1914 / 54 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Preis eines Kunstgegenstandes zu finden, bleibt bestehen, mögen Sie nun in dem Gesetz „gemeiner Wert“ oder nur „Wert“ sagen. (Sehr richtig!)

Ich bitte also wiederholt, auch diesen Antrag ablehnen zu wollen.

Abg. Weissermel (kons.): Meine Freunde werden den Antrag des Abg. Linz ablehnen. Uns erscheint gerade dieser Antrag etwas zu erreichen, was das Gesetz vermieden wissen will, nämlich, daß die Liebhaberpreise des Auslandes auch bei uns im Inlande Platz greifen. Es können selbstverständlich bei Bemessung der Ent⸗ schädigung nur die Preise in Betracht kommen, die bei uns in Deutsch⸗ land gezahlt werden. Es muß natürlich der Preis gezahlt werden, den der Gegenstand im Kunsthandel hat. Dieser Wert könnte durch eine Sachverständigenkommission bestimmt werden.

Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Auch meine Freunde werden den Antrag ablehnen. Die ganze Struktur des Gesetzes bietet die genügende Gewähr dafür, daß eine richtige und angemessene Ent⸗ schädigung gezahlt wird. 1

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Auch wir lehnen den Antrag ab. Wird dieser Antrag angenommen, so wird Zweck und Ziel des Gesetzes illusorisch gemacht. —Abg. Linz (Zentr.) tritt nochmals für seinen Antrag ein. Der Antrag Linz wird abgelehnt, § 8 unverändert an⸗ genommen, ebenso § 9. .“

§ 10 bestimmt u. a.: 8 86

„Die Ablieferung kann nicht mehr verlangt werden, wenn selt der Anzeige der Entdeckung drei Monate oder, falls eine Ver⸗ pflichtung zur Anzeige nicht besteht, seit der Entdeckung 12 Monate verstrichen sind.“

Abg. Dr. von Zakrzewski (Pole) beantragt folgenden Zusatz:

„oder wenn der entdeckte Gegenstand von dem Berechtigten einem Privatmuseum überwiesen wird, welches genügende Sicherheit dafür bietet, daß derselbe der inländischen Denkmalspflege oder Wissen⸗ schaft nicht verloren gehen wird.“

Abg. Dr. von Zakrzewski (Pole): Die Privatmuseen tauschen ihre Kunstgegenstände gegenseitig aus. Die staatlichen In⸗ stitute veranstalten Auktionen. Das ist bei den privaten Museen bisber nie der Fall gewesen. Wenn von den privaten Museen die Zusicherung gegeben wird, daß der betreffende Gegenstand der in⸗ ändischen Denkmalspflege erhalten bleibt, so sollte man keine Be⸗ denken haben, den Privatmuseen die Kunstgegenstände zu überlassen.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:

Meine Herren! Die Privatmuseen sind ebenso wie jeder einzelne durch den § 9 geschützt. (Sehr richtig!) Die Ablieferung kann also nur verlangt werden,

wenn Tatsachen vorliegen, nach denen zu besorgen ist, daß der

Gegenstand wesentlich verschlechtert wird oder daß er der inländischen

Denkmalpflege oder Wissenschaft verloren geht. Wenn also ein Privatmuseum dergestalt geführt wird, wie es von dem Herrn Vorredner eben bezeichnet worden ist, wenn es den An⸗ forderungen, die an ein solches Museum zu stellen sind, nachkommt, dann kann niemand daran denken, ihm die Kunstgegenstände zu ent⸗ ziehen, die es in seinen Räumen aufbewahrt; denn der § 9 steht dem entgegen. Es würde nur dann möglich sein, einem Museum einen Gegenstand zu entziehen, wenn es durch seine Gebarung bewiesen hat, daß es den Anforderungen nicht entspricht, die man an ein solches Museum stellen muß. Ich glaube, daß der Herr Vorredner sich damit zufrieden erklären und seinen Antrag zurückziehen kann; denn ich nehme an, daß er nur solche Museen im Auge hat, die ihren Pflichten in gebührender Weise entsprechen. Bei diesen trifft § 9 zu, und es ist damit völlige Sicherheit gegeben, daß ihnen nicht wertvolle Gegenstände entzogen werden können.

Abg. Dr. von Zakrzewski zieht darauf seinen An⸗ trag zurück.

§ 10 wird unverändert angenommen, ebenso ohne De⸗ batte die übrigen Teile des Gesetzes.

In zweiter Beratung wird der Gesetzentwurf, be⸗ treffend Ausdehnung des Moorschutzgesetzes vom 4. März 1913 auf die Provin.zen Pommern und Schleswig⸗Holstein, ohne Debatte angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Dienstvergehen der Beamten der rIS Land-und Innungskrankenkassen. Nach der Vor⸗

8 8 24 4 5 4 4 8 2 4 82 lage finden auf diese Beamten die Vorschriften des Gesetzes von 1852 über die Dienstvergehen der richterlichen Beamten mit entsprechenden Aenderungen Anwendung.

Abg. von der Osten (kons.): Das Gesetz will die Beamten der Orts⸗, Land⸗ und Innungskrankenkassen bei Dienstvergehen den nichtrichterlichen Beamten gleichstellen. Eine Neuregelung dieser Frage halten wir für durchaus erwünscht. Es fragt sich, ob den be⸗ treffenden Beamten ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist. Meine Freunde bejahen diese Frage. Die Befugnis, Ordnungestrafen zu verhängen, steht dem Landrat als Vorsitzenden des Kreisausschusses bzw. dem Bürgermeister oder Gemeindevorsteher zu. Gegen die Strafverfügung kann Beschwerde beim Bezirksausschuß als erster Instanz, gegen dessen Beschluß Beschwerde beim Provinzialrat als zweiter und letzter Instanz erhoben werden. Wir halten dies für eine geeignete Grundlage für die Neuregelung des Disziplinarrechts der Beamten. Wesentlich ist, daß den Beamten der Orts⸗, Land⸗ und Innungskrankenkassen neben Rechten besondere Pflichten auferlegt sind, insbesondere der Treue und Gehorsam gegenüber dem Staat und dem Staatsobe haupte. Von diesem Fundamentalgrundsatze kann unter keinen Umständen abgewichen werden, da Rechte ohne entsprechende Pflichten auf die Dauer in einem geordneten Rechtsstaate undenkbar sind. Wollte man Rechte ohne entsprechende Pflichten statuieren, so würde dies unter Umständen zu einer Tyrannis der betreffenden Beamten führen. Meine Freunde sind der Ansicht, daß die Tyrannis in jeder Form und unter allen Umständen zu bekämpfen ist. Wir sind der Ansicht, daß eine Kommissionsberatung angezeigt erscheint, und zwar ist die Kommission für Handel und Gewerbe die geeignete Stelle, in der eine derattige Beratung vorgenommen werden kann. 8

Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Auch meine politischen Freunde sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf im wesentlichen ein⸗

Der Herr Vorredner hat sich nach den schönen Zeiten des alten

führt, daß ein Beamter schon entlassen wird, wenn er nur bei den Landtagswahlen einem sozialdemokralischen Wahlmann seine Stimme gibt. Das widerspricht der Reichsversicherungsordnung, nach der die außerdienstliche, religiöse oder politische Betätigung nicht zur Entlassung führen kann, sondern nur der Mißbrauch der dienstlichen Tätigkeit und des Amtes zu solcher Betätigung. Es handelt sich hier ja nicht um politische Beamte, sondern lediglich um Beamte zur Vermögensverwaltung. Wenn man dieses Gesetz zu einer Bekämpfung der Sozialdemokratie benutzen möchte, so müßten wir uns dagegen entschieden wenden. Wir hoffen, einen Ausgleich 5 nb Kommission zu finden, und begrüßen deshalb die Kommissions⸗ eratung.

Abg. Braun (Soz.): Der Gesetzentwurf ist in der vor⸗ liegenden Form eher geeignet, unsere Agttation zu fördern, als sie zu hemmen. Dennoch lehnen wir ihn ab, und wir halten auch eine Kommissionsberatung für zwecklos. Es liegt gar keine Not⸗ wendigkeit vor, gewissen Angestellten der Krankenkassen die Beamten⸗ qualifikation zu geben. Die preußische Regierung wollte seinerzeit durchsetzen, daß alle Angestellten der Krankenkassen zu kom⸗ munalen Beamten gemacht würden. s hat aber der Reichstag bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung in seiner Mehrheit abgelehnt. Es ist eigentümlich, daß die preußische Regierung jetzt versucht, das, was sie dort nicht erreichen konnte, im Wege der Landesgesetzgebung doch noch durchzusetzen. Die Krankenkassenbeamten verzichten gern auf die Rechte eines preußischen Beamten. Diese sind nicht so beneidenswert, daß man dafür die Pflichten auf sich nehmen möchte. Man braucht sich nur einmal das Disziplinargesetz daraufhin anzuseben, welche Pflichten da den Rechten gegenüber⸗ stehen. Der Regierung kommt es ja nur darauf an, die Beamten, die außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit ihrer politischen Ueberzeugung nachgehen, in die Hand zu bekommen. Aus diesem Entwurfe geht nicht mit genügender Klarheit hervor, was aber doch hervorgehoben zu werden verdient, daß es in der Tat noch möglich ist, gegen Unterbeamte Arreststrafen bis zu acht Tagen zu verhangen. Der Entwurf bringt lediglich eine Verschlechterung für die Beamten der Krankenkassen mit sich; deshalb lehnen wir ihn unbedingt ab. 8

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

Krankenversicherungsgesetzes zurückgesehnt. Ich kann das in den hier anstehenden Fragen von seinem Parteistandpunkt aus wohl verstehen. Die Vorstände der Krankenkassen wurden nach dem damaligen Gesetz durch einfache Mehrheit gewählt; zwei Drittel der Stimmen fielen auf die Arbeiter, ein Drittel auf die Arbeitgeber. Sie wählten zusammen, und das Uebergewicht der Arbeiterstimmen machte sich natürgemäß geltend. Es machte sich aber auch in den von der Sozial⸗ demokratie beherrschten Arbeiterkreisen das Uebergewicht der Sozialdemo⸗ kratie geltend (sehr richtig!), und es wurden die Vorstände der Kranken⸗ kassen häufig nicht nach dem Gesichtspunkt der persönlichen Eignung, fondern nach dem der politischen Gesinnungstüchtigkeitausgewählt. (Sehrrichtig!) Es ist das einer der Gründe, aus denen das Krankenversicherungsgesetz in der Organisation der Krankenkassen eine einschneidende Aenderung vorgenommen hat, was die Wahl der Vorstandsmitglieder betrifft. Das ist in der Begründung der Reichsversicherungsordnung auch an zwei Stellen angedeutet, und da der Herr Vorredner sich ja oft auf die Begründung bezogen hat, so wird er vielleicht auch hier deren Autorität anerkennen. Sie sagt auf Seite 119: Unter allen Umständen muß dafür gesorgt werden, daß die Kasse nicht in dieser oder jener Form zum Ausgangspunkt von Bestrebungen gemacht wird, die ihre Spitze gerade gegen die Arbeitgeberschaft als solche richten. Niemand wird dies bestreiten dürfen. Demgegenüber steht mindestens die Tatsache unleugbar fest, daß in überaus zahlreichen Fällen, in größeren Städten und in industriellen Gegenden sogar ganz überwiegend, die Kandidaten zu den Vorständen und Ausschüssen der Ortskrankenkassen von politischen oder gewerkschaftlichen Organisationen aufgestellt werden, und daß die Wahlen auch auf deren Namen hin erfolgen. (Hört, hört! rechts.) An einer anderen Stelle, auf Seite 125 heißt es: Namentlich taucht ungeachtet allen Widerspruchs der beteiligten Kassenverwaltung immer wieder der Vorwurf auf, daß politische Parteien da, wo ihre Mitglieder das Uebergewicht in den Organen der Krankenkassen erlangt hätten, auf alle Weise die alten, der Partei nicht angehörenden Kassenbeamten zu verdrängen und durch eigene Anhänger zu ersetzen wüßten. Bei der Auswahl aber soll es dann nur auf bewährte Rührigkeit für die Partei, nicht auf die sachliche Befähigung für die Stellengeschäfte ankommen. Bekanntlich hatte die Reichsoersicherung in ihrem Entwurf vor⸗ geschlagen, daß die Beiträge zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern nicht im Verhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln verteilt, sondern gleichmäßig gehälftet werden sollten, und daß dementsprechend jeder der beiden Gruppen die Hälfte des Stimm⸗ rechts zustehen sollte. Im Reichstag hat sich dafür keine Mehrheit gefunden, wohl aber hat der Reichstag eine andere Lösung gefunden, die auch getragen war von der Erwägung, daß die einseifige Partei⸗ herrschaft in den Krankenkassen nicht vöorwalten dürfe. Es ist die itio in partes für die Wahlen zum Vorstande, für die Feststellung der Dienstordnung usw. eingeführt worden. Bei den Verhandlungen im Reichstag ist von allen Parteien mit Ausnahme der Partet des Herrn Vorredners anerkannt worden, daß der frühere Zustand nach der von mir angedeuteten Richtung mangelhaft und änderungsbedürftig war. Der Ausfluß der damaligen Ansichten war die Annahme des § 359 der Reichsversicherungsordnung, welcher der Regierung das Recht gibt, gewisse Angestellte der Kassen zu Beamten zu erklären. Nun hat allerdings der Herr Vorredner mir den Vorwurf ge⸗ macht, daß die preußische Staatsregierung bei der Anwendung dieses § 359 der Reichsversicherungsordnung nach mehreren Richtungen gegen das Gesetz verstoßen habe. Zunächst in der Beurteilung der Voraus⸗ setzungen, unter denen ein Angestellter der Kasse zum Beamten erklärt werden könne. Das Gesetz gibt diese Befugnis in bezug auf die Beamten, die auf Lebenszeit oder nach Landesrecht unwiderruflich oder

verstanden. Der Wortlaut kann in einzelnen Fällen vielleicht zu Beanstandungen führen. Eine zweckentsprechende Verbesserung mit Rücksicht auf die deutsche Sprache kann da nichts schaden. Der Kommunalbeamte wird ersetzt durch den gemeindlichen Beamten; vielleicht läßt sich auch der Untersuchungskommissar durch den Unter⸗ suchungsleiter ersetzen. Wir stimmen jedenfalls der Kommissions⸗ atung zu. eu“ b g. tnng.; Lippmann Stettin (fortschr. Volksp.): Im Prinzip sind wir mit den Vorrednern einig. Dennoch haben wir Bedenken, ohne weiteres das Disziplinarverfahren, das im Gesetz vom 21. Juli 1852 eingeführt worden ist, hier zu übertragen. Die Frage, ob wir berechtigt sind, bei der Einführung eines Disziplinarverfahrens unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse M. obifikationen eintreten zu lassen, können wir mit der Regierung bejahen, da diese ja selbst in den folgenden Paragraphen Abweichungen eintreten läßt. Die Be⸗ stimmungen, daß ein außerdienstliches Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu den Beamten zu erschüttern, ist eine Kautschuk⸗ bestimmung, die nach der Judikatur de

s Oberverwaltungsgerichts dazu 11161“

mit Anrecht auf Ruhegehalt angestellt werden. Ich glaube, schon der Wortlaut läßt erkennen, daß es sich hier um drei selbständige Kate⸗ gorien handelt. Denn wenn man drei Gruppen durch zwei „oder“ verbindet, so koordiniert man sie. Der Herr Vorredner will dedu⸗ zieren, daß das letzte „oder“ eigentlich „und“ heißen müßte und liest: und mit Anrecht auf Ruhegehalt. Es steht aber nicht „und“, sondern „oder“ im Gesetz, und eine Anregung, dieses „oder“ durch „und“ zu ersetzen, ist in der Kommission nicht weiter verfolgt worden. Wohl aber ist im Plenum von dem Herrn Abg. Potthoff der Antrag gestellt worden, die Worte „oder mit Anrecht auf Ruhegchalt“ zu streichen, um zum Ausdruck zu bringen, daß es sich nur um Leute handeln solle, die auf Lebenszeit oder nach Landesrecht unwiderruflich angestellt seien. Dieser Antrag ist aber

*

- *

hat das richtig vorgetragen —, daß man die mit Anrecht auf Ruhe⸗ gehalt Angestellten neben den lebenslänglich oder nach Landesrecht unwiderruflich Angestellten besonders erwähnt hat, lag darin, daß in einzelnen Bundesstaaten, z. B. in Württemberg, die besondere Kategorie der mit Anrecht auf Ruhegehalt, aber nicht lebenslänglich, sondern kündbar angestellten Beamten vorkommt. Diese Kategorie kommt auch in Preußen vor. Wir haben nicht nur lebens⸗ länglich angestellte Kommunalbeamte, wir haben auch solche, die mit Pensionsberechtigung, aber kündbar angestellt sind. (Sehr richtig') Was für Württemberg gilt, das wird doch wohl auch für Preußen gelten. Wenn es in Württemberg zulässig ist, solche Leute zu Beamten zu machen, wird es auch in Preußen rechtens sein. Aus diesen Erwägungen halte ich die Auffassung, daß diese drei Gruppen der auf Lebenszeit oder nach Landesrecht unwiderruflich oder mit Anrecht auf Ruhegehalt angestellten Beamten nebeneinander stehen, und daß die Erfüllung auch nur einer dieser Voraussetzungen

genügt, um die Umwandlung des Angestellten zum Beamten zu er⸗

möglichen, für rechtlich begründet.

Nun sagt der Herr Vorredner weiter, die preußische Staats⸗

regierung habe gegen das Gesetz verstoßen, indem sie allgemein an⸗

geordnet habe, daß die Angestellten, die in dieser Weise beschäftigt

seien, zu Beamten gemacht würden. Es ist ganz richtig, daß die Ver⸗

sicherungsordnung in dem Entwurf vorschrieb, daß diese Angestellten

durchweg die Rechte und Pflichten der staatlichen und gemeindlichen

Beamten haben sollten. Es hieß da nicht: „die Landesregierung

kann übertragen“, sondern „sie hat zu übertragen“. Das hat der

Reichstag umgewandelt in „kann übertragen“ und er hat die Ueber⸗

tragung damit in das Ermessen der Staatsreglerung gestellt. Wenn

sie nun von dem Ermessen Gebrauch macht, so handelt sie doch

ganz gewiß nicht gegen das Gesetz. (Sehr richtig rechts.)

Ich möchte hier einen Grund, der für die Uebertragung spricht,

vorwegnehmen. Die Begründung sagt auf Seite 210:

Bei diesen großen Krankenkassen nähert sich die ganze Art der Ge⸗

schäftsführung in sehr weitgehendem Maße derjenigen der Gemeinde⸗

verwaltungen; damit rechtfertigt es sich, daß den in der bezeichneten

Weise lebenslänglich, unwiderruflich oder mit Anspruch auf Ruhe⸗

gehalt angestellten Beamten die vollen Rechte und Pflichten gleich⸗

artiger Staats⸗ oder gemeindlicher Beamten beigelegt werden.

Dies bezieht sich auch auf das Verfahren um den Instanzenzug in Disziplinarangelegenheiten.

Es kommt noch ein anderer Gesichtspunkt dazu. Die Beamten erhalten dadurch auch eine gewisse Sicherheit gegen vorzeitige willkür⸗ liche Entlassung, besonders die auf Kündigung angestellten. Gerade darunter haben bei dem früheren Krankenversicherungsgesetz auch viele Krankenkassenangestellten gelitten, daß, wenn ein Wechsel in der politischen Richtung des Kassenvorstandes eintrat, die alten, wenn auch bewährten Angestellten fortgeschickt wurden.

Nun hat der Herr Vorredner weiter beanstandet, daß die Be⸗ stimmung im zweiten Absatz des § 359 von der preußischen Staats⸗ regierung zu weit ausgedehnt sei. Er sagt, es steht da: die Re⸗ gierung kann anordnen, daß mindestens die Eeschäftsleiter in dieser Weise angestellt werden; er hat dann hinter: „die Geschäftsleiter“ gesagt: „also der Geschäftsleiter“. Das ist schon ein Unterschied. Er hat ferner behauptet, daß man als Geschäftsleiter nur den Kassen⸗ und Rechnungsführer ansehen könne. Daß die Reichsversicherungs⸗ ordnung selber nicht auf diesem Standpunkt steht, ergibt sich aus der Begründung zu § 361. Da ist der Begriff Geschäftsleiter noch einmal wiederholt. Es heißt in § 361:

Für geschäftsleitende Beamte oder Angestellte gilt § 23 Abs. 1 entsprechend.

§ 23 enthält nämlich die Bestimmung über die Haftung für getreue Verwaltung. Da sagt wider die Begründung:

Die Haftung für getreue Verwaltung, die § 42 des Kranken⸗ versicherungsgesetzes für die Rechnungs⸗ und Kassenführer ausspricht, muß im Hinblick namentlich auf den erweiterten Geschäftsumfang zentralisierter Kassen auf alle ihre geschäftsleitenden Angestellten und Beamten ausgedehnt werden.

Damit ist also von selbst anerkannt, daß es bei großen Kassen mehr als einen Geschäftsleiter gibt.

Endlich hat dann der Herr Vorredner der Regierung einen Vor⸗ wurf daraus gemacht, daß sie eine Musterdienstordnung an die Ver⸗ sicherungsämter, zur Kenntnis auch der Kassenverwaltungen, verteilt habe, in der Vorschläge über die Auswahl geeigneter Beamten im Wege der Prüfung gemacht sind. Ich muß nun zurnächst bemerken, daß diese Musterdienstordnung nicht aufoktroyvert werden kann. Sie in, em Vorschlag; zu beschließen haben über die Dienstordnung in ge⸗ trennter Abstimmung die Vertreter der Arbeitgeber und die Vertreter der Arbeitnehmer, und wenn sie sich einigen, dann haben sie es auch in der Macht, was sie hineinschreiben wollen, vorbehaltlich nur der Genehmigung der Dienstordnung durch das Oberversicherungsamt⸗ das die Genehmigung nach § 355 nur in ganz beschränkten Fällen versagen darf.

Sachlich halte ich den in der Musterdienstordnung vorgeschlagenen Weg für richtig. Wir haben auch hier gesucht, dazu beizutragen, daß fachlich tüchtige Leute an die Spitze dieser großen Kassen kommen, und daß eben sachliche Eignung das Entscheidende dafür sei.

Ich gebe zu, daß durch die Anwendung der Befugnis, Angestellte der Krankenkassen zu Beamten zu machen, diesen Beamten eine gewisse Beschränkung auferlegt wird. Sie haben nach dem Gesetz alle Rechte und Pflichten der entsprechenden kommunalen Beamten. Das ist aber auch der Zweck der Bestimmung. Sie sollen sich eben in der Agitation Schranken auferlegen; denn sie verwalten das Ver⸗ mögen nicht nur von Leuten ihrer Partei, sondern auch von solchen anderer Parteien und auch von den Arbeitgebern, die dazu beigetragen haben. (Sehr richtig!) Nicht um die Leute unter eine Fuchtel zu bringen, sondern um eine objektive, sachliche, von Nebenrücksichten nicht geleitete Kassenverwaltung sicherzustellen, hat die preußische Regierung in möglichst weitem Maße von der Befugnis, die An⸗ gestellten der Krankenkassen zu Beamten zu machen, Gebrauch gemacht. (Bravo!)

Abg. Gronowski (Zentr.): Wir stimmen dem Antrag auf Kommissionsberatung zu. Von den zu Beamten erklärten Angestellten der Krankenkassen kann man dasselbe verlangen, wie von den anderen Beamten. Es soll kein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokraten geschaffen werden. Durch dieses Gesetz soll aber der Miß⸗ brauch verhindert werden, der mit dem Gesetz getrieben wird.

Fortsetzung in der Dritten Beilage.) * 8

abgelehnt worden. Die Veranlassung dafür der Herr Vorredner

(Fortsetzung aus der Zweiten Beilage.)

Das liegt nicht nur im Interesse der Gesamtheit der 2 mitglieder, sondern auch im Interesse der 11“” 8 Reichstage haben die gesamten bürgerlichen Parteien für die Reichs⸗ versicherungsordnung gestimmt. Ungeeignete Elemente dürfen nicht mit der Führung der Kassengeschäͤfte betraut werden. Es kann nicht bestritten werden, daß die Sozialdemokratie da, wo sie die Herrschaft hatte, diese Herrschaft rücksichtslos aus⸗ eübt hat. Wenn die bürgerlichen Parteien sich dagegen wenden, so ann ich darin keine Entrechtung der Sozialdemokratie erblicken. Wenn der Abg. Braun gesagt hat, es werde keine Politik in den Krankenkassen getrieben, so entspricht das nicht ganz der Wahrheit. Die Sozialdemokraten haben in der Reichstagskommission das Material der Regierung nicht vollständig entkräften können. Sie haben das Wahlrecht zu den Krankenkassen sogar verschlechtert. In Süddeutschland ist es nicht besser als in Norddeutschland. Sowohl gegen sozialdemokratische als auch gegen bürgerliche Beamte kommt das Gesetz zur Anwendung. Mit diesem Gesetz wird nicht bloß die Beamtenschaft, sondern auch die Mitgliedschaft zufrieden sein.

Abg. Gamp⸗Oblath (freikonsv.): Es ist selbstverständlich, daß Beamte, die gegen das Gesetz verstoßen, aus dem Amte entfernt werden müssen. § 359 enthält in dieser Beziehung keine Ausnahme⸗ bestimmung. Schon § 357 sieht vor, daß Angestellte gegen den Willen des Vorstandes entlassen werden können, wenn das Ver⸗ sicherunggamt den Vorstand zum Ausspruch der Kündigung ersucht. Wenn der Abg. Braun behauptet hat, die Kassen trieben keine Politik, so wird er das wohl nicht aufrecht erhalten können. Das ist nicht nur in früherer Zeit geschehen, sondern geschieht auch in der Gegenwart, z. B. bei der Charlottenburger Krankenkasse. Die Kasse in Schöneberg hat den „Vorwärts“ empfohlen und erläßt darin ihre Publikationen. Hoffentlich wählt die Mehrzahl der Arbeitnehmer diese Zeitung nicht zu ihrer Lektüre. Die Publikation in einem solchen ausgesprochenen Parteiblatte führt dazu, daß die Mitglieder, die sich orientieren wollen, das Blatt lesen müssen. Hoffentlich wird die Regierung in dieser Beziehung eine Remedur eintreten lassen. In einer kleinen Stadt, wo die Sozialdemokratie in der Kassenver⸗ waltung die Majorität hat, hat man verlangt, daß die Beratungen im Vereinslokal stattfinden. Wir sind damitt einverstanden, daß der Entwurf der Kommission für Handel und Gewerbe überwiesen wird.

Abg. Braun (Soz.): Daß die Ortskrankenkasse in Schöneberg als Publikationsorgan den „Vorwärts“ benutzt, halte ich nicht für richtig. Ich habe immer die Ansicht vertreten, daß die Krankenkassen möglichst alle von ihren Mitgliedern gelesenen Zeitungen für ihre Publikationen benutzen mögen. Es ist selbstverstandlich, daß wir da, wo wir die Mehrheit haben, diejenigen Leute anstellen, zu denen wir Vertrauen haben. Die Konservativen werden ja auch nicht Sozial⸗ demokraten anstellen, wo sie die Uebermacht haben. Es liegt im Interesse der Krankenkassenverwaltung, wenn die Angestellten von ihren Auftraggebern abhängig sind. Wir haben gar nicht gewünscht, daß die Angestellten der Krankenkassen Beamtenqualifikation erhalten. Es kommt der Regierung nur darauf an, durch das neue Gesetz die Sozialdemokraten von der Krankenkassenverwaltung aus⸗ zuschlteßen. Dadurch aber schließt sie die Vertreter der Arbeiterschaft üiberhaupt aus, denn die sezialistischen Grundsätze sind gleichbedeutend mit der Interessenvertretung der Arbeiter und Versicherten.

Abg. Gronowski (Zentr.): Der Gesetzentwurf will nur verhindern, daß in Zukunft unwürdige Beamte angestellt werden. Auf diesem Wege sollten uns doch auch die Sozialdemokraten entgegen⸗ kommen. Wir haben eine ganz andere Auffassung von den sozialisti⸗ schen Grundsätzen und der Arbeitervertretung als der Vorredner. Die Reichsversicherungsordnung stellt keine Entrechtung der Arbeiter dar, sondern sie ist eine wesentliche Verbesserung unserer sozialen Gesetze, und diese wesentliche Verbesserung wird durch keine radikale Rede aus der Welt geschafft werden. Wir erkennen dankbar an, was bisher geschehen ist. Wir lehnen es aber ab, Grundsätze zu vertreten, die die Sozialdemokratie als im Interesse der Versicherten bezeichnet.

Die Debatte wird geschlossen.

Die Vorlage wird der Kommission für Handel und Ge⸗ werbe überwiesen.

Darauf wird die zweite Beratung des Staatshaus⸗ haltsetats für 1914 bei dem Spezialetat der Han⸗ dels⸗ und Gewerbeverwaltung fortgesetzt.

Bei den Einnahmen der Navigationsschulen spricht Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) den Wunsch aus, daß endlich auch für die Stromschiffer namentlich auf dem Rhein, die Nachtruhe und Sonntagsruhe gesetzlich eingeführt wird.

Bei den Einnahmen aus den Eichämtern bemerkt

Abg. von Goldacker k(kons.): Die für alle zwei Jahre vor⸗ geschriebene Nacheichung der Wagen ist für die mittleren und kleineren Landwirte eine große Belästigung, diese verkaufen ihr Getreide in kleinen Mengen an den Händler, und schließlich wird ja alles auf den amtlichen Wagen gewogen. Durch die Nacheichung haben die Leute immer Reparaturkosten an den Wagen, die sich auf 4 oder 5 be⸗ laufen können. Die Eichämter könnten vielleicht eine gutachtliche Kontrolle über die Reparaturkosten ausüben, damit diese nicht nach dem Belieben des Schlossers zu hoch geschraubt werden. Auch sind die Gebühren für die Eichung zu hoch, da auch sämtliche Gewichte ab⸗ gestempelt werden müssen. Von den Geschäftsleuten werden ferner Klagen geführt, daß die Eichmeister den Verkauf von Wagen ver⸗ mitteln; ein Beweis dafür liegt allerdings in keiner Weise vor. Sollte aber eine solche Vermittlung stattfinden, so müßte ihr im Interesse des Mittelstandes energisch entgegengetreten werden. Wenn alle Wagen geeicht werden müssen, so sollte ebenso auch eine Eichung der Kohlentransportwagen vorgeschrieben werden, bei denen man nie weiß, ob sie das bestimmte Maß enthalten.

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

Meine Herren! Vielleicht darf ich, ehe ich die letzten Bemerkungen beantworte, noch auf eine von dem Herrn Abg. Dahlem gestellte Frage eingehen. Wir sind seit längerer Zeit bestrebt, die Sonn⸗ tagsruhe und die Nachtruhe der Schiffsmannschaften auf den

großen Strömen, vor allem auf dem Rheinstrom, durch polizei⸗ liche Bestimmungen zu regeln. Es wird seit Jahren darüber ver⸗ handelt. Die lange Dauer der Verhandlungen ist ein Beweis dafür, wie schwer cs ist, hier in einer gleichzeitig den Anforderungen des Betriebes und den berechtigten Ansprüchen der im Betriebe be⸗ schäftigten Personen Rechnung tragenden Weife zum Ziele zu kommen. Jedenfalls bleiben wir bemüht, in bezug auf den Rheinstrom eine Regelung der Sonntagsruhe und der Nachtruhe der schiffahrttreibenden Bevölkerung herbeizuführen.

Was nun das Eichwesen nach den Angaben, die mir gemacht sind, nicht, daß hier und da Klagen über das Vorgehen der Beamten vor⸗ gekommen sind. Ich kann nur versichern, daß, wenn sie zur Kenntnis der den Beamten vorgesetzten Behörden gelangen, das Erforderliche

betrifft, so bezweifle ich

„Mittwoch, den 4. März

Vorredner mitteilt, Wagen vertreibt oder verkauft, ist uns nichts be⸗ kannt. Wenn das geschähe, so müßte es natürlich abgeschafft werden.

Was die Reparaturkosten betrifft, so können sie freilich lästig werden, aber ich weiß nicht, wie die Verwaltung auf die Höhe der Reparaturkosten Einfluß üben soll. Die Reparaturen werden ja da, wo die Wagen reparaturbedürftig sind, von Privathandwerkern vor⸗ genommen.

Was endlich die Frage angeht, wie es in den Städten mit den⸗ jenigen Wagen, in welchen Kohlen transportiert werden, gehalten werde, so hängt es davon ab, ob diese Wagen zugleich das Maß dar⸗ stellen, die Einheit, wonach verkauft wird; in diesem Falle müssen sie geeicht werden.

AöAbg. Wenke ffortschr. Volksp.): Es ist unbedingt notwendig, daß die Nacheichungen an dem Orte selbst vorgenommen werden, da⸗ mit nicht der Gewerbetreibende, der seine Wage braucht, sie tagelang entbehren muß. b

Die Einnahmen werden bewilligt. 1 Bei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel „Geh alt des Ministers“ wird auf Vorschlag des Berichterstatters Abg. Oeser (fortschr. Volksp.) die Frage der Sicherung der Bauforderungen aus der allgemeinen Be⸗ sprechung ausgeschieden. 3 1 Das Haus verhandelt zunächst über den Antrag der Abgg. Dr. von Krause⸗Königsberg (nl.) und Genossen:

„die Regierung zu ersuchen, im Bundesrate dahin zu wirken,

daß rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, die bei der in Aussicht stehenen Neuregelung der handelspolitischen Verhältnisse einen wirksamen Schutz der deutschen wirtschaftlichen Interessen gewährleisten“.

Abg. Dr. Beumer (nl.): In der Frage der Wirtschaftspolitik stehen sich die Anschauungen der Produzenten und der Konsumenten gegenüber. Der Standpunkt der Nurkonsumenten ist ein ganz ein⸗ seitiger. Die Nurkonsumenten sind verhältnismäßig gering an Zahl. Die Nurkonsumenten sitzen ja nicht einmal in den Kreisen der Beamten, denn die angemessene Besoldung unserer Beamten ist ebenso von der Blüte und dem Gedeihen unseres Wirtschaftslebens abhängig. wie auch die Erfüllung aller Kulturaufgaben nur möglich ist auf der Grundlage einer gut geleiteten Wirtschaftspolitik. Also bleibt eigentlich als Nurkonsument nur nech übrig der Professor auf dem Katheder, der nicht auf sein Gehalt und seine Bezüge an⸗ gewiesen ist, sondern mit Glücksgütern gesegnet ist und sich im Zu⸗ stande der gesatrigten Unschuld um die Produktion nicht zu kümmern braucht. Ich erinnere Sie nur an Professor Brentano. Das ist wie die Geschichte von dem Hahn und der Henne: dort sagt die Henne zum Hahn: Du hast es besser als ich, du brauchst keine Eier zu legen. Wir, die wir der wirtschastlichen Pro⸗ duktion näher stehen, haben nur ein Interesse an der Orientierung unserer Wirtschaftspolitik aus der Produktion heraus. Wir können uns nicht um das Krähen solcher Hähne kümmern, sondern wir müssen statt auf Worte auf Taten sehen. Ich glaube, die etwas petrefakt gewordene Anschauung des reinen Freihandels verlassen zu können, nachdem auch bedeutende frühere Anhänger des Frethandels mehr und mehr davon ab⸗ pekommen sind. Unser Antrag hat wie alle Erscheinungen eine Ursache und eine Veranlassung. Die Ursache liegt in der Not⸗ wendigkeit, diese Frage zu lösen, wenn unsere Handelsverträge im Jahre 1917 erneuert werden. Die Veranlassung gibt die Rede, die der Staatssekretär Dr. Delbrück im Reichstag gehalten hat. Er hat ausgeführt, das Ziel unseres Strebens sei, die Weltwirtschafts⸗ und Handelspolitik in sicheren Bahnen zu führen. Soweit sich zur⸗ zeit übersehen lasse, liege für uns keine Veranlassung vor, eine neue Regelung herbeizuführen. Es bestehe daher nicht die Absicht, dem Reichstage eine Novelle zum Zolltarif vorzulegen. Mit dieser Rede des Staatssekretärs Dr. Delbrück könnte man vollständig einverstanden sein, wenn das Ausland in derselben Weise darauf geantwortet hätte: „Auch wir sind entschlossen, an den bisherigen Vertragsverhältnissen festzuhalten./ Wie Sie wissen, ist das aber leider keineswegs der Fall gewesen. Zunächst wird seitens der österreichischen Regierung am 22. Januar, also zwei Tage nach der Rede des Staatssekretärs im Reichstag, im „Wiener Fremdenblatt“ geschrieben, es werde Sache der K. orporationen der Monarchie sein, zu dieser Kundgebung des Deutschen Reiches Stellung zu nehmen, und es werde Aufgabe der Regierung sein, im einzelnen zu prüfen, ob die österreichischen Interessen sich damit vereinbaren ließen. Da noch zwei Jahre Zeit sei, so sei ein genügender Spielraum zur Prüfung dieser Verhältnisse vorhanden. Es heißt dann: Die deutsche Reichsregierung scheint es vorziehen zu wollen, möglichst eine bloße Verlängerung des Handelsvertrages ein⸗ treten zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß die einfache Verlangerung undenkbar ist, und daß gewisse Revisionen durch Zusatzanträge geschlossen werden müssen. Dazu bemerkt selbst die „Freisinnige Zeitung“ in Berlin, das wichtigste an dieser Auslassung sei, daß sich die öͤster⸗ reichische Regierung mit einer einfachen Verlängerung des Vertrages nicht zufrieden gebe. Eine ähnliche Kundgebung haben wir aus Ruß⸗ land. Dort hat ein Minister erklärt, die Regierung werde alle Maß⸗ regeln tieffen, damit die Verhandlungen unter für Rußland günstigen Bedingungen geführt würden. Er werde die Interessen der russischen Industrie und des russischen Handels wahren. Man hat sich unter⸗ dessen in Rußland einer fleißigen Arbeit gewidmet. Eine Prüfung der russischen Holzausfuhr hat ergeben, daß Deutschland im vergangenen Jahre für 156 Millionen Rubel russisches Holz eingeführt hat. In bezug auf die landwirtschaftlichen Produkte sind ebenfalls um⸗ fangreiche statistische Erhebungen in die Wege geleitet worden. Die Handelsverträge sind ein kaufmännisches Geschäft im besten Sinne des Wortes, und es ist natürlich, daß man dabei einen möglichst großen Vorteil sucht. Aber zu sagen, ich habe nichts mehr nötig, das heißt doch, für Handelsverträge die wichtigsten Waffen von vornherein aus der Hand geben. Unser Antrag hat den Zweck, darauf hinzu⸗ wirken, daß rechtzeitig die Waffen geschliffen werden, die notwendig sind, um zufriedenstellende Handelsverträge abschließen zu können. Daß diese Waffen erst geschliffen werden, wenn von der anderen Seite die Kündigung eingetreten ist, das würde ich für eine sehr große Gefahr für unsere deutschen wirtschaftlichen Interessen halten. Das „Hamburger Fremdenblatt“ hat erklärt, daß & die Taktik des Staatssekretäts Helbrück in der Wirtschafts politik nicht mehr Efhes könne. Ich habe inbezug auf die kritische Stellung des „Hamburger Fremdenblatts“ dem Staatssekretär Delbrück gegenüber nichts hinzuzufügen. Wenn der Staatssekretär glauben sollte, innere Kämpfe zu vermeiden dadurch, daß er keine Tarifnovelle vorlegt, so ist diese Ansicht nicht richtig. Kann er denn annehmen, daß er diese inneren Kämpfe ver⸗ meiden wird, wenn er neue Handelsverträge oder eine Ver⸗ längerung der Handelsverträge oder Zusatzverträge einbringt? Wir haben bei den Handelsverträgen, die wir auf Grund unserer Zoll⸗ tarifnovelle von 1902 abgeschlossen haben, ganz entschieden an eine Reihe von Staaten unsere Meistbegünstigungsobjekte viel zu billig verkauft. Daß wir bei unseren künftigen Handelsbeziehungen die Meistbegünstigungsklausel und vor allen Dingen den Verkauf der Meistbegünstigungsobjekte

veranlaßt werden wird. Davon, daß ein Eichmeister, wie der Herr

——

aatsanzeiger.

und industriellen Kreisen Einigkeit. Es ist eine Gefahr für unser Vaterland, wenn wir immer soviel von unserem Reichtum reden⸗ Auf eine gute Konjunktur kann auch sehr bald eine schlechte folgen. Die jüngere Generation hat den Tiefstand unseres Wirtschafts⸗ lebens nicht erlebt, der in den 70er Jahren eintrat, als die Eisenzölle aufgehoben wurden. Ich habe damals diese Zeit mit⸗ erlebt. Ich habe wohlhabende Familien an den Bettelstab kommen sehen und ich habe Hunderttausende von Arbeitern am Hungertuche nagen sehen. Weil die Bergleute in West⸗ falen sich keine neuen Röcke kaufen konnten, mußten die Tuch⸗ macher in der Mark und die Spinner im Vogtlande hungern. Es wurde mit den Hochöfen in Niederschlesien zugleich das Feuer auf den Kochherden vieler Arbeiter in unserem Vaterlande aus⸗ geblasen. Angesichts dieses nationalen Notstandes habe ich damals als ein junger Mann mit lockigem Haare auf die Notwendigkeit einer Aenderung unserer Wirtschaftspolitik schon hingewiesen. Wer die Zeiten damals erlebt hat, der betrachtet die Erneuerung unserer Handelsverträge unter einem ganz anderen Gesichtspunkte, als das vielfach unsere jüngere Generation tut. Die „Vossische Zeitung“ stellte Bismarck als Fachmann dem Präsidenten des Reichskanzleramtes Delbrück gegenüber, und Eugen Richter schrieb: ehe Bismarck nicht sein Amt niederlegt, wird Deutschland nicht zur Ruhe kommen. Der Erfolg der Bismarckschen Wirtschaftspolitit zeigte sich aber schon in den achtziger Jahren in einem ganz über⸗ raschenden Maße. Die preußische Regierung sollte sich jetzt bei der Neuregelung der Handelsverträze zur Pflicht machen, ein Vorbild im Auge zu behalten: Bismarck den Großen.

Nach 4 ½ Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung des Handelsetats auf Mittwoch 11 Uhr.

Handel und Gewerbe.

n Reichsamt des Innern „Nachrichten für Handel, und Landwirtschaft“.)

8 Britisch Guayana.

Vorschriften über die Beschaffenheit der in den Handel gebrachten Milch. Laut Gesetzes vom 26. Juli 1913 Nr. 13 (The Sale of Food and Drugs fStandards of Purity] Ordinancçe 1906,. Amendment Ordinance 1913), das an einem noch durch Proklamation bekannt zu gebenden Tage in Kraft treten soll, sind die bisher für die Beschaffenheit der zum Verkauf kommenden Milch geltenden Bestimmungen abgeändert worden.

Danach soll niemand zum Schaden des Käufers irgend welche Lebensmittel oder Drogen in anderer Art und Beschaffenheit verkaufen, als sie vom Käufer verlangt werden; eine Zuwider⸗ handlung hiergegen soll jedoch in folgenden Fällen nicht an⸗ genommen werden: 1) wenn Milch mehr als 3 ¼ v. H. Butterfett und mindestens 8 ½ v. H. nicht fettige feste Bestandteile enthält; 2) wenn eingedampfte Milch mehr als 10 v. H. Butterfett und min⸗ destens 11 % v. H. Stickstoff enthält; 3) wenn auf den Blech⸗ oder anderen Behästern von eingedampfter Milch quer über die Etikette die Worte „skimmed milk“ (abgerahmte Milch) oder „separated milk“ (abgeschiedene Milch) und die Angabe „uUnfit for the use of children and invalids“ (ungeeignet zum Gebrauch für Kinder und Kranke) groß und leserlich in roter Schrift gedruckt oder darauf an⸗ gebracht sind und solche eingedampfte Misch mindestens ½ v. H. und 1 ½6 v. H. Stickstoff enthält. (The Board of Trade Jourhal.

tellten

Hongkong. Absatz von Tabakfabrikaten. 8

Zigarren. Der Konsum an Zigarren ist recht bedeutend. Man findet alle möglichen Sorten und Preislagen. Den Hauptanteil liefert das benachbarte Manlla, daneben kommen Deutschland, Holland und Havana als Produktionsländer in Betracht. Auf dem Hongkon gegenüber liegenden Festland (Kowloon) befindet sich eine Fabrik, die aus Manila bezogene Tabake verarbeitet. Außerdem gibt es eine Menge kleinerer Zigarrenfabriken in chinesischem Besitz in Hongkong, die Zigarren in ziemlichen Quantitäten zu äußerst billigen Preisen auf den Markt bringen. Die Chinesen wenden sich mehr und mehr der Rauchen von Zigarren zu, meistens schweren Manilazigarren.

Zigaretten: Nach wie vor behauptet die British⸗American Tabacco Company das Feld. Außerdem sind für den verwöhnteren Geschmack der Europäer ägyptische, türkische und Virginiazigaretten zu haben. Türkische Zigaretten, in London gemacht, in luftdichten Büchsen verpackt, kommen in letzter Zeit in Aufnahme. Rauchtabake: Es kommen hierbei fast ausschließlich englische und amerikanische Tabake, sowohl geschnitten und in Büchsen verlötet, als auch in Platten gepreßt, in Frage. Deutsche Pfeifentabake werden so gut wie nicht eingeführt. (Aus einem Bericht des Kaiser⸗ lichen Konsulats in Hongkong.) ““

Konkurse im Auslande. Galizien.

Konkurs ist eröffnet über das Vermögen des „Giro⸗ und Creditverein in Przemysl, reg. enossenschaft mit beschr. Haftung“ mittels Beschlusses des K. K. Kreisgerichts, Ab⸗ teilung 1V, in Przemysl vom 25. Februar 1914. Nr. S. 1/14 (2). Provisorischer Konkursmasseverwalter: Dr. Wlodzimierz Zahajkiewicz, Advokat in Przemysl. Wahltagfahrt (Termin zur Wahl des desinitiven Konkursmasseverwalters) 9. März 1914, Nachmittags 4 Uhr. Die Forderungen sind bis zum 8. April 1914 bei dem genannten Gerichte in Przemysl anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Przemysl 1111““ naen machen. Liqui⸗ ierungstagfahr ermin zur Feststellung der Ansprüche) 29. Apri 1914, Potmittags 10 Uhr. b fürsh. Bulgarien.

Ueber das Vermögen der Firma Nedko Georgieff in Aitos ist durch Beschluß des Burgaser Kreisgerichts das Konkursverfahren eröffnet worden. Einstweiliger Massenverwalter: Advokat Radi Tschakiroff in Burgas. Anmeldefrist bis zum 14. März 1914. Prüfungstermin: 21. März 1914. Zur Vertretung von Gläubigern werden die Rechtsanwälte Kr. Mirsky und Dr. A. J. Pantoff in Varna namhaft gemacht.

8

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts

am 3. März 1914.

Oberschlesisches Revier 8 Anzahl der Wagen este 8688690

8 n Ruhrrevier

Niach dem Abschluß der Revision Treuhand⸗Aktien⸗Gesell⸗ schaft für 1913 stellen sich laut Meldung des W. T. B. aus Berlin die Einnahmen aus Revisionen, Verwaltungen, Steuerabteilung usw. auf 808 517 (im Vorjahre 605 454 ℳ), aus Zinsen auf 20 839

sehr unter die Lupe nehmen müssen, darüber herrscht in Handels⸗

(20 723 ℳ). Demgegenüber betragen die Gehälter und sonstigen Un⸗