1914 / 51 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

ßis udtag. Herrenhaus. 6. Sitzung vom 27. Februar 1914, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Eingetreten ist in das Haus das neu berufene Mitglie Herr Generalkonsul a. D. Sid Meyer.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erneute Be⸗ über den Entwurf einer Novelle zum Landesverwaltungsgesetz und die Abänderungs⸗ vorschläge der XI. Kommission. Die Generaldiskussion ist bereits in der 5. Sitzung beendet worden; in dieser hat das Haus den Antrag Körte auf Bildung von Abgabensenaten als dritter Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Kommission zur Vorberatung überwiesen. Die Kommission hat diesen Antrag abgelehnt.

Bei der nun stattfindenden Debatte über § 7 des Gesetzes lehnt auch das Plenum den Antrag des Herrn Dr. Körte ab, nachdem der Antragsteller auf eine Wiederholung der Gründe für seinen Antrag bei der Geschäftslage des Hauses

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deren Heimatstaaten sich gegenüber der Verwendung preußi Materials ablehnend verhielten. Meine Herren, ich möchte der Meinung Ausdruck verleihen, daß Preußen als größter Bundesstaat die Verpflichtung hat, auf alle Bundesstaaten, die eine solche Praxis befolgen, dahin einzuwirken, daß sie mehr sich unferer Praxis an⸗ schließen, die dahin geht, die Erzeugnisse aller anderer Bundesstaaten auch in Preußen zuzulassen. Es ist selbstverständlich für uns recht chützt werden müssen. Er mütde es nicht billigen, wenn von irgend schwierig, an unserer Uebung auf die Dauer festzuhalten, wenn wir einer Seite grundsätzlich gegen das flache Dach Stellung genommen bei anderen Bundesstaaten einer entgegengesetzten Praxis begegnen. werden würde. Das Heimatschutzgesetz hat schon jetzt gute Folgen ge⸗

Aber wir dürfen uns nicht irre machen und nicht von dem Wege ab⸗ zeitigt; ich kann erwähnen, daß fast alle landschaftlich schönen Wege lenken lassen, den wir für den richtigen halten: Beeinflussung der

unseres Landes durch Polizeiverordnungen geschützt worden sind. Wenn

2 5 Reklameschilder verboten werden, so kann nicht von der einseitigen

Bundesstaaten in unserem Sinne. Ich meine, das entspricht der 85 Stellung Preußens im Reiche.

Schädigung einzelner Industrien die Rede sein, denn dieses Ver

n. ja ahe gleichmäßig. KSsadtenh sich bber eimat⸗ 0 b z b .sschutzes ergeben, wie sie ja tatsächlich in einzelnen Fällen vorgekommen Ich ““ 8 sün⸗ wird 86 Mirütste eier hreete Mehr aber kann der Freiherrn von Maltzahn, die ja ein sehr weites Gebiet betrafen un Minister nicht zusagen. eine Reihe von erheblichen Fragen berührten. 4 Abg. Dr. Iderhoff (freikons.: Der Antrag hat bereits im Die Frage des Küstenschutzes will ich auch nur streifen. Sie vorigen Jahre der Unterrichtskommission vorgelegen. Es wurde be⸗ ist in der Sonderkommisston, die sich mit der Vorbereitung der Not⸗ schlossen, den Antrag von Lehe in, dem Sinne der Regierung zu standsaktion beschäftigt, behandelt worden, und soviel mir bekannt, überweisen, daß das im Artikel 27 vorgesehene Schiedsgericht an⸗

Herr Dr. Loening: Durch diese Ausführungen sind meine Be⸗ der steuerzahlenden Bevölkerung di zglichkeit d devisi ist kei orwurf gegen die Generalkommissionen, denn sie haben denken nicht zerstreut worden. Wenn wir die reformatio in pejus Rücksicht 858 1S 27 1“ a 11 de sabeht. Fs 8ee. in unser Verwaltungsstreitverfahren nicht einführen wollen, ist mein BStreitgegenstand nachgewiesen werden könne. Wenn somit auch die In rte zurückgetan werden müssen, um wieder zu normalen Verhält⸗ Antrag und seine Annahme eine Notwendigkeit. Entlastung des Oberverwaltungsgerichts nicht in dem kommen. Namentlich. ist man in der Tetlung der Ge⸗ Minister des Innern Dr. von Dallwitz: Maße eintreten werde, so stehe die Rechtssicherheit und das Recht de ndeweide zuweit gegangen; man wird durch Schastung as Ich glaube, daß die Ausführungen des einzelnen doch höher. 89 lmenden noch Mietsland für die kleinen Teute auf dem glaube, 9 Her r g doch Mini inde schaffen müssen. Die Generalkommission in Ostpreußen wurde nicht zutreffend sind. In § 79 des bestehenden Gesetzes ist von An⸗ inister des Innern Dr. von Dallwitz me den Wihen der meisten maßgebenden Personen der Provinz be⸗ trägen überhaupt nicht die Rede, sondern nur von den in dem Ver⸗ Ich muß S bitten, den Antrag abzulehnen. In § 93 Indet, und die Entwicklung hat diesen Personen recht geßehen. 86 fahren erhobenen „Ansprüchen“ und in der Begründung des Entwurfs wird eine Revisionssumme eingeführt zu dem Zwecke, das Ober⸗ emnere C“ der Provinz durch die Aufhebung der ist gesagt: der Ausdruck „Anspruch“ ist durch „Gegenstand“ ersetzt⸗ verwaltungsgericht zu entlasten. Wenn Sie den Antrag des Herrn EEEEööe b 1X“ weil der Auedruck „Anspruch“ unklar ist. Hieraus ergibt sich keine Dr. Loening annehmen, würden Sie die Bestimmungen des § 93 8 Gese öö schlieflich Handhahbe für das Oberverwaltungsgericht, um aus dieser Aenderung Abs. 2 wieder illusorisch machen und die Erkeichterung, die dem . 1“ im nach den Kommissionsvorschlägen einen anderen Standpunkt einzunehmen, als den bisherigen, nämlich 1“ ist, in bringen. Jede vhamnahnne. 8 den, daß eine reformatio in peius nicht zulässig sei. eveltonescheilt kann in der egründung so gefaßt sein, daß sie die g3 f. g ef ü 1“ ig⸗ Was den Antrag des Herrn Dr. Loening zu § 63 Abs. ‚2 betrifft, Rechtsgültigkeit einer Steuerordnung, Gebührentaxe usw. anzweifelt, 6 enn 5 L““ 88* so hat Herr Dr. Loening soeben auegeführt, daß durch den zweiten jedes Erkenntnis der Berufungsinstanz kann mit der Maßgabe an⸗ 3 feidesverwaltungsnovelle zusammenhängend von der XI. Kom⸗ Satz seines Antrags die Wahrung der Frist auch dann ermöglicht gefochten werden, daß das Erkenntnis auf eine ungültige Steuer⸗ rission vorberaten worden ist. werden solle, wenn die Klage einen Antrag nicht enthalten habe. ordnung zurückzuführen sei. Wenn also dem Antrag des Herrn „Referent Graf von der Schulenburg⸗Angern: Der Ja, dann muß ich gestehen, verstehe ich den ganzen Antrag nicht, denn dann Loening stattgegeben würde, würde auch in jedem einzelnen Falle, 1“ bezweckt, namentlich auf dem Gebiete des Schulbauwesens für

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dem letzten Bericht fehlen zum Teil diese Grundlagen noch. Ehe di beschafft sind, kann ein Erfolg der Verhandlungen mit Bremen nicht in Aussicht gestellt werden. In der Kommission wird es ja möglich sein, den neuesten Stand der Sache mitzuteilen. Mit bezug auf die Ausführungen des Abg. Dr. Keil möchte ich die Erklärung wieder⸗ holen, die schon früher einmal an dieser Stelle abgegeben worden ist, daß es die Ansicht des Ministers ist, daß selbstverständlich bei der andhabung des Heimatschutzes alle wirtschaftlichen Interessen ge⸗

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und angesichts des Ergebnisses der Kommissionsberatungen ver⸗

zichtet hat.

§ 7 wird darauf in der Fassung der Vorlage einstimmig

angenommen, die lautet:

„Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Entscheidung im Verwaltungs⸗ streitverfahren) wird durch die Kreisausschüsse, die Bezirksausschüsse und die Kammern für Abgabensachen als Verwaltungsgerichte sowie

durch das in Berlin für die gan narchie bestehende Ob 8 J“ ganze Monarchie bestehende Oberver weiteren von Herrn Körte beantragten Ab⸗ änderungen, soweit sie sich als Konsequenz des Antrages zu § 7 darstellen, werden damit für erledigt erklärt. Ohne Dis⸗ kussion werden die Kommissionsvorschläge bis einschließlich § 62. angenommen.

Die §§ 63 ff. regeln das Verwaltungsstreitverfahren in erster Instanz Die Vorlage bestimmt in § 63, den die Kom⸗ mission unverändert angenommen hat: „Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht schriftlich einzureichen. Geht sie bei einer anderen Behörde ein, so ist sie unverzüglich an das zuständige Gericht abzugeben. Die Klage muß erkennen lassen, daß eine Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren begehrt, von wem

sie erhoben wird, gegen wen sie sich richtet und w d des Streites ist.“ sie sich richtet und was der Gegenstan

Herr Dr. Loening befürwortet einen Abänderungs⸗ antrag, nach dem die Klage einen bestimmten Antrag ent⸗ halten, den Gegenstand des Sireites sowte die Person des Klägers und des Beklagten angeben muß. Der Antrag solle im Verwaltungs⸗ streitverfahren eine reformatio in pejus ausschließen, das sei eine Forderung der Gerechtigkeit. Mit der Verringerung der Formen⸗ vorschriften schäbige man die Rechte der Parteien mehr, als man für die Vereinfachung des Verfahrens gewinne; damit höre das Streit⸗ verfahren aber auf, ein gerechtes zu sein. Die Gefahr einer Ver⸗ schleppung des Verfahrens werde dadurch in keiner Weise herbei⸗ geführt.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz: Mieine Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Professor Dr. Loening abzulehnen. Er ist meines Dafürhaltens einmal über⸗

flüssig, zweitens würde er eine Erschwerung zuungunsten der Partei

herbeiführen, und drittens sind die von ihm befürchteten Gefahren tat⸗ sächlich nicht vorhanden. Der Antrag ist überflüssig, weil § 63 b die

Bestimmung enthält, daß der Vorsitzende des Gerichts bereits bel

Eingang der Klage und sodann in jeder Lage des Verfahrens dahin

wirken solle, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die sach⸗

dienlichen Anträge von den Parteien gestellt werden. Das entspricht dem Schlußsatz des zweiten Satzes des Antrags des Herrn Preofessor

Loening, der den Vorsitzenden veranlassen will, binnen einer bestimmten

Frist einen entsprechenden Antrag einzuholen. Diese Bestimmung ist

in § 63 b, abgesehen von dem Erfordernis der Frist, bereits enthalten.

Es wird mithin jede Klage, die einen Antrag nicht enthält, während des Verfahrens, zunächst alsbald bei Eingang der Klage und dann erforderlichenfalls auch in jedem weiteren

Stadium des Verfahrens, auf Einwirkung des Vorsitzenden dahin ergänzt werden, daß die nötigen Anträge auch

der Klageantrag ist darunter zu verstehen gestellt werden.

Nun befürchtet Herr Professor Dr. Loening, das Oberverwaltungs⸗ gericht könnte seine langwierige Praxis, daß eine reformatio in peius nicht eintreten darf, verlassen, weil in der Novelle von dem Erfor⸗ dernis eines Klageantrages in der Klageschrift abgesehen worden ist. Es ist lediglich aus dem Grunde davon abgesehen worden, weil die Möglichkeit besteht, daß die Innehaltung der zweiwöchigen Frist ver⸗ säumt werden könnte. Wenn die Parteien, wie sie es bisweilen tun, namentlich die mindergebildeten —, zwar eine Klage einbringen, aber keinen bestimmten Klageantrag stellen, so würde, wenn der An⸗ trag des Herrn Professor Dr. Loening angenommen würde, eo ipso nach zwei Wochen die Frist versäumt sein. Denn die Klage müßte ab⸗ gewiesen werden, wenn binnen zwei Wochen zwar eine Klageschrift eingereicht wird, sie aber keinen Antrag enthält. Dieser Härte, die sich für die Partei aus der Versäumnis einer rein formellen Vor⸗ schrift ergeben würde, soll nach dem Entwurf dadurch abgeholfen werden, daß das Erfordernis eines bestimmten Antrages in der Klageschrift nicht vorgesehen wird. Es soll mithin die zweiwöchige Frist gewahrt sein, wenn eine Klageschrift auch ohne bestimmten Antrag eingeht und nur die Bitte enthält, im Verwaltungsstreitverfahren zu entscheiden. Die Möglichkeit, den Antrag nachher einzubringen, ist ohne weiteres gegeben, und die Partei ist davor bewahrt, daß wegen des rein for⸗ mellen Versehens die Fristversäumnis eintritt und die Klage zurück⸗ gewiesen wird. Eine reformatio in peius das hatte ich wohl vorher schon erwähnt ist nicht zu befürchten, weil im Laufe des Verfahrens jederzeit ein Antrag gestellt werden kann und vom Vor⸗ sitzenden gefordert werden soll, sodaß irgend eine Unterlage für eine Aenderung der Auslegung, die das Oberverwaltungsgericht den be⸗ treffenden Bestimmungen bisher gegeben hat, nicht vorliegt. Wenn in Sachsen wenn ich mich nicht irre, hat Herr Professor Loening Sachsen erwähnt nach der Richtung hin, daß dort eine positive Be⸗ stimmung set, daß eine reformatio in peius eintreten könne eine solche Bestimmung enthalten ist, so spricht das gerade für meine Auf⸗ fassung, daß, wenn das Gericht überhaupt in die Lage kommen soll, eine reformatio in peius eintreten zu lassen, dies im Gesetz aus⸗ drücklich ausgesprochen sein müßte. Das ist hier nicht der Fall, und das Oberverwaltungsgericht hat daher nicht den mindesten Anlaß, von einer bisherigen Praxis abzugehen. Ich glaube daher, daß die Be⸗ fürchtungen des Herrn Professor Dr. Loening unbegründet sind, daß

und daß er eine zwecklose Erschwernis für

widerspricht der zweite Satz dem ersten. Herr Dr. Loening verlangt im ersten Satz, daß die Klage einen Antrag enthalten müsse, und sagt im zweiten Satze, wenn sie trotzdem keinen Antrag enthält, dann soll eine Frist noch gelassen werden, damit der Antrag gestellt werden kann. Nach dem ersten Satze ist es aber überhaupt keine Klage, wenn der Schriftsatz keinen Antrag enthält, und er müßte dann zurückgewiesen werden. Hiernach glaube ich, daß der Antrag in der Tat keine Verbesserung enthält, sondern eher zu Schwierig⸗ keiten Anlaß geben wird. Jedenfalls würde er für die Parteien die Sache umständlicher machen, da er auch kleinere Leute zwiagt, wenn sie sich über den Begriff „Antrag“ nicht recht klar sind, einen Rechts⸗ anwalt zu nehmen, während sie jetzt einfach ihren Schriftsatz ein⸗ reichen und die Sicherheit haben, daß er ihnen zu ihrem Anspruch verhelfen wird, gleichviel, ob er von vornherein einen im jutistischen Sinn durchaus korrekten Antrag enthält oder nicht.

Graf von Behr⸗Behrenhoff: Im Schli agt Antrag: „Enthält dih Klage einen sat, 84 der er binnen einer vom Vorsitzenden zu stellenden Frist gestellt werden.“ Damit wird für das rechtsuchende, aber minder rechtskundige Publikum nur eine Erschwerung geschaffen. Ich kann nur drin end davor warnen, dem Antrag stattzugeben. Von einer Gefahr der Ein⸗

führung der reformatio in pejus in unser Verwaltungsstreitverfahren kann keine Rede sein.

Herr Dr. Loening ändert seinen Antrag dahin um, daß der Eingang lautet: „Die Klage soll einen bestimmten Antrag ent⸗ halten“ usw.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Nach der sachlichen Aenderung, die Herr Dr. Loening jetzt in seinem Antrage angebracht hat, enthält der Antrag nicht mehr eine Muß⸗Vorschrift, sondern eine Soll⸗Vorschrift. Also hat er nur eine rein instruktionelle Bedeutung. Da glaube ich aber, daß die Fassung⸗ die die Novelle der Regierung dem § 63 b gegeben hat, entschieden vorzuziehen ist:

Der Vorsitzende des Gerichts soll bereits bei Cingang der Klage und sodann in jeder Lage des Verfahrens dahin wirken, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt, und die sachdienlichen Anträge von den Parteien gestellt werden.

Diese Vorschrift ist vollständiger und besser als der Antrag, den Herr Dr. Loening gestellt hat. Ich kann also nur bitten, seinen Antrag abzulehnen. (Bravo!)

Der Antrag Loening wird abgelehnt, § 63 unverändert angenommen.

Nach § 75 der Vorlage ist „über die mündliche Verhand⸗ lung eine Niederschrift aufzunehmen. Diese muß den wesent⸗ lichen Hergang der Verhandlung enthalten. Sie wird von dem Vorsitzenden und einem Mitgliede des Gerichts oder an Stelle des Mitgliedes von einem vereidigten Protokollführer unter⸗ zeichnet“.

„Herr Dr. Loening hält es im Interesse der Rechtssicherbeit für notwendig, daß das Protokoll von einem pereidigten Protokoll⸗ führer geführt wird, der nicht zugleich Mitglied des Gecichtes ist. Der Richter habe der ganzen Verhandlung seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und könne sich nicht so ausschließlich auf das Protokoll konzentrieren. Er beantragt eine entsprechende Aenderung.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Der Antrag ist ja von keiner großen Tragweite, aber er kompliziert das Verfahren gegenüber den Vorschlägen der Novelle. Die Vorschläge der Novelle beruhen auf einer Anregung der Mit⸗ glieder des Oberverwaltungsgerichts, die bei den Vorberatungen darauf hingewiesen haben, daß sich ab und zu in der Praxis bei Kreis⸗ ausschüssen Schwierigkeiten daraus ergeben hätten, daß nach dem bestehenden Recht die Zuziehung eines vereideten Protokollführers obligatorisch sei. Es wurde daraufhin angeregt, die Notwendigkeit eines vereideten Protokollführers im Gesetz nicht mehr vorzusehen, damit unter Umständen auch ein landrätlicher Privatgehilfe, Kreis⸗ assistent oder eine andere nicht als Protokollführer vereidete Persönlichkeit das Protokoll aufnehmen könne. Ich glaube, daß dieser Erleichterung irgendwelche Bedenken nicht entgegenstehen dürften. Ich halte darum den Antrag des Herrn Professors Loening nicht für zweckmäßig.

Herr von Dziembowski erklärt sich gegen den Antrag.

Der Antrag wird abgelehnt, § 75 unverändert an⸗ genommen.

§§ 93 ff. regeln das Verfahren in der Revisionsinstanz.

§ 93 bindet in Streitigkeiten über Geldleistungen für Gemeindezwecke usw. die Zulassung zur Revision an einen Be⸗ schwerdegegenstand von über 500 ℳ, bei periodisch ver⸗ anlagten Abgaben an eine Summe von 100 ℳ. Nach einem Antrag Loening soll diese Vorschrift keine Anwendung finden, sofern die Revision ausschließlich darauf gestützt wird, daß die angefochtene Entscheidung beruht auf der Annahme der Rechtsgültigkeit oder Rechts⸗ ungültigkeit des gesamten Inhalts oder einzelner Vor⸗ schriften der Steuerordnung, Abgabentarife, Gebührentaxe, Statuten oder sonstiger eine Heranziehung allgemeiner Art in sich schließenden Gesetze, Observanzen oder Beschlüsse, auf Grund deren die Geldleistungen gefordert werden.

Herr Dr. Loening befürwortet diesen Antrag, wenngleich seine Hoffnung auf Annahme sehr gering sei. Die Einführung einer Revisionssumme habe in weitesten Kreisen der Bevölkerung Be⸗ unruhigung hervorgerufen. Hier handle es sich um das Recht des einzelnen, hier müsse nicht bloß dem Vertreter des öffentlichen Inter⸗

in dem der Gegenstand unter 500 oder unter 100 liegt, also unterhalb der Revistonssumme, doch Revision eingelegt werden können und das Oberverwaltungsgericht würde prüfen müssen, ob tatsächlich der Entscheidung des Vorderrichters eine Steuer⸗ ordnung zugrunde gelegen hat, die rechtsgültig ist oder nicht. Damit würde die Minderarbeit für das Oberverwallungsgericht an sich schon auf ein Minimum reduziert sein. Nun würde aber das Oberverwaltungsgericht, weil es nach dem § 97 an die Revcisions⸗ gründe der Partei nicht gebunden ist, darüber hinaus verpflichtet sein, die Rechtsanwendung des Vorderrichters nach allen Richtungen hin zu prüfen, würde sich also nicht nur auf die Prüfung zu beschränken haben, ob eine güllige oder ungültige Steuerordnung der Entscheidung zugrunde liegt. Wenn der Antrag des Herrn Dr. Loening ange⸗ nommen würde, so würde also stets eine volle Revision zugunsten der Partei herbeigeführt werden können.

Es würde sich aber noch folgendes ergeben: Partei, die nicht das Revisionsrecht hat, weil der Gegenstand nur eine Bagatelle ist es handelt sich vielleicht um einen Betrag von wenigen Mark —, die aber trotz der Revisionssumme den Fall zur Kognition des Oberverwaltungsgerichts bringen will, kann zunächst die Revisions⸗ schrift mit der nach dem Antrage des Herrn Professor Loening zu⸗ lässigen Begründung einreichen, daß der Vorderrichter seiner Ent⸗ scheidung eine rechtsungültige Steuerordnung zugrunde gelegt habe. Die Partei würde dann ferner, wenn auf Grund dieser Begründung die Revision als zulässig angesehen werden müßte, stets in der Lage sein, nachträglich noch alle möglichen anderen Revisionsgründe geltend zu machen und damit eine volle Nachprüfung der Revisionsinstanz ihrer⸗ seits zu erzwingen. Es würde daher jeder Rechtsanwalt und jede Partei in der Lage sein, jeden einzelnen Streitfall, der durch die Fest⸗ setzung einer Revisionssumme im Abs. 2 des § 99 der Revision des Oberverwaltungsgerichts entzogen werden soll, trotzdem vor das Ober⸗ verwaltungsgericht zu bringen und das Oberverwaltungsgericht zu zwingen, ihn nach allen Richtungen hin zu prüfen. Wenn der Antrag angenommen werden sollte, würde mithin die Einsetzung einer Revisionssumme eine praktische Bedeutung kaum mehr haben.

Der Antrag wird abgelehnt, § 93 unverändert genommen.

Ein von Herrn Dr. Körte zum vierten Titel „Rechts⸗ mittel gegen polizeiliche Verfügungen“ beantragter § 130 a, der für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Aenderungen, durch welche Straßen oder Plätze der Gemeinde oder Fluchtlinien oder von der Gemeinde beanspruchte Bauverbotsrechte be⸗ troffen werden, ein besonderes Verfahren vorschreiben will, wird ohne Diskussion abgelehnt.

Der Rest der Vorlage gelangt in der Fassung der Kom⸗ mission ohne Debatte zur Annahme, ebenso einstimmig der Entwurf im ganzen.

Darauf berichtet Graf von Ballestrem namens der XI. Kommission über den Gesetzentwurf, betreffend die Bearbeitung der Auseinandersetzungsangelegen⸗ heiten in den Provinzen Ostpreußen, West⸗ preußen und Posen. Die Kommission hat die mit der Novelle zum Landesverwaltungsgesetz in engstem Zusammenhange stehende Vorlage mit wenigen Modi fikationen angenommen. Die Vorlage spricht die Aufhebung der Generalkommission in Königsberg aus und überträgt die dieser bisher überwiesenen Obliegenheiten auf den Spezial kommissar und den Regierungspräsidenten als Auseinander⸗ setzungsbehörden; in Streitigkeiten entscheidet in erster Instanz der Spezialkommissar, in zweiter der Bezirksausschuß, in letzter das Oberlandeskulturgericht. Wie der Berichterstatter aus⸗ führt, ist weder eine Ueberlastung des Regierungspräsidenten, noch aus dem Fortfall der Kollegialberatung ein Nachteil zu besorgen, da nur noch kleinere Auseinandersetzungsangelegen heiten zu bearbeiten sein werden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf hat mit verhältnismäßig wenigen Aenderungen die Zustimmung Ihrer Kom⸗ mission gefunden. Ich kann namens der Staatsregierung erklären, daß die von Ihrer Kommission beschlossenen Aenderungen auf seiten der Staatsregierung keinerlei Bedenken begegnen.

Meine Herren! Der Herr Berichterstatter hat bereits darauf hingewiesen, daß die Generalkommissionen trotz der Größe und Wichtigkeit der ihnen gestellten Aufgaben keine Behörden von ewiger Dauer sind, und so ereilt auch die Generalkommission in Königsberg das Schicksal ihrer Auflösung. In dem Augenblick wo Sie im Begriff stehen, zur Aufhebung der Generalkommission in Königsberg den ersten entscheidenden Schritt zu tun, halte ich es für meine Pflicht, auch bei diesem Anlaß und von dieser Stelle aus dankend und anerkennend der langjährigen und erfolgreichen Tätigkeit der General⸗ kommission Königsberg und ihrer Mitglieder zu gedenken.

„Herr von Batocki⸗Friebe: Die Provinz Ostpreußen ist hier gewissermaßen Versuchskaninchen, wir geben uns aber keiner Täuschung hin, weil wir von der Aufhebung Vor⸗ teile erwarten. Die Generalkommission hat sich als ein Fremd⸗ körper in der Provinzialverwaltung erwiesen, weil ihre Kompetenz außerordentlich weit ging; nachdem ihre Aufgaben in der Haupt⸗ sache erledigt sind, soll sie aufgehoben werden. Bewährt sich dieser Versuch, so soll mit der Aufhebung weiter vorgegangen werden. Die

Tätigkeit der Generalkommission muß durchaus anerkannt werden; sie bildet ein Ruhmesblatt in der preußischen Verwaltungsgeschichte.

1 Fn 85

an⸗

und Forsten

esses, sondern auch jedem kleinen Manne, hier müsse der großen Masse

An der Ausführung der Gemeinheitsteilung muß Kritik geuͤbt werden⸗

ge Rechtskontrolle gegenüber den Maßnahmen der Schulverwaltung Fileichterungen und Vereinfachungen herbeizuführen und die auf dem

iete des Privatunterrichts und des Privatschulwesens bis jetzt lblenden Rechtskontrollen neu einzuführen.

Eine Generaldebatte findet nicht statt. In der Spezial⸗ kussion wi d die Vorlage nach dem Kommissionsantrag n ihren einzelnen Bestimmungen ebenfalls ohne Debatte ungenommen, ebenso bei der Gesamtabstimmung das Gesetz

zanzen.

Darauf berichtet Herr Kühnast⸗Graudenz bei der ein⸗

gen Schlußberatung über die Denkschrift über die

tliche Hilfstätigkeit aus Anlaß des

elwetters in Kreuznach im Jahre 1911.

Dentschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.

In einmaliger Schlußberat ung wird von der Ministerial⸗

gung wegen anderweiter Festsetzung der Fahrkosten für

zeamten der Auseinandersetzungsbehörden, von der Aller⸗ hsten Verordnung, betreffend die Reisekosten der Offiziere

Mannschaften der Landgendarmie, sowie von dem Staats⸗

steralbeschluß vom 24. Juli 1913 zu den Ausführungs⸗

stimmungen für die Vorschriften über die Reisekosten der tsbeamten vom 24. September 1910 Kenntnis genommen. Schluß gegen 3 ¼ Uhr.

Nächste Sitzung unbestimmt.

Haus der Abgeordneten. 37. Sitzung vom 27. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer 5.Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die Spezialberatung des Etats der Bauverwaltung, und zwar zunächst die allgemeine Besprechung in Anschluß an den ersten Titel der dauernden Ausgaben Gehalt des Ministers“ fort.

Abg. Geisler (Zentr.): Bei den Staatsbauten wird eine große Anzahl von Arbestern beschäftigt. Es muß aber auch darauf gesehen werden, daß bei ihnen die beimische Industrie zu ihrem Rechte kommt. Das gilt ganz besonders für meinen Wahlkreis, wo seit Jahren die Steinarbeiter sich in einer besonders mißlichen Lage befinden. Wenn sier keine Aenderung eintritt, dann müssen die Leute auswandern oder sich minderlohnenden Industriezweigen zuwenden, wie der Weberei, die sie früber ausgeübt haben. Gerade hier macht sich das Darnieder⸗ liegen der privaten Bautätigkeit besonders bemerkenswert. Hier bat der Staat zuerst die Pflicht, einzugreifen. Dazu kommt, daß uns seitens Schwedens und Norwegens im Steinmaterial eine große Kon⸗ furrenz gemacht wird. Der Staat so lte hier darauf sehen, daß möglichst tinheimisches Material benutzt wird. Hier sind andere Staaten wie z. B. Württemberg und Baden vorbildlich vorgegangen. Auch in Sachsen haben in letzter Zeit Ausschreibungen in denen besonders hervorgehoben worden ist, daß Anerbietungen von Industrien außerhalb Sachsens keine Berücksichtigung finden werden. Was dort geschieht, sollte auch für Preußen möglich sein. Das liegt auch im Interesse des Mittelstandes, da in den betreffenden Gebieten, wo unsere heimische Industrie unterstützt wird, auch die Kaufkraft der Bevölkerung wächst.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch:

Meine Herren! Ueber die Frage der Verwendung heimischer Baustoffe habe ich mich bereits gestern des Näheren ausgelassen, ins⸗ besondere über die Verwendung schlesischer Steine. Es besteht die ausdröckliche Vorschrift, und sie wird auch im ganzen Osten ange⸗ wendet, daß bei Ausführung von Staatsbauten das schlesische Stein⸗ material vorzugsweise Verwendung finde. (Bravo!) Das geschieht auch, soweit wir nicht mit den Anregungen in Konflikt geraten, die Herr Freiherr von Maltzahn soeben hinsichtlich des Luxus der Staats⸗ bauten gegeben hat.

Die Anschauungen in diesem hohen Hause über die Ausstattung der Staatsbauten haben im Laufe der Jahre außerordentlich ge⸗ wechselt. Es hat eine Zeit gegeben sie liegt noch nicht sehr weit zurück —, in welcher der Staatsbauverwaltung der Vorwurf gemacht wurde, daß sie ihre Staatsbauten zu ärmlich ausstatte; sie würden nicht nur für die Gegenwart gebaut, sondern sie sollten gewissermaßen Denkmäler sein, an denen sich noch die Zukunst erfreut. Dann trat im Jahre 1907/08 in diesen Auffassungen ein starker Wandel ein, und der Staattregierung wurde der Vorwurf gemacht, daß sie bei Ausführung der Bauten zu opulent sei. Daraus hat die Staatsbauverwaltung die Lehre gezogen, daß sie sich auf der mittleren Linie zu bewegen habe. (Seiterkeit.)

Die beiden Bauten, deren Herr Freiherr von Maltzahn eben Erwähnung getan hat, das Oberpräsidium in Stettin und der Er⸗ weiterungsbau des Oberpräsidiums in Breslau, bewegen sich auf dieser mittleren Linie. Der Erweiterungsbau in Breslau um das gleich vorweg zu nehmen ist nur ein Erweiterungsbau für Bureau⸗ wecke des Oberpräsidiums und wird ganz im Sinne der Sparsamkeit ausgeführt, wie dies hier soeben betont worden ist. Daß die Grund⸗ erwerbskosten erheblich sind und stark zu Buche schlagen, wird in heutiger Zeit nicht verwunderlich sein, da die Oberpräsidien meist im Brennpunkt des Verkehrs gelegen sind. (Sehr richtig!) Aber auch das Oberpräsidium in Stettin wird sich nach den mir vor⸗ gelegten Bauplänen durchaus innerhalb der Grenze bewegen, die Herr Freiherr von Maltzahn gezogen hat.

Herr Abg. Geisler hat eine andcre Frage berührt, der ganz zweifellos eine erhebliche Bedeutung betzumessen ist. Er hat im Hin⸗ blick auf das Vorgehen anderer Staaten, auch Bundesstaaten, den Wunsch geäußert, daß bei den Vergebungen diejenigen aus⸗

hat der Herr Minister des Innern bereits ausgesprochen, daß eben die Frage, die Herr Freiherr von Maltzahn berührte, die Frage, inwieweit der Staat in Zukunft mit eigenen Mitteln an der Her⸗ stellung dieser Bauten beteiligt werden solle, einer weiteren Prüfung unterworfen werden soll. Die Frage der Anlage von Fischereihäfen habe ich gestern schon berührt; ich habe meine Bereitwilligkeit ausgesprochen, diese Frage mit den beteiligten Ressorts allgemein zu prüfen.

Was die Ablagerung von Baggererde betrifft, die im Zu⸗ sammenhang mit der Förderung der Fischerei erörtert worden ist, so darf ich feststellen, daß die Wasserbauverwaltung in dieser Frage sehr vorsichtig vorgeht. Die Ablagerung von Baggererde bei den binnen⸗ ländischen Wasserstraßen erfolgt meist erst nach Anhörung von Sach⸗ verständigen, und so soll auch in Zukunft vorgegangen werden.

Herr Abg. Freiherr von Maltzahn wünscht dann weiter, ich möge darauf hinwirken, daß in die Bauordnungen eine Generaldispens⸗ klausel aufgenommen werden möge. Meine Herren, ich habe bereits im Jahre 1909 einen Erlaß herausgehen lassen, der diesem Wunsche Rechnung trägt. (Bravo!) Nach den Feststellungen meines Ressorts ist der Anregung dieses Erlasses vom Jahre 1909. auch bereits in weitem Maße entsprochen worden.

Die Konservierung des Strohdaches findet auch bei der Slaatsbauverwaltung lebhafte Sympathien (Bravo!), und es ist auch in demselben Jahre 1909 ein hierauf bezüglicher Erlaß hinaus⸗ gegangen. Freilich sind einige Fragen noch immer ungeklärt ge⸗ blieben, namentlich was die dauernde Feuersicherheit der imprägnierten Strohdächer betrifft.

Daß die Staatsbauverwaltung mit allen Kräften bemüht sein muß, die heimische Bauweise zu fördern, versteht sich in heutiger Zeit bei den Auffassungen, die jetzt in Geltung sind, ganz von selbst. Die Einwirkungen, die in den letzten Jahren von meinem Ressort ausgegangen sind, bewegen sich in dieser Richtung, und ich kann mich den Ausführungen des Herrn Freiherrn von Maltzahn nur anschließen, daß an so prominenten Orten, wie es unsere wundervollen Städte an der Seeküste sind, dieser Frage ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden muß. (Bravo!) Ich darf hierzu bemerken, daß die Bauberatungsstellen in allen Provinzen durch mein Ressort leb⸗ hafte Förderung erfahren, nicht nur durch Erlasse und freundliche Worte, sondern auch durch geldliche Unterstützung. So soll auch in Zukunst verfahren werden. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Keil (nl.): Die Handhabung der Bestimmungen über den Heimatschutz durch die Baupolizei hat vielfach zu einer schweren Schädigung der Allgemeinheit und der Industrie eführt. Gewiß ist es mit Freuden zu begrüßen, wenn man den historischen Charakter einer Gegend zu erhalten sucht, aber man sollte doch in diesem Be⸗ streben nicht zu weit gehen. Die Rücksicht auf wirtschaftliche Inter⸗ essen sollte beim Heimatschutz nicht ganz außer acht gelassen werden. In meiner Heimatstadt wurde ein Bau, dessen Fundamente schon kängst gelegt waren, auf Anregung der Heimatschutzleute durch den Regierungspräsidenten einfach sistiert. Erst durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wurde der Bau wieder freigegeben. Der⸗ artige Auswüchse der an sich sehr schönen und berechtigten Bestrebungen des Heimatschutzes können durch eine zu weitgehende Ausgestaltung und Anwendung des Gesetzes zu einer schweren Schädigung der Ziegelei⸗ industrie führen. Durch die einseitige Bevorzugung der hohen Ziegel⸗ dächer ist eine derartige Ueberproduktion hervorgerufen worden, da darin eine neue Gefahr für die Ziegeleiindustrie liegt. Auf die be⸗ troffenen Industrien hat ein Wort des Ministers im vorigen Sommer wahrhaft erlösend und befreiend gewirkt, als er die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen betonte. Ich habe den Auftrag, im Namen der beteiligten Kreise den wärmsten Dank hierfür auszusprechen. Wir hoffen, daß das Wort des Ministers auch in der Praxis von den nach⸗ geordneten Organen befolgt werden wird. Wenn es dazu kommt, daß man das Heimatschutzgesetz revidieren muß, dann empfehle ich der Regierung die württembergische Bauordnung vom Jahre 1910 in ihren Artikeln 97 und 98. Auch die echt preußischen Leute können von ihren süddeutschen Bundesbrüdern noch etwas lernen.

Abg. Flathmann (nl.): Ich möchte dem Hause im Interesse der Gemeinde Lehe den Antrag meiner Fraktion ans Herz legen. Ein ganz besonderes Hemmnis für eine zukünftige Entwick⸗ lung Lehes ist, daß Lehe durch die Vereinbarung mit Bremen vollständig von der Weser abgedrängt worden ist. Der Bremer Senat konnte mit Recht darauf hinweisen, daß dieser Vertrag das Größte gewesen ist, was Bremen in den letzten hundert Jahren erreicht hat. Die wirtschaftliche Lage der Gemeinde Lehe wird von Tag zu Tag unerträglicher. Besonders. sind es die hohen Volks⸗ schullasten, die Lehe drücken. Mehr als die Hälfte der Kinder, die dort eingeschult werden müssen, sind Kinder von Eltern, die in Bremer⸗ haven beschäftigt sind. Lehe hat sich immer mehr zur Arbeiterstadt ent⸗ wickelt. Die Einwohnerzahl von Lehe hat seit dem Jahre 1907 um etwa 20 % zugenommen. Die Steuerkraft hat eine Steigerung von 33 % erfahren. Die Volksschullasten aber sind, auf den Kopf der Be⸗ völkerung berechnet, trotzdem sehr gestiegen. Die Gemeinde kann die Steuerschraube nicht weiter anziehen, sonst würde noch mancher kräftige Steuerzahler nach Bremerhaven übersiedeln. Von einer An⸗ siedlung von Industrie würde Lehe wahrscheinlich wirtschaftlich keinen Vorteil haben. Die Auslegung der Bestimmungen des Staatsver⸗ trages vom 21. Mai 1904, die die Verteilung der Schullasten be⸗ treffen, wonach ein Teil auch von Bremerhaven getragen werden soll, ist jetzt eine einseitige zuungunsten der Gemeinde Lehe. Ich bitte des⸗ halb, unseren Antrag einer Kommission von 28 Mitgliedern zu über⸗ weisen, damit wir dort noch die Dinge besprechen können.

Unterstaatssekretär Dr. 18. herr von Evels von der Brügghen: Die hier angeschnittene Frage betrifft nicht allein das Ressort der Bauverwaltung, es haben da auch andere Ressorts mit⸗ zusprechen. Die beteiligten Ressorts sind gewillt, das Interesse der Stadt Lehe zu wahren, und es ist an die Provinzialbehörden sowie den Regierungspräsidenten der Auftrag ergangen, Grund⸗ lagen zur Vertretung des Standpunktes der Stadt Lehe festzustellen.

erkannt werden möge. Das Haus ist damals dem Antrag einstimmig beigetreten. Die Regierung hat diesen Beschluß jedoch nicht zu ihrem eigenen gemacht, deshalb ist die Angelegenheit in diesem Jahre wieder aufgerollt worden. Wir sind den Antragstellern dankbar dafür, um so mehr, als wir vom Regierungsvertreter gehört haben, daß doch Aus⸗ sicht auf eine günstige Erledigung der Angelegenheit vorhanden ist. Der Antrag ist deshalb an eine Kommission zu verweisen. Ich zweifle nicht, daß für die Stadt Lehe etwas herauskommen muß. Auf Grund des Vertrages, den die Regierung mit Bremen abgeschlossen hat, ist für Lehe geradezu eine Notlage vorhanden. Wir müssen ent⸗ weder vom Staate Bremen mehr erreichen, oder es muß durch Preußen für Lehe etwas geschehen. Wenn der Abg. Flathmann unsere Stel⸗ lungnahme wegen des Mittellandkanals als verfehlt bezeichnete, so möchte ich ihn doch darauf aufmerksam machen, daß unsere Stellung⸗ nahme einem Kompromiß entspricht, das damals zustande gekommen ist. Die Diskussion wird geschlossen. Der Titel des Minister⸗ gehalts wird bewilligt. Der Antrag Flathmann wird der Unterrichtskommission überwiesen.

Beim Kapitel „Bauverwaltung“ führt 8

Abg. Conradt⸗Breslau (kons.) aus: Die Handwerker wünschen, daß die Vergebung der Bauarbeiten mehr als bisher in kleineren Losen geschehen soll. Das geschieht in dankenswerter Weise, soweit es sich um Schulbauten handelt. Die Schleusenmeisterhäuser werden jedoch an Generalunternehmer vergeben. Ich möchte die K bitten, auch hier die Handwerker durch Vergebung der Arbeiten in kleineren Losen zu berücksichtigen. Die Handwerker dürften dafür der Regierung sehr dankbar sein. Es kommen hier namentlich die Handwerker kleinerer Städte in Frage. Wenn es möglich ist, die Arbeit bei großen Arbeiten in kleineren Losen zu vergeben, so sollte das auch bei weniger umfangreichen Arbeiten möglich sein, z. B. bei Buhnenbauten usw. In Striegau haben sich die Handwerker zu einem Lieferungsverbande zusammen geschlossen und nehmen selbst eine Verteilung in kleineren Losen vor. Die städtischen Behörden in Striegau sind mit der Ausführung der Arbeiten stets zufrieden gewesen. In ähnlicher Weise könnte auch bei den Staatsbauten verfahren werden. Die Handwerker klagen jedoch weniger über die Vergebung der Arbeiten bei den Staats⸗ bauten, als vielmehr über die Vergebung durch die städtischen Kom⸗ munen. Sollte es nicht möglich sein, die städtischen Körperschaften zu bewegen, dem Vorgehen der Regierung zu folgen? Das wäre für den Handwerkerstand von außerordentlich großer Bedeutung.

Abg. Hasenclever (nl.): Ich möchte die Anregung geben, das neuzuschaffende Kanalamt zur Regelung der Schlepptarife, für welche bereits drei Räte angefordert werden,

Gelsenkirchen zu berücksichtigen. Dieser Ort würde am besten geeigner ein.

Abg. Hue (Soz.): Bei dem Bauarbeiterschutz handelt es sich um die Gesundheit von Tausenden von Arbeltern, und man sollte diese Frage nicht vom Parteistandpunkte aus behandeln. Allerdings ist die Zahl der Unfälle in Bayern höher als in Preußen, aber es ist auch nicht zu verkennen, daß seit der Anstellung der Arbeiterkontrolleure die Zahl der Unfälle ganz erheblich zurückgegangen ist. Diese Bau kontrolleure haben auch ganz wesentlich zur Verbesserung der hygienischen Einrichtungen beigetragen. Das darf man auch nicht unterschätzen

Abg. von Bülow⸗Homburg (nl.): Das Anwachsen der vier und fünfstöckigen Mietskasernen 1 nicht nur in den Vororten von Berlin zu konstatieren, sondern die Mietskaserne ist auch schon auf das Land hinaus gedrungen, z. B. ist sie in einem kleinen Orte von 10 000 Einwohnern im niederschlesischen Kohlenrevier zu finden. Durch die Bauordnung sollte die zulässige Geschoßzahl noch der Ein wohnerzahl der Orte abgestuft werden. Ich halte es für dringend notwendig, daß das sächsische Gesetz, das diese Frage regelt, auch in Preußen Nachahmung findet, zum Wohle unserer Bevölkerung.

Unterstaatssekretur Dr. Freiherr von Coels von der

Brügghen: Wir treten gern der Ausnutzung des Grund und Bodens durch Errichtung von vier. und fünfstöckigen Häusern, soweit dies wirtschaftlich möglich ist, entgegen. Die Polizeiverordnungen sind aber Sache der Selbstverwaltung, und der Minister muß auf diesem Gebiete einen mittleren Weg gehen. Ueber die Arbeiterbau⸗ kontrolleure hat sich der Minister schon gestern einleuchtend ausgesprochen. Eine Statistik des Reichsversicherungsamtes weist nach, daß durch die Einführung der Baukontrolleure die Zahl der Unglücksfälle in Preußen ebenso wie in Bayern zurückgegangen ist. Die darin mit⸗ eteilten Zahlen sprechen nicht zu Ungunsten der Baukontrolleure. Hei den Häusern der Schleusenmeister sind zum Teil schon die Hand⸗ werker berücksichtigt worden. Der Minister wird auch in Zukun ft dafür Sorge tragen, daß den Wünschen der Handwerker nach Mög⸗ lichkeit Rechnung getragen wird. Eine Entscheidung über den Sitz des Kanalamtes ist bisher noch nicht getroffen worden. Ob dem Wunsche des Abg. Hasenclever stattgegeben werden wird, kann ich, jetzt noch nicht sagen, denn es haben sich selbstverständlich um dieses Kanalamt auch andere Plätze beworben. 1 8

Abg. Hue (Soz.) bemerkt, daß, wenn in Baypern die Zahl der Unglücksfälle höher ist als in Preußen, dies auf die Gewohnheit der Bevölkerung, namentlich auf den stärkeren Alkvholgenuß zurück⸗ zuführen sei. 1

Bei den Ausgaben für die Unterhaltung der staatlichen Dienstgebäude tritt

Abg. Linz (Zentr.) für den Bau eines neuen Regierungsgebäudes in Wiesbaden ein und schildert die mißlichen räumlichen Verhältnisse des jetzigen Regierungsgebäudes.

Geheimer Oberbaurat Saran: Es ist richtig, daß der bauliche Zustand des Regierungsgebäudes in Wiesbaden durchaus nicht mehr einwandsfrei ist. Es ist der Stadt Wiesbaden auch ein Bauplan vorgelegt worden, er hat aber nicht die Zustimmung der Stadt ge⸗ funden, weil er nicht den modernen Anschauungen der Städtebaukunst genügte. Die Stadt Wiesbaden hat dann mit Zustimmung der Re⸗ gierung einen Wettbewerb ausgeschrieben, und es sind zwei Baupläne eingelaufen, die für geeignet befunden wurden. Die Regierung wad dafür sorgen, daß der Bau so bald wie möglich in Angriff genommen wird. 8E16“

Bei der Unterhaltung der Seehäfen und Seeschiffahrts⸗ straßen bemerkt b her. von Wenden (kons.): Die Hafeneinfohrt von Kolberg muß unter allen Umständen vertieft werden. Der jetzige Zustand be⸗ deutet eine erhebliche Schädigung der Kolberger Kaufmannschaft. Wir müssen diesen Wunsch hier so lange vorbringen, bis er bei de Regierong Gehör findet. Den Einwand der Regierung, daß sich die erheblichen Mittel, die dazu aufgewendet werden müßten, nicht ren⸗

ländischen Bewerber vom Zuschlage ausgeschlossen werden sollten,

Dann erst wird es möglich sein, mit Bremen zu verhandeln und die Vünsche Lehes f das nachdrücklichste zu vertreten. Nach

ürden, kann ich nicht als zutreffend anerkennen. Könnten die

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in eine der Kommunen am. Rhein— Herne— Kanal zu verlegen. Ich möchte bitten, die Stadet