1914 / 70 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

steht, trägt sie uns aufwärts. Und so wie sie ist, so ist auch das Ganze! Für jedes wissenschaftliche Institut ist die Stätte, ist das Haus eine wichtige Voraussetzung der Arbeit und des Gedeihens. Aber für eine Bibliothek, und zumal für eine Zentralbibliothek, ist

das Haus sehr viel mehr als eine Voraussetzung. Es ist zu einem wichtigen Teil schon die Sache selbst; denn in seiner Konstruklion und Anlage muß es für die sichere Konservierung der Bücher⸗ schätze, für ihre zweckmäßige und übersichtliche Aufstellung und für ihre einfache und leichte wissenschaftliche Benutzung bürgen. Gleich⸗ sam ein planetarisches System von zusammenwirkenden Kräften stellt ein großer Bibliotheksbetrieb dar: Das Haus muß ibm Freiheit, Leichtigkeit und Sicherheit geben. Das konnte der Bau Friedrichs des Großen schon seit Jahrzenten nicht mehr, und wir standen in bezug auf die Erfüllung unserer Pfl'ichten unter schwerem Druck. Nun ist die Zeit der Sorge und Not beendet! Mit Stolz erfüllt uns dieser herrliche Neubau, in welchem zu arbeiten eine Erhebung sein wird! Und mit voller Zuversicht zu seiner Fülle nnd Zweckmäßigkeit werden wir uns

in ihm heimisch machen; denn das darf ich sagen was vorschauend und vorbeteitend geschehen konnte, um ihn zum besten und schönsten Bibliotheksgebäude der Welt zu machen, was an Sachverständnis und an Kunstsinn, an Studium und an Hingebung nötig war, das ist hier in unermüdlicher Arbeit geleistet worden. Dank sei Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät wir wußten es vom ersten Tage an, und erfahren es heute wieder, mit welcher landesväterlichen Huld und innerem Interesse Eure Majestät über diesem großen Werke walten —; Dank der hohen Staatsregierung und den Parlamenten, daß sie die Mittel

so reichlich gespendet haben, Dank Sr. Exzellenz dem Herrn Unterrichtsmintster mitsamt seinen Räten für ihre unab⸗ lässige Fürsorge, für ihr großzügiges Walten und ihre vorbildliche Treue im kleinen, Dank nicht zum letzten dem großen Baumeister und der Bauverwaltung mit unserem Baurat für das, was sie geschaffen. Sie ergreifen heute nicht das Wort; aber in Wahrheit spricht hier der Baumeister zu uns, und wir anderen lauschen. Die nachfolgenden Geschlechter aber werden an diesem Bau lernen, wie man im zwanzigsten Jahrhundert das Erbe hoher alter Meister geschätzt und wie man es in neuer Weise fruchtbar gemacht hat! Dankbar gedenken wir aber auch am heutigen Tage des Vorgängers des Herrn Unterrichtsministers, unter dessen Fürsorge dieser Bau nach umfangreichen Er⸗ örterungen und Vorstudien vor zehn Jahren begonnen worden ist, und wir gedenken seines unvergeßlichen Ministerialdirektors. Er,

die „magna pars“ in allen Unternehmungen für die Wissenschaft, die

um die Wende des Jahrhunderts ins Leben gerufen worden sind! Und nun möge mir gestattet sein, einen Blick rückwärts zu werfen

und in kurzen Zügen einige Hauptpunkte aus der Geschichte dieser Bibliothek zu vergegenwärtigen. Vor 253 Jahren ist sie gegründet worden. Wir hätten also vor drei Jahren das Vierteljahrtaufend ihres Bestehens feiern können. Wir haben es im Hinblick auf die heutige Feier damals unterlassen. Ein Vierteljahrtausend! Das ist eine lange Spanne Zeit, aber für eine große Bibliothek ist sie kurz. Wie viel weiter reichen die Bibliotheken in München und Wien, in Paris und Rom zurück! Schon seit zwei Jahrhunderten waren in Europa Bücher gedruckt worden, bevor hier der Große Kurfürst die erste Sammlung zum allgemeinen Besten befahl und seinen eigenen Bücherbesitz als Grundstock bestimmte. Der Große Kurfürst die Schöpfung der Bibliothek ist ganz und gar sein eigenes Werk. Aus dem Feldlager in Viborg in Jütland hat

er sie befohlen, wie kurz vorher Gustav Adolph die Stiftung der Universität Dorpat aus dem Feldlager in Franken befohlen hatte. An einsichtsvollen und hingebenden Helfern fehlte es dem Kurfürsten bei seinen Bemühungen für die Wissenschaft leider; aber er sorgte persönlich dafür, daß der einmal gefaßte Plan nicht in

den Anfängen stecken blieb. In seinem Schlosse über der Hof⸗ apotheke wies er der Bibliothek eine Stätte an. Hier ist sie in ver⸗ größerten Räumen mehr als ein Jahrhundert lang geblieben, obschon

ein eigener Bibliothekbau für 26 000 Taler im Lustgarten bereits vom Großen Kurfürsten begonnen worden ist, der aber stecken blieb. Was waren die Miitel und Einkünfte, von denen die Bibliothek leben sollte? Nun, außer zahlreichen Kurfürstlichen Geschenken

an Büchern und vom Monarchen nach Bedarf bewilligten Soummen, wurde, der Bihltothek der Ertrag gewisser Gebühren vabumnfch uog anl Pnv „vand uenu, eltsame Gebühren! Wenn ein wenn ein Vetter seine Kusine zu heiraten begehrte, wenn jemand für sein Kind mehr als die übliche Zahl von Paten bestellen wollte, so hatte er eine kleine Gebühr an den Staat zu bezahlen, und diese Gebühren zusammen mit einigen Gerichtsstrafgeldern bildeten den regelmäßigen Etat der Bibliothek! Weiteres gab's nicht! Die Bi⸗ bliothekverwaltung hatte also das höchste Interesse an Brautpaaren im Lande, die sich mit der Hochzeit beetlen, und an Vettern, die um jeden Preis ihre Kusine heiraten wollten! Regelmäßig war freilich auch diese Einnahme nicht, und wer bürgte, daß die Gelder richtig abge⸗ liefert wurden? Sie schwanken bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zwischen 40 und 1100 Talern jährlich und betrugen durchschnittlich etwa 324 Taler. Im 18. Jahrhundert stiegen diese Gebühren be⸗ deutend; denn so erstaunlich das ist bis zum Ende des 18. Jahr⸗ hunderts blieb diese Einrichtung in Kraft und bildete in dieser ganzen Zeit die einzige regelmäßige Einnahme der Bibliothek. Die Akademie der Wissenschaften lebte von den Kalendern, wir hier von den Unregel⸗ mäßigkeiten des Personenstandes im Lande! Aber auch diese Gelder, auf die wir ein Recht hatten, wurden uns in knappen Zeiten nicht selten teilweise entzogen, und außerdem machte die Verwaltung nolens volens „Ersparnisse“, die sie an die Königliche Kasse ablieferte. So ging es in dem armen Brondenburg⸗Preußen zu, als der Schwarze Adler seine Fittiche zu strecken begann, und aus solcher Dürftigkeit ist der Staat emporgestiegen! Als der Große Kurfürst die Augen schloß, zählte die Bibliothek ungefähr 20 000 Werke und 1618 Manuskripte. Die letzteren waren des Kurfürsten Stolz. Wie er mit weitschauendem Blick die Ostindische Handelsgesellschaft gearündet hatte, so lag ihm auch viel an der Erwerbung indischer, arabischer, türkischer, koptischer und namentlich chinesischer Handschriften. Für letztere besaß besonders der große Leibnizein reges Interesse. Die Abtetlung „Orientalische Handschriften“ ist seitdem und bis heute eine besondere Stärke der Königlichen Bibliothek geblieben. In bezug auf lateinische und griechische Handschriften kann sie sich mit München, Wien, Paris, Rom und London nicht messen; denn reiche Klosterbibliotheken, die sie hätte beerben können, fehlten im Lande fast ganz; aber ihre Sammlung orientalischer Handschriften der verschiedensten Sprachen ist ersten Ranges. Unter dem ersten König Preußens wurde die große Büchersammlung des Diplomaten und Historikers Spanheim für 12 000 Taler angekauft und wurde das wichtige Gesetz zur unentgeltlichen Lieferung der Bücher an die Buchdrucker bezw. Verleger des Landes erlassen. Dieses Gesetz der Pflichtexemplare ist noch heute in Kraft und ist der Bibliothek von unschätzbarem Werte ge⸗ worden. Dankbar weiß sie sich seit zweihundert Jahren den preußischen Verlegern verbunden und bezeugt am heutigen Tage, wie hoch sie diese Verbindung schätzt; denn über die Pflicht hinaus hat sie stets auch wirkliche Freunde und Gönner unter den deutschen Buchhändlern in Preußen und außerhalb des Landes gefunden mit welcher Freude und Dank durften wir z. B. vor neun Jahren die Gründung der deutschen Musiksammlung begrüßen, die sich so großartig ent⸗ wickelt hat und sich noch fort und fort aus der Liberalität der Herren Verleger auferbaut. Wir bitten um die Fortsetzung des guten Verhältnisses, das der ganzen Wiss’enschaft zum Segen gereicht. Wir Deutsche sind stolz auf unseren Buchhändlerstand. Möge sich umge⸗ kehrt auch die Königliche Bibliothek stets der fördernden Wertschätzung der Herren Verleger erfreuen dürfen. Sie bleibt doch mag auch Neues und Notwendiges neben ihr aufwachsen das dem ganzen Vaterlande und so auch dem Buchhandel unentbehrliche Institut. Vom Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. bis zum Jahre 1770, also 57 Jahre hindurch, hat die Bibliothek nur sehr langsame Fort⸗

tigeres zu tun, als an die Bibliothek zu denken. Heute verstehen wir aber, besser als früher, warum der rauhe Soldatenkönig sparte und sparen mußte. Für die Betroffenen war diese Kargheit freilich bitter genug. In einer Order von 1722 heißt es: „Ich streiche die Besoldungen der Bibliothekare, und soll der Generalmajor Glasenapp 1000 Taler auf die Bibliothe⸗ksgelder jährlich bekommen.“ Das war fast die ganze Summe, welche der Bibliothek zur Verfügung stand. In den Jahren 1722 bis 40 lebte die Bibliothek nur von den Pflichtexemplaren und von zum Glück reichlichen Geschenken. In diesen 18 Jahren durften für Ankäufe zusammen nur 122 Taler auesgegeben werden. Aber noch Schlimmeres drohte. Der epraktisch gerichtete König konnte sich von dem Nutzen einer Zentralbibliothek nicht überzeugen. Er begann mit Anondnungen, die Bücher sollen an die Akademie und an vpraktisch⸗wissenschaftliche Spezialinstitute abgegeben werden. Ein Schrei des Entsetzens ertönte freilich ein halb unterdrückter; denn es war nicht ratsam, unter dem strengen Könige laut zu schreien, und doch hatte er nicht so unrecht. Wenn nur die Wahl gelassen ist, entweder die wisseenschaft⸗ schaftlichen Spezialinstitute mit Handbibliotheken auszustatten oder eine Zentralbibliothek zu pflegen, so urteilte der König richtig: die Spezialbibliotheken sind nötiger. Heute wissen wir freilich, daß beides erforderlich ist: Spoezialbibliotheken und neben ihnen eine große Zentralbibliothek. Heute haben wir in Berlin neben der Königlichen Bibliothek und der Universitätsbiblio⸗ thek mehr als ein Dutzend großer und mehr als drei Dutzend kleinerer, aber bedeutender Spezialbibliotheken. Ihre Bestände zusammen be⸗ laufen sich auf mehr als das Doppelte der Bücher der König⸗ lichen Bibliothek (rund vier Millionen). Aber jeder Ein⸗ sichige weiß heute aach, daß die Wissenschaft ohne eine Zentralbibliothek überhaupt nicht zu bestehen vermag nicht zur Repräsentanz und Parade, sondern weil alle wissenschaft⸗ lichen Hauptaufgaben aus dem Spezialistentum herausführen und einen universalen Bücherbestand fordern, ferner aber weil es geschriebene und gedruckte Schätze gibt, die erst durch die Verbindung miteinander ihren wahren Wert erhalten.

1 1. Beim Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740) zählte die Biblioth ⸗k etwa 72 000

Bände und circa zweitausend Handschriften, im Jahre seines Todes

1786 aber mehr als das Doppelte, nämlich etwa 150 000 Bände. Diese außerordentliche Vermehrung fällt zum größten Teil in die letzten 16 Jahre seiner Regierung. Zwar hatte er seine königliche Fürsorge auch schon vorher dadurch bewährt, daß er den großen Winckelmann aus Rom im Jahre 1765 als Direktor be⸗ rief die Berufung scheiterte an finanziellen Forderungen —, aber sonst war ihm ein Menschenalter hindurch wenig zu tun möglich. Seit dem Jahre 1770 aber kam er der Bibliothek mit großen Extra⸗ bewilligungen entgegen, und bereits im Jahre 1775 begann auf seinen Befehl der Bau des prächtigen und zugleich so annmutigen Bibliothek⸗ gebäudes am Opernplatz. Endlich erhielt die Königliche Bibliothek ein eigenes Haus. Scherzend konnte der König an Voltaire schreiben: Ich habe eine öffentliche Bibliothek in Berlin bauen lassen; die Werke Voltaires waren bisber zu schlecht untergebracht.“ Bei der Aufschrift aber für diese Bibliotbek dachte er nicht an Voltatre, sondern bestimmte die Worte: „Nutrimentum spiritus“. Man hat gelächelt: Die Aufschrift sei platt und das Latein fragwürdig. Allein gegen das Latein ist nichts einzuwenden, und die Devise gab dem nüchternen Geist jenes Zeitalters einen trefflichen Ausdruck. Wenn ich am heutigen Tage einen kühnen Vorschlag für die Aufschrift wagen darf, so wären es die Worte: „Veni creator Spiritus“ oder einfach: „Creator Spiritus“. Sie würden an das „Nutrimentum Spiritus“ noch immer erinnern, aber wie eine lohende Flamme uüber dem Hause stehen und der tiefsten Erkenntnis und dem heißesten Wunsche Ausdruck verleihen. Fünf Jahre (1775 1780) ist gebaut worden. Am 11. Sep⸗ tember 1780 weihte der König das vollendete Gebäude ein. Aber zwei Jahre dauerte dann der Umzug. Man hatte damals noch Zeit und scheint sich darüber auch nichr aufgeregt zu haben, daß noch weitere 1 ½ Jahre nötig waren, bis das Publikum zugelassen werden konnte. Wir werden diesmal kürzer sein! Friedrich der Große ist der zweite Stifter der Bibliothek. Bereits durch ihn wurde sie zur Höhe einer europäischen Bibliothek erhoben. Unter seinem Nachfolger wurde endlich ein fester Jahresetat bewilligt und begann eine neue uninfassende Katalogisierung. Der aus⸗ gezeichnete Gelehrte Buttmann, der Freund Schleiermachers, hat sich um die Katalogisierung die größten Verdienste erworben.

2 Sirerce -. 1*½ auna p jeru- 11% ett Friedrich Wilhelms III. wurden jene

seltsamen Gebuͤhren abgeschafft, von denen sch gesprochen habe. Zeit⸗ weilig (von 1798 1810) wurde die Bibliothek der Königlichen Akademie der Wissenschaften unterstellt. Diese übergab ihr dafür fast ihre ganze eigene Büchersammlung. Das Verhältnis der Bibliothek zur Akademie der Wissenschaften hat in allen den Jahren mannigfach gewechselt; zeitweise war es ein organisches; in der Regel standen sich die beiden Institute selbständig gegenüber. Seit einem Jahrhundert besteht diese letztere Ordnung, und sie scheint mir die richtige. Aber die Bibliothek muß sich der schönen Pflicht stets bewußt bleiben, in besonderer Weise der Akademie der Wissenschaften zu dienen. Nun sind wir zum ersten Male unter einem Dache vereinigt, und diese Symbiose wird gewiß beiden Teilen förderlich sein. Wir wollen aus ihr all das Gute hervorgehen lassen, was in ihr beschlossen liegt! Es kamen die Zeiten der fuschtbaren Not des Vaterlands, der Fremd⸗ herrschaft und der Schmach. Aber mitten aus dem Elend heraus erhob der deutsche Idealismus sein Haupt und schuf aus der Not einen Chor von Tugenden. An die Spitze der Unterrichtsverwaltung trat Wilhelm von Humboldt. Erfullt von der Bedeutung geistiger Kräfte, faßte er mit dem Plane der Stiftung der Universität Berlin auch den Plan, das wissenschaftliche Zentralinstitut, wie er es nannte, die Königliche Bibliothek zu heben. Schon ein Jahr nach der Niederlage von Jena setzte er es durch, daß der Etat der Bibliothek fast um das Doppelte erhöht wurde. Seit⸗ dem erfolgte eine Vermehrung des Etats nach der anderen. Und weiter: die Stiftung der Universität erwies sich als der größte Segen auch für die Bibliothek. Vorher war in den Neuanschuͤffungen immer noch etwas Planloses, Unsicheres. Jetzt wurde alles klar: es galt, sämtliche Disziplinen der Wissenschaft gleichmäßig zu pflegen, vor allem aber in bezug auf die deutsche Geschichte nach Vollständigkeit zu streben. Zwanzig Jahre nach Jena, nachdem der Staat wieder hergestellt, vergrößert und erstarkt war, betrug der Etat 26 000 ℳ, war an alle preußischen Gesandschaften die Anweisung ergangen, im Auslande wichtige Werke zu kaufen und war die Zahl der Bücher auf eine Viertelmillion gestiegen. Hochansehnliche Versammlung! Noch vor achtzig Jahren mußten wir mit nur 26 000 haushalten, und die Zahl der Bücher betrug nur eine Viertelmillion. Heute beträgt der Etat das Fünzigfache, nämlich etwa 1 300000 und die Zahl der Bücher, Handschriften, Karten und Musikalien ist zur Höhe von nahezu zwei Millionen angewachsen. Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen breit erzählen werde, wie es in den letzten zwei, drei Menschenaltern zu diesem Erfolge gekommen ist. Ich brauche es nicht; denn mit einem Satze vermag ich zu sagen, wie es geschehen ist: die Königliche Staatsregierung hat, wie überall in Kunst und Wissenschaft, so auch in bezug auf die Bibliothek stetig jedes wohlmotivierte Bedürfnis anerkannt und die Mittel gewährt, um es zu befriedigen. In dieser sicheren Stetigkeit, wie auch immer die Personen wechselten, in dieser mit ernstester Pruüfung gepaarten Liberalität liegt das Geheimnis des Fortschritts. Wenn wir heute in der herrlichen Vor⸗ halle eine Ehrentafel stiften wollten mit den Namen derer, die sich um die Bibliothek im vergangenen Jabrhundert verdient gemacht haben, so könnten wir zwar einige Namen beson⸗ ders unterstreichen auch inbezug auf diesen Neubau; mit wie be⸗ redtem Munde hat ihn z. B. Mommsen, hat ihn Treitschke ge⸗ fordert —, aber eigentlich gehören sie alle auf die Ehrentafel, voran die Könige, dann die Unterrichtsminister, die Finanzminister und ihre sachkundigen Räte! Sie haben die Bibliothek in den Stand gesetzt, ihre Leistungen und darauf kommt es doch schließlich allein an fort und fort zu steigern. Einen Namen aber muß ich doch hier

schritte machen können. Friedrich Wilhelm I. wollte ihr nicht helfen, und Friedrich der Große hatte 30 Jahre lang

Wich⸗ nennen,

den die Bibliothek niemals verg ssen darf und wird. Es ist

das Band persönlicher Beziehungen zur Bibliothek wieder auf, das seit dem Tode Friedrichs des Großen ge⸗ lockert war, und wie er die Brüder Grimm nach Berlin berufen so war es sein eigenster Wille, die Bibliothek nach der Seite der deutschen Sprache und Literatur auszugestalten. Aus seiner Schatulle hat er große Summen bewilligt, um endlich die Haupt⸗ lücken zu ergänzen, die hier bis zur Mitte des vorigen Jahrbunderts bestanden. Aber die größte Steigerung des Wachstums der Bibliothek fällt doch ganz und gar in die 26 Jahre der Regierungszeit Eurer Majestät. In dieser Zeit hat sich der Etat mehr als verdreifacht und die Benutzung hat noch viel stärker zuge⸗ genommen. Im vorigen Etatsjahr haben wir 630 000 Bücher zum Studium am Orte ausgereicht, noch vor zwölf Jahren waren es er 260 000. Vor zwölf Jahren sandten wir an auswärtige Benutzer 17 000 Bände, im letzten Jahre aber 56 000 Bände. Fast 700 00 Bücher sind jährlich in Bewegung; rund 50 000 kommen jetzt jähr⸗ lich hinzu; die Bibliothek hält ungefähr elftausend Zeitschriften; die Zahl threr Beamten und Hilfsarbeiter hat bereits das zweite Hundert überschritten. Neue zweckmäßige organische Ein⸗ richtungen sind in den letzten Jahren getroffen worden: vor allem das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken, die G bührenordnung, die Eröffnung eines mittleren Bibliothekdienstes, die Zulassung weiblicher Beamten u. a. Zurzeit aber stehen wir vor der Frage des größten bibliothekarischen Unternehmens, do Drucklegung des Gesamtkatalogs der Königlichen Bibliothek und de preußischen Universitätsbibliotheken, ein Unternehmen, lange geplant und vorbereitet, auf dessen Durchführung wir hoffen, und da der Wissenschaft ein ausgezeichnetes Hilfsmittel darbieten wird! Hochansehnliche Versammlung! Wem unter uns sollien angesichts der stets wachsenden Bücherflut nicht schwere Bedenken un Sorgen kommen! Die Zeiten sind vorbei, da ein Leibniz sage konnte, er könne sich kaum jemals erinnern, ein Buch in die Hand genommen zu haben, aus dem er nicht etwas gelernt hätt Heutzutage erscheinen Hunderte und Aberhunderte von Büchern, Be⸗ richten, Abhandlungen, ja auch Zeitschriften, die wirklich nichts anderes sind als Eintausfliegen. Die Drucklegung bedeutet heute das nicht mehr, was sie noch vor zwei Menschenaltern bedeutet hat. Um der subalternen Vollständigkeit willen schlechthin alles zu sammeln, nur weil es in deutscher Sprache gedruckt ist, kann daher nicht die Aufgabe einer Deutschen Nationalbibliothek sein. Sie kann das ihr gesteckte Ziel, die deutsche Literatur vollständig zu repräfentieren, nicht ohne eine Sichtung erreichen, die freilich die höchste Umsicht und Sachkunde verlangt, und mindestens ebenso dringlich als die Aufgabe, die Gegenwartsliteratur ausreichend zu sammeln, ist die andere, die Lücken zu ergänzen, die noch immer, namentlich in bezug auf die ältere deutsche Literatur vorhanden sind. In dieser Hinsicht habe ich die Freude, am heutigen Festtage mitteilen zu dürfen, daß sich eine Vereinigung von Freunden der Königlichen Bibliothek gebildet hat. Sie will ihr zu Bücherschätzen verhelfen, die aus den regelmäßigen Einnahmen nicht erworben werden können. Bereits hat sie uns mit einer kostbaren deutschen Inkunabel beschenkt. Ich habe ferner die Freude, dankbar zweier nichtpreußischer deutscher Verleger zu gedenken, die ihren ganzen Verlag der Bibliothek darbringen (Siebeck in Tübingen und der Inselverlag in Leipzig). Aber wir wünschen nicht nur einen Verein von Freunden der Königlichen Bibliothek, sondern wollen und müssen alle unsere Benutzer zu Mitarbettern und Freunden haben. Dankbar werden wir alle Vorschläge aus ihrer Mitte zur Verbesserung unseres Betriebes prüfen. Hier gibt es wohl ein An sehen des Buchs, aber kein Ansehen der Person. Alle Forscher un Leser sind uns gleich willkommen. Meine Perren, nicht eine ungeheure Prachtkatakombe weihen wir hier ein, in der Bücher beigesezt werden sollen, nein eine ‚Schatzkammer, ein Arbeitsfeld, einen Tempel der Musen und eine feste Burg der Wahrheit. Tausend Jünger der Wissenschaft werden täglich diese Stätte be⸗ treten und friedlich und geräuschlos werden hier die heißesten Kämpfe, Seelen⸗ und Geisteskämpfe um die Erkenntnis der Wahr⸗ heit, ausgefochten werden! Möge der schöͤpferische Geist der Wahrheit allen Irrtum niederzwingen und die Forscher von einer Klarheit zur anderen leiten! Möge jedem ernsten Bemühen bier Erfolg, jeder tüchtigen Arbeit hier Frucht beschert sein! Möge es unserem deutschen Volke beschieden sein, ein führendes Volk zu bleiben auch im Reiche des Gedankens! Wie im Politischen, so auch in der Er⸗ kenntnis, soll es sich zu immer festerer und tieferer Einheit zusammen⸗ fassen, geschart um Eure Majestät, Allerhöchstder ich am heutigen Tage im Namen dieser Versammlung in Ehrfurcht huldige als unserem Kaiserlichen und Königlichen Herrn, als dem hochherzigen Kenner und Förderer der Wissenschaft, als dem geliebten Vater des ö Seine Kaiserliche und Königliche Majestät Wilhelm II. lebe hoch!“

Nachdem das Kaiserhoch verklungen war, hörte die Versammlung stehend das Salvum fac regem, das der Domchor sang.

Seine Majestät zog noch den Kultusminister, den Geheimrat Diels und den Generaldirektor von Harnack ins Gespräch und dankte ihnen für die glänzende Feier.

Im Anschlun an den Festakt in der Bibliothek fand im Hotel Kaiserhof ein Frühstück zu 250 Gedecken statt, an dem die hervor ragendsten Persönlichkeiten unter den Geladenen teilnahmen.

der Name König

Das nach den Plänen und unter der Oberleitung des Wirklichen Geheimen Oberhofbaurats von Ihne errichtete neue Bibliotheksgebäude, wirkend sowohl durch die edelen Formen seiner Fassaden und Innen räume und durch die Gediegenheit des verwendeten Materials, wi durch die Größe seiner Maße, nimmt das gesamte von der Straß Unter den Linden und der Dorotheenstraße sowte der Charlotten und Universitätsstraße begrenzte Gelände ein. Der den Ge⸗ bäudekomplex durch seinen Haupteingang Unter den Linde betretende Besucher sieht sich in dem breitbogigen Portal links dem Eingang zu den Diensträumen der eneral direktion der Königlichen Bibliothek, rechts zu denen der Königliche Akademie der Wissenschaften gegenüber. Die Akademie hat hier endlich eine ihrer Bedeutung entsprechende, würdige Unterkunft gefunden; unte den ihr zugewiesenen Räumen ist der große Sitzungssaal durch di Schönheit seiner Form und die schlichte Vornehmheit seiner Aus stattung besonders bemerkenswert. Durch das Hauptportal gege Norden weiterschreitend, betritt der Besucher einen mit gärtnerische Anlagen und einem Springbrunnen geschmückten weiten Hof, der ihm die Wucht und Größe der ganzen Anlage sofort zur Anschauung bringt. Zur Linken und Rechten schließen den Hof die schöngegliederten, vorn der Lindenfront abzweigenden Seitengebäude und im Ausblic erhebt sich das mächtige Frontgebäude der eigentlichen Bibliothek in dem aus einer weiten und hohen Halle eine breite Freitrepp zum ersten Stockwerk emporführt, in dem sich die vornehmlich für die Benutzer der Bibliothek bestimmten Arbeitsräume befinden Die Hauptsehenswürdigkeit bildet hier der in gewaltigen Maßen ge haltene, von einer 36 m hohen Kuppel gekrönte Große Lesesaal. Er steh dem Pantheon in Rom an Größe nicht nach. Durch den Abschluß der Kappel und großen Seitenfenster fällt eine Fülle von Licht in der achteckigen Bau, an dessen Wänden die Handbücherei aufgestellt is und in dem 600 Leser Platz finden. Von den Größenverhältnisser mag die Angabe einen Begriff geben, daß von den 64 in Eisenbeton hergestellten Rippen der Kuppel jede 4000 kg wiegt. Der Schluß ring hat ein Gewicht von 170 000 kg und die ganze Kuppel bis zun Unterbau ein solches von über 900 000 kg. Die Ausführung dieses Kuppelbaus, der anfangs in Mauersteinen mit Putz⸗ und Rabitzflächen geplant war und für den man erst späte im Interesse der absoluten Sicherheit ein absolut zuverlässiges Material wählte, ist technisch von hoben Interesse. Der Regierungs⸗ und Baurat Adams umging die Auf stellung eines sehr kostspieligen Gerüstes und die Herstellung der reichen Architektur in einem Gipsnegativ, die notwendig gewesen wären, wenn man die Kuppel auf Schalung ausgeführt hätte, dadurch daß er die Rippen und Kassetten in Eisenbeton fertigstellen und irn erhärtetem Zustand versetzen ließ. Neben dem großen Lesesaa

lsind sorche für Zeitscheiften und für die Benutzer der Musiksammlung

der Benutzer des Saales treffend die

sowie für diese selbst vorhanden, sodaß im ganzen gegen 1300 Per⸗ sonen gleichzeitig die Sheße der Königlichen Bibliothek im Bibliotheks⸗

b 2 b Das Hauptgeschoß enthält ferner eichliche Räume für die verschiedenen Kataloge und einen Saal für die Ausstellung wertvoller Handschrifen. Der übrige mächtige Bau ist 8 1 Alle Er⸗

ungenschaften der modernen Technik sind angewendet, um die Bücher⸗ schätze sachgemäß aufzubewahren und

Die Bücherbestellungen gehen durch ein Hausrohrpostnetz nach den ein⸗

elnen Magazinen und die bestellten Bücher werden zur Beförderung

n die Lesesäle und zu den Ausgabestellen einem durch alle Stock⸗ werke laufenden Paternosterwerk anvertraut, von dem sie wiederum automatisch auf die, die einzelnen Stockwerke stetig durchlaufenden breiten Gummibänder geschoben werden, 8 sie nach den Stellen hinbefördern, ür die Durch diese Einrichtungen ist es ermög⸗ licht, jedes Buch innerhalb weniger Minuten dem Begteller zuzuführen. Die Raumzumessungen sind so reichlich, daß sie ür Menschenalter aus⸗ reichen werden. Sollte der Bücherbestand der Königlichen Bibliothek einst alle heute verfügbaren Räume ausfüllen, so stünden in dem zurzeit der Universitätsbibliothek zugewiesenen Flügel in der Dorotheenstraße weitere Ergänzungsräume sowie ein zweiter Lesesaal zur Verfügung. Diese Sicherheit bis in eine ferne Zukunft wurde dadurch ermöglicht, daß man den ursprünglichen Plan, in dem Gebäude auch der Akademie der Künste Verwaltungs⸗ und Ausstellungsräume zuzuweisen, fallen ließ. Der ganze Bau ist vielmehr der Akademie der Wissenschaften und der Bibliothek zugewiesen, die damit über ein Heim verfügen, das an würdiger Pracht und Größe und an Vollkom menheit der An⸗ ordnung und inneren Einrichtungen nicht seines gleichen haben dürfte.

ebäude selbst benutzen können.

in allen Stockwerken den Büchermagazinen vorbehalten.

für die sie bestellt wurden.

Deutscher Reichstag. 237. Sitzung vom 20. März 1914.

Die Erwiderungen des Staatssekretärs des Reichskolonial⸗ Solf auf die Ausführungen des Abg. Hoch (Soz.), die wegen verspäteten Eingangs des stenographischen Berichts vorgestern im Wortlaut nicht mitgeteilt werden konnten, lauten:

amts Dr.

Meine Herren! führungen des Herrn Abgeordneten Hoch, den er heute allerdings nicht deutlich, aber doch andeutungsweise wiederholt hat, war der, da dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Oeffentlichkeit der Vorwurf gemacht wurde, er habe schmutzige, unred⸗

liche Geschäfte getrieben, und zwar mit unserem Diamantenabnehmer.

Er soll, um es klar heraus zu sagen, mit Coetermans unter einer Decke gesteckt und ein persönliches Interesse an den Einnahmen Coetermans gehabt haben. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Hoch kennt das ganze Material ziemlich genau, ich kann und darf deswegen auch annehmen, daß er weiß, daß die Behauptung in dem verlesenen Abschnitte der Broschüre Gegenstand einer Privatklage ge⸗ wesen ist. Ich muß bei den Kenntnissen des Herrn Abgeordneten Hoch über die einzelnen Vorgänge ferner annehmen, daß er auch den Aus⸗ gang dieser Privatklage kennt. Ich will den Ausgang dieser Privat⸗ klage mitteilen. Dabei will ich die Namen der beiden Privatbeklagten nicht nennen. Hier ist das gerichtliche Urteil:

Berlin, den 20. September 1913.

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In der Privatklagesache des Direktors Karl Fürstenberg

zu Berlin, Behrenstraße so und so, gegen 1) den Geschäfts⸗ führer. 2) den Redakteur ... , wegen Beleidigung. Es vird folgendes festgestellt: Der Angeklagte zu 1) erklärt, daß er ken zur Klage stehenden Vortrag in seinem und der anderen Dia⸗

antenförderer Interesse auf Veranlassung der Minenkammer ge⸗ halten habe, und daß es ihm ferngelegen hat, Herrn Fürstenberg Vorwurf ehrenrühriger Handlungsweise zu machen. Soweit

des Bedauerns zurück und erklärt, daß er keine tatsächlichen Unter⸗ agen dafür hat. (Hört, hört! rechts.)

Der Angeklagte zu 2) gibt dieselbe Erklärung ab. Der Angeklagte ist damit einverstanden, daß der Wortlaut des Vergleichs von dem Privatkläger der Minenkammer übersandt und in der „Lüderitzbuchter Zeitung“ veröffentlicht wird.

Meine Herren, weil ich wußte, daß diese Privatklage diesen Aus⸗ gang genommen hat, und weil ich annehmen mußte und konnte, daß der Herr Abgeordnete Hoch hiervon Kenntnis hat, deswegen habe ich mich gestern ihm gegenüber so hart ausgedrückt. Das ist auch der einzige Grund, weshalb mich die Ausführungen des Abgeordneten Hoch so erregt haben. Sie alle, meine Herren, werden mir, nachdem ich diese Mitteilung gemacht habe, recht geben, daß der Abgeordnete Hoch das hätte wissen müssen oder können. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren! Es handelt sich um die seit Jahren immer wieder auftauchende allgemeine Behauptung, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats unredlich gehandelt habe. Wenn das nicht gemeint dann sagen Sie mir doch, welche bestimmten Fälle gemeint sind. macht ja den Eindruck, als ob Sie durchaus wahrhaben wollten, was

ist G

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Sie behaupten.

Meine Herren! Ich halte es im Interesse des Herrn Fürsten⸗ berg nunmehr für erforderlich, daß ich noch eine Erklärung abgebe.

Das ist die, daß weder in dieser Angelegenheit, die ich soeben aus

den Akten vorgetragen habe, noch in der Angelegenheit, die nach der

Behauptung des Abgeordneten Hoch neuerdings passiert sein soll, irgend etwas Ehrenrühriges gegen Herrn Fürstenberg vorliegt. Die Sache ist gründlich geprüft worden, und Herr Fürstenberg hat

sein Amt niedergelegt, weil er es wollte, nicht weil er es mußte! Während der ganzen Zeit, in der Herr Fürstenberg dem Auf⸗

sichtsrat der Regie vorsaß, hat er sich auch nicht im kleinsten irgend⸗ etwas Unregelmäßiges zu schulden kommen lassen. Er steht als Kauf⸗ mann rein und lauter da. 8

238. Sitzung vom 21. März 1914, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Zur ersten Beratung stehen die Gesetzentwürfe, be⸗

nd vorläufige Regelung des Reichs haushalts und des Haushalts der Schutzgebiete

für das Rechnungsjahr 1914 (Notetat, gültig für die

Monate April, Mai und Juni 1914). Ohne weitere Debatte wird der Notetat der Budgetkom mission überwiesen. Darauf wird die zweite Beratung des Etats für das süd

vestafrikanische Schutzgebiet fortgesetzt.

ihre Benutzung zu erleichtern

Der springende Punkt in den gestrigen Aus⸗

Regie in der

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zu der Forderung der ersten Rate von 5 Millionen Mark zum Bau der Ambolandbahn, daß hierbei keinerlei staatlicher Ar beitszwang mungen erlassen, eine Besiedlung des Ambolandes durch Weiße verboten und auch sonst Vorkehrungen getroffen werden, die die Freiheit des Arbeitervertrages gewährleisten und die Gesund heit und Sittlichkeit der Eingeborenen nach Kräften fördern. Ferner sollen für den Norden des Landes die bergrechtlichen Verhältnisse so geregelt werden, daß eine ungestörte und sach gemäße Erschließung des Landes sich vollziehen kann.

der Budgetkommission dazu beantragten Resolutionen, 1) be⸗

2) Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte und Schaffung eines geordneten Rechtsganges hinsichtlich der Vec⸗ pflichtung zur Zahlung der öffentlichen Abgaben, ange⸗ nommen. Bei den Ausgaben für Kirchen⸗, Schul⸗ und Au Sbild ungswesen wird das Dispositiv auf Antrag der Budgetkommission dahin geändert, daß aus dem Fonds zur Unterstützung deutscher Schulen auch Schulbeihilfen an Eltern bei nachgewiesenem Bedürfnis gewährt werden können. 2 Bei den Ausgaben für die Landespolizei hat die Kommission an dem Etatsansatz einen Abstrich von 10 °⸗ ein⸗ treten lassen. Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf: Meine Herren! Ich möchte mir erlauben, zu diesem Titel noch einmal das Wort zu ergreifen, um das Plenum zu bitten, die Re⸗ gierungsvorlage doch so anzunehmen, wie sie Ihnen vorgelegt worden ist. Ich habe nach den Berichten des Gouverneurs die schwersten Be⸗ denken, eine Streichung von 10 % bei der Landespolizei zu befür⸗ worten, und möchte in zwölfter Stunde versuchen, Sie davon zu überzeugen, daß der Gouverneur sich dagegen sträuben muß, die Polizei⸗ truppe zu verkleinern. Ich möchte in kurzem auf den Unterschied zwischen Schutztruppe und Polizeitruppe eingehen. Die Schutztruppen in den großen Schutz⸗

E

gebieten Kamerun, Ostafrika und Südwestafrika haben die Aufgabe,

Aus dieser Zweckbestimmung und Aufgabe der Schutztruppe hat man mehrfach geschlossen, daß die Schutztruppe eigentlich weiter nichts sei als eine Polizeitruppe. Meine Herren, für Südwestafrika muß ich aber betonen, daß die Schutztruppe polizeiliche Zwecke schlechterdings nicht ausführen kann. Wir haben eine Schutztruppe von knapp 2000 Mann. Diese 2000 Mann sind über das ganze anderthalbmal größere Schutzgebiet als Deutschland verteilt, und zwar in bänden, die so klein sind, daß eine Abkommandierung von Soldaten aus ihnen den Verzicht auf die militärische Schlagfertigkeit der Schutz⸗ truppe bsdeuten würde.

Stellen Sie sich bitte vor, meine Herren, wie es aussehen würde, wenn wir die Schutztruppe tatsächlich zu Polizeidiensten verwendeten. Wir würden dann Teile der Schutztruppe aus ihren Verbänden heraus⸗ nehmen und sie in kleinen Posten über das ganze Schutzgebiet ver⸗ teilen müssen. Rechnen wir nun mit dem hoffentlich nicht mehr ein⸗ tretenden, aber bei Eingeborenen doch immer möglichen Zufall eines Aufstandes, dann würde die Schutztruppe, um in der Hand eines Führers zu sein, zusammengezogen werden müssen, d. h., die sämtlichen. Polizeistationen im Innern würden leer werden, und das platte Land würde nicht die Aufsicht haben, die es zur Aufrechterhaltung der Ruhe haben muß.

Deswegen müssen wir Wert darauf legen, daß neben der Schutz⸗ truppe auch eine starke Polizeitruppe in Südwestafrika ist. Ob die Polizeitruppe in Form einer Truppe organisiert sein muß, oder in irgendeiner anderen Weise, das lasse ich dahingestellt. Alle Gou⸗ verneure jedenfalls und die Mehrheit, ich möchte annehmen, alle An⸗ siedler in Südwestafrika, sind aber der Meinung, daß eine Polizeitruppe in Südwestafrika wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse ihren Aufgaben nur dadurch gewachsen sein kann, daß sie in Form einer berittenen Truppe da ist. Bedauerlicherweise sind die Ausgaben für eine berittene Polizeitruppe außerordentlich hoch. Deswegen hat sich der Gouverneur schweren Herzens entschlossen, von der einstmals für richtig befundenen Höhe von 700 Personen herunterzugehen und die Polizei aus Verbilligungsgründen auf einen Stand von 500 herab⸗ zusetzen. Weiter zu gehen, hält der Gouverneur für ausgeschlossen.

Nun hat die Budgetkommission aus Ersparungsrücksichten, viel⸗ 85 Kuch aus pädagogischen Gründen, um das Gouvernement und den Landesrat zu zwingen, Polizei und Schutztruppe vom Standpunkt der Finanzen noch einmal zu prüfen, ohne genaue Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und gegen das Votum des Gouverneurs einfach 10 % von den Kosten der Polizeitruppe gestrichen. Das bedeutet, daß wir statt 500 Mann künftig nur 450 Mann haben werden. Meine Herren, ich halte es für meine Pflicht, Sie in letzter Stunde zu bitten, noch einmal nachzuprüfen, ob Sie die Verantwortung für diese ein⸗ schneidende Maßnahme auf sich nehmen können. Der Gouverneur glaubt, es auf keinen Fall zu können. Ich fürchte, Sie werden mit einer Streichung von 10 % Tatsachen schaffen, die für die Zukunft von Südwestafrika sehr bedenkliche und unliebsame Folgen zeitigen. Abg. Ledebour (Soz.): Der Staatssekretär hat auf die un⸗

Er hat aber vergessen, zu er⸗

13 Ver⸗

geheure Größe des Landes hingewiesen.

wähnen, daß dort auch nur 80 000 Eingeborene leben, für die eine Polizeitruppe von 500 oder 450 Mann doch schließlich ausreicht. Nach unserer Ueberzeugung ist auch die Schutztruppe viel zu stark. Wenn z. B. ein hungriger Eingeborener ein Kalb stiehlt, dann werden nicht nur die Polizei, sondern auch die Schutztruppe und Maschinen⸗ gewehre aufgeboten. Der Gouverneur und der Landesrat haben sich für die Verringerung der Polizeitruppen ausgesprochen. Ich hoffe daß sie sich im gleichen Sinne auch einmal über die Schutztruppe aus- sprechen werden. 1

Das Haus beschließt nach dem Antrag der Kommission. Zu den Ausgaben für die Militärverwaltung beantragt die Kommission, eine Resolution anzunehmen, den Reichskanzler zu ersuchen, den Etat für Südwestafrika für 1915 so aufzustellen, daß von den Kosten der Schutztruppe und der Landespolizei das Reich zwei Drittel und das Schutzgebiet ein Drittel trägt.

Die Resolution wird angenommen, ebenso zu dem gleichen Kapitel die Resolution, den Reichskanzler zu ersuchen, alsbald die erforderlichen Anordnungen zu treffen, durch die den Schutztruppen die Möglichkeit gegeben wird, ihren eigenen Bedarf an Verpflegungsmitteln fiskalischem Boden zu erzeugen.

Bei den einmaligen Ausgaben beantragt die Kommission

tunlichst auf

ausgeübt, die genügenden Arbeiterschutzbestim

Der Kommissionsantrag wird angenommen, im Punkte

Das Gehalt des Gouverneurs wird bewilligt und die von

treffend Vergrößerung der Zahl der Eingeborenenkommissare,

den Landesfrieden gegen gewaltsame Störungen im Innern zu schützen.

gegen die Stimmen der Nationalliberalen, der fortschrittlichen Volkspartei und den beiden Parteien der Rechten.

Die Petition des südwestafrikanischen Luftfahrervereins Keetmannshop um Bewilligung der vom Gouverneur und Landesrat beantragten Mittel für das Flugwesen in Deutsch Südwestafrika wird dem Reichskanzler als Material über⸗ wiesen.

Die Kommission beantragt gleichzeitig Annahme eines Ge⸗ entwurfes, nach dem bei Bauten von Eisenbahnen, Straßen, Hafenanlagen, Strombauten und Staudämmen die Grund⸗ eigentümer und Besitzer von Bergwerksgerechtsamen und Ab

gabensonderrechten im Wirtschaftsbereiche dieser Anlagen zu einer entsprechenden Leistu 1

1

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8. ꝛchen. eistung heranzuziehen sind, über die im falle eine Kommission von drei Mitgliedern endgültig zu eiden hat. eber diesen Gesetzentwurf wird in erster Lesung beraten. dazu ein Antrag Westarp eingelaufen, der an Stelle Gesetzentwurfes eine Resolution angenommen wissen wonach die verbündeten Regierungen ersucht werden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die im Antrage der Kom⸗ mission behandelte Materie im gleichen Sinne regeln soll. Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Der Staatssekretär hat gestern erklärt, daß er sich auf den Boden des Gesetzentwurfs nicht stellen könne, daß er es lieber sehen würde, wenn eine entsprechende Resolution angenommen würde. Die Resolution der Konservativen deckt sich sachlich mit dem Entwurf; die Konservativen erkennen da⸗ mit gn, daß der Entwurf sachlich das Richtige trifft. Ich halte doch die Form eines Gesetzentwurfs für richtiger. Vielleicht hat die Re⸗ gierung Bedenken gegen die Form des Entwurfs, wonach die Anlieger ausnahmslos zu den Lasten von Bahnbauten herangezogen werden müssen. Die Aufstellung der Pläne kann ja für die Verwaltung keine große Belastung mit sich führen. Vielleicht könnte man bis zur zweiten Lesung die Mußvorschrift in eine fakultative umwandeln. 8 Abg. Graf West arp (dkons.): Wir sind mit dem Grundgedanken der Heranziehung der kolonialen Gesellschaften durchaus einverstanden halten es aber für zweckmäßiger, dies in Form einer Resolution statt eines Gesetzentwurfs vorzuschlagen. Wenn wir uns den Wort⸗ laut des § 1 angeeignet haben, so wollen wir damit nicht sagen, daß die Regierung sich an diesen Wortlaut durchaus binden soll. Die Bedenken, die der Abg. Waldstein selbst vorgetragen hat, teilen wir durchaus, auch wir wünschen, daß die Mußvorschrift in eine fakultative umgeändert wird. In wohlerworbene Rechte der Gesell⸗ schaften darf nur eingegriffen werden, soweit es unbedingt notwendig ist. Jedenfalls halten wir die Form der Resolution für richtiger. Abg. Ledebour (Soz.): Der von der Kommission vorge⸗ schlagene Gesetzentwurf ist durch den Abg. Waldstein und den Grafen Westarp abzuschwächen versucht worden. Wir werden für den Ent⸗ wurf so, wie er vorgelegt ist, stimmen. Wir haben einen langjährigen Kampf gegen den Unfug der Landgesellschaften geführt, und ich glaube in der Beziehung herrscht Uebereinstimmung unter den Parteien dieses

Hauses und auch der Regierung. Es ist eine der größten Kalamitäten in unserer Kolonialgeschichte, daß ein Haufen beutegieriger Land⸗ spekulanten das Land an sich gebracht hat. Wenn diese Gesellschaften ihre Rechtstitel geltend machen, so schließt das nicht aus, daß im weiteren Verlaufe der Dinge diese Landgesellschaften doch zu allen Abgaben herangezogen werden müssen, die im Interesse der Ent wicklung notwendig sind, besonders dann, wenn das Land dieser Ge⸗ sellschaften durch derartige Kulturwerke außerordentlich an Wert ge⸗ winnt. Wird dem Entwurf nicht eine zwingende Form gegeben, so ist es in das Belieben der Regierung gestellt, ob die Landgesell⸗ schaften herangezogen werden oder nicht. Wir können ja nicht wissen wie die zukünftigen Staatssekretäre des Kolonialamts aussehen wer⸗ den. Wenn eine Gesellschaft alte Gerechtsame geltend macht so gehört die juristische Entscheidung darüber vor die Gerichte. Ich bitte Sie dringend, den Entwurf anzunehmen, um so den Land⸗ gesellschaften wirklich an den Kragen gehen zu können.

Abg. Erzberger (Zentr.): Es steht zur Entscheidung, ob der Zustand weiter bestehen bleiben soll, daß das ganze Land in den Händen von 6 großen Landgesellschaften sich befindet, die nur Ge⸗ rechtsame, aber keine Pflichten gegen das Land haben. Das Gesetz von 1908 hat sich durchaus bewährt, nur daß man 1908 noch nichk daran denken konnte, daß die Schutzgebiete Eisenbahnen aus eigene Mitteln bauen würden. Da muß man also doch die Pflicht der Ge sellschaften zur Beitragsleistung statuieren. Was der Abg. Waldstein vorschlägt, ist eine weit bedenklichere Abschwächung als der Vorschla des Grafen Westarp; der letztere nimmt den Gesetzentwurf, den di Kommission vorschlägt, unverändert auf und will nur nicht, da

der Reichstag selbst so viel Kraft entfaltet, das Gesetz zu macher

sondern will alles dem hohen Bundesrate überlassen. An Stelle de

Verpflichtung der Gesellschaften zur Zahlung der Anliegerbeiträge will er die Ermächtigung der Verwaltung setzen, sie heranzuziehen

dann ist das Gesetz ein ausgeblasenes Ei. Der Staatssekretär komm

dadurch den einzelnen Gesellschaften gegenüber in eine ganz unmöglich

Situation, wenn das „Muß“ oder „Nichtmuß“ in das Belieben de

Verwaltung gestellt wird. Ueberreicht man anderseits den Entwur

der Verwaltung als Resolution, so wird eine Menge Zeit verloren und die Verabschiedung der Sache überhaupt zweifelhaft. Wirklich wohlerworbenen Rechten gegenüber wird es ohnehin auf die gericht liche Entscheidung ankommen.

Abg. Waldstein ffortschr. Volksp.): Der neue Gesetzvorschlag dehnt nicht nur die Vorschrift des Gesetzes von 1908 auf die Eisen⸗ bahnanlagen aus, sondern macht die Vorschrift obligatorisch auf jede auch die kleinste Verkehrsunternehmung. Die zwingende Form des Gesetzes kann in der Praxis tatsächlich zu den großten Schwierig⸗ keiten für die Verwaltung führen. Abg. Keinath inl.) spricht sich für die Tendenz des Entwurfs aus; die erhobenen Vorbehalte könnten in der zweiten Lesung ihre Erledigung finden. .

Damit schließt die erste Beratung. Die zweite Beratung wird später stattfinden; dem Vorschlage des Präsidenten, da rüber sofort abzustimmen, treten die Abgg. Schwarze Lippstadt (Zentr.) und Bassermann inl.) entgegen: ihnen schließt sich der Abg. Graf Westarp (dkons.) an. Die Ab stimmung wird danach ebenfalls für später vorbehalten Ohne Diskussion erledigt hierauf das Haus auch d

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* 2 2 G trag zum Etat der Schutzgebiete für 1913 nach den A der Budgetkommission. Es folgen Berichte der Petitionskommission. Im ganzen zählt die Tagesordnung 35 solcher Berichte

auf. 20 davon, zu welchen keine Wortmeldungen vorliegen 4 8 8 .“ 2 scheiden aus der Verhandlung aus.

4 2„† 8 8 r 2 1*2 . Der Zentralverband deutscher Bäckerinnungen „Germania“ und

der baverische Handwerker⸗ und Gewerbebund in Munchen fordern den Gewerbetreibenden und arbeitswilligen Gesellen einen großeren Hchutz in verschärften gesetzlichen Bestimmungen gegen Bedrodungen, Verrufserklärungen, Streikpostenstehen und Boykott zu gewäbren Die Kommission hat entgegen dem Antrage des Referenten Abg. Irl (Zentr.) auf Ueberweisung als Material Uebergang zur Tages. ordnung empfohlen. Von dem Abg. Irl ist der Antrag auf Ueber⸗ weisung als Material „im Hinblick auf die vom Reichskanzler 10. Dezember 1913 abgegebene Erklärung“ wieder eingedracht. Abg. Brey (Soz.): Ich hätte mich nicht zum Wort gemelde wenn nicht entgegen dem Beschlusse der Kommission ein Ankvag Irl vorläge, der zuerst auf Berucksichtigung lautete, dann ader insolge der Rede des Reichskanzlers die Petition als Material uͤberwiesen wissen will. Ich freue mich nur, daß mit Ausnahme Koßmanns kein weitever Arbeitersekretär des Zentrums diesen Antrag mit unterzeichnet dat.

Angebli 8 9 av —— f mn errorismus uk boarde h 1 I geblich soll dem Terrorismus auf k Wen Seiten entgegengetreten

des Ausschlusses der Besiedlung des Ambolandes durch Weihe

817 AS 8 Ss Podo 8 WIö werden, aber aus der Rede des Ab àb. aul dem deutschen Hande