1914 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Oberverwaltungsgericht.

Bei dem Königlichen Oberverwaltungsgericht ist der Kassen⸗ sekretär Rußwinkel als expedierender Sekretär und Re⸗ gistrator angestellt worden.

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1“

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 13 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter

Nr. 11 349 den Allerhöchsten Erlaß, betreffend die Er⸗ hebung von Gebühren für die Prüfung der zur öffentlichen Darbietung in Lichtspielen bestimmten Filme (Schriften, Bild⸗ streifen) und für die Beglaubigung der Abschriften von Erlaubniskarten, vom 26. März 1914, und unter 8

Nr. 11 350 eine Verfügung des Justizministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Teil des Bezirkes des Amtsgerichts Dillenburg, vom 16. April 1914.

Berlin, den 11. Mai 1914.

Königliches Gesetzsammlungsamt. bbbI“

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 12. Mai 1914.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin sprach gestern, wie „W. T. B.“ meldet, im Reichskanzlerpalais vor, um dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg aus Anlaß des Ablebens seiner Gemahlin ihr Beileid auszudrücken. Seine Majestät der Kaiser und König, die Bundes⸗ fürsten, die Senate der Freien Städte, Seine Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit der Kronprinz und die Prinzen des Königlichen Hauses sowie deutsche und aus⸗ ländische Staatsmänner haben gleichfalls dem Reichskanzler ihr Beileid ausgesprochen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr, für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen hielten heute Sitzungen.

Die Nr. 4 der Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗ versicherungsamts vom 15. April 1914 enthält im Amt⸗ lichen Teile unter A (Unfallversicherung):

ein Rundschreiben vom 9. Januar 1914 an die dem Reichsversicherungsamt unterstellten Versicherungsträger über Anlegung ihres Vermögens nebst 2 Uebersichten,

ein Rundschreiben vom 17. Januar 1914 an die dem Reichsversicherungsamt unterstehenden gewerblichen Berufs⸗ genossenschaften über die Aussonderung der Kapitalabfindungen bei Festsetzung der Rücklagezuschläge,

eine Bekanntmachung vom 31. März 1914 über die Ge⸗ nehmigung von Unfallverhütungsvorschriften im 1. Vierteljahr

914, 1 eine Bekanntmachung vom 24. März 1914 über die Ge⸗ nehmigung von Gefahrtarifen im 1. Vierteljahr 1914.

Hieran schließen sich Rekursentscheidungen über folgende Gegenstände:

Die Haftung der Berufsgenossenschaften aus sogenannten „Unfällen ““ (Grundsätzliche Entscheidung des Großen Senats.) 8 2

Die Rechtsvermutung des § 584 der Reichsversicherungsordnung bezieht sich nicht nur auf die Ersatzansprüche der Kassen, sondern auch auf die Entschädigungsansprüche des Verletzten gegen die Berufs⸗ genossenschaft. (Grundsaͤtzliche Entscheidung des Großen Senats.) 2691];

ist ein Verletzter nicht ein volles Jahr in dem Betriebe be⸗ schäftigt gewesen und wird bei der Ermittlung seines Jahres⸗ arbeitsverdienstes zu seinem Verdienste der durchschnittliche Ver⸗ dienst eines gleichartigen Arbeiters für die übrigen betriebs⸗ üblichen Arbeitstage gemäß § 565 der Reichsversicherungsordnung hinzugezählt, so ist der Durchschnittsverdienst des gleichartigen Arbeiters nicht aus seinem Verdienste während des ganzen Jahres vor dem Unfall, sondern nur aus dem Zeitraum, in dem der Verletzte im Betriebe nicht gearbeitet hat, zu berechnen und mit der Summe der übrigen betriebsüblichen Arbeitstage zu vervielfältigen. (Grund⸗ sätzliche Entscheidung.) [2692);

über die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes eines im Jahre vor dem Unfall nicht beschäftigt gewesenen Versicherten, wenn ein gleichartiger Arbeiter im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbe⸗ unfallversicherungsgesetzes nicht vorhanden ist. (Grundsätzliche Ent⸗ scheidung.) [2693].

Der Abschnitt B (Kranken⸗, Invaliden⸗ und Hinter⸗ bliebenenversicherung) bringt drei Bekanntmachungen über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 1242 der Reichsversicherungsordnung und das Rundschreiben vom 5. Februar 1914 an die Vorstände der Landesversicherungs⸗ anstalten und Sonderanstalten über die bis Ende 1913 fest⸗ gesetzten Renten und sonstigen Bezüge.

Die Revisionsentscheidungen 1814 bis 1824 be⸗ handeln folgende Fragen:

Das Gebiet von Neutral⸗Moresnet ist im Sinne des § 1268 der delc er heg n seesng nicht Inland [1814];

Kinderzuschuß nach § 1291 der Reichsversicherungsordnung ist auch dann zu gewähren, wenn der Rentenberechtigte für den Unter⸗ halt der Kinder nicht gesorgt hat [1815;

Der im § 1291 der Reichsversicherungsordnung vor eschriebene Kinderzuschuß zur Invalidenstammrente ist nach dem Ja resbetrage der letzteren, wie er sich aus den §§ 1285, 1288, 1289 der Reichs⸗ versicherungsordnung unmittelbar ergibt, zu berechnen und diesem hin⸗ zuzuzählen; es ist nicht etwa der zwölffache aufgerundete Monatsbetrag der Stammrente 1297) zu Grunde zu legen [1816];

Wird eine Krankenrente, die schon am 31. Dezember 1911 ge. währt wurde, wegen späteren Eintritts dauernder Invalidität in eine Dauerrente umgewandelt, so ist der im § 1291 der Reichsver⸗ sicherungsordnung bezeichnete Kinderzuschuß nicht zu gewähren [1817];

Die Kinder eines verstorbenen Versicherten haben auf Waisen⸗ aussteuer auch dann Anspruch, wenn die Witwe, die aus der eigenen Versicherung die Wartezeit für die Invalidenrente erfüllt und die An⸗ wartschaft aufrecht erhalten hat, nicht die leibliche Mutter der Waisen ist [1818];

Berechnung der Waisenaussteuer beim Vorhandensein mehrerer

Waisen. Jede Waise erhält bei Vollendung des 15. Lebensjahres den achtfachen Monatsbetrag derjenigen Watsenrente, die sie zuletzt tat⸗ sächlich bezogen hat, und nicht etwa den achtfachen Monatsbetrag der einer Einzelwaise zustehenden Rente. Die Waisenrente ist für jede der gleichzeitig bezugsberechtigten Waisen gleich hoch; insbesondere ist

*) Die neben den einzelnen Entscheidungen stehenden einge⸗ klammerten Zahlen geben die Ziffer an, Amtlichen Nachrichten“ veröffentlicht sind.

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unter welcher diese in den

der Gesamtanteil der Versicherungsanstalt gleichmaͤßig auf alle renten⸗ berechtigten Waisen zu verteilen [1819];

Die (mit § 613 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung übereinstimmende) Vorschrift des § 1301 Abs. 2 der Reichsversiche⸗ rungsordnung ist auch dann anwendbar, wenn die zur Hinterbliebenen⸗ fürsorge Berechtigten nicht zugleich zum Bezuge der Rente der ver⸗ storbenen Versicherten berechtigt sind [1820];

Für einen Strafgefangenen, der zuvor bei einer Sonderanstalt versichert war, kann unbeschadet der Vorschriften der §§ 14 Abs. 3 des Invalidenversicherungsgesetzes, 1440, 1371 der Reichsversicherungs⸗ ordnung rechtswirksam eine Quittungskarte ausgestellt werden [1821];

Ein Anerkenntnis der fortdauernden Gültigkeit der Quittungs⸗ karte auf Grund des § 135 des Invalidenversicherungsgesetzes schließt ein Anerkenntnis der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung gemäß § 1445 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung nicht in sich 1822];

Die Berichtigung freiwilliger Beiträge, die nach dem 1. Januar 1912 in alten Werten entrichtet sind, ist in Hinterbliebenenrenten⸗ sachen auch nach dem Ableben des Versicherten noch zulässig [1823];

1) Das Witwengeld gehört nicht zu den im § 1522 Absf. 1 der Reichsversicherungsordnung erwähnten Hinterbliebenenrenten und ist daher neben dem Sterbegeld und der Unfallwitwenrente voll zu zahlen. 2) Als Witwengeld ist der zwölffache aufgerundete Monatsbetrag k“ (einschließlich des Reichszuschusses) zu berechnen

Ferner sind folgende Beschlußsenats veröffentlicht:

1) In der Verpflichtung der Versicherten, über Ort und Dauer der Beschäftigung Auskunft zu geben 1466 der Reichsversicherungs⸗ ordnung), liegt auch die Pflicht, den Namen des Arbeitgebers mitzuteilen. Die Auskunftspflicht besteht auch dann noch, wenn der Versicherte die Markenrückstände nachträglich selbst entrichtet hat. Sie trifft auch solche Personen, bei denen die Versicherungspflicht zwar nicht zweifellos ist, aber eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der Versicherungspflicht spricht. 2) Die Geldstrafen im § 1467 der Reichsversicherungsordnung sind Zwangsstrafen; sie müssen vorher angedroht werden. Gegen die Strafandrohung ist nur die allgemeine Aufsichtsbeschwerde nach den §§ 30, 1381 (1382) der Reichsversicherungsordnung, gegen die Festsetzung der Strafe ist die Beschwerde nach § 1500 der Reichs⸗ versicherungsordnung gegehen. Die Nachprüfung in dem Verfahren nach § 1500 der Reichsversicherungsordnung beschränkt sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Strafe, sondern erstreckt sich auch auf das Strafmaß [1825];

Die Rechtswirksamkeit der Uebertragung von Pflichten, die dem Arbeitgeber obliegen, auf einen Angestellten nach § 1494 der Reichs⸗ versicherungs ordnung hat eine Mitteilung davon an den Versicherungs⸗ träger nicht zur Voraussetzung [1826];

1) Im Beschlußverfahren ergeht der Beschluß, durch den die Be⸗ schlußkammer des Oberversicherungsamts eine Streitsache nach § 1799 der Reichsversicherungsordnung an das Reichsversicherungsamt abgibt, nur in den Fällen des § 42 Abs. 3 der Kaiserlichen Ver⸗ ordnung über Geschäftsgang und Verfahren der Oberversicherungs⸗ ämter auf Grund einer mündlichen Verhandlung. 2) In dem vorbereitenden Verfahren über einen Anspruch auf Invaliden⸗ rente findet § 1669 Abf. 1 der Reichsversicherungsordnung über die Entschädigung des in der mündlichen Verhandlung erschienenen An⸗ tragstellers erst nach Errichtung des Versicherungsamts Anwendung. 3) Eine Entschädigung für Zeitverlust darf nach § 1669 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung nur dann gewährt werden, wenn zugleich ein Erwerbsverlust stattgefunden hat [1827];

Bei Entscheidungen Bedeutung ist eine Abgabe der Sache an das Reichsversicherungsamt nach § 1799 1693) der Reichsversicherungsordnung unzulässig. Bet Unzulässigkett der Abgabe einer Beschlußsache an das Reichsversicherungs⸗ amt nach § 1799 der Reichsversicherungsordnung ist der Abgabe⸗ beschluß durch einen mit Gründen versehenen Beschluß des Beschluß⸗ senats aufzuheben und die Sache an das Oberversicherungsamt zurück⸗ zugeben [1828].

Außerdem sind noch folgende grundsätzliche Entscheidungen veröffentlicht:

Der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung irrtümlich ge⸗ leisteter Beiträge 1446 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung) bützrriegt nicht der Verjährungsvorschrift des § 29 Abs. 2 a. a. O.

829];

Die Vergantungsprotokollisten im Herzogtum Oldenburg sind nicht versicherungspflichtig [1830];

1) Junge Leute, die sich im niederen Bureaudienst ausbilden, gelten nicht als Lehrlinge im Sinne des § 1226 der Reichsversiche⸗ rungsordnung. 2) Der ständige Stellvertreter im Vorsitz des Ver⸗ cherungsamts war von der Mitwirkung bet der Entscheidung über die Beitragsleistung der von dem Königlichen Landrat angestellten Schreiber nicht ausgeschlossen [1831].

Zum Schlusse folgen die Uebersichten über Zahlungen aus Invaliden⸗, Kranken⸗, Alters⸗ und Zusatzrenten, über Ver⸗ sicherungsleistungen an Hinterbliebene im Monat Februar 1914 und über den Erlös aus Beitragsmarken im Monat März 1914.

grundsätzliche Entscheidungen des

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision und S. M. S. „Königs⸗ berg“ am 9. Mai in Neapel, S. M. S. „Lu chs“ am 10. Mai in Hankau und S. M. S. „Gneisenau“ am 11. Mai in Suruga eingetroffen. X.“

Elsaß⸗Lothringen.

Seine Majestät der Kaiser und König ist gestern vormittag von Braunschweig in Metz eingetroffen. In der mit Blumen reich geschmückten Vorhalle des Hauptbahnhofes hatten sich zum Empfange u. a. der Kaiserliche Statthalter in Elsaß⸗Lothringen Dr. von Dallwitz, der kommandierende General, General der Infanterie von Mudra und der Polizei⸗ präsident Baumbach von Kaimberg eingefunden. Vom Bahnhof begab sich Seine Majestät der Kaiser, wie „W. T. B.“ meldet, mit den zum Empfang erschienenen Herren sowie dem Gefolge in Automobilen zur Kaserne des Königs⸗Infanterieregiments Nr. 145 in Montigny, wo das Regiment in Parade Auf⸗ stellung genommen hatte. Nach der Parade fand eine Be⸗ sichtigung der Befestigungswerke der westlichen und nordwest⸗ lichen Forts von Metz statt. Heute vormittag wurde im Osten von Metz eine größere militärische Uebung abgehalten.

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SOesterreich⸗Ungarn. gestrigen Bulletin über das Befinden des

Nach dem Kaisers ist der katarrhalische Befund und das Allgemein⸗ befinden ohne nennenswerte Aenderung.

Im Heeresausschuß der österreichischen Dele⸗ gation wurden gestern Anfragen wegen kürzlich in Italien

erfolgter Kundgebungen gegen die österreichisch⸗ ungarische Monarchie erledigt.

Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Kriegsminister von Krobatin, daß die Erörterung dieser Angelegenheit in das Ressort des Ministeriums des Aeußern gehöre. Wie ihm mitgeteilt worden set, sei eine Klarstellung dieser Angelegenheit eingeleitet worden. Der Kriegsminister verlas sodann folgendes von dem österreichisch⸗ ungarischen Generalkonsul in Venedig an den Minister des Feügei gerichtetes Telegramm: Die von Studenten aus Padua dort inszenierte

und Verfügungen lediglich prozeßleitender

und von der venezianischen Bevölkerung gleichgültig aufgenomme Demonstration ist von der beiderseitigen Presse Snhri übers trieben wiedergegeben worden. Das Verbrennen der österreichischen Fahne beschränkt sich in Wirklichkeit auf einen simulierten Rummel. Die Behörden haben die Kundgebung rechtzeitig und sehr energis unterdrückt. Vor dem Konsulat haben keine Demonstrationen statt. gefunden. Der Minister des Aeußern Graf B erchtold verwies in der Nachmittagssitzung der Delegation auf die am Vormittag im Ein⸗ vernehmen mit ihm abgegebene Erklärung des Kriegsministers, wonach alle notwendigen Schritte zur Klarstellung der in mehreren Städten Italtens vorgekommenen, sehr bedauerlichen Kundgebungen eingeleitet worden seien, sowie zur Beurteilung dessen, ob völkerrechtswidrige Verun⸗ glimpfungen der österreichischen Embleme und Angriffe auf die Ver⸗ treter Oesterreichs erfolgt seien. Die verlangten Informationen seien teils bereits eingetroffen, teils dürften sie sich unterwegs befinden. Der Minister fuhr fort, er freue sich, bereits jetzt erklären zu können, daß die Nachricht über die angebliche Verbrennung der öster⸗ reichischen Fahne in Venedig unrichtig sei. Nach den bisher ein⸗ gegangenen Nachrichten seien an den Kundgebungen meist Studenten beteiligt gewesen. Einen stärkeren Charakter schienen die Kund⸗ ebungen in Turin, Matland und Neapel angenommen zu haben. e nach dem Tatbestand würden die Kundgebungen bei der italienischen Reglerung zur Sprache gebracht werden, und es sei nicht zweifelhaft, daß diese Aussprache in dem Geiste geführt werden würde, der dem Bundesverhältnis zwischen den beiden Ländern entspräche. Im weiteren Verlauf der Sitzung brachte der Kriegs minister von Krobatin die Verfügungen der Kriegs verwaltung zur Kenntnis, die zur Verhütung von Wehrpflich verletzungen durch Grenzüberschreitungen getroffen worden sind und die erkennen lassen, daß es der Kriegsverwaltung voll kommen fern liegt, eine in den volkswirtschaftlichen Verhältnissen begründete Wanderung, namentlich die Saisonwanderung, zu unterbinden. Nur der Entziehung von der Dienstpflicht soll mit Strenge entgegengetreten werden. Die Be völkerung soll aufgeklärt werden, daß die Regelung der unhalt

baren Verhältnisse in ihrem eigenen Interesse habe eintreten 1

müssen, um sie vor Ausbeutung

durch gewissenlose Aus wanderungsagenten zu bewahren.

Von einem Auswanderungs⸗

verbot und von einer Altersgrenze, von der an ein solches Verbot aufhöre, könne absolut nicht gesprochen werden. Hierauf

nahm der Heeresausschuß das Heeresordinarium an und begann die Beratung des Marinevoranschlages.

Im Ausschuß für auswärtige Angelegen⸗ heiten der Ungarischen Delegation begann gestern die Be⸗ sprechung des Budgets des Ministeriums des Aeußern.

Der Berichterstatter Nagy erklärte laut Bericht des „W. T. L es sei aus dem Rotbuch ersichtlich, welche angestrengte Tätigkeit die Monarchie entfaltet habe, um einem europäischen Krieg vorzubeugen. Gegenüber den in der letzten Zeit von ewisser Seite gegen den Dreibund gerichteten Anwürfen müsse man nachdrücklich betonen, daß die ungarische Nation ausnahmslos und unerschüttert am Dreibunde festhalte und nicht geneigt sei, ihn für zweifelhafte Vorteile bei anderen Mächten und Gruppierungen zu vertauschen. Der Dreibund hindere nicht freundschaftliche Beziehungen zu anderen Mächten. Der Ahbg. Georg Lukacs »sagte, ein freundschaftliches Verhältnis zu Rußland könne nicht den Anlaß geben zu den Schlüssen, die den ungarischen Standpunkt gegenüber dem Dreibund nachteilig beeinflussten, und sprach dem Mmnister des Aeußern für seine den Frieden erhaltende Politik das Vertrauen aus. Graf Albert Apponyi (oppositionell) erklärte, er sei ein unerschütter⸗ licher Anhänger des Dreibundes, an dem früher die ganze ungarische Nation festgehalten habe. Das gegenwärtig in Ungarn herrschende polttische System habe aber diese Einmütigkeit erschüttert. Prinz Ludwig Windischgrätz (oppositionell) sagte, der Hreibund entspreche zweifellos am besten den Lebensinteressen der Monarchie, doch müsse untersucht werden ob alle Vorteile des Dreibundes für Ungarn ausgenützt würden. In Deutschland habe man stets eine ver⸗ läßliche Stütze gefunden. Der Redner fragte, ob der Minister des Aeußern beabsichtige, die Aufmerksamkeit der italienischen Regierung Kundgebungen gegen die österreichisch⸗ungarische Monalchie zu enken.

Großbritannien und Irland.

Der König und die Königin von Dänemark haben gestern vormittag das diplomatische Korps im Buckingham⸗ Palast empfangen.

In der gestrigen Sitzung des U nterhauses erklärte der Premierminister Asquith in Erwiderung auf eine An⸗ frage, die Regierung habe beschlossen, gegen die an der Waffen⸗ landung in Ulster beteiligten Personen keine gerichtliche Unter⸗ suchung einzuleiten. Anderweitige Schritte würden unternommen werden, deren Veröffentlichung nicht wünschenswert sei. Hierauf wurde die Budgetdebatte fortgesetzt.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Kanzler des Schatzamts Lloyd George, er gebe zu, daß die vorgeschlagene Er⸗ höhung der Einkommensteuer auf nicht selbstverdiente Einkommen bei kleinem Einkommen eine Härte bedeuten könne. Die Regierung schlage daher vor, daß unverdiente Einkommen zwischen 300 und 500 Pfd. Sterl. den alten Satz von einem Shilling und zwei Pence für das Pfund bezahlen sollten, während unverdiente Einkommen unter dreihundert Pfund Sterling einen Shilling für je ein Pfund zahlen sollten. Diese Aenderung würde die Staatsfinanzen jährlich 370 000 Pfd. kosten. Der Minister verteidigte sodann das Budget gegen den Vor⸗ wurf der Verschwendung und wies die Beschuldigung zurück, daß er in die Finanzpolitik Gefühlspolitik menge. Millionen im Lande er⸗ höben sich in Empörung gegen ihre Lage, und wenn die Reichen und Vermögenden sich nicht rechtzeitig anschickten, für ihre weniger be⸗ güterten Mitbürger Opfer zu bringeu, so werde bald der Tag kommen, wo sie mit Erstaunen und Bedauern darauf zurückblicken würden, daß sie gegen eine Einkommensteuer von einem Schilling und vier Pence als Versicherung gegen die Revolution Einspruch erhoben hätten.

Frankreich. 8

Das Ministerium des Innern teilt, wie „WI8 meldet, folgende Statistik über das Gesamtergebnis der Wahlen mit: Es sind 81 Konservative und Liberale, 59 Progressisten, 31 Mitglieder der vereinigten Linken, 60 Re⸗ publikaner der Linken, 236 sozialistische Radikale (davon 188 geeinigte sozialistische Radikale), ferner 30 sozialistische Repu⸗ blikaner und 102 geeinigte Sozialisten gewählt worden. Die Parteien der Konservativen und Liberalen gewinnen 7 Sitze, die sozialistischen Radikalen 23, die geeinigten Sozialisten 27; die Progressisten verlieren 24 Sitze, die Vereinigung der Linken 16, die Republikaner der Linken 14 und die sozialistischen Re⸗ publikaner 3 Sitze. Fünf neu geschaffene Sitze sind den geeinigten Sozialisten zugefallen.

Die Statistik über die Wahlen in Ansehung des Dreijahrsgesetzes gibt folgendes Bild: Von 305 Abgeord⸗ neten, die für das Gesetz gestimmt haben, sind 236 wieder⸗ gewählt, zwölf sind vor dem zweiten Wahlgang zurückgetreten und 57 erlegen; 109 sind in die Stichwahl gekommen. Von den 197 Abgeordneten, die gegen das Gesetz gestimmt haben, sind 152 wiedergewählt, sieben sind vor dem zweiten Wahlgang zurückgetreten und 38 erlegen; 90 sind in die Stichwahl gekommen. Von den zwölf, die sich damals der Abstimmung enthielten, sind acht wiedergewählt, einer ist vor dem zweiten Wahlgang zurückgetreten, zwei sind geschlagen

Gestellungs⸗ und

und einer ist nicht wieder aufgestellt worden. Von den 15 Ab⸗ geordneten, die damals gefehlt haben, sind 11 wiedergewählt,

bwei sind vor der zweiten Abstimmung zurückgetreten und vier

geschlagen worden; fünf sind in die Stichwahl gekommen. .

Im Senegal hat ein sozialistischer Republikaner über den bisherigen Vertreter des Wahlkreises, einen geeinigten sozialistischen Radikalen, gesiegt, sodaß die Zahl der Sitze der sozialistischen Republikaner sich auf 31 erhöht. Es steht nur noch das Wahlergebnis aus Martinique aus.

Infolge der in letzter Zeit vorgekommenen Lan⸗ dungen französischer Militärflieger auf deutschem Boden hat der Kriegsminister Noulens, wie „W. T. B.“ meldet, in Ergänzung seinerzeit erlassener Vorschriften verfügt, daß Militärflieger sich keinesfalls der Grenze nähern oder Flüge unternehmen dürfen, die sie zu einer Ueberfliegung der Grenze veranlassen könnten. Falls sie in der Nähe der Grenze von Nebel überfallen würden, müßten sie landen oder sofort die Richtung ändern. Diese Vorschriften erstrecken sich auf lenk⸗ bare Luftschiffe. Freiballonführer sollen alle geeigneten Maß⸗ nahmen treffen und gegebenenfalls in einer Entfernung von mindestens drei Kilometern von der Grenze landen. Jede

Uebertretung dieser Vorschriften soll dem Kriegsminister sofort

telegraphisch gemeldet werden. .“

Rußlan 8

Gestern abend wurde der türkische Minister des Innern Talaat Bey vom Kaiser Nikolaus in feierlicher Audienz empfangen. Nach der Audienz stellte er dem Kaiser die Mit⸗ glieder seiner Mission vor. Im Anschluß daran fand ein Galadiner statt, in dessen Verlauf der Kaiser auf das Wohl des Sultans Muhammed und das Gedeihen des ottomanischen

Reichs trank. Schweden.

Ueber das Befinden des Königs ist gestern mittag folgendes Bulletin veröffentlicht worden:

Die Besserung im Befinden des Königs ist nun so weit vor⸗ geschritten, daß der König in den nächsten Tagen die Regierung wieder wird übernehmen können. Aber damit der König seine volle Gesund⸗ heit wieder gewinnen kann, haben die Aerzte ihm auf das be⸗ stimmteste geraten, sobald als tunlich eine Brunnenkur in Karlsbad zu nehmen.

Wie „W. T. B.“ meldet, besteht die Absicht, dem jetzt zusammentretenden Reichstag vorzuschlagen, zwecks Einrichtung direkter Telephonverbindung zwischen Schweden und Deutschland mit Anschlußleitungen nach Stockholm und Gotenburg für 1915 900 000 Kronen anzuweisen

““ .“ 8 88 8 1 Fürkei.

Das Irade über die Eröffnung des Parlaments am 14. Mai ist gestern abend veröffentlicht worden.

Im Ministerrat wurde gestern die Beratung des Wort⸗ lautes der Thronrede beendigt, die bei Eröffnung des Parlaments zur Verlesung kommen soll.

Eerbien.

In der gestrigen Sitzung der Skupschtina richteten der Jungradikale Draskovic und Genossen sowie der Nationalist Ribarac und Genossen an den Ministerpräsidenten Paschitsch Interpellationen über die im Offizierkorps bestehende Un⸗ zufriedenheit. Die Skupschtina nahm sodann, wie „W. T. B.“ meldet, die Gesetzesvorlage, betreffend die serbisch⸗rumänische

Konvention über den Bau einer Eisenbahnbrücke über die

Donau, einstimmig in letzter Lesung an. Der Vorsitzende,

Präsident Nikolic, gab der großen Befriedigung Ausdruck, daß

diese für die Gestaltung inniger Beziehungen zwischen Rumänien

und Serbien wichtige Gesetzesvorlage von der Skupschtina

einstimmig angenommen worden sei. Hierauf wurde zur Fest⸗ stellung für die heutige Tagesordnung geschritten. Der Ministerpräsident Paschitsch erklärte, daß er heute die vor drei Tagen von zwei regierungsfreundlichen Abgeordneten an ihn gerichtete Interpellation über die Unzufriedenheit des Offizierkorcs beantworten werde. Der Abg. Pecic (Jung⸗ radikal) stellte den Antrag, daß auch die analoge Interpellation der oppositionellen Parteien auf die Tages⸗ ordnung der heutigen Sitzung gestellt werden solle. Der Ministerpräsident Paschitsch erklärte sich da⸗ gegen. Es kam zu einer längeren, teilweise sehr erregten Debatte, in deren Verlauf die Oppositionsredner die Haltung der Regierung in scharfer Weise bekämpften, da die Regierung einer eingehenden Erörterung der Ursachen, die zu dem ernsten Konflikte zwischen der Zivilgewalt und der Armee geführt und im ganzen Lande große Erregung hervorgerufen hätten, aus⸗ zuweichen beabsichtige. Unter stürmischem Protest der Jung⸗ radikalen wurde schließlich die vom Ministerpräsidenten Paschitsch geforderte Tagesordnung angenommen und die Sitzung ge⸗

schlossen. a1“ Wie die „Albanische Korrespondenz“ meldet, haben infolge des Beschlusses, den die internationale Kontrollkommission in Korfu gefaßt hat, sowohl die albanische Regierung wie Zographos die notwendigen Anordnungen zur Festsetzung der neutralen Zone in Epirus verfügt. Durch diese neutrale Zone, die nach dem Stande der Operationen vom 9. Mai abgegrenzt wird, sollen Zusammenstöße zwischen den beiderseitigen Kombattanten verhütet werden. 8 18

Amerika.

Das amerikanische Staatsdepartement hat die diplomatischen Vertreter in Washington, deren Länder in Meriko⸗ city vertreten sind, ersucht, die beunruhigenden Gerüchte zu untersuchen, wonach Zapata in Merikocity die dort ansässigen Ausländer bedrohe. 1

Der mexikanische Minister des Aeußern Ruiz hat, wie „W. T. B.“ meldet, bei den Friedensvermittlern in Washingten telegraphisch dagegen Einspruch erhoben, daß einige amerikanische Torpedoboote und ein Transportschiff auf der Höhe von Lobos Island zwischen Tampico und Veracruz erschienen sind und Truppen gelandet haben, die die Leucht⸗ turmwächter verhafteten, aber wieder freiließen, nachdem diese die Apparate übergeben hatten. Ruiz hat um Vorstellungen bei der Regierung der Vereinigten Staaten ersucht.

Weitere Meldungen besagen, daß Huerta außer dem Befehl, die Leuchtfeuer an der Küste des Stillen Ozeans auszulöschen, ähnliche Anordnungen auch für die Atlantische Küste gegeben hat. Die Besetzung Lobos Islands dürfte daher eine Vorsichtsmaßregel zum Zweck des Schutzes der gesamten Schiffahrt darstellen. Demgemäß wird die Be⸗ schwerde Huertas über die Verletzung des Waffenstillstandes für ungerechtfertigt angesehen.

In Juarez eingegangenen Nachrichten zufolge tobt bei Tampico die wildeste Schlacht der ganzen Revolution. Eine Anzahl von Oeltanks steht in Flammen. Auch ein Teil der Stadt brennt. Der britische Panzerkreuzer „Esser“ ist eiligst nach Tampico abgegangen.

Poarlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Rei chs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Die heutige (255.) Sitzung des Reichstags, welcher der Kriegsminister, Generalleutnant von Falkenhayn bei⸗ wohnte, eröffnete der Präsident Dr. Kaempf um 11 ¼ Uhr.

Vom Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ist folgendes Telegramm eingegangen:

Die warme Teilnahme des Reichstags, die Euer Hochwohl⸗ geboren mir in so gütigen Worten bekundet haben, hat mich in meiner Trauer tief gerührt. Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr Präsident, dem hohen Hause meinen aufrichtigen Dank übermitteln

zu wollen. Reichskanzler von Bethmann Hollweg.

Das Haus setzte die Spezialberatung des Militäretats bei den dauernden Ausgaben für „Artillerie⸗ und Waffenwesen“ und für die „Technischen Institute“ fort.

Abg. Buchner (Soz.): Das Kriegsministerium und die Militärverwaltung sind in Kleinigkeiten Arbeitern und Angestellten gegenüber groß. Man sollte es den Steaatsarbeitern über⸗ lassen, sich zu organisieren, wie es ihnen paßt. Die Ver⸗ waltung hat auf keinen Fall das Recht, die Arbeiter zu fragen, ob sie organisiert sind. Hier werden aber Steuerzahler ohne weiteres um ihre Arbeit gebracht. Man setzt sogar den Polizeiapparat in Be⸗ wegung, um die Gesinnung eines Arbeiters zu erforschen, als ob es sich darum handelte, einen Raubmord aufzudecken. Die Poltzei benützt dabei sogar Listen weit zurückltegender Jahre, um Arbeiter brotlos zu machen. Sie setzt sich dabei selbst über die Bestimmungen des Ver⸗ einsrechts fort. Ich kann es verstehen, wenn die Militärbehörde nicht weiß, daß Gewerkschaften ihre Mitgliederlisten nicht einzureichen haben, aber nicht, daß die Polizeibehörde von Spandau so dumm ist

Vizepräsident Dr. Paasche: Sie dürfen eine Polizeibehörde nicht dumm nennen. Ich rufe Sie zur Oednung.

Abg. Büchner (fortfahrend): Auch Wahlbeeinflussungen werden versucht. Die Arbeiterausschüsse haben gar keinen Einfluß auf den Kantinenbetrieb. Da die Inspektionen durch die vorgesetzte Behörde ja vorher bekannt werden, so wird natürlich alles in Ordnung gefunden. In der Zwischenzeit läßt man die Mißstände ruhig bestehen. Ein Arbeitsausschußmitglied, das zur Anzeige gebracht hatte, daß stehengebliebenes Bier und Speisenreste in der Kantine der Gewehrfabrik in Spandau zum zweiten Male verkauft wurden, wurde einfach abgeschoben; die Entlassung wurde damit begründet, daß er die Arbeiter aufgehetzt hätte. Auf eine Be⸗ chwerde an das Kriegsministerium und den Kriegsminister, in der die Einsetzung einer Kommission erbeten wurde, wurde erwidert, die Kantine sei eine Privateinrichtung des Direktors Weißhaupt, auf den die Verwaltuug keinen Einfluß habe, ein Mitbestimmungsrecht könne daher dem Arbeiterausschuß nicht ein⸗ geräumt werden, dem Direktor müsse überlassen werden, wie weit er Ratschläge des Arbeiterausschusses berücksichtigen wolle. Der springende Punkt ist, daß der Arbeiter zu Unrecht entlassen wurde. Bisher nahm man immer an, daß die Kantine eine staatliche Ein⸗ richtung sei. Die schroffe Behandlung des Arbeiterausschusses muß Erbitterung erregen; die Mitglieder können es sich nicht gefallen lassen, daß sie wie Schulkinder behandelt werden, daß sie stramm stehen müssen. Die Arbeiterausschüsse müssen in allen Staats⸗ betrieben mehr Bewegungsfreiheit erhalten. Der Direktor hat leider das alleinige Bestimmungsrecht. Als ein Ausschußmitglied anzeigte, daß Maschinengewehrteile abhanden gekommen wären, wurde er vom Direktor Weißhaupt mit 3 Strafe belegt. Dabet hat der Arbeiter nur aus Pflichtgefühl gehandelt. Besprechungen dürfen nur im Betriebe stattfinden, nicht in Versammlungen. Um Ausschuß⸗ mitglied zu werden, muß man mindestens das 30. Lebensjahr über⸗ schritten haben. Der Unterstützungsfonds für unschuldig in Not ge⸗ ratene Arbciter wird willkürlich von der Verwaltung verwendet. Wer hat hier zu bestimmen, die Verwaltung oder das Kriegsministerium? Die Verwaltung muß das Versprechen des Kriegsministeriums einlösen. Unter dem neuen Direktor des Feuerwerkslaboratoriums werden nicht die tüchtigsten und intelligentesten Arbeiter als Vorarbeiter angestellt, sondern es herrscht Bevorzugung. Ein Meister hat den Zunamen Jwan der Schreckliche erhalten. Die Akkordlöhne sind so niedrig, daß die Ar⸗ beiter kaum auf den üblichen Tagelohn kommen. Nicht bloß in Spandau, sondern auch in den anderen Militärwerkstätten wird über die niedrigen Stücklöhne geklagt, so in Danzig. Die Arbeiter nehmen Arbeit mit nach Hause, um einigermaßen zu verdienen. Wie kann die Ver⸗ waltung solche Löhne dulden? Einem Arbeiter wurden 20 Vor⸗ schuß bewilligt, der aber beim nächsten Lohntag auf seinen Lohn von 20 abgezogen wurde, sodaß er mit leeren Händen nach Hause gehen mußte. Wenn die Verwaltung von diesen Miß⸗ ständen weiß, so macht sie sich mitschuldig. Ganz unschuldig ist sie nicht, denn Meister, die sich solcher Ueberschreitungen schuldig gemacht hatten, wurden befördert und dekoriert. Ein Meister Schüler in Spandau hat die Arbeiter in der gemeinsten Weise beschimpft und einen Arbeiter, der sich beschwert hatte, in die zweite Lohnklasse versetzt, wo dieser schwer arbeiten muß, obwohl er lungenleidend ist. Wie lange sollen die Staats⸗ arbeiter noch auf die neue Arbeitsordnung warten? Der General von Wandel hatte vor zwei Jahren erklärt, daß bald eine neue Arbeits⸗ ordnung erlassen werden soll. Hoffen wir, daß nun endlich die neue Arbeitsordnung besser wird und die vielen Paragraphen bei der alten Verordnung fortfallen, namentlich der Paragraph, der erst später hineingekommen ist, der die Sozialdemokraten von den Betrieben ausschließt. Eine große Zahl der Unfälle ist auf Ueberanstrengung zurückzuführen. Darum müssen die Urlaubs⸗ verhältnisse verbessert werden. Ferner wiederholen wir das Verlangen nach Zahlung des Lohnes für die Feiertage. Wiederholt hat der Reichstag die Errichtung einer Pensionskasse für die Staatsarbeiter verlangt. Die Militärverwaltung hat in Danzig unter Umgehung des Arbeiterausschusses ein Pensions⸗ gesetz vorgelegt. Die Rechnuna, auf der das Gesetz beruht, gleicht auf ein Haar derjenigen für die Witwen⸗ und Watsenpension in der Reichsversicherungsordnung; man nimmt den Arbeitern sehr viel, gibt ihnen aber sehr wenig. Daß die Arbeiter ein solches Gesetz ab⸗ gelehnt haben, kann doch niemand wundern. Eine neue Lohnordnung, die vom 1. Januar 1914 gelten sollte, ist endlich nach 10 Jahren in Gestalt eines Antrags erlassen worden, denn die geltende Lohnordnung stammt von 1904, und alle Preissteigerungen, die ganze Verteuerung der Lebenshaltung seit 1904 waren bisher unbe⸗ rücksichtigt und unbeachtet geblieben. Den ersten Entwurf lehnten die Arbeiter ab, weil er völlig ungenügend war, dann kam ein an⸗ derer Entwurf, der dann tatsächlich zum 1. Januar 1914 in Kraft getreten ist. Diese neue Lohnordnung leidet an denselben großen Mängeln wie die bisherige; sie sieht nicht weniger als 13 Lohn⸗ klassen vor; die meisten Arbeiten werden aber nach wie vor in Akkord geleistet, will der Arbeiter also mehr verdienen, so muß er seinen Körper und seine Kräfte mehr anstrengen. Im großen und ganzen kann man sagen, daß bei Zeitlohn eine wirkliche Lohnerhöhung garnicht eingetreten ist. Es herrscht überall, besonders aber in Danzig, eine ganz ungeheure Antreiberei. In Lippstadt ist infolge dieser Antreiberei bei den Akkordarbeitern die Zahl der Lungenkranken erheblich gestiegen. Der General Wild von Hohenborn sprach von dem warmen Herzen der Verwaltung den in Privatbetrieben beschäftigten Arbeitern

gegenüber. Zeigen Sie doch Ihr warmes Herz für die eigen 8 Arbeiter in den Staatsbetrieben! Wir fordern die Beseitigung der

Akkordarbeit und eine gerechte Behandlung der Arbeiter.

(SüSchluß des Blattes.)

In der heutigen (78.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der geifllichar und Unter⸗ richtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, wurde zunächst bekannt gegeben, daß von dem Präsidenten des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ein Telegramm mit dem Dank für die Teilnahme des Hauses an seiner Trauer eingegangen ist.

Dann setzte das Haus die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten, und zwar die Erörterungen über den Fonds von 3,5 Millionen Mark (eine Million mehr als im Vorjahre) zu Beihilfen für die Jugendpflege fort. Hierzu liegt die Uebersicht über die Ausbildung und Fortbildung von Jugendpflegern und Jugendpflegerinnen im Etatsjahr 1913 vor, die die Budgetkommission nach Kenntnisnahme für erledigt zu erklären beantragt.

Das Wort ergriff zunächst der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz, dessen Rede morgen im Wortlaut wi dergegeb ven wird.

(Schluß des Blattes.)

Wohlfahrtspflege.

r Der Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen, Sitz Berlin, hat sich die Aufgabe gestellt, die Frage der zweckmäßigen Organisation der Ernährung der Arbeiter einer näheren Erörterung und Behandlung zu unterziehen. Die Wichtigkeit dieser Frage braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, erst recht nicht in einer Zeit, in der die Preise für Lebens⸗ mittel hoch sind. Nachdem berelts eine besondere Kommission für die Beschaffung von ortentierenden Unterlagen tätig gewesen ist, hat man bheschlossen, zunächst eine Denkschrift über den Stand der Arbeiterernährungsfrage zu veröffentlichen und so⸗ dann im Herst d. J. in Berlin⸗Charlottenburg in der Ständigen Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt eine Kon⸗ ferenz üher Arbeiterernährung zu veranstalten. Diese Kon⸗ ferenz soll sich vor allem mit den gemeinnützigen, genossenschaftlichen und industriellen Einrichtungen, die zur Verbesserung und Verbilligung der Arbeiterernährung in Groß⸗ und Industriestädten, in Industrie⸗, Staats⸗ und Gemeindebetrieben bisher geschaffen worden sind, be⸗ schäftigen. Im Anschluß an den einführenden Vortrag eines Physio⸗ logen über die Grundtatsachen der Arbeiterernährung, wie sie ist und wie sie sein sollte, werden die wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Fragen der bestehenden Massenbezüge von Lebensmitteln, der Massen⸗ küchen und Kantinen usw. auf Grund einer großen praktischen Stoff⸗ sammlung und der vorerwähnten Denkschrift behandelt und zur Er⸗ örterung gestellt werden. Die Teilnahme an der Konferenz steht allen Kreisen der Industrie und der Arbeiterschaft sowie den Vertretern der öffentlichen Verwaltungen, der Konsumvereine, der Volksspeisehallen usw. offen. An den Vorberatungen der Konferenz sind auch die Zentralstelle für Volkswohlfahrt, das Bureau für Sozial⸗ polstik in Berlin und das Soziale Museum in Frankfurt a. M. be⸗ 8 teiligt. Den Vorsitz in dem Unterausschusse, der vom „Zentralverein“ mit der Veranstaltung der Konferenz beauftragt ist, führt der Wirk⸗ liche Geheime Rat Dr. Thiel, Berlin⸗Steglitz.

Eine Konferenz für Fabrikwohlfahrtspflege, die sich mit einer verwandten Teilfrage aus dem Arbeiterernährungsproblem be⸗ fassen wird, nämlich mit dem Großeinkauf von Lebensmitteln und Bedarfsartikeln für die Arbeiterschaft, namentlich auch für die Fabrikkonsumanstalten, wird von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt bereits Mitte Juni in Berlin ver⸗ anstaltet werden. Eine Reihe von Vertretern verschiedener Firmen sol Berichte erstatten, an die sich eine Aussprache anschließt. Gleich⸗

zeitig wird diese Juni⸗Konferenz eine andere Frage erörtern: „Fabrik⸗

pflegerinnen und Fabrikschwestern, die ihnen zuerteilten Aufgaben und die bisherigen Erfahrungen“. 1“

Kunst und Wissenschaft.

Erste Ausstellung der „Freien Sezession“. 8

, 11

Wendet man sich den jüngeren Malern der Sezession zu, so ist der Gesamteindruck, den man von ihren Bildern davonträgt, böchst verworren und unklar. Man wäre so gern geneigt, in diesem Chaos ein tastendes Vorwärtsdrängen, ein Ringen nach neuen Ausdrucks⸗ möglichkeiten zu erblicken, wenn man nicht immer wieder bewußten Verzerrungen und krampfhaften Gewaltsamkeiten begegnete. Es ist bedauerlich, daß so viele schwach begabte Maler sich plötzlich expressionistisch gebärden. Ihre Kraft reicht nicht aus, die neuen Formen überzeugend zu gestalten, und so wirken ihre Gemälde lediglich roh und plump. Noch schlimmer steht es um jene Maler, auf deren Kunst der Expressionismus nur oberflächlich abgefärbt hat und deren Bilder daher eine unmögliche Mischung von stofflich charakteri⸗ sierender Malerei und von symbolischen Formen darstellen. Was soll man zu einem Bilde wie Artur Degners „Salome“ sagen, das im Grunde im Sinne Corinths erfaßt ist, jedoch in einer verwilderten derben Art aus⸗ geführt wurde? Auch die Gemälde Alfred Partikels, von denen nur die „Roggenernte“ persönlicheren Ausdruck und eigenen Klang der Farben aufweist, zeigen ein Streben nach großer, ausdrucksvoller Form, das mit der malerischen Behandlung der Dinge nicht recht zusammen⸗ gehen will. Die stark zusammenfassende und vereinfachende Art Otto Müllers kann nicht darüber hinwegtäuschen, was für ein konventioneller, gefälliger und geschickter Maler er im Grunde ist. Niedlich und gefällig ist auch das „Hôtel de la- Marine“ von Marie Laurencin, der es nicht an Empfindung und Einfällen fehlt, deren unverdienter Ruhm aber lediglich auf der interessanten“ Aufmachung ihrer Bilder begründet ist. Bei Heckel und Kirchner muß man diesmal den guten Willen für die Tat hinnehmen. Was sie jetzt ausstellen, ist primitiv, nicht aus ver⸗ haltener, konzentrierter Kraft, sondern aus Unvermögen, und wirkt daher besonders roh. Wer die grotesk verzerrten originellen Zeichnungen Lyonel Feiningers genaukennt, der wird sich nichtwundern, daß dieser Künstler als Maler jetzt beim Kubismus angekommen ist. Max Pechsteins „Mutter und Kind“ ist unter den Gemälden des modernsten Saales das einzige, das geschlossen und eindringlich wirkt und bei aller großzügigen Vereinfachung voller Feinheiten ist. Die dekorativen Kompositionen Karl Hofers wirken in dieser Aus⸗ stellung beinahe wie abgeklärte Meisterwerke und fesseln immer wieder, so oft man vor sie tritt. Die „Erwachenden Frauen“ und die Kompositton „Nach dem Bade“, die in der Farbe fahl und kalkig sind, haben einen Schmiß und eine Sicherheit, hinter der mehr als bloße Routine steckt. Im gleichen Saale fallen von Franz Heckendorf zwei Landschaften mit Industriebauten auf, die als Ganzes gut bezwungen sind und innerhalb einer trüben Skala farbig ziemlich reich erscheinen. Erich Waske verwendet in seinem „Selbstporträt als Einjähriger“ die glesche gespensterhaft gelbe Beleuchtung wie in seinen Landschaften und offenbart dadurch nachträglich den Trick, mit dessen Hilfe er in früheren landschaftlichen Kompositionen einen vorübergehenden Eindruck zu erzielen vermochte. Ueber das Bildnis des Grafen Zeppelin von Bernhard Pankok wird viel gespottet, man

*) Vergl. Nr. 104 d. Bl.