1914 / 65 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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weiter fortgegangen sind wie vorher, daß, wie ja auch der Herr Arbeits⸗ minister vorher ausgeführt hat, in diesem Jahre sich sogar ein Rück⸗ schlag gegenüber dem Voranschlag gezeigt hat, sodaß wir am Abschluß des Wirtschaftsjahres 1913 voraussichtlich nicht einmal mit der vollen Zu⸗ weisung an den Ausgleichsfonds zu rechnen haben werden, die in dem Etat veranschlagt worden war. Wie die Verhältnisse des Jahres 1915 sich gestalten werden, das läßt sich zurzeit noch nicht übersehen. Es ist ja, wie gesagt, im Etat auch eine Zuweisung an den Aus⸗ gleichsfonds eingestellt worden; aber ob sie in der vollen Höhe zu er⸗ reichen sein wird, kann man nicht wissen, das muß der Verlauf der Jahre ergeben. Vor allen Dingen hängt das davon ab, ob die wirt⸗ schaftliche Konjunktur weiter zurückgeht, ob sie stehen bleibt, oder ob sie sich wieder hebt. Wir sind doch sehr wesentlich daran inter⸗ essiert, wieviel in den Ausgleichsfonds hineinkommt oder nicht, denn der Ausgleichsfonds muß, wie ich schon vorhin erwähnte, die Spitzen auffangen, um für schlechte Zeiten als Aushilfe zu dienen. Aber außer⸗ dem ist er dazu bestimmt, daß das Extraordinarium der Eisenbahnen, falls es nicht ausreicht, entsprechend aus dem Ausgleichsfonds erhöht wird.

Als das Abkommen getroffen wurde, glaubte man, daß mit der Ziffer von 1,15 % des zuletzt abgerechneten statistischen Anlagekapitals das Extraordinarium in seiner materiellen Begrenzung außerordent⸗ lich hoch gespeist worden sei. Es hat sich aber im Laufe der Jahre ergeben, daß die Bauansprüche der Eisenbahnen ganz erheblich größer geworden waren und größer werden mußten von Jahr zu Jahr, und daß jetzt die 1,15 % nicht mehr ausreichen; infolgedessen müssen die Verstärkungssummen für das Extraordinarium aus dem Ausgleichs⸗ fonds entnommen werden. Der Ausgleichsfonds wird also um diese Beträge gegenüber seinem anderen Zweck, daß er zum Ausgleich in Zeiten des Niedergangs dienen soll, wesentlich beeinträchtigt. Ich möchte bitten, hierauf ganz besonders zu achten.

Die sämtlichen Herren, welche bisher zum Worte gekommen sind, haben hervorgehoben, daß es notwendig sei, in den folgenden Jahren das Extraordinarium ganz wesentlich zu verstärken. Auch der Herr Arbeitsminister hat erklärt, daß er mit den Beträgen des bisherigen Extraordinariums nicht auskommen könne. Das hat natürlich zur Folge, daß in der Zukunft für Ueberweisungen zum Ausgleichsfonds erheblich weniger Mittel flüssig werden können. Alles, was dem Ertraordinarium zugewendet wird, geht von dem Ueberschuß ab und

kann nicht in den Ausgleichsfonds hineinkommen. Wir haben in⸗

folgedessen in Zukunft ganz ohne Frage damit zu rechnen, daß der Ausgleichsfonds nicht mehr in dieser rapiden und sprunghaften Weise

gefüllt werden wird, wie es bisher der Fall gewesen ist. Während mngn in den letzten Jahren, in denen die starken Zuweisungen an den

Ausgleichsfonds erfolgten, sich allgemein den Kopf darüber zerbrach, was man eigentlich mit den großen Mitteln anfangen sollte, die auf

die Dauer flüssig würden, weil der Ausgleichsfonds schon fast gefüllt zu sein schien, brauchen wir uns in Zukunft den Kopf nicht so sehr darüber zu zerbrechen, wie hoch der Ausgleichsfonds dotiert werden

solle. Es wird sich von selbst ergeben, daß nicht mehr soviel hinein⸗ kommt, sobald das Extraͤordinarium der Eisenbahnen in erheblichem Maße verstärkt wird.

Nun habe ich heute von zweien der Herren gehört, daß sie den Wunsch haben, den Ausgleichsfonds für Tarifherab⸗ etzungen in Anspruch zu nehmen. Wenn der Ausgleichsfonds auch dazu dienen soll, daß die Tarife in wesentlichem Umfange herab⸗ esetzt werden, wenn der entstehende Ausfall aus dem Ausgleichsfonds

gedeckt werden soll, dann frage ich: wie soll der Ausgleichsfonds seine

Pflicht und Schuldigkeit tun, wenn einmal Zeiten des Niederganges kommen, und wesentliche Rückgänge in den Einnahmen eingetreten

sind? Dann ist der Ausgleichsfonds überhaupt für seinen Hauptzweck

ichi mehr da. Nun könnte mir eingewendet werden, eine derartige Gefahr, daß er Ausgleichsfonds für Zwecke von Einnahmeausfällen in Betracht

komme, die gegenüber dem Voranschlag eintreten, ist nicht sehr groß,

enn unsere Eisenbahnverwaltung werde schon die Einnahmen haben,

daß das nicht eintritt. Dem möchte ich doch gegenüberstellen, daß wir

in früheren Jahren die Erfahrung gemacht haben, daß ganz erhebliche Einnahmeausfälle gegenüber den Voranschlägen eingetreten sind, daß die Gefahr vorliegt, daß diese Einnahmeausfälle in Zukunft noch sehr viel leichter vorkommen.

Unser Eisenbahnunternehmen ist das größte wirtschaftliche Unter⸗ nehmen der Welt. In diesem wirtschaftlichen Unternehmen sind Kapitalien von einer Höhe investiert, wie sie sonst in keinem Unter⸗ nehmen festgelegt sind. Da ist es nur zu natürlich, daß ein derartiges Unternehmen von der jeweiligen Wirtschaftslage besonders in Mit⸗ leidenschaft gezogen wird, daß die Veränderungen und Rückschläge ganz besonders deutlich fühlbar werden müssen. In dem noch gar nicht so weit zurückliegenden Jahre 1908 haben die Verkehrseinnahmen allein gegenüber dem Etat einen Minderertrag von 132 Millionen erbracht. Inzwischen ist aber das Einnahmesoll um mehr als ½ Milliarde gestiegen. Wenn wir also das jetzige Einnahmesoll zu⸗ grunde legen würden, dann würden die 132 Millionen gar nicht aus⸗ reichen, sondern es würde sich bei demselben Ausfall ein sehr viel höherer Betrag ergeben. Wir müssen also bei der Bemessung unseres Ausgleichsfonds immer damit rechnen, daß einmal wirtschaftliche Rück⸗ schläge eintreten, welche es nötig machen, daß einmal ein kräftiger Griff in den Ausgleichsfonds gemacht wird. Wenn mehrere wirt⸗ schaftlich schlechte Jahre aufeinander folgen, dann ist es leicht möglich, daß der Ausgleichsfonds sehr bald wieder leer sein wird. Infolgedessen muß dafür gesorgt werden, daß dem Ausgleichsfonds die nötigen Mittel immer wieder zufließen. Ich möchte davor warnen, daß man zu sehr mit dem Gedanken spielt, dieser Ausgleichsfonds wäre das Mädchen für alles, man könne damit jeden Wunsch erfüllen, indem man jedes Defizit aus dem Ausgleichsfonds deckt.

Ich komme damit zu dem letzten Herrn Vorredner, dem Abge⸗ ordneten Dr. Schmedding. Herr Abgeordneter Dr. Schnnedding hat nach meiner Ansicht durchaus zutreffend erwähnt, daß es bekämpft werden muß, daß die Steuerzuschläge, welche bis dahin einen Betrag von 72 Millionen erbringen, eventuell durch Entnahme aus dem Ausgleichsfonds ersetzt werden sollen. Ich kann den Wunsch, der im Lande sehr lebhaft laut geworden ist, daß die Steuerzuschläge herabgesetzt oder in Wegfall gebracht werden moöchten, durchaus ver⸗ stehen. Ich würde meinerseits gern die Hand dazu bieten, wenn ich eine Aussicht dazu sähe.

Die eine Aussicht, die mir gegenüber immer hervorgehoben

ist, wird damit begründet, daß man sagt: die Eisenbahn bringt

ja so große Mittel ein, greif nur zu bei den Eisenbahnen, da ist noch das eine oder andere flüssig zu machen; die 72 Millionen können leicht gedeckt werden. Nun frage ich mich: in welcher Weise sollte das geschehen? Ist es möglich, von der Eisenbahnverwaltung noch min⸗

Die erste Frage wäre die: ist der Satz von 2,10 2, den die Staatsverwaltung von den Eisenbahnerträgnissen bekommt, zu niedrig, kann der nicht entsprechend erhöht werden, damit die 72 Millionen herauskommen? Ich habe eben schon erwähnt, daß, wenn das Ertra⸗ ordinarium wesentlich verstärkt wird, weniger in den Ausgleichsfonds hineinfließt. Wenn wir den Satz von 2,10 2% auch noch erhöhen wollten in irgend einem kräftigeren Maße, sodaß 72 Millionen herauskämen, dann würde wahrscheinlich die Erhöhung so groß sein, daß überhaupt nichts mehr in den Ausgleichsfonds hineinkäme, und wir hätten die Misere wieder, die wir früher hatten, daß tatsächlich alles, was von den Eisenbahnen einkommt, gleich wieder in feste Ausgaben verwandelt werden würde, und wir nicht für schlechte Zeiten gerüstet wären. Dieser Weg ist also ungangbar.

Der zweite Weg wäre der, daß wir aus dem Ausgleichsfonds die Summen nähmen. Herr Abg. Schmedding hat durchaus zutreffend erwähnt, daß das nicht geht; denn wenn wir so große Summen aus dem Ausgleichsfonds nehmen, kann er seinem Zwecke nicht dienen. Da möchte ich noch eins hinzufügen. Die Einnahmen des Ausgleichsfonds stehen überhaupt auf so unsicheren Füßen, daß man mit ihrem Ein⸗ gange nicht mit Bestimmtheit rechnen kann. Die Ausgaben, für die die 72 Millionen Steuerzuschläge dienen, stehen fest und kehren jährlich wieder. Ob wir aber jährlich so viel Reinerträgnisse aus den Eisen⸗ bahnen haben, daß mindestens 72 Millionen Mark mehr in den Aus⸗ gleichsfonds hineinkommen können als bis dahin, das ist ungewiß und absolut zweifelhaft. Also eine solide Finanzverwaltung kann sich auf solchen Ausweg nicht einlassen.

Der dritte Ausweg könnte der sein, daß man das bisherige Extra⸗ ordinarium, welches 1,15 % beträgt, entweder ganz oder zum Teil auf die Anleihe übernimmt, um die 72 Millionen Mark dadurch zu sparen. Meine Herren, das würde zu deutsch gar nichts anderes heißen, als diese 72 Millionen Mark auf die Anleihe zu verweisen. Feste, dauernde Staatsausgaben auf jährliche Anleihen zu verweisen, das geht aber absolut nicht.

Im übrigen sprechen ja auch ganz erhebliche Bedenken dagegen, die Anleihen überhaupt noch zu verstärken. Unsere Eisenbahnanleihe hat im vorigen Jahre schon 567 Millionen Mark betragen, und sie wird in diesem Jahre mindestens 500 Millionen Mark betragen, also auch nicht viel weniger. Außerdem haben wir nicht allein Eisenbahn⸗ anleihen aufzunehmen, sondern auch für andere Staatszwecke werden Anleihen gefordert; infolgedessen würde es technisch überhaupt un⸗ möglich sein, so große Beträge jährlich auf dem Markte unterzubrin⸗ gen. Nach unseren Erfahrungen ist der Markt nicht geneigt, alljährlich so große Anleihesummen aufzunehmen, man mag den Typ gestalten, wie man will, der Markt tut es nicht, und danach müssen wir uns richten. Wir sind also technisch außerstande, noch höhere Anleihe⸗ beträge auf den Markt zu werfen; infolgedessen verbietet sich das von selbst.

Es kommt aber hinzu, daß wir noch aus einem anderen Grunde die Eisenbahnanleihen nicht erhöhen dürfen, weil sich nämlich in den letzten Jahren die Wirtschaftlichkeit unseres Unternehmens gegen⸗ über den jährlich in die Eisenbahnen zu steckenden Anleihen doch wesentlich verschoben hat. Früher waren die Reinerträgnisse der Eisenbahnen ja erheblich höher als die aus Anleihemitteln jährlich für die Eisenbahnen zu bewilligenden Kapitalien. In den letzten Jahren hat sich das aber vollständig geändert, die Reinüberschüsse der Eisenbahnen plus Ueberweisungen an den Ausgleichsfonds sind in den letzten Jahren erheblich niedriger geworden als die für die Eisenbahn notwendigen Anleihen. Dieses nach meiner Ueberzeugung sehr bedenkliche Moment dürfen wir nicht noch verstärken, sondern wir müssen Vorkehrungen treffen, daß wir zu den alten Verhält⸗ nissen zurückkehren, daß die Wirtschaftlichkeit der Eisenbahnen wieder in höherem Maße hervortritt, daß die Reineinnahme höher wird als die jährlich aus Anleihen bereit zu stellenden Kapitalauf⸗ wendungen.

Infolgedessen ist es nach meiner Ueberzeugung nicht möglich, aus den Eisenbahneinahmen die Steuerzuschläge zu decken, und infolge⸗ dessen muß diese Frage hier ausscheiden.

Nun möchte ich zu der Verlängerung des Eisen⸗ bahnabkommens übergehen. Nach der Vereinbarung von 1910 würden wir ja im nächsten Jahre genötigt gewefen sein, das Eisenbahnabkommen hier neu zu regeln, mit dem Landtage eine neue Verteilung der Eisenbahneinnahmen zu vereinbaren. In der Kom⸗ mission ist die Ansicht laut geworden, es wäre doch erwünscht, daß, ehe man an den Landtag mit einem neuen Antrag heranträte, man doch noch ein oder zwei wirtschaftlich weniger günstige Jahre unter der Herrschaft des Abkommens durchlebt haben möchte. Da die ersten Jahre des Eisenbahnabkommens tatsächlich nur in die Hochkonjunktu: hineingefallen sind, so ist es allerdings erwünscht, daß wir auch weniger gute Jahre damit durchmachen, um einen richtigen Ueberblick zu bekommen, ob die Abgrenzung im einzelnen zutreffend gewesen ist oder nicht, ob tatsächlich mit so großen Ueberschüssen immer zu rechnen ist, wie sie in den guten Konjunkturjahren dem Ausgleichs⸗ fonds zugewiesen sind, oder ob wir nach der anderen Seite eine stärkere Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds zu gewärtigen haben. Aus diesen Erwägungen heraus habe ich mich damit einverstanden erklären können, daß das Abkommen in diesem Jahre auf 1 oder 2 Jahre 2 Jahre wären mir ja eventl. noch lieber als ein Jahr ver⸗ längert würde, und zwar hatte ich zunächst folgende Bedenken, die ich aber zurückgestellt habe.

An die Finanzverwaltung treten ja immer außerordentlich große Anforderungen heran. Nicht allein die einzelnen Ressorts, sondern auch dieses hohe Haus stellt ständig Anträge und Forderungen an die Staatsregierung, daß das und das und das auf die Staatskasse übernommen werden möchte. Ich erinnere nur daran, daß der wichtige Antrag, der jetzt von den verschiedensten Parteien über die ander⸗ weitige Verteilung der Volksschullasten eingereicht ist, eventl. ganz riesige Summen in sich birgt. Kurzum, die verschiedensten und weit⸗ tragendsten Forderungen werden an die Finanzverwaltung gestellt. Nun ist aber die Finanzverwaltung gar nicht imstande, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob und in welchem Umfange sie noch weiter Ausgaben auf die Staatskasse übernehmen kann, wenn sie nicht eine gewisse Sicherheit hat, welche Einnahmen sie in der Zukunft erhält, womit sie rechnen kann. Da spielt natürlich bei unserem großen

Etat die Einnahmeposition der Eisenbahnverwaltung eine ganz be sonders große Rolle, und deshalb muß die Finanzverwaltung gan besonders wissen: was bekommt sie denn von der Eisenbahnverwaltung kann sie damit rechnen. daß die bisherigen Einnahmen, die ihr von der Eisenbahnverwaltung zugeflossen sind, ihr mindestens auch weiterhin in Zukunft zufließen? Ich hatte also zunächst Bedenken wegen der großen Forderungen, die bereits gestellt worden sind, mich damit ein⸗ verstanden zu erklären, das Abkommen noch zu verlängern, weil ich mir sagte: eine Gewißheit ist mir lieber als eine Vertagung und Un⸗ gewißheit. Ich habe aber aus den Ausführungen der gesamten Herren sowohl in der Kommission wie auch in diesem hohen Hause die Ueber⸗ zeugung gewonnen, daß auch dieses hohe Haus gesonnen ist, die Finanz⸗ verwaltung jedenfalls nicht schlechter zu stellen, als sie bis dahin gestellt war in bezug auf die Verteilung der Eisenbahnüberschüsse. Unter dieser Voraussetzung erkläre ich mich damit einverstanden, wenn das Abkom⸗ men auf 2 Jahre verlängert wird. Also ich gebe dem hohen Hause die Beschlußfassung in dieser Beziehung anheim.

Noch ein Wort zu mehreren Aeußerungen, die heute gefallen sind. Es ist heute, wenn ich nicht irre, zwei⸗ oder gar dreimal gesagt worden, es sei unbedingt notwendig, daß für die Eisenbahn erheblich

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der Fall gewesen sei. Man wäre früher nicht rechtzeitig fortgeschritten, man wäre zurückgeblieben. (Abg. Dr. Macco: Sehr richtig!) Ich muß vom Standpunkte der Finanzverwaltung ausdrücklich betonen, daß die Eisenbahnverwaltung von der Finanzverwaltung immer das bekommen hat, was sie für ihre Zwecke notwendig hatte, und daß die Finanzverwaltung durchaus einsieht, wie wichtig und bedeutsam es ist, daß die Eisenbahnverwaltung für ihre Zwecke rechtzeitig die erforderlichen Mittel erhält. Auch daran soll in Zukunft festgehalten werden. (Bravo.)

Abg. Dr.⸗Ing. Macco inl.): Auch wir billigen den Beschluß

der Budgetkommission, das Abkommen auf zwei Jahre zu verlängern. Wir halten es in Uebereinstimmung mit dem Finanzminister für not⸗ wendig, daß der Prozentsatz, der bisher für die allgemeinen Staats⸗ ausgaben bestimmt war, nicht gekürzt wird. In der richtigen Ver⸗ wendung der Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung liegt der Schwer⸗ punkt unserer Finanzverwaltung und auch der Schwerpunkt für die Entwicklung unserer Eisenbahnverhältnisse. Man kann unsere Eisen⸗ bahnverwaltung nicht mit einem großen privaten Finanzunternehmen vergleichen. Die Eisenbahnverwaltung muß in allererster Linie die Verkehrsbedürfnisse befriedigen. Es muß darauf gesehen werden, daß die Eisenbahnverwaltung von der allgemeinen Staatsverwaltun moͤg⸗ lichst unabhängig ist. Der Ausgleichsfonds hat bis jetzt noch nicht die Höoöhe erreicht, die zu wünschen ist. Wenn man den Ausgleichs⸗ fonds der Eisenbahnverwaltung mit dem Reservefonds anderer wirt⸗ schaftlicher Unternehmungen vergleicht, so ergibt sich, daß die Höhe des Ausgleichsfonds immer noch zu gering ist. Wir wünschen, daß der Ausgleichsfonds in Zukunft in genügender Weise dotiert wird, Wir dürfen uns deshalb nicht davor scheuen, den Etat derartig fest⸗ zustellen, wenn auch die Eisenbahnverwaltung in Zukunft nicht mehr die Ueberschüsse wie bisher aufweist. Ich kann den Finanzminister nicht beistimmen, daß wir heute zu viel Eisenbahnanleihen auf den Markt gebracht haben. Man muß doch hier in Betracht ziehen, daß es sich um Anleihen handelt, die werbenden Zwecken dienen. Die Anleihen dürfen allerdings nur die Aufgabe haben, Neuerweiterungen zu dienen, oder eine bessere Rentabilität des Unternehmens zu er⸗ zielen. Was die Frage betrifft, ob das Abkommen von 1909 auf ein oder zwei Jahre verlängert werden soll, so ist von allen Seiten betont worden, daß der jetzige Eisenbahnminister seit Jahren bemüht ist, den Mängeln in den Eisenbahnbauten abzuhelfen. Zeugnis einer enormen Bautätigkeit gibt das Extraordinarium. Es empfiehlt sich bei der Ausführung solcher Anlagen, die sich durch einen größeren Zeit⸗ raum hinziehen, der Verwaltung nicht auf kurze Zeit die Hand zu binden. Aus Zweckmäßigkeitsgründen möchten wir deshalb einer Ver⸗ längerung auf zwei Jahre, mit der sich auch der Finanzminister ein⸗ verstanden erklärt, zustimmen. Ob wir den Satz von 2,10 %, er⸗ höhen können, läßt sich zurzeit noch nicht übersehen. Die Einnahmen des Etats sind sehr vorsichtig aufgestellt. Diese Vorsicht ist ja in gewissem Sinne berechtigt. Es muß geprüft werden, ob es nicht wünschenswert ist, die Einnahmen auf eine andere Basis zu stellen. Bei den Ausgaben des Etats spielen die Personalausgaben eine unge⸗ heure Rolle Sie sind verhältnismäßig stark gestiegen. Die Ver⸗ mehrung des Personals erklärt sich aus der Vermeh wung der Ge⸗ schwindigkeit der Eisenbahnen und ist erforderlich im Interesse d Betriebssicherheit. Daß bei einem so ungeheuren Personal auch Ve stöße der Vorgesetzten vorkommen können, ist erklärlich. Es muß aber im Interesse der Gerechtigkeit festgestellt werden, daß die Zentral⸗ verwaltung stets bemüht gewesen ist, Gerechtigkeit im weitesten Sinne es Wortes zu üben. Diese Gerechtigkeit und Billigkeit gegenüber den Leuten ist eine der Hauptgrundsätze aller sozialen Tätigkeit. Wir müssen der Zentralverwaltung unseren Dank aussprechen. Die sach⸗ lichen Ausgaben sind seit 1900 bis 1912 außerordentlich gestiegen. Die Ausgabesätze in einzelnen Positionen sind aber außer⸗ ordentlich verschieden. Der Finanzminister hat gesagt, daß er der Eisenbahnverwaltung ihre Aufgabe nicht erschwert habe. Das mag richtig sein für die Zeit seiner amtlichen Tätigkeit. Wer aber länger im Parlament gewesen ist, weiß ganz genau, daß frühere Finanz⸗ minister bei der Festsetzung der Ausgaben sehr zurückhaltend gewesen sind. In den vergangenen Jahren waren große Unregelmäßigkeiten in der Höhe der Ausgaben vorhanden, darum ist es notwendig, daß wir eine gewisse Stetigkeit und Sicherheit in den Ausgaben haben, eine Sicherheit, die wir lediglich dann gewinnen, wenn wir die not⸗ wendige Unabhängigkeit der Eisenbahnverwaltung von den Ausgaben für allgemeine Staatszwecke schaffen. Wir danken dem jetzigen Eisen⸗ bahnminister dafür, daß er in richtiger Kenntnis der Sachlage bestrebt gewesen ist, diese Unabhängigkeit herbeizuführen. Diese Unabhängig⸗ keit ist notwendig, um den Aufgaben der Volkswirtschaft gerecht zu werden. Befinden wir uns tatsächlich zurzeit in einem unregelmäßigen Zustande, in einem Stadium der Sanierung, so fragt sich, woher dieser Zustand entstanden ist. Häufig geben Sachverständige der Ansicht Ausdruck, daß man unmöglich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auf lange Jahre voraussehen kann. Ich gebe zu, man kann nicht 10 oder 20 Jahre vorhersagen, was eintreffen wird: aber ich gebe nicht zu, daß man berechtigt war, die steigende wirtschaftliche Tätigkeit im Lande zu verkennen. Jeder, der die Statistik nur einigermaßen studiert, hat das Wachstum der Bevölkerung sehen können, und daraus mußte geschlossen werden, daß auch unsere wirt⸗ schaftliche Tätigkeit ganz unzweifelhaft ganz anders fortschreiten würde als in früheren Jahrzehnten; man würde sonst die Eigenschaften der deutschen Nation völlig verkennen. Die Vermehrung der Bevölkerung hat sich ja auch gerade nach der industriellen Seite hin gewendet; es konnte ferner nicht unbeachtet bleiben, daß unsere Produktion seit einer ganzen Reihe von Jahren in den Hauptartikeln Steinkohle, Braunkohle, Eisen von Jahr, zu Jahr ganz regelmäßig gestiegen ist. Auch hier im Hause und in der udgetkommission hat es an War⸗ nungen nicht gefehlt, die in bezug auf die Steigerung der Anforde⸗ rungen an die Eisenbahnverwaltung ergingen. Gegen die jetzige Eisen⸗ bahnverwaltung erhebe ich mit diesen Ausführungen keinen Vorwurf, ich habe im Gegenteil schon anerkannt, daß sie die Uebelstände erkannt hat und ihnen abzuhelfen bemüht ist. Ich weise aber nicht nuß auf die Vergangenheit, sondern auch darauf hin, daß wir noch lange nicht am Ende der Entwicklung sind und daß danach unsere Maßnahmen getroffen werden müssen. Deutschland hat einen Kohlenreichtum wie

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(Fortsetzung in der Vierten Beilage.)

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stärkere Baumittel aufgewendet werden, als es in früheren Jahren—

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(Fortsetzung aus der Dritten Beilage.)

kein anderes Land Europas; damit allein ist schon die Grundlage für die Msöglichkeit einer weiteren industriellen Entwicklung gegeben. Ueber die bauliche Entwicklung unseres Eisenbahnwesens wird besser beim Eisenbahnanleihegesetz gesprochen. Nicht unerwaähnt darf bleiben, daß die Kosten für unsere Bahn⸗ anlagen seit 1900 ganz wesentlich gestiegen sind. Der Personen⸗ verkehr ist der Glanzpunkt unserer Eisenbahn, er drückt nach außen hin, für das Publikum, das ganze Eisenbahnwesen aus; nach seinem Ausdruck wird die ganze Eisenbahn beurteilt und bewundert. Ich trete dieser Bewunderung bezüglich des Personenverkehrs durch⸗ aus bei; wir leisten hier, was überhaupt geleistet werden kann, und ich spreche dem Minister meine große Befriedigung sowohl über die Geschwindigkeit der Züge, wie über die Sicherheit des Betriebes aus. Auch hier aber muß man sich den gesteigerten Kostenpunkt vor Augen halten, der die Reineinnahmen herabdrückt. 1912 ergibt sich gegen 1900 ein Unterschied von 11,7 %. Beim Güterverkehr kann ich nun nicht in das große Lob einstimmen. Der Güterverkehr bietet gewiß für die Verwaltung die größten Schwierigkeiten, und diese sieht das Publikum nicht, er enthält das Problem der Massenbewältigung; er ist aber nicht bloß die Quelle der größten Schwierigkeiten, sondern auch der größten Einnahmen. Pro Tonnenkilometer ist die Einnahme von 1900 bis 1912 um 2,3 % gefallen. Die Ausfälle, die durch Tarif⸗ ermäßigungen entstanden sind, welche die Verwaltung dankenswerter⸗ weise hat eintreten lassen, sind daran nicht wesentlich beteiligt, denn sie sind sehr schnell durch die Zunahme des Verkehrs eingeholt wor⸗ den. Kann nun eine Tarifermäßigung eintreten? Die Gütererzeu⸗ gung in Deutschland läßt sich mit der anderer Länder, die unsere Hauptkonkurrenten sind, nicht in direkten Vergleich bringen; unsere Lage ist eine ganz andere als die Englands und Nordamerikas, welch letzteres insbesondere durch seine großen Seen Transportverbilligungen sich verschaffen kann, die bei uns undenkbar sind. Die Entwicklung des Güterverkehrs zeigt den Weg, der eingeschlagen werden muß. Unsere Großindustrie ist in wachsendem Maße gezwungen, sich auf den Wasserweg zu verlegen, um sich von der Eisenbahn unabhängig zu machen; das ist eine leidige Tatsache, mit der gerechnet werden muß. Der Industrie, die im Binnenlande liegt; wird ihre Existenz weiter dadurch erschwert, daß der Verkehr immer mehr nach dem Auslande drängt. Das ist in der Hauptsache Mittelstandsindustrie, und darum muß auch auf dem Tarifgebiet Mittelstandspolitik getrieben werden. Ich will gelten lassen, daß wir in keine allgemeine Tarifermäßigung eintreten können, aber gegenüber Tarifermäßigung von Fall zu Fall muß die Eisenbahnverwaltung größeres Entgegenkommen zeigen, als es bisher der Fall gewesen ist. Ich glaube, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung in einiger Zeit von selbst genötigt sein wird, Ermäßi⸗ gungen durchzuführen, und daß auf der andern Seite der Wunsch nach einer Schonung der Staatsfinanzen dann dazu führen wird, Er⸗ leichterungen und Verbesserungen durchzuführen, die der Eisenbahn⸗ verwaltung einen billigeren und besseren Betrieb ermöglichen. Sol⸗ cher Verbesserungen sind verschiedene aus Privatkreisen angeregt wor⸗ den, nicht aus den Kreisen der Verwaltung. Die Eisenbahn⸗ verwaltung muß Hand in Hand mit der Privatindustrie arbeiten, um solche Fortschritte vorzubereiten. Wir müssen mit der Zeit zu größeren Leistungen und gleichzeitig zu geringerem Bedarf an Eisen⸗ bahngleisen kommen. ie Eisenbahnverwaltung hat hier noch große Aufgaben vor sich. Diese können jedoch nicht erreicht werden, ohne daß zwischen der Eisenbahnverwaltung und den Interessenten ein gemeinsames Arbeiten stattfindet. Das ist unzweifelhaft wichtig. Die Aufgaben können anderseits nicht gelöst werden, wenn nicht auch seitens der Interessenten große Opfer gebracht werden. Es handelt sich um Aufgaben, die wirtschaftlich und technisch tief in den Eisen⸗ bahnbetrieb hineingreifen. Es ist in vielen Kreisen die Ueberzeugung groß gezogen worden, es fehle an manchen Stellen an Weitsicht für die zukünftige Entwicklung der Volkswirtschaft. Das ist vielleicht gar nicht der Fall, aber seit Jahrzehnten ist infolge der bureaukra⸗ tischen Behandlung der Interessenten dieser Glaube immer fester ge⸗ worden. In der Frage der Schaffung von Reichseisenbahnen sind wir nicht mehr vorwärts gekommen. Meine Freunde stehen dem Gedanken sympathisch gegenüber, aber es ist fraglich, ob wir noch dazu kommen können, nachdem die Einzelstaaten so kräftige Eisen⸗ bahnorganisationen geschaffen haben. Bei der Zusammensetzung des Reichstages müssen wir diese Frage sehr vorsichtig behandeln, und wir werden uns nicht so leicht dazu entschließen, unser ganzes wirt⸗ schaftliches Leben dem Reichstag zu überantworten. Unsere Eisen⸗ bahnen bilden die Grundlagen unseres ganzen wirtschaftlichen Le⸗ bens, und es ist in erster Linie erforderlich, daß die Ueberzeugung sich durchringt, daß wir in unserer Beamtenschaft ein frisches pro⸗ duktives Leben haben müssen, und daß wir uns nicht damit be⸗ gnügen, eine große Verwaltung der Eisenbahnen durchzuführen, son⸗ dern daß wir uns als Aufgabe unserer Eisenbahnverwaltung vor Augen halten, daß sie das wirtschaftliche Leben begünstigt. Unsere Eisenbahnverwaltung darf nicht nur Eisenbahnen verwalten, sondern muß produktiv wirken. Dazu wird es freilich noch längerer Zeit bedürfen. Es ist notwendig, daß in der Verwaltung der Eisen⸗ bahnen das juristische Element nicht so stark hewortritt. Bei uns ind immer noch über 80 % Juristen in der Eisenbahnverwaltung. Das ist kein gesunder Zustand. Es müssen mehr Techniker berück⸗ sichtigt werden, und auch das kaufmännische Element muß mehr her⸗ vortreten. Der Minister hat für die Eisenbahnen getan, was möglich war, ich möchte ihn bitten, durch die weitere Erhöhung des Aus⸗

gleichsfonds unser Wirtschaftsleben zur höchsten Blüte zu bringen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch:

Meine Herren! Die Beurteilung, die der Herr Vorredner der Staatseisenbahnverwaltung zuteil werden ließ, war ja, wie ich mit Dank erkannt habe, im allgemeinen günstig, selbstverständlich mit ge⸗ wissen Vorbehalten, die ich auch von meinem Standpunkt aus zu würdigen weiß.

Zum Schlusse seiner Ausführungen beschäftigte er sich mit einer bedeutsamen organisatorischen Frage, ob die Zu sammensetzung der Verwaltung an den entscheidenden Stellen richtig und sach⸗ gemäß wäre, ob die Abgrenzung der Dezernate zwischen Technikern und Administrativen, die juristische Vorbildung haben, zweckmäßig sei. Meine Herren, ich bitte, zu erwägen, daß die Erfolge, welche die Ver⸗ waltung seither erzielt hat, und die ja auch Herr Abg. Macco aner⸗ kennt, auf der Organisation der Verwaltung beruhen, die wir seit Jahrzehnten besessen und im Jahre 1895 neu geregelt haben. Ich meine, diese von allen Seiten ausgesprochenen und anerkannten Er⸗ folge sprechen doch dafür, daß die Organisation als solche und nament⸗ lich die Zusammensetzung des Verwaltungskörpers aus Technikern und Administrativen und die Verteilung der technischen und administrativen Dezernate zweckmäßig ist und erfolgbringend gewesen ist. (Abg. von Quast: Sehr richtig!)

Ich gebe ohne weiteres zu, daß man darüber streiten kann, ob tieses oder jenes Dezernat in den Verwaltungsbehörden technisch oder

en Neichsanzeiger und Königlich Preu

Berlin, Dienstag, den 17. März

und Zweifelsfrage, ob man das Fahrplandezernat einem Tech⸗ niker oder Administrativen geben soll; es ist weder rein technisch, noch rein administrativ. Tatsächlich verwalten dieses Dezernat in Preußen in anderen Bundesstaaten ist es anders geregelt nur technische Beamte. Meine Herren, unsere höheren technischen Beamten in den Eisenbahndirektionen sind gar nicht ausschließlich mit technischen Fragen befaßt; sie müssen sich im Laufe einer langen Praxis bedeutsame Verwaltungskenntnisse aneignen. Wer einen Techniker bei der Eisenbahndirektion wirken sieht, wird oft staunen, in welchem Um⸗ fange ein höherer Beamter mit technischer Vorbildung auch administra⸗ tive Fragen mit zu erledigen hat und ich setze hinzu in geschickter Weise auch erledigt. Ich glaube daher, daß Herr Abg. Macco, wenn er sich mit der Verteilung der Geschäfte in unseren Eisenbahnverwal⸗ tungsbehörden in praxi befassen würde, doch vielleicht zu einem ande⸗ ren Urteil gelangen würde.

Ich bin mit dem Herrn Abg. Dr. Macco darin nicht einverstan⸗ den, daß sich zwischen der Verwaltung und den Interessenten vielfach ein gewisses Mißtrauen geltend mache. Ich gebe zwar zu, daß di Staatseisenbahnverwaltung wie jede andere Verwaltung sich mit den Interessenten zuweilen nicht in vollem Einvernehmen befinden kann, weil sie eben die Fragen von anderen, allgemeineren Gesichtspunkten würdigen muß. Ich weiß auch ungefähr, welche Vorkommnisse Herr Abg. Macco im Auge hat: eine vielleicht etwas z u fiskalische Betonung der Interessen des Staats, namentlich den Anschlußinhabern und Lagerplatzpächtern gegenüber, was ich von meinem Standpunkt bedauern würde. Ich glaube aber, daß das Aus⸗ nahmen sind, und kann aus meiner langjährigen Praxis draußen in der Verwaltung bestätigen, daß im großen und ganzen das Verhältnis der Verwaltung zu den Interessenten gut ist, und daß, wie anerkannt wird, die Verwaltung draußen keine anderen Zwecke verfolgt, als wir es hier in meinem Ministerium wünschen und vertreten: die Förde⸗ rung der Allgemeininteressen, des allgemeinen Wohles.

Dann machte Herr Abg. Dr. Macco eine Reihe von interessanten Ausführungen; er warf die Frage auf, ob die Staatseisenbahnver⸗ waltung sich auch zu allen Zeiten genügend mit der Frage befaßt hätte, wie sich die Verkehrsverhältnisse im Lande entwickeln würden. Unter Anerkennung dessen, daß die Verwaltung heute den Verkehrsverhält⸗ nissen gerecht zu werden bemüht ist, warf er ihr doch vor, daß sie in de Vergangenheit die Entwicklung unserer Verkehrs⸗ und Wirtschaftsverhältnisse nicht genügend berücksichtigt hätte. Ja, meine Herren, ich glaube wohl, daß unter uns kaum einer sein wird, der die Voraussicht gehabt hätte, daß unsere Pro⸗ duktionsbedingungen, so glänzend sie in Deutschland und gerade auch in Preußen liegen, diese Entwicklungsmöglichkeiten gehabt haben, die tatsächlich eingetreten sind. Ich erinnere Sie nur daran, meine Herren, daß in den Jahren 1904 bis 1914, in einem 10 jährigen Zeitraum und das ist typisch unsere Roheisenproduktion um 91 % und unsere Produktion an Steinkohlen um 64 % gestiegen ist. Wenn man vor 10 Jahren dem weitschauendsten Industriellen

und Kaufmann die Frage vorgelegt hätte, ob eine solche Entwicklung

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möglich wäre, ich glaube, er hätte sie glatt verneint. Wir erleben es alljährlich, wenn die Konferenzen zwischen unseren Verwaltungs⸗ behörden und der Interessentenschaft aus den Industrierevieren über die Entwicklung des kommenden Jahres stattfinden, um den Wagen⸗ bedarf für die Neubeschaffung abzuschätzen, daß dann von einem zum anderen Jahre ganz ungeheure Irrtümer vorkommen. Da darf man sich dann auch nicht wundern, daß für einen längeren Zeitraum noch größere Irrtümer unterlaufen können. Ich gebe aber Herrn Abg. Macco zu, daß wir aus der Vergangenheit, und zwar gerade aus der letzten Vergangenheit, die Lehre gezogen und auch den Mut geschöpft haben, daß unsere Entwicklung in Deutschland und namentlich in unseren großen Industrierevieren und Industriestädten, so groß ist, daß die Verwaltung und gerade eine Verkehrsverwaltung, wie die Staatseisenbahnverwaltung bei der Ausgestaltung ihrer gesamten An⸗ lagen nicht weitsichtig genug handeln kann. (Bravo!) In diesem Zusammenhange möchte ich noch einmal betonen, daß der Bedarf

sischen Staatsan

zeiger.

Das hohe Haus beschloß damals sogar, daß die gesamten Auf⸗ wendungen für die Vermehrung unserer Betriebsmittel nicht bloß für den Ersatz in das Ordinarium eingestellt werden sollten, was sich dann später allerdings als unausführbar erwies.

Der Herr Abg. Macco weist, wie in allen Jahren, darauf hin, daß die Verwaltung ihre Sicherheit darin zu suchen habe, daß sie ihre ge⸗ samten technischen Anlagen fortentwickelt, eine Auffassung, der ich nur beistimmen kann. Er wies ferner darauf hin und verlangte Auf⸗ klärung, warum die Verwaltung allein für die Mehrbesetzung der Bremsen 2000 Köpfe in den Etat eingestellt hätte. Meine Herren, wir haben die durchgehende Bremse nur bei den Personen⸗ und Schnell⸗ zügen und bei den Eilgüterzügen, und sind leider noch nicht dazu ge⸗ kommen, auch die durchgehende Bremse bei den Güterzügen einzu⸗ führen. Das beruht darauf, daß, um dies zu können, eine Ver⸗ einbarung notwendig wäre, die fast den ganzen Kontinent umfaßte. Da sind wir viel ungünstiger gestellt als die Vereinigten Staaten. Nun ist im Laufe des Vorjahres eine Aenderung der Betriebsordnung eingeführt worden. Diese setzt die sogenannten Bremsprozente, also das Verhältnis der Zahl der Bremsen zur Zahl der ungebremsten Achsen, fest. Jetzt sind im Interesse der Steigerung der Betriebs⸗ sicherheit die Bremsprozente erhöht worden. Daraus ergibt sich ein Mehr von 2000 Köpfen für die Verwaltung.

Der Herr Abg. Macco ist dann auf den Personenverkehr und dessen Rentabilität eingegangen und erkennt an, daß für die Ab⸗ fertigung des Personenverkehrs Großes getan sei, vielleicht im Ver⸗ hältnis zum Güterverkehr zuviel. Die Frage, welchen Teil des Er⸗ trages der Personenverkehr zu dem Gesamtertrage der preußischen Staatsbahnen liefert, ist ja sehr schwierig zu beantworten. Aus der außerordentlichen Verdichtung des Personenverkehrs, einer Ver⸗ dichtung, die in der steigenden kilometrischen Einnahme im Personen⸗ verkehr Ausdruck findet, wird man den Schluß ziehen müssen, daß der Personenverkehr doch auch im steigenden Maße trotz unserer großen Aufwendungen zu den Mehrerträgen der preußischen Staatsbahnen beiträgt. Diese Hoffnung, die ich habe, läßt sich ziffernmäßig nicht feststelen. Sie ergibt sich aber daraus, daß uns im Jahre 1908 pro Zug und Kilometer nur eine Einnahme, auf den Durchschnitt im Staate gerechnet, von 1,88 zufiel, während diese Einnahme pro Zug und Kilometer infolge der Verkehrsverdichtung jetzt auf 2,09 gewachsen ist, und wenn es auch nur 21 pro Zugkilometer sind, so bedeutet das bei den Millionen Zugkilometern, die auf den preußischen Staatseisenbahnen gefahren werden, nicht wenig.

Nun führte Herr Abg. Macco aus, daß der Güterverkehr nach wie vor das Aschenbrödel der Verwaltung wäre. Ich glaube, diese Ueberzeugung wird doch wohl kaum geteilt werden können. Herr Abg. Macco erkennt ja selbst an, daß die Verwaltung gerade im Laufe der letzten Jahre Außerordentliches getan habe und für die Zunahme des Güterverkehrs auch weiter tun wolle. Unsere Anleihegesetze ver⸗ mehren sich von Jahr zu Jahr in ihrem Gesamtbetrage, und von diesem Gesamtbetrage in den Anleihegesetzen wird ja der über⸗ wiegende Teil für die Behandlung des Güterverkehrs verlangt.

Herr Abg. Macco erkennt ja auch an, daß die Verwaltung durch die Gewährung von Ausnahmeta rifen schließlich große Lasten übernommen hat; aber er sagt: die tonnenkilometrische Einnahme ist trotz alledem nur in geringem Umfange gefallen. Das trifft zu. Die tonnenkilometrischen Einnahmen sind vom Jahre 1907 beispielsweise, wo sie 3,54 per Tonnenkilometer betrugen, auf nur 3,44 gefallen. Jeder Hundertstelpfennig bedeutet aber sehr viel, meine Herren; jeder Hundertstelpfennig bedeutet 3 Millionen Mark pr. Jahr. Also es ist nicht ganz so unerheblich, was hier geschehen ist Es muß ja auch eine Minderung eintreten, weil im Interesse des Lan des dauernd mit Tarifermäßigungen vorgegangen ist und vorgegangern werden wird. Herr Abg. Dr. Macco erkennt selber an, daß eine all gemeine Tarifermäßigung nicht am Platze sei, daß man nur dem Be 8 dürfnis entsprechend durch Ausnahmetarife nachhelfen soll. Und das ist geschehen. Unter dem Einfluß der Tarifpolitik der preußischen Eisenbahnen hat sich der Verkehr aus unseren Industrierevieren und

nach Ausgestaltung der Verwaltung in allen ihren Teilen, nach der baulichen und nach der betrieblichen Seite hin in den nächsten Jahren dauernd so groß sein wird, daß wir, um auf das Extraordinarium einzugehen, mit sehr erheblichen Mehrforderungen gegenüber den letzten Jahren kommen werden. Vom Standpunkt meines Ressorts könnte es mir ja gleichgültig sein, woher die Deckung für diese Mehr⸗ forderung gefunden wird, ob aus den Einnahmen, aus dem Extra⸗ ordinarium oder aus Anleihen. Ich stehe aber nach wie vor durchaus im Einvernehmen mit der Finanzverwaltung auf dem Standpunkt, daß angesichts der Riesenmäßigkeit des Unternehmens und des unge⸗ heuren Druckes, den es auf unsere gesamten Staatsfinanzen aus⸗ üben kann, namentlich in länger anhaltenden Zeiten heruntergehender Konjunktur, eine vorsichtige Verwaltung immer wünschen muß, diese Mehraufwendung, die wir heute im Extraordinarium haben, auch in der Zukunft im Extraordinarium zu belassen, selbst bei erheblicher Steigerung.

Herr Abg. Dr. Macco hat dann eine Reihe von Fragen be⸗ rührt, die doch so wichtig sind, daß sie eine Erwähnung verdienen. Er meinte die Frage ist schon öfters erörtert worden —, daß wir für den Ersatz unserer Betriebsmittel sehr hohe, vielleicht zu hohe Beträge in das Ordinarium einstellten. Wir haben in Tit. 9 für 1913 einen Betrag von 90 Millionen eingestellt, und im Jahre 1914 ist dieser Betrag auf 95 Millionen angesetzt worden. Die Ver⸗ waltung ist sich darüber klar, daß der größte Teil dieses Betrages für den Ersatz notwendig ist, ein kleinerer für den sogenannten latenten Verschleiß, und wir haben im Jahre 1913 von diesen 90 Millionen etwa 75 bis 76 Millionen für den Ersatz notwendig gehabt und nur der Ueberschuß von 14 bis 15 Millionen nicht aber, wie Herr Abg. Dr. Macco meint, von 60 Millionen Mark ist auf den latenten Verschleiß zu verrechnen. Ich meine, diese Verrechnungs⸗ methode müßte allgemeine Billigung finden. Sie entspricht dem Beschlusse des Hauses vom Jahre 1906. Das war das erste Jahr,

administrativ verwaltet werden soll. Es ist beispielsweise eine Streit⸗

unser Export in ganz ungeahnter und riesenhafter Weise entwickelt. Die Sache steht doch so, daß im Jahre 1913, während bis zum Jahre 1912 die Einfuhrziffern und Einfuhrwerte größer waren als die Aus⸗ fuhrwerte, zum ersten Male die Ausfuhrwerte die Einfuhrwerte über⸗ steigen. Und wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß unsere Ausfuhr im Jahre 1880 2,92 Milliarden und im Jahre 1912 8,96 Milliarden repräsentierte, eine Zahl, die im Jahre 1913 erheblich überschritten ist, so wird man anerkennen können, daß unser Güterverkehr durch die Tarifpolitik der Staatseisenbahnen keine Schädigung erlitten hat. Herr Abg. Dr. Macco weist auch meinen Hinweis in der Kom⸗ mission, daß alle uns umgebenden Länder mit Tariferhöhungen vor⸗ gegangen seien, zurück und meint, die Verhältnisse wären unvergleich⸗ bar. Nun, meine Herren, aber die Gründe für die Tariferhöhungen in anderen Ländern mußten doch auch hier geltend gemacht werden, sie liegen doch ausschließlich darin, daß die Ausgaben stärker steigen als die Einnahmen, und wir haben es durch eine vorsichtige Tarifpolitik vermocht, unser ganzes wirtschaftliches Leben in der Vergangenheit vor Tariferhöhungen zu bewahren und ich hoffe, daß uns das auch noch in ferner Zukunft möglich sein wird. Vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, daß in dem uns nächstliegenden größten Industrie⸗ staate, in England, die Gütertarife im Durchschnitt erheblich viel höher sind als auf den preußischen Staatseisenbahnen, und trotzdem haben die englischen Privatbahnen im vorigen Jahre eine Tarif⸗ erhöhung verlangt und durchgesetzt, trotzdem! Also ich meine, gerade der Vergleich mit unseren Nachbarstaaten —, ich will sie nicht im einzelnen aufführen, es ist namentlich Oesterreich⸗Ungarn führt doch dahin, daß es unsere Tarifpolitik war, die es verhindert hat, daß wir zu Tariferhöhungen schreiten mußten. Das eröffnet die Aussicht, daß wir uns auch noch in fernerer Zeit davor werden bewahren können und beweist, daß diese Tarifpolitik im großen und ganzen richtig ge⸗ wesen ist.

Ich darf mich dann noch zu den Ausführungen des Herrn Dr⸗

als ich den Vorzug hatte, Minister der öffentlichen Arbeiten zu sein. 2 6

Schmedding wenden. Er wies darauf hin, daß die Unfallziffer, di