1914 / 69 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Schmidt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Erfurt,

D

Lichtenberg.

Der Amtsgerichtsrat Westhoff in Büren, die Rechts⸗ anwälte, Geheimer Justizrat Dr. Adolf Braun in Berlin, Justizrat Besta in Ratibor und Jahnz in Breslau sowie Justizrat Loewenstein in

der Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt a. O. sind gestorben.

Der Regierungsbaumeister Hartung ist von Rheinbach

an die Regierung in Köslin versetzt.

Den Regierungsbaumeistern des Hochbaufaches Reisel in Münster (Westf.) und Koenig in Breslau sind etatsmäßige

Stellen als Regierungsbaumeister verliehen worden.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

1 Der bisherige Seminaroberlehrer Dr. Eugen Stech aus Gummersbach ist zum Kreisschulinspektor in Storchnest ernannt

worden.

Dem Hauptobservator an der Königlichen Universitäts⸗ sterr 5 9 Leo Courvoisier und dem Observator an derselben Sternwarte Dr. Paul Guthnick ist

sternwarte in Babelsberg Dr

das Prädikat Professor beigelegt worden.

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8 Ministerium des Innern. Dem Oberregierungsrat Rötger

worden.

11X“X“ 8 8 8 Kriegsministerium Wohltätigkeit. Aus den für 1913 fälligen Zinsen der von dem ver⸗ storbenen Geheimen Kommerzienrat Salomon Lachmann in Berlin gegründeten Stiftung werden 25 Militärinvaliden Närz 1914 mit Geldgeschenken von je 51 bedacht

werden. Berlin, den 10. März 1914.

C“

Preußen. Berlin, 21. März 1914.

8 Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Großadmirals von Tirpitz und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller

Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Ferdinand von Rumänien sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag hier eingetroffen und auf dem Bahnhof von Seiner Majestät dem Kaiser und König, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kron⸗ prinzessin, den hier und in Potsdam anwesenden Prinzen des Königlichen Hauses, Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Carol von Rumänien, den Herren der rumänischen Gesandtschaft, dem Gouverneur und dem Kom⸗ mandanten von Berlin empfangen worden. Die militärischen Ehren erwies eine Kompagnie des Gardefüsilierregiments. Seine Majestät der Kaiser und Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin geleiteten die rumänischen Herrschaften nach dem Königlichen Schlosse, wo diese in den Gemächern Friedrich Wilhelms IV. Wohnung nahmen. G

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ Steuerwesen, für Justizwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen. Königlichen Kon⸗ Brandenburg werden am

Die Geschäftsräume des sistoriums der Provinz

23. März 1914 von SW. 68, Schützenstraße Nr. 26, nach

SW. 68, Lindenstraße Nr. 14, dem bisherigen Kammer⸗ gerichtsgebäude, verlegt.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Scharnhorst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders am 19. März in Tsingtau, S. M. S. „Iltis“ am 20. März in Tsingtau und S. M. S. „Breslau“ am 19. März in Venedig eingetroffen. Kiel, 21. März. Der Schleswig⸗Holsteinische Provinziallandtag hat in seiner gestrigen Schlußsitzung, wie „W. T. B.“ meldet, 100 000 zur Förderung des

Deutschtums in den Nordmarken, 10 000 für die Düppel⸗ gedächtnisausstellung in Sonderburg und 5000 für die Veteranenfeier in Sonderburg bewilligt.

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Baden. 1 In der Zweiten Kammer nahm gestern der Minister des Innern Freiherr von Bodmann auf einen Artikel in der „Straßburger Post“ Bezug, der für einen linksrheinischen Kanal eintritt, und bemerkte laut Bericht des „W. T. B.“: Es sei selbstverständlich, daß die Verfügung über die Wasserkräfte nicht einseitig zugunsten eines anderen Landes erfolgen könne. Der Minister wies darauf hin, daß durch die Ableitung des größten Teils des Rheinwassers eine weitere Senkung des Grundwassers der Rheinebene erfolgen würde, was mit einer Schädigung der Landwirtschaft und Fischerei verbunden wäre. Zu dem Hinweise des Artikels auf die von ihm vorgestern genannten Kosten bemerkte der Minister, er habe nicht ge⸗ sagt, daß die Kosten für die beteiligten Staaten fünfzig Milltonen be⸗ trügen, da bei der Zulassung von Kraftwerken diese einen großen Teil

Dr. Theodor bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Posen und Dr. Erich Cohn bei dem Amtsgericht in Berlin⸗

1b ist die Leitung der Kirchen⸗ und Schulabteilung bei der Regierung in Bromberg und dem Oberregierungsrat Dr. Neff die Leitung der Kirchen⸗ und Schulabteilung bei der Regierung in Trier übertragen

bis Konstanz werde 40, derjenige der Strecke Breisach Basel 50 Mil⸗ lionen kosten, sodaß zur Gesamtregulierung also rund 100 Millionen notwendig sein würden. Betreffs der Regulierung des Neckars be⸗ merkte Freiherr von Bodmann, Württemberg werde für diese nur bei Einführung von Schiffahrtsabgaben zu haben sein. Bei der Donau⸗ regulierung sei die badische Regierung grundsätzlich damit einverstanden, daß die Entschädigungsfrage dem Bundesrate unterbreitet werde. Sie habe aber ihre endgüͤltige Stellungnahme davon abhängig gemacht, daß die württembergische Regierung die Fragen, die dem Bundesrate unterbreitet werden sollen, genau bezeichnet. Die badische Regierung beharre aber bei der Auffassung, daß Baden und Württemberg sich besser vergleichen sollten, als miteinander zu prozessieren.

Elsaß⸗Lothringen. 1“ Das Landgericht in Straßburg verhandelte gestern in sieben Sachen wegen Angriffs oder Beleidigung von Militärpersonen durch Zivilisten und erkannte gegen die Angeklagten auf 40 Geldstrafe bezw. auf acht und vierzehn Tage Gefängnis. Die schleunige gerichtliche Er⸗ ledigung dieser Fälle ist, wie „W. T. B.“ meldet, zurückzuführen auf eine vom Staatssekretär den Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft erteilte Anweisung, derartige Fälle un⸗ gesäumt und mit allem Nachdruck zu verfolgen. Infolgedessen sind sämtliche derartige Vorkommnisse, die sich im Laufe der letzten vierzehn Tage ereignet haben, zusammen mit denjenigen, die bereits aus früherer Zeit bei Gericht anhängig waren, nunmehr zur Aburteilung gebracht worden. Die getroffenen Maß⸗ nahmen haben es ermöglicht, gegen Ausschreitungen der fraglichen Art gerichtliche Abhilfe binnen kürzester Frist (in mehreren Fällen schon in acht Tagen) herbeizu⸗ führen. Die Staatsanwaltschaft hatte erhebliche Ge⸗ fängnisstrafen beantragt. Die auch tatsächlich erfolgte mehr⸗ fache Verurteilung wegen Beleidigung, auch zu Freiheitsstrafen, beweist, daß auch die elsaß⸗lothringischen Gerichte gesonnen sind, dem zu Tage getretenen Unfug mit aller Entschiedenheit zu steuern. Im Einverständnis mit der Militärbehörde wurdern Vorkehrungen dahin getroffen, daß solche Zwischenfälle erst nach der Durchführung des beschleunigten gerichtlichen Ver⸗ fahrens zur Kenntnis der Presse gebracht werden sollen, um unrichtiger Berichterstattung, wie sie in der letzten Zeit mehr⸗ fach vorgekommen ist, vorzubeugen.

Desterreich⸗Ungarn. Das Amtsblatt veröffentlicht eine Kaiserliche Ver⸗ ordnung, durch die, wie „W. T. B.“ meldet, das Rekruten⸗ kontingent in der Höhe bemessen ist, in der es durch die im Herbst vorigen Jahres im Abgeordnetenhause eingebrachte Wehrvorlage für 1914 angefordert wird. In der Kaiserlichen Verordnung wird ferner unter Berufung auf das in Ungarn beschlossene Wehrgesetz und in Uebereinstimmung mit diesem die vorgesehene stufenweise Entwicklung des Kontingents für die folgenden Jahre bis 1923 präzisiert und die Regierung in bestimmter Form angewiesen, in welchem Umfange die Kon⸗ tingente in den folgenden Jahren anzufordern und sicherzustellen sein werden.

„— Nachdem die parlamentarische Erledigung des An⸗ leiheermächtigungsgesetzes durch die Vertagung des Parlaments unmöglich geworden ist, wird obiger Quelle zufolge auf Grund Kaiserlicher Verordnung eine Schatzan leihe von 375 Mil⸗ lionen, tilgbar durch Serienziehung innerhalb von 15 Jahren, ausgegeben werden. Eine aus Mitgliedern beider Häuser des Reichsrats bestehende Staatsschuldenkontrollkommission hat mit drei gegen zwei Stimmen die Zustimmung zur Gegenzeichnung der auszugebenden Schatzanweisungen erteilt. Von der Schatzanleihe sind im einzelnen bestimmt: 30 Millionen Kronen für die Staatseisenbahnen, 227 638 000 zur Deckung der Kosten der Balkanmobilisierung, 51 890 000 zur Ergänzung der Militärausrüstungen nach den Delegationsbeschlüssen vom Jahre 1912, 64 992 000 für außerordentliche Militärkredite nach den Delegationsbeschlüssen vom Jahre 1913.

Im ungarischen Abgeordnetenhause führte gestern der Ministerpräsident Graf Tisza betreffs des Drei⸗ bundes, anknüpfend an eine Bemerkung des Abg. Vajda (Rumäne), der die Notwendigkeit des Anschlusses Rumäniens an diesen betont hatte, laut Bericht des „W. T. B.“ aus:

Er könne den Bemerkungen des Abg. Vajda nur bewflichten und halte es für notwendig, dies heute abermals hervorzuheben. Denn im Auslande, wo man mit dem Stärkeverhältnis der Par⸗ teien im Abgeordnetenhause nicht vertraut sei und das Ge⸗ wicht einzelner Abgeordneter oder ihrer Aeußerungen nicht genügend würdige, könnte die optische Täuschung ent⸗ stehen, als ob im ungarischen Abgeordnetenhause eine gegen den Dreibund gerichtete Stimmung platzzugreifen beginne. In dieser Hinsicht, fuhr der Ministerpräsident fort, erleichtere seine Auf⸗ gabe die erfreuliche Tatsache, daß auch die kompetenten Mitglieder der Opposition, die die Fähigkeit besäßen, in außerpolitischen Fragen Stellung zu nehmen, ohne Parteiunterschied sich bei jeder Gelegenheit auch in der letzten Delegationssession als Anhänger des Dreibundes gezeigt hätten. Das Kokettieren mit Rußland und die Stellung⸗ nahme gegen den Dreibund scheine bloß ein taktisches Manöver zu sein, um zu beweisen, daß die Unzufriedenheit, die das gegenwärtige Regime errege, auch das Festhalten am Dreibund ins Schwanken bringe. (Zustimmung.)

Großbritannien und Irland.

Sir Edward Carson ist gestern vormittag in Belfast eingetroffen und von der Menge mit lebhaften Kufldgebungen empfangen worden. Meldungen des „W. T. B.“ zufolge sind in Belfast gestern abend achthundert Freiwillige mobilisiert worden, um die Häuser der Unionistenführer zu bewachen. In Dublin finden Besprechungen der englischen Zivil⸗ und Militärbehörden statt. Zweihundert Mann Infanterie sind unerwartet in dem Truppenlager von Curragh angekommen; in der Bucht von Dublin ankern zwei Kriegsschiffe. Carson hat eine Bekanntmachung erlassen, in der er seine Anhänger ernstlich auffordert, eine würdige Ruhe und friedliche Haltung zu bewahren. Die Nationalisten kündigen an, daß Sonntag nachmittag eine Parade über die nationalistischen Freiwilligen in den Straßen von Londonderry stattfinden soll, wo die Wogen der politischen Leidenschaften hoch gehen.

Eine Abordnung der Baltischen und Weißen⸗ Meer⸗Konferenz hat gestern der Versammlung der Internationalen Schiffahrtsvereinigung in London Vor⸗ schläge über die Stilllegung von Schiffen zwecks Ver⸗ besserung der Frachtsätze unterbreitet. Wie „W. T. B.“ meldet, faßte die Versammlung einen Beschluß, der irgend eine Stellungnahme ablehnt, bis die konstituierenden Versammlungen befragt worden seien, und in dem diese aufgefordert werden, die Vorschläge zu prüfen und darüber so

der Ausgaben übernehmen würden. Der Aushau der Strecke Basel!

ihrer Befriedigung darüber Ausdruck gegeben, daß der Beschluß so weit ginge, wie man bei dem Anfangsstadium der Dinge hätte erwarten können. 8 Frankreich. Einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge ist der Senator Gauthier zum Marineminister ernannt worden.

Im Senat stand gestern der Bericht der Kom⸗ mission zur Beratung, die zur Prüfung des Vorschlags der Kammer, dem Rochette ausschuß richterliche Be⸗ fugnisse zu erteilen, eingesetzt worden war. Der Senat beschloß mit 254 von 274 Stimmen, daß die Rochette⸗ kommission berechtigt sein solle, das Nichterscheinen eines Zeugen und die Verweigerung der Eidesleistung mit Geld⸗ strafen von 100 bis 1000 Francs zu belegen, ferner die Vor⸗ führung der Zeugen zu verfügen sowie Zeugenbestechung und falsche Aussagen zu bestrafen. 3 —— Die Deputiertenkammer verhandelte in der gestrigen Sitzung über das Finanzgesetz. 8 Der Finanzminister Renoult erklärte, obiger Quelle zufolge, die Regierung habe sich jeder neuen indirekten Steuer enthalten und werde es auch weiter tun, bis der erworbene Reichtum entsprechend be⸗ steuert sei. Die Lage des französischen Schatzes sei dieselbe, wie vor einem Jahre. Er (der Minister) werde von 4 Kammer die schleunige Annahme der zwei vom Senate a genommenen Titel der Einkommensteuer verlangen. Er werde ferner zwei Gesetzvorlagen einbringen, deren Aufnahme in das Finanzgesetz er fordern werde. Die erste nehme die Besteuerung der Rente wieder auf, die zweite setze eine progressive Steuer auf die 5000 Fr. über schreitenden Einkommen fest. Der Minister schloß mit der Aufforde⸗ rung an die repuablikanische Partei, die Regierung zu unterstützen. 1

Die Rochettekommission hat gestern die früheren Minister Monis und Caillaux, den Oberstaatsanwalt Fabre und den Gerichtspräsidenten Bidault de l'Isle vernommen. Ueber den Verlauf der Sitzung berichtet „W. T. B.“ wie folgt

Der frühere Marineminister Monis erklärte, daß er im Mär 1911 den Besuch des damaligen Finanzministers Calllaux erhalten habe, der ihm sagte, daß ein Advokat, dem er zu Dank verpflichtet sei, einen Aufschub im Rochette⸗Prozeß verlangt habe und daß er ihm bei dieser Gelegenheit seine Dankbarkeit beweisen müsse. Der Advoka würde, falls ihm der Aufschub verweigert werden sollte, ein Aufsehen erregendes Plaidoyver halten, in dem er auf jene Emission hinweise

1

trotzdem keinerlei strafrechtliche Verfolgung nach sich gezogen hätt Er, Monis, habe darauf den Oberstaatsanwalt gefragt, welchen Ein fluß der Aufschub auf das Prozeßverfahren haben könnte, und hin zugefügt, daß die Regierung in keinem Falle sein Vorgehen hindern wollte. Der Oberstaatsanwalt habe erwidert, daß der Aufschub in keiner Weise eine Verjährung zur Folge haben könnte, jedoch von der öffentlichen Meinung schlecht ausgelegt werden würde. Irgend eine Pression sei nicht vorgekommen. Als er dann nach langer Krankheit von dem sogenannten Protokoll des Oberstaatsanwalts über dieses Gespräch gehört habe, habe er de damaligen Justizminister Briand danach gefragt. Briand habe aus weichend geantwortet. Es scheine, daß das sogenannte Protokoll erst später auf Grund von Tagebuchnotizen des Oberstaatsanwalts an⸗

decken. Ein wirkliches Prorokoll, habe nie existiert, und er, Monis habe nie eine Abschrift dieses Dokuments erhalten. Wenn der Ober⸗ staatsanwalt irgendwelche Zweifel über die Unterredung. die zwische ihnen stattgefunden, gehabt hätte, so häfte er zweisellos brieflich mitgeteilt, daß er den angeblichen „Befehl“ ausgeführt habe. De Vorsitzende Jaurès hob gegenüber der Aussage Monis' die Energie

und fragte, ob dieser Aufschub nicht die Fortsetzung der Operationen Rochettes erleichtert habe. n te da dem Fall Rochelte nur oberflächliche und daß der Oberstaatsanwalt ihm keineswegs solche Be⸗ fürchtungen nahe gelegt habe. Auf Befragen erklärte Monis ferner, er habe an das Vorhandensein eines Protokolls Fabres erst geglaubt als Jaurès es in der Kammer erwähnt habe. Darauf wurde der ehemalige Finanzmintster Caikllaux vernommen. Er schwor, daß er die volle Wahrheit sagen werde. Er erzählte, daß Dumesnil bei ihm gewesen sei, um ihn zu fragen, ob

Kenntnis gehabt hab

die Regierung einen Aufschub in der Angelegenheit Rochettes ablehnen werde. Er habe ihn an den Ministerpräsidenten oder den Justiz⸗ minister gewiesen. Der Advokat Rochettes sei auch gekommen, um ihn zu bitten, seinen Wunsch Monts mitzuteilen. Monis habe ihm geantwortet, daß er mit dem Staatsanwalt Fabre sprechen werde. Die Möalichkeit von Anspielungen des Advokaten Rocheites

nur nebenher erwähnt worden. Sie hätten dann nicht mehr über die

Angelegenheit gesprochen. Barthou habe nachträglich ihm Caillaux gegenüber von einem Drucke Monis; auf Fabre gesprochen. Er Caillaux sei überrascht gewesen. Als er später Ministerpräsident war, habe er mit Fabre gesprochen, der ihm erklärt habe, der Aufschub

sei keine Sache von Bedeutung gewesen. Er nehme alles auf sich. Caillaux gab weiter an, auf sein Drängen habe der Oberstaatsanwalt

Fabre ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit erklärt, daß Briand

ihm befohlen habe, vor der ersten Rochettekommission nicht die ganze Wahrhelt zu enthüllen. Catllaux habe darauf mit dem damaligen Justizminister Cruppi beraten, und sie hätten die Sache verdächtig gefunden. Später habe er die Tatsachen Poincaré und Briand auseinander gesetzt und der letzteie habe ihm bestätigt, daß gegen sein Verhalten nichts einzuwenden sei. Am 14. Januar d. J. habe er dann vom Oberstaatsanwalt Fabre genauere Angaben verlangt, und dieser habe angegeben, daß er kein Protokoll verfaßt habe, mit dem Hinzufügen: „Sie haben ja mit dieser Sache nichts zu tun“. Auf Befragen gab Caillaux an, er sei erstaunt gewesen, daß man dem Angeklagten Rochette eine so lange Verschiebung der I bewilligt habe. Hiermit schloß die Vormittags⸗ itzung.

Die Aussagen, die der Oberstaatsanwalt Fabre am Nachmittag vor dem Rocheiteausschuß machte, stehen in grellem Widerspruch zu den Erklärungen des ehemaligen Ministers Monis. Fabre sagte, das von ihm an den ehemaligen Justizminister Briand gegebene Protokoll habe in den Händen des Justizministers bleiben sollen; dies sei der⸗ Grund dafür, daß er

stückes abgeleugnet habe. Es enthalte aber keinen Satz, der der Wahrheit widerspräche. Der damalige Ministerpräsident Monis habe ihm befohlen, die Verschiebung des Rochetteprozesses bis nach den Ferien durchzusetzen, und er habe gehorchen müssen. Man habe gesagt, fuhr Fabre fort, daß er eher hätte seine Demission geben, als so handeln sollen. Der Oberstaatsanwalt sei ein Justizbeamter von eigenartiger Stellung. Er empfange Befehle vom Justizminister und müsse ihnen gehorchen. Gewiß, er dürfe keine Ungesetlichkeit mitmachen, aber, von solchen Ausnahmefällen abgesehen, müsse er ge⸗ horchen. Er sei darüber entrüstet gewesen, daß Rochette dank mäch⸗ tiger Unterstützung von ihm einen Aufschub erzwungen habe, dem er sonst niemals zugestimmt hätte. Monis habe ihm erklärt, daß die Rochetteaffäre im Interesse der Regierung und im Interesse des Finanzministers aufgeschoben werden müsse. Er habe geantwortet, dies sei unmöglich. Monis habe bemerkt, daß ein Oberstaatsanwalt bei dem Gerichtsbof alles erreichen könne. Nach einem heftigen inneren Kampfe habe er sich entschlossen, zu gehorchen. Auf die Frage eines Ausschußmitgliedes bemerkte Fabre, daß die von Barthou in der Kammer verlesene Abschrift des Protokolls von seiner Hand her⸗ rühre. Fabre erklärte weiter, daß der Gerichtspräsident Bidault de l'Isle ihm zu Liebe in den Aufschub eingewilligt habe. Jaurès

bald als möglich Bericht zu erstatten. Die Abordnung hat

bemerkte hierauf, daß Bidault vor zwei Jahren das Gegenteil aus⸗

vabgegeben habe; als er ihn zwei Tage später darauf aufmerksam acht habe, habe Bidault geantwortet, daß er ihn durch seine Er⸗ lirung habe decken wollen.

mrurbs machte ihn darauf aufmerksam, daß seine erste Aussage sich

ian Aufschub zu erlangen. de zuerf okaten Bernard bei sich gesehen, der aus Gesundheitsrücksichten

Enelegenheit bis zu

enmgelegenheiten hervorgerufene Erregung sich gelegt habe. Er

Pabe. Einen Befehl habe er nicht erhalten, ihm hätte auch nichts gohlen werden können.

Relegenheit ihre Verjährung erleichtert hätte.

Dokument Fabres erst bei der Verlesung in der Kammer kennen ge⸗

würde, die für die französischen Sparer Verluste herbeigeführt und die Frage einer etwaigen Entschädigung der Arbeiter,

1 April 1912 durch Schüsse verwundet worden sind, und ihrer Familien nach kurzer Debatte an die Finanzkommission

iew errichtet werden soll, notwendigen Kredite angenommen.

gefertigt worden sei, und zwar auf Verlangen Briands, der dem Rubini; Marine: Millo; Unterricht: Daneo;

Oberstaatsanwalt Vorwürfe wegen des Aufschubs gemacht habe. Der Oberstaatsanwalt habe dieses angebliche Protokoll verfaßt, um sich zu

hervor, mit der der Arvokat Rochettes den Aufschub verlangt habe

Monis antwortete darauf, daß er von Schwester, der

auf gewisse Emissionen sei in der Unterhaltung Caillaux und Monis' 8

das Vorhandensein eines solchen Schrift⸗

[(reikons.) und Boisly (nl.),, betreffend Erhebungen über die Zu⸗

Fahre an wortete, daß Bidault eine unrichtige Erklä⸗

Im weiteren Verlaufe seiner Verneh⸗ g agte Fabre, daß er niemals zu Caillaux gesagt habe, daß er ordert worden sei, vor der ersten Rochettekommission die Un⸗

theit zu sprechen. Fabre kam dann auf den von Monis erhaltenen dl zurück und erklärte, schriftliche Instruktionen hätten zu nichts Wenn Fabre zu Caillaux gesagt habe, ein Protc⸗ vorhanden, so sollte das heißen, daß das Original Besitze Fabres befinde, der dessen Abschrift als ein rletzliches Aktenstück betrachte. Fabre habe sein Amt unter eh. Justizministern ausgeübt, die einander manchmal feindlich unnt gewesen seien. Es sei an ihm Verrat begangen worden, den die Rochetteangelegenheit niemals wieder aufgerollt worden In der Rochetteangelegenheit sei alles ins Werk gesetzt den, um den Oberstaatsanwalt zu entwaffnen. Die Kommission itt dann zur Vernehmung des Gerichtspräsidenten Bidault de l'Isle. dit der Fabres im Widerspruch befinde. Fabre habe erklärt, daß er Gerichtspräsidenten gegenüber die politischen Bedenken geltend nacht habe, die Monis ihm auseinandergesetzt hätte, um dadurch Bidault erwiderte, er habe zuerst den

en Aufschub erbeten habe. Er habe das abgelehnt. Später sei Fabre bei ihm erschienen, habe ihm von seiner Unterredung mit onis berichtet, und erklärt, Monis wünsche die Rochette⸗ einem Zeitpunkt vertagt zu sehen, wo Schwebe befindlichen

durch die verschiedenen in der

Zidault) habe darin nichts weiter als eine Opportunitäts⸗ ꝛe erblickt und die Angelegenheit vertagt, da sich der Staatsanwalt jesem Wunsche mit dem Verteidiger in Uebereinstimmung befunden

3 Seine Unterredung mit Fabre sei sehr ruhig pesen. Es sei ein Irrtum, zu glauben, daß der Aufschub der An⸗ Er habe mit der Ver⸗ zung keine Inkorrektheit zu begehen geglaubt. Er versichere, das lernt zu haben.

Alsdann wurde die Sitzung auf Sonnabend vertagt

Rußland. Die Reichsduma hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet,

bei den Unordnungen auf den Lena⸗Goldwerken am rrwiesen und die für eine vierte Artillerieschule, die in

Italien.

Das Ministerium hat sich nach einer Meldung des W. T. B.“ endgültig folgendermaßen gebildet: Vorsitz und mneres: Salandra; Aeußeres: di San Giuliano; blonien: Martini; Justiz: Dari; Finanzen: Rava; Schatz: Arbeiten:

ffelli; Ackerbau: Cavasola; Post: Riccio. Der Kriegs⸗ minister ist noch nicht endgültig bestimmt. Die Minister haben heute früh dem Könige den Eid geleistet.

Belgien.

Die Deputiertenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet,

Abkommen der Regierung mit den drei Töchtern ig Leopolds II., der Prinzessin Luise, der Gräfin Ste⸗ vacmie Lönyay und der Prinzessin Victor Napoleon, und seiner

Kaiserin Charlotte, über den Nachlaß des vönigs mit 78 Stimmen bei 33 Stimmenenthaltungen ge⸗ nehmigt.

Rumänien. Der Senat hat gestern die im Jahre 1912 im Haag ab⸗

geschlossene Opiumkonvention angenommen. 8 1“

b Amerika.

Nach einer von „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus riko haben die diplomatischen Vertreter Englands, Frank⸗ reichs und Belgiens ihren Regierungen mitgeteilt, daß die nexikanische Regierung der Mexican Light and Power Com⸗ uny, einer britischen Gesellschaft, ihren Freibrief zum Betriebe r Vorstadtstraßenbahnen entziehen wolle. Die Gesellschaft be⸗ treitet die Richtigkeit der Behauptung der merikanischen Re⸗ rung, daß der Freibrief erloschen sei. In diplomatischen rreisen in Mexiko wird dem Standpunkt, den die merxikanische egierung gegenüber der Gesellschaft einnimmt, Wichtigkeit bei⸗ gemessen, da vermutet wird, daß die Regierung vielleicht auf iese Weise von den ausländischen Besitzern von Kapitals⸗ nlagen Geld erlangen will. b 8 8

Die Räuberbanden des Weißen Wolf sind nach einer Meldung des „W. T. B.“ in die Provinz Shensi ein⸗ edrungen, nachdem sie Kingtzetwang in Honan geplündert hotten. Es ist bekannt, daß sich frühere Revolutionsführer aus

hensi bei dem Weißen Wolf befinden.

Dem südafrikanischen Repräsentantenhause hat der Premier⸗ minister Botha gestern mitgeteilt, daß der Generalgouverneur Gladstone seine Zustimmung zu der Indemnitätsbill gegeben habe.

—— Parlamentarische Nachrichten. .

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses n Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (5.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler, der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer und der Minister des Innern Dr. von Dallwitz beiwohnten, die erste Beratuͤng des Gesetzentwurfs über Teilung land⸗ oder forstwirtschaftlicher Be⸗ situngen (Grundteilungsgesetz) fort in Verbindung mit der Beratung der Anträge der Abgg. Freiherr von Zedlitz

sammenlegung von bäuerlichem Grundbesitz mit Großbesitz, und in Verbindung mit der ersten Beratung der von den bgg. Ecker⸗Winsen (nl.) und Genossen eingebrachten Gesetz⸗ twürfe wegen Ansiedelung von Landarbeitern und Schaffung von Allmenden, wegen Schaffung von klein⸗ und mittelbäuer⸗

durch provinzielle Ansiedelungsgesellschaften, sowie des von dem Abg. Aronsohn (fortschr. Volksp.) eingebrachten Gesetz⸗ entwurfs wegen Förderung der inneren Kolonisation. Abg. Nissen (Däne): Wir sind keine Feinde der inneren Kolonisation, aber in unserer Gegend ist sie gar nicht nötig; denn wir haben sehr wenig Großarundbesitz in Nordschleswig. Wir können uns den vorliegenden Anträgen nicht anschließen, weil ihnen politische Motive zugrunde liegen. Man hätte von Anfang an die Grenzbevölkerurng anders behandeln müssen, dann hätte man das, was man jetzt erreichen will, viel leichter erreichen können. Keiner der Anträge bietet uns die Gewähr dafür, daß nicht politische Gründe mitspielen. Wir müssen also dagegen stimmen, wenn auch nicht aus grundsätzlichen Erwägungen. Das Vorkaufsrecht ist eine sehr bedenkliche Bestimmung. Ich verstehe nicht, wie ein Mann, der nur einen Funken konservativer Gesinnung hat, für diesen Gesetzentwurf stimmen kann. Wir sind ebenso kon⸗ servativ wie Sie (zu den Konservativen gewendet) auch, wir lieben unseren Grund und Boden gerade so wie Sie. Man erwartet von diesem Gesetz eine Ermäßigung der Preise von Grund und Boden. Obwohl auch wir dies für wünschens⸗ wert halten, glaube ich doch nicht, daß es eintreten wird. Bei uns in der Nordmark wird es sicher nicht der Fall sein. Ich gebe zu, daß unter den jetzigen Verhältnissen eine bedeutende Preissteigerung eingetreten ist. Aber man darf auch nicht vergessen, daß die Produktion sich in den letzten Jahren fast verdoppelt hat. Dieses Gesetz ist ein Ausnahmegesetz schlimmster Sorte. Das geht auch daraus hervor, daß früher immer gefragt worden ist, wann denn eigentlich dieses Parzellierungsgesetz kommt, das dem Staate eine neue Waffe in die Hand geben soll. Wird das Gesetz angenommen, so sind wir sicher, daß man es gegen uns anwendet. Einem konser⸗ vativen Großgrundbesitzer gegenüber wird man wohl ohne dessen Willen nicht nach diesem Gesetze verfahren.

Hierauf nimmt der Minister des Innern Dr. von Dallwitz das Wort, dessen Rede am Montag im Wortlaut wiedergegeben werden wird. 11“

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage sind Entwürfe zu Gesetzen, betreffend die vorläufige Regelung des Reichshaushalts und des Haushalts der Schutzgebiete für das Rechnungs⸗ jahr 1914 sowie der Entwurf eines Gesetzes über die Ver⸗ legung der deutsch⸗russischen Landesgrenze vom Memelstrom bis zum Pissekfluß zugegangen. 8

Bei der am 17. März erfolgten Reichstagsersatzwahl im zweiten Posener Wahlkreis (Obornik⸗Samter⸗Birn⸗ baum⸗Schwerin) wurden, wie „W. T. B.“ meldet, nach amt⸗ lichen Ermittlungen im ganzen 30 135 Stimmen abgegeben. Davon erhielten der Prälat Klos (Polgz 16 439, der Ritter⸗ gutsbesitzer von Haza⸗Radlitz (kons.) 33929 und der Partei⸗ sekretär Schulz (Soz.) 630 Stimmen Ungültig waren 33 und zersplittert 4 Stimmen. Klos ist soöͤmit gewählt.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Troppau wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Nachdem gestern fünfzig an dem der Nordbahn gehörigen Petersschacht bei Michalkowitz beschäftigte Schlepper wegen Lohnstreits in den Ausstand getreten waren, hat die Betriebsleitung heute die ganze, etwa 500 Arbeiter umfassende Belegschaft ausgesperrt.

In Heidelberg sind der „Frkf. Ztg.“ zufolge die Zeitungs⸗ trägerinnen auf Veranlassung des Transportarbeiterverbandes in den Ausstand getreten. Die Zeitungsverleger hatten eine Verhandlung mit dem Verband und dn Abschluß eines von diesem vorgeschlagenen Tarifvertrages mit etwa 80 % Lohnerhöbung abgelehnt, weil der Verband in gar keiner Beziehung zum Buchdruckerei⸗ und Zeitungs⸗ betrieb steht. Für die ausständigen Trägerinnen war sofort Ersatz zur Stelle. Für die Arbeitswilligen mußte polizeilicher Schutz in Anspruch genommen werden, da Transportarbeiter das Austragen der Zeitungen verhindern wollten.

Der Generalausschuß des englischen Arbeitgeberverbandes der Baumwollspinner beschloß, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Manchester einstimmig, allen Spinnereien, die amerikanische Baumwolle verarbeiten, angesichts der gegenwärtigen Geschäftslage eine Schließung der Betriebe während der Osterwoche zu empfehlen.

In St. Petersburg haben, wie „W. T. B.“ erfährt, die Arbeiter einer größeren Zahl von Fabriken als Kundgebung gegen die gegen die Arbeiterpresse gerichteten Unterdrückungsmaßnahmen die Arbeit eingestellt. In einigen Fabriken ist nur ein teil⸗ weiser Ausstand ausgebrochen; es streiken hauptsächlich Arbeiter kleinerer Betriebe. Offenbar ist der Ausstand planmäßig organisiert. Die Ruhe ist nirgends gestört.

8 .“

Kunst und Wissenschaft.

In der Königlichen Nationalgalerie hat man wieder eine gründliche Umordnung und Neugestaltung vorgenommen. Nach recht langer Vorbereitungszeit wurden in diesen Tagen die um⸗ gebauten unteren Räume dem Publikum zugänglich gemacht. Die Künstler, die augenblicklich von vielen Zeitgenossen als die bedeutendsten Maler des 19. Jahrhunderts angesehen werden, sind hier mit ihren Werken vertreten. Böcklin, Feuerbach und Hans von Mares befinden sich in den ersten vier Räumen, die wie die übrigen ihr Licht durch je eins der unverändert gelassenen hohen Seitenfenster erhalten und die sich ziemlich tief nach der Mittelachse des Gebäudes erstrecken. Dem großartigen Stil der Werke dieser Maler entsprechend hat man eine kühle, feierliche Wirkung angestrebt. Der Boden ist mit breiten Steinfliesen belegt, die Wäͤnde sind mit dunklem roten Stoff bespannt. Man muß zu⸗ geben, daß manche dieser Bilder, vor allem einige Böcklins, erst jetzt recht in ihrer Bedeutung erkannt werden können. Die Gemälde sind locker aufgehängt, sodaß jedes für sich allein zur Geltung kommt und eine dekorative Wirkung ausübt, die zu dem monumentalen Charakter dieser Schöpfungen gaut paßt. Aus den vier hallenden Gemächern kommt man in die Menzel⸗Zimmer, die den Raum der Apsis ein⸗ nehmen. Entsprechend dem Format und dem intimen Charakter der meisten Werke des Berliner Meisters hat man den Räumen einen schlichten, warmen Ton verliehen. Sehr glücklich ist die ovale Raum⸗ form, die den Betrachter behaglich umschließt. Auf dem prachtvollen grünen Stoffe stehen die Zeichnungen und Gemäalde ganz vorzüglich. Zu be⸗ dauern ist, daß durch allzu reichliche Verwendung des Goldes an Leisten und Nischen der schlichte Charakter der Menzel⸗Zimmer zum Teil wieder aufgehoben wird. Man darf hoffen, daß allmählich durch die Ein⸗ wirkung der Luft und des Lichts der aufdringliche Goldglanz gedämpft wird. Dasselbe gilt von dem sehr hellen grünen Stoffe der näͤchsten Zimmer, auf dem die tonigen Gemälde den Haider, Thoma, Leibl, Trübner, Schuch, Hagemeister, Kühl, Liebermann, Uhde und anderer neueren Meister zu hart und schwarz stehen. Auch hier wird die Zeit eine Dämpfung und Milderung bringen. Klingers mythologische Meeresbilder aus einer Steglitzer Villa sind ihrer ursprünglichen Be⸗ stimmung gemäß in einem dieser hellen Zimmer in die Wand ein⸗ gelassen worden und sie kommen dadurch gut zur Geltung. Alles in allem kann man mit der Umgestaltung des unzweckmäßigen Gebäudes zufrieden sein. Man hat sich weder an den Kunstwerken, weder an dem Charakter des an sich sehr schönen Baues und auch nicht an dem guten Geschmack versündigt.

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Literatur.

In der Sammlung wissenschaftlicher Abhandlungen „Aus dem Archiv der deutschen Seewarte“ ist als Heft 3 des 36. Jahrgangs eine Arbeit von JFohannnes Mielke über „Die Temperatur⸗ schwankungen 1870 1910 in ihrem Verhältnis zu der Il1jährigen Sonnenfleckenperiode“ erschienen. Als Haupt⸗ ergebnis der Untersuchungen ist hervorzuheben, daß sowohl in den Tropen als in den Ektropen das Wärmemaximum genau in die fleckenärmsten Jahre fällt. Ferner stimmt das Temperaturminimum der Tropen mit dem Fleckenmaximum überein, dasjenige der ektropischen Zonen erscheint dagegen etwa 0,9 Jahre später als dieses. Den regelmäßigsten Temperaturverlauf in den einzelnen außertropischen Gürteln kann der kalte aufweisen: Wärmeminimum 0 9 Jahre nach dem höchsten, Wärmemaximum zu⸗ sammenfallend mit dem tiefsten Fleckenstande. Am unruhigsten verhält sich die Kurve des kalten gemäßigten Gürtels; von seinen drei Maxima fiel das eine in die Zeit der wenigsten, die andere in diejenige der meisten Sonnenflecken, während das dritte überhaupt in keinem Zusammenhang mit ihnen zu stehen schien. Vor allem aber tritt hervor, daß die Amplitude in dem Zeitraum von 1870 1910 wesentlich kleiner war, fast um die Hälfte, als in dem Zeitraum 1820 1854, für den Beob⸗ achtungen Köppens vorliegen; ferner konnte festgestellt werden, daß die Schwankung des wärmeren gemäßigten Gürtels vor 1870 denselben Betrag erreichte wie die des kälteren und daß dies für die Zeit vach 1870 auch der Fall war; nur war die Höhe der Schwankung 1820 bis 1870 verschieden von 1870 1910. Die Fluktnationen der Tem⸗ peratur folgen also sehr dicht auf die der Sonnenflecken; die aus den Jahren 1820 1854 abgeleitete Temperaturschwankung hat sich auch in den Jahren 1870 1904 im großen bestätigt; eine Aus⸗ nahme bildeten nur die Jahre 1905 1910, in denen das Material spärlicher wird. Man ist zu dem Schlusse berechtigt, daß die elfjährige Temperaturperiode endgültig für die Wissenschaft gewonnen ist. Dagegen war die Verschiebung und Verspätung der Wendepunkte mit zunehmender Breite, die 1820 54 deutlich auftrat, in den Beobachtungsjahren 1870 1904 nicht zu er⸗ kennen. Bestätigt haben die Mielkeschen Untersuchungen schließlich den von Dove aufgestellten Satz, daß die Temperaturabweichungen von nor⸗ malen nicht örtlich beschränkt, sondern auf größere Flächenräume ver⸗ breitet sind. Ein zweiter Satz Doves negative Abweichungen in einem Erdteil werden durch positive in einem anderen aufgehoben scheint dagegen für den Zeitraum 1870— 1910 nicht recht haltbar zu sein.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten Absper

maßregeln. Italien. Die italienische Regierung hat durch seesanitätspolizeiliche Ver⸗ ordnung vom 13. d. M. den Hafen von Rangoon (Nieder Burma) für pestverseucht erklärt.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Washington, 20. März. (W. T. B.) Nach dem endgültigen Bericht des Censushureaus sind bis 28. Februar d. J. 14 127 000 Ballen Baumwolle entkörnt worden gegen 13 589 000 bis zum 15. Januar d. J. und 14 076 000 im Vorjahre.

Theater und Musik.

8 8 Königliches Opernhaus.

Das Königliche Opernhaus brachte gestern die E 1 eines neuen zweiaktigen musikalischen Lustspiels von Ermanno Wolf⸗ Ferrari, „Der Lrebhaber als Arzt“. Mit dieser heiteren Oper hat der Komponist wieder erfreulicherweise das Gebiet betreten, auf dem er vor etwa einem Jahrzehnt mit der Musikkomödie „Die neugierigen Frauen“, seinen ersten großen Erfolg errang. Der starke Beifall des Publikums, den Wolf⸗Ferrari später mit seinem im krassen Stil des neuitalienischen Realismus gehaltenen Bübnenwerk „Der Schmuck der Madonna“ erzielte, hat jenen ersten Erfolg künstlerisch nicht aufgewogen. Wolf⸗Ferraris Eigenart weist ihn ganz entschieden auf das Gebiet des musikalisch Heiteren und Graziösen, das er, ohne die gröberen Mittel der Operette für sich in Anspruch zu nehmen, mit viel Feinheit und Laune behandelt. Im Vergleich zu seinem bekannten Erstlingswerk „Den neugierigen Frauen“, hat der Komponist in seiner neuen Oper an Eigenart in der Themenbildung und Selbständigkeit in der Behand⸗ lung der Harmonik und des Orchestersatzes gewonnen. Wenn mar früher eine entschiedene Abhängigkeik vom Mozartschen Sti nicht ableugnen konnte, so trifft man jetzt überall di Ansätze zu individueller Gestaltung. Der italienische Einschlag der Kunst Wolf⸗Ferraris tritt stärker als vordem in seiner Melodie bildung hervor und gibt, im Verein mit der satztechnischen und harmonischen Feinheit, die den Einfluß deutscher Schule verraten einen sehr reizvollen Zusammenklang. Der Text der kleinen Oper is von Enrico Golisciani (nach Molidre) verfaßt und vor R. Batka verdeutscht. Der reiche alte Gutsbesitzer Arnolf will in eigensüchtiger Vaterliebe sein Töchterchen Lucinde keinem Bewerbe gönnen. Da hilft die ränkegewandte Zofe Lisette ihrer jungen Herrin durch eine List. Lucinde muß die Kranke spielen und ihr als Arzt verkleideter Anbeter Clitandro heilt di Geliebte und erringt sie für sich, nachdem ein Konzil zünftige Doktoren sich erfolglos um die vorgeblich Leidende bemüht hat Die Gegensätze in den Charakteren: der polternde, eigensüchtige un doch so leicht zu täuschende Vater, die verwöhnte, liebeskranke Tochter, die listige, gewandte Zofe und der zärtliche und mutige Liebhaber sind in der Musik auf feine und doch sehr treffende Weise nachgezeichnet. Für die würdevolle Zopfigkeit des unfähigen Aerzte⸗ kollegiums findet der Komponist durch einen drollig⸗gravpitätischen kontrapunktischen Satz eine sehr bezeichnende musikalische Um⸗ schreibung. Die Darstellung, die Wolf⸗Ferraris kleines Wer am Königlichen Opernhause fand, war die denkbar günstigste. L Blech wußte jede Feinheit und Klangschönheit der Partitur ins rechte Licht zu rücken und auch die Sänger unterstützten den Komponister mit voller Hingabe. Herr Hoffmann als Vater Arnolf und Her Henke als Liehhaber Lucindes boten trefflich charakterisierende Leistungen. Frl. Engell spielte und sang die Lucinde mit viel Anmut, und Frl. Artôot de Padilla lieh ihre bewegliche, stets stilsichere Kunst der zungengewandten, klugen Zofe. Die Herren Krasa, Schultz, Habich und Sommer in den Rollen der vier unklugen Medizin⸗ männer wirkten so derb⸗komisch, als Textdichter und Tondichter ver⸗ langten. Die Chöre, denen musikalisch eigenartige Aufgaben in de Oper zufallen, hielten sich unter Professor Rüdels Leitung ausge zeichnet. Der erste Akt zeigte ein prächtiges Bühnenbild: den Aus blick auf ein altes Schloß, durch verschorene Hecken, und davor eine altmodischen Garten mit Marmorbänken, Statuen und Spring brunnen. Die Aufnahme, die das feine kleine Werk fand, ungeteilt freundlich.

Lessingtheater.

Das Lessingtheater unternahm gestern den an und für sich löb lichen Versuch, Goethes Schauspiel „Jphigenie auf Tauris“ aufzuführen, leider aber war es ein Versuch mit untauglichen Mitteln, erst und vor allem, weil es dem Lessingtheater an einer geeigneten Darstellerin für die Hauptrolle fehlt. Fräulein Lina Lossen ist ganz und gar keine Ipbigenie. Leise und zaghaft, unsicher in der Betonung und mit fortgesetzter Neigung, sich zu versprechen, sprach sie die herrlichen Goetheschen Verse, die in dieser Eintönigkeit völlig ihren Eindruck verfehlten. Selbst das berühmte, nies versagende Parzenlied vermochte nur lauen, matten Beifall zu erwecker Auch in Kleidung, Bewegung und Gebärdenspiel ließ sie weder von der Schönheit der Griechin, von der Hoheit der Priesterin, noch von dem Stolz der Königstochter etwas ahnen. Man wäre fast versucht, zu sagen, daß sie eine Leistung bot, die aus Fehlern und Mängeln

lcchen Zetrieben und wegen Förderung der inneren Kolonisation

zusammengelett war. Besser stand es um den Orest des dem Lessing⸗