1914 / 65 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

74

SqrAꝑ

——

kommen innegehalten werden muß. Aber auch darüber hinaus

besteht bei uns der Wunsch, daß die Geltungsdauer des Abkommens,

wie in der Budgetkommission angenommen worden ist, auf zwei Jahre verlängert wird, und wir werden deshalb den Zentrums⸗ antrag, der die Geltungsdauer nur auf ein Jahr verlängern will, ablehnen. Das Abkommen trägt den Charakter eines Pro⸗ visoriums, daher ist eine Verlängerung seiner Geltungsdauer über zwei Jahre hinaus in keiner Weise zweckmäßig und erwünscht. Nachdem fünf fette Jahre hinter uns liegen, müssen wir uns doch auch auf die mageren Jahre, die vor uns liegen, einrichten. Wir stehen augenblicklich am Anfange einer Depression, das geht auch aus den Zahlen des Etats hervor. In dem Etat ist nur eine geringe Progression der Einnahmen veranschlagt. Wie stark die Depression sein wird, kann heute noch niemand übersehen. Es wird aber wünschenswert sein, daß wir wenigstens für eine gewisse Zeit auch das Ergebnis dieser Depression übersehen können. Wenn wir nun im übernächsten Jahre bereits vor einer Neuregelung des Abkommens stehen, so würden wir ja vielleicht einen gewissen Anhaltspunkt dafür aus dem Ergebnis des Jahres 1914 haben. Aber das gesamte Er⸗ gebnis des Jahres 1914, in welchem die kommende Depression sich geltend machen wird, wird uns dann noch nicht abgeschlossen vor⸗ liegen, und wir werden zu einer klaren Uebersicht der Angelegenheit noch nicht kommen können. Da wir aber im Jahre 1916 mit wirk⸗ lichen und nicht mit veranschlagten Zahlen rechnen müssen, so ist es notwendig, das Abkommen auf zwei Jahre zu verlängern. Es ist mit vollem Recht angeregt worden, daß der Ausgleichsfonds in seiner Höhe nach irgend einer Richtung hin begrenzt wird. Es würde doch ein Unding sein, wenn wir auf der einen Seite ungemessene Summen in dem Reservefonds aufhäufen und auf der anderen Seite Steuer⸗ zuschläge erheben, also die Steuerzahler in außerordentlicher Weise belasten. Es ist der Vorschlag gemacht worden, den Ausgleichsfonds auf 500 Millionen Mark zu begrenzen. Ich würde es für richtiger halten, ihn auf einen gewissen Prozentsatz des statistischen Anlage⸗ kapitals zu begrenzen, denn mit der Größe des Betriebes muß auch die Größe des Ausgleichsfonds wachsen. Aber definitive Stellung können wir zu all diesen Fragen jetzt noch nicht nehmen, wir müssen erst das Ergebnis der nächsten zwei Jahre abwarten. Ueber die wirtschaftliche Seite des Etats hat uns der Minister und der Berichterstatter interessantes Material gelirfert. Die wirtschaftliche Entwicklung beruht in erster Linie auf der ge⸗ steigerten T“ und der Ausgestaltung des Apparates. In den letzten Jahren ist auf diesem Gebiete ganz Außerordentliches geleistet worden; vielleicht wird kaum eine Zeit wiederkommen, wo so große Summen geleistet werden müssen, wie sie geleistet sind. Der Minister hat hierzu einen Erlaß herausgegeben, daß in Zukunft wieder etwas wirtschaftlicher verfahren werden möge. Der Minister wollte damit wohl nicht andeuten, daß die Bautätigkeit eingeschränkt werden soll, sondern darauf hinweisen, daß in den beiden letzten Jahren manche Versäumnisse früherer Jahre gutgemacht worden sind. Darin kann ich ihm nur recht geben, daß wir wieder zu normalen Verhält⸗ nissen kommen müssen. Mit einem gewissen Recht hat er auch darauf hingewiesen, daß die Grunderwerbskosten vielfach ganz exorbitant ge⸗ wesen sind. Gerade auf diesem Gebiete könnte die Eisenbahnver⸗ waltung vielfach zweckmäßiger und wirtschaftlicher arbeiten. Das Gelände, das, unmittelbar an der Eisenbahn liegend, zum Ankauf in Aussicht genommen ist, ist gewöhnlich in der Zwischenzeit erheblich teurer geworden. Es kommen aber auch Fälle vor, wo von einem Grundstück nur ein Teil gekauft wird; hätte die Eisenbahnverwaltung das ganze Grundstück gekauft, so hätte sie oft nur einen ganz geringen Betrag mehr zu zahlen brauchen. Sie ware dann sehr viel besser ge⸗ fahren, wenn sie den nicht gebrauchten Teil selbst verkauft hätte. Was die Neubeschaffung des Apvarates betrifft, so ist mir über Wagenmangel in den letzten Jahren nichts bekannt geworden. Der Minister wird wohl das Rechte treffen, wenn er auf dem jetzt beschrittenen Wege fort⸗ fährt und mit der Neubeschaffung des Wagenparks nicht Halt macht. Der Berichterstatter hat zu meiner Freude nicht eine allgemeine Ermäßsaung der Gütertarife verlangt. Der Minister hat in der Kommission darauf hingewiesen, daß schon die kleinste Ermäßigung der Gütertarife für die Eisenbahnverwaltung von der allergrößten Bedeutung ist; eine Ermäßigung der Abfertigungsgebühr um zwei Pfennig für 100 kg würde schon einen Ausfall von 60 Millionen edeuten. Bereits im vergangenen Jahre wurde darauf hingewiesen, daß darin, daß die Materialienpreise und die Löhne stark gestiegen, die Gehälter erheblich heraufgesetzt sind, bereits indirekt eine ver⸗ hältnismäßige Herabsetzung der Tarife läge; es muß immer wirder betont werden, daß das, was dem einzelnen zugute kommt, dem anderen leicht zum Schaden wird. In diesem Sinne hat der Minister im vorigen Jahre auf das bekannte Wort Reuters hingewiesen: Was dem einen die Eule ist, ist dem andern die Nachtigall. Wenn eine Tartfermäßigung zweckmäßig und notwendig ist, dann muß sie auch gewährt werden. In jedem einzelnen Falle muß abgewogen werden, auf welcher Seite der größere wirtschaftliche Vorteil ist. Ich halte es nicht für zweckmäßig, wenn in der Kommission behauptet wurde, daß das, was die Regierung getan hat, kaum eine Bedeutung habe. Demgegenüber wies der Minister darauf hin, daß allein schon die Notstandstarife einen Ausfall von 34 Millionen bedeuteten, daß auch die Ermäßigung der Tarife im Saarrevier und auch in Oberschlesien stark zu Buche schlagen. Was die allgemeine Einführung des Fünf⸗ zehntonnenwagens betrifft, so verkennen wir nicht, daß dies für die Eisenbahnverwaltung von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist; ich möchte den Minister aber um Auskunft bitten, ob nicht die kleineren Ver⸗ frachter dadurch geschädigt werden können, wenn sie dann einen 15t⸗Wagen gestellt erhalten, während sie nur einen 10. t⸗Wagen brauchen können. Ich bitte den Minister, uns zu sagen, ob es ihm in Zukunft noch nicht möglich sein wird, den 10 t⸗Wagen noch als Grundlage zu erhalten, oder ob er nicht vielmehr durch die Natur der Verhältnisse gezwungen werden würde, den 15 t⸗Wagen zu Grunde zu legen. Wir müssen jedenfalls darauf halten, daß der kleinere Verfrachter als selbständige Persönlichkeit bestehen bleibt und nicht in eine Abhängigkeit gerät, die ihn gefährdet. In der Frage der Eisenbahngemeinschaft wünschen wir, daß nicht weiter vorgegangen wird, als es durchaus im Interesse der Wintschaftlichkeit des Verkehrs liegt, daß kein Schritt weiter vor⸗ gegangen werde auf einem Wege, der irgendwie die Abhängigkeit des preußischen Eisenbahnsystems von anderen Faktoren zur Folge haben könnte. Die jetzt zwischen den verschiedenen deutschen Eisenbahn⸗ verwaltungen schwebenden Verhandlungen schaffen die Möglichkeit, etwaige Konfliktskeime rechtzeitig aus der Wolt zu schaffen und schon entstandene Konflikte zu beseitigen. Wir hören gern, daß diese Kon⸗ ferenzen schon günstige Ergebnisse gezeitigt haben; ganz besonders hat es uns gefreut, daß eine 1913 mit Württemberg bestandene Differenz, wobei andere Bundesstaaten mehr als gerade Preußen in Betracht kamen, jetzt beseitigt ist. Gerade, weil wir die Selbständigkeit unserer Verwaltung so betonen, weil wir nicht wollen, daß auch nur ein kleiner Schritt abseits gegangen wird, ist es unser dringender Wunsch, daß wir überall Bundesfreundlichkeit zeigen und den übrigen Staaten so weit entgegenkommen, als es mit den preußischen Inter⸗ essen vereinbar erscheint. Auch in dem, was der Minister in der Kommission wegen der Reform der Personentarife, speziell wegen der Fahrpreise 1. Klasse gesagt hat, können wir ihm nur bei⸗ simmen. Er hat uns mitgeteilt, daß die anderen Bundes⸗ staaten gegen eine solche Reform Bedenken gehabt hätten. Er meinte dann, daß, wenn Preußen auf diesem Wege vorgegangen wäre, die anderen zur Nachfolge gezwungen gewesen wären und dies zu Verstimmungen hätte führen müssen. Wir halten diese Haltung des Ministers für durchaus richtig und sind damit durchaus einverstanden. Die Reform der Fahrpreise selbst kann nicht nach grundsätzlichen, sondern muß lediglich nach praktischen Rücksichten entschieden werden. Wir sind sicher, daß der Minister und auch die anderen Bundesstaaten ebenso denken. Der von der Linken in der Kommission gegen die Verwaltung erhobene Vorwurf, die Einnahmen seien zu gering ver⸗ anschlaat, ist ungerechtfertiat. Gewiß fällt es auf den ersten Blick auf, daß jetzt nur 3 % Steigerung gegenüber 3 ½ % in den Jahren vorber angenommen ist; aber die Betriebsergebnisse der letzten Zeit beweisen, daß die Verwaltung mit ihrer Vorsicht recht hat. Unser

gemeinsames Bestreben muß sein, in dem Etatsanschlag der Wahrheit

gefördert wird.

so nahe wie irgend möglich zu kommen; das ist auch die Meinung der Linken, von der dieser Angriff ausging; aber gerade aus diesem Gesichtspunkte billigen wir das Vorgehen der Verwaltung. Die An⸗ griffe in der französischen Presse gegen den Betrieb, die Betriebs⸗ sicherheit und manche Einrichtungen unserer Staatsbahnen hat der Minister durchaus richtig mit Stillschweigen übergangen. Jeder von uns, der jemals im Auslande gewesen ist, weiß, daß unser Eisenbahnapparat durchaus an erster Stelle steht und kein Land der Welt uns darin übertrifft: das gilt von der Ausgestaltung wie von den Einrichtungen und dem Betriebe. Jeder, der aus dem Auslande kommt, um dies zu studieren, ist stets des Lobes voll. Wir können über solche Angriffe zur Tagesordnung übergehen. Die persönlichen Ausgaben belaufen sich mit 7⁰³ Millionen um 55 Millionen Mark höher gegen 1913 und um 77 gegen 1912. Die Zahl der Beamten und Arbeiter der Eisenbahnverwaltun beträgt jetzt 562 000. Wir freuen uns, daß der Minister es möglich gemacht hat, eine Vermehrung um 10 200 Köpfe eintreten zu lassen zu dem Zweck, eine Anzahl Erleichterungen eintreten zu lassen, indem gewisse Ermäßigungen des monatlichen Leistungsmaßes durch Gewährung einer großen Anzahl von Ruhestunden, besonders im Nachtdienst, durch Ge⸗ währung von Urlaub usw. zugestanden werden. Bei diesem unge⸗ heuren Personal, das dem Minister zur Verfügung steht, muß er sowohl eine stramme Disziplin üben, wie andererseits das nötige Wohlwollen damit verbinden. Denn stramme Disziplin ist not⸗ wendig, wenn unsere Eisenbahnen im Interesse der Gesamtheit leisten sollen, was sie leisten müssen, und der Minister wird uns stets an seiner Seite finden, wenn er diese Disziplin fest, ruhig und kraftvoll ausübt. Andererseits sind wir durchaus einverstanden und freuen uns, wenn er dem Personal Wohlwollen zeigt, wie es bisher geschehen und gewiß auch weiter geschehen wird. Wir sind auch erfreut, daß zur Erhöhung des Durchschnittseinkommens der Eisenbahnarbeiter größere Summen eingesetzt sind, und hoffen, daß er damit auch bei den Arbeitern Befriedigung schafft. Auch die Titel für Beschaffungen sind höher dotiert. Es ist durchaus zweckmäßig, Neubestellungen in größerem Umfange gerade jetzt in der Zeit rückgängiger Konjunktur zu machen, um unserer Industrie über die schweren Zeiten hinwegzuhelfen. Bezüglich der Vororttarife ist ja schon in der Kommission ausgeführt worden, daß sie vielfach nicht einmal die Betriebskosten decken und große Summen auf Kosten der Steuerzahler hierfür notwendig sind. Wir haben deshalb keinen Grund, diesen Zustand weiter auszudehnen. Es ist überhaupt fraglich, ob es zweckmäßig ist, die Fahrt mit Arbeiter⸗ karten so weit auszudehnen, wie vorgeschlagen ist. Wir sehen auf der einen Seite eine starke Entvölkerung des platten Landes. Wir sehen, wie der Bauernstand und der kleine Gewerbetreibende in den kleineren Städten und auf dem Lande klagen, daß sie kein Personal mehr finden. Auf der anderen Seite würde das Fahren in die Großstädte durch eine solche Maßregel noch mehr erleichtert. Wir möchten den Minister bitten, dafür Vorsorge zu treffen, daß hierin nicht zu weit gegangen wird. Es darf keine Maßregel unterstützt werden, die das platte Land entvölkert. Die Arbeiterfrage auf dem Lande ist eine der dringendsten und schwersten Kulturfragen. Diese zu lösen, müssen alle Verwaltungen Hand in Hand gehen. Wir wollen natürlich unseren Arbeitern Arbeits⸗ gelegenheit geben. Aber darüber hinaus nur zugunsten des einen Teils Maßregeln zu treffen, die den anderen schädigen, das darf unseres Erachtens nicht sein. Wenn unsere Eisenbahnverwaltung in den letzten Jahren so günstige Resultate erzielt hat, so war es nur möglich auf Grund der günstigen Wirtschaftslage, die eine Folge unserer ganzen Wirtschaftspolitik ist. Auch der Eisenhahnminister ist lebhaft daran interessiert. Er muß auch das Seine dazu beitragen, daß bei den kommenden Kämpfen über die Zukunft unserer deutschen Wirtschaftspolitik unsere Wirtschafts⸗ politik in den bisherigen Bahnen weitergetrieben wird. Gerade unsere Eisenbahnen spüren es am eigenen Leibe am meisten, wenn ein Um⸗ schwung eintritt. Unsere Eisenbahnen bilden aber auch die Grundlage der ganzen preußischen Finanzen. Sie gesund zu erhalten, ist eine der ersten Aufgaben. Wer es mit Preußen gut meint, der muß dafür sorgen, daß auch unsere Eisenbahnpolitik nach dieser Richtung hin g wird. Der Minister wird in diesem Falle uns stets an seiner Seite finden.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! In Uebereinstimmung mit dem Herrn Vorredner kann ich feststellen, daß die Staatseisenbahnverwaltung sich durchaus und ausschließlich als ein Instrument unserer Wirtschaftspolitik fühlt, und daß ihre Verwaltung in voller Uebereinstimmung mit der all⸗ gemeinen Wirtschaftspolitik erfolgt und stets erfolgen wird. Die freundliche Beurteilung, welche der Herr Vorredner der Staatseisen⸗ bahnverwaltung und ihren wirtschaftlichen Erfolgen hat angedeihen lassen, muß naturgemäß den Chef der Verwaltung mit Freude erfüllen. Wir be⸗ finden uns ja augenblicklich in einer kritischen Zeit, kritisch insofern, als der Uebergang von einer Hochkonjunktur zu einem wirtschaftlichen Still⸗ stand, vielleicht auch zu einem zeitweiligen wirtschaftlichen Rückgang eine mächtige Einwirkung auf die große Verwaltung ausüben wird. Dieses Empfinden hatten wir bereits, als wir im Frühjahr vergange⸗ nen Jahres den heute zur Beratung stehenden Etat aufstellen mußten. Es waren schon zu jener Zeit Zweifel vorhanden, ob es statthaft sei, mit einer nennenswerten Einnahmevermehrung für das Jahr 1914 zu rechnen. Da aber die Einnahmen der Staatseisenbahnen bis in den Oktober hinein ständig steigende gewesen sind, so glaubten wst, als der Etat zum Abschluß kam, als das Ministerium der öffentlichen Arbeiten den Etat an den Herrn Finanzminister hinübergab, es recht⸗ fertigen zu können, mit einer Einnahmevermehrung für 1914 zu rechnen. Sie ist vorsichtig abgegriffen. Sie ist ja in der Richtung kritisiert worden, daß sie zu vorsichtig sei, daß die Einnahme⸗ voranschläge zu gering wären. Ich habe mir erlaubt, bereits in der Kommission zu warnen vor einem unberechtigten Optimismus, und die Verkehrsentwicklung gerade der letzten Monate hat mir auch darin Recht gegeben. Die Entwicklung des Personenverkehrs ist zwar nach wie vor günstig; denn der Personenverkehr wird niemals in demselben Maße von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen ergriffen wie der Güterverkehr. Die wirtschaftliche Depression macht sich über⸗ wiegend geltend in den Industrierevieren und in den größeren In⸗ dustriestädten. Große Kreise unserer Bevölkerung merken dagegen noch wenig davon, und diese Kreise der Bevölkerung befruchten unsere Personen⸗ und Schnellzüge. Ich darf feststellen, daß nach dem Ein⸗ nahmeergebnis pro Februar, das gestern vorgelegt worden ist, der Personenverkehr in den ersten elf Monaten dieses Jahres um 4,57 % zugenommen hat gegen das Vorjahr. Ich darf ferner feststellen, daß der Personenverkehr innerhalb dieses Zeitraumes um 28,6 Millionen gestiegen ist, stärker gestiegen ist als der Güterverkehr, der bisher nur 24,2 Millionen Plus gegen das Vorjahr erbracht hat.

So günstig diese Verhältnisse aber für die Entwicklung der Per⸗ sonenverkehrseinnahme liegen und wahrscheinlich auch im kommenden Etatsjahre liegen werden, so wenig günstig liegen sie für den Güter⸗ verkehr. Der Güterverkehr hat in demselben Zeitraum gegen das Vorjahr nur ein Mehr von 1,61 % gebracht. Wenn wir die 6 % gegen 1913, die für 1914 veranschlagt sind, erreichen wollen, so werden wir vorausgesetzt, daß das Prozentverhältnis sich bis zum Schluß des März nicht noch wesentlich verschiebt im Etatsjahr 1914 noch 4,4 % der Einnahme aus dem Güterverkehr von 1912 nachzuholen haben, um auf die veranschlagten 6 % zu kommen. Wenn wir also im Personenverkehr günstiger abschneiden, als wir veranschlagt haben, dann werden wir das Plus sehr gut gebrauchen können, um die Diffe⸗

dürfnissen der verschiedenen Landesteile angepaßt waren. Ich sagse:

renzen, die im Güterverkehr hervortreten werden, einigermaßen aus⸗

zugleichen. Es kann ja zwar auch anders kommen, und ich will hoffen, daß die Verkehrsentwicklung im Jahre 1914 eine günstigere ist; aber es ist in der Tat doch sehr zweckmäßig bei der Ver⸗ anschlagung der Verkehrseinnahmen einer Verwaltung von dieser un⸗

geheuren Größe, von dieser Riesenwucht und mit solchen Rückwirkun⸗ gen auf die allgemeinen Staatsfinanzen vorsichtig zu sein und gewisser⸗ maßen nur mit dem Durchschnitt zu rechnen auf die Gefahr hin, daß

man in guten Jahren zu gering veranschlagt, aber doch mit der Zu⸗

versicht, daß man in schlechten oder in weniger guten Zeiten nicht zu sehr hinter der Veranschlagung zurückbleibt. Auf der Veranschlagung der Einnahmen beruht ja die Veranschlagung der Ausgaben. Es liegt

daher eine große Gefahr für den gesamten Staatshaushalt darin wenn in solchen Zeiten, wie wir sie jetzt durchleben oder ihnen ent

gegengehen, unser Ausgabenetat sich auf falschen Einnahmen aufbaut;

denn es liegt bei aller Wirtschaftlichkeit, die wir anstreben, doch die Gefahr vor, daß die einmal vorgesehenen Ausgaben auch gemacht werden. Und es ist sehr schwer das darf ich nach langjährigen Er⸗ fahrungen feststellen —, bei einer hohen Ausgabenveranschlagung die Behörden draußen zurückzuhalten. Es wird dies zwar selbstverständlich versucht, aber in der Praxis begegnet man sehr großen Schwierig⸗ keiten, um diesem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit von der Zentralstell aus Geltung zu verschaffen.

Also, meine Herren, ich resümiere mich dahin, daß die Veran schlagung der Einnahmen für 1914 eine vorsichtige gewesen ist, un daß heute kein Mensch übersehen kann, ob wir sie erfüllen oder über steigen werden. Die Vermutung spricht dafür, daß wir sie kaum er füllen werden.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf zwei Fragen eingehen die von der größten Bedeutung für den Abschluß der Staatseisenbah verwaltung sind. Das ist zunächst die Frage der Tarifermäßt gungen, die der Herr Berichterstatter schon in seinem Referat un dann auch Herr Graf von der Groeben behandelt haben. Der Herr Berichterstatter hat schon in der Kommission und auch heute in sein Referat auf eine Aeußerung Bezug genommen, die ich getan hatte, al es sich um die Neuegelung der Abgrenzung der allgemeinen Staats finanzen von den Eisenbahnfinanzen und um die Schaffung des Aus gleichsfonds handelte. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, daß de Ausgleichsfonds auch die Möglichkeit unterstütze, mit Tarifermäßigun⸗ gen im Interesse des allgemeinen Wohls vorzugehen. An dieser Auf fassung halte ich auch heute noch fest und behaupte, daß diese Auf fassung sich in einer ganzen Reihe von wichtigen wirtschaftlichen Maß nahmen der Staatseisenbahnverwaltung betätigt hat. Ich habe ir der Kommission auf die umfassenden Tarifermäßigungen hingewiesen, die im Laufe der letzten Jahre gewährt worden sind, und zwar teils in Form allgemeiner Ausnahmetarife hierzu gehört z. B. die Herab⸗ setzung der Abfertigungsgebühren bei Verwendung von Wagen größe⸗ rer Tragfähigkeit bei den nicht gebundenen Gütern —, diese Maß⸗ nahme hat etwa 9 bis 10 Millionen Mark Mindereinnahme zur

Folge gehabt —, teils in Form von Ausnahmetarifen, die den Be

95

den Bedürfnissen der verschiedenen Landesteile angepaßt, und darauf muß ich immer wieder zurückkommen. Eine allgemeine Tarifermäßi⸗ gung wird von seiten der Staatsregierung voraussichtlich für alle Zeiten auf das lebhafteste bekämpft werden im Hinblick auf ihre außer⸗ ordentliche Rückwirkung auf die Einnahmen und natürlich auch auf den Abschluß der Verwaltung. Eine allgemeine Tarifermäßigung würde, wenn sie etwa, wie ich in der Kommission ausgeführt habe, in einer Ermäßigung der Abfertigungsgebühren bestände, ganz ungs⸗ heure Opfer kosten und einen überaus geringen Nutzen schaffen. Ich gebe zu und ich nehme dabei Bezug auf einen Einwurf des Herrn Abg. Macco —, daß für geringe Entfernungen eine Ermäßigung der Fracht, sei es nun des Einheitssatzes, sei es der Abfertigungsgebühr, eine gewisse wohltätige Wirkung ausüben kann; aber auf größere Entfernungen spielen solche geringen Ermäßigungen, wie z. B. eine solche von 2 ₰, die die Staatseisenbahnverwaltung mit 60 Millionen jährlich belasten würde, gar keine Rolle.

Also, meine Herren, ich komme darauf zurück, daß die Staats⸗ eisenbahnverwaltung jederzeit bereit sein und sich stark halten muß, den Bedürfnissen des Landes entsprechend, sei es allgemein, sei es für bestimmte Wirtschaftsgebiete, einzugreifen; und da erinnere ich an das, was in den letzten Jahren geschehen ist. Wir haben in Er kenntnis einer Unterstützungsbedürftigkeit des oberschlesischen In⸗ dustriereviers ganz außerordentlich eingegriffen. Wir haben die Be⸗ züge der Schmelzmaterialien für das oberschlesische Hochofenrevier in den Frachtsätzen sehr stark ermäßigt; wir haben ganz neue Möglich⸗ keiten für den Bezug der Erze geschaffen; wir haben es für Ober⸗ schlesien möglich gemacht, daß es sich von den ausländischen Erz⸗ bezügen, die es über die trockene Grenze bezieht, zu einem wesentlichen Teil frei machen kann. Wir haben im vergangenen Jahre mit sehr großen Opfern für Niederschlesien eingegriffen, Wünschen entsprechend, die in diesem hohen Hause vorgetragen worden sind. Wir haben ferner für den Ruhr Moselverkehr meine Herren, ich bedaure, daß ich auf diese Frage hier wiederholt eingehen muß, sie ist schon beim Bauetat sehr eingehend behandelt worden die umfassenden Er⸗ mäßigungen in Aussicht genommen und werden sie mit der Inbetrieb⸗ nahme des Rhein Hernekanals durchführen, Ermäßigungen, die den Staat mit etwa 13 Millionen Mark jährlich belasten, und die ledig⸗ lich aus einem gewissen Gerechtigkeitsgefühl entspringen, einen Aus⸗ gleich zu gewähren, in der Erwägung, daß getäuschte Hoffnungen eini⸗ germaßen befriedigt werden sollen.

Ich habe die Empfindung, meine Herren, daß solche Opfer des Staates, die doch nur zu Lasten der Allgemeinheit gehen, heute gar nicht mehr genügend gewürdigt werden. (Sehr richtig! rechts.) Wir rechnen bei dem Staatseisenbahnetat mit so ungeheuren Ziffern, daß eine auf der Einführung eines Ausnahmetarifs beruhende Einnahmeminderung von 10 Millionen als gar nichts erscheint oder eine Einnahmeminderung von 13 Millionen, wie sie uns hier bevorsteht und die unter allen Umständen eintreten muß. Davor möchte ich doch auch warnen, meine Herren; denn wenn wir die Absicht haben, durch Gewährung von Ausnahmetarifen im ganzen Lande, aber immer je nach dem Bedürfnis, zu helfen, so summieren sich diese Summen ganz außer⸗ ordentlich. Sie schwächen uns gewissermaßen, sie hindern jeden⸗ falls, daß diese Beträge, die der Staatskasse entgehen, in den Aus⸗ gleichsfonds fließen. Sie hindern also unsere Aktionsfähigkeit. Denn der Ausgleichsfonds soll uns aktionsfähig erhalten; das ist sein erster, wesentlichster Zweck. Wir sollen uns auch für ganz unvorhergesehene

Möglichkeiten und Aktionen die Arme frei halten; und da erinnere

8 1“

ich wiederholt an das Eingreifen des Staates gelegentlich des trocknen Jahres 1911 und des folgenden Jahres 1912. Das Jahr 1911 hat den Staat durch die Notstandstarife mit 33 bis 35 Millionen Mindereinnahme belastet. Diese Summen würden sich sonst jetzt im Ausgleichsfonds befinden; er würde also noch stärker sein, wenn wir es nicht für notwendig gehalten hätten, so vorzugehen. Also, meine Herren, ich kann nicht anerkennen, daß die Möglichkeit, die ich vor 4 oder 5 Jahren in Aussicht gestellt hatte, daß der Ausgleichs⸗ fonds es uns erleichterte, mit Tarifermäßigungen vorzugehen, nicht wahr gemacht worden ist. Dann etwas anderes! Der Herr Abg. Graf von der Groeben kam auf die langsam sich vollziehende Um⸗ wandlung des Wagenparks in Wagen von größerer Trag⸗ fähigkeit zurück. Diese Frage ist im vorigen Jahre hier bereits ver⸗ handelt worden aus Anlaß einer vorliegenden Petition. Damals hat das Hohe Haus sich, in Uebereinstimmung mit den Auffassungen, die ich hier vertreten habe, auf den Standpunkt gestellt, daß die Staats⸗ eisenbahnverwaltung auf dem richtigen Wege sei, wenn sie nur noch Wagen von 15 und 20 Tonnen Tragfähigkeit beschaffe. Die Gründe sind auch so zweifellos, daß sie kaum von der Hand gewiesen werden konnen. Ich muß einleitend darauf hinweisen, daß alle unsere Nachbarländer ihre Tarife in den letzten Jahren erhöht haben. (Hört, hört!) Es fing das bereits zu Anfang des Jahrhunderts an. In einzelnen der Nachbarstaaten hat man nicht einma lZerhöht, sondern zwei⸗ und dreimal. Man hat also das ganze wirtschaftliche Leben außerordentlich beunruhigt. Die preußischen Staatseisenbahnen haben ihre Tarife nicht erhöht, im Gegenteil, sie haben sie nach Bedarf er⸗ mäßigt, und das haben sie tun können, obwohl die Ausgabenseite in erheblich stärkerem Maße gestiegen ist als die Einnahmenseite. (Sehr richtig! rechts!) Ich verzichte darauf, die Zahlen zu wieder⸗ holen, die ich in der Kommission bekannt gegeben habe. Wie sollen die Staatseisenbahnen diesen Zustand auf die Dauer aushalten, daß die Ausgaben stärker ansteigen als die Einnahmen, wenn sie nicht in die Lage gesetzt werden, alle technischen Fortschritte auszunutzen und zu verwerten? Und zu diesen technischen Fortschritten gehört unter allen Umständen die Möglichkeit, geringere Betriebskosten durch Be⸗ nutzung größerer Wagen zu erzielen.

Die Wirkung der Umgestaltung des Wagenparks zu einem groß⸗ räumigeren ist eine ganz außerordentliche. Ich habe schon bei anderer Gelegenheit die Zahlen bekannt gegeben. Einige Zahlenreihen mögen darauf hinweisen daß das Verhältnis der toten Last zur Nutzlast ein

Wagen von 10, 15 oder 20 Tonnen befördert.

Verhältnis der toten Last zur Nutzlast ist derart, daß auf eine Tonne Nutzlast bei 10⸗Tonnenwagen 670 Kilogramm tote Last fallen, während es bei 20⸗Tonnenwagen nur 420 Kilogramm sind. Die Länge eines Zuges von 600 Tonnen Nutzlast ist bei 10⸗Tonnenwagen 366 Meter, bei 20⸗Tonnenwagen 247 Meter. Man vergegenwärtige sich, was das heißt. Die Verminderung der Zuglänge hat eine ganz außerordentliche Wirkung auf die Große unserer Bahnhöfe und Rangierbahnhöfe, die an sich schon die Neigung haben, ins Riesen⸗ hafte zu wachsen. Dann weiter: welche Ersparnis liegt darin, daß ich, statt für 600 Tonnen Nutzlast einen Zug mit 60 Wagen auszulasten, nur einen Zug mit 30 Wagen auszulasten brauche? Welche enorme Ersparnis an Personal und Arbeit auf den großen Bahnhöfen! Es sind diese Vorteile so erkennbar, daß man ohne weiteres sagen kann, daß ein Teil der wirtschaftlichen Erfolge der Staatseisenbahn in den letzten Jahren auf die sich vollziehende Umwandlung des Wagenparks von Wagen mit geringerer Tragfähigkeit in solche mit größerer Trag⸗ fahigkeit zurückzuführen ist.

Wenn das richtig ist, wenn namentlich der Vordersatz richtig ist, daß wir uns alle technischen Vorteile aneignen müssen, um uns davor zu bewahren, mit Tariferhöhungen vorzugehen und damit unser wirt⸗ schaftliches Leben aufs äußerste zu beunruhigen, dann muß man es auch hinnehmen, daß unter Umständen durch ein solches Vorgehen kleinere Interessen geschädigt werden. Größere Interessen werden auf das Aeußerste gefördert und die allgemeinen Staatsinteressen ganz zweifelsohne. Es trifft zu daß ein kleiner Empfänger, ein Klein⸗ händler, der einen Wagen Kohle empfängt, es billiger hat und auch bequemer, wenn der Wagen keinen so großen Raumgehalt, keine so große Tragfähigkeit hat. Der Kleinhändler liebt es, vom Wagen aus zu verkaufen; er wünscht die Kosten der Lagerung zu ersparen. Dieser Wunsch ist durchaus verständlich. Das wird ihm erschwert, wenn er einen Wagen von 15 oder 20 Tonnen empfängt. Aber nach unseren Ermittelungen sind doch die Fälle, wo ein wirklicher Anlaß zu Be⸗ schwerden vorliegt, wo eine nennenswerte Beeinträchtigung sich zeigt außerordentlich selten; denn schließlich gibt es ja noch die Möglichkeit des gemeinsamen Bezuges.

Also ich resümiere mich: diese Frage ist von der allergrößten Be⸗ deutung für die Wirtschaftlichkeit der Staatseisenbahnen, für das ganze Verhalten auf tarifarischem Gebiete. Man muß sie nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Schädigung der Kleinhändler entscheiden und beurteilen.

Herr Graf von der Groeben hat nun weiter die Frage gestellt, ob, wenn nun der Wagenpark im Laufe der Zeit völlig umgewandelt sei und das wird vielleicht in 10 Jahren der Fall sein, dann werden wir nur noch 15 und 20 Tonnenwagen haben —, ob dann damit zu rechnen sei, daß unser Tarifsystem auf eine andere Grundlage gestellt wird so verstehe ich es —, unser Tarifsystem, das bei der Verfrachtung von Wagenladungsgütern von der 10 Ton⸗ neneinheit der Güterwagen ausgeht. Diese Frage kann ich verneinen. Wir werden das Tarifsystem um deshalb nicht ändern. Wir haben bereits gewisse Eingriffe vorgenommen; wir haben ja bereits be⸗ stimmt, daß, wer den Ausnahmetarif für Rohstoffe, Versendung von Kohlen und noch anderen Gütern ausnutzen will, d. h. die Fracht⸗ ermäßigung, die darin liegt, das Ladegewicht des Wagens ausnutzen oder bezahlen muß. Das ist bereits geschehen, aber beschränkt auf eine gewisse Zahl von Gütern, und daraus resultieren ja auch die Klagen der kleineren Empfänger. Also eine Aenderung unseres Tarifsystems wird sich aus diesem Anlaß nicht vollziehen.

Ich erkenne an, daß die Frage, ob und in welchem Umfange die Eisenbahnverwaltung mit dem Grunderwerb vorzugehen hat, außerordentlich vorsichtig und gleichzeitig weitsichtig zu behandeln ist. Es ist notwendig, daß man sich nicht scheut, unter Umständen einen größeren Grundbesitz zu erwerben, um sich davor zu bewahren, in späteren Zeiten für den Rest eines Grundstücks, das man zu⸗ nächst angekauft hat, viel höhere Preise zu bezahlen, und ich kann feststellen, daß sich in dieser Richtung die Auffassungen und Wei⸗ sungen des Ministeriums an die Behörden draußen bewegen.

Ich bin auch damit einverstanden, daß die Frage der Entblößung des platten Landes durch Maßnahmen der Staatseisenbahnverwal⸗

tung auf dem Gebiete des Personentarifs eine sehr vorsichtige Be⸗ handlung verdienen. (Sehr richtig! rechts.) In dieser Beziehung be⸗ stehen ganz feste Grundsätze für die Staatseisenbahnverwaltung. Es handelt sich ja im wesentlichen darum, daß die Eisenbahnverwaltung durch Gewährung von Ausnahmetarifen, die man als Ermäßigungen bezeichnet, in Form von Arbeiterrückfahrkarten die länd⸗ liche Bevölkerung in die Städte ziehe. (Sehr richtig! rechts.) Um einem solchen Abwandern über das notwendige und erlaubte Maß hinaus vorzubeugen, ist ja die Bestimmung getroffen, daß solche Arbeiterrückfahrkarten nicht über einen Umkreis von 50 Kilometer gehen. (Abg. von Pappenheim: Das ist gerade genug!) Es be⸗ stehen aus der Vergangenheit noch einige Ausnahmen, die beibehalten werden müssen, wenn man nicht einen zu starken Eingriff in die bestehenden Verhältnisse sich gestatten will. Diese Frage wird aber dauernd verfolgt, und wo das Bedürfnis nicht ganz erkennbar ist, erfolgt nach der Richtung hin eine Einschränkung.

Zu der Frage der Verlängerung des Abkommens über die Abgrenzung der Staatsfinanzen gegen die Eisenbahnfinanzen wird sich, wie ich annehme, der Herr Finanzminister, der an der Regelung und an der Schaffung eines Provisoriums in erster Linie interessiert ist, feststellen, daß es für mein Ressort nicht von besonderer Erheblichkeit ist, ob das Abkommen auf ein Jahr oder auf zwei Jahre verlängert wird Für mich ist in dieser Frage die Auffassung maßgebend, die die preußische Finanzverwaltung vertritt

Abg. Dr. Schmedding (Zentr.): Wir begrüßen es freudig, daß die Eisenbahnverwaltung so gute Ueberschüsse erzielt hat. Wir müssen anerkennen, daß der vorliegende Etat mit großer Vorsicht aufgestellt ist, daß er von Verhältnissen ausgeht, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch wirklich eintreten werden. Ueberall in unserem deutschen Vater⸗ lande hat eine rückläufige Konjunktur eingesetzt. Aber ich halte es nicht für richtig, daß die Steigerung des Personenverkehrs nur mit 2 % angesetzt ist, denn trotz der wirtschaftlich schlechten Konjunktur

er Jahre 1908 und 1909 ist der Personenverkehr in diesen Jahren immer noch erheblich mehr gestiegen. Die anhaltende Steigerung des Personenverkehrs ist aber vom volkswirtschaftlichen und ethischen Standpunkte sehr bedenklich, denn sie ist zurückzuführen auf die zu⸗ nehmende Vergnügungssucht des Volkes. Gerade der Sonntagsverkehr bringt der Eisenbahnverwaltung die größten Mehreinnahmen. Wenn die Regierung sich in der Schätzung der Einnahmen geirrt hat, und wenn die Einnahmen hinter dem Voranschlag zurückbleiben, so bietet der Ausgleichsfonds eine genügende Gewähr dafür, daß die Staats⸗ finanzen dadurch in keiner Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Ausgleichsfonds wird im Jahre 1914 wahrscheinlich eine Höhe von 400 Millionen Mark erreichen. Es entsteht nun die Frage, wie hoch der Ausgleichsfonds überhaupt aufgefüllt werden soll, und wie hoch das Ertraordinarium sein soll. Der Minister hat in der Budget⸗ kommission erklärt, daß für die nächsten Jahre eine Erhöhung des Extra⸗ ordinariums unerläßlich sei. Wollte man dieser Erklärung nicht bei⸗ pflichten, so würde nurübrig bleiben, daß die weiteren nötigen Summen zum Ausbau unseres Eisenbahnwesens im Wege der Anleihe beschafft werden. Daß unser Eisenbahnwesen, um leistungsfähig zu bleiben, noch erheblich ausgebaut werden muß, steht fest. Es werden also hierfür noch große Summen nötig sein, und wir wünschen nicht, daß diese Summen im Wege der Anleihe aufgebracht werden. Die Erfahrungen, die wir bisher bezüglich des Ausgleichsfonds gemacht haben, haben wir nur in Jahren günstiger Konjunktur gemacht. Es wird auch notwendig sein, Erfahrungen von Zeiten ungünstiger Konjunktur zu sammeln. Wenn der Ausgleichsfonds bis auf 500 Millionen Mark aufgefüllt wird, so würde auch diese Summe noch nicht den Anforderungen entsprechen, die man an den Ausgleichsfonds stellen muß. Ein solcher Ausgleichs⸗ fonds würde schon in etwa zwei Jahren aufgezehrt sein, und wenn der Ausgleichsfonds seinen Zweck erreichen soll, so muß er mindestens drei bis vier Jahre ausreichen. Wir erkennen gern an, daß es zweck⸗ mäßig ist, das Abkommen über den Ausgleichsfonds zu verlängern. Wie lange das geschehen soll, darüber kann man ja verschiedener Meinung sein. Die Mehrheit der Kommission hat sich für zwei Jahre entschieden. Wir aber glauben, daß eine Verlängerung auf ein Jahr das Richtige trifft. Wir wollen die Regierung in dieser Frage noch nicht festlegen. Der Eisenbahnminister und der Finanzminister haben in der Kommission sich auch mit einer einjährigen Verlängerung einverstanden erklärt, warum sollen wir also ministerieller sein als die Minister? b.- bitte also dringend, unserem Antrage zuzustimmen. Die Anregung, die Steuerzuschläge im Betrage von 72 Millionen aus den Ueberschüssen des Eisenbahnetats zu nehmen, könnte nur befolgt werden, wenn das Extraordinarium entsprechend gekürzt und auf An⸗ leihe genommen würde, oder wenn man einen gleich hohen Betrag dem Ausgleichsfonds entnehmen würde. Beide Wege widersprechen den Grundsätzen des Abkommens. Es ist nicht tunlich, mehr als bisher auf Anleihe zu nehmen, und die Entnahme aus dem Ausgleichsfonds würde diesen höchst bedenklich kürzen. Wir werden zudem in den nächsten Jahren noch andere Ausfälle haben, z. B. 30 Millionen an Stempelsteuer. Dann müssen wir auch auf den Ausgleichsfonds zurückgreifen, und wenn das so weiter geht, so ist es mit der Herrlichkeit des Ausgleichsfonds bald vorbei, deshalb principiis obsta, Hände weg vom Ausgleichsfonds! Schonung desselben! Wenn die Eisenbahn⸗ verwaltung bisher günstige Resultate erzielt hat und hoffentlich auch künftig ähnlich abschneiden wird, so ist das nicht zuletzt auf die Grund⸗ sätze der Wirtschaftlichkeit zurückzuführen. So lobenswert das ist, so fragt sich doch, ob die Eisenbahnverwaltung nicht zu sehr auf fiskalischem Standpunkt steht. Die Klagen wollen nicht verstummen, daß die Gemeinden zu Beiträgen für die Ueberführungen, für Bahnhofs⸗ anlagen usw. über ihre Leistungsfähigkeit hinaus herangezogen werden. Hoffentlich bringt aber der darauf bezügliche Erlaß des Ministers, der an die Stelle der nicht zustande gekommenen lex Brandenstein wegen der Anliegerbeiträge getreten ist, eine Wandlung auf diesem Gebiete. Es wird in den Verhandlungen der Bezirksausschüsse oft geklagt, daß das bezügliche Verfahren eisenbahnseitig nicht genügend vorbereitet sei, oder daß die Eisenbahnverwaltung Grundstücke schon vor Erledigung des Planfeststellungsverfahrens in Besitz genommen habe. Ich bin überzeugt, daß diese Klagen nun nicht mehr vorkommen werden, bitte aber den Minister, mit eiserner Strenge dafür zu sorgen, daß sein Erlaß nicht bloß auf dem Papier steht. Namens meiner Freunde habe ich zu bedauern, daß die gesetzliche Regelung der ganzen Eisen⸗ bahnanliegermaterie nicht weiter verfolgt wird; wir wünschen nach wie vor, daß diese wichtige Angelegenheit gesetzlich geregelt wird. Auf die Dauer wird sich das nicht umgehen lassen. Der Minister hat ferner in einem Erlaß auf eine größere Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hingewirkt; dabei kommen in Betracht größere Güterwagen, Steige⸗ rung der Leistungsfähigkeit der Lokomotiven, Entwicklung der Verkehrsanlagen, Trennung des Nahverkehrs vom Fernverkehr usw. Durch diese Maßnahmen wird sicherlich eine Verbesserung des Betriebs eintreten. Nicht beipflichten kann ich dem Minister in der Ansicht, daß spätestens in zehn Jahren die Zehntonnenwagen abgeschafft sein

werden; das würde nach Ansicht meiner Freunde den landwitrtschaft⸗

lichen Interessen widersprechen, und ich bitte den Minister, auf die Landwirtschaft Rücksicht zu nehmen und einigermaßen die Zehntonnen⸗ wagen beizubehalten. Der Minister will auch bei der rückläufigen Konjunktur für eine bessere Anpassung des Personalbestandes an den Betrieb sorgen, erfreulich ist aber dabei, daß Entlassungen von Ar⸗ beitern nicht vorgenommen werden. Was die Einschränkung der Bau⸗ tätigkeit anlangt, so halte ich es für verständig, wenn die überstürzte Bautätigkeit von 1912 einem ruhigeren und planmäßigeren Vorgehen Platz macht. Verfehlt würde es aber sein, wenn man etwa von Neu⸗

bauten Abstand nehmen wollte, die bei stärker werdendem Verkehr

doch wieder unbedingt nötig sind. Ahber Extraordinarium und An⸗ leihegesetz werden schon für eine rege Bautätigkeit sorgen. Namens meiner Freunde hebe ich hervor, daß wir mit der jüngst im Reichstag

11““ 1“ 3

gefallenen Aeußerung, daß der Wagenbeschaffung Einhalt getan werden möchte, keineswegs übereinstimmen. Gerade bei rückläufiger Konjunktur müssen Wagen beschafft werden, um für späteren Verkehr vorzusorgen und die Industrie zu beschäftigen. Weiter wünschen wir mehr Spezialwagen für Süßwasserfischtransporte sowie für Obst⸗ und Weinsendungen. Durch Unter⸗ und Ueberführungen ist die Beseitigung von Bahnüber⸗ gängen in erfreulicher Weise fortgeschritten. Dadurch wird nicht nur an Wärterpersonal gespart, sondern es wird auch die Zahl der Unfälle stark vermindert. Wenn auch Preußen mit der Zahl der Unfälle hinter anderen Ländern zurücksteht, so ist doch leider im Jahre 1912 eine Vermehrung der Unfälle festzustellen gewesen. Das ist gewiß zum Teil auf den gesteigerten Verkehr im Jahre 1912 zurückzuführen, aber die Tatsache legt es doch nahe, alle Wegeschranken und Bahn⸗ übergänge möglichst bald zu beseitigen. Wenn es möglich wäre, würden wir alle gern eine Ermäßigung der Tarife begrüßen. Aber dazu scheint die gegenwärtige Lage nicht angetan zu sein. Es ist in der Kommission darauf hingewiesen worden, daß das statistische An⸗ lagekapital sich im Jahre 1911 mit 7,20 % und im Jahre 1912 mit 7,17 % verzinst hat. Man hat damit die Forderung nach einer Tarifermäßigung zu begründen versucht. Es darf aber gar nicht mit Sicherheit immer auf einen Gewinn von über 7 % ge⸗ rechnet werden. Seit 1895 hatten wir dreizehn Jahre, in denen die Verzinsung weniger als 7 % betrug, und nur fünf Jahre mit einer Verzinsung des statistischen Anlagekapitals von über 7 %c. Wir ver⸗ kennen nicht, daß die Industrie jetzt nicht auf Rosen gebettet ist und daher billigere Tarife mit Freude begrüßen würde; aber die⸗ selben Schwierigkeiten, unter denen die Industrie infolge der all⸗ gemeinen Verkeuerung zu leiden hat, gelten auch für die Eisenbahnen. Wenn die Eisenbahnverwaltung nicht dem Beispiele anderer Länder gefolgt ist, die ihre Tarife erhöht haben, so liegt schon darin ein großes Entgegenkommen an die Industrie. Es liegt im Interesse des Staates, wenn die Eisenbahnverwaltung dem ungestümen Andrängen auf eine allgemeine Herabsetzung der Tarife nicht nachgibt. In Ausnahmefällen, wo die Gewährung von Ausnahmetarifen gerechtfertigt erscheint, haben wir natürlich nichts dagegen. Ich halte es für durchaus richtig, wenn der Staat seine Tarifpolitik aufrecht erhält und an den Tarifen auch verdient. Wir müssen anerkennen, daß der Personenverkehr vielfach noch verbessert worden ist. Es ist gewiß richtig, daß, je mehr Personenzüge fahren, desto mehr Menschen sich dazu entschließen, zu fahren, und je mehr Menschen fahren wollen, desto mehr Personenzüge müssen fahren. Aber das hat immerhin seine Grenze in der Wirtschaftlichkeit. Der Minister hat in der Kommission ausgeführt, daß Schlafwagen dritter Klasse nur zum Preise von 5 für den Reisenden verfügbar gemacht werden können. Ich meine, damit werden sich die Reisenden abfinden müssen, denn das ist für sie immer noch besser, als wenn sie sich an einem Orte aufhalten müssen, um dort zu übernachten, und die Zeit verlieren. Die Triebwagen haben sich im allgemeinen wohl gut be⸗ währt. Es wäre wünschenswert, wenn auf den Bahnsteigen durch Plakate darauf aufmerksam gemacht würde, wo die Wagen der ein⸗ zelnen Klassen halten werden. Das ist besonders wichtig bei Ver⸗ gnügungszügen, wo der Andrang sehr groß ist. Ebenso wäre es angebracht, wenn der Reisende leicht erkennen kann, wo er Lebens⸗ mittel vorfindet. Seit einiger Zeit wird darüber geklagt, daß sowohl Personen⸗ als auch Güterzüge aus Belgien in Herbesthal mit großen Verspätungen eintreffen. Dadurch entstehen große Verkehrsstörungen, die den Reisenden große Schäden verursachen. Ich bitte den Minister, erforderlichenfalls von Herbesthal aus Vorzüge abzulassen.é Im großen und ganzen spreche ich der Eisenbahnverwaltung unsere volle Zufriedenheit aus. Diese Anerkennung gebührt zum größten Teil dem Minister und seinen Räten; aber auch die Betriebs⸗ beamten verdienen volles Lob. Während andere Menschen nachts der Ruhe und Sonntags der Erbolung pflegen, opfern die Betriebs⸗ beamten ihre Zeit für die Sicherheit der Reisenden. Möge die Eisenbahnverwaltung in ihrer bisherigen Wittschaftlichkeit fortfahren, zum Nutzen und Segen unseres Vaterlandes.

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Die richtige Verwendung der Eisenbahnüber⸗ schüsse ist eine der wichtigsten und bedeutendsten Fragen, die bei der Etatberatung überhaupt zu lösen sind. Bei den Eisenbahnen handelt es sich um außerordentlich große Summen. Die Eisenbahnen haben selbst großen Bedarf an Geld; auf der andern Seite ist aber der

Erträgnisse der Eisenbahnen bisher schon in nz erheblichem Maße ab Ut r und es ist infolgedessen In den früheren Jahren sind die gesamten Reineinnahmen der Eisenbahnen, soweit sie nicht für Eisenbahnzwecke verwendet worden sind, für allgemeine Staatszwecke zur Verwendung gelangt. Es haben sich dabei sehr große Uebelstände herausgestellt. Denn wenn die Eisenbahnen während einer guten Konjunktur größere Geldmittel verdienten, dann stiegen gleichzeitig auch die dauernden Ausgaben beim Staat. Die nicht festen Einnahmen der Eisenbahnen wurden sofort in dauernde Staatsausgaben umgesetzt. Die Ansprüche der Ressorts, die Ansprüche des Abgeordnetenhauses und die Ansprüche des Landes wuchsen außerordentlich; und da die Mittel bereit zu sein schienen, wurden sie sofort in dauernden Ausgaben festgelegt. Der Rückschlag konnte gar nicht ausbleiben; denn in den Jahren einer schlechten Kon⸗ junktur stellte sich dann heraus, daß die Mittel, die in den guten Konjunkturjahren geschaffen waren, nun zur Deckung der dauernden Ausgaben fehlten. Infolgedessen kam der Staatshaushalt in große Verdrückung. Es ist deshalb sowohl seitens der Staatsregierung wie auch seitens dieses hohen Hauses dieses Verfahren als auf die Dauer unhaltbar anerkannt worden, und das hat dann nach längeren Ver⸗ handlungen im Jahre 1910 zu dem hier ja ganz bekannten und oft verhandelten Abkommen geführt, das auf die Dauer von 5 Jahren getroffen wurde, wonach die Spitzen der Eisenbahneinnahmen abge⸗ fangen und für Zeiten der schlechten, niedrigen Konjunktur in einem Ausgleichsfonds angesammelt werden sollen, um dadurch die Schwankungen zu vermeiden und auch dem einen Riegel vorzuschieben, daß die scheinbar hohen Einnahmen sofort in dauernde Ausgaben um⸗ gesetzt würden, während sie ihrer Natur nach nur schwankende sind.

Das Jahr 1914 ist das letzte Jahr der 5 jährigen Periode dieses Eisenbahnabkommens. Es liegen hinter uns 3 abgerechnete Wirt⸗ schaftsjahre, wir befinden uns in dem vierten Wirtschaftsjahre, und vor uns liegt das fünfte. Nach der Absicht des Abkommens des Jahres 1910 sollte eine Neuregelung im Jahre 1915 eintreten. Ueber die Wirksamkeit des Abkommens können wir uns heute noch nicht nach allen Richtungen hin klar äußern. Aber das eine können wir doch übersehen: daß das Abkommen im großen und ganzen seine Schul⸗ digkeit voll getan hat, daß man auch mit den Zahlen, die dabei gegriffen worden sind, ungefähr das Richtige getroffen hat, und daß das Ab⸗ kommen verdient, auch in der Zukunft wenigstens in ähnlicher Weise er⸗ neuert zu werden.

Gleich im ersten Jahre das lag allerdings an der guten Kon⸗ junktur konnten über 71 Millionen Mark dem Ausgleichsfonds zugeführt werden, und im zweiten und dritten Jahre schwollen die Summen, die dem Ausgleichsfonds zugewiesen wurden, noch ganz er⸗ heblich höher an. Nur jetzt, im vierten Jahre, welches augenblicklich

noch läuft, zeigt es sich doch, daß die Einnahmen nicht in dem Maße