zustellen, daß das Duell ein Verbrechen ist, das sehr oft aus roher und gemeiner Gesinnung hervorgeht. Auf weitergehende Wünsche ver⸗ zichten wir nicht. Wir wollen das Schicksal des Kommissionsantrages nicht gefahrden, indem wir ihn mit anderen berechtigten Wünschen be⸗ packen. Wir dürfen mit einer gewissen Sicherheit darauf rechnen, daß der Kommissionsantrag auch die Zustimmung des Bundesrats findet. Der sozialdemokratische Antrag ist unklar; es sind in den betreffenden Paragraphen ganz verschiedene Strafminima vorgesehen. Wollen Sie bis zu einem 88 Gefangnis herabgehen? So geht die Sache nicht zu machen. Wenn wir uns hier bescheiden, so ändern wir unsere Stellung zum Zweikampf in keiner Weise. So wenig die Duell⸗ kommission ihr letztes Wort gesprochen hat, so behalten wir uns vor, bei gelegener Zeit auf unsere Forderung zurückzukommen. Wir halten an dem Satze fest, der aus hobem Munde einmal ausgesprochen ist: Was Recht ist, muß Recht bleiben.
Abg. von B. E“ (dkons.): Ich kann mir denken, daß auf der äußersten Linken ein Mitglied sich befindet, welches als junger Mann ein Pistolenduell gehabt, auf Schläger oder Säbel gefochten hat, um seine Ehre zu verteidigen, und jemand, der zwar durch sein Gesicht den Beweis liefert, daß er auf Schlägermensur gestanden hat, der aber nichts weiter gefochten hat als Bestimmungsmensuren. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachten auch wir die Duellfrage. Vor 12 Jahren hat unser damaliger Führer von Levetzow ausgesprochen, „daß das Faustrecht wieder aufleben würde, wenn wir das. Duell be⸗ seitigten, und daß neun Zehntel der Duellierenden gar nicht wissen, was in den Strafgesetzen über das Duell bestimmt ist. Das wird auch so bleiben, selbst wenn die Strafen auf das Duell sehr ver⸗ schärft werden.“ Alle Parteien des Reichstages haben daran ge⸗ arbeitet, etwas Positives zu schaffen, was einerseits den Ausschrei⸗ tungen des Duells entgegensteht, andererseits auch wieder die nun einmal vorhandenen Sitten genügend berücksichtigt. Die Kommission hat sich auf das Herauslassen eines einzigen Satzes aus dem Gesetz⸗ entwurf geeinigt. Der Abg. Stadthagen hat einmal gesagt: Ueber die Frage der Bestimmungsmensur könnte man sich streiten; wenn man schwere Strafen auf Beleidigung, Ehebruch setzt, also auch die Freventlichkeit eines Duells mit hohen Strafen belegt und auch eventuell den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte eintreten lassen kann, dann müsse man auch das, was eine Sitte ist, nämlich die sogenannten Bestimmungsmensuren fallen lassen. In der Kommission ist ein dahingehender Antrag abgelehnt worden. Es ist schwer für uns, für den vorliegenden Gesetzentwurf zu stimmen. Er enthält noch manche Unstimmigkeiten. Man kann, da nur ein mündlicher Bericht erstattet worden ist, im Zweifel sein, was „frevent⸗ lich verschuldet“ sein soll; soll dies in der Herausforderung liegen oder in den vorangegangenen Vorgängen. Die Freventlichkeit ist nach meiner Ansicht in dem letzteren zu suchen. Wir sind der Ansicht, daß es sich hier um einen Gesetzentwurf handelt, dessen Tragweite im System des ganzen Strafgesetzes heute nicht zu übersehen ist, und daß diese Vorlage zu großen Bedenken Anlaß geben muß. Wenn wir uns trotzdem für den Entwurf entschließen, so geschieht es, um die Materie in Fluß zu bringen. Die Konsequenz ist aber die Vorlegung einer Abänderung des Militärstrafgesetzbuches durch die verbündeten Regie⸗ rungen, da der Entwurf sich mit dem Militärstrafgesetzbuch nicht in Uebereinstimmung befindet. Die verbündeten Regierungen sind durch ihre Justiz⸗ und Verwaltungsbehörden in der Lage, die Sache zu prüfen. Glaubt die Regierung, daß dieser § 208 a genügt, so kann sie diesen Entwurf annehmen. Glaubt sie, daß er nicht genügt, so kann sie ihn als Material einer Prüfung unterziehen. Wir können aber nicht weitergehen als dieser Entwurf und müssen den Antrag der Sozialdemokratie ablehnen. Ich hoffe, daß das Resultat dieser Verhandlungen eine Gesetzesvorlage ist, die allen berechtigten Wünschen, aber auch der nun einmal bestehenden Volkssitte entspricht und damit zum Segen unseres Vaterlandes wirkt.
Abg. van Calker (nl.): Die Bedeutung dieses Gesetzent⸗ wurfs liegt darin, daß es hier zum ersten Male gelungen ist, in dieser Frage einen einheitlichen Beschluß aller Parteien des Reichstags her⸗ beizuführen. In dieser Bedeutung lag auch ganz sicherlich für die verbündeten Regierungen der Anlaß, daß auch sie hierzu ihre Zu⸗ stimmung gaben. Ich freue mich deshalb über die Worte, die der Staatssekretär hier gesprochen hat. Ich glaube, aus ihnen eine sympathische Stellungnahme entnehmen zu können. Das Wesentliche liegt auch in dem ganzen Wandel der Anschauungen seit Inkrafttreten der Strafbestimmungen des jetzigen Strafgesetzbuches. Diesem Wandel der Anschauungen tragen wir mit unserem heutigen Gesetzentwurf Rechnung. Wenn der Gesetzgeber heute das Duell verbieten und mit den höchsten Strafen bedrohen würde, würde es nicht verschwinden. Der Gesetzgeber kann nur den veränderten Anschauungen Rechnung tragen. Der springende Punkt ist, daß unser geltendes Recht prinzipiell einen Mann, der sich im Zweikampf schlägt, für einen Ehrenmann hält. Deshalb ist auch nur Festungsstrafe vorgesehen. Hier muß ein⸗
egriffen werden, um diese falsche Auffassung des Gesetzes zu beseitigen. Aber auch der Begriff der Ehre hat sich gewandelt. Das Volk hat heute nicht mehr die Auffassung, daß man im Zweikampf die verletzte Ehre schützen kann. Die Ehre, die im Herzen sitzt, kann durch keinen unberechtigten Angriff geschädigt werden. Es handelt sich nicht um die Ehre im ethischen Sinne, sondern darum, daß jedermann darauf Anspruch erheben kann, nicht geringschätzig behandelt zu werden. Würden wir uns heute noch auf den Standpunkt stellen, die Ehre kann verloren werden, dann würde es sehr viel schwerer sein für die Anhänger des Duells, zu einer Aenderung des Gesetzes zu schreiten. Dadurch kommen wir aber auch zu einer anderen Auffassung in der Zestrafung. Unsere Aenderung will ja an Stelle der Festungshaft Gefängnisstrafe setzen, wenn der Herausforderer der Schuldige ist. Der Gesetzentwurf knüpft da gewissermaßen an die Begründung der Vorschriften für Ehrengerichte der Offiziere an, worin es heißt, daß in Offizier nicht im Heere geduldet werden kann, der imstande ist, ie Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen. In inserer Gesetzgebung nehmen wir immer auf ethische Begriffe Bezug. Der Gesetzgeber entspricht dadurch der Forderung des Volkes, das mmer mehr den formalen Paragraphenton mit ethischen Grundsätzen durchsetzt wissen will. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das ethische Moment mehr als bisher in den Vordergrund gestellt. Im § 20 unseres jetzigen Gesetzes bei den allgemeinen Strafbestimmungen kann an Stelle der Festungshaft Zuchthausstrafe treten, wenn die Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung heraus begangen ist. Dieser Paragraph ist in das damalige Gesetz erst auf Wunsch des Reichstags hineingekommen. Dieser ethische Gedanke, der hier zum ersten Male zum Ausdruck kam, hat weit über das Deutsche Reich hinaus Auf⸗ nahme gefunden. Es ist ein guter Rechtsgedanke, der uns jetzt vor⸗ iegt. Wir wollen hoffen, daß der Staatssekretär und die verbündeten Regierungen recht bald ihre Anschauungen in der Weise zum Ausdruck bringen, daß wir in zweiter und dritter Lesung zur Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes kommen können.
Abg. Liesching ffortschr. Volksp.): Wir waren uns alle in der Kommission darüber einig, daß wir das Duellproblem nicht lösen können, dazu ist eine Aenderung in den Anschauungen der Anhänger
des Zweikampfes notwendig. Diese Aenderung in den Sitten und Anschauungen hat sich bereits allmählich vollzogen, und sie hat auch in Offizierkreisen mit den Duellen zum großen Teil aufgeräumt. Wir werden erheblich weiterkommen, wenn wir, wie es in England ge⸗ schieht, in Fällen freventlicher Verletzung der Ehre die gesellschaftliche Aechtung eintreten lassen. Wenn nun aber auch durch eine Aende⸗ rung der Sitten die Duelle allmählich beseitigt werden, so ist es doch nicht überflüssig, die Strafbestimmungen gegen den Zweikampf zu ver⸗ schärfen. Wer einen anderen frevelhaft fordert, seine Ehre frevelhaft verletzt, darf nicht den Anspruch erheben, anders behandelt zu werden, wie ein anderer, der Strafgesetze verletzt. Deshalb ist es ganz richtig, daß in solchen Fällen das Duell anstatt durch Festungs⸗ haft durch Gefängnisstrafe bestraft wird, und daß auch auf Aberkennung der bürgerlichen Chrenrechte erkannt werden kann. Der Richter wird zu entscheiden haben, ob ehrlose Gesinnung oder nur Leichtsinn vorliegt. Mit den Bestimmungen, die die Sozialdemokraten
wir verfolgen, für das Erreichbare möglichste Einstimmigkeit zu er⸗ zielen. Abg. Mertin (Rp.): Die Stellung meiner Freunde habe ich bei der Besprechung der Duellinterpellation eingehend dargelegt. Wir sind der Ansicht, daß der Zweikampf unter gewissen Umständen eine unleugbare Notwendigkeit ist. Ich habe damals an Hand der Ge⸗ schichte ausgeführt, daß auch eine Verschärfung der Strafen irgend welchen Einfluß auf die Beseitigung der Zweikämpfe nicht zur Folge gehabt hat. Ich habe aber damals schon den Antrag der Duellkom⸗ mission sympathisch begrüßt, indem ich eine Anregung erblickte zu einem Wege, den wir beschreiten können. Es liegen nun heute zwei Anträge vor; von vornherein will ich bemerken, daß die Bedenken, die wir schon wiederholt gegen die Novellengesetzgebung überhaupt geltend gemacht haben, auch heute noch bei uns bestehen. Wir lehnen den sozialdemokratischen Antrag wegen seiner Maßlosigkeit ab, den Antrag der Budgetkommission nehmen wir an, aber nicht etwa in dem Sinne, daß er nun von heute auf morgen Gesetz werden soll. Wir haben schwere Bedenken gegen Einzelbestimmungen seines Inhalts. Wir dürfen nicht vergessen, er reißt den ganz neuen juristischen Be⸗ griff der freventlichen Handlungsweise aus dem Rahmen des Vor⸗ entwurfs heraus und wirft ihn in ein Gesetz hinein, ein Begriff, mit dem wir noch nie operiert haben. Auch die Verkoppelung der Ehr⸗ losigkeit mit dem Delikt des Zweikampfes erscheint uns bei der ganzen Natur dieses Delikts bedenklich. Ferner fehlt eine Abgrenzung der Bestimmungen nach der Richtung der Bestimmungsmensuren. Die Bestimmungsmensuren sind mit Recht als Sport bezeichnet worden. Die Ansicht des Reichsgerichts ist irrig, wenn es die Bestimmungs⸗ mensuren als Zweikampf mit tödlichen Waffen ansieht. Wir stimmen dem Entwurf zu, weil wir in ihm ein wünschenswertes Mittel sehen, den Bundesrat mit der ernstlichen Prüfung der Frage zu befassen. Wir hoffen, daß der Bundesrat diese Prüfung mit aller Aufmerksam⸗ keit vornimmt, aber auch mit all der sachlichen Ruhe, die die Be⸗ handlung eines solchen Gegenstandes 13“ Damit schließt die erste Beratung. Der Gesetzentwurf wird hierauf in zweiter Lesung sofort ohne Diskussion einstimmig angenommen. Der sozialdemo⸗
kratische Antrag, das Duell wie jedes andere Vergehen, das sich
als Körperverletzung herausstellt, zu bestrafen, wird abgelehnt. Um 61¼ Uhr vertagt sich das Haus auf Freitag 12 Uhr.
(Konkurrenzklausel und Petitionen) 1
Haus der Abgeordneten. 58. Sitzung vom 26. März 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats derdirekten Steuern, und zwar die Besprechung der Einnahmen, mit der die Diskussion über die Ausgaben für die Vor⸗ sitzenden der Veranlagungskommissionen verbunden wird, und die Erörterung der dazu gestellten Anträge fort.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Es ist in, diesem hohen Hause schon bei der Generalberatung des Etats der Wunsch laut geworden, es möchten noch in diesem Jahre die Steuerzuschläge herabgesetzt werden, und es möchte noch die Möglichkeit geschaffen werden, daß das Land von Steuern entlastet würde. Die Frage hinsichtlich der Herab⸗ minderung der Steuerzuschläge ist ja eine sehr aktuelle, und die Staatsregierung kann sich sehr wohl vorstellen, daß es im Lande freudig begrüßt werden würde, wenn die Möglichkeit vorläge, die Steuerzuschläge herabzusetzen. (Sehr richtig)) Aber zu meinem großen Bedauern muß ich dem Lande die Enttäuschung bereiten, daß ich ausdrücklich erkläre: es ist zurzeit unmöglich, die Steuerzuschläge herabzusetzen oder aufzuheben. Die Steuerzuschläge sind zur Zeit ein⸗ gerichtet worden, weil sich infolge der Besoldungserhöhung heraus⸗ gestellt hatte, daß ein dauernder Mehrbedarf in dem Etat vorhanden war, für den bis dahin die Deckung fehlte. Es war damals bei der Durchführung der Besoldungserhöhung ein sehr großer Mehrbedarf vorhanden, und es ist dann ganz eingehend seitens der Finanzverwal⸗ tung untersucht worden, in welcher Weise dieser Mehrbedarf gedeckt werden könnte. Es hat sich dabei erwiesen, daß ein Teil dieses Mehrbedarfs allmählich durch Konjunkturgewinne in unserem Etat und durch die natürliche Steigerung unseres Etats beigebracht werden könnte. Aber es ergab sich auch zu gleicher Zeit, daß jedwede Aus⸗ sicht fehlte, den Rest aufzubringen, ohne daß neue Steuern, und zwar ohne daß dauernd neue Steuern eingeführt würden.
Es ist nun aus der Fassung des damaligen Gesetzes aßsgeleitet worden, daß die Steuerzuschläge nur vorübergehender Natur sein sollten (Sehr richtig!), daß sie in einigen Jahren wieder in Fortfall kommen sollten. Das ist irrig und unzutreffend. Es ist damals allerdings hier in diesem hohen Hause der lebhafte Wunsch laut ge⸗ worden und es ist ja auch verständlich und natürlich, daß die Steuer⸗ zuschläge nur vorübergehend bewilligt werden möchten. Aber mein Herr Amtsvorgänger hat damals immer und immer wieder erklärt: das ist unmöglich, daß wir ohne neue Steuern auskommen. Schließ⸗ lich ist sogar das Zustandekommen der Besoldungsgesetznovelle davon ab⸗ hängig gemacht worden, daß die dauernden Steuerzuschläge bewilligt würden. Nur die rohe Form der Zuschläge — es war damals keine Zeit, eine andere Form zu finden — ist als eine vorübergehende gedacht worden, und es ist der Staatsregierung auferlegt worden, innerhalb drei Jahren einen entsprechenden Gesetzentwurf einzu⸗ reichen. Nun hat sich seit Ablauf des Jahres 1909 ergeben, daß unsere Einnahmequellen in unserm Staatshaushalt nicht derartig ge⸗ wachsen sind, daß die Steuerzuschläge entbehrt werden können, um die laufenden Bedürfnisse des Staatshaushaltes zu decken.
So liegen die Verhältnisse auch noch heute. Unser Staats⸗ haushalt ist in seinem Gleichgewicht darauf abgestellt, daß die Er⸗ trägnisse der Steuerzuschläge, deren Aufkommen für dieses Jahr auf 72 Millionen veranschlagt worden ist, mit zur Deckung des Haus⸗
halts dienen müssen. Infolgedessen ist es auch nicht möglich, die Steuerzuschläge in Fortfall zu bringen, solange wir nicht von an⸗ derer Seite einen Ersatz für dieses Aufkommen von Steuerzu⸗ schlägen haben. Bei der Beratung des Eisenbahnetats ist diese Frage ja auch eingehend erwogen worden, und es hat sich ergeben — und das hohe Haus hat dem zugestimmt —, daß zurzeit aus Eisenbahn⸗ erträgen die Steuerzuschläge nicht entbehrlich gemacht werden können, daß ein Ersatz der 72 Millionen aus Eisenbahnerträgnissen nicht herbei⸗ geführt werden kann. Infolgedessen fehlt zurzeit jedweder Ersatz. Es ist zwar in der Presse und auch gesprächsweise im Publikum immer wieder darauf hingewiesen worden: o, wir erhalten durch den Wehrbeitrag so außerordentlich erhöhte Erträgnisse aus unsern Steuern, daß dann in Zukunft die Steuerzuschläge fortfallen können.
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stande, heute schon mitzuteilen oder überhaupt einen Ueberblick ge⸗ winnen zu können darüber, ob diese Annahme begründet ist und ob tatsächlich damit zu rechnen ist, daß wir erhebliche Mehreinnahmen infolge des Wehrgesetzes haben werden⸗ b Meine Herren, Sie wissen ja alle, daß die Deklarationsfrist bis zum 31. Januar verlängert worden ist und außerdem für zahllose Zensiten noch Sonderfristen festgesetzt werden mußten. Nun müssen die gesamten Steuererklärungen zum Wehrbeitrag noch darauf hin nachgeprüft werden, ob die darin enthaltenen Angaben und Schätzungen zutreffend sind oder nicht. Denn ein großer Teil der Angaben muß ja von der Veranlagungskommission geschätzt. werden, und selbst wenn auch der Zensit seinerseits eine Schätzung vornimmt, muß die Schätzung nachgeprüft werden. Infolgedessen ist es den Veranlagungsbehörden zurzeit noch nicht möglich, irgendwie einen Ueberblick darüber zu haben, ob nun tatsächlich alle die großen ausschweifenden Hoffnungen, welche in der Oeffentlichkeit an den Generalpardon und an die Veranlagung zum Wehrbeitrag geknüpft waren, eintreffen werden oder nicht. Die Königliche Staatsregierung muß bei Aufstellung des Etats infolgedessen davon ausgehen, daß besondere
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Verhältnisse nicht vorliegen, und sie war genötigt, den Etat nach den Erfahrungssätzen in bezug auf die Steigerung, die wir im Laufe der Jahre gewonnen haben, aufzustellen, und nach diesen Gesichtspunkten ist das Mehr an Einkommensteuern und an Er⸗ gänzungssteuern in den Etat eingestellt worden. b
Nun könnte man an die Finanzverwaltung die Frage richten: ja, wie stellt sich die Finanzverwaltung, wenn nun die Hoffnung, die an den Generalpardon gesetzt ist, sich so bewährt, daß tatsächlich ein ganz erhebliches Plus an Einkommensteuern usw. herauskommen würde?
Ist die Königliche Staatsregierung unter dieser Voraussetzung bereit,
eine Steuernovelle vorzulegen, und ist sie geneigt, auf die Steuer⸗ zuschläge zu verzichten? Ich habe schon im vorigen Jahre zum Aus⸗ druck gebracht, wie sehr ich es bedauere, daß die Ihnen vorgelegte Steuernovelle nicht zur Verabschiedung gelangte. Sie enthielt eine ganze Reihe von Verbesserungen und von Vorschlägen, welche für die ganze Veranlagung sehr bedeutsam und wichtig waren, und welche auch im Lande nach mancher Richtung hin Erleichterungen geschaffen hätten auf der einen Seite, und auf der anderen Seite dem von uns allen angestrebten Prinzip nach Gerechtigkeit weit mehr entsprochen haben würden.
Ich würde infolgedessen an sich sehr gern bereit sein, die Steuer⸗ novelle wieder einzubringen, wenn wir zurzeit überhaupt klar sehen könnten, ob es möglich ist, für die Steuerzuschläge irgendwie einen Ersatz zu finden, ob es möglich ist, die Steuerzuschläge herabzusetzen. Selbst gesetzt den Fall, wir hätten infolge des Generalpardons erhöhte Einnahmen, was zurzeit noch durchaus dahin steht, dann muß eine ge⸗ wissenhafte Finanzverwaltung, wenn sie eine Steuernovelle vorlegen will, sich auch fragen, welche erhöhten Ausgaben denn bevorstehen (Sehr richtig!), und, meine Herren, solche erhöhten Ausgaben stehen uns in größerem Umfange ganz sicher bevor.
Ganz abgesehen von den zahllosen Resolutionen und Wünschen, die bei der Beratung der anderen Etats vorkommen und auf Ausgaben⸗ vermehrung gehen, haben wir doch noch die sehr wichtige Frage des Volksschullastenausgleichs vor uns. Dazu kommen dann noch andere Fragen, die auf dem Besoldungsgebiet liegen usw., für die uns die Deckungsmittel fehlen. Infolgedessen muß die Finanzverwaltung mit der Einbringung eines neuen Steuergesetzes vorsichtigerweise so lange zurückhalten, bis sie einen Ueberblick darüber hat, was sie an bisher
Maß hinausgehenden Ausgaben zu erwarten hat.
Meine Herren, aus diesem Grunde bin ich leider außerstande, in Aussicht zu stellen, daß die Steuernovelle dem hohen Hause in der nächsten Zeit wieder vorgelegt werden kann.
Meine Herren, ich habe bei der Beratung der Steuernovelle im
weil eine Einigung zwischen dem hohen Hause und der Staatsregierung
vorzulegen.
lichen und die Arbeiter; denn für die Beamten, die Geistlichen und
den Beamten und Geistlichen zeigen die vorgesetzten Behörden den
Infolgedessen hat man sich bemüht, das neue Gesetz so auszugestalten, daß auch diejenigen Zensiten, deren Einkommen nicht so klar auf der Hand liegt, häufig sich nicht aus einer, sondern aus den verschiedensten Quellen zusammensetzt, nach Möglichkeit mit ihrem vollen Einkommen zur Steuer herangezogen werden können. Darauf war unser leider nicht verabschiedeter Gesetzentwurf aufgebaut. Nun muß ich allerdings lebhaft bedauern, daß unsere neuen damals vorgesehenen Bestimmungen nicht angewendet werden können. Aber ein wesentliches Hilfsmittel ist uns doch inzwischen gegenübe den früheren Jahren dadurch erwachsen, daß das Reich das Wehr beitragsgesetz und das Vermögenszuwachssteuergesetz erlassen hat. In diesen beiden Gesetzen ist eine obligatorische Vermögensanzeige vor⸗ geschrieben worden. Die periodisch immer wieder eingehenden obligato⸗ rischen Vermögensanzeigen sind eines der wesentlichsten Mittel ge⸗ wesen, welche die Staatsregierung in der Steuernovelle in Aussicht genommen hatte. An der Hand dieser Vermögensanzeige ist nun in Zukunft der Veranlagungskommissar imstande, auch die Höhe des Ein kommens ganz anders zu kontrollieren und festzustellen, als er es vorher konnte. Aus diesem Grunde haben wir doch begründete Aussicht, daß die Veranlagung in Zukunft sehr viel mehr demjenigen entspricht, was von der Veranlagung überhaupt verlangt werden muß, nämlich
Ich wende mich nun zu den Veranlagungskommissa⸗ ren. Die Veranlagung zur Steuer ist im Laufe der Jahre imme
sitzenden der Veranlagungskommission so große, bedeutsame und um⸗
vorschlagen, würde allerdings der Strafrichter wenig anzufangen wissen. Bloße Demonstrationsanträge verhindern den Zweck, den
Ja, meine Herren, die Königliche Staatsregierung ist leider außer⸗
noch nicht bekannten und noch nicht feststehenden, über das bisherige
vorigen Jahre und vor 2 Jahren genau gesehen, daß es sich schließlich 8 hauptsächlich um die Steuerzuschläge gedreht hat, und das Gesetz ist 8 trotz seiner wesentlichen Verbesserungen nicht verabschiedet worden,
über die Steuerzuschläge nicht zu erzielen war. Solange ich also nicht weiß, welche Stellung die Staatsregierung zu den Steuerzuschlägen einzunehmen hat, bin ich außerstande, Ihnen einen Gesetzentwurf wieder
Der Steuergesetzentwurf vor 2 Jahren verfolgte ja den wesentlichen Zweck, durch bessere Vorschriften des Verfahrens der steuerlichen Ge⸗ 1 rechtigkeit mehr zu entsprechen. Damals ist ja von allen Seiten hervorgehoben worden, daß große Kategorien von Zensiten mit ihrem Einkommen voll eingeschätzt werden, nämlich die Beamten, die Geist⸗ die Arbeiter wird das Einkommen der Steuerbehörde mitgeteilt. Bei
Steuerkommissionen die Höhe der Bezüge an, und bei den Arbeitern ist ja verordnet, daß die Arbeitgeber diese Angaben zu machen haben.
daß sie für alle Schichten der Bevölkerung möglichst gleichartig und gerecht wirkt. S
wichtiger und bedeutsamer geworden, namentlich sind dem Vor⸗
fassende Aufgaben zugewiesen worden, daß sie gar nicht anders erfüllt
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werden können, als daß sich der Vorsitzende persönlich mit seiner vollen Kraft den Veranlagungsgeschäften selbst widmet. (Sehr richtig!
links.) Die Steuergesetze sind von Jahr zu Jahr verfeinert worden,
wir haben zu gleicher Zeit dadurch, daß das Oberverwaltungsgericht
in letzter Instanz über die Steuerfragen entscheidet, auch so viel Judikatur in den Steuerfragen bekommen, daß man es getrost aus⸗
sprechen kann, daß die Steuerveranlagung eine reine Wissenschaft
geworden ist und infolgedessen nicht nur nebenbei, sondern von einem wissenschaftlich, speziell vorgebildeten Manne vorgenommen werden muß. (Sehr richtig! links.) Bei der Besprechung ist öfter auch die Ansicht laut geworden: die Hauptsache ist, daß der Vousitzende der Veranlagungskommission über der Kommission steht, die größeren Gesichtspunkte angibt und daß dann im übrigen die Veranlagung auch durch mittlere Beamte vorgenommen wird. Mit dieser Auffassung kann sich die Staatsregierung keinesfalls einverstanden erklären. Die Königliche Staatsregierung muß von dem Vorsitzenden der Veran⸗ lagungskommission verlangen daß er lange vor Beginn des eigent⸗ lichen Veranlagungsgeschäftes alles in sehr eingehender und gründ⸗ licher Weise vorbereitet, daß er sich sowohl über die Einkommens⸗ verhältnisse eines einzelnen wie auch über die ganzen Merkmale und sonstigen Verhältnisse von ganzen Gruppen genau informiert, daß auch bei den nichtphysischen Personen alle Unterlagen rechtzeitig be⸗ schafft werden, die notwendig sind, um eine sachgemäße und zu⸗ treffende Veranlagung ermöglichen zu können. Der Vorsitzende der Veranlagungskommission soll ferner, sobald das Veranlagungsgeschäft begonnen hat, alle irgendwie bedeutsamen Veranlagungserklärungen selber in die Hand nehmen und bearbeiten. Das sollen nicht bloß diejenigen sein, welche hohe Steuersummen aufweisen, sondern der Vorsitzende soll sich mit allen Steuererklärungen, bei denen irgendwie
prinzipielle und bedeutsame Fragen in Betracht kommen, befassen.
Diese Aufgabe führt natürlich dazu, daß der Vorsitzende der Ver⸗ anlagungskommission auch in die Verhältnisse von Land und Leuten tief eindringt, und ich kann infolgedessen in keiner Weise zugeben, daß, wie Herr von Hennigs es ausführte, ein hauptamtlicher Kom⸗ missar den Zensiten gegenüber anders dastände wie ein nebenamt⸗ licher Kommissar, der Landrat. (Sehr richtig! links.) Wenn der hauptamtliche Kommissar seine Aufgabe erfüllt und überall selbst Umschau hält und sich um die Einzelheiten bekümmert, dann kann er die individuellen Verhältnisse gerade so beurteilen wie ein Landrat, und auch gerade so liebevoll wie ein Landrat. (Widerspruch rechts; sehr richtig! und Heiterkeit links.)
Meine Herren, es wird gesagt: der Vorsitzende der Veranlagungs⸗ kommission wäre nur dazu da, sich mit dem lieben Publikum zu be⸗ fassen, um da möglichst viel Steuern herauszuquetschen. Wenigstens hat der Herr Abgeordnete von Hennigs, wenn ich ihn nicht ganz falsch verstanden habe, soeben diesen Ausdruck gebraucht. Meine Herren, diese Aufgabe liegt dem Vorsitzenden der Veranlagungs⸗ kommission durchaus nicht ob. Er soll alles gründlich erörtern, er soll überall nachsehen, ob das Einkommen des Betreffenden den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zur Steuer herangezogen wird. Das ist der oberste, fundamentalste Grundsatz, der auch aufrechterhalten bleiben muß. Denn, meine Herren, was dem einen an Steuern erspart wird, das muß der andere mehr zahlen (lebhafte Zustimmung links), und es entspricht nicht der Gerechtigkeit, wenn der eine mit seinem Einkommen voll zur Steuer herangeholt wird, während das bei einem anderen nicht der Fall ist. (Sehr richtig! links.) Die Staatsverwaltung muß dafür sorgen, daß die Veranlagung überall gleichmäßig erfolgt. (Sehr richtig! links.)
Meine Herren, der Vorsitzende der Veranlagungskommission — sei er hauptamtlich oder nebenamtlich, das ist für die Staatsregie⸗ rung durchaus einerlei — soll dafür sorgen, daß die Gesetze erfüllt werden. Er hat infolgedessen bei der Veranlagung nicht lediglich diejenigen Punkte zu beachten und zu berücksichtigen, welche dazu führen, daß der Zensit höher veranlagt wird, sondern er hat über⸗ haupt zu berücksichtigen, ob die einzelnen Steuerquellen wirklich in vollem Umfange, aber nur soweit sie steuerpflichtig sind, erfaßt werden. Infolgedessen soll der Vorsitzende der Veranlagungs⸗ kommission nicht bloß diejenigen Momente berücksichtigen, welche zugunsten des Fiskus, sondern auch diejenigen Momente, die zugunsten des Zensiten sprechen. (Sehr richtig! links — Heiterkeit rechts und im Zentrum.)
Meine Herren, zu diesem Zwecke sind die eingehenden näheren Erörterungen der einzelnen Steuererklärungen gesetzlich vorgesehen und angeordnet. Wenn jemand aus dem Publikum eine Steuererklärung abgegeben hat, und er wird hinterher zu dem Vorsitzenden der Ver⸗ anlagungskommission gebeten, und es wird mit ihm eine Erörterung seiner Veranlagung vorgenommen, dann fühlt sich der Betreffende sehr oft gekränkt und beleidigt; er sagt sich: ich habe doch meine Steuer⸗ erklärung nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben, nichtsdesto⸗ weniger wird mir nicht geglaubt, und ich werde herangeholt und wie ein Defraudant hingestellt. Meine Herren, so liegt die Sache tatsäch⸗ lich nicht; so ist es weder gesetzlich beabsichtigt, noch liegt es so in der Praxis. Die Abgabe einer richtigen Steuererklärung, besonders wenn das Einkommen aus verschiedenen Quellen fließt, ist ein überaus großes Kunststück; es kann bei weitem nicht jeder eine Steuererklärung richtig abgeben. Denn die gesetzlichen Schwierigkeiten, vor allen Dingen auch die einzelnen Voraussetzungen, die das Oberverwaltungs⸗ gericht aufgestellt hat, sind so zahlreich und so mannigfaltig, daß der einzelne Zensit sie gar nicht alle beherrschen kann und auch nicht zu be⸗ herrschen braucht. Die Vorsitzenden der Veranlagungskommissionen sind die berufenen Personen, welche in der Hinsicht dem Zensiten zur Seite zu stehen haben; sie haben mit dem Zensiten seine Steuer⸗ erklärung durchzugehen, und dabei soll erst Klarheit geschaffen werden. Ich muß deshalb gerade vor dem Lande betonen, daß die Erörterung einer Steuererklärung in keinem Falle eine Mißtrauenserklärung gegen den Abgeber der Steuererklärung bedeutet (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.), sondern daß die Erörterung lediglich zur Her⸗ stellung eines objektiven, klaren Befundes dienen soll.
Meine Herren, die Königliche Staatsregierung geht nun davon aus, daß überall da, wo der Vorsitzende der Veranlagungskommission imstande ist, sich nach Maßgabe seiner sonstigen Geschäfte der Ver⸗ anlagung in dem Maße zu widmen, wie ich es soeben skizziert habe, der Vorsitzende die Veranlagung auch im Nebenamt führen kann, daß aber da, wo die Geschäfte des Vorsitzenden so umfangreich sind, daß er die ganze Veranlagung nur nebenbei vornehmen kann und in der Haupt⸗ sache seinem mittleren Beamten überlassen muß, ein besonderer Steuer⸗ kommissar eintreten muß. Hiernach ist bisher verfahren worden, und
hiernach wird auch in der Zukunft verfahren werden. „
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Meine Herren, in der Kommission ist nun die Ansicht ausgesprochen worden, es schiene so, als ob die Staatsregierung allmählich die neben⸗ amtlichen Kommissare abschaffen und überall nur hauptamtliche Kom⸗ missare einführen wolle. Das entspricht in keiner Weise den Tat⸗ sachen. Ich habe schon in der Kommission die Ziffern mitgeteilt, und der Herr Referent hat sie ja auch schon angegeben. Wir haben 106 Stadtkreise und 487 Landkreise. Von den 106 Stadtkreisen sind 72, von den 487 Landkreisen 59 mit hauptamtlichen Kommissaren ver⸗ sehen. (Hört, hört! links.) Wir haben also 34 Stadtkreise, in denen bis dahin die Steuergeschäfte noch nebenamtlich resp. durch die Ma⸗ gistrate verwaltet werden, und 428 Landkreise. Wie man da davon sprechen kann, daß die Staatsregierung allmählich dazu übergehen wollte, die Landkreise allgemein mit nebenamtlichen Kommissaren zu versehen, ist mir nicht verständlich. Die vorliegenden Anträge sind ja auch genau unter den Gesichtspunkten gestellt, die ich vorhin dargelegt habe. Wir haben verschiedene Stadtkreise, bei denen sich die Not⸗ wendigkeit ergeben hat, daß ein hauptamtlicher staatlicher Kommissar die Geschäfte übernimmt, und wir haben außerdem verschiedene Land⸗ kreise, bei denen ebenfalls diese Anträge gestellt sind. Zu meinem leb⸗ haften Bedauern hat die Kommission der Staatsregierung ver⸗ schiedene Kreise gestrichen. Ich möchte das hohe Haus doch dringend bitten, dem Beschluß der Kommission in dieser Hinsicht nicht beizu⸗ treten. (Hört, hört! links.) Denn die Königliche Staatsregierung ist außerstande, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn diese Ent⸗ scheidung aufrechterhalten wird. (Hört, hört! links.)
Meine Herren, es kommen zunächst die beiden Städte Stralsund und Greifswald in Betracht. Die Stadt Greifswald scheidet zum 1. April aus dem Landkreise aus; infolgedessen muß für Greifswaid eine besondere Steuerveranlagungskommission gebildet werden. Den Vorsitz soll nach dem Vorschlage der Regierung ein für beide Städte gemeinsamer Veranlagungskommissar haben. Wenn Sie Greifswald nun streichen, dann kommt die Königliche Staatsregierung in die größte Verlegenheit. Die Stadt scheidet aus dem Landkreise aus und muß eine besondere Veranlagungskommission bekommen; sie kann also nur so verwaltet werden, daß ein Mitglied der Regierung in Stralsund den Stadtkreis Greifswald dann mitverwaltet. Nun hat aber die Re⸗ gierung in Stralsund nicht so viel Kräfte, daß ihr so große Geschäfte noch nebenbei übertragen werden können. Es bleibt infolgedessen nichts anderes übrig, als daß die Zahl der Regierungsratsstellen dort vermehrt und ein besonderer Regierungsrat für diese Zwecke angestellt wird. Denn die Veranlagung muß vorgenommen werden, und ein Vositzender der Veranlagungskommission fehlt.
Ebenso liegt es in Bromberg. Auch in Bromberg muß die Steuer⸗ veranlagung vom Staate übernommen werden, weil sie der Magistrat nicht mehr hat und die Mitglieder der Regierung nicht genügend Zeit dafür haben. Wir brauchen einen besonderen Kommissar.
Ich möchte im allgemeinen, vielleicht zur besseren Orientierung, noch etwas über die Veranlagung durch die Magistrate, durch die Städte sagen. Bei der städtischen Verwaltung ist der Bürgermeister regelmäßig ganz außerstande, den Vorsitz der Veranlagungskommission zu übernehmen, weil seine Geschäfte viel zu umfangreich sind. In⸗ folgedessen muß ein Magistratsmitglied den Vorsitz der Veranlagungs⸗ kommission übernehmen, und zwar darf das nach meiner Ansicht nur ein hauptamtlich angestellter Kommissar, ein besoldetes Mitglied des Magistrats sein, weil die Steuerveranlagung tatsächlich eine Wissen⸗ schaft geworden ist und von ehrenamtlich angestellten Magistrats⸗ mitgliedern eine solche Tätigkeit kaum wahrgenommen werden kann. Nun hat allerdings die Finanzverwaltung ein ganz lebhaftes Inter⸗ esse daran, daß dieser Vorsitzende der Veranlagungskommission stetig bleibt und nicht immer wechselt. Denn es kann einer Kommission nicht nützen, wenn alle Augenblicke ein neuer Vorsitzender da ist. Der Vorsitz muß längere Zeit in einer Hand sein, da gerade die genaue Kenntnis von Land und Leuten für die richtige und zutreffende Veranlagung natürlich unbedingt nötig ist. Bei den Maägistraten ist dieses aber kaum auf die Dauer der Fall. Die besoldeten Mitglieder der Magistrate — in der Rheinprovinz die Beigeordneten, in der Provinz Hannover die Senatoren — sind heutzutage nicht lange in dem Amt; sie wechseln außerordentlich, da in der städtischen Ver⸗ waltung gerade die jüngeren Beamten schneller Karriere machen, und infolgedessen haben sie das Steuerdezernat schon aus diesem Grunde nicht allzulange. Außerdem ist das Steuerdezernat bei vielen nicht beliebt. Ich weiß aus eigener Praxis, daß die Dezernenten, nachdem sie das Steuerdezernat zwei Jahre gehabt hatten, darum baten, es möchte ihnen doch abgenommen werden, weil sie sich viel mehr für andere Fragen der allgemeinen Verwaltung interessierten als für die Steuererhebung. Kurzum, gerade bei den Städten ist der Wechsel in den Dezernenten ganz unvermeidbar, er tritt alle Augenblicke ein, und das liegt nicht im Interesse des Staates und der Steuerveranlagung. Aus diesem Grunde halte ich es für sehr notwendig un’ erwünscht, in den Stadtkreisen den Vorsitz einem hauptamtlichen staatlichen Kommissar zu übertragen, und ich möchte Sie deshalb auch bitten, meinem Antrage für die Stadt Nordhausen stattzugeben, weil die dortige Steuer⸗ veranlagung bisher derart war, daß dort unbedingt Wandel geschaffen werden muß. Es hat sich ergeben, daß es einer ganzen Reihe von Jahren intensivster Arbeit bedürfen wird, um die Steuerveranlagung auf die Höhe zu bringen, die wir veranlagen müssen.
Dann, meine Herren, sind Kommissare für verschiedene Stadt⸗ kreise von uns verlangt worden, von denen die für die Stadtkreise Guben und Schweidnitz abgelehnt worden sind. Die Veranlagungs⸗ kommissionen für die Städte Guben und Schweidnitz sind abgelehnt worden, weil, wie Herr Abgeordneter von Hennigs gesagt hat und wie ausdrücklich in der Kommission ausgesprochen worden ist, auch a Landkreise mitherangezogen werden müssen, deren Hinzuziehung an sich überflüssig wäre und die nur erfolgen würde, damit die Vor⸗ sitzenden der betreffenden Kommissionen genügend Arbeit hätten. Meine Herren, bei den Städten Guben und Schweidnitz ist die Finanzverwaltung in einer sehr üblen Lage. Bis dahin ist die Ver⸗ anlagung dort durch die Städte vorgenommen worden; aber die Ma⸗ gistrate dieser beiden Städte haben uns diesen Vertrag gekündigt, weil sie die Veranlagung nicht mehr vornehmen wollen. Was bleibt da der Finanzverwaltung anders übrig, als da einen besonderen Steuerkommissar anzustellen? (Sehr richtig! bei den Nationallibe⸗ ralen.) Da dieser nicht genügend zu tun hätte, wenn er nicht noch die Landkreise hinzubekommt, so mußtén diese eben in diesem Falle hinzugezogen werden. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Wie soll sonst im übrigen die Finanzverwaltung verfahren? Es blieben nur zwei Möglichkeiten offen. Die eine Möglichkeit wäre die, daß man die Veranlagung durch die Königliche Regierung vornehmen
ließe. Das
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Die zweite Möglichkeit wäre die, daß man den Landrat eines der benachbarten Landkreise damit betraute. Das ist aber ebenfalls ganz unmöglich; denn einmal würde durch das Hinzutreten dieser Arbeiten der Landrat mit einer so großen Mehrarbeit bedacht werden, daß er außerstande wäre, die Veranlagung so vorzunehmen, wie ich es ver⸗ langen muß, und er könnte sich dem Veranlagungsgeschäft nicht in dem Umfange widmen, wie ich es vorhin dargelegt habe. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Zweitens aber kann man unmöglich einen Stadtkreis, der seit Jahren aus dem Landkreis ausgeschieden ist, nur in bezug auf die Veranlagung wieder unter den Landrat stellen; das würde in den einzelnen Städten als eine grobe Brüs⸗ kierung betrachtet werden (Lebhafte Zustimmung bei den Nationallibe⸗ ralen) und Unmut erregen. Die Staatsregierung sieht sich infolge⸗ dessen außerstande, diesen Wege zu beschreiten.
Wenn Sie nun diese Stellen ablehnen, weiß ich allerdings nicht, wie wir da vorwärts kommen sollen. Also die Magistrate haben gekündigt und die Veranlagung kann nicht mehr durch die Städte stattfinden. Wenn das Haus die besonderen Veranlagungskom⸗ missare ablehnt, sehe ich mich genötigt, die Steuerveranlagung — denn sie muß vorgenommen werden — durch besondere Kommissare erledigen zu lassen. Einen anderen Ausweg gibt es nicht.
Bezüglich der Kreise Kempen und Geldern ist zu bemerken, daß der Landkreis Kempen allmählich ein industrieller Kreis und der Umfang der Arbeit mit der Zeit so groß geworden ist, daß die Ver⸗ anlagung, die zu gleicher Zeit natürlich auch umfangreicher und schwie⸗ riger geworden ist, vom Landrat nicht mehr in dem Maße bewältigt und überwacht werden kann, wie es notwendig ist. Aus diesem Grunde mußte auch für diesen Kreis ein besonderer Kommissar ins Auge gefaßt werden.
Nun ist allerdings erwogen worden, welchen Kreis man mit Kempen zusammenlegen sollte, ob es möglich wäre, Kempen nach Crefeld oder einem der benachbarten Bezirke zu überweisen. Aber da haben alle Erörterungen ergeben, daß das nicht möglich ist. Des⸗ wegen muß für Kempen ein besonderer Kommissar vorgehen werden. Da in Geldern sich auch die Industrie entwickelt und Geldern und Kempen ganz nahe zusammenliegen, soll für beide Orte ein beson⸗ derer Kommissar angestellt werden.
Meine Herren, ich muß es sehr bedauern, daß sich die Kommission dem Antrage gegenüber, diese 11 Kommissare in den Etat einzustellen, ablehnend verhalten hat. Ich muß erklären, daß die Bestellung dieser Kommissare durchaus im Staatsinteresse liegt, und meinerseits jede Verantwortung ablehnen, wenn das hohe Haus mir die Anstellung dieser Kommissare versagt. (Bravo! dei den Nationalliberalen.) Ich habe aber doch noch die Hoffnung, daß meine Darlegungen Sie dazu führen werden, von ihrer Ablehnung Abstand zu nehmen und mir das zu bewilligen, was notwendig ist. (Bravo! bei den Nationalliberalen.)
Das Bedenken, das geäußert worden ist, daß die Regierung nur alle Mittel versuchte, um dann, wenn sie im Besitze der Stellen wäre, nach Möglichkeit alle umliegenden Landkreise aufzusaugen, liegt ab⸗ solut nicht vor; denn wenn ich die Absicht gehabt hätte, noch Land⸗ kreise mitheranzuziehen, würde ich sie auch mit in den Etat eingestellt haben. Da ich aber diese Absicht nicht habe, habe ich auch davon ab⸗ gesehen. Meine Herren, ich bitte Sie, diese Stellen zu bewilligen. (Bravo! bei den Nationalliberalen.) ““
Inzwischen ist von den Abgg. Freiherr von Zedlitz, von Kardorff (frreikons.) und Gen. der Antrag einge⸗ gangen,
die Regierung zu ersuchen, sobald sich die Höhe des dauernden Bedarfs an Einnahmen aus den direkten Steuern übersehen läßt, Gesetzentwürfe für deren Neuordnung zu dem Zwecke vorzulegen, möglichst bald dem Mittelstande und den ärmeren Steuerzahlern die für sie in der vorigen Tagung in Aussicht genommenen Vorteile und Erleichterungen zuzuwenden und eine vollständige und gerechte Veranlagung aller Einkommen und Vermögen sicher zu stellen. SHierzu beantragen die Abgg. Dr. von Campe, Schi ffgr Magdeburg (nl.) und Genossen, vor den Worten „sicher zu stellen“ einzuschalten: „vornehmlich auch durch Ueber⸗ tragung des Veranlagungsgeschäftes an finanztechnisch beson⸗ ders vorgebildete Beamte“.
8 Abg. Herold (Zentr.): Bei der günstigen Lage unserer steuerlichen Verhältnisse können wir auf die Steuerzuschläge sehr gut verzichten. Der Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz, in der Fassung, wie er uns vorliegt, geht von der Voraussetzung aus, daß die Steuerzuschläge beibehalten werden. Wir haben deshalb Bedenken, diesem Antrag zuzustimmen. Auf Grund des Besitzsteuergesetzes werden auch die Einkommen in Preußen ganz richtig erfaßt werden können. Im Be⸗ sitzsteuergesetz ist ja auch die Erbschaftssteuer enthalten. Die Erb⸗ schaftssteuer hat ihre Bedeutung deshalb, weil durch sie das Ein⸗ kommen in stärkerer Weise als bisher erfaßt wird. Das Kinderprivileg muß immer intensiver und wirksamer ausgestaltet werden. Allerdings ist es dann notwendig, um den daraus entstehenden Fehlbetrag zu decken, daß man die Normalsätze erhöht. Eine Abänderung nach der Richtung hin wäre uns sehr erwünscht. Sehr strittig ist die Frage, ob die Veranlagung durch besondere Steuerkommissare oder durch Land⸗ räte vorgenommen werden soll. Auch wir sind der Ansicht, daß durch die Steuer das Einkommen möglichst richtig erfaßt werden muß. Alle Steuerhinterziehungen müssen aufgedeckt werden, kurz, das Ein⸗ schätzungsverfahren muß möglichst vollkommen ausgestaltet werden. Die Frage ist nun die, ist dies besser möglich durch besondere Einschätzungs⸗ kommissare oder durch die Landräte. Die große Mehrheit meiner Freunde steht auf dem Standpunkte, daß es im allgemeinen besser ist, daß die Landräte diese Aufgabe übernehmen, weil sie mehr Fühlung mit den praktischen Verhältnissen haben und mehr mitten im Leben stehen als ein besonderer Steuerkommissar. Wenn sich ein Steuerkommissar noch so viel einarbeitet, so wird seine Tätigkeit doch nur immer eine einseitige bleiben. Daraus ergibt sich, daß man es im allgemeinen bei den Landräten beläßt. Ich glaube, daß auch der Finanzminister grund⸗ fätzlich diese Ansicht teilt. Allerdings in den Kreisen, die so groß und umfangryich sind, daß der Landrat durch seine Geschäfte überaus stark in Anspruch genommen ist, empfiehlt es sich, besondere Veranlagungs⸗ kommissare anzustellen. Es muß also ein Unterschied gemacht werden zwischen großen und kleinen Kreisen. Nur wenn sich der Landrat in ausreichender Weise um die Veranlagung kümmern kann, darf man ihm diese Aufgabe übertragen. Wir müssen bei der Bewilligung neuer Stellen sehr vorsichtig sein. Ich kann nur bitten, bei dem Beschluß der Kom⸗ mission stehen zu bleiben. Der Antrag der Budgetkommission, bei der Ergänzungssteuer die Schätzung des Ertragswertes bei dauernd land⸗ oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücken in Ueberein⸗ stimmung zu bringen mit dem Gesetz über den einmaligen außerordent⸗ lichen Wehrbeitrag, deckt sich mit einem Antrag, den meine Partei in der Kommission gestellt hat. Die Voraussetzungen für die Ergänzungs⸗ steuer und den Wehrbeitrag sind dieselben. Der Ertragswert ist das Ausschlaggebende, nicht der Kapitalwert des Betriebes. Die Schätzung des Wehrbeitrags muß hier die Grundlage bieten. Wird auf die Aus⸗ führungsbestimmungen des Wehrbeitrags hingewiesen und wird empfoh⸗ len, sie zur Anwendung zu bringen, dann bezieht sich dies nur auf den Ertragswert. Die Frage, wann nach dem Ertragswert oder nach dem emeinen Wert geschätzt werden soll, betrifft der Antrag nicht. Durch
ist dort ganz ausgeschlossen, weil sie zu weit entfernt ist.
Reese Bestimmungen ilt schon das Wehrbeltragsgelet unklar geworden,
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