1914 / 112 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

für einen scheidenden Kameraden gemacht. Daß wir es an sozialer Fürsorge fehlen lassen für unsere Arbeiter, dagegen spricht vor allem der stete Zudrang zu unseren Werkstätten, die teilweise dieses Zu dranges wegen gesperrt werden müssen. Die Klagen über niedere Löhne sind nicht gerechtfertigt. Die neue Arbeitsordnung trägt hin⸗ ichtlich der Notierung für die Arbeitsstellen allen berechtigten Wün⸗ chen Rechnung. Die Satzungen für den Arbeiterausschuß haben wir ausgebaut; die Aisaassangemitalfeber sind jetzt in ihren Arbeits⸗ stellen gesichert, indem sie nur mit Genehmigung der höheren Dienst⸗ stellen entlassen werden dürfen. In der Wohnungsfrage tun wir, was wir irgend können, obwohl wir wissen, daß wir damit noch weit zurück sind; wir treten auch für die Arbeiter bei den anderen Ressorts ein, es sind jetzt hohe Summen in den Etat eingestellt, und die Gartenstadt in Staaken bei Spandau geht ihrer Vollendung entgeßen In den letzten 15 Jahren sind für Wohlfahrtseinrichtungen ein chließlich ein⸗ maliger Lohnerhöhungen und Erholungsurlaub und für besondere Schutzbestimmungen zusammen 10 694 000 verausgabt worden. Das macht jährlich einen Durchschnitt von über 700 000 ℳ. Dieser Durch⸗ schnitt wird noch höher, wenn man das in Betracht zieht, was allein in den letzten Jahren geschehen ist, dann beläuft er sich auf über 884 000 ℳ. Der Behörde kann man also kaum soziale Rückständigkeit vorwerfen. Bei den Artilleriedepots hatten nach der Statistik des Jahres 1911 57 % und bei den anderen Instituten 75 % ein Ein⸗ kommen von über 1050 bis 1500 ℳ. In Spandau haben wir Löhne von 1475 bis 2342 und außerhalb Spandaus von 1350 bis 2175 ℳ. Dazu kommen noch die nicht unerheblichen Lohnerhöhungen, die am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten sind. Hervorheben will ich noch, daß bei allen Lohnklassen eine bedeutende Lohnerhöhung ein⸗ getreten ist. Dazu kommt noch die Zulage für Arbeiten in gefährlichen Betrieben. Demgegenüber kann man sagen, daß die technischen In⸗ stitute in ihrer Fortentwicklung nicht stehengeblieben sind. Sie werden auch auf dem Wege sozialer Fürsorge fortschreiten.

Abg. Trimborn (GSentr.): Der Kriegsminister ist neben dem Eisenbahnminister und dem Staatssekretär des Reichspostamtes mit der größte Arbeitgeber im Reiche. Da ist es denn nicht verwunderlich, wenn allerlei Wünsche geäußert werden. Man muß anerkennen, daß die Militärverwaltung im allgemeinen bestrebt ist, sich von sozialen Ge⸗ sichtspunkten leiten zu lassen. Die Arbeiter beschweren sich darüber, daß die Arbeiterausschüsse nicht genügend gehört werden. Die Arbeiter haben das Gefühl, daß sie ihre Stellung verlieren, wenn sie energisch für ihre Interessen eintreten. Die Militärverwaltung hat ja durch die neuen Dienstanweisungen das Bestreben gezeigt, hierin den Arbeiter⸗ wünschen entgegenzukommen. Sie muß aber darauf sehen, daß die unteren Behörden dies auch befolgen. In Siegburg beschwert man sich, daß es im Gegensatz zu Spandau seit 1904 gar nicht berücksichtigt worden ist. Trotzdem herrschen dort dieselben Teuerungsverhältnisse wie in Spandau. Die Militärbehörde bezahlt allerdings nach den orts⸗ üblichen Tagessätzen, die in Siegburg niedriger als in Spandau sind. Aber man darf nicht vergessen, daß es sich bei den Militärarbeiten um besonders qualifizierte Arbeit handelt, die entsprechend höher bezahlt werden muß. Ferner wollen die Staatsbetriebe Musterbetriebe sein. Bei der Bestimmung der Löhne handelt es sich doch um Verträge, wo beide Teile gleichberechtigt sind. Bei dem militärischen Einschlag dieser Institute kommt es manchmal vor, daß die Form der Ab⸗ machung manchmal ziviler sein könnte. Alte Arbeiter einfach in niedrigere Lohnklassen zu versetzen, ist eine Härte. Es muß sich ein System ausarbeiten lassen, wobei auch diese auf ihre Rechnung kom⸗ men. Die Militärdienstzeit sollte man allen Arbeitern ohne Unterschied bei Lohnerhöhungen anrechnen, und nicht nur denen, bei denen sie in ihre Tätigkeit bei der Verwaltung fällt. In einer Denkschrift wurde ausgeführt, daß der Wunsch der Militärarbeiter nach Pensionskassen sich wegen der dauernden erheblichen Lasten für beide Teile nicht er⸗ füllen lasse. Da es aber die überwiegende Mehrzahl wünscht, so lassen

sich hoffentlich günstigere Bedingungen für eine Einrichtung solcher Kassen finden. Die Militärverwaltung möchte ich bitten, Arbeiter⸗ wohnungen und Beamtenwohnungen in Siegburg zu bauen. Hoffentlich wird das Gesetz über die Reichsgarantie für Arbeiter zustande kommen und dann auch den Arbeitern und Beamten in Siegburg

zugute kom⸗ Bei den Beamten haben wir es mit einer komplizierten Hierarchie zu tun. Für die Beamten möchte ich bis zur endgültigen Lösung der ganzen Frage die Anrechnung der etatsmäßigen Dienstzeit auf das Besoldungsalter, nichtpensionsfähige Stellenzulagen und die Vermehrung der Obermeisterstellen empfehlen. Das Endeinkommen der Meister sollte erhöht werden. Was gus der Besoldungsordnung werden wird, wissen wir noch nicht. Die Sache liegt heute nicht klarer als gestern. Gerade weil das so ist, wünschen die Leute mehr etats⸗ mäßige Stellen. Notwendig ist auch die Regelung des Urlaubs, Ueber mangelnde Sonntagsruhe habe ich aus Siegburg keine Klagen gehört. Anderswo mag es anders sein. Wo eine Etatisierung nicht möglich ist, sollten wenigstens höhere Löhne gezahlt werden. Die Bausekretäre in den militärtechnischen Instituten sollten hinter den Bausekretären in den übrigen Militäranstalten in der Berechnung des Dienstalters nicht zurückstehen. Diese Wünsche sollten mit Wohl⸗ wollen geprüft und vom Kriegsminister energisch beim Schatzsekretär vertreten werden. Eventuell könnten die dringendsten Bedürfnisse aus einem Unterstützungsfonds befriedigt werden.

Abg. Weinhausen (fortschr. Volksp.): Die deutschen In⸗ stitute sind in ihrer Bedeutung für das Heer hier öfter gewürdigt worden. Ihre Bedeutung ist in den letzten Jahren noch gewachsen. Der Reichstag hat nach der erheblichen Heeresvermehrung eine Reso⸗ lution beschlossen, die auf eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit dieser Institute drängt. Es handelt sich darum, die Preise möglichst günstig zu gestalten durch die Beachtung kaufmännischer Grundsätze. Das technische Element muß mehr hervortreten. Im vorigen Jahre sagte der General Wandel, alle staatlichen Waffeninstitute würden von Offizieren geleitet werden. Das ist aber nicht überall der Fall. Bei der Marine sind die Mechaniker in bevorzugter Stellung und in freierer Stellung als in der Militärverwaltung. Ferner ist es nicht richtig, daß unter den technischen Instituten für das Waffenwesen mehr Techniker angestellt seien als Offiziere. Das Verhältnis der Offiziere zu den Technikern ist 2,2: 1. Nun wurde im vorigen Jahre gesagt, wenn auch mehr Offiziere vorhanden seien, so wäre doch für deren technische Vorbildung hinreichend gesorgt durch einen akademischen

Kursus. Diese Vorbildung kann doch auf keinen Fall eine so um⸗ fassende sein wie die der Techniker. Ein weiterer Uebelstand des heutigen Systems ist der häufige Wechsel in den leitenden Stelles. Der Mangel an Stetigkeit muß die Wirtschaftlichkeit ungünstig beeinflussen. Die Arbeitsfreudigkeit der höheren Techniker kann nicht wachsen, wenn sie sich nicht frei ausleben können und die Leitung in Offizierhänden liegt. Man will nun die Stellung für die Offiziere zurch eine monatliche Zulage anziehender machen. Man will offenbar ine Prämie aussetzen. Das zeigt wieder, daß der Wirkungskreis er Techniker nicht weiter beschränkt werden darf. Ein weiterer Uebel⸗ stand ist die Heranziehung von Hilfskräften, von mittleren und interen Beamten, weil es den Offizieren an der nötigen Kenntnis ehlt. Ein Ausweg wäre es, ein paar der Stellen mit inaktiven ffizieren zu besetzen. Das würde außer der Ersparnis eine Stetig⸗ keit in der Leitung herbeiführen. Bei der Leitung der technischen Betriebe ist die Felddienstfähigkeit nicht unbedingt nötig. Geklagt vird ferner über die Vermehrung des Schreibwerks usw. Der Ge⸗ chäftsgang würde jedenfalls erheblich vereinfacht werden, wenn die pestehenden beiden Vorinstanzen wegfielen. Die Techniker haben tat⸗ sächlich bei der letzten Verbesserung der Bezüge schlecht abgeschnitten, die Aufbesserung wird durch die Beiträge zur Angestelltenversicherung wieder aufgezehrt. Die auf Privatdienstversicherung angestellten Techniker wünschen die Gleichstellung mit den Werktechnikern. Be⸗ sonders klagen sie darüber, daß sie bei der neuen Besoldungsordnung übergangen worden sind. Die Beamtenwünsche sind zum Teil schon von den Vorrednern vorgetragen worden, ein anderer Teil findet Be⸗ rücksichtigung in der Besoldungsnovelle oder ist anderweit erfüllt worden. Nicht Berücksichtigung gefunden haben die Waffenrevisoren, sie wünschen eine Besserstellung und auch eine Erhöhung des End⸗ gehalts. Die Kanzleischreiber, soweit sie aus dem Zivilanwärter⸗ stande hervorgegangen sind, fühlen sich gegenüber den in den letzten

men.

die Zivilschreiber verdienen größere Berücksichtigung. Das Einkommen der Meistergehilfen steht in keinem rechten Verhältnis zu dem der Meister; es wird gewünscht, daß das Endgehalt der Meistergehilfen dem Anfangsgehalt der Meister gleichgestellt werden möge. Ich habe nun die Resolution zu begründen, die meine Parteifreunde eingebracht haben: „Den Reichskanzler zu ersuchen, im Interesse der unteren Beamten bei der Heeresverwaltung, in den Lazaretten, Garnisonverwaltungen, Kasernen, Kadettenanstalten, Bekleidungs⸗ und Proviantämtern, Bäckereien usw. auf Regelung der Dienststunden und Einführung offen aushängender Stundenpläne hinzuwirken und gleichzeitig für geregelte Sonntagsruhe und ausreichenden Erholungs⸗ urlaub Sorge zu tragen.“ Noch immer kommen 14⸗ bis 18 stündige Arbeitszeiten vor, und ein Anspruch auf Pausen in der Arbeit besteht vielfach überhaupt nicht. Die Militärverwaltung soll nicht ein⸗ wenden, daß, da sie auf diesem Gebiete nicht für sich allein vorgehen kann, nun einmal erst andere Ressorts damit beginnen möchten; sie kann sehr wohl auf diesem Gebiete den Anfang machen. Die Hand⸗ werker bitten um die Beseitigung der dritten Lohnstufe in den sämt⸗ lichen technischen Instituten. Für die Arbeiter muß besonders auf dem Gebiete der Wohnungsfrage mehr geschehen. Die Wohnungs⸗ schwierigkeiten sind in Danzig ebenso schwierig wie in Spandau; es muß also Danzig recht sein, was Spandau billig ist. Die Einführung der wöchentlichen Lohnzahlung ist durchaus notwendig; namentlich zu Weihnachten macht sich der Nachteil der Zweiwochenperiode über⸗ aus hart fühlbar. Die Bezahlung der gesetzlichen Wochenfeiertage hat der Reichstag schon im vorigen Jahre einstimmig gefordert; hoffentlich werden die neuen Herren in der Heeresverwaltung sich dem Gedanken geneigt zeigen und zur Erfüllung dieses Wunsches der Arbeiterschaft die Hand bieten und eventuell dazu die Initiative er⸗ greifen, denn eine Verwaltung muß doch damit vorgehen, wenn überhaupt ein Anfang gemacht werden soll. Die Steindrucker in diesen technischen Instituten sind den Steindruckern in anderen Reichs⸗ betrieben noch immer nicht gleichgestellt. Geklagt wird immer noch darüber, daß die Behandlung der Arbeiter in diesen Instituten eine streng militärische ist, daß der Arbeiter, die Hände an der Hosennaht, stramm stehen muß, wenn der Vorgesetzte des Instituts vorübergeht. Die Wünsche der Militärarbeiter von Danzig wegen Gleichstellung mit denen von Spandau, wegen Ausdehnung des Erholungsurlaubs usw. haben bereits ein ehrwürdiges Alter erreicht, ohne bisher Er⸗ hörung zu fi

finden. In der neuen Lohnordnung finden sich vielfache Un⸗ stimmigkeiten, die am deutlichsten bei der Pensionierung und beim Erholungsurlaub hervortreten. Durch unsere Resolution wollen wir der Militärverwaltung dringend ans Herz legen, für Regelung der berechtigten Ansprüche der Arbeiter zu sorgen. In einer Resolution haben wir die Regelung des Staatsarbeiterrechts nach bestimmten Gesichtspunkten gefordert. Leider hat man dies abgelehnt, trotzdem halten wir es auch jetzt noch für das Richtigste. Für die Ausschuß⸗ mitglieder fordern wir die Sicherheit, wie sie die Sicherheitsmänner in der preußischen Bergwerksverwaltung haben. Wir stimmen dem zu, daß die Verwaltung auf dem Wege sozialer Fürsorge fortschreiten will. Aber auch das soziale Arbeitsrecht darf dabei nicht zu kurz kommen.

Abg. von Graefe (dkons.): Ich versichere dem Kriegsminister, daß meine politischen Freunde fast in allen Einzelheiten dem zustimmen, was in dieser Beziehung angeordnet worden ist. Ich stehe auch jetzt noch auf dem Standpunkte, daß den Arbeitnehmern in der Staats⸗ verwaltung hier im Parlament Mittel und Wege gegeben sind, um ihre Wünsche vorbringen zu können. Ich muß hier die Wünsche unter⸗ streichen, die von den Handwerkern in den militärtechnischen In⸗ stituten geäußert werden. Ich freue mich, daß das Kriegsministerium in allen seinen Unterabteilungen das ernsteste Bestreben hat, die vor⸗ gebrachten Wünsche in der wohlwollendsten und gerechtesten Weise zu prüfen und eventuell Abhilfe zu schaffen. Besonderen Dank schul⸗ den wir dem kürzlich verstorbenen Oberstleutnant Schulz, mit dem zu⸗ sammen zu arbeiten, mir stets eine Freude gewesen ist. Ich weiß, daß die Handwerker den schweren Verlust empfinden, den sie er itten haben. Ich hoffe, daß sein Nachfolger in seinen Bahnen weiterwandeln wird. Gewünscht wird dringend die Bezahlung der gesetzlichen Feier⸗ tage. Ich nehme nicht an, daß das Kriegsministerium dieser Frage im Prinzip ablehnend gegenübersteht. Man kann es verstehen, daß es hier nicht allein vorgehen kann, da diese Frage mit anderen Ressorts zusammen geregelt werden muß. Aber ich hoffe, daß es hierbei die Initiative ergreifen wird. Notwendig ist auch ein Ausgleich der Löhne an den verschiedenen Orten. Es wurde ja schon darauf hin⸗ gewiesen, daß man dabei nicht immer auf die gleichartige Industrie sehen, sondern auch die Qualität der Arbeit beachten muß. Das gilt ganz besonders für die Handwerker. Die Staatsinstitute müssen hier auch in der Bezahlung an der Spitze stehen. Mit Recht wird darüber geklagt, daß die Bestrebungen der obersten Stellen nicht immer bei den untersten beachtet werden. Es ist selbstverständlich, daß das, was befohlen wird, auch bis zu der untersten Stelle durchgeführt werden muß. Bei Festsetzung der Stücklöhne hat sich ja schon manches ge⸗ bessert. Aber es wird noch immer darüber geklagt, daß ihre Festsetzung nicht im Verhältnis zu den Tagelöhnen geschieht, unter denen die be⸗ treffenden Arbeiter sonst arbeiten. Ein weiterer Wunsch ist der, daß die handwerksmäßig ausgebildeten Arbeiter aus der dritten Lohnklasse herauskommen. Hier mögen ja einige Schwierigkeiten vorliegen, aber diese werden sich bei einigem guten Willen sicher überwinden lassen. Gegen den Bund der Handwerker sind von sozialistischer Seite ganz ungerechtfertigte Angriffe gerichtet worden, die ich zurückweisen muß. Man hat einen Artikel in die Welt hinausgeschickt mit der Ueber⸗ schrift: Gelbe Korruption. Ein solches Unrecht sollten Arbeiter gegen Arbeiter und Handwerker gegen Handwerker am wenigsten begehen. Es ist doch keine Korruption, wenn eine Organisation in aller Oeffent⸗ lichkeit eine Summe für Fortbildungsschulzwecke fordert. Der ganze Artikel bringt schmähliche Verdächtigungen, die als unwürdig be⸗ zeichnet werden müssen. Wenn die Sozialdemokratie so gegen andere Arbeiterorganisationen vorgeht, so beweist das nur, daß sie nicht das Arbeiterinteresse vertritt, sondern daß sie lediglich die große Zahl der Wähler als Vorspann für die politische Macht ausnutzen will. Es geht doch nicht an, die gelben Arbeiterverbände als Feiglinge und ähnliches hinzustellen. Es ist eine Unwahrheit, wenn man behauptet, daß sie den Streik ohne weiteres verwerfen. Sie betrachtet ihn je⸗ doch nur als eine ultima ratio, wie den Krieg zwischen den Völkern. Deshalb suchen sie ihn zu vermeiden, soweit es nur irgend möglich ist. Die Stellungnahme der Sozialdemokratie gegenüber den natio⸗ nalen Arbeiterverbänden muß den Arbeitern zeigen, auf welcher Seite ihre wahren Freunde sind. Deshalb wünschen wir auch, daß die Ver⸗ waltung den berechtigten Wünschen der Arbeiterschaft entgegenkommt, da dies im Interesse unserer sozialen Entwicklung liegt.

Abg. Ponschab (Zentr.) tritt ein für die Besserstellung der Schirrmeister und Wallmeister, damit sie nicht in so großer Zahl die staatlichen Betriebe verlassen und sich der Privatindustrie zuwenden.

Abg. Dr. Erdmann (Soz.): In das Loblied des Abg. von Graefe auf die „gelben“ Gewerkschaften kann ich nicht einstimmen. Auf dem Konareß für soziale Reform sind sie als das gekennzeichnet worden, was sie sind, als ein Machtmittel in der Hand der Unter⸗ nehmer. Die Militärverwaltung zahlt keine Phantasielöhne, es ist also nicht notwendig, auf die Verwaltung maßgebend einzuwirken. Der Abg. Trimborn hat sich mit den Siegburger Werkstätten beschäftigt. Daß die Staatsbetriebe die Ausbildung der Lehrlinge in die Hand nehmen, ist zu billigen. Die Unternehmer verlangen aber etwas anderes, sie beschweren sich in einer Eingabe, daß die Löhne in den staatlichen Betrieben höher seien als in den Privatbetrieben. Sie verlangen die Anpassung der Löhne in den Staatsbetrieben an die der Privatbetriebe, wollen also, daß die Staatslöhne erniedrigt wer⸗ den. Ich würde es bedauern, wenn die Verwaltung diesem Verlangen entspräche. Ferner hat das Unternehmertum, vertreten durch die Bonner Handelskammer, sich bereit erklärt, der Verwaltung mit einer Statistik zu dienen, um ausgleichend auf die Löhne zu wirken. Die Löhne um Siegburg sind nicht so hoch wie anderswo, sonst würden die Arbeiter nicht in entfernte Fabriken gehen. Die Löhne in den staatlichen Betrieben in Siegburg sind keineswegs übermäßig hoch. Die Heranziehung von Arbeitern aus entfernten Gegenden zu den

Zur Geschäftsordnung bedauert der

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.), wegen Schluß der Debatte ver⸗ hindert zu sein auf die Mißstände in den Spandauer Staatswerk⸗ stätten eingehen zu können. 1

Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. B ü chner (Soz.) werden die Besoldungen im Kapitel „Artillerie⸗ und Waffenwesen“ bewilligt.

Bei den Ausgaben für Instandsetzung und Er⸗ haltung der Bestände an kleinen Hand⸗ und Feuerwaffen und Maschinengewehren in den Artilleriedepots usw. beschwert sich der

Abg. Haberland (Soz.) über die ungenügenden Lohnverhält⸗ nisse in den Fabriken, die mit Aufträgen bedacht sind. Die Militär⸗ verwaltung sollte dafür sorgen, daß diese Firmen das Koalitionsrecht der Arbeiter respektieren. Es seien auch manche Arbeiter gemaßregelt worden, die 10 Jahre in demselben Betriebe gewesen seien. Es besteht die Gefahr, daß die besten Arbeiter dem Betriebe verloren gehen.

Inzwischen ist ein Antrag der fortschrittlichen Volkspartei auf namentliche Abstimmung über die Forderung für das Militärkabinett in der Viktoriastraße eingegangen; der Antrag findet bei der schwachen Besetzung der linken Seite des Hauses nicht die ausreichende Unterstützung von 50 Mitgliedern.

Bei den Ausgaben für B 1“ ng, Anferti⸗ gung und Erhaltung der Munition, Kosten der Schießübungen der Artillerie usw. beklagt sich der

Abg. Raute (Soz.) über die schlechte Bezahlung der Munitions⸗ körbe durch die Verwaltung in Düben, die nicht einmal die Produk⸗ tionskosten deckt.

Die Resolution Ablaß, betreffend die Regelung der Dienststunden für die unteren Beamten der Heeresverwaltung, wird angenommen.

Bei den Ausgaben für Festungen, Ingenieur⸗, Pionier⸗ und Verkehrswesen spricht der

Abg. Duffner (Zentr.) sein lebhaftes Bedauern über die Un⸗ glücksfälle von Mannschaften bei Uebungen aus und empfiehlt die Ver⸗ wendung von Motorbooten.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Ich danke dem Vorredner für das warme Herz, das er für die Soldaten hat, die das Leben bei Uebungen gelassen haben. Mit der Verwendung von Motor⸗ booten sind Versuche gemacht worden. Ein Erfolg ist mit ihnen bis⸗ her deshalb nicht erzielt worden, weil ihr Transport auf dem Lande durch ihr großes Gewicht erschwert ist. Sie haben sich also vorläufig als nicht praktisch erwiesen.

Abg. Kuckhoff (Zentr.): Die Stadt Cöln ist durch das Rayon⸗ gesetz noch immer außerordentlich benachteiligt; das ist im vorigen Jahre hier und in diesem Jahre bei Gelegenheit der Eingemeindungs⸗ frage im preußischen Abgeordnetenhause ausführlich erörtert worden. Das Schmerzenskind ist die Vorgebirgsbahn von Bonn über Brühl nach Cöln; sie entspricht durchaus nicht mehr den modernen Verkehrs⸗ anforderungen, sie erscheint heute als ein vorsintflutliches Beförderungs⸗ mittel. Der Bahnkörper muß verlegt werden, und dabei kommt das Festungsgelände in Frage. Das Kriegsministerium läßt bezüglich der Vorgebirgsbahn die Stadt Cöln schon seit 1 ½ Jahren auf seine Ent⸗ scheidung warten; es will eine möglichst hohe Entschädigung heraus⸗ schlagen. Die Stadt und die Verkehrsinteressenten sind dabei die Leid⸗ tragenden. Der Landkreis Cöln beschwert sich bitter über diese Ver⸗ zögerung. Ich habe auf dem Wege einer Anfrage die Sache schon frü⸗ her zur Sprache gebracht, aber die Antwort konnte nicht befriedigen, sie war lediglich geeignet, die Sache auf die lange Bank zu schieben. Die Beschränkung des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen nach dem Reichsrayongesetz benachteiligt die Besitzer außerordentlich, insbesondere kann durch § 13 den Eigentümern unberechenbarer Scha⸗ den erwachsen, wenn sie nicht von den Absichten der Heeresverwaltung in bezug auf das Gelände unterrichtet sind. Eine solche Benachrichti⸗ gung sollte in irgend einer Form erfolgen, um die Beteiligten vor Scha⸗ den zu bewahren.

Generalmajor Wild von Hohenborn: In der Angelegen⸗ heit der Cöln⸗Bonner Kreisbahn werden die Verhandlungen nach Möglichkeit beschleunigt und das irgend tunliche Entgegenkommen wird seitens der Heeresverwaltung bewiesen. In bezug auf das Rayon⸗ gesetz sind neuerdings von der Kommandantur Anweisungen ergangen, daß auch über die ortsübliche öffentliche Bekanntmachung hinaus jedem Besitzer, für den eine Entschädigung in Frage kommt, eine besondere Benachrichtigung zugehen soll. Wir sind also damit den Wünschen des Vorredners nicht nur nach⸗ sondern zuvorgekommen.

Es ist inzwischen ein mit 50 Unterschriften versehener An⸗ trag auf namentliche Abstimmung über den Erwerb des Grundstückes Viktoriastraße 34 in Berlin für das Militär⸗ kabinett eingegangen. Die Abstimmung wird morgen vor⸗ genommen werden.

Bei den Ausgaben für Instandhaltung und kleinere Neubauten an den Festungswerken bringt der

Abg. Trimborn (Zentr.) Wünsche auf Besserstellung und teil⸗ weise Etatisierung der Zivilschreiber bei den Fortifikationen vor.

Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.) befürwortet die Wünsche, die eine aus Metz eingelaufene Petition der Fortifikationsarbeiter um anderweite Berechnung der Kilometergelder vorschlägt, und empfiehlt eine günstigere Berechnung der Ueberstunden für die Kutscher des Ar⸗ tilleriedepots Straßburg, sowie eine anderweite Regelung des Be⸗ schwerderechts für die Arbeiter der Heeresverwaltung überhaupt.

Generalmojor Wild von Hohenborn sagt tunlichste Er⸗ füllung dieser Wünsche zu.

Zu den Unterstützungen für das nichtpen⸗

sionsberechtigte Betriebsarbeiterpersonal bemerkt der 8

Abg. Schirmer (Zentr.): Im Jahre 1901 habe ich im baye⸗ rischen Landtage die Frage angeregt, ob die Einrichtungen für Unter⸗ stützung nicht so ausgebaut werden können, daß den betreffenden Ar⸗ beitern ein Rechtsanspruch zusteht. Die bayerische Regierung hat sich zur Einrichtung von Pensionskassen bereit erklärt, falls auch andere Kontingente solche Kassen schaffen. Andere Verwaltungen sind hier weiter fortgeschritten. Wenn das Kriegsministerium an sozialen Ein⸗ richtungen wirklich hinter den andern nicht zurückstehen will, dann muß die Heeresverwaltung auch solche Kassen schaffen. Das ist um so nöti⸗ ger, als der größte Teil der Arbeiter es wünscht.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Die Einrichtung von Pensionskassen an Stelle des jetzt bestehenden Unterstützungsfonds wird in großen Kreisen der Arbeiterschaft selbst nicht gewünscht. Auch die Tagung großer Militärarbeiterorganisationen in Berlin hat uns in unserer Ansicht nicht wankend gemacht. Man wünscht diese Kassen, um einen rechtlichen Anspruch zu haben. Die Arbeiter halten die von uns für nötig gehaltenen Beiträge für zu hoch. Aber Versicherungs⸗ fachleute sind hier unserer Meinung. Es handelt sich um mindestens 44 ½¼ Millionen. Es sind weitere Wünsche geäußert worden, daß schon die Pensionskasse bei Eintritt der Berufsinvalidität in Anspruch ge⸗ nommen werden soll. Das würde noch höhere Beiträge erfordern. Ein solches Vorgehen müßte aber auch auf andere Behörden zurückwirken.⸗ Es freut mich, daß auf der Tagung anerkannt wurde, daß dee Verwaltung bei Gewährungen aus dem Unterstützungsfonds loyal vor⸗ geht. Es wurde auf die Abhängigkeit von der Gnade der Vorgesetzten bei Gewährungen aus dem Unterstützungsfonds hingewiesen. Dieses Moment ist aber bei der Pensionskasse nicht völlig ausgeschaltet, da ja der Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen den Arbeitsvertrag diesen lösen kann, sodaß dann der Arbeiter den Anspruch auf Ruhe⸗ gehalt verliert. Die Errichtung einer Pensionskasse mit rechtlichem Anspruch würde auch zur Folge haben, daß die Betreffenden von der Invalidenversicherung befreit sind. Das liegt weder im Interesse der

Jahren erheblich bessergestellten Militäranwärtern benachteiligt. Auch . 8

Staatsbetrieben kann die Arbeiter nur schädigen. b

Arbeiter noch der Verwaltung.

In Konsequenz der Streichung der Ostmarkenzulage für die Postbeamten wird auch hier die für die angestellten mitt leren Kanzlei⸗ und Unterbeamten in Posen und Westpreußen ausgeworfene Summe von 109 000 gestrichen.

In den einmaligen Ausgaben hat die Kommission 3 Mil⸗ lionen zum Erwerb des Grundstücks Viktoria⸗ straße 34 in Berlin, sowie für Um⸗ und Ergän⸗ zungsbauten und Ergänzungder Geräteaus⸗ stattung für die Geschäftszimmer als erste Rate gestrichen.

Abg. Hüttmann (Soz.) beschwert sich, daß die Tarisverträge von den Arbeitgebern namentlich im Baugewerbe nicht innegehalten werden. Er will auf allgemeine Arbeiterfragen eingehen, wird aber vom Vizepräsidenten Pausche darauf hingewiesen, daß es nicht üblich ist, hier noch einmal allgemeine Fragen zu besprechen.

Abg. Erzberger (Zentr.) als Berichterstatter empfiehlt die Streichung des Postens infolge der Kommissionsbeschlüsse.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Fal⸗ kenhayn:

Meine Herren! Bei der ersten Beratung dieser Vorlage und noch eingehender in der Budgetkommission habe ich die zwingenden Gründe dargelegt, die es mir zur Pflicht machten, diese Vorlage vor das hohe Haus zu bringen. Von der überwiegenden Mehrheit der Budgetkommission ist mir auch nicht bestritten worden, daß die Heeresverwaltung, wenn sie die wirtschaftlichen und dienstlichen Inter⸗ essen des Reichs wahren wollte, mit der Vorlage kommen mußte. Ich darf es dem hohen Hause überlassen, bei der Abstimmung die Konse⸗ quenzen aus dieser Sachlage zu ziehen.

Eine weitere Diskussion findet nicht statt. mung wird auf morgen verschoben.

Zum Neubau und zur Ausstattung einer evangelischen Garnisonkirche in Münster in Westfalen werden als erste Rate 60 000 gefordert.

Abg. Freiherr von Kerckerinck zur Borg (Gentr.) lenkt die Aufmerksamkeit der Verwaltung auch auf die Notwendigkeit des Um⸗ baues der katholischen Garnisonkirche in Münster.

Zu der Forderung einer ersten Rate für Entwürfe zum Neubau eines Generalkommandodienst⸗ und Wohngebäudes in Frankfurt a. M. be⸗ mängelt der

Abg. Dr. Quarck⸗Frankfurt a. M. (Soz.), daß der Kosten⸗ anschlag von 700 000 und die Begründung der Forderung gegen das

Vorjahr fast unverändert geblieben sei, obwohl das Haus die For⸗ derung damals abgelehnt habe. Namentlich werde jetzt wieder ange⸗ führt, daß Repräsentationsräume gänzlich fehlen. Das jetzige Dienst⸗ gebäude für das Generalkommando befände sich aber in der brillantesten Lage der Stadt und entspreche allen berechtigten Anforderungen. Die wiederholte Anforderung sei symptomatisch für die Behandlung des Reichstages durch die Verwaltung. Um den Reichstag gefügig zu machen, habe die Verwaltung mit der Verlegung des Generalkom⸗ mandos nach Wiesbaden gedroht. Der Nachweis für das Bedürfnis sei jetzt ebensowenig erbracht wie vor einem Jahre. Es sei auf die Stadt ein Druck ausgeübt worden, dem sie sich gefügt habe. Es han dele sich hier um ein Musterbeispiel für die Behandlung der Städte durch die Militärverwaltung.

Generalmajor von Schöler: Die Wohnung des komman⸗ dierenden Generals ist gewiß gut, aber sie entbehrt jeder Repräsen⸗ tationsräume, um seinen gesellschaftlichen Pflichten zu genügen. Er muß jetzt mit seinen Gesellschaften in ein Hotel gehen, was ihm er⸗ hebliche Kosten verursacht. Im Wege des Austausches mit der Stadt Frankfurt ist es gelungen, gegen das vorjährige Projekt ein billigeres Baugelände zu finden.

Berichterstatter Abg. Erzberger (Zentr.): Der Magistrat Frankfurt hat zugegeben, daß die Stadt ein gutes Geschäft macht.

Die Abstim

Frankfurt wird also nicht geschädigt.

Abg. Dr. Quarck⸗Frankfurt (Soz.): Die Begründung des Ge⸗ nerals von Schöler ist dieselbe wie im Vorjahre. Damals hat der Reichstag die Forderung abgelehnt. Daß der kommandierende General seine Gesellschaften im Hotel geben muß, ist kein Grund für die For⸗

erung. Frankfurt ist ohnehin schon stark belastet.

Die Forderung wird bewilligt.

Bei der zweiten Rate von 500 000 zur Ausstattung des Truppenübungsplatzes des 14. Armeekorps (Heuberg) bittet der

Abg. Belzer (Zentr.) um Berücksichtigung der Wünsche der Anwohner des Truppenübungsplatzes und des ansässigen Handwerks, sowie der Landwirte bei Bezug von Hafer.

Generglmajor von Schöler: Die Wünsche des Vorredners werden geprüft und, soweit es angängig ist, berücksichtigt werden.

Bei der Beschaffung von Feldartil eriegerät bemerkt der

Abg. Erzberger (Bentr.) als Berichterstatter, daß er mit bezug auf die gestrigen Beschuldigungen des Abg. Liebknecht gegenüber der Firma Goerz feststellen müsse, daß der Staatsanwalt es zweimal abgelehnt habe, gegen diese Firma wegen Betruges, Urkundenfälschung und Bestechung Anklage zu erheben. Der Abg. Liebknecht habe also gestern eine angesehene Firma zu Unrecht hier beschuldigt.

Im übrigen wird das gesamte Extraordinarium im or⸗ dentlichen Etat durchweg nach den Anträgen und den von der Kommission vorgeschlagenen Abstrichen und Streichungen be⸗ willigt, ebenso der außerordentliche Etat für Festungsbauten.

Bei den Einnahmen, und zwar aus dem Druck und Verlag der Rangliste 9500 ℳ., bemerkt der

Abg. Dr. Neumamn⸗Hofer sfortschr. Volksp.): Man muß sich fragen, ob es nicht möglich ist, hier großere Einnahmen für das Reich u schaffen. Die Rangliste wird von der Firma Mittler & Sohn erausgegeben, für die es ein Millionenobjekt ist. Ich frage, ob die Militärverwaltung hier einen Gegenwert hat. Ich halte es sonst für durchaus gerechtfertigt, zu erwägen, ob die jetzigen Verhältnisse nicht geändert werden können.

Auch die Einnahmen der Heeresverwaltung der preußi⸗ schen, sächsischen und württembergischen Militärkontingente werden nach den Anträgen der Budgetkommission genehmigt. Ueber die eingegangenen Petitionen wird nach den Kom⸗ missionsanträgen beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung des Militäretats erledigt.

Das Haus geht über zur Fortsetzung der Spezialberatung des Kolonialetats, und zwar zum Etat fur das Schutzgebiel Kamerun. Dazu beantragt die Budgetkommission fol⸗ gende Resolution:

1) den Reichskanzler zu ersuchen, zum nächsten Etat eine Denk⸗ schrift über die Beseitigung der bisherigen Sklaverei⸗ und Hörig⸗ keitsverhältnisse in Kamerun vorzulegen;

9) der Reichstag stimmt den Maßnahmen und Ausgaben für

die Sanierung von Duala mit der Maßgabe zu, daß

1. nicht nur für das zu enteignende Land genügende Entschädi⸗

gung gewährt wird, sondern auch für alle anderen den Ent⸗ eigneten durch die Enteignung entstehenden wirtschaftlichen Schäden;

2. das durch die Enteignung vom Fiskus erworbene Land im Sinne der Landordnung von Kiautschou verwaltet und ver⸗ wertet wird;

3. den Eingeborenen ein unmittelbarer in einer ihren wirt⸗ schaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Breite Zugang zum Kamerunfluß gegeben wird; 1—

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4. mit allem Nachdruck in Kamerun jeder Agitation gegen die

vpoon der Regierung und vom Reichstage endgültig beschlossene Enteignung entgegengetreten wird, sobald diese Agitation

Fpormen annimmt, wodurch die politische Ruhe gefährdet wird.

Die Petition des Rechtsanwalts Dr. Halpert zu Berlin, die Beschlußfassung bis zum nächsten Jahre auszusetzen und vor der Bewilligung den Dualas Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zur Enteignungsfrage persönlich darzulegen, soll durch die Beschlußfassung für erledigt erklärt werden.

Abg. Braband ffortschr. Volksp.) als Berichterstatter be⸗ merkt, daß gerade über diesen Etat sehr eingehende und lange Er⸗ örterungen in der Kommission stattgefunden haben. Man könne sich darüber wundern angesichts der Tatsache, daß schließlich die Kom⸗ mission nur sehr unerhebliche Abweichungen an der Regierungsvor⸗ lage vorgenommen hat. Die Budgetkommission mußte jedoch wegen der Duala⸗Angelegenheit vor den Osterferien die Beratungen unterbrechen, da die Kolonialverwaltung nicht über alle Fragen genügenden Auf⸗ schluß geben konnte. So war die Angelegenheit des zurückgehaltenen Telegramms und die Stellung der Kolonialbehörden genauer zu 1 Inzwischen ist ja auch die Denkschrift hierüber erschienen.

ie große Mehrheit der Kommission stand auf dem Standpunkt, daß Duala saniert werden muß, soweit es das allgemeine Interesse er⸗ fordert. Der Streitpunkt ging dahin, ob die Sanierung im Umfange der Regierungsvorlage vorzunehmen und der ganze Dualastamm von seinen jetzigen Wohnsitzen zu entfernen sei. Die Mehrheit der Kom⸗ mission habe die Frage bejaht, sich aber auch auf den Standpunkt ge⸗ stellt, daß den Dualas nicht nur der materielle, sondern auch der zu⸗ künftige, wirtschaftliche Schaden ersetzt werde. Sie würden in eine ungünstige Lage gebracht, da die Weißen von den Schwarzen völlig getrennt und zwischen ihnen eine freie Zone von einem Kilometer ge⸗ schaffen werden solle. Die Denkschrift führt den Widerstand der Schwarzen auf Treibereien aus weißen Kreisen zurück. Auch wird aufmerksam gemacht, daß die Schwarzen, ohne selbst etwas zu tun, aus der veränderten Lage Nutzen ziehen wollten. Gegenüber diesen Ausführungen der Denkschrift sei in der Kommission darauf hinge⸗ wiesen worden, daß Vorkehrungen getroffen werden müßten, daß schließlich nicht an Stelle des schwarzen Grundstücksspekulanten der

daß unter allen Umständen die Autorität der Regierung aufrecht er⸗ halten werden müsse, dies sei im Interesse der Ruhe und des Friedens der Kolonie durchaus nötig.

„Abg. Wels (Soz.): Den Darlegungen des Referenten gegen⸗ über stelle ich fest, daß die Regierung eine bestimmte, klare, unzwei⸗ deutige Antwort auf das Verlangen nach völliger Klarstellung der Dualafrage abgelehnt hat. Wir konnten den Gouverneur Ebermaier in der Kommission persönlich begrüßen, er aber wie der Staatssekretär Dr. Solf haben in allen Sprachen geschwiegen. Die Vorkommnisse in Duala zeigen uns, daß unser Verlangen, daß Rechenschaft gegeben werde, gar nicht scharf genug gestellt werden kann. Im Norden Kameruns haben sich ganz ähnliche Dinge zugetragen, wie in Duala, ganz ebenso geeignet, uns die einheimische Bevölkerung zu den ärgsten Feinden zu machen. Die Schuldige ist die Westafrikanische Handels⸗ gesellschaft. Auch hier wird den Eingeborenen einfach ihr Land weg⸗ genommen, ihre Kakaopflanzungen werden von der Handelsgesellschaft einfach konfisziert, und das alles auf Grund von Verträgen, deren Tragweite die Eingeborenen nicht entfernt übersehen konnten. Die Kolonialverwaltung muß jetzt, um das Schlimniste zu verhüten, von der Gesellschaft einen Teil des Landes für die Eingeborenen zurück⸗ kaufen. Das Ganze ist ein öffentlicher Skandal schlimmster Art. Ebenso haben sich die Vertreter der Gesellschaft ein mit Palmbäumen bepflanztes großes Gebiet anscheinend widerrechtlich angeeignet; jeden⸗ falls müßten die angeblichen Kaufverträge erst einmal auf ihre Gültig⸗ keit geprüft werden. Die Bureaukratie in der Verwaltung von Kamerun hat sich als ganz hervorragend unzulänglich erwiesen. Konzessionsgesellschaften wirtschaften mit unerhörter Willkür; die an⸗ geblichen Kaufverträge umschließen ganze Dörfer, aus denen die Ein⸗ geborenen mit Gewalt vertrieben werden. Die Mißwirtschaft des Herrn von Puttkamer ist seinerzeit vom ganzen Reichstage verurteilt worden; von Puttkamer wurde zur Verantwortung gezogen und hat Kamerun nicht wiedergesehen. Jetzt aber scheint die Regierung den Zeitpunkt für gekommen zu halten, wo den Negern der Herren⸗ standpunkt ohne jede Einschränkung gezeigt werden muß. Die famose „Sanierung“ der Duala soll dem Reiche 3 ½¼ Millionen kosten; jetzt ist nur eine erste Rate von 2 230 000 angefordert. Gegen die Sanierung an sich haben wir nichts; wir haben uns ja schon früher dafür ausgesprochen, als der erste Schritt geschah; jetzt aber sehen wir Maßnahmen in der Ausführung begriffen, die den früheren Versprechungen der Regierung geradezu ins Gesicht schlagen. Mit den Eingeborenen soll kurzer Prozeß gemacht werden. Ihre Rechte werden einfach ignoriert. Eine loyale Durchführung der Enteignung unter Schonung der Duala würden wir auch billigen. Die von uns verlangte Vorlegung des Enteignungsbriefwechsels ist seitens der Kolonialverwaltung nicht erfolgt. Der Kolonialstaatssekretär hat noch im März hier erklärt, sein Prinzip sei: Nichts vertuschen, volle Offenheit. Es steht aber fest, daß das Kolonialamt die von dem Gouvernement Kamerun eingeschickte Denkschrift geändert und die „für die Oeffentlichkeit nicht geeigneten Stellen“ aus derselben be⸗ seitigt hat. Auf diese Konstatierung hat der Staatssekretär in der Kommission geschwiegen; lege er uns doch die Originalkorrespondenz zwischen dem Amt und dem Gouvernement vor. Wenn die Enteignung verbunden wird mit Zwangsansiedlung an einem bestimm⸗ ten Platze, so wird der Gerechtigkeit damit ins Gesicht geschlagen. Mit Prügel⸗ und Gefängnisstrafen bedacht worden sind Einge⸗ borene, weil sie Ausbesserungen an ihren Hütten vorgenommen haben. Die Neger sind gezwungen, in durchlöcherten Hütten zu wohnen, wodurch ihre Gesundheit geschädigt wird. Ich habe den Staatssekre⸗ tär gebeten, die Straflisten vorzulegen. Auch das ist nicht geschehen. Die Eingeborenen sind gezwungen worden, aus dem Lande zu fliehen. Hier ist gesagt worden, daß etwa 700 Mitglieder von Duala über die Grenze nach Britisch Nigeria entwichen seien. Die Art der Enteignung hat den Eingeborenen den Glauben an den guten Willen der Regierung genommen. Niemand denkt von ihnen daran, sich mit Waffengewalt zu wehren. In Nigeria haben die Neger bessere Aus⸗ sichten. Wenn man so verfährt, wie es mit Rudolph Bell geschehen ist, dann kann man sich über die Haltung der Neger nicht wundern. Die Regierung hat in ihrer Denkschrift erklärt, King Bell dürfe nicht nach Berlin kommen, weil er für die an Ort und Stelle ge⸗ botenen Untersuchungen unentbehrlich sei. Die Regierung begründet die Enteignung mit sanitären Gründen. Die Eingeborenen haben erklärt, daß dies Ziel auch ohne räumliche Trennung der Schwarzen von den Weißen erreicht werden könne. 1911 hat der Reichstag Mittel nur bewilligt für eine teilweise Verlegung der Dualas. Die jetzige vollständige Verlegung ist ein Widerspruch mit diesem Be⸗

schluß. Die Neger werden vom Wasserweg getrennt und auf Kron⸗

land gesetzt, wo sie sich Häuser bauen dürfen. Der Neger ist dem

Weißen unentbehrlich als Diener usw. Es ist also auch im neuen

Stadtteil eine Trennung von Schwarzen und Weißen nicht durchführ⸗

bar. Dr. Gleim wie die Häuptlinge haben erklärt, daß die Durch⸗

führung der Sanierung durch eine teilweise Enteignung möglich sei.

Das Wohnrecht in der neuen Bellstadt wird auch nicht als Recht

anerkannt, sondern von der Gnade der Regierung abhängig gemacht.

Das ist der Herrenstandpunkt. Die Notwendigkeit zur Durchführung

der Enteignung aus sanitären Gründen ist jedenfalls nicht in dem

Umfange nachgewiesen, wie die Regierung die Durchführung wünscht.

Wenn irgend etwas für die Dualas einnehmen kann, so ist es ihr

Verhalten gegen die Enteignung. Die Häuptlinge haben auf Grund

früherer Verträge bestimmte Eigentumsrechte. Ein Häuptling, der

sein Eigentumsrecht dem Gelde vorzog, hat durchaus patriotisch ge⸗

handelt. Er hat Heimatsgefühl bewiesen. Auch andere Häuptlinge

haben das Angebot der Regierung abgelehnt. Diese Leute verdienen

einen Vorwurf nicht. Die Entrüstung der Regierung über den Boden⸗

wucher im Dualalande nimmt sich komisch genug aus bei dem Boden⸗

Die

wucher in Deutschland. Die ganze Art, wie die Regierung arbeitet,

weiße tritt. Die Kommission sei sich aber auch darüber einig gewesen,

ist nicht zu billigen. Der Rechtsanwalt Halpert wird von der Re⸗ gierung beschuldigt, er trete für die Dualas ein, weil er Geld dabei verdiene. Wer den Rechtsanwalt kennt, muß diesen Vorwurf als unbegründet zurückweisen. Das Kapitel der Verhaftung des Negers Dien wird von anderer Seite behandelt werden. Das im letzten Augenblick aus Kamerun eingelaufene Telegramm war nur eine Esels⸗ brücke, um über die Schwierigkeiten hinwegzukommen. Es war beim Gouverneur bestellte Arbeit. Es fügt einfach den Unglaublichkeiten des Verfahrens eine neue Unglaublichkeit hinzu. Die Telegramm⸗ affäre will ich nicht aufrollen; aber jedenfalls ist die Angelegenheit nicht so harmlos, wie sie dargestellt ist. Die Beschlagnahme des Telegramms an den Reichstag ist weiter nichts als eine Kontrolle über den Verkehr der Neger mit den Weißen, die sich der Reichstag entschieden verbitten muß, verehrte Anwesende, ich wollte sagen, meine Herren. Das Vorgehen der Regierung ist nicht geeignet, den Namen des deutschen Volkes im Dualalande zu heben. Die Regierung muß dafür sorgen, daß gegen die Uebergriffe der Beamten streng vor⸗ egangen wird. Und warum ist die Denkschrift des Rechtsanwalts alpert dem Reichstage nicht zugegangen?

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Der Herr Vorredner hat soeben in seinen Ausführungen behauptet, das Telegramm des Gouverneurs in Buea wegen des geplanten Hoch⸗ verrats und Aufstandes der Duala sei bestellte Arbeit gewesen, sei abgekartet zwischen dem Gouverneur und mir und die Vorlage in der Budgetkommission des hohen Hauses sei ein Theatercoup gewesen. Ich lege gegen diese Behauptung, die durch nichts bewiesen ist, Ver⸗ wahrung ein und erkläre hiermit, daß ich durch dieses Telegramm ebenso überrascht worden bin wie die Budgetkommission, und daß weder jemand von meinen Mitarbeitern noch ich selber irgendeine Ahnung gehabt hat, daß ein solches Telegramm zu erwarten stand. Ich erkläre das aufs nachdrücklichste und lege gegen diese unerwiesene Behauptung Verwahrung ein. (Bravo!) Wenn es wahr wäre, daß ich dieses Telegramm mit dem Gouverneur abgekartet hätte, dann hätte ich insofern nicht folgerichtig gehandelt, als ich der erste war, der die hohe Budgetkommission darauf aufmerksam machte, daß man den In⸗ halt dieses Telegramms nicht so schlimm auffassen dürfte. (Bravo!)

Abg. Dr. Paaschenl.) zur Geschäftsordnung: Die Entgegnung des Rechtsanwalts Halpert auf die Denkschrift der Regierung ist, da sie Beleidigungen für die Regierung und für die Mitglieder des Reichstags enthielt, nicht mit dem amtlichen Stempel als amtliche Drucksache verteilt, sondern dem betreffenden Herrn zurückgegeben worden, mit dem Anheimstellen, sie den Mitgliedern zuzuschicken. Es liegt keine Veranlassung vor, solche Dinge noch mit dem Stempel des Reichstags zuzustellen. Es war nicht eine Petition, sondern eine Entgegnung auf die Denkschrift der Regierung, und enthält tatsächlich schwere Beleidigungen gegen die Regierung.

Zur Geschäftsordnung bemerkt weiter der

Abg. Ledebour (Soz.): Ich bedauere, daß der Abg. Paasche seine Vizepräsidentenstelle nicht so aufgefußt hat, daß er sich um den Anlaß der Denkschrift hätte kümmern müssen. Wenn er ein Urteil über die Tragweite des Inhalts der Denkschrift gewinnen will, ist es notwendig, daß er sich auch über den Anlaß dazu informiert. Er war auch als Mitglied der Budgetkommission über den Inhalt unter⸗ richtet, oder hätte aus den Ausführungen der anderen Redner der Budgetkommission genau wissen müssen, daß die lebhaftesten Be⸗ schwerden gegenüber dem Rechtsanwalt Halpert wiederholt zum Aus⸗ druck gebracht worden sind. Ich kann die Rechtfertigung des Abg. Paasche nicht billigen. Wenn besondere Umstände vorliegen, sollte man auch von diesen formalen Bedenken absehen.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Darüber, ob in der Denkschrift etwas gesagt ist, was die Herren beleidigen konnte, habe ich nicht zu urteilen; das ist nicht meine amtliche Funktion. Wenn eine Denkschrift eine Entgegnung findet, dann ist es meine Pflicht, diese nicht mit dem Stempel zu versehen und nicht den Mitgliedern des Reichstags als amtliche Drucksache zustellen zu lassen. Im übrigen muß ich sagen daß ich auch in Zukunft nicht anders entscheiden kann; ich muß bei meiner Ansicht bleiben. 8

Abg. Dr. Frank⸗Mannheim (Soz.): Es wäre ein Hohn ge⸗ wesen, dem Manne die Denkschrift zurückzugeben mit dem Bemerken, sie als Fünfpfennigdrucksache den Mitgliedern des Reichstags zuzu⸗ senden. Dadurch hätte es vielleicht zu spät sein können, da die An. gelegenheit vor der Erledigung stand. Die Denkschrift ist überaus sachlich gehalten.

„Abg. Dr. Oertel (dkons.): Namens meiner politischen Freunde möchte ich feststellen, daß das Verfahren des Vizepräsidenten voll⸗ kommen korrekt war und den immer geübten Gepflogenheiten des Reichstags entspricht. Die älteren Abgeordneten werden sich erinnern daß die Sozialdemokratie im Jahre 1898 bis 1903, ich glaube es war in dieser Session, sich sehr beschwerte, weil eine Eingabe mit dem Stempel des Reichstags verbreitet wurde, in der scharfe persön⸗ liche Angriffe gegen die Sozialdemokraten enthalten waren. Die Sache lag damals so wie heute, und die Sozialdemokraten haben sich mit Recht beschwert. Ich bitte den Vizepräsidenten, sein Verfahren nicht zu ändern. Es wäre dem Rechtsanwalt Halpert wohl möglich gewesen, uns die Denkschrift rechtzeitig zuzustellen. Während der Kommissions⸗ beratungen wurde auf einmal ein Auszug daraus verbreitet. Auch auf meinen Tisch war er geflogen. Als ich fragte, wie er dorthin kam wurde mir geantwortet, er hätte auf dem Tisch gelegen. Der Au zug erfordert doch auch Zeit und Ueberlegung. Ebenso wie er uns den Auszug auf einem Wege, den ich heute noch nicht kenne, hat zu⸗ gehen lassen, hätte er es auch mit der Denkschrift tun können. Wir haben keinen Anlaß, das Verhalten des Vizepräsidenten für nicht richtig zu halten. 1

Abg. Ledebour (Soz.): Ich habe nur hervorgehoben, daß, wenn Dr. Paasche die Denkschrift des Rechtsanwalts Halpert be⸗ urteilte, er auch wußte, was die Ursache dazu war. Diese war die Denkschrift der Regierung. Ich fügte hinzu, er hätte es auch als Viz präsident, wissen müssen, da er ja als Abgeordneter den Sitzungen der Kommission beigewohnt hat. 1

Abg. Dr. Frank⸗Mannheim (Soz.): Es wird dem Rechts⸗ anwalt Halpert der Vorwurf gemacht, er hätte Zeit genug gehabt. J stelle fest, daß die Regierung für ihre Denkschrift sechs Wochen Zeit gebraucht hat. Hier handelt es sich aber nur um sechs Tage. Es ist eine Unbilligkeit, daß man diesem angegriffenen Mann die Gelegenheit nehmen will, sich zu wehren. Der Vizepräsident hat lediglich zu ent⸗ scheiden, ob in der Denkschrift Beschimpfungen enthalten sind. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben einen Anspruch, die Denkschrift kennen zu lernen und durchzuarbeiten. Es ist möglich, daß durch sie vielleicht die Beschlüsse des Hauses beeinflußt würden.

Vizepräsident Abg. Dr. Paasche: de⸗ Eingabe ist datiert vom 9. Mai. Wenn sie also so eilig gewesen wäre, so hätte sie Dr Halpert noch den Mitgliedern zustellen können. Sie ist erst mit Anschreiben vom 11. Mai an den Reichstag gekommen und heute früh an mich gelangt. Nun wird mir unterstellt, ich hätte dem Reichstage wichtiges Material zur Information unterschlagen wollen. Es ist meine Pflicht, solche Dinge mit beleidigendem Inhalt zurückzuhalten. Ich habe gar kein Recht, vorher zu fragen, ob der Verfasser ein Recht hatte, die Regierung anzugreifen, ob er gereizt war oder der⸗ gleichen, das alles kann ich nicht.

Abg. Dr. Spahn (entr.): Die prinzipielle Stellungnahme des Vizepräsidenten ist im Reichstage von jeher innegehalten worden. Ich kann da aus eigener Erfahrung mitsprechen. Den konkreten Anlaß kenne ich nicht. Wenn aber das Schriftstück einen beleidigenden In⸗ halt hat, dann muß der Vizepräsident schon aus Rücksicht auf das Haus so verfahren. Es ist noch niemals aus dem Hause etwas dagegen ge⸗ sagt worden. Jeder darf Denkschriften und Auseinandersetzungen an das Haus richten, aber Beleidigungen darf es dabei nicht geben.

Abg. Dr. Gertel (dkons.): Wenn wir, wie wir hören, ent⸗ schlossen sind, uns jetzt zu vertagen, so hat ja Dr. Halpert noch immer

Zeit, an den Reichstag heranzutreten. Sie können doch die kleine Denk⸗