1914 / 69 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Zerschlagungen vorliegt. Meine Herren, diese Annahme des Herrn Abgeordneten ist nicht zutreffend. Es existiert leider keine vollständige und einwandfreie Statistik über die in den letzten Jahrzehnten vor⸗ genommenen Zerschlagungen. Aber soweit möglich, haben wir die Zahlen, die uns zugänglich waren, zusammengestellt; wir haben die Zahlen nicht so ausgewählt, wie sie am günstigsten waren, sondern wir haben diejenigen Provinzen genommen, von denen wir ein mog⸗ lichst ausreichendes Zahlenmaterial in Händen hatten! 8 Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß die Zahlen, die in der Be⸗ gründung mitgeteilt sind, teilweise und auch im Verhältnis zu dem Gesamtgrundbesitz der betreffenden Provinz nicht so erschreckend sind. Aber, meine Herren, Sie dürfen doch nicht vergessen, daß von allen Seiten und gerade aus dem Westen die Klagen über unwirtschaft⸗ liche Zerschlagungen von Grundbesitz, über das Zerschlagen von Bauernhöfen in zahlreichen Fällen laut geworden sind. Damit überein, die sowohl die Oberpräsidenten der Provinzen wie auch die Landwirtschaftskammern erstattet haben. Sie liegen allerdings zum Teil schon einige Jahre, bis zum Jahre 1906, zurück; aber sie lauten nahezu übereinstimmend dahin, daß in den westlichen Bezirken ich nenne Hessen⸗Cassel, Teile der Rhein⸗ provinz und Hannover die Güterzertrümmerungen einen bedenk⸗ lichen Charakter angenommen haben, und daß es auch nach ihrer An⸗ sicht hohe Zeit sei, mit gesetzgeberischen Maßnahmen dem ent gegenzutre⸗ ten. Meine Herren, wenn der Abgeordnete Freiherr von Reitzenstein eingewendet hat, daß die Vorschriften des bayerischen Güterz ertrümme⸗ rungsgesetzes, die ja teilweise in dem jetzt uns vorliegenden Gesetz⸗ entwurfe wiederholt worden sind, in Bayern ungünstige Erscheinungen gezeitigt hätten, so ist das, wie ich schon gestern angedeutet habe, in⸗ sofern zuzugeben, als es in Bayern an einer Stelle fehlt, die dort das Vorkaufsrecht praktisch ausüben kann! In Bayern komunen vor⸗ nehmlich nur die Gemeinden und die Darlehnskassenvereine für die Ausübung des Vorkaufsrechts in Betracht. Es liegt auf der Hand daß diese schon finanziell nicht imstande sind, von dem Vorkaufsrecht häufiger Gebrauch zu machen! Wo das der Fall ist, ist es erklärlich, daß zunächst die Subhastationen zugenommen haben, was in Preußen voraussichtlich nicht der Fall sein wird, weil da, wo die wirtschaftliche Lage den Besitzer zum Verkaufe zwingt, in Ermangelung von anderen Käufern auch der vorkaufsberechtigte Staat eintreten kann!

Nun komme ich noch zu den Ausführungen des Herrn von Reitzen⸗ stein über die Güterpreise! Er hat zunächst den Wunsch ausgedrückt, daß über die Steigerung der Güterpreise im letzten Jahrzehnt auch statistisches Material beigebracht werden möchte. Auch hier fehlt aus⸗ reichendes statistisches Material. Aber gewisse Zahlen, die in den Mitteilungen der Ansiedlungskommission in Westpreußen und Posen und der übrigen Besiedlungsgesellschaften enthalten sind, geben Auf⸗ schluß darüber, zu welchen Durchschnittspreisen im Jahr Land an⸗ gekauft worden ist! Aus der Denkschrift der Ansiedlungskommission für Posen und Westpreußen vom Jahre 1913 ergibt sich, daß sich die Preise im Jahre 1913 gegen das Jahr 1912 im Durchschnitt um zirka 400 von 1400 auf 1800 für den Hektar gesteigert haben.

Schon hieraus geht evident hervor, daß die Grundstückspreise dauernd noch in einer Steigerung begriffen sind, die zu den ernstesten Be⸗ denken Veranlassung bietet, um so mehr, weil es sich hier nicht allein um Preise handelt, die als Ausnahmepreise in den Ansiedlungspro⸗ vinzen infolge der Konkurrenz zwischen polnischen und deutschen Käufern gezahlt werden. Nein, Sie finden diese Steigerung auch in den Provinzen, wo der Nationalitätenkampf ncht zur Geltung kommt. (Sehr richtig!) Sie finden sie mehr oder weniger im ganzen Osten. Und ebenso wie die Ansiedlungskommission in Posen und Westpreußen klagen auch die übrigen Landgesellschaften nicht über mangelndes Lemd⸗ angebot das ist überall noch sehr reichlich gewesen —, sondern hauptsächlich darüber, daß Preise gefordert werden, die von den Sied⸗ lungsgesellschaften mit Rücksicht auf die Lage der demnächstigen An⸗ siedler nicht gezahlt werden können.

Meine Herren, die Ursachen dieser Steigerung der Güterpreise sind verschieden und zum Teil ja auch von dem Herrn Abg. von Reitzen⸗ stein erwähnt worden. Ich gebe ohne weiteres zu, daß die höheren Erträge, die Möglichkeit, nicht allein ein größeres Quantum, sondern auch eine bessere Qualität sowohl bei der Rindviehzucht wie beim Getreidebau zu erzielen, zweifellos zur Erhöhung der Preise beigetragen haben, und ebenso ist es auch richtig, daß heutzutage, wo wir im allgemeinen in Deutschland reicher und kapitalkräftiger geworden sind, sich natürlich auch sehr viel mehr Menschen finden, die sich auf dem Lande ansetzen wollen, und denen es gleichgültig ist, ob sie etwas mehr oder weniger für ihre Scholle bezahlen. (Sehr richtig! rechts.) Das wirkt zweifellos auch auf die Erhöhung der Güterpreise ein. Aber, meine Herren, bei Einführung eines Vorkaufsrechts, bei Einführung der Genehmigung für Zerschlagungen durch Grundstückshändler und -makler werden diese Gründe der Steigerung der Güterpreise immer bleiben. Was aber beseitigt wird und ich halte diese Beseitigung für sehr wünschenswert ist der Aufschlag, der den Güterpreisen durch die Konkurrenz gewährt wird, der Aufschlag, den sie dadurch erhalten, daß als Konkurrenten eine Reihe von Käufern auftreten ich nenns nur Grundstückshändler und Parzellierungsbanken —, die besonders hohe Preise bewilligen in der Aussicht, nachher genügend Ansiedler zu finden, welche die Teilstücke wieder zu den höchsten Preisen von ihnen übernehmen.

Meine Herren, ich glaube, es ist wirtschaftlich nur zu rechtfertigen, wenn derartige Preisaufschläge durch verständige gesetzgeberische Maß⸗ nahmen der Regierung beseitigt werden! (Sehr richtig! rechts.) Es liegt auch nicht im Interesse der Landwirtschaft und gewiß nicht der bodenständigen Landwirtschaft, daß die Möglichkeit besteht, derartige exorbitante Preise für den Grundbesitz dauernd zu erhalten. (Sehr richtig! rechts.) Einmal wird dadurch mancher sonst seßhafte Grund⸗ besitz mobil gemacht, und zweitens werden die Besitzer verleitet, ihren Besitz höher zu belasten, als es sonst der Fall sein würde (Sehr richtig! rechts), weil sie bei diesen hohen Preisen immer noch Gläubiger finden, die den Besitz mit Darlehen zu belasten bereit sind. (Sehr richtig!) Ich möchte demnach glauben, daß die hier von mir erwähnten Ausführungen des Herrn Abg. von Reitzenstein in Wirklichkeit nicht gegen die Vorschläge, die im Gesetzentwurf gemacht worden sind, sondern für dieselben sprechen. (Sehr richtig! bei den Natl.)

Nun wird ja ein ehrlicher und ernstlicher Reflektant auch nach Einführung des Vorkaufsrechts und der Genehmigungspflicht für die Zerschlagung nicht vom Grunderwerb ausgeschlossen. Die Siedlungs⸗ gesellschaften und ebenso die Ansiedlungskommission, die ja schließlich eie ernzigen sein werden, die für die Ausübung des Vorkaufsrechts in

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Betracht kommen, sind gar nicht in der Lage, jeden Besitz zu kaufen. Sie können einmal nur den Besitz kaufen, der sich für die Besiedlung resp. für die Zerschlagung eignet, und zweitens können sie auch nur insoweit kaufen, wie dies die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel gestatten! Es hat tatsächlich in den letzten Jahren die An⸗ siedlungskommission nicht viel mehr als 10 % der ihr angebotenen Grundfläche gekauft, die Eigene Scholle ungefähr 4 % und die Ost⸗ preußische Landgesellschaft zirka 11 %. Also es bleiben in allen Fällen immer noch zirka 90 ℳ% des Landangebots für die anderen Reflektanten übrig.

Auf die grundsätzliche Stellungnahme zur Polen⸗ und Ansiedlungs⸗ politik möchte ich nicht eingehen; darüber weichen die Auffassungen einzelner Parteien und diejenigen der Staatsregierung so weit von⸗ einander ab, daß eine Verständigung auf diesem Gebiete nicht wird er⸗ zielt werden können. Aber ich möchte davor warnen, den Vorschlägen, die die Staatsregierung nunmehr in dem Grundteilungsgesetz gemacht hat, Einwendungen entgegenzuhalten, die aus der Unantastbarkeit des Eigentums und aus gleichartigen grundsätzlichen Erwägungen ent⸗ nommen werden. Meine Herren, Sie kennen mich jetzt auch so lange, daß Sie nicht von mir voraussetzen, daß ich Vorschläge begründen und unterstützen würde, von denen ich glaubte, daß sie in Wirklichkeit geeignet sein könnten, an den Grundlagen des Staatswesens, zu denen ich auch das Eigentum rechne, zu rütteln! Aber wir dürfen doch nicht außer acht lassen, daß es wirschaftliche Entwicklungen gibt, denen der Staat nicht gleichgültig und mit verschränkten Armen gegen⸗ überstehen kann. Die Politik des laisser faire laisser aller hat auch für den Staat und die Parteien ihre Grenzen! (Lebhafte Zustimmung bei den Freikonservativen.)

Meine Herren, wenn Sie bedenken, zu welchen strengen gesetz⸗ geberischen Maßnahmen sich jetzt England genötigt sieht, Herr Abg. Ecker hat ja auch auf Canada und Amerika verwiesen —, dann werden auch wir uns, wenn wir überhaupt noch die ländliche Bevölkerung auf dem Lande festhalten und durch Ansetzung von Bauern und ländliche Arbeitern vermehren wollen, der Notwendigkeit nicht entziehen können, das dazu erforderliche Land zu beschaffen. Ich glaube, ein Vorschlag, der das Eigentum unangetastet läßt und nur denjenigen Besitz in An⸗ spruch nimmt, dessen sich der Eigentümer schon entäußert hat, geht in Wirklichkeit nicht gegen das Eigentum, er wendet sich nur gegen den neuen Erwerber und gibt dem Staate die Möglichkeit, mit diesem in Konkurrenz zu treten. (Sehr richtig! rechts.) Wenn auch nach dieser Richtung hin ich gebe das ohne weiteres zu gewiß noch Bedenken obwalten, dann glaube ich gerade, daß diejenigen, die es ehrlich und aufrichtig mit der Erhaltung des Eigentums meinen, nichts Besseres tun können, als in diesem Augenblicke Maßnahmen zu befürworten, die gewiß auch den Zweck verfolgen, in Zukunft durch eine gesunde Besitz⸗ verteilung die Erhaltung des Eigentümers sicherzustellen und den mitt⸗ leren und kleineren Besitzer ebenfalls an die Seite derjenigen treten zu lassen, welche das Eigentum gegen jeden Ansturm von innen und von außen zu verteidigen bereit sind (Bravo! rechts.)

Meine Herren, gestatten Sie mir, daß ich noch mit wenigen Worten auf die Anträge eingehe, welche Herr Abg. Ecker in längerer Rede begründet hat. Gewiß bin ich bereit, diese Anträge in der Kom⸗ mission mit Ihnen zu prüfen und aus ihnen dasjenige zu entnehmen, was für die Zwecke des Gesetzes und für die Absichten der Staats⸗ regierung förderlich ist. Aber ich kann doch nicht verhehlen, daß ich gewichtige Bedenken gegen manche Vorschläge der Antragsteller und vor allem und darauf kommt es wohl am meisten an dagegen zu erheben habe, daß derartige gr Summen, wie sie von dem Herrn Antragsteller verlangt werden, jetzt für die Zwecke der Kolonisation auf den verschiedenen Gebieten zur Verfügung gestellt werden sollen. Meine Herren, ich glaube, nicht zu viel zu sagen, wenn ich der Mei⸗ nung Ausdruck gebe, daß dieselben Gründe, welche im vorigen Jahre dafür maßgebend gewesen sind, die Summe von 100 Millionen für die Zwecke der Kolonisation zu verweigern, auch in diesem Jahre noch zutreffen für die 300 Millionen, welche seitens der Herren Antrag⸗ steller gefordert werden. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich glaube zunächst, daß es nicht zweckmäßig und richtig ist, die Summe von 300 Millionen auf die verschiedenen Zwecke in drei verschiedenen Entwürfen zu verteilen; diese Einteilung ist, glaube ich, etwas schematisch und läßt eine genügende Berücksichtigung der doch sehr verschiedenen örtlichen Bedürfnisse und Verhältnisse nicht zu! (Sehr richtig!)

Gewiß ist der Vorschlag beachtenswert ich glaube, das hat auch Herr Abg. von Zedlitz hervorgehoben —, an die Stelle des Rentenkredits bare Staatsdarlehen treten zu lassen. Aber, meine Herren, es ist sehr fraglich, ob die Beteiligten und ob auch der Staat bei der Hergabe barer Darlehen besser fahren. Wir haben jetzt den Weg beschritten, daß wir den provinziellen Siedlungsgenossenschaften gegenüber uns bereit erklärt haben, den weitaus größten Teil der⸗ jenigen Verluste staatlicherseits zu decken, welche diesen Gesellschaften durch den Kursrückgang der Rentenbriefe erwachsen. (Bravo!) Es wird zu erwägen sein, ob diese Zusage, welche, anscheinend zur Be⸗ friedigung der provinziellen Siedlungsgesellschaften in einem Erlasse vom 29. Dezember 1913 gemacht worden ist, nicht auch auf die kleine⸗ ren Siedlungsgesellschaften ausgedehnt werden kann. (Sehr richtig!) Wird nach dieser Richtung hin verfahren, dann stellt sich die Sache in Wirklichkeit so, daß die Kursverluste der Rentenbriefe, unter denen die Besiedlungsgesellschaften vorwiegend leiden, in der Hauptsache vom Staate getragen werden, daß infolgedessen die Benutzung des Renten⸗ bankkredits nicht mehr auf Schwierigkeiten stößt, und das möchte ich gegenüber dem Herrn Antragsteller betonen daß der Renten⸗ bankkredit ein unlimitierter und daher noch weitergehender ist als die 300 Millionen Staatskredit, welche nach dem Vorschlage des Herrn Antragstellers den Siedlungsgenossenschaften und Kreisen in verschie⸗ dener Form zur Verfügung gestellt werden sollen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, ich glaube, man darf in solchen Fragen, die das preußische Staatsgebiet betreffen, nicht auf kleinere Nachbarstaaten exemplifizieren. Wenn Dänemark das, meines Wissens im Jahre nur 2 bis 3 Millionen für die innere Kolonisation zur Verfügung stellt bare Staatsdarlehen gewährt, so finde ich das bei dem Um⸗ fange des Staates und bei der Größe der ihm gestellten Aufgaben durchaus vernünftig. Aber hier handelt es sich bei uns um Be⸗ schaffung von Hunderten von Millionen, und ich glaube, für uns eignet sich mehr der von der Staatsregierung in Aussicht genommene Weg, die dann nur nötig hat, ihren Kolonisationsfonds im landwirtschaft⸗ lichen Etat jährlich je nach Bedarf vielleicht um 2 bis 3 Millionen zu erhöhen, und dadurch die weitere Geldbeschaffung durch Renten⸗ bankkredit ermöglichen kann. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte dann

[außerdem nach bemerken, daß der Vorschlag der Neunzehntelbeleihung,

wie ich ihn kurz nennen möchte, auch bereits in dem Grundteilungs⸗ gesetz enthalten ist. Insofern wird den Wünschen der Antragsteller bereits entgegengekommen. 18 Eine andere Frage ist die, ob es möglich und notwendig sein wird, die Beihilfen, welche den Siedelungsgesellschaften bei der Er⸗ richtung von bäuerlichen und Arbeiterstellen gegeben werden, im Laufe der Jahre noch zu erhöhen. Gegenwärtig bekommen zur Bestreitung der Kosten, insbesondere für öffentliche Lasten die Siedelungsgesell⸗ schaften je nach der Größe der Stellen 800, 600 und 400 und außer dem noch 10 pro Hektar der besiedelten Fläche. Ich glaube nicht, daß diese Summen völlig reichen, und ich wäre gern bereit, mit dem Herrn Finanzminister in Verbindung zu treten, ob diese Bei⸗ hilfen nicht noch erhöht werden können. Ebenso steht es mit den Freijahren. Gewiß ist es erwägenswert, besonders in Gegenden und bei Besitzungen, die sich noch nicht in voller Kultur befinden, ob nicht den Ansiedlern statt eines Freijahres mehrere Freijahre gewährt werden können! (Sehr richtig! rechts.) Im übrigen muß ich doch gegenüber den hier gemachten Ausführungen her⸗ vorheben: Die Ansiedler sind teilweise nicht mehr so günstig angesetzt worden, wie das in früheren Jahren der Fall war; aber im großen und ganzen ist die Ansetzung der Ansiedler wenigstens seitens der An⸗ siedlungskommission und seitens der staatlich unterstützten Si gesellschaften so erfolgt, daß sie auch in diesem Jahre, wo bekanntlich die Getreide⸗ und Viehpreise wieder heruntergegangen sind, durchau existenzfähig geblieben sind! Subhastationen von Ansiedlern sind in auffälliger Zahl nicht vorgekommen! Daß solche Subhastationen nicht ganz ausfallen, liegt auf der Hand, denn alle Ansiedler sind eben nicht

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finden Sie auch Leute, die ihre Wirtschaft nicht verstehen, die sich vielleicht dem Trunk ergeben, ihren Betrieb vernachlässigen und infolge⸗ dessen schließlich der Zwangsversteigerung unterworfen werden müssen!

Gegenüber den sehr eingehenden und gewiß beachtenswerten Aus führungen des Herrn Freiherrn von Zedlitz möchte ich es für richtiger halten, auf dieselben erst bei der Kommissionsberatung im einzelnen zurückzukommen. Ich bin gern bereit, zu prüfen, inwieweit denselben weitere Folge gegeben werden kann!

Nur noch ein Wort zu dem Vorschlag des Herrn Ecker, im Landwirtschaftsministerium eine besondere Stelle für innere Kolonisa⸗ tion einzurichten. (Widerspruch bei den Nationalliberalen.) Ich habe schon mit Rücksicht auf die mir obliegende Arbeitslast die Empfin⸗ dung, daß ich gerade genügend Beamte beschäftige (Sehr gut!), und wenn die Herren Antragsteller einen Ueberblick darüber gewinnen könnten, wie die Abteilung, welche mit der inneren Kolonisation be⸗ foßt ist, auf diesem Gebiet arbeitet, und wie sie mit den provinziellen Instanzen in Verbindung steht, dann würden Sie mit mir zweifellos das Bedürfnis für eine besondere Zentralstelle für Kolonisation we⸗ nigstens zurzeit gewiß verneinen. Ich kann auch nicht in Aussicht stellen, daß die Königliche Staatsregierung sich mit einem solchen Vorschlage einverstanden erklären wird. (Lebhafter Beifall.)

Abg Baerwald (fortschr. Volksp): Auch wir wollen selbst⸗

Richtung hin fördern. Das haben wir jederzeit bewiesen. Aber wir

Kolonisation fördert. 1 bei Parzellierungen ausgeschlossen werden, erstens durch eine Genehmigungserfordernis, die seitens des Regferungspräsidenten zu erteilen ist, zweitens durch ein Räcktrittsrecht, das de Veräußerer oder Erwerber hat, der mit einem gewerbsmäßigen Güterhändler in Verbindung getreten ist. In Bayern hat man kein besonders günstigen Erfahrungen gemacht. Dort hat man zwar dur die Maßnahmen gegen die Güterhändler erreicht, daß die private Güterteilung erheblich zurückgegangen ist, aber es ist bedauerlicher weise festzustellen, daß sie nicht in dem Maße von der gemein

in dem gewerbsmäßigen Güterhandel erhebliche Auswüchse vor handen sind und daß ihre Bekämpfung und Beseitigun durchaus notwendig ist. Aber anderseits sind wir der Meinung, dasß die uns hier vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen nich die geeigneten Mittel sind, um derartige Auswüchse zu be kämpfen. Der § 4 des Entwurfes, welcher von Fällen handelt,

denen die erforderliche Genehmigung zur Parzellierung g oder versagt werden soll, hat einen sehr kautschukartigen Charakter Deese Bestimmung in dieser Form wird dahin führen, daß imme Gründe gefunden werden, um die Genehmigung zu versagen. Der jenige, der den ablehnenden Bescheid bekommt, wird nachher sage können: Du brauchst der Worte viel, um zu versagen, aus allem höre ich doch bloß das Nein. Dieses Nein wird die Regel werden und dadurch wird die innere Kolonisation nicht gefördert, sondern ge hemmt. Die Gestaltung des Genehmigungsverfahrens ist auch gan

die seinen wirtschaftlichen oder politischen Anschauungen widerspricht, un⸗ mög ich zu machen. Sein Einfluß auf die Verkäufer und Güterhändler wird von vornherein zu einem außerordentlich großen und ins Ungemessene erhoben. Die politische Bedeutung einer solchen Maßregel ist nicht zu verkennen. Eine derartige Verschäfung des Einflusses der politi⸗ schen Beamten gibt zu erheblichen Bedenken Anlaß und kann von uns nicht gebilligt werden. Wir halten es für nützlicher, daß diese Ge⸗ nehmigungsbefugnis richterlichen Beamten überttagen wird. Die Be⸗ stimmungen uüͤber das Räcktrittsrecht haben einen durchaus un⸗ sympathischen Charakter. Vor dem Jahre 1900 war es in Preußen möglich, ohne gerichtliche Beurkundung einen Kaufvertrag über ein Grundstück gültig abzuschließen. Mit dieser Bestimmung machte das Bürgerliche Gesetzbuch ein Ende. Das Bürgerliche Gesetzbuch gewährt dem Käufer, der vom Verkauf zurücktreten will, schon ausreichende Maß⸗ nahmen, er kann den Kaufvertrag beispielsweise wegen Irrtums usw. an⸗ fechten. Es liegt absolut kein Bedürfnis vor, das Rücktrittsrecht in dem Um⸗ fange, wie es der Entwurf will, einzuführen. Das G setz gewährt das Rücktrittsrecht nur den Güterhändlern gegenüber. In den Fällen aber, wo beispielsweise ein Gutsbesitzer gewerbsmäßig zum Zwecke des Bauernlegens Land ankauft, wird dieses Rücktrittsrecht nicht ge⸗ geben. Zum mindesten müssen in dem Entwurf Kautelen geschaffen werden, um das Bauernlegen zu verbindern. Ueberhaupt wünschen wir, daß in dieser Beziehung eine gewisse Rechtsgleichheit eintritt. Nach dem Entwurf soll die Veräußerung von land⸗ oder forstwirtschaftlichem Besitz, der in den in dem Entwurf auf⸗ gezählten Provinzen belegen ist, beschränkt werden. Das Rheinland und Hessen⸗Nassau, wo noch weite Strecken vorhanden sind, die der inneren Kolonisation nutzbar gemacht werden können, fallen aber unter diese Bestimmungen nicht. Es scheint, als ob man hier auf das Zentrum Rücksicht nehmen wollte, um den Entwurf nicht zu gefahrden. Ich glaube aber, daß dies eine besondere Entschädigung für den Entwurf nicht ist. Die neeeicen Maßnahmen in dem Ent⸗ wurf sind geeignet, eine weitere Verschärfung des Nationalitäten⸗ kampfes in der Ostmark herbeisuführen. Wir wollen dies nicht, da es nicht im Interesse der kulturellen Entwicklung dieser Landesteile liegt. Das Vorkaufsrecht trägt einen starken sozialistischen Charakter. Ich habe auch Bedenken, doß es gegen Reichsrecht verstößt. Die Preissteigerung der Güter läßt sich nicht leugnen. Man kann sie aber nicht nur auf den Güterhandel zurückführen. Hier spielt vor allen

Dingen das Bestreben reicher Leute, sich Luxusgüter anzuschaff

gleich gute Wirtschafter, und unter den Tausenden von Ansiedlern

verständlich die Ansetzung von leistungsfähigen Bauern nach jeder

können dem vorliegenden Gesetzentwurf in der jetzigen Fassund, nichs⸗ zustimmen, weil wir nicht anerkennen können, daß er die innere Die gewerbsmäßigen Güterbändler sollen

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nützigen Tät gkeit ersetzt worden ist, wie es im Interesse der inneren Kolonisation zu wünschen ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß

unzulänglich. Die Entscheidung liegt lediglich in den Händen der politischen Beamten. Der Landrat ist in der Lage, jede Parzellierung,

[ob der Artikel 119 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen

eine Rolle. Wir können dem Gesetzentwurf nur dann stimmen, wenn entsprechende Kautelen geschaffen werden, di Erreichung der Zwecke der inneren Kolonisation Gewähr leisten. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Förderung der inneren Koloni⸗ sation vorgelegt, der alle Kautelen enthält. Wir wollen, daß der Staat 300 Millionen Mark dafür aufwendet. Wenn 8 viel nennt, so weise ich darauf hin, daß das kleine Dän 60 Millionen für diesen Zweck aufbringen kann. Und Geld wird doch wirtschaftlich angelegt, die 300 2 sollen doch nicht verschenkt werden; sie sollen zur machung von Arbeitern, zur Beschaffung von Wohnungen usw. verwendet werden. Wir wünschen ferner, daß im Ministerium eine Abteilung für die innere Kolonisation geschaffen wird, und daß besondere Beamte angestellt werden, welche die innere Kolonisation fördern. Wenn in der Kommission nach dieser Rechtung noch bessere Vorschläge gemacht sollten, so werden wir uns denselben nicht verschließen. Wichtig ist, daß die Ansiedler Staatsdarlehen zu 3 % bekommen. Bisher haben die Ansiedler an den Rententiteln Kursverluste erlitten. Wer wollen daß die Angedler für das Gut nur das bezahlen, was es wirklich wert ist. Ohne Staatshilfe wird eine wirksame innere Kolonisation niemals durchgeführt werden können. Der Nutzen darf nicht den Siedlungsgesellschaften zugute kommen, sondern den Ansiedlern selbst. Für die Kosten der öffentlich⸗rechtlichen Einrichtung mus der Staat Beihilfe gewähren, und wir werden diese auf 1000 für die Stelle bemessen. Der Landtag muß alljährlich durch einen Bericht der Regierung in die Lage gesetzt werden, die Fortschritte der inneren Kolonisation zu kontrollieren. Wir verlangen keine Ueberstürzung, wohl aber ein schnelleres Tempo in der inneren Kolonisation. Die Forderung von 75 Millionen für die Gewährung von Zwischenkredit werden wir gern prüfen. Die Fideikommißbildung muß erschwert, die Aufteilung der Fideikommisse erleichtert werden; wir werden diese Frage eingehend prüfen, wenn der Gesetzentwurf aus dem Herrenhause an uns kommt. Es dürfen nicht so große Flächen gebunden und dadurch der inneren Kolonisation dauernd entzogen werden. Wir wünschen Maßregeln gegen das Bauernlegen. Das Vorkaufsrecht des Staates macht den schärfsten Eingriff in das Privateigentum, der jemals gemacht ist, und wir werden mit allem Ernst die nötigen Rechtsgarantien zu schaffen suchen. Wir können der Vorlage nur zustimmen, wenn sie so ge⸗ staltet wird, daß sie das Geoße in unserem Sinne erreicht und da⸗ durch das Wohl des ganzen Staates fördert. Abg. von Trampczynski (Pole): Die Vorlage war die schärfste Zumutung, die jemals von der Staatsregierung uns gestellt worden ist. Mit Ausnahmegesetzen kann ein Staat sich wohl halten, es fragt sich nur, wie lange. Der Ministerpräsident hat gesagt, man brauche nur so zu tun, als ob es kein Ausnahmegesetz sei. Von den 75 Millionen für den Zwischenkredit und der Er⸗ leichterung der Unschädlichkeitszeugnisse werden wir nichts haben, 6 daß wir mit unseren Steuerbeiträgen dafür leisten dürfen. ie Vorschriften über die Einschränkung des Güterhandels sind nicht neu: sie sind bereits im bayerischen Gäterzertrümmerungsgesetz zum Ausdruck gekommen. Die Klagen sind sehr übertrieben; der Bauer ist nicht so dumm, wie er aussieht. Der Minister sagte, die Be⸗ richte der bayerischen Behörden über das Gesetz lauteten günstig. Aber auf die Berichte der Behörden kann man nicht viel geben; man muß unter die Interessenten selbst gehen. Ich habe Gelegenheit ge⸗ nommen, mich bei den bayerischen Reichstagskollegen über das Gesetz zu informieren und da lauten die Auskünfte wesent⸗ lich anders. Der Güterhandel wird so lange bestehen, so⸗ lange ein Bedürfnis für Land besteht. Es gibt aber eine Möglichkeit, ihn zu unterbinden, indem man den Bauern und Arbeitern so viel Land zur Verfügung stellt, wie sie haben wollen. Der Landwirtschaftsminister legt eine Statistik vor über die Nric⸗h Hang Son Gütern, die den Ergebnissen der anderen Statistiken viderspricht; sie sind miteinander nicht in Uebereinstimmung zu bringen. gewisser Teil der Siedlungsgenossenschaften heißt deshalb gemein⸗ nützige Genossenschaften, weil er jeden polnischen Besitzer boykottieren muß (Zuruf bei den Polen: Deshalb gemein!), jawohl, gemeine. Bisher ist kein Mensch darauf gekommen, daß das Vorkaufsrecht als Veräußerungsbeschränkung zu betrachten ist. Das Freizügigkeitsgesetz enthält die Bestimmung, daß niemand am Erwerbe von Grundstuͤcken gehinde t werden darf. Das Landesgesetz soll aber den Zweck haben, irgend einen Reichsangehörigen am Erwerbe von Grundstücken zu bindern. Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche gestattet zwar, das Vsräußerungsrecht zu beschränken, aber das gilt nur von Sachen. Das Vorkaufstecht ist lediglich gegen den Erwerber und nicht gepen den Veräußerer gerichtet; denn veräußert wird doch. Der § 17 enthält den wahren Charakter des Gesetzes: die Polen ihres Grund und Bodens zu berauben, aber möglichst ohne Entschädigung. Das Wassergesetz war ein jurtstisches Kunststuck und beweist, daß im Justiz⸗ ministerium sehr helle Köpfe sitzen; aber zur Verteidigung dieses Ge⸗ setzss reichen menschliche Fähigkeiten überhaupt nicht aus. Es wird immer über die Mobilmachung des Grundbesitzes gesprochen. Ich habe darin eine 28jährige Praxis und finde darin viel Ueber⸗ treibung. Der Grundbesitz war früher genau so mobil wie heute; aber wenn jetzt ein Gut verkauft wird, dann wird das gleich in Hunderten von Zeitungen publiziert. Was hat den städtischen Grundbesitz so stark untergraben? Das waren in erster Linie die Besitzveränderungs⸗ abgaben; diese beschränken die Möglichkeit, das Grundstück zu ver⸗ kaufen. Wie ist es bei dem ländlichen Grundbesitz? Der erste Hypothekengläubiger will das Grundstück ja nicht haben; er muß aber mt der Möglichkeit rechnen, daß er es bei einer Subhastation bekommt. Se bstverständlich will er es so bald wie möglich wieder verkaufen, und wenn ihm dies durch das Gesetz erschwert wird, wird er sich in Zukunft sehr überlegen, ob er überhaupt noch Hypotheken gibt. Da⸗ durch wird aber der Besitz, wenn keine Hyporbeken mehr darauf zu bekomwen sind, erst recht mobil. Die heutigen Grundstückspreise halte ich im „Verbhältnis zu ihren gesteigerten Erträgen für normal. Im vorigen Jahre hat der Reichstag den Reichskanzler aufgefordert, ein Gesetz zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse vorzulegen, und zwar einstimmig, einschließlich der Konservativen. Dann hat sich die preußische Regierung beeilt, die Sache zu einer preußischen zu machen und selbst einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dieser Entwurf ist nur eine Attrappe und wird nicht eine einzige Wohnung verbessern. Die Fortschrittliche Volkspartei ist in ihrer Beratung des Gesetzes zu dem ganz richtigen Ergebnis gekommen, daß in dem Ansiedlungsgesetz die Quelle des Wohnungselends zu suchen ist. Dennoch drängt der Ostmarkenverein immer wieder auf die Anwendung des Ent⸗ eignungsgesetz s. Der Minister soll ihm sogar versprochen haben, mit Enteignungen fortzufahren, wenn er für das Parzellierungs⸗ gesetz ordentlich Propaganda mache. Wir glauben ja nicht, daß ein Appell an das Gerechtigkeitsgefühl des Hauses einen Erfolg hat. Aber wir appellieren zugleich auch an Ihre Vernunft. Die Land⸗ wirtscheft im Deutschen Reiche braucht eine solche Masse von Arbeitern, daß der jetzige Bestand gar nicht reicht. Trotzdem ver⸗ sucht man, die Polen wegzubringen. Man kann auch von diesen Puen Gesetzen nur wiederholen: Vernunft wird Unsinn, Wohltat Justizminister Dr. Beseler: . Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf die Ausführungen des Herrn Vorredners über die allgemeine Bedeutung des Entwurfs einzugehen. Ich will vielmehr nur die Rechtsfragen erörtern, die der derr Vorredner und auch der Herr Abg. Baerwald aufgeworfen haben. Die Bedenken, welche diese gegen den Entwurf vorgebracht haben,

sind im wesentlichen die gleichen. Sie haben beide die Frage gestellt,

Gesetzbuch, der der Landesgesetzgebung das Recht gibt, die Ver⸗ ußerung eines Grundstücks zu beschränken, im vorliegenden Falle an⸗

endbar oder ob nicht vielmehr durch die Bestimmungen des Ent⸗ wurfs der Erwerber betroffen, also eine durch einen reichsgesetzlichen

Der Herr Vorredner hat auch gesagt, es handle sich bei Artikel 119 um dingliche Rechte, und persönliche Rechte könnten gar nicht in Betracht kommen. So wenigstens habe ich ihn verstanden.

Nun muß man doch, wenn man die vorliegende Frage prüft, von dem Punkt ausgehen, in dem die Rechtsveränderung anfängt, das heißt von der Veräußerung. Die Veräußerung wird namentlich auch dann beschränkt, wenn der Eigentümer es ist, der in der Veräußerung

recht dadurch, daß er sich den Käufer nicht frei wählen kann. (Lebhafter Widerspruch bei den Polen.) Das Vorkaufsrecht, das in dem Gesetz geregelt ist, bestimmt, daß der Staat das Recht hat, in einen geschlossenen Vertrag einzutreten, und deshalb ist der Verkäufer verhindert, an einen anderen zu verkaufen als an den Staat, falls dieser das Grundstück haben will. Und ich kann es deshalb nicht als richtig anerkennen, daß gesagt wird, hier wäre der Erwerber beschränkt. Der Erwerber, der kaufen will, wird allerdings an diesem Erwerb be⸗ hindert. (Zurufe bei den Polen: Na also!) Das ist aber nur eine Folgeerscheinung davon, daß der Veräußerer nicht in der Lage ist, ihm das Gut zu übertragen. (Lachen und Widerspruch bei den Polen.) Meine Herren, wenn Sie mit diesen Ausführungen nicht einver⸗ standen sind, bleibt es Ihnen ja unbenommen, sie jederzeit zu be⸗ kämpfen; vor der Hand liegt für mich nicht der mindeste Grund vor, meine Ansicht für unrichtig zu halten.

Des weiteren ist von dem Herrn Vorredner auf den § 16 des Entwurfs verwiesen worden, den er außerordentlich scharf getadelt hat, und bei dem er es auch nicht an Vorwürfen gegen die Staatsregierung hat fehlen lassen. Dieser Paragraph bestimmt in dem Punkte, den der Herr Vorredner bemängelt hat, daß der Staat sich nicht Bedin⸗ gungen gefallen zu lassen braucht, die mit der ganzen Absicht des

etzes unvereinbar sind, daß er also solche Bedingungen nicht

füllen braucht, wenn sie in dem Vertrage enthalten sind.

Vorschrift ist meines Erachtens selbstverständlich. Denn

sich der Gesetzgeber gefallen lassen soll, daß das, was

will, durch Verabredung der Parteien einfach hintertrieben

wird, das kann man doch von ihm sicherlich nicht verlangen. Der

Herr Vorredner hat übrigens auch verschwiegen, daß die Entschädi⸗

gungspflicht auch dann bleibt, wenn die Bestimmung nicht er⸗

füllt zu werden braucht, und daß sie nur dann wegfällt, wenn die

Nebenleistung in Geld nicht schätzbar ist. Das scheint mir eine ganz gerechte Lösung dieser Frage zu sein.

Dann haben die Herren auf das Freizügigkeitsgesetz verwiesen.

Ueber die Frage, wie das Freizügigkeitsgesetz auszulegen sei, ist hier in diesem hohen Hause schon mehrfach gesprochen worden (sehr richtig! bei den Freikonservativen), und es ist auch früher im wesentlichen nie etwas anderes gesagt worden als das, was heute zur Begründung dafür vorgebracht ist, daß das Freizügigkeitsgesetz dem vorliegenden Gesetzentwurfe widerspreche. Die Herren Vorredner sagen: Jeder Deutsche, auch jeder Nichtpreuße, habe das Recht, unbehelligt durch irgend welche Anordnungen der Behörden Grundeigentum in Preußen zu erwerben. Das ist ja ganz unzweifelhaft richtig. Aber ebenso richtig ist es, daß die Nichtpreußen nicht mehr Rechte erwerben können, als die Preußen selber, und daß alle die Beschränkungen, denen sich jeder Preuße unterwerfen muß, selbstverständlich auch von denjenigen ertragen werden müssen, die als Nichtpreußen Rechte in Preußen ausüben wollen. Es steht jedem nichtpreußischen Deutschen frei, Grundeigentum in Preußen ebenso zu erwerben wie jeder Preuße: aber er kann unmöglich verlangen, daß er auch in den Fällen dieses Recht ausüben darf, in denen der Preuße Grundeigen⸗ tum nicht erwerben kann. (Lachen bei den Polen.) Diese Auffassung ist auch von der Rechtsprechung und der Wissenschaft als richtig an⸗ erkannt worden; sie ist nicht nur die meine, und ich kann sie wohl als communis opinio der Juristen bezeichnen. (Widerspruch bei den Polen.) Es würde zu den merkwürdigsten Konsequenzen führen, wollte einer, der Nichtpreuße ist, sagen: Ich will dieses bestimmte Grundstück in Preußen haben; weil ich Nichtpreuße bin, muß man es mir verkaufen. Nein, nur unter den Voraussetzungen, wie es an jeden Preußen verkäuflich ist, kann er es erwerben. Sonst könnte er auch jedes durch Fideikommiß⸗ errichtung oder in sonstiger Weise gebundene Gut kaufen. Der Nichtpreuße soll dem Preußen gleichstehen, aber er soll nicht besser stehen, als der Preuße. Das ist der Grund, weshalb die von den Herren Vorrednern aus dem Freizügigkeitsgesetz gezogene Folge⸗ rung unter keinen Umständen zutreffen kann, daß es also unzutreffend ist, wenn man sagt, der vorliegende Entwurf verstoße gegen das Frei⸗ zügigkeitsgesetz. Die Ausführuugen der beiden Herren Vorredner haben sich nur in diesen Richtungen bewegt. Ich habe daher keine Veranlassung auf weitere Rechtsfragen, zu deren Aufwerfung der vorliegende Ent⸗ wurf Anlaß bieten könnte, einzugehen. Ich betone nur nochmals, daß die Einwendungen, die bisher gegen ihn gemacht worden sind, nicht stichhaltig sind.

Abg. Braun (Soz.): Alle bürgerlichen Parteien haben sich zu der inneren Kolonisation bekannt. Die Konservativen haben sich aller⸗ dings nicht aus voltswirtschaftlichen, sondern aus parteipolitischen Gründen für die innere Kolonisation erklärt. Es ist nicht richtig, daß der Kleinbetrieb bei der Lebensmittelproduktion rationeller als der Großbetrieb arbeite. Entscheidend ist für die Beurteilung dieser Frage der Ertrag pro Arbeitsstunde und pro Arbeitskraft. Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet ergibt sich, daß der Kleinbetrieb wirtschaftlicher ist als der Großbetrieb. Es kommt nicht darauf an, wieviel Menschen auf dem Lande ernährt werden, sondern darauf, wieviel Menschen das Land überhaupt ernährt, und daß mög⸗ lichst viel Lebensmittel in der Landwirtschaft erzeugt werden. Die ganze Landwirtschaft beruht heute auf dem Privateigentum. Es ist dem einzelnen Besitzer überlassen, ob er in seinem Betriebe rationell wirtschaften will oder nicht. Nicht die Frage der Volks⸗ ernährung ist entscheidend, sondern der Wille des Besitzers, ob er seinen Grund und Boden lukrativ ausnutzen will. Die Zahl der Be⸗ sitzer, die sich nicht um einer lukrativen Wirtschaft willen ein Gut erwerben, steigt von Jahr zu Jahr. Es muß dagegen eingeschritten werden, daß sich reiche Leute Luxusgüter halten. Dadurch werden Hunderttausende von Hektar ertragsfähigen Bodens dem rationellen Wirischaftsbetrieb entzogen. Die Landflucht kann man nur beseitigen, wenn man den Ursachen der Entvölkerung des platten Landes ent⸗ gegentritt. Die Ursachen der Entvölkerung des platten Landes liegen in dem Unterschied der Lebenshaltung der Landarbeiter auf dem Lande gegenüber der Lebenshaltung der industriellen Arbeiter. Es kommt darauf an, den Unterschied der sozialen und wirtschaftlichen Lage der städtischen und ländlichen Arbeiter auszugleichen. In Preußen trägt aber nicht nur die wirtschaftliche Lage der Land⸗ arbeiter zu der Landflucht bei, sondern auch die echt preußische Behandlung, die den Landarbeitern auf dem Lande zuteil wird. Was will es besagen, wenn im Jahre einige hundert Leute angesetzt

Vorbehalt nicht gedeckte Ausnahme von dem Reichsrechte geschaffen sei.

beschränkt wird. Beschränkt ist der, der verkauft, durch das Vorkaufs⸗

Ein Schutz der Landarbeiter ist ebenso nötig wie der Schutz der industriellen Arbeiter. Das beweisen die Unfallziffern in der Land⸗ wirtschaft. (Präsident Dr. Graf von Schwerin ersucht den

handelt sich hier um große kulturelle Aufgaben, die erörtert werden müssen. Wenn man über die innere Kolonisation spricht, kann man an diesen Verbältnissen nicht vorübergehen. s handelt sich hier um den Bevölkerungsrückgang auf dem Lande.

Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich gestatte selbst⸗ verstandlich allgemeine Ausführungen; aber der Arbeiterschutz hat mit diesem Gesetzentwurf doch nichts zu tun.

Abg. Braun (So.), fortfahrend: Es stehen nicht nur das Gesetz, sondern auch die Anträge zur Erörterung. Ich habe erst eine Minute über den Arbeiterschutz gesprochen und will auch schnell über diesen Punkt hinweggehen. 1912 sind in der Landwirtschaft 56 495 Unfälle vorgekommen, für die Entschädigungen gezahlt sind. Schon das rechtfertigt unsere Forderung nach einem gesetzlichen Schutz der Landarbeiterschaft. Die Arbeiter auf dem Lande müssen den Industriearbeitern gleich⸗ gestellt werden. Die Landarbeiter müssen das unbeschränkte Koalttions⸗ recht bekommen. Die Großgrundbesitzer haben ja selbst eingesehen, wie notwendig die Koalition zur Erhöhung der Preise fur ihre Produkte ist; aber dem Landarbeiter wollen Sie sie versagen, um den Preis für seine Arbeitskraft niedrig halten zu können. Aber der Organisationsgedanke wird sich durchsetzen. Durch die Tätigkeit der Güterschlächter ist die innere Kolonisation ge⸗ fördert worden, indem die Güter aufgeteilt wurden. Durch das Angebot von Land wurden gleichzeitig die Bodenpreise auf einer normalen Höbe gehalten. Wir sehen, wie der Gedanke, daß das Gemeinwohl dem Privatinteresse vorangehen muß, der ein Grundgedanke des Sozialismus ist, sich mehr und mehr durchsetzt. Die Verhältnisse werden dazu zwingen, auf dieser Bahn immer weiter zu gehen. Sie sehen, wie unnütz es ist, sich dem Sozialismus entgegenzustemmen. Das Vorkaufsrecht des taates hat unseren Beifall. Man sollte aber nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern das Vorkaufsrecht auf alle Grundstücke ausdehnen, und zwar mit dem Ziel, diese Grundstuüͤcke nicht wieder aus der Hand zu geben, sondern im Staatsbesitz zu behalten. Wir haben zu der preußischen Regierung und zu den unteren Organen nicht das Vertrauen, daß sie bei der Handhabung des Gesetzes sich nur von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen werden, deshalb müssen wir das Gesetz ablehnen. Die Mehrzahl der preußischen Beamten ist ja gar nicht imstande, ihre Amtstätigkeit von ihrer Parteitätigkeit im Sinne der konservativen Partei zu trennen. Sozialdemokraten werden sogar von der Ansiedlung ausgeschlossen. Die Herren scheinen Angst davor zu haben, daß die Sozialdemokraten alles Land aufkaufen und dann, wenn sie alles in der Hand haben, den Zukunftsstaat verwirklichen. Seien Sie doch wenigstens kon⸗ sequent und schließen Sie die Sozialdemokraten von allen Staats⸗ einrichtungen aus, vom Steuerzahlen und vom Militärdienst. Wir werden uns dabei nicht schlecht befinden, ob Sie sich dann ebenso wohl fühlen werden, ist eine andere Frage. (Abg. Adolf Hoffmann: Dann werden Sie selber Sozialdemokraten!) Wir können leider das Gesetz nicht annehmen, obwohl wir dem Grundgedanken zustimmen.

Um 51 ½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung

si 8 S

Sonnabend, 11 Uhr (außerdem Erweiterung des Stadt⸗ ses Cöln).

Verdingungen.

„Der Zuschlag auf den von dem Verwaltungsressort der Kaiserlichen Werft zu Wilhelmshaven am 31. Januar 1914 verdungenen Bedarf an alter Leinwand ist wie folgt erteilt worden:

2f 111““ 2 8 1.“ 1 XX“ 2 v11X1“ V Gegenstand V eoh Cang Firma

1 Alte Leinwand: für 100 kg EE601„8 8 0,4 m:

Werft Wilhelmshaven 72,— [ b 72,—

Panzig. .. 7711

H. Fritz Schulte, I“ Gesellschaft für Fabrik⸗ bedarf m. b. H. in Bruchsal,

Menzel, Boldt u. Co., Hamburg, Julius Rosenau, Frankfurt a. M., Ernst Lüdemann, Hamburg,

22 0

Werft Wilhelmshaven

134,— 136,— 150,—

8

15 07 m Werft Wilhelmshaven Kiel * * .* .

1 0 5 9.5 m Werft Wilhelmshaven F.“—h6G6hG

128,— 1

195— 1105— 124,—

Gesellschaft für Fabrik⸗ bedarf m. b. H. in Bruchsal. Der Zuschlag auf das von dem Verwaltungsressort der Kaiserlichen Werft zu Wilhelmshaven am 7. Februar 1914 verdungene alte Baumwollzeug ist wie folgt erteilt worden:

1 68 Gegenstand

werden gegenüber den Tausenden, die dem L en Rücken wenden.

für 100 kg 107,50

Altes Baumwollzeug: X 0,7 m für Werft Wilhelmshaven..

rogs 8 für Werft

elmnshaben.. 99,— 1

X 0,7 m. [für Werft/ 109,.— H. Fritz Schulte, 0,5 m E sl Bielefeld.

C. Lewin, Berlin⸗ Weißensee,

Handel und Gewerbe.

Konkurse im Auslande. Bulgarien.

CCö das Vermögen der Firma Gebrüder S. Joanidt in Burgas ist durch Beschluß des Burgaser Kreisgerichts das Kon⸗ kursverfahren eröffnet Advokat W. Slawoff in Burgas. Anmeldefrist bis zum 28. März 1914. Prüfungstermin: 14. April 1914. Zur Vertretung von Gläubigern werden die Rechtsanwälte Kr. Mtrsky und Dr. A. J. Xantoff in Varna namhaft gemacht.

worden. Einstweiliger Massenverwalter:

Wagenngestellung für Kohle, Koks und Briketts am 20. März 1914. Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen Gestellt 26 524 Nicht gestelt

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In der vorgestrigen Sitzung des Aussichtsrats der Chemischen

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Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering), Berlin, wurde der von der Direktion vorgelegte Rechnungsabschluß für das Jahr 1913 genehmigt. Die Gesellschaft hat im Jahre 1913 einen Bruttogewinn von 1 868 498,84 erztelt (i. V. 1 791 745,48 ℳ), aus welchem unter Beibehaltung der bisherigen Sätze für die Ahbschreibungen und

Redner, den Arbeiterschutz aus der Ecörterung herauszulassen.) Es

—— mens.

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