die Auswahl der Dozenten fachliche Tüchtigkeit entscheiden, Betreffende dieser oder jener Interessentengruppe angehört. Das wäre eine Entwürdigung der freien Wissenschaft. Wir verlangen vor allen Dingen Lehrstühle für die modernen Sprachen Östeuropas und Ostasiens, dessen wirtschaftliche Be⸗ deutung von Jahr zu Jahr für Deutschland gewachsen ist, seit⸗ dem wir dort festen Fuß gefaßt haben. Deshalb begrü
allein
muß dmmg und 1 daß der
nicht der Umstand,
ich den Antrag Viereck, der einen Lehrstuhl für osteuropäische
e und Kultur für Breslau fordert; deswegen bin daß die russische Sprache in den höheren Lehranstalten des Ostens eingeführt werde. Aus diesem Ge⸗ sichtspunkte heraus habe ich mich auch an der Gründung einer Gesellschaft zum Studium russischer Verhältnisse be⸗ teiligt. Daß wir einer größeren Anzahl von Lehrstühlen für Pädagogik bedürfen, diese Erkenntnis bricht sich immer mehr Bahn; auch der Minister verschließt sich ihr nicht. Die Ge⸗ legenheit zur Errichtung solcher Ordinariate ist niemals günstiger ge⸗ wesen als jetzt, wo der Finanzminister sozusagen im Gelde schwimmt. Die Kulturaufgaben dürfen in Deutschland nicht zurück⸗ stehen. Der Seminarunterricht muß einen anderen Charakter annehmen. Er muß anregender wirken, als es jetzt ge⸗ schieht. Zwischen Schülern und Lehrern muß eine geistige Gemeinschaft herrschen. Heute begeben sich unsere jungen Juristen im vierten Semester zum Repetitor und bleiben den Vor⸗ lesungen fern. In einem Punkte sind wir aber alle einer Meinung, darin, daß wir die Werkstätten deutschen Geistes nicht nur auf der bisherigen Höhe erhalten, sondern daß wir alles tun müssen, damit sie sich weiter entwickeln und weiter vervollkommnen.
Hierauf nimmt der Minister der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird.
(Schluß des Blattes.)
Geschicht V. dafür,
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In den metallurgischen Petrowwerken, im Kreise Bachmut, die einer russisch⸗belgischen Gesellschaft gehören, sind „W. T. B.“ zufolge 10 000 Arbeiter im Ausstande. Die Ruhe ist
isher nicht gestört worden.
Aus Denver (Colorado) wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Die von dem Präsidenten Wilson entsandten Bundestruppen sind im Grubenrevier eingetroffen und haben die Staatsmilizen bei Wiederherstellung der Ordnung abgelöst. Der Waffenstillstand, der den Ausständigen am 29. d. M. von der Miliz bewilligt worden war, dauerte gestern noch an, da man es den Aueständigen ermöglichen wollte, die Toten und Verwundeten, die sie in dem vorgestrigen Kampfe hatten, zu sammeln. Die Höhe ihrer Verluste wollen die Ausständigen nicht angeben. Der Major Holbrook, der die Bundestruppen befehligt, hatte eine Besprechung mit Vertretern der Aus⸗ ständigen, die einwilligten, mit ihm zur Wiederherstellung der Ordnung zusammenzuwirken. Holbrook erklärte nach dieser Besprechung, seiner Ansicht nach seien die Ausschreitungen zu Ende. Ueber Aus⸗ lieferung der Waffen wurde nicht verhandelt, doch versprachen die Streikführer, daß die Leute ihre Waffen nicht in der Oeffentlichkeit tragen “ (Vgl. Nr. 101 d. Bl.)
Kunst und Wissenschaft.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 23. April unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Diels eine Gesamtsitzung, in der zunächst Herr Hirschfeld als Fortsetzung einer früheren Mitteilung über kleine Beiträge zur römischen Geschichte las. Sie betreffen: 1) Livius' Bericht über Hannibals Alpenübergang; 2) den Redner bei Sullas Bestattung; 3) L. Ateius Capito; 4) die Abfassungszeit des Kapitolinischen Stadiplans und der Kapitolinischen Fasten; 5) Codex Justinianus VII, 9, 3; 6) zwei Angaben des Suetonius (Cäsar c. 9, Nero c. 49); 7) Faustina senior. Dieselben werden später an einem andern Ort erscheinen. — Das korrespondierende Mitglied Herr Loofs in Halle übersandte eine Mitteilung: „Zwei mazedonianische Dialoge“. Die Ab⸗ handlung stellt zunächst etwa 30 „mazedonianische“ Zitate in den Libri tres de trinitate des Didymus zusammen und löst aus dem pseudoathanasianischen Dialogus I contra Macedonianos einen kurzen Dialog mazedonianischer Herkunft aus. Dann zeigt sie, daß die Mehrzahl der Didymuszitate aus einem größern mazedonianischen Dialoge stammt, der Didymus vorlag, während einige wenige dem Dialogus I contra Macedonianos entnommen sind, den Didymus benutzt hat. Endlich werden Spuren des größern mazedonianischen Dialogs in
dem pseudoathanasianischen Dialogus III de zancta trinitate nochge 8
wiesen. — Herr von Harnack übergab eine Abhandlung des Dr. Frit⸗ Schillmann in Berlin: „Der Anteil König Friedrich Wilhelms IV. an der Berufung der Brüder Grimm nach Berlin“. Es wird auf Grund eines bisher größtenteils noch nicht publizierten Materials gezeigt, daß die Berufung der Brüder Grimm nach Berlin auf die Initiative des Königs zurückgeht und daß der Anteil Bettina von Arnims von ihr selbst überschätzt worden ist. — Herr von Wilamowitz überreichte im Auftrage von Prof. Alfred Dove in Freiburg i. Br. 73 Briefe Theodor Mommsens an den Leipziger Physiologen Carl Ludwig als Geschenk.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet den Maul⸗ und Klauenseuche vom Schlachtviehrl
am 28. April d. J. 1 Theater und Musik
Zirkus Busch.
Vollmoellers Mwvsterienspiel „D Mirakel“ (Pantomime in zwei Akten und einem Zwischenspiel), Musik von Engelbert Humperdinck, ist, nachdem es in London vor drei Jahren unter Max Reinhardts Regie seine Uraufführung erlebt hatte und auch anderwärts mehrfach aufgeführt worden war, nach Berlin gelangt. Im ausverkauften Zirkus Busch, dessen Innenraum durch geschickte Verkleidung den Anschein erweckte, als befinde man sich in einem gotischen Dom, in dessen mystisches Dunkel das Licht durch gemalte Scheiben fällt, spielte sich gestern dieses wortlose Drama ab. Vollmoeller strebt darin die Wiederbelebung einer alten Theaterform an, „Miracle“ hießen in der französischen Literatur die geistlichen Spiele, die vom XIII. Jahrhundert ab lange Zeit hindurch Darstellungen nach biblischen oder heiligen Stoffen gaben und über die Grenzen ihres Ursprungslandes hinaus jahrhundertelang die öffentliche Unter⸗ haltung religiösen Inhalts beherrschten. Der Begebenheit, die in Vollmoellers „Mirakel“ dargestellt wird, liegt eine alte Marienlegende zugrunde. Diese Legende ist schon haͤufig dichterisch verwertel worden, z. B. von Gottfried Keller: „Die Jungfrau und die Nonne“ 1e den „Sieben Legenden“) und von Maeterlinck in ‚Schwester
eatriv“. „Das Mirakel“ behandelt die Legende von der Nonne, die aus dem Kloster entweicht, während ihrer Abwesenheit aber von der Muttergottes, die Gestalt und Wesen der Entflohenen angenommen hat, vertreten wird, bis die Reuige zurückkehrt. Die DVarstellung unter Max Reinhardts Leitung hat drei Höhepunkte: einmal bei der gewaltigen Exstase der Menge bei der vor dem wundertätigen Gnadenbild erfolgenden Heilung eines Kranken, das zweite Mal da, wo die aus dem Kloster entflohene Nonne von einer rasenden Volksmenge für eine Hexe erklärt wird und verbrannt werden soll, und zuletzt bei dem Rosenwunder, das sich vollzieht, als die Nonne als büßende Magdalena ins Kloster zurückgekehrt, von der Mutter⸗ gottes, die inzwischen wieder auf ihrem Throne sitzt, entsühnt und in Gnaden wieder aufgenommen wird. An diesen Stellen zeigt sich die hervorragende Fähigkeit Reinhardts, die Massen zu lenken wie ein viel⸗ stimmiges Orchester zu einheitlichem Zusammengehen zusammen zu raffen und die Crescendi schier bis ins Unglaubliche zu steigern. In dieser Beziehung wird er von keinem Regisseur der Welt übertroffen. Aber auch in den Einzelheiten gibt es genug des Schönen und Eindrucks⸗ vollen zu schauen; an malerischen Wirkungen, für die er einen besondern Sinn hat, fehlt es keineswegs, und das Ganze wird durch Humperdincks Musik in eine höhere Sphäre gehoben. Diese Musik ist am besten da gelungen, wo es galt, das Märchenhafte und Mystische des Stoffes stimmungsfördernd zu betonen und durch Hineinbeziehen alter Kirchengesänge den sakralen Charakter der Hand⸗ lung anzudeuten. Dazu gehören alle Szenen innerhalb des Domes und der Klostermauern, während das realistischere Gepräge des Zwischen⸗ spiels, der Vorgänge in der Außenwelt, gröbere Faktur in der Musik zeigt. — Unter den Darstellern und Darstellerinnen ist Maria Carmi, die Gattin Vollmoellers, welche die vom Postament herab⸗ gestiegene und Nonnendienst verrichtende Jungfrau verkörperte, an erster Stelle zu nennen. Sie ist eine Pantomimistin edelster Art, beredt in ihrer Stummheit, rührend in der Erscheinung und von einer unnachahmlichen Würde und Hoheit in der Gemessenheit ihrer Be⸗ wegungen. Sie überragte mit ihrer Leistung alle anderen, unter denen Mary Dietrich (Nonne Megildis), Rudolf Schildkraut (König), Wilhelm Diegelmann (Raubgraf) und Ernst Matray (Spielmann) als Vertreter der Hauptrollen mit Anerkennung genannt seien. — Die eindrucksvolle Aufführung, der Ihre Kaiserlichen und König⸗ ichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin beiwohnten, löste einen wahren Beifallssturm aus, der sich nicht eher beschwichtigte, bis Max Reinhardt mehrmals den Hervorrufen Folge geleistet hatte.
Ausbruch der arkte in Zwickau
8 ö11“
Im Königlichen Opernhause werden morgen, Sonnaben die Opern „Cavalleria rusticana“ und „Bajazzi“ gegeben. In de Hauptrollen sind die Damen Plaichinger, von Scheele⸗Müller, An drejewa⸗Skilonds bezw. Frau Dux mit den Herren Sommer, Habich bezw. Kirchhoff, Wiedemann, Philipp und Funck beschäftigt. Dirigen ist der Kapellmeister von Strauß.
Im Königlichen Schauspielhause geht morgen „Pee
Gynt“ mit Herrn Clewing in der Titelrolle in Szene. Außerden
sind in größeren Rollen die Damen Conrad, Ressel, von Mayburg Schönfeld, Heisler und die Herren Pohl, Leffler, von Ledebun Vallentin und Eggeling beschäftigt. Die Regie führt Dr. Bruch die musikalische Lestung hat der Kapellmeister Laugs.
Mannigfaltiges.
Emden, 30. April. (W. T. B.) Der von hier ausgehend nordamerikanische Dienst der Hamburg⸗Amerika⸗Lini wurde heute mit der Abfahrt des Dampfers „Rugia“ nad Philadelphia eröffnet. Das Schiff traf Mittags in
Hafen ein. Eingeschifft wurden hier rund 700 Zwische decksreisende, von denen ein Teil bereits im Laufe d letzten Tage von den Grenzstationen in Emden eingetroffe und in den Auswandererhallen der Hamburg⸗Amerika⸗Lin untergebracht worden war. Der Rest kam heute morgen im Sonderz von Hamburg hier an und wurde ebenfalls in den Auswandere hallen für kurze Zeit untergebracht und abgefertigt. Vertreter d Behörden besichtigten diese und wohnten der Abfertigung d Reisenden in den Auswandererhallen sowie an Bord bei. Die vo der Hamburg⸗Amerika⸗Linie geschaffenen Einrichtungen fande uneingeschränkten Beifall. Am Kai der Emdener Verkehrsgesellscha im Emdener Hafen liegen zur Zeit noch außer dem Dampfer „Rugig der Dampfer „Cheruskia“ der Hamburg⸗Emdener d eine Ladung Schienen für die Bagdadbahn einnimmt, sowie ein g “ englischer Dampfer, der eine Ladung eiserner Röhren fü
üdamerika einnimmt. Ein zahlreiches Publikum besichtigte im Lau des Tages dieses Bild lebhaften Verkehrs.
Mainz, 1. Mai. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: D Personenzug Nr. 437, der auf der Fahrt von Alze nach Mainz um 8 Uhr 11 Minuten von Niedersaulheit abfuhr, ist dort mit einer größeren Rangierabteilun zusammengestoßen. Bis jeßt sind drei TLote, e Lokomotivführer und zwei Frauen, festgestellt. Fünf Persone sind schwer und eine größere Anzahl leicht verletzt. D Verkehr ist durch die zerkrümmerten Wagen gesperrt, doch wird d
Betrieb durch Umsteigen aufrecht erhalten. Der Sachschaden bedeutend. Wie das Unglück bei helllichtem Tage geschehen konnt ist noch nicht festgestellt.
Perm, 1. Mai. (W. T. B.) Nach siebenstündiger Verhan lung hat der Appellhof die deutschen Luftschiffer Berline Haase und Nikolai wegen Aufnahme von Plänen, Anfertigu von Kopien, Beschreibung befestigter Punkte, Sammlung von Nac richten, Verheimlichung ihrer Herkunft und Eindringens in befestig Punkte des Reiches zu sechs Monaten Einzelhaft mit A rechnung des 58⸗tägigen Hausarrestes verurteilt. Die Ankla gegen Berliner wegen Veröffentlichung von Geheimdokumenten einem mit Rußland nicht im Krieg befindlichen Staate war fallen g lassen worden. Der Lufthallon wird der Regierung, die Waffen d Polizei übergeben. Die Verurteilten bleiben bis zur Stellung ein Kaution von 2000 Rubel für jeden in Hausarrest.
Buenos Aires, 30. April. (W. T. B.) Nach einer Gefech übung in Gegenwart der argentinischen Admirale hat das deuts Geschwader mit den argentinischen Kriegsschiffen Salut gewechse und dann den Hafen in der Richtung nach Santos verlasse
Rio de Janeiro, 1. Mai. (W. T. B.) Die Expeditig Roosevelts ist wohlbehalten in Manaos angekommen. Roosevelt selbst ist leicht an einem Furunkel erkrankt. schaftlichen Ergebnisse der Expeditton sollen bedeutend sein. Roosevelt hat aus Manaos an das amerikanische naturgeschichtli Museum telegraphiert, daß er und seine Expedition den bish unbekannten größten Nebenfluß des Madeira erfor hätten. Roosevelt ist krank gewesen, hat sich aber wie völlig erholt.
mtlichen in der E Beeilage.)
Kammerspiele.
Die wisse
Theater. Königliche Schauspiele. Sonn⸗
abend: Opernhaus. 88. Abonnementsvor⸗ stellung. Cavalleria rusticana. (Bauernehre.) Oper in einem Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem leichnamigen Volksstück von G. Verga. Mustkalische Leitung: Herr Kapellmeister von Strauß. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Chöre: Herr Professor Rüdel. Bajazzi. (Pagliacci.) Oper in zwei Akten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig Hartmann. Musitkalische Leitung: Herr Kapellmeister von Strauß.
: Herr Oberregisseur Droescher.
3 Herr Professor Rüdel. Anfang
Schauspielhaus. 116. Abonnementsvor⸗ stellung. Peer Gynt von Henrik Ibsen. (In zehn Bildern.) In freier Ueber⸗ 8 für die deutsche Bühne ge⸗ staltet von Dietrich Eckart. Musik von Edward Grieg. In Szene gesetzt von Heen Regisseur Dr. Reinhard Bruck.
usikalische Leitung: Herr Kapellmeister Laugs. Anfang 7 Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 89. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Die Hugenotten. Große Oper in fünf Akten von Giacomo Meyerbeer. Text nach dem Französischen des Eugène Scribe, übersetzt von Ignaz Castelli. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 117. Abonnementsvor⸗ stellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind auf⸗ gehoben. Die Venus mit dem Papagei. Keine erotische Komödie in drei Akten von Lothar Schmidt und Emil Schäffer. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater. (Direktion: Max Reinhardt.) Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Shakespeare⸗Zyklus: Der Kaufmann
von Veaedig. Sonntag und Montag: 3 Was ihr
Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Snob. 89 Sonntag: Freiheit.
Montag: Der Sunob.
Berliner Theater. Sonnab., Abends 8 Uhr: Wie einst im Mai. Posse mit Gesang und Tanz in vier Bildern von Bernauer und Schanzer.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Große Rosinen. — Abends 8 Uhr: Wie einst im Mai.
Montag und folgende Wie
Tage: einst im Mai.
Theater in der Küniggrützer Straße. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Mr. Wu. Englisch⸗chinesisches Spiel in drei Akten von H. M. Vernon und
Harold Owen. Sonntag und folgende Tage: Mr. Wu.
Komödienhaus. Sonnabend, Abends
8 Uhr: Kammermusik. Lustspiel in drei
Akten von Heinrich Ilgenstein. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die
8 1““ — Abends: Kammer⸗
Deutsches Künstlerthenter (So⸗ zietät). (Nürnbergerstr. 70/71, gegenüber dem Zoologischen Garten.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Erziehung zur Liebe. Ein ernstes Spiel in vier Akten von Hans Kyser.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Biberpelz. — Abends: Schneider
Wibbel. : Der Raub der Sabine⸗
Lessingtheater. Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Nach Damaskus. Von August Strindberg.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Pro⸗ fessor Bernhardi. — Abends: Peer Gynt.
Montag: Pygmalion. 8
18
Theater an der Weidendammer
Brücke. Sonnabend, Abends 8 ¼ Uhr:
Der müde Theodor. Schwank in drei Akten von Max Neal und Marx Ferner. (Henry Bender als Gast.) Sonntag und folgende Tage: Der Süne Theodor. (Henry Bender als ast. 1b 8
Schillertheater. o. (Wallner⸗ theater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die beiden Leonoren. Lustspiel in vier Aufzügen von Paul Lindau.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Ge⸗ schäft ist Geschäft. — Abends: Flachs⸗ mann als Erzieher. n
Montag: Heiligenwald. 8
Charlottenburg. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Herodes und Mariamne. Eine Tragödie in fünf Aufzügen von Friedrich Hebbel.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Rosen⸗ montag. — Abends: Die Maschinen⸗ bauer.
Montag: Des Meeres und der Liebe Wellen. 8 8
Dentsches Opernhaus. (Char⸗ lottenburg, Bismarck⸗Straße 34 — 37. Direktion: Georg Hartmann.) Sonnabend, Abends 7 Uhr: Parsifal. Ein Bühnen⸗ weihfestspiel in drei Aufzügen von Richard Wagner.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Freischütz. — Abends: Die Jüdin.
Montag: Tiefland.
Montis Operettentheater. (Früher: Neues Theater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Jung England. Operette in drei Akten von Rud. Bernauer und Ernst Welisch. Musik von Leo Fall.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die Fledermaus. — Abends 8 Uhr: Jung I d Fiokzende T
Montag und’ folgende Tage: Jun England. 1
Theater des Westens. (Station: Zoologischer Garten. Kantstraße 12.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Polenblut. Operette in drei Akten von Oskar Nedbal. entag und folgende Tage: Polen⸗
ut.
Theater am Nollendorfplatz. Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr: Dritte Opernaufführung des Sternschen Konservatoriums. — Abends 8 Uhr: Der Juxbaron. Posse von Pordes⸗Milo und Hermann Haller. Gesangstexte von Willi Wolff. Musik von Walter Kollo.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Orpheus in der Unterwelt. — Abends 8 Uhr: Der Jugxbaron.
Montag und folgende Tage: Der Juxbaron.
Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die spanische Fliege. Schwank in drei Akten von Franz und Ernst Bach.
Sonntag, Nachmittags 3 ½¼ Uhr: Hof⸗ gunst. Abends: Die spanische Fliege.
Montag und folgende Tage: Die spanische Fliege.
Residenztheuter. Sonnabend, Abends 8 ½ Uhr: Ein Walzer von Chopin. Schwank in drei Akten von Henri Kéroul und Albert Barré.
Sonntag und folgende Tage: Ein Walzer von Chopin.
Thaliatheater. (Direktion: Kren u Schönfeld.) Sonnabend, Abends 8 Uhl Wenn der Frühling kommt! Po mit Gesang und Tanz in drei Akten v Jean Kren und Georg Okonkowsky. G sangsterte von Alfred Schönfeld. Mu von Jean Gilbert.
Sonntag und folgende Tage: We der Frühling kommt!
Trianonthenter. (Georgenstr., na Bahnhof Friedrichstr.) Sonnabend, Aben 8 Uhr: Die Notbrücke. Lustspiel drei Akten von F. Grésac und F. Crois
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr und Aben
8 Uhr: Die Notbrücke. Montag und folgende Notbrücke.
Tage: 2½
Familiennachrichten.
Geboren: Eine Föches Sie he von Jagow (Calberwisch bei Osterburg) Hrn. Pfarrer Ernst Lindemann (Rin Sao Pedro [Rio Grande do Sul]). Hrn. 1“ Dr. Most (Breslau)
Gestorben: Hr. Generalleutnant z. Max von Scholten (Dessau) Oberlandstallmeister a. D., Wirkli Geheimer Rat Graf von Lehnd (Berlin). — Vally Freiin Grote (Oe — Konventualin Frieda von Bü (Ribnitz).
Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenb⸗
Verlag der Expedition (Heidri in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße Dreizehn Beilagen
(einschließlich Börsenbeilage und Waß zeichenbeilage Nr. 40 A u. 40 B).
Rittergütern und dem Herzog geschlossen worden ist.
zum Deu
sanzeiger und Königlich Prꝛußischen
Berlin, Freitag, den 1. Mai
——õ — —
eutschen Getreidebörsen und F.
—.—
ruchtmärkten.
Hauptsächlich gezahlte Preise für 1 t (1000 kg) in Mark
1
eiger.
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Gerste 1
Königsberg i. Danzig Hertug. Stettin.
11 “ reslau . Magdeburg Dortmund
Mannheim Hamburg 1
Berlin, den 1. Mai 1914.
an2ua a n u à2 2
192 — 197 210 197 — 200
160 156 162 163 — 164 159 153 — 156 158 — 160 158 — 160
160 — 163,50 175
162 — 165 162 — 165 Kaiserliches Statistisches Amt. Delbrucd.
146 — 148 162 — 165 162,50 — 167,50
151 — 152
133 — 135
142
245. Sitzung vom 30. April 1914, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Am Bundesratstisch der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück, der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn.
8 Auf der Tagesordnung steht zunächst die folgende Inter⸗ ellation der Sozialdemokraten:
„Ist der Herr Reichskanzler bereit, dem Reichstage einen Verfassungsentwurf für die mecklenburgischen
„
Großherzogtümer vorzulegen, in dem für die Wahlen zur Volksvertretung das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl⸗ recht vorgesehen ist?“
Staatssekretär Dr. Delbrück erklärt auf die Anfrage des Präsidenten, ob und wann die Interpellation beantwortet werden soll:
Ich werde die Interpellation heute beantworten.
Zur Begründung der Interpellation erhält darauf das Wort der Abg. Herzfeld (Soz.): Unsere Interpellation bezweckt, von
dem Reichskanzler darüber Auskunft zu erhalten, ob er das Reich
veranlassen wird, für die beiden Mecklenburg ein Wahlrecht vorzulegen, n dem das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht vor⸗ gesehen ist. Dem größten Teil der mecklenburgischen Bevölkerung ist es unmöglich, irgendwie politische Rechte auszuüben. Das mecklen⸗ bur 55 Staatsrecht kennt keine politischen Rechte für Staatsbürger. Nussch aggebend ist der Vertrag, der im Jahre 1755 zwischen den Das ist das Grundgesetz für Mecklenburg, das auch heute noch gilt. Dieses Grund⸗ gesetz, das seinerzeit mit Hilfe der Reichsgewalt entstanden ist, ist auch mit Hilfe der Reichsgewalt durch die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag aufrecht erhalten worden. Es ist interessant, daß, als ein mecklenburgischer Herzog Anfangs des 19. Jahrhunderts eine neue Ver⸗ fassung gegen die Ritterschaft aufzwingen wollte, so wie es jetzt in unserer Zeit der Großherzog Friedrich Franz IV. der Ritterschaft gegenüber versucht hat, die Reichsexekution eingriff. Das Resultat war, daß alles beim alten blieb. Allein durch die Reichsverfassung konnte bisher der Zustand in Mecklenburg aufrecht erhalten werden. Die Reichsgewalt kann es aber auch nur sein, die hier Wandel schafft. Alle Versuche auf gesetzliche Einführung der Verfassung hat
die Reichsgewalt, der Bundesrat abgelehnt und die alte mecklenburgische
Verfassung aufrecht erhalten, zuletzt 1910. 1909 war im mecklen⸗ burgischen Landtage der Entwurf der großherzoglichen Regierung zum dritten Male abgelehnt worden. Die Großherzöge verhandelten weiter, legten Entwurf nach Entwurf dem Landtage vor, um eine Verfassung zu schaffen und einen von Standesinteressen losgelösten Landtag. Alle Entwürfe wurden von den mecklenburgischen Ständen abgelehnt. Die Landesregimentskosten wurden abgelehnt, und der Großherzog von Mecklenburg⸗Schwerin kam in eine sehr schlimme Lage. Er faßte den Entschluß, eine Verfassung zu oktroyieren. Er rich⸗ tete an den Vertreter der Ritterschaft einen geheimen Brief daß, falls das vorgeschlagene Kompromiß nicht zustande käme, er dem Lande eine Verfassung oktroyieren werde. Die Ritterschaft ließ sich durch die Drohung mit dem Eingreifen der Reichsgewalt nicht bestimmen. Es kam nun darauf an, daß die Reichsgewalt mit dieser Oktroyierung einverstanden war. Aber die Reichsregierung erklärte sich gegen die Oktroyierung und für die alte Verfassung. Der Landtag wurde wieder einberufen und lehnte auch diesen letzten Ent⸗ wurf mit Zweidrittelmehrheit ab, da er wußte, daß der Bundesrat hinter ihm stand. Der Landtag wurde darauf geschlossen, und die Groß⸗ herzöge schoben die Verantwortung für das Scheitern der Einigung den Ständen zu. Niemals ist die Machtlosigkeit des Landesherrn so offen zu Tage getreten. Die siegreiche Ritterschaft diktierte nun ihre Bedingungen. Sie schaffte sich selbst mehr Macht und Reichtum. Fs wurde eine neue Einkommen⸗ und Vermögenssteuer eingerichtet, ie Einkommensteuer fing bei 200 ℳ an. Diese Steuer sei not⸗ wendig, hieß es, um dem Volke das Gefühl der Staatszugehörigkeit beizubringen. Kaum war diese „Steuerreform“ fertig, da wurde der Organisator der großherzoglichen Niederlage, Dr. Langfeld, zum Premierminister ernannt. Jetzt ist der Liberalismus wieder hoffnungsfreudig, daß Mecklenburg doch eine Verfassung erhält. Wie es mit dem Rechtszustande in Mecklenburg steht, zeigt der Fall des Landrats von Maltzahn wegen der Beleidigung eines Amtsgerichts⸗ schreiberassistenten. Dem damaligen Premierminister war die Sache nicht recht geheuer, und er riet ihm, zu erklären, daß er den Asfsistenten nicht habe beleidigen wollen. Der Landrat von Maltzahn antwortete darauf, und nun schrieb der Justizminister an das Amtsgericht, es möchte den Assistenten veranlassen, seinen Strafantrag zurückzuziehen und sich zu beruhigen. Der Justizminister schrieb dem Assistenten, den Antrag zurückzunehmen. Dieser tat es nicht. Der Staatsanwalt teilte diesem nun mit, daß das Justizministerium ihn angewiesen habe, wegen Mangels öffentlichen Interesses Klage nicht zu erheben. Verhandlungen zwischen den Herzögen und dem Landtage über den Erlaß einer Verfassung sind auf absehbare Zeit völlig aussichtslos. Das Deutsche Reich ist begründet zur Wohlfahrt des deutschen Volkes. Dazu gehört nicht die mecklenburgische Ritterschaft; das mecklen⸗ jissche Volk in Mecklenburg regieren jetzt 750 Leute. Vor 100 Jahren hatte Mecklenburg eine stärkere Bevölkerungsziffer als heute. In der Ritterschaft kommt auf einen Quadratkilometer eine Be⸗ dölkerungszahl von 17,3, im übrigen Deutschland 112. 88 Ruanda ist die Bevölkerungsziffer dreimal so groß wie in der Ritterschaft Mecklenburgs. Die Eisenbahnverhältnisse sind die rück⸗ tändigsten in Deutschland, Hauptbahnen sind die Ausnahme.
Ein Eigentum, das frei erkauft werden könnte, ist in Mecklen⸗ burg so gut wie unbekannt. Gemeinden gibt es in der Ritterschaft nicht, die Rittergutsbesitzer selbst haben die ganze Verwaltung, die Polizeigewalt und alle ihre Glieder in Händen, sie können bis zu echs ” Haftstrafe verhängen. Fortbildungsschulen sind un⸗ ekannt. Die Arbeits⸗ und Lohnverhältnisse der Arbeiter und kleinen Beamten sind die schlechtesten und unfreiesten, die man sich denken kann; der ortsübliche Tagelohn gehört zu den niedrigsten in ganz Deutschland. Wir fordern nicht, wie die Liberalen es alle Jahre efordert haben, ein Wahlgesetz für Mecklenburg; was dabei heraus⸗ kommt haben wir ja gesehen. Wir fordern ein Verfassungsgesetz auf Grund des Reichswahlrechts. Der liberale Wahlverein hat früher in einer Petition ein Reichsgesetz mit dem Reichs⸗ wahlrecht für Mecklenburg gefordert; wir fordern dasselbe, was die Mecklenburger Liberalen verlangt haben. Der Abg. Gröber hat früher einmal auf den Art. 78 der Reichsverfassung verwiesen; damit hat er aber auf die mecklenburgische Ritterschaft keinen großen Eindruck gemacht, da „diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch die bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit festgestellt sind, nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaats abgeändert werden können“. Als 1850 die Revolution besiegt war, hat Preußen die Verfassung mit dem Dreiklassenwahl⸗ gesetz oktroyiert; umgekehrt ist später jeder Appell der Reaktion gegen das Reichstagswahlrecht ergebnislos geblieben. Deshalb muß das Reich auch endlich eingreifen, um dem Liberalismus in Mecklenburg um Fortschritt zu verhelfen. Die Furcht des Kollegen Gröber, daß in falce Fallen alles mögliche auch in anderen deutschen Staaten passieren öͤnnte, ist unbegründet. Der Staatssekretär hat seinerzeit gesagt, daß ein solcher Antrag ein Angriff auf 1des mechlenburgische Ver⸗ srecht und mit den föderativen Grrlidlagen des Reiches nicht vereinbar sei. Wo stehen diese föderativen Grundlagen geschrieben? in dem Artikel 78 der Verfassung, wonach das Reich seine ompetenz unbeschränkt ausdehnen kann, soweit nicht 14 Stimmen im Bundesrat entgegenstehen, und soweit nicht Rechte ent⸗ gegenstehen, deren Aenderung der Zustimmung des be⸗ treffenden Staates bedarf. Nachdem die beiden Mecklenburg diesen Artikel angenommen haben, unterliegen sie der Souveränität des Reiches. Es ist nicht richtig, daß, wenn Mecklenburg vom Reich eine Verfassung auf Grund des Reichswahlrechts erhält, dann die föderativen Grundlagen irgendwie erschüttert werden. Das beweisen sämtliche süddeutschen Staaten, die sich im wesentlichen das Reichs⸗ wahlrecht gegeben haben. In diesen Staaten gibt es so gut wie gar keinen Partktularismus mehr. Das Umgekehrte ist in den beiden Mecklenburg der Fall. Das Bismarcksche Reichswahlrecht sollte den Hartigen der Herrschenden bändigen; je länger man es Mecklenburg vorenthält, desto mehr wird dort dem Partikularismus vorgearbeitet; das Reichswahlrecht schwächt nicht, sondern stärkt die föderativen Grundlagen des Reiches. Fürst Bismarck gründete das Deutsche Reich als ein Großpreußen; um das zu können, hat er die Theorie von dem Gleichgewicht erfinden müssen, wie sie sich in der Normierung der 14 dissentierenden Stimmen ausdrückt. Lassen Sie sich durch die Schale und leere Formel der „föderativen Grundlage“ nicht irre machen. Die Hoffnung, für unsere Auffassung die Mehrheit des Hauses zu gewinnen, habe ich allerdings nicht, weil Preußen im Reiche herrscht; aber die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung ist über allen Zweifel erhaben. Ueber die politische Zweckmäßigkeit unseres Verlangens kann kein Zweifel sein. Deshalb bitte ich um diese Zu⸗ stimmung. Die jetzige mecklenburgische Verfassung ist eine Schmach für Deutschland. Es gibt keine Stadt, wo die Bevölkerung von jedem politischen Einfluß so ausgeschlossen ist. Nehmen Sie sich Mecklen⸗ burgs an.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Innern Dr. Delbrück:
Der Standpunkt der verbündeten Regierungen in der mecklen⸗ burgischen Verfassungsfrage ist in diesem Hause wiederholt dargelegt worden. Ich selbst habe zuerst im Jahre 1910 und dann Ende 1912 die Ehre gehabt, hierüber Ausführungen zu machen. Der Stand⸗ punkt der verbündeten Regierungen hat sich seitdem nicht geändert. (Hört, hört! links.) Der Herr Reichskanzler ist daher in voller Uebereinstimmung mit der Auffassung sämtlicher Bundesregierungen nicht in der Lage, der in der Interpellation gegebenen Anregung zu entsprechen. (Bravo! rechts. — Zurufe von den Sozialdemokraten.)
Mecklenburgischer Bundesratsbevollmächtigter, Geheimer Lega⸗ tionsrat Freiherr von Brandenstein: Ich kann mich der Er⸗ klärung, die eben der Staatssekretär abgegeben hat, nur anschließen. Aber ich muß bemerken, im Gegensatz zu den Ausführungen des Abg. Dr. Herzfeld, daß die Großherzoglich mecklenburgischen Regierungen, wie früher, so auch heute auf dem Standpunkte stehen, daß ein Ein⸗ reifen des Reiches in die verfassungsmäßigen Verhältnisse eines Finzelstaates nicht erwünscht ist und daß sie keineswegs den Wrnsch haben, daß dies in Mecklenburg geschieht. Ich würde mich mit dieser Erklärung begnügen können, wenn nicht doch die Ausführungen des Abg. Dr. Herzfeld meines Erachtens das eigentliche Bild bezüglich der Lage in Mecklenhburg nicht richtig wiedergeben. Ich kann hier auf Einzelheiten nicht eingehen. Doch möchte ich als Beispiel folgendes anführen: Wenn der Abg. Dr. sich dagegen wendet, daß eine Steuerreform in ecklenburg stattgefunden hat, o war diese an sich ganz besonders erwünscht. In Mecklenburg ist in Uebereinstimmung mit allen Ständen eine Steuerreform zustande gekommen, die ganz lla der dünbah Einkommens⸗ und Er⸗
e
Staatssekretär des
gänzungssteuer ist. Das ist doch ein wesentlicher sozialer Fortschritt und kein Rückschritt. Der Abg. Dr. Herzfeld hat die mecklenbur⸗ gischen Eisenbahnverhältnisse getadelt. Ich gl- F es nicht not⸗ wendig ist, hier darauf näher zurückzukommer 8 ein kurzes
Wort über den Fall Maltzahn. Ich muß bemerken, ich habe die Akten nicht hier, da ich nicht erwartet habe, daß die Angelegenheit hie zur Sprache kommt. Der Sachverhalt ist, soweit ich mich erinnere. doch etwas anders. Der Landrat von Maltzahn ist nach Güstrow zitiert worden und sollte dort vernommen werden in einer Angelegen heit. Er ist in die Gerichtsschreiberei gekommen und ist gufgefor dert worden, sich von einem jüngeren Herrn vernehmen zu lassen. E hat dabei, das gebe ich zu, die nicht ganz angemessene Bemerkung ge macht, daß er sich von einem 9 jungen Menschen nicht vernehmen lasse. Darauf kommt es aber hier nicht an. Von dem Herrn, de sich beleidigt gefühlt hat, ist ein Strafantrag gestellt worden. Es ist dann auf Wunsch des Landrats von Maltzahn, der einen gütlichen Ausgleich gewünscht hat — das ist doch nicht tadelnswert — angereg worden, man sollte diesen Strafantrag, der keine öffentliche Beleidi gung vorstellt, zurücknehmen. Da hat seinerseits der Justizministe allerdings dies angeordnet und angewiesen. Meine Herren, es handelt sich doch hier um keine öffentliche Beleidigung. Das Privatklagever fahren ist dann seinen Weg gegangen, und es ist zu einem Vergleich gekommen. Landrat von Maltzahn hat darin ausdrücklich anerkannt daß er zu weit gegangen ist. Das ist doch etwas, was der Justiz verwaltung nicht zur Last gelegt werden kann. Ich meine, das wir überall im ganzen Deutschen Reiche geübt, vielleicht kommt man i einem anderen Falle zu einem anderen Resultat. Der Chef der Justiz verwaltung war sicher der Meinung, das Rechte zu tun. Der A Dr. Herzfeld hat auch darauf hingewiesen, daß es Fortbildungs⸗ chulen gäbe (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Bei den Ritter chaften!) Ja, hat man, denn in Preußen auf den Rittergütern Fort bildungsschulen? Solche finden sich doch nur in den Städten un an den kleineren Plätzen.
Auf Antrag des Abg. Haase⸗Königsberg (Soz.) finde die Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): An sich ist es durchaus wünschens wert, daß auch Mecklenburg sich verfassungsmäßige Zustände einrichtet aber der Reichstag ist aus sich heraus dafür nicht zuständig. Etw anderes wäre es, wenn der Bundesrat mit einer Vorlage käme. Wi halten uns aber nicht für befugt, darauf einzuwirken.
Abg. Roland⸗Lücke (nl.): Ich möchte nur kurz erklären daß meine mit mir den lebhaften Wunsch und die Pflich haben, die Aufmerksamkeit des Reichstages auf den mecklenburgische Notstand zu lenken und eventuell die Unterstützung des Reichstages zur Beseitigung dieses Notstandes zu erbitten. Der Inhalt der sößzigen Interpellation ist allerdings nicht geeignet, die Wünsch Mecklenburgs, zu einer angemessenen Verfassung zu gelangen, vor wärts zu bringen. Aus diesem Grunde sind wir auch nicht in der Lage, in eine nähere Diskussion einzutreten. Wir behalten uns vor auf Grund eines von uns zu bringenden anderen Antrages auf die Sache näher zurückzukommen.
Abg. Dr. Wendorff fortschr. Volksp.): Die Antwort d Vertreters der verbündeten Regierungen war nicht geeignet, mein politischen Freunde zu befriedigen. Wenn der Staatssekretär Del brück gesagt hat, daß der Standpunkt der verbündeten Regierungen über die mecklenburgische Verfassungsfrage sich nicht geändert hat, s übersah er dabei die Tatsache, daß die Verhältnisse, auf die der ur sprüngliche Standpunkt der verbündeten Regierungen basiert war, si Hans wesentlich verändert haben, daß es heute nur den Weg über den Reichstag gibt, um zu verfassungsmäßigen Zuständen in Mecklenbur 8 gelangen. Der Satz der Thronrede, daß die Entwicklung nicht still teht, gilt doch auch für Mecklenburg. Die Erklärung des mecklen Durgischen Vertreters steht in einem gewissen Widerspruch mit Nach⸗ richten, die durch die Oeffentlichkeit gegangen sind, wonach maßgebende Persönlichkeiten Mecklenburgs sich dahin ausgesprochen haben, daß eine Mitwirkung des Deutschen Reichstages für die Erledigung der mecklenburgischen Verfassungsfrage in Betracht gezogen werden könnte und vielleicht gezogen werden müßte. Allerdings ist die Fassung de Interpellation wohl ein Hinderungsgrund für den Reichskanzler gewesen. Es ist wohl nicht zu verlangen, daß der Reichskanzler die Interpella tion mit einem glatten Ja hätte beantworten sollen. Eine Ueber des Bogens dient aber nicht dazu, den Fortschritt in
Lecklenburg zu fördern. Meine politischen Freunde stehen auf dem Boden des alten Büsingschen Antrages, und wir hoffen noch, daß dieser Antrag eine Mehrheit im Reichstage finden wird. Dami hoffen wir Mecklenburg mehr zu nützen als mit weitergehenden e derungen, die die Mehrheit des Reichstages nicht finden. ie Fassung der Interpellation ist keine glückliche, weil sie ihrem Zwecke zu dienen nicht geeignet ist. Der jetzige Zeitpunkt reicht auch nicht aus, um eine so wichtige Frage mit der nötigen Ausführlichkeit z behandeln. Wir sind der Ueberzeugung, daß es so in Mecklenburg nicht länger weitergehen kann. Das mecklenburgische Volk ist ein trer deutsch gesinntes Volk, und es hat den Anspruch, an der Gestaltung seiner inneren Verhältnisse den ihm zukommenden Anteil zu erhalten. Es muß ihm das wiedergegeben werden, was es unter der Reaktion verloren hat. Mecklenburg ist in staatsbürgerlicher Beziehung sprich⸗ wörtlich das rückständigste Land im deutschen Vaterlande. Die Ver⸗ kehrsverhältnisse sind denn doch nicht so gut, wie es der mecklenbur⸗ gische Vertreter hinstellte. Die Anschlüsse mit den Nachbarstaaten lassen außerordentlich viel zu wünschen übrig, und die Linien gehen nicht immer durch die dichter bevölkerten bäuerlichen Gegenden. Von wie engen Gesichtspunkten mitunter der mecklenburgische Landtag ausgeht, zeigt die Behandlung unseres Kollegen, des Oberlehrers Sip⸗ kovich in der Frage der Gehaltsaufbesserungen. Eine Gehaltser⸗ höhung ist ihm lediglich deshalb gesperrt worden, weil er das höchste staatsbürgerliche Recht und die Pflicht als Reichstagsabgeordneter ausübt. Das ist die Kulturhöhe des mecklenburgischen Land ogen Wie es mit der Verwaltungspraxis steht, zeigt die Tatsache, daß in Mecklenburg die Verwaltungsstelle, über die man sich he⸗ schwert, in eigener Sache entscheidet. Auch heute noch gilt das Wort