1914 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Bismarcks in bezug auf Mecklenburg, daß es wünschenswert sei, daß die Homogenität mit dem übrigen Deutschland durchgängig herge⸗ stent wird. Das mecklenburgische Volk hat ein Recht auf eine Ver⸗ assung, und es kann dieses Recht nur mit Hilfe des Deutschen Reichs⸗ tages erlangen. Es ist für uns eine heilige Pflicht, alles daran zu setzen, Mecklenburg zu seinem Rechte zu verhelfen. Verfäffunn Fheeiee lenburgische Verfassungsfrage ist fast so alt wie die I sung selbst. Sie ist immer gescheitert an dem Widerstande des Bundesrats, an seiner Prompten Erklärung, daß nach seiner Ueber⸗ zeugungd lee vorliegenden Verfassungsverhältnisse in Mecklenburg nicht die Voraussetzung bieten, die dem Reiche eine Einmischung zur Pflicht machen würde, und daß eine Erweiterung der Reichskompetenz in dieser Richtung dem föderativen Grundcharakter des Reiches nicht entsprechen würde. An dieser Erklärung hat sich nichts geändert und wird sich auch nach meiner Ueberzeugung nie etwas ändern. Diese Erklärungen entsprechen auch vollkommen dem stets festgehaltenen Standpunkte meiner Partei. Für mich hätte es ja besonderen Reiz, gerade von dieser Stelle aus meine Auffassung über die Frage dar⸗ 1 Blegen,, als einer, der für sich in Anspruch nehmen kann, in Mecklenburg selbst ohne Scheu und ohne Rücksicht auf eventuelle Differenzen auch mit Männern, die ihm sonst politisch nahestehen, für die Fortbildung, für die Abänderung der mecklenburgischen Verfassungs⸗ zustände in konstitionellem Sinne zu kämpfen. Vielleich tue ich es bei anderer Gelegenheit, nicht aber bei einem Antrage, der sich mit derartiger Leichtigkeit selbst über den primitivsten Anspruch hinwegsetzt und einfach dekretieren will, was Mecklenburg für eine Verfassung haben soll, gleich, als wenn Deutschland schon ein Einheitsstaat wäre, als bedürfe es gar keiner Kompetenzerweiterung. Und Sie von der äußersten und von der bürgerlichen Linken wissen genau so gut wie ich, daß die Erfüllung dieses Wunsches bis in die äußersten Kreise der Sozialdemokraten hinein im mecklenburgischen Volke als eine Erniedrigung empfunden wird. Ich finde dafür, daß Sie trotz alledem den Antrag eingebracht haben, nur eine einzige Erklärung, und die bitte ich, mir nicht übelzunehmen, nämlich in dem Bruderzwist zwischen der demokratischen und sozialdemokratischen Presse Mecklenburgs ge⸗ legentlich der kleinen Anfrage des Abg. Herzfeld vom Herbst 1912 über die mecklenburgische Verfassungsfrage. Da ging eine großer Schrecken durch die bürgerliche demokratische Presse. Die „Rostocker Beitung“ schrieb mit Entsetzen, die Hauptabsichten dieser kleinen An⸗ rage sei, der fortschrittlichen Fraktion bei den Wahlen das Wasser bzugraben, auf die Gefahr hin, die Sache selbst zu schädigen; der Zweck heilige die Mittel nicht bloß bei den Jesuiten. Wenn zwei sich streiten, kommt die Wahrheit heraus. Schon am nächsten Tage kam das sozialdemokratische Rostocker Organ mit einer Antwort auf den „fortschrittlichen Politikaster“ und seine „Wählergruben“⸗Befürch⸗ tungen; man scheine sich einzubilden, die Antwort würde anders lauten, denn die Anfrage von der bürgerlichen Linken komme; der Unterschied ei nur der, daß bei einer Interpellation eine Besprechung erfolgen könne, bei einer Anfrage aber nicht. „Da meinen wir doch nun aber, daß der Reichstag keine Schwatzbude ist.“ Ich befinde mich in der glücklichen Lage, einmal mit Aeußerungen von diesen beiden Seiten übereinstimmen zu können. Ich bin allerdings auch der Ansicht, daß er letztgenannte Redakteur mit seinem Hinweis auf die Kanalisations⸗ arbeit bei den Wählergruben recht hat, und auch, daß der Reichstag keine Schwatzbude ist. Jedenfalls habe ich keine Veranlassung, mich diesen Vorwürfen der demokratischen und sozialdemokratischen Presse auszusetzen, die sie sich gegenseitig mit brüderlicher Liebe gemacht haben, um so weniger, als ich mit ehrlicher Ueber⸗ zeugung an der Stelle, und nur an der Stelle, wo ein Erfolg im Bereich der Möglichkeit liegt, ohne Scheu und ohne Rücksicht auf Unfreundlichkeiten für eine wirklich gesunde Ent⸗ wicklung unserer mecklenburgischen Verfassung weiter arbeiten werde. Abg. Sivkovich (fortschr. Volksp.): Die mecklenburgische Ge⸗ schichte ist ja eigentlich nichts anderes als ein jahrhundertelanger Kampf zwischen Fürsten und Ständen, der von den letzteren nach dem Motto „nun aber gerade“ geführt wird. Der Erbvergleich von 1755 ist noch heute, nach 159 Jahren, die Grundlage für die Staatsver⸗ fassung. Das Angesicht der Welt hat sich verändert, aber dieser Erb⸗ vergleich ist geblieben, er ist „‚der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht“. Die Ritterschaft und die Landschaft herrschen; die itio in Partes ist erfunden, damit kein Stand den anderen übervorteile; „und es bleibt, sind sie gespalten, immer, Gott sei Dank, beim alten“. Alle Reformversuche sind gescheitert; auch die sechsjährige Verfassungs⸗ aktion der gegenwaärtigen Großherzöge ist im Sande verlaufen. Die Regierung hat eine wahre Lammesgeduld bewiesen. Wie oft sind ihre Vorlagen zerfetzt worden! Die Ritterschaft hat sich nicht entblödet, Deputationen an die Großherzöge zu schicken, mit der Forderung, daß von Wahlen überhaupt nicht die Rede sein dürfe, das ständische Prinzip rein gehalten werden müsse! Auch von ihr gilt das Wort: „Und der Großherzog absolut, wenn er unsern Willen tut“. Wir danken dem Strelitzer Großherzog und Ministerpräsidenten für ihre Erklä⸗ rungen, daß es sich bei diesem Vorgehen weniger um das Wohl des Landes als um einen Machtzuwachs für die Ritterschaft handele; diese mannhaften Worte garantieren uns, daß wir doch wohl endlich vor⸗ wärts gelangen werden. Auch wir sind durchaus davon überzeugt, daß das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht in Mecklenburg anzustreben ist. Wir glauben aber, daß es keinen Zweck hat, jetzt einen solchen Antrag zu stellen. Wir wollen die Sache einen Schritt vor⸗ wärts bringen und praktische Politik treiben. Wir halten es deshalb für angebracht, wenn die Anträge im Landtage angenommen werden, die teilweise von uns allein und teilweise im Zusammenhang mit den Nationalliberalen gestellt worden sind. Zu bedauern ist allerdings die Stellungnahme des Abg. Dr. Spahn, der ausführte, seine Partei sei bereit, mitzutun, wenn die Regierung Vorschläge macht. Bundes⸗ rat und Reichstag sind doch vollständig gleichberechtigte Faktoren. Bedauerlich ist auch der Standpunkt des mecklenburgischen Regierungs⸗ vertreters, daß ein Eingreifen des Reiches von der mecklenburgischen Regierung nicht gewünscht wird. Der Abg. von Grgefe hat sich be⸗ müht, nach einer Erklärung zu suchen, weshalb die Sozialdemokraten jetzt zu dieser Interpellation gekommen sind. Wir haben keinerlei Kenntnis davon gehabt. Ich bitte also den Abg. von Graefe, sich in dieser Beziehung etwas zu schonen. Er hat gesagt, daß hierdurch ein Bruderzwist entstehen könne. Dadurch dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Ganz besonders soll mit solchen Aeußerungen eine Partei vorsichtig sein, die neulich erst den Fall Nübling erlebt hat. Die Kompetenz des Reiches kann ernstlich nicht bestritten werden. Wir werden in den betretenen Bahnen weiter wandeln, damit Mecklen⸗ burg, wenn nicht anders, mit Hilfe des Reichstages, diejenigen ver⸗ fassungsmäßigen Rechte erhält, auf die es ein Anrecht hat, und ohne die es keinen wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt haben wird. Abg. Dr. Herzfeld (Soz.): Der Leiter der Zentrumspartei, die sich immer als Vorkämpferin der Rechte des Reichstags aufspielt, hat es fertig gebracht, eines der wesentlichsten parlamentarischen Rechte des Reichstags glatt preiszugeben. Der Abg. Spahn kann sich mit unserer Interpellation nicht einverstanden erklären, weil angeblich der Reichstag nicht zuständig ist. Der Reichstag hat das Recht, den Bundesrat aufzufordern, Gesetzentwürfe einzureichen. Sollen wir etwa offen erklären, wir sind machtlos, wir haben keine Rechte? Der

wäre. Der Bassewitzsche Entwurf der Verfassung, der das letzte Mal dem mecklenburgischen Landtage vorgelegt worden ist, ist geradezu die Karikatur einer Verfassung. Der ganze Entwurf ist syo aufgebaut, daß alles nur zugunsten der Ritterschaft ausfällt. Ich kamn nur sagen, was der Abg. von Graefe hier im anderen Sinne ausgedrückt hat, der Reichstag ist kein Faktor der Machtwünsche, er ist weiter nichts, ich muß es sagen, als eine Schwatzbude.

Vizepräsident Dr. Paasche: Sie haben soeben gesagt: Der Reichstag ist weiter nichts, wie eine Quatschbude (Zuruf des Abg. Herzfeld: Ich habe Schwatzbude gesagt.) Auch das ist unge⸗ hörig. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung.

Abg. Herzfeld (Soz., fortfahrend): Wir müssen alles daran⸗ setzen, um endlich in Mecklenburg andere Verhältnisse zu schaffen. Diamit ist die Interpellation erledigt.

In erster Beratung werden dann die Schutzgebiets⸗ re chuigenn lund die Rechnung der Kasse der Oberrechnungskammer für das Rech⸗ nungsjahr 1911 ohne Debatte der Rechnungskommission über⸗ wiesen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend Postdampfschiffsverbindungen mit übersee⸗ ischen Ländern.

Zur Begründung ergreift das Wort der

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Die diesmalige Vorlage über die Subvention von Dampferlinien aus Mitteln des Reiches unterscheidet sich von ihren Vorgängern äußerlich durch die sehr viel geringere Summe, die angefordert wird. Während wir letztmalig 6 090 000 ange⸗ fordert haben, beschränkt sich unsere Forderung diesmal auf 1 300 000 Mark. Der Grund für die wesentlich geringere Forderung ist der, daß die verbündeten Regierungen geglaubt haben, auf die Subvention der ostasiatischen und australischen Linie in Zukunft verzichten zu können.

Meine Herren, so erfreulich die Ersparnis von Millionen jährlich, die sich aus dieser Beschränkung ergibt, auch sein mag, so hat sie doch keinen ausschlaggebenden Einfluß auf die Entschließungen der verbündeten Regierungen gehabt. Ich sehe es als selbstverständ⸗ lich an, daß das Reich auch höhere Mittel zu bewilligen in der Lage wäre, und Sie zu einer solchen Bewilligung bereit sein würden. wenn tatsächlich die wirtschaftlichen und politischen Interessen des Reiches eine derartige Forderung notwendig machten.

Die Gründe, die zu der jetzigen gegenüber früher abweichenden Stellungnahme der verbündeten Regierungen geführt haben, sind im wesentlichen wirtschaftlicher Natur. Nachdem die Subventionen auf ein dreißigjähriges Bestehen zurückblicken und im Laufe der Jahre von 4 Millionen auf 6 090 000 gestiegen waren, mußten die ver⸗ bündeten Regierungen, bevor sie mit einer neuen Vorlage an den Reichstag herantraten, prüfen, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die zur Subventionierung der drei Linien geführt haben, noch be⸗ stehen, in welchem Umfange etwa eine Vervollkommnung des Dienstes einzutreten haben würde, und in welchem Umfange entsprechend den Erwägungen, die ich eben angeführt habe, eine Ermäßigung bzw. eine Erhöhung der Beihilfen notwendig sein würde.

Zum Zwecke dieser Prüfung sind wir zunächst mit den in Be⸗

des

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tracht kommenden Reedereien, und zwar in erster Linie mit dem der⸗ zeitigen Unternehmer, dem Norddeutschen Lloyd, in Verhandlungen getreten. Dabei hat es sich wesentlich einmal um die Frage ge⸗ dreht, ob der Dienst, der Fahrplan, die Fahrgeschwindigkeit der in den einzelnen Linien beschäftigten Dampfer hinreichend oder zu vermehren und zu verbessern seien, und wir haben uns ferner die Frage vorlegen müssen, ob wir den Einfluß der Reichsleitung auf den Betrieb der in Betracht kommenden Linien, wie er uns auf Grund der bisherigen Subventionsverträge zustand, in Zukunft entbehren oder doch ab⸗ schwächen könnten oder aufrechterhalten müßten. b Als diese Verhandlungen mit dem Lloyd schwebten, wurde hier im Reichstag die Anfrage des Herrn Abgeordneten Henke ich glaube, es ist Nr. 34 der Sitzungsperiode 1912/13 gewesen —, ob wir nicht beabsichtigten, eventuell eine Ausschreibung der 3 zu sub⸗ ventionierenden Linien in die Wege zu leiten, dahin beantwortet, daß allerdings die Absicht der Reichsleitung dahin ginge, falls die Ver⸗ handlungen mit dem Lloyd eine solche Ausschreibung notwendig er⸗ scheinen lassen sollten. Unmittelbar darauf erging von der Hamburg⸗ Amerika Linie, die den dringenden Wunsch hatte, in das ostasiatise je Geschäft hineinzukommen, an uns die Anregung zu einer solchen Aus⸗ schreibung, die dann in der Form erfolgte, daß wir die Bedingungen für die Fortführung der subventionierten Linien, wie sie sich auf Grund der Verhandlungen mit dem Lloyd und auf Grund der Ver⸗ handlungen mit den beteiligten Ressorts gestaltet hatten, bekannt⸗ gaben und anfragten, ob sie bereit seien, unter diesen Bedingungen die Linien zu übernehmen, und zu welchem Preise. Das Ergebnis dieser, wenn ich mich so ausdrücken darf, be⸗ schränkten Submission war das, daß sämtliche angefragten Linien mit Ausnahme des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg⸗Amerika Linie die Abgabe von Geboten ablehnten. Die darauf mit der Hamburg⸗ Amerika Linie fortgesetzten Verhandlungen führten aber zu dem Er⸗ gebnis, daß diese Linie eine Subvention der ostasiatischen Linie, von der ich zunächst spreche, nicht für erforderlich erklärte und sich dem⸗ gemäß bereit erklärte, vom 1. Oktober 1914 ab nach Qmwasien ohne Reichsbeihilfe einen der bestehenden Reichspostdampferverbindung der Qualität nach gleichartigen Personen⸗ und Postdienst in monatlichen Fahrten einzurichten. Damit war für uns die Möglichkeit, das bis⸗ herige Subventionssystem bezüglich der ostasiatischen Linie beizu⸗ behalten, eigentlich in Wegfall gekommen, zumal der Norddeutsche Lloyd aus dem Angebot der Hamburg⸗Amerika Linie die Konsequenz zog und sich seinerseits zur subventionslosen Uebernahme des ost⸗ asiatischen Dienstes in vierzehntägiger Fahrt unter entsprechend freieren Bedingungen bereit erklärte. Meine Herren, es erscheint nicht wohl durchführbar, von zwei

Vertreter der konservativen Partei nannte sogar einen solchen Antrag eine 9 G 865 5 mWmvEr 34 also

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überraschen, daß die beiden elativ hoch subventionierten u wollen. Indessen, meine en erscheint nicht mehr auf⸗ er wirtschaftlichen Verhält⸗ eingetreten sind. Die Er⸗ arck veranlaßten, die Sub⸗

Denkschrift eingehend rekapituliert worden; ich brauche daher jet

auf sie nicht weiter einzugehen. Ich stelle nur fest, daß es sich damals im Jahre 1886 darum handelte, überhaupt die Grundlagen für feste wirtschaftliche Beziehungen mit Ostasien zu schaffen. Es bestand damals eine einzige Linie, die „Kingsinlinie“, die zwar regelmäßige Abfahrtszeiten, aber im übrigen einen unregelmäßigen Fahrplan hatte und im großen und ganzen nur in der Lage war, einen verhältnis⸗ mäßig sehr geringen Verkehr zu bewältigen, und zwar in Konkurrenz mit verschiedenen zum Teil hoch subventionierten ausländischen Linien.

Wie Sie aus den Anlagen der Vorlage entnehmen wollen, betrug der Gesamtverkehr Aus⸗ und Heimreise zusammengerechnet auf der ostasiatischen Linie im Jahre 1888 34 290 Tonnen, im Werte von 48 188 ,000 ℳ, während er im Jahre 1911 228 578 Tonnen im Werte von 391 498 000 betragen hat. In 24 Jahren hat sich also die Tonnenzahl des Gesamtverkehrs um das 5⸗, 6 fache, der Wert der beförderten Waren um das 8,1 fache vermehrt.

Meine Herren, bei dieser glänzenden Entwicklung unseres Ver⸗ kehrs erscheint ein Verzicht der beiden Linien auf eine Subvention wohl verständlich. Auch die Rentabilität der subventionierten ost⸗ asiatischen Linie des Norddeutschen Lloyd ist im Laufe der Jahre günstiger geworden. Während sie seit dem Jahre 1898 auch bei Ein⸗ rechnung der Reichsbeihilfe nur eine Verzinsung von 1,16 % des durchschnittlichen Buchwertes der in der Linie beschäftigten Schiffe erzielt hat, ist der Gewinn im Laufe der letzten Jahre bis zu 8 7. gestiegen.

Bei dieser Sachlage muß nach Auffassung der verbündeten Re⸗ gierungen der Versuch gemacht werden, ohne Subventionierung der ost⸗ asiatischen Linie einen allen Bedürfnissen entsprechenden Dienst auf⸗ recht zu erhalten, und die verbündeten Regierungen haben geglaubt, diesen Weg um so mehr gehen zu müssen, als sie durch den Verzich auf die Subvention nicht in die Notwendigkeit kamen, den Einfluß

auf die Regelung und Ausgestaltung des ostasiatischen Dienstes, den ihr der bisherige Subventionsvertrag sicherte, in Zukunft aus de Hand zu geben; denn der Lloud hat sich bereit finden lassen, mit den Reiche einen Vertrag abzuschließen, der den bisherigen Dienst unte regelmäßigem Anlaufen von Tsingtau, allerdings unter etwas freieren Bedingungen, gewährleistet. Inwieweit diese Bedingungen freier ge⸗ staltet sind, ist ja in der Denkschrift zur Vorlage eingehend dargelegt Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es zunächst vielleicht am be denklichsten erscheint, daß das Reich auf das ihm zustehende Tarif genehmigungsrecht verzichten soll. Ich kann aber aus einer mir vor liegenden Nachweisung mitteilen, daß von dem Norddeutschen Lloyd in den letzten 10 Jahren Anträge auf Erhöhung der Frachttarife nach Ostasien in 7 Fällen und, wie ich im Zusammenhang damit bemerken möchte, nach Australien in 6 Fällen gestellt wurden, die sämtlich ge⸗ nehmigt worden sind. Begründet waren diese Anträge teils mit der fortschreitenden Erhöhung der Gehälter, Löhne, Preise für Proviant, Kohlen und Betriebsmaterialien, teils mit plötzlichen Erhöhungen der Kohlenpreise infolge von Streiks. Jedoch haben sich die erhöhten Frachten in den meisten Fällen nicht halten können, sondern sind unter dem Einfluß der Konkurrenz und des Frachtangebots vielfach über⸗

im ostasiatischen Verkehr eine angemessene Haltung des Frachten⸗

erwarten ist.

Die verbündeten Regierungen sind daher der Ansicht, daß unser Postdampferverkehr nach Ostasien von unseren beiden bewährten Schiffahrtsgesellschaften auch ohne Subvention in einer den Bedürf⸗ nissen des Verkehrs und der Würde des Reiches entsprechenden Weise fortgesetzt und weiter entwickelt werden kann und wird.

Etwas anders als bei hältnisse bei der Australlinie entwickelt. Auch hier handelte es sich im Jahre 1886 darum, die Grundlage für regelmäßige Handels⸗ beziehungen mit Australien zu schaffen. Damals stand an deutschen Linien nur die Slomannlinie mit einem für heutige Begriffe dürfti⸗ gen Betriebe zur Verfügung. Unser Gesamtverkehr mit Australien bezifferte sich Aus⸗ und Heimreise zusammengerechnet im Jahre 1888 auf 24 187 Tonnen im Werte von 26 327 000 ℳ, dagegen im Jahre 1911 auf 199 739 Tonnen im Werte von 116 627 000 ℳ. Das bedeutet also eine Vermehrung bezüglich der Tonnenzahl um das 4,95 fac he und bezüglich des Wertes der beförderten Waren um das 4 4fache. Diesen Verkehr bewältigen aber heute zum großen Teile sieben deutsche Frachtdampferlinien, von denen zwei vom Norddeut⸗ schen Lloyd und fünf von der Deutsch⸗Australischen Dampfschiffs⸗ gesellschaft betrieben werden. Allein die fünf letztgenannten Linien bieten jede Woche eine regelmäßige unmittelbare Verfrachtungs⸗ gelegenheit nach Sydney, und alle 14 Tage nach Melbourne, Fre⸗ mantle, Adelaide und Brisbane. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die subventionierte Linie auf die Entwicklung dieses Verkehrs be⸗ fruchtend eingewirkt und durch das regelmäßige Zeigen der deutschen Postflagge in den australischen Gewässern das Ansehen der deut⸗ schen Schiffahrt und des Reiches gemehrt hat. Im übrigen hat die Australlinie aber die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Der jetzige Betrieb des Lloyd besteht in einem vierwöchentlichen Dienst mit Schiffen von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,5 Knoten. 1“ erhält der Loyd eine jährliche Subvention von 1 900 000 ℳ. Demgegenter besitzt England zwei Linien, die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company und die Orient Line of Royal 11A16“ die mit je l4tagigem Dienst mit erstklassigen Schiffen von 15,16 Seemeilen Geschwindigkeit fahren. Die Folge dieser Verhältnisse ist gewesen, daß sowohl der Personen⸗ wie auch der deutsche Postverkehr überwiegend den englischen Schiffen zufiel, . hervorzuheben ist, daß auch die deutschen Postdampfer nach Australien in verhältnismäßig geringem Umfange von deutschen und überwiegend von ausländischen Passagieren benutzt sind. Dement⸗ sprechend hat die australische Linie denn auch stets erhebliche Verluste zu verzeichnen gehabt. Diese betrugen unter Einrechnung der Sub⸗ vention von 1,9 Millionen Mark im Durchschnitt der Jahre 1898 bis 1912 jährlich 798 874 und gingen auch in dem für die Schiff⸗ fahrt überaus günstigen Jahre 1912 nicht unter 456 749 herunter. Hiernach kann es sich bei der Australlinie nur um die Frage han⸗ deln, ob entweder die Linie aufzuheben oder unter Aufwendung er⸗ heblich höherer Mittel den englischen Linien ebenbürtig oder über⸗ legen auszugestalten sei. Welcher von beiden Wegen zu gehen sein würde, ist Gegenstand eingehender Erörterungen nicht nur innerhalb

der ostasiatischen Linie haben sich die Ver⸗

er die Vorlage begleitenden

der beteiligten Reichsressorts gewesen, sondern es ist auch der Kom⸗

worden sei, dort weiterhin zu zeigen.

haupt nicht zur Erhebung gekommen oder nach kurzer Dauer wieden

herabgesetzt worden. Es erscheint daher die Annahme berechtigt, daß 6 le. su einem festen Urteil zu kommen, ob das Verschwinden unserer Post

marktes auch ohne formelle Einwirkung der Reichsverwaltung zu

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iission für Handel und Schiffahrt des Wirtschaftlichen Ausschusses Helegenheit gegeben worden, sich zu dieser Frage zu äußern. Die Unsichten gingen in dieser Kommission weit auseinander. Während nan auf der einen Seite dringend empfahl, auf eine subventionierte Hostdampferlinie überhaupt zu verzichten, wurde von der andern beite mit derselben Entschiedenheit darauf hingewiesen, daß man am weckmäßigsten die Linie verbessern und weiter ausgestalten sollte, nter keinen Umständen aber darauf verzichten möchte, die Reichs⸗ ostflagge, die 30 Jahre lang in den australischen Gewässern gezeigt

Ausschlaggebend für die Aufgabe der Linie seitens der verbündeten Regierungen war, daß, abgesehen vom Lloyd, sämtliche befragten Linien die Uebernahme eines subventionierten Postdampferdienstes blehnten, und daß der Lloyd selbst keine große Neigung zeigte, die Linie auch mit erheblich höheren Subventionen weiter zu führen. Vir hätten also unter allen Umständen damit rechnen müssen, daß er einzige uns zur Verfügung stehende Unternehmer eine Linie be⸗ rieb, zu der er selbst kein großes Vertrauen hatte. Entscheidend war aber schließlich, daß ein 14 tägiger Dienst und ohne einen solchen bürde eine zweckentsprechende Ausgestaltung der Linie auch nach An⸗ iiht des Lloyd nicht möglich gewesen sein mit erstklassig ausge⸗ atteten und schnelleren Schiffen anstatt der bisher gewährten Sub⸗ bention von 1,9 Millionen einen Aufwand von 10 Millionen jährlich rfordert haben würde. (Hört, hört! links.)

Endlich war doch auch zu berücksichtigen, daß der Güterverkehr wischen Deutschland und Australien durch die inzwischen entstande⸗ nen 7 großen Frachtdampferlinien eine alle Anforderungen genügende Verschiffungsgelegenheit findet, und daß endlich der Lloyd nach Ein⸗ stellung des Reichspostdampferdienstes einen weiteren Ausbau seiner Frachtdampferlinien in Aussicht genommen hat.

Der Entschluß der verbündeten Regierungen, auf ampferlinie nach Australien zu verzichten, ist in der Presse im ber letzten Wochen einer eingehenden Kritik unterzogen worden. end man auf der einen Seite den Beschluß der verbündeten pierungen als zweckmäßig und der wirtschaftlichen Entwicklung ent⸗ sprechend ansieht, hat man auf der anderen Seite die ernstesten Be⸗ denken gegen die Aufgabe der Linie erhoben. Man hat namentlich die Befürchtung ausgesprochen, daß, wenn jetzt die seit 30 Jahren in den australischen Gewässern gezeigte deutsche Postdampferflagge verschwinden vwürde, und zwar in einem Augenblicke, wo unser Verkehr mit Austra⸗ ien eine unerwartete Höhe erlangt hat, dies dem Ansehen des Deut⸗ chen Reiches in Australien abträglich sein müßte.

Man hat ferner darauf hingewiesen, daß in dem Augenblicke, wo eutschland auf eine subventionierte Postdampferline nach Australien verzichten wolle, die französische Linie der Messageries maritimes be⸗ chlossen habe, mit Hilfe erhöhter staatlicher Subvention ihren Be⸗ rieb räumlich und technisch auszudehnen und zu verbessern.

Endlich hat man in der Presse auch darauf hingewiesen, daß schon unser Kolonialbesitz in der Südsee eine Aufrechterhaltung der Post⸗ ampferverbindung nach Australien unbedingt notwendig erscheinen asse.

Was diese Einwendungen betrifft, so ist es ja sehr schwer, Im⸗

onderabilien richtig zu bewerten, und es ist deshalb sehr schwierig,

die Post⸗ Laufe Wäh⸗ Re⸗

flagge in Australien unserem Ansehen in der Welt so abträglich sein würde, wie von vielen Seiten angenommen wird. Ich bin aber doch der Meinung, daß das vorübergehende Verschwinden unserer Reichs⸗ postflagge und um mehr handelt es sich nach meiner Ansicht nicht unserem Ansehen nicht wesentlich abträglich sein kann angesichts der dauernd zunehmenden Entwicklung unserer Handelsmarine und ange⸗ sichts der Häufigkeit, mit der unsere Handelsflagge in Australien jetzt gezeigt wird.

Was dann die angebliche Ausgestaltung des Dienstes der Messa⸗ geries maritimes betrifft, so glaube ich, daß die betreffenden Preß⸗ organe unrichtig informiert gewesen sind. Soweit mir bekannt ist, handelt es sich nicht um eine Eeweiterung und Verbesserung des bis⸗ herigen Dienstes dieser Linie, sondern im Gegenteil darum, daß die französische Linie ihre bisherigen Postdampfer nach Australien einziehen und statt dessen einen monatlichen Frachtverkehr über Kolombo, Ba⸗ tavia, Brisbane, Sydney nach Neu⸗Kaledonien mit Dampfern ein⸗ richten wird, die im wesentlichen Frachtdampfer sind und nur eine beschränkte Zahl Passagiere aufnehmen können. Den Grund für diesen Entschluß kenne ich nicht. Es liegt nahe, anzunehmen, daß die Ein⸗ schränkung des Betriebes erfolgt ist, weil die Gesellschaft den Wett⸗ bewerb mit den vorzüglich eingerichteten und hochsubventionierten eng⸗ lischen Linien nicht glaubt fortsetzen zu können.

Wenn endlich in der Kritik darauf hingewiesen ist, daß wir schon mit Rücksicht auf unseren Kolonialbesitz in der Südsee auf die Austral⸗ linie nicht verzichten könnten, so ist demgegenüber doch darauf hinzue weisen, daß die Bedürfnisse unserer in der Südsee gelegenen Kolonien in ausreichendem Maße befriedigt werden durch die Aufrechterhaltung und Ausgestaltung unserer Südseelinie, in die ja auch Samoa ein⸗ bezogen werden soll. Denn, meine Herren, darüber kann bei keinem von uns der geringste Zweifel bestehen, daß die Aufrechterhaltung eines geregelten Südseedienstes einer Reichsbeihilfe nach wie vor nicht ent⸗ behren kann. Das ergibt sich aus der insularen Lage unseres Ko⸗ lonialbesitzes in der Südsee, es ergibt sich aus der Länge der nach dorthin zurückzulegenden Wege und auch aus der großen Entfernung dieser Kolonien von der Heimat. Was die Einbeziehung von Samoa in diese Linien betrifft, so ist den Herren ja bekannt, daß Samoa, seitdem die früher zwischen Sydney und Samoa über die Tonga inseln bestehende subventionierte Linie im Jahre 1893 wieder auf⸗ gegeben war, einer Verbindung mit der Außenwelt durch eine deutsche Linie überhaupt entbehrte.

Der einzige für diese Linie in Betracht kommende Bewerber war, wie ich vorhin schon erwähnte, der Norddeutsche Lloyd, und wir sind auf Grund der Betriebsergebnisse, die der Lloyd bisher nachzuweisen in der Lage war, zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Summe von 1 292 000 ℳ, die in der Vorlage für diese Linie angefordert ist, eine angemessene Forderung ist. Auf eine regelmäßige Verbindung kann Samoa auch aus dem Grunde nicht verzichten, weil es hinsichtlich der Bewirtschaftung der europäischen Pflanzungen ganz auf die Einfuhr fremder Arbeiter angewiesen ist.

Meine Herren, ich empfehle Ihnen also die Vorlage zur An⸗ nahme in der Erwartung, daß der Lloyd den ihm anvertrauten ost⸗ asiatischen und Südseedienst mit derselben Tatkraft und Umsicht sowie mit demselben Erfolge wie bisher weiterführen und entwickeln wird,

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flotte mit ihren anerkannt hervorragenden Leistungen möglich sein wird, den Australdienst so auszugestalten, daß weder unsere wirtschaft⸗ lichen Interessen, noch das Ansehen des Reiches eine Beeinträchtigung durch die Aufgabe der subventionierten Australlinie erfahren werden. (Beifall.)

Abg. Dr. Spahn (Zentr.) beantragt zur Geschäftsordnung, den Gesetzentwurf ohne weitere Beratung im Plenum der Budgetkom⸗ mission zur Prüfung zu überweisen.

Das Haus beschließt demgemäß.

Es folgt die erste Beratung des internationalen Vertrages zum Schutze des menschlichen Le⸗ bens auf See und des dazu gehörigen Reglements. Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Es sind knapp zwei Jahre vergangen, seitdem die Nachricht von dem Untergange der Titanic die ganze Welt in Be⸗ wegung setzte. Der Untergang dieses Schiffes hat um deswillen einen besonders erschütternden Eindruck allgemein hervorgerufen, weil die Titanic nicht nur eine ungewöhnlich große Zahl von Passagieren mit sich in den Fluten begrub, sondern weil es sich bei ihr um ein neues Schiff handelte, das als ein Meisterwerk moderner Schiffs⸗ baukunst galt, ein Schiff, von dem man also annehmen konnte und mußte, daß gerade hier die Möglichkeit einer solchen Katastrophe Wahrscheinlichkeit lag. Immerhin hat dieser Unglücks⸗

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außerhalb der fall, so erschütternd er ist, doch eine wohltätige Folge gehabt, indem er uns wieder einmal vor Augen geführt hat, daß wir niemals auf⸗ hören dürfen, im Kampfe mit den Naturgewalten unsere Technik und unsere Hilfsmittel zu vervollkommnen, und indem er durch seinen Verlauf eine Reihe von wichtigen Anregungen für diejenigen Maß⸗ nahmen gegeben hat, die man in Zukunft zur Verhütung derartiger Unglücksfälle zu ergreifen hat.

Es ist das besondere Verdienst Seiner Majestät des Kaisers, un⸗ mittelbar nach dem Bekanntwerden der Katastrophe auf die Not⸗ wendigkeit hingewiesen zu haben, über die Maßnahmen, die zur Verhütung derartiger Unglücksfälle etwa ergriffen werden können, in eine internationale Beratung aller Seestaaten einzutreten. Diese Anregung hat bei allen beteiligten Staaten, in erster Linie auch bei der großbritannischen Regierung, ein wohlwollendes Entgegenkommen gefunden. Man hat sich in verhältnismäßig kurzer Zeit über eine Konferenz geeinigt, und die Ergebnisse dieser Konferenz liegen Ihnen jetzt in Form der heute zur Beratung stehenden Vorlage vor.

Die Beratungen der Konferenz sind deutscherseits auf das sorg⸗ fältigste vorbereitet worden. Es haben unter meinem Vorsitz ein⸗ gehende kommissarische Beratungen stattgefunden, nicht nur mit den beteiligten Reichsressorts und mit den in Frage kommenden Regie⸗ rungen der Seebundstaaten, sondern auch unter Beteiligung von Ver⸗ tretern der Seeberufsgenossenschaft, des Germanischen Lloyd, der größeren Reedereien, der größeren Schiffswerften und sonstigen Inter⸗ essenten⸗- und Sachverständigenverbände. Hierbei sind sämtliche mit der Sicherheit der Passagierfahrt zur See zusammenhängenden Fragen auf das eingehendste geprüft und die wichtigsten Sicherheitsmaß⸗ nahmen noch einer besonderen Beratung in engeren Sachverständigen⸗ kommissionen unterzogen worden. Die Prüfung durch die Seeberufs⸗ genossenschaft hat auch die Möglichkeit gegeben, Vertreter der See⸗ leute über die in Aussicht genommenen Maßnahmen zu hören. Nach⸗ dem unter uns in allen wichtigen Fragen eine Verständigung erzielt war, wurde eine Denkschrift aufgestellt, die unseren Kommissaren für die Verhandlungen in London zur Richtschnur diente.

Man hat trotz dieser sehr gründlichen Vorbereitung in der Presse zuweilen den Vorwurf erhoben, daß wir bei unseren Beratungen die Männer der Praxis nicht hinreichend hätten zu Worte kommen lassen. Ich glaube, meine Herren, Sie werden mit mir einig sein, daß dieser Vorwurf hinfällig ist, wenn Sie das in Rücksicht ziehen, was ich eben über Art und Umfang unserer Vorbereitungen gesagt habe, und wenn Sie endlich berücksichtigen, daß auf der Konferenz in London selbst unseren sieben deutschen Volldelegierten noch 4 Sachverständige, und zwar 3 Nautiker und 1 Schiffbauer, dauernd zur Seite gestanden haben.

Der Ihnen zur Beschlußfassung vorliegende internationale Ver⸗ trag zum Schutz des menschlichen Lebens auf See bezweckt erstens, die an die Sicherheit der Passagierschiffahrt zu stellenden Anforderungen, und zweitens, die im Interesse der Sicherheit der Passagierbeförderung über See zu treffenden sonstigen Maßnahmen international zu regeln. In dieser internationalen Regelung liegt ein außerordentlicher Fort⸗ schritt gegenüber dem bisherigen Zustande, und zwar aus den ver⸗ schiedensten Gründen. Man hat zunächst den gesamten Sicherheits⸗ dienst in London beraten unter Mitwirkung aller wichtigeren see⸗ fahrenden Nationen, die sämtlich ihre Erfahrungen bei dieser Gelegen⸗ heit in den Dienst der Sache stellten. Ferner bietet die internationale Regelung des Sicherheitsdienstes die erwünschte Gelegenheit, einen Teil der Schwierigkeiten zu beheben, die der deutschen Schiffahrt bis her in fremden Häfen durch die ausländische Gesetzgebung bereitet wurden, und die um so lästiger waren, weil die fremde Gesetzgebung auf diesem Gebiete in den verschiedenen Ländern außerordentlich ver⸗ schieden war. Nun legen freilich die internationalen Vereinbarungen, wie sie in der Vorlage zum Ausdruck kommen, unseren Reedereien er⸗ hebliche Lasten auf; aber diese Lasten erscheinen erträglich, wenn man berücksichtigt, daß die Bestimmungen der Konvention für alle be⸗ teiligten Auslandsstaaten in Kraft treten, und somit jedenfalls die Konkurrenz unserer Reedereien dem Ausland gegenüber eher erleichtert als erschwert wird.

Die Denkschrift, die der Vorlage beigegeben ist, hat zu dem In⸗ halt des internationalen Vertrages bereits eingehend Stellung ge⸗ nommen. Ich möchte mich daher auf einige allgemeine Bemerkungen über Inhalt und Zweck des Vertrages beschränken. Auch hier hat die Kritik alsbald nach Bekanntwerden der Konvention eingesetzt und hat es bemängelt, daß die Konvention sich im wesentlichen nur mit der Passagierschiffahrt beschäftigt, und daß die Frachtschiffahrt ziemlich stiefmütterlich behandelt sei. Meine Herren, dem gegenüber möchte ich daran erinnern, daß von vornherein die Aufgaben der Konferenz auf die Passagierschiffe beschränkt waren, und daß diese Beschränkung eine absolute Notwendigkeit war, wenn man alsbald zu greifbaren Resultaten kommen wollte. Je größer der Kreis der zu erledigenden strittigen Fragen ist, um so schwieriger ist es, eine internationale Ver⸗ einbarung zustande zu bringen, ganz abgesehen davon, daß die Re⸗ gelung der Verhältnisse für die Frachtdampfer an sich schon größere

die Passagierbeförderung.

drücklich bemerken zu hoffen, daß auch die Frage des Schutzes der Besatzung der Frachtdampfer demnächst Gegenstand von internatio⸗ nalen Erörterungen werden wird. Ich nehme an, daß die voraussicht⸗ lich im nächsten Jahre einzuberufende internationale Freibordkonferenz Gelegenheit bieten wird, sich auch mit den Verhältnissen der Fracht⸗ schiffahrt zu befassen.

Der Vertrag zerfällt, wie Ihnen bekannt ist, in 4 Haupt⸗ abschnitte, zu denen ich nur kurz folgendes bemerken möchte.

Der zur Sicherheit der Seefahrt geschaffene inter⸗ nationale Eisbeobachtungsdienst im Nordatlantischen Ozean ist, wie Ihnen aus der Presse bekannt geworden sein wird, bereits in diesem Jahre eingerichtet. Man glaubte, mit der Durchführung dieser wich⸗ tigen Sicherungsmaßnahme nicht warten zu sollen, bis die Konvention in Kraft tritt, also bis zum 1. Juli 1915, zumal es sich hier um die Fortsetzung eines Dienstes handelt, den die Vereinigten Staaten ihrer⸗ seits bereits eingerichtet hatten, und der in der Entsendung von Eis beobachtungsschiffen besteht.

Zweitens behandelt der Vertrag auf technischem Gebiet die Bau⸗ art der Schiffe. Hier handelt es sich zweifellos um eines der kompliziertesten und schwierigsten Probleme; es handelt sich um die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Maß⸗ nahmen, die relative Unsinkbarkeit der Schiffe nach Möglichkeit zu gewährleisten. Die Schwierigkeit lag darin, daß auf diesem Ge⸗ biete Deutschland allein bisher praktische Erfahrungen gesammelt hatte, und ferner darin, daß es sich hier um ein Gebiet handelt, dessen Erforschung noch nicht als technisch abgeschlossen gilt. Immerhin haben die Verhandlungen doch zur Festlegung gewisser Grundsätze ge⸗

schließenden Staaten sich verpflichtet haben, die Beobachtungen und Erfahrungen, die sie in Zukunft auf diesem Gebiete machen werden, miteinander auszutauschen und so an einer allmählichen Vervoll⸗ kommnung des Dienstes auch auf diesem Gebiete weiter zu arbeiten Es befaßt sich ferner der Vertrag mit der Funkentele graphie. Hier handelt es sich um eine Maßnahme, die wesentlich durch die Erfahrungen der „Titanic“ gezeitigt ist. Die Vorgänge, die sich nach dem Unglücksfall abgespielt haben, haben klar erkennen lassen, daß der funkentelegraphische Verkehr ein wesentliches Mittel ist, um die Sicherheit der Passagiere eines verunglückten Schiffes zu e höhen. Die Verhandlungen haben sich weiterhin im wesentlichen um die Frage gedreht, ob es möglich ist, auf allen Schiffen einen sogenann⸗ ten ununterbrochenen Hördienst einzuführen, d. h. alle mit funken⸗ telegraphischen Einrichtungen versehenen Schiffe zu verpflichten, jeder⸗ zeit einen Mann am Hörapparat zu haben, der fähig ist, das inter nationale Seenotzeichen und das neu vereinbarte Sicherheitszeichen zu verstehen. Dieser ununterbrochene Hördienst ist einstweilen vorge⸗ sehen für alle schnellen Schiffe, für Schiffe auf weiten Reisen und für den transatlantischen Verkehr. Es soll jedoch angestrebt werden, ihn allmählich in vollem Umfange für alle Schiffe einzuführen, die über⸗ haupt mit funkentelegraphischen Einrichtungen versehen sind.

Das letzte Gebiet, mit dem sich die Konvention befaßt, ist die Frage der Rettungsboote und sonstigen Rettungs⸗ mittel. Meine Herren, Sie erinnern sich alle, daß diese Frage unmittelbar nach der „Titanic“⸗Katastrophe alle schiffahrttreibenden Nationen und alle am internationalen Schiffahrtsverkehr beteiligten Passagierdampferlinien auf das lebhafteste bewegt hat. Sie erinnern sich, daß damals allgemein die Forderung gestellt wurde, daß die Schiffe Bootsraum für alle an Bord befindlichen Personen haben müßten. Die Konvention hat sich diese Forderung zu eigen gemacht. „Bootsraum für alle“ ist die Forderung, die die internationale Kon⸗ vention festgelegt hat, allerdings mit einer Einschränkung: insofern nämlich, als ein gewisser Prozentsatz des fehlenden Bootsraums ersetzt werden kann durch bestimmte, nach den Vorschriften der Konvention eingerichtete Rettungsflöße. Man hat die Zulassung dieser Flöße ebenfalls abfällig kritisiert. Ich möchte im Hinblick darauf bemerken, daß speziell die Erfahrungen bei dem Volturno⸗Ungluck, das sich er⸗ eignete, während die Konferenz in London tagte, gezeigt haben, daß unter Umständen diese Rettungsflöße einen größeren Schutz bieten als Rettungsboote, weil es erfahrungsmäßig leichter ist, diese Flöße bei bewegter See zu Wasser zu bringen als Boote, die unter Um⸗ ständen überhaupt nicht zu Wasser gebracht werden können. Es er⸗ scheint also die Zulassung der Flöße keineswegs als eine Verschlechte⸗ rung, sondern als eine Verbesserung des Sicherheitsdienstes auf diesem Gebiet.

Die Konvention verpflichtet nun die Regierungen sämtlicher ver⸗ tragsschließender Staaten, die getroffenen internationalen Bestimmun⸗ gen für die Schiffe ihrer eigenen Flagge einzuführen, sich durch Be (sichtigungen davon zu überzeugen, daß die Schiffe diesen Bestimmun⸗ gen genügen, und ihnen darüber ein sogenanntes „Sicherheitszerti⸗ fikat“ auszustellen. Dieses Zertifikat kann entweder von Beamten des Staates oder von anderen Personen ausgestellt werden, die kraft eines Auftrages des Staates handeln. Es ist bereits in der Beantwortun, der Anfrage Nr. 151 zum Ausdruck gebracht, daß dem Staat frei Hand gelassen ist, wem er die Ausstellung der Zertifikate übertragen will. In allen Fällen übernimmt er jedoch die volle Verantwortung für die Richtigkeit des Zertifikates. Dieses Zertifikat wird von allen Konventionsstaaten als vollgültig anerkannt, und eine Kontrolle der Schiffe in den auswärtigen Häfen findet nur noch insoweit statt, als die Aufsichtsbehörden festzustellen haben, daß die Schiffe im Besitz eines gültigen Sicherheitszertifikats sind und nicht infolge

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von Havarien oder aus anderen Gründen offensichtlich seeuntüchtig ge⸗ worden sind.

Soweit es die Durchführung der Konvention notwendig macht, die Vorschriften der deutschen Gesetzgebung mit den Vertragsbestim⸗ mungen in Einklang zu bringen, werden die erforderlichen Vorlagen den gesetzgebenden Körperschaften rechtzeitig gemacht werden.

Meine Herren, wenn man hiernach das Gesamtergebnis der Lon⸗ doner Konferenz überblickt, so wird jede unbefangene Kritik zugeben müssen, daß sie einen außerordentlichen Fortschritt bedeutet. Ins⸗ besondere haben wir auf den schwierigsten Gebieten, nämlich soweit es sich um die Bauart der Schiffe und der Rettungsboote handelt, zwei⸗ fellos Erfolge zu verzeichnen und weitere Erfolge zu erwarten, weil, wie ich vorhin schon anzudeuten die Ehre hatte, die vertragsschließen⸗ den Staaten sich dahin geeinigt haben, daß Mitteilungen über diese Fragen durch Vermittlung der großbritannischen Regierung ausge⸗ tauscht werden sollen.

und in der bestimmten Erwartung, daß es unserer deutschen Handels⸗

Schwierigkeiten bietet, als die Regelung des Sicherheitsdienstes für

ja schließlich immerhin der schwächere, Wir werden nicht in der Lagsc

Meine Herren, im Kampf mit den Naturgewalten ist der Mensch

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