelten Mißstände, von denen viele gar nicht existierten, gewünscht hätten. Sie seien lediglich geschworene Feinde der Gesellschaft. Botha rechtfertigte sodann das Kriegsrecht mit der Begründung, daß es Blutvergießen verhindert und den gefährlichsten Angriff auf die Nation zunichte gemacht habe.

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Parlamentarische Nachrichten.

DDer Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags

sowie der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses

1 rdneten befinden sich in 8der Ersten und Zweiten eilage.

In der heutigen (214.) Sitzung des Reichskags, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Liseo beiwohnten, wurde zunächst die von den Rechtsanwälten Dr. Cannedt und Dr. Friedländer in Berlin nachgesuchte Genehmigung zur Ein⸗ leitung eines Privatklageverfahrens gegen den Abg. Dr. Paasche wegen Beleidigung gemäß dem Antrage der Geschäftsordnungskommission versagt. Darauf wurde die Spezial⸗ beratung des Etats für das Reichsamt des Innern fortgesetzt.

Die Erörterung bei den Ausgaben für das Aufsichtsamt für Privatversicherung war gestern geschlossen, die Ab⸗ stimmung aber auf heute verschoben worden. In der Ab⸗ stimmung gelangten nunmehr die Resolutionen Dr. Doormann u. Gen., die die Unterstellung der öffentlich⸗rechtlichen Ver⸗ sicherungsunternehmungen, die ihren Betrieb über mehr als einen Bundesstaat oder eine Provinz ausdehnen, unter das Reichsaufsichtsamt verlangen, bezw. wenn dies untunlich ist, den Reichskanzler ersuchen, dafür zu sorgen, daß diese Ver⸗ sicherungsunternehmungen bei ihrer Propaganda die vom Auf⸗ sichtsamt aufgestellten Grundsätze beobachten, gegen die Stimmen der beiden Parteien der Rechten zur Annahme. Die Ausgaben für das Aufsichtsamt wurden bewilligt.

Das Haus wandte sich hierauf zu den einmaligen Aus⸗ gaben im Etat für das Reichsamt des Innern. Bei den Ausgaben zur Förderung der internationalen Bibliographie für soziale Wissenschaften bemerkte der

Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.): Die Unterstützung der inter⸗ nationalen Bibliographie für soziale Wissenschaften ist freudig zu be⸗ grüßen. Der Herausgeber hat die großen Bibliotheken als Mit⸗ arbetter gewonnen. In der Kommission ist angeregt worden, die Summe zu erhöhen, damit seitens des Reichs 400 Exemplare abonniert werden und in die Hände der Mitglieder des Hauses gelangen können. Damit kann man einverstanden sein. Ich will nur hoffen, daß die Mitglieder aus der Lektüre die nötigen Informationen bekommen.

Abg. Dr. Ortmann inl.): Der Leiter der Bibliographie hat noch weitere Wünsche geäußert, da sich herausgestellt hat, daß das Institut bei den jrtzigen unzureichenden Mitteln nicht bestehen kann. Es wäre daher wünschenswert, wenn schon für dieses Jahr aus irgend einem anderen Fonds des Etats weitere Mittel dem Institut zur Verfügung gestellt werden könnten.

Abg. Dr. Dove (Fortschr. Volksp.): Diesem Wunsche kann ich mich nur anschließen. Die Benutzbarkeit des Werkes ist bisher dadurch

erschwert worden, da Autorenverzeichnis damit verbunden ist.

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fung des Typhus

8 1 . 8

Zu den Ausgaben zur Bekämp bemerkte der

Abg. König (Soz.): Bei der schlechten Ernährungsweise eines Teils der Bevölkerung muß diese Massenseuche immer einen guten Boden finden. Das zeigen besonders die Typhusevidemien im Industriebezirk, ganz besonders an der Ruhr. Dort hat sich die Gefahr immer mehr gesteigert. Aber man scheint die amtlichen Publikationen dazu zu benutzen, um die Gefahr zu verheimlichen. Man mutet sogar der Presse zu, über die Schwere der Epidemien keine Mitteilung zu machen. Durch Entgegentreten der Milchpanschereien kann viel geschehen. Hier kann nur ein Reichsmilchgesetz helfen. Der Redner verbreitete sich dann ausführlich über die durch die fortschreitende Industrialisterung herbeigeführte Verseuchung der Flüsse, insbesondere der Ruhr, die durch ihre Verschmutzung eine ständige Gefahr für die Bevölkerung zu werden beginne, da aus ihr nicht weniger als 500 Millionen Kubikmeter Wasser durch Wasserwerke entnommen würden; diese Gefahr habe sich durch die Errichtung der Talsperren noch gesteigert. Die Emscherregu⸗ lierung habe die Epidemien in Dortmund usw. nicht verhindern können. Das Reich sei verpflichtet, hier einzugreifen; die Trink⸗ wasserversorgung müsse der privaten Ausbeutung entzogen werden; das Reich müsse das private bakteriologische Untersuchungsinstitut in Dortmund aus seinen Mitteln unterstützen, damit die Bekämpfung dieser Volksseuche wirksam erfolgen könne.

Direktor im Reichsamt des Innern von Jonquidres: Nach dem Seuchengesetz ist die Typhusbekämpfung Landessache. Die Ver⸗ hältnisse im Ruhrgebiete zu kontrollieren, ist das Reich nicht in der Lage. Die Vorwürfe, die der Vorredner gegen die preußische Regierung wegen mangelnder Beaufsichtigung erhoben hat, habe ich zurückzuweisen; wir werden übrigens der Sache nachgehen und ermitteln, wie es sich mit den aufgestellten Behauptungen verhält.

Für die Herausgabe des Deutschen Handwerks⸗ blattes ist wie im Vorjahr ein Beitrag von 10 000 aus⸗ geworfen.

Abg. Brühne (Soz.): Nicht wir sind es, die das Handwerk ruinleren, sondern es ist das Großkapital und die großkapitalistische Produktionsweise. Wir wissen aus Erfahrung am eigenen Leibe ganz genau, wie schwer der Handwerker es heute hat, sich durchzuschlagen. Die Handwerker leiden auch unter dem Steuerdruck. Sich von den Steuern zu drücken, haben die großkapitalistischen Kreise viel besser verstanden, das sieht man ja aus den jetzt aus Anlaß des Generalvardons bekannt werdenden Tatsachen; diese Kreise haben eine wahre Meisterschaft entwickelt, Staat und Kommunen zu be⸗ mogeln. Kommen wirklich so große Mehrerträge aus dem Wehrbeitrag heraus, dann wird vielleicht auch für das Handwerk etwas abfallen. Für die Position stimmen wir. Das „Handwerksblatt“ muß noch ausgebaut und erweitert werden; dazu mögen die Innungen beitragen, die im letzten Jahre eine Einnahme von 5 Millionen gehabt haben und von denen einige große Millionenvermögen ohne große Aus⸗ gaben zu haben. Die Innungen sind zum Teil noch außerordent⸗ lich rückständig; manche Beschlüsse erinnern direkt ans dunkelste Mittelalter. Da hat die Schuhmacherzwangsinnung beschlossen, jedes Mitglied, das sich eine moderne Maschine anschaffen würde, mit Strafe zu belegen; da ist die Vernunft doch wirklich Unsinn ge⸗ worden! Hier tut Belehrung dringend not. Die Lehrlingsfrage nimmt neuerdings in den Erörterungen der Innungen einen großen Raum ein; das Streben geht dahin, die Lehrzeit zu verlängern, unter dem Vorgeben, daß die Fortbildungsschulen den Lehrlingen zuviel Zeit wegnehmen. Davor muß gewarnt werden; die überlange Lehr⸗ zeit schädigt die Lehrlinge, ebenso aber auch ihre Eltern, die un⸗ geheure Opfer bringen müssen. Die Position wurde bewilligt, ebenso ohne Debatte die neu in den Etat eingestellte einmalige Forderung von 50 000 für Versuche zur weiteren Bekämpfung der Pocken. 1

Verkehrswesen.

Laut amtlicher Meldung wird der Personenverkehr auf der Dampferlinie Enkhuizen Stavoren am 16. d. M. wieder auf⸗ genommen.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonntag, „Der Fliegende Holländer“ wiederholt. Herr Schwarz vom Hof⸗ operntheater in Wien beendet mit der Titelrolle sein Gastspiel, die Senta singt Frau Miekley⸗Kemp, die Mary: Frau von Scheele⸗ Müller, den Daland: Herr Schwegler, den Erik: Herr Kirchhoff, den Steuermann: Herr Philipp. Dirigent ist der Kapellmeister Laugs. Am Montag wird Fidelio“, mit den Damen Leffler Burckard, Engell, den Herren Sommer, Bischoff, Schwegler, Henke, Wiedemann und Philipp in den Hauptrollen, gegeben. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß. ““

Im Königlichen Schauspielhause gehen morgen abend die beiden Lustspiele „Die Neuvermählten“ und „Die zärtlichen Ver⸗ wandten“ in Szene. In den Hauptrollen wirken die Damen Abich, Schönfeld, Heisler, von Mayburg, Ressel und Pategg sowie die Herren Vollmer, Clewing, Patry, Böttcher, Vallentin, Werrack und Tandar mit. Morgen, Mittags 12 Uhr, findet eine Matinee zum Besten des Lettevereins statt, dessen Programm Musik, und Eessce teü sowie eine Aufführung des Einakters „In Zivil’ verspricht. b „Das Deutsche Künstlertheater (Sozietät) bringt als nächste Neuheit Ervin Rosen Charlés Drama aus der Fremdenlegion „Cafard“. Die Erstaufführung ist auf Dienstag, 24. d. M., angesetzt. Von weiteren Neuheiten sind für die nächste Zeit in Aussicht ge⸗ nommen: „Erziehung zur Liebe“ von Hans Kyser, „Glückliche Wahl“ von Nils Kjier und eines der geschichtlichen Dramen von Strindberg.

Die Berliner Liedertafel (Chormeister: Königlicher Musik⸗ direktor Max Wiedemann) veranstaltet vor ihrer am 22. Februar er⸗ folgenden Abreise nach Aegypten am Freitag, den 20. Februar, in der „Neuen Welt’ ein Abschiedskonzert. Vorgetragen werden 11 von den rund 50 Chören, die auf die Programme der in Basel, Kairo, Alexan⸗ drien, Venedig stattfindenden sechs Wohltätigkeitskonzerte gesetzt sind. Zur solistischen Mitwirkung ist Frau Paula Werner⸗Jensen (Alt) gewonnen. Der Eintrittspreis für die durchweg unnummerierten Plätze beträgt 1 ℳ. Da für das dritte Winterkonzert in der Phil⸗ harmonie am 26. März verkäufliche Karten überhaupt nicht verfügbar sind, bietet sich Nichtmitgliedern nur am 20. Februar Gelegenheit, den Chor zu hören.

1“ Mannigfaltiges.

Berrlin, 14. Februar 1914.

Gestern, Vormittags 11 Uhr, wohnte Seine Majestät der Kaiser und König einer Vorführung der Berliner Feuer⸗ wehr im Lustgarten bei. Die beteiligten Mannschaften hatten, wie „W. T. B.“ berichtet, dort unter dem Kommando des Brand⸗ direktors Reichel Aufstellung genommen. Am Portal IV des König⸗ lichen Schlosses hatten sich versammelt: der Polizeipräsident von Jagow, der Oberbürgermeister von Berlin Wermuth, der Stadtverordnetenvor⸗ steher Michelet, der Stadtrat Hamburger, der Gouverneur von Berlin Generaloberst von Kessel, der Kommandant von Berlih General von Bonin, die drei Kabinettschefs, der kommandierende General des Gardekorps, die Kommandeure der Eisenbahnregimenter und des Gardepionierbataillons. An dem E der ersten Etage des Königlichen Schlosses sah man Ihre Majestät die Kaiserin und Königin mit ihren Damen, ferner die Botschafter mit ihren Gemahlinnen, die Herren des Hauptquartiers, die Hofstaaten mit ihren Damen. Den Lustgarten umsäumte ein zahlreiches Publikum. Kurz vor 11 Uhr trat Seine Majestät der Kaiser und König aus dem

Portal IV. heraus, dem gegenüber eine Kompagnie zu Fuß in Parade⸗ aufstellung stand. Seine Majestät schritt zundchfe die Front dieser Kom⸗