Standpunkte aus, da hat die Kommission, und das werden die Herren icht leugnen, beim ersten Lesen der Petition doch etwas ab irato gegen die Regierung gehandelt! Nun, meine Herren, ich bin von den Dualas getäuscht worden, bamals, als ich die Empfindung hatte, daß sie gehorchen würden. Sie aben nicht gehorcht. Wenn ich, der ich die Eingeborenen ziemlich Lut oder doch einigermaßen kenne, von dem Vorgehen der Duala mich habe täuschen lassen, ja, meine Herren, ich habe Verständnis dafür, wenn andere, die mit Eingeborenen nicht so viel zu tun gehabt haben wie ich, sich beim ersten Lesen ihrer Klagen täuschen lassen. Die vielen Anfragen, die an mich ergangen sind, die vielen schwe⸗ ren Anschuldigungen gegen die Regierung finden eine Antwort und auch eine Widerlegung in der Denkschrift. Wer die Denkschrift, die ja ziemlich dickleibig geworden ist (Sehr richtig!), sorgfältig gelesen hat, der wird Antworten auf alle die Einzelheiten finden, die vor⸗ gebracht worden sind. Ich werde aber noch auf einige Punkte ein⸗ gehen, von denen ich annehme, daß die Denkschrift nicht die gehörige Auskunft gegeben hat. . Was die weiteren Expektorationen des Herrn Rechtsanwalts Halpert anbetrifft, die nach seiner ersten Petition durch die Presse verbreitet worden sind, so habe ich darin irgendwelche neue Argu⸗ mente nicht finden können. Da hat der Herr Rechtsanwalt Halpert sich als mittelmäßiger Disputierkünstler gezeigt und statt Tatsachen Verdächtigungen vorgebracht. Da ist er, als die Argumente fehlten, handgreiflich geworden (Na, nal bei den Sozialdemokraten.), — geistig handgreiflich. (Heiterkeit.) Er hat behauptet, das Aufstands⸗ telegramm sei bestellte Arbeit gewesen und aus Küstenklatsch ent⸗ standen, es wäre hierher gekommen, um die Budgetkommission zu täuschen und um dadurch den Dualas ihr Recht abzuschneiden. Meine Herren, wenn ich so gehandelt hätte, wäre es eine Gemeinheit ge⸗ wesen. Dagegen werde ich mich nicht verteidigen. Ich bin überzeugt: das traut mir keiner in diesem hohen Hause zu. (Sehr richtig!)
Ich möchte, da ich gerade bei der Person des Rechtsanwalts Halpert bin, noch einmal betonen, daß es mir außerordent⸗ lich leid tut, daß ein Passus in der Denkschrift den Eindruck erweckt hat, als ob ich ihm mit der Erwähnung der 8000 ℳ das Honorar vorwerfen wollte. Ich betone noch einmal: das war nicht meine Absicht, und es tut mir leid, daß die Wortfassung der Denkschrift ein Mißverständnis ermöglicht hat. Für mich handelte es sich nicht etwa um invidia advocatorum, für mich handelte es sich nur um einen terminus ex quo und nicht um einen terminus ad quem! Ich wollte zeigen, wie diese so oft bemitleideten „armen“ Neger mit großer Schnelligkeit 8000 ℳ zusammenbekommen können. Daran lag mir. Daß Herr Halpert sich für seine Tätigkeit Honorar bezahlen läßt, ist selbstverständlich, darin würde ich nie etwas finden. Mir kam es nur darauf an, zu zeigen, daß die Neger so reiche Mittel haben, daß sie ohne weiteres 8000 ℳ flüssig machen können für irgend⸗ einen Zweck, den ich nicht angegeben habe, weil ich ihn nicht kenne.
Meine Herren, ich möchte nun auf Einzelheiten übergehen, die die Herren Vorredner über die Dualaenteignung vorgebracht haben. Der Herr Abg. Wels hat behauptet, der Polizeibeamte in Hamburg habe, als Din festgenommen worden sei, mit dem Kolonialamt tele⸗ phonisch verhandelt, und hat daraus geschlossen, daß das Reichs⸗ kolonialamt, trotzdem es die Mitwirkung bei der Verhaftung ab⸗ leugnet, daran mitschuldig gewesen ist. Ich kann nochmals erklären, daß ich von der Verhaftung des Din erst in der Budgetkommission erfahren habe. Ich habe darauf im Kolonialamt nachgeforscht und erfahren, daß keiner der Beamten des Amts ein telephonisches Ge⸗ spräch mit der Polizeibehörde in Hamburg gehabt habe. (Zuruf von den ““ Warum hat denn die Polizei verhaftet?) — Das steht augenblicklich nicht zur Frage; ich habe jedenfalls den Din nicht verhaftet (Sehr gut! rechts.) und kann keine Antwort barauf geben.
Wenn der Herr Abg. Welks gesagt hat,
daß nach der T des Ngoso Din diesem der Verkehr mit seinem Rechtsanwalt erschwert
Berhaftung
worden sei, daß Briefe und Telegramme zurückbehalten worden seien, so kann ich darauf nur erwidern: ich habe beim Reichspostamt Er⸗ kundigungen eingezogen, das Postamt weiß davon nichts, — ich weiß auch nichts davon. Auch habe ich mich beim Reichspostamt darüber erkundigt, ob die weitere Angabe des Herrn Abg. Wels zutreffe, daß die letzte Post, die von hier nach Duala abgegangen ist, an die schwar⸗ zen Adressaten nicht ausgeliefert worden sei. Auch darüber weiß das Reichspostamt nichts. Der Herr Staatssekretär des Reichspostamts wird weitere Erkundigungen einziehen und Ihnen, wenn Sie Wert darauf legen, über das Ergebnis Mitteilungen machen.
Ferner hat der Herr Abg. Wels behauptet, die Eingeborenen flüchte⸗ ten und wanderten wegen der Enteignung zahlreich nach Lagos aus. Ich weiß nicht, ob der Abg. Wels durch einen Gewährsmann die Aus⸗ gewanderten hat zählen lassen. Wir haben diejenigen, die zurück⸗ geblieben sind, zählen lassen und haben das Ergebnis gewonnen, daß die Zahl der steuerpflichtigen Dualas im Jahre 1913 höher ist als 1912. (Hört, hört! rechts.) Daß tatsächlich Dualas in Lagos, Togo, Akkra an der Goldküste leben, ist bekannt; ebenso ist bekannt, daß Leute von Togo, Akkra, Lagos, von der Goldküste in Duala leben. Sie haben eine Fremdenstadt in Duala, und diese ist in erfreulichem Zu⸗ wachs begriffen. Das zeigt doch, daß im Verhältnis zu den englischen Kolonien bei uns die Behandlung der Neger nicht so scheußlich ist, wie von den Sozialdemokraten behauptet wird.
Ferner hat Herr Wels behauptet, daß Bestrafungen aus Anlaß der Enteignung vorgekommen seien. Wir haben uns die Akten hier herschicken lassen, sie geprüft und gefunden, daß aus Anlaß der Ent⸗ eignung nur 2 Bestrafungen stattgefunden haben! (Hört, hört! rechts.) Es ist mir unklar, was das für Bestrafungen sind, die Herr Wels gestern als Bestrafungen im Zusammenhang mit der Enteignung vor⸗ getragen hat. Ich kann nur annehmen, daß es ganz andere Bestrafungen sind; z. B. erhalten die Eingeborenen Strafen, wenn sie nicht zum Schauri kommen.
Dann ist auch von Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Be⸗ amten gesprochen worden. Ja, haben Sie nicht die Anlagen zur Denkschrift gelesen, wie unendlich viele Palavers der Bezirksamtmann, der Gouverneur und die anderen Beamten mit den Eingeborenen ge⸗ habt haben? — Haben Sie nicht gelesen, mit welcher Engelsgeduld die Beamten die bockbeinigen und störrischen Menschen zu überzeugen suchten, daß es nicht zu ihrem Unglück ist, wenn sie ihre Wohnungen eine Strecke wie z. B. hier von der Gegend am Schloß bis zum Reichstag verlegen! (Sehr richtig! rechts) Die Beamten haben väterlich mit ihnen gesprochen — und bestraft sind nur zwei. Da
Nun komme ich zu dem Punkt, den der Herr Abg. Wels in seiner Sprache einen „Theatercoup“ nennen würde, wie er ihn mir mit dem Telegramm vorgeworfen hat, das ist die Erwähnung der Geheim⸗ akten, die ihm zur Verfügung stehen und die ihm, nachdem er sie ge⸗ sehen hat, den Grund erklärt haben, warum wir nicht in der Lage sind, die Akten in Urschrift vorzulegen. Aus diesen Geheimakten soll hervorgehen, daß wir den Etat falsch aufgestellt und dem Reichstag eine falsche Darstellung über die Vorgänge der Enteignung gegeben hätten. Ich kenne die Akten nicht, die Herr Wels hat; ich habe sie ihm nicht gegeben, die Regierung in Kamerun hat sie ihm auch nicht gegeben. Er kann sie also auch nicht auf dem geschäftlichen legitimen Routinewege bekommen haben. Möglicherweise hat er sie durch irgend⸗ welche Heinzelmännchen bekommen, die dieselbe Farbe haben wie die Klientel des Herrn Rechtsanwalt Halpert. (Heiterkeit und Zwischen⸗ rufe.) Sie werden es mir nicht sagen, woher Sie die Akten bekommen haben!
Es wird in diesem Zusammenhang behauptet, daß der frühere Gouverneur, der jetzige Ministerialdirektor Gleim eine ganz andere Ansicht gehabt habe über die Enteignung, und daß er diese Ansicht hier mitgeteilt habe, und daß wir, trotz dieser abweichenden Ansicht, gewagt haben, im Jahre 1911 dem Reichstag eine Denkschrift vorzulegen, worin ganz andere Sachen stehen als sie der Gouverneur damals gut⸗ geheißen hat. Ich habe mir nun von dem Herrn Ministerialdirektor Gleim eine Niederschrift machen lassen, aus der folgendes hervorgeht:
Die Ausführungen des Abgeordneten Wels über die Stellung⸗ nahme des früheren Gouverneurs in der Enteignungsfrage und ne seine Verhandlungen mit den Häuptlingen sind nicht zutreffend. D frühere Gouverneur hat der Verlegung der Eingeborenen eene zugestimmt, gegen den alten Plan von 1911 aber mehrere Bedenken erhoben und Vorschläge zur Erleichterung der Durchführung gemacht. Diesen Bedenken und Vorschlägen ist seitens des Reichskolonialamts im wesentlichen Rechnung getragen, wie aus einem Vergleich des neuen Planes mit dem alten hervorgeht. Im Interesse gerade der Eingeborenen konnte das Reichskolonialamt aber dem weiteren Vorschlage auf Herabsetzung der Mittel nicht zustimmen, um freiere Hand für die Bemessung der Entschädigungen zu behalten und vor allem, um die hygienische Besserstellung der Eingeborenen sicher zu stellen.
Ueber seine Bedenken und Vorschläge gegen die alte Vorlage hat der frühere Gouverneur mit den Eingeborenen nie gesprochen. Wenn sie trotzdem Kenntnis von den Ausführungen seines Berichts erhalten haben, so kann dies nur auf illegalem Wege, wahrscheinlich durch einen groben Vertrauensbruch eines schwarzen Schreibers, ge⸗ schehen sein.
Das ist wieder eine Charaktereigenschaft der Dualas, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. (Heiterkeit.)
Nun hat der Herr Abgeordnete Wels ein Telegramm des ehe⸗ maligen Gouverneurs, des Amtsvorgängers des Herrn Ministerial⸗ direktors Gleim, des Herrn Dr. Seitz, erwähnt. Ich habe in unseren Akten nachforschen lassen: wir haben ein solches Telegramm nicht. (Hört, hört!) Das Telegramm sollte lauten, wenn ich mich recht er⸗ innere: „geht jetzt mit der Enteignung energisch vor, denn die Ein⸗ geborenen sind so unter dem Druck, daß es sich leicht machen läßt.“ Ein solches Telegramm ist, wie gesagt, in unseren Akten nicht vorhanden. Ich will aber nicht ableugnen, daß in der Berichterstattung aus Buea in jener Zeit ein Passus gestanden hat, den man ungefähr so deuten kann. Also materiell will ich das gelten lassen, was der Herr Ab⸗ geordnete Wels gesagt hat. Aber dieser Druck, von dem der Gouver⸗ neur spricht, ist nicht so aufzufassen, daß wir die Leute zwiebeln woll⸗ ten, weil sie in bedrängter finanzieller Lage waren, um ihnen die Ländereien billig abzukaufen. Nein, darum handelte es sich nicht. In dieser Zeit, aus der angeblich das Telegramm stammte, waren soviele Diebstähle von Eingeborenen vorgekommen, z. B. ein Bankeinbruch von 60 000 ℳ von den Dualas. Das ist wieder eine bemerkenswerte Eigenschaft der Dualas. (Heiterkeit. — Zuruf von den Sozialdemo⸗ kraten.) Allerdings kommt das bei Weißen auch vor! Aber man be⸗ mitleidet doch nicht die Weißen, die so etwas tun, und sie finden doch in diesem Hause kein Gehör. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Wenn einer 60 000 ℳ stiehlt, wird er doch nicht zu Ihnen gehen, damit Sie ihn in Schutz nehmen! (Heiterkeit und Zurufe.) — Der die 60 000 ℳ v hat, das war ein Einzelner; aber es handelte sich bei den vielen Diebereien nicht um einen Einzelnen, sondern um zahl⸗ reiche andere.
Ich wiederhole: in dieser Zeit waren gerade sehr viele Dieb⸗ stähle durch Eingeborene vorgekowimen, und die Regierung mußte fest zufassen. In diesem Druck glaubte der Gouverneur, daß sich die Duala grundsätzlich mit der Enteignung einverstanden erklären würden; aber er hat durchaus nicht gemeint, daß er ihnen die Ländereien billig ab⸗ kaufen wolle, weil die Leute in irgendeiner finanziellen Schwierigkeit seien.
Nun hat der Herr sozialdemokratische Redner — nicht nur Herr Wels, ich glaube, auch Herr Ledebour und Herr Davidsohn — mit einem gewissen Behagen aus der Denkschrift der Regierung sozialdemo⸗ kratische Tendenzen herausgelesen. Ja, meine Herren, was haben wir denn gemacht? Wir haben Gemeineigentum, Stammeseigentum ent⸗ eignet, um den Leuten Individualwohnsitze zu Eigentum zu geben. Wenn Sie, meine Herren (zu den Sozialdemokraten), enteignen, machen Sie es doch gerade umgekehrt (Große Heiterkeit.); denn Sie würden das Individualeigentum enteignen und allgemeines Eigen⸗ tum lieber sehen. (Zustimmung von den Sozialdemokraten.) So etwas steht aber nicht in meiner Denkschrift. (Abg. Ledebour: Habe ich auch gar nicht behauptet!) — Ich weiß nicht, wer es behauptet hat; aber — ich bitte um Verzeihung — wenn ich Sie zu Unrecht zitiert habe — Sie hätten es auch behauptet haben können. (Stürmische Heiterkeit.) Leider, meine Herren, ist bei der bedrängten Zeit ein Artikel, den ich hier habe, ein bißchen zu lang, um in extenso vor⸗ gelesen zu werden; aber ich möchte ihn wenigstens erwähnen. Es ist der Artikel eines Missionars in der „Kölnischen Volkszeitung“, der 20 Jahre lang im Dualalande gelebt hat, mit dem ich das Vergnügen hatte, von Duala nach der Heimat zurückzufahren, und der mir vieles von Land und Leuten erzählt hat. Vieles von dem, was er erzählt hat, hat er nun hier in dem Artikel niedergelegt. Er schildert die Duala im Zusammenhang genau so, wie ich sie Ihnen beute nur in kleinen Stichproben schildern konnte. Ich will, wie gesagt, den Ar⸗ tikel nicht vorlesen, möchte ihn aber auf den Tisch des Hauses legen;
über die Duala vom Standpunkte eines alten, sehr erfahrenen Missio⸗ nars zu informieren.
Nun hat gestern der Herr Abgeordnete Dr. Frank der Regierung den Vorwurf gemacht, daß wir die Denkschrift erst nach 6 Wochen ab⸗ geliefert hätten, und daß das hohe Haus gar keine Zeit gehabt hätte, sich daraus zu informieren. Meine Herren, 6 Wochen wären für diese Denkschrift eigentlich keine zu große Zeit, denn es steht eine ganze Menge darin, und es mußte sehr viel geprüft werden. Aber wir haben nicht einmal 6 Wochen Zeit gehabt. Wir hatten zunächst die Akten in Duala bestellt. Diese 2 Zentner Akten, die ich schon er⸗ wähnt habe, sind am 21. April angekommen, und vom 21. April bis zum Tage der Ablieferung an das hohe Haus sind 8 Tage vergangen. Sie können also nicht von 6 Wochen sprechen. Wir haben allerdings den Druck vorbereitet, die Anlagen, die in unseren Akten waren, haben wir schon vorher drucken lassen; aber das wesentliche der Denkschrift ist in den letzten 8 Tagen entstanden.
Ueber den Herrn Rechtsanwalt Halpert und die Beleidigung, die die Denkschrift enthalten soll, habe ich mich schon geäußert. Herr Dr. Frank hat gesagt, man hätte die Petition des Herrn Rechtsanwalt Halpert ruhig den Abgeordneten vorlegen können, trotzdem sie Belei⸗ digungen enthielte, denn die Denkschrift, die die Regierung vorgelegt hätte, enthielte auch Beleidigungen des Herrn Rechtsanwalt Halpert. Meine Herren, ich habe die Denkschrift nochmals von unseren Ju⸗ risten daraufhin prüfen lassen, — es ist keine einzige Beleidigung des Herrn Rechtsanwalt Halpert darin. (Zuruf von den Sozialdemo⸗ kraten: „Bewußte Unwahrheit“ steht dal!) — Das hat doch nicht der Herr Rechtsanwalt Halpert alles gesagt, das haben doch die Duala gesagt, und denen gegenüber erlaube ich mir von bewußter Unwahr⸗ heit zu sprechen, die kenne ich persönlich! Herrn Rechtsanwalt Hal⸗ pert kenne ich nicht persönlich. (Große Heiterkeit. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Es bezieht sich alles auf das, was die Duala dem Herrn Rechtsanwalt Halpert mitgeteilt haben, und was Herr Rechksanwalt Halpert in sehr gewandter, geschickter advokatorischer Weise dem hohen Hause vorgelegt hat, und was auch in gewisser Weise seinen Zweck erreicht hat. Was die Ausführungen des Herrn Abg. Freiherr von Rechenberg betrifft, so bin ich gern bereit, seine An⸗ regungen zu prüfen. Ich habe schon in der Budgetkommission zu⸗ gesagt, daß wir den Kanal, den er vorschlägt, in unserem Projekt durch⸗ zuführen versuchen werden.
Ich möchte aber zu dem Projekt im allgemeinen noch etwas sagen. Das Projekt, das wir Ihnen vorgelegt haben, ist nicht so aufzu⸗ fassen, als ob nun buchstäblich jeder Strich, der den Skizzen ein⸗ gezeichnet ist, nun auch gebaut und ausgeführt werden soll. Es ist ein Projekt, dessen Durchführung sich über einen Zeitraum von 50 Jahren erstreckt, denn es handelt sich um den zukünftigen Ausbau eines großen Welthafens. Wenn wir uns anschicken werden, die Ein⸗ zelheiten des Projekts auszuführen, so wird es mit diesem Projekt wie mit jedem anderen gehen: während der Arbeiten werden sich Aende⸗ rungen, Reformen ergeben, an der Arbeit selbst lernt man. Wir können und werden bei der Ausführung dieses Projekts tunlichst alles das berücksichtigen, was die Herren wünschen. Ich werde z. B. auch berücksichtigen, worum der Herr Abg. Dr. Arendt gebeten hat, daß der Wasserzins nicht so hoch festgesetzt wird. Ich werde auch, wenn sich bei der Ausführung des Projekts herausstellt, daß sich die Ent⸗ schädigungen lediglich auf der untersten Grenze halten, bemüht sein, das Gouvernement anzuweisen, noch einmal zu prüfen, ob tatsächlich mehr an Entschädigung gegeben werden kann. (Beifall.)
Zu der Anregung des Herrn Abg. Keinath möchte ich bemerken, daß die Entschädigungen nicht ex aequo et bono festgesetzt werden sondern daß ihre Wertmessung nach § 2 der Enteignungsordnung, in Anlage Nr. 31, stattzufinden hat. Es heißt da auf Seite 192 unter § 2 — es ist die allgemeine Enteignungsordnung, die nicht ad hoc ge⸗ macht ist, sondern die auf alle Enteignungen Bezug hat:
Die Entschädigungspflicht liegt dem Unternehmer ob. Die Entschädigung besteht, wenn ein Grundstück entzogen wird, in dem vollen Wert des Grundstücks. An Stelle der entsprechenden Geld⸗ leistung kann als Entschädigung die Ueberlassung eines Grundstücks bestimmt werden.
Also, meine Herren, die Regierung ist gebunden, innerhalb der Be⸗ stimmungen dieses Gesetzes vorzugehen, und das wird sie tun.
Es ist nun von verschiedenen Herren Rednern auch davon ge⸗ sprochen worden, daß es unmöglich sei, Schwarze und Weiße in Wohn⸗ stätten vollständig zu trennen. Das ist zuzugeben. Wir haben zu⸗ nächst einmal das Prinzip aufgestellt, eine Europäerstadt und eine Eingeborenenstadt zu gründen. Daß das Prinzip gut ist, werden Sie alle anerkennen. Aber, meine Herren, es ist ausgeschlossen, dieses Prinzip ohne irgend welche Ausnahmen durchzuführen. Ich habe, als ich in Duala war, selbst mit verschiedenen Ansiedlern und Beamten darüber gesprochen. Unter ihnen gibt es eine ganze Reihe sogenannter Trennungsfanatiker, die wünschen, daß sich keine schwarze Secele in der Europäerstadt und kein Weißer in der Schwarzenstadt sehen läßt. Meine Herren, das verbietet sich von selbst durch das praktische Leben. Diener und sonstiges farbiges Personal können wir nicht entbehren, ebensoweig wie aus der Farbigenstadt bestimmte Weiße ferngehalten werden können. Wenn wir z. B. die Kaserne der Schutztruppe hin⸗ verlegen, müssen Offiziere und Unteroffiziere in der Negerstadt wohnen, und wenn wir ein Hospital dahin verlegen, können wir Aerzte und Schwestern dort nicht entbehren. Wir können schließlich auch von den Missionen nicht verlangen, daß sie ihre Jlia⸗ allein ohne christliche Aufsicht lassen. Es werden also auch weiße Missionare in der Neger⸗ stadt wohnen müssen, und schließlich, meine Herren, wird allmählich auch das Interesse des Handels dazu führen, daß Niederlassungen der Kaufleute zugelassen werden müssen. Wenn man die Entei gnung eines ganzen Stammes durchführen will, dann müssen zunächst feste Prinzipien aufgestellt und innegehalten werden, da geht es hart auf hart. Wenn die Dualas aber endlich gehorcht haben werden, wenn alles glatt geht, dann wird man schließlich auch kleine Ausnahmen machen können, dann wird man auch über diese oder jene Härten hinwegkommen, die nur dadurch entstanden sind, daß die Dualaleute so obstinat waren.
Der Herr Abgeordnete Freiherr von Rechenberg hat bemängelt, daß die neutrale Zone für die Hygiene nicht viel Wert hat, im übrigen auch zu viel Land wegnimmt. Ja, meine Herren, es ist ja nicht allein aus hygienischen Gründen enteignet worden, wir haben auch noch andere wichtige Gründe öffentlichen Interesses dafür gehabt. Bei allen den Verhandlungen hier sind allerdings die hygienischen Gründe in der Vordergrund gestellt worden. Tatsächlich wollen wir doch einen großen Welthafen schaffen, wir wollen damit verbunden eine Europäerstad
Föonnen Sie doch nicht von „Brutalität der Beamten“ sprechen.
vielleicht hat einer oder der andere der Herren Abgeordneten Zeit, 8
gründen, und eigentlich erst in zweiter Linie wurde dadurch notwendig,
die Eingeborenen in andere Wohnsitze zu verlegen, und dadurch wiederum hygienische Maßregeln zu treffen. An sich handelt es sich nicht um eine Enteignung lediglich aus hygienischen Gründen. Wenn Sie nun vergleichen, wie es mit unserem Städtebau in der Heimat geht, werden Sie finden, daß bei den meisten Städten, in denen sich ein Bedürfnis nach hygienischen Neuerungen geltend macht, zu wenig Land da ist, daß deshalb alte Stadtviertel abgebaut werden und Maß⸗ nahmen getroffen werden müssen, die, weil man vorher nicht für ge⸗ nügenden Raum gesorgt hat, der Stadtverwaltung Unsummen kosten. Wenn wir nun draußen in Afrika, wo wir neue, frische Verhältnisse haben, wo wir keine alten Stadtviertel abzubrechen, keine engen Straßen zu verbreitern haben, vorsorglich daran denken bei einem Ort, von dem wir mit Sicherheit annehmen, daß er sich in Zukunft zu einer großen Stadt entwickeln wird, wenn wir da auf 20, 30 und 50 Jahre, ja auf 100 Jahre vorausschauen, um eine schöne Stadt zu bekommen, so können Sie die Verwaltung doch nur loben, daß sie das getan hat. (Zustimmung und Beifall.)
Die meisten Redner haben sich im Prinzip mit den Resolutionen der Budgetkommission einverstanden erklärt, denen auch die Ver⸗ waltung durchaus sympathisch gegenübersteht. Ich bin der festen Ueberzeugung: das hohe Haus wird die Forderung bewilligen, es wird die Enteignung gut heißen, und der Dank der Duala wird Ihnen dafür sicher sein. In wenigen Jahren wird eine Dankpetition der Duala an den Reichstag kommen, erstens dafür, daß ihnen am heutigen Tage über ihre famosen Führer Aufklärung geworden ist, und zweitens dafür, daß sie Wohnsitze erhalten haben, wo sie sich glücklich fühlen und in ihrem Familienleben weiter friedlich entwickeln können. Aber nicht nur das! Die Weißen in Kamerun werden den heutigen Tag mit goldenen Lettern in das Buch der Geschichte Kameruns ein⸗ tragen; denn heute wird in diesem hohen Hause die Grundlage geschaf⸗ fen zu dem größten Welthafen an der Westküste Afrikas. Und über diesem Hafen wird die deutsche Flagge wehen, die uns die Dualas nicht herunterholen sollen. (Stürmischer Beifall.)
257. Sitzung vom 14. Mai 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen Nummer
.Bl. berichtet worden.
Der Verlängerung des Handels⸗ und Schiff⸗ 811““ JZ 11““ Reicheundder Türkei und dem Abkommenzwischen dem 1“ und Japan, betreffend den gegenseitigen Schu tz des gewerblichen und geisti⸗ gen Eigentums in China, stimmt das Haus in erster und zweiter Lesung ohne Debatte zu und wendet sich darauf zur Be⸗ ratung des Etats des Auswärtigen Amts.
Berichterstatter Abg. Bassermann (nl.) gibt einen um⸗ fassenden Ueberblick über die Verhandlungen der Kommission in bezug auf die allgemeine politische Lage. Er teilt dabei insbesondere die Auskünfte mit, die der Staat tssekretär des Auswärtigen Amts über unser Verhältnis zum Dreibund, die Tripleentente, über unser Ver⸗ hältnis zu Rumänien, über die deutschen Beziehungen zu Rußland, über die neuen russischen Einfuhrzölle auf deutsche Produkte, über die Frage, wieweit sich diese Zölle mit dem deutsch⸗ russischen Handels⸗ vertrage vereinbaren lassen, über die Frage der Militärmission nach 1“ über die Entwicklung des deutschen Handels in Marokko und das dortige Minenreglement, über das Verhältnis Deutschlands zu England, die Frage des Seekriegsrechts und die Schiedsgerichtsfrage in der Budget kommission erteilt hat. Einen breiten Raum in der Diskussion hat auch das Verhältnis Oesterreich⸗ Ungarns zu Deutschland, die albanische sowie das kleinasia⸗ Hsce Problem hinsichtlich der Eisenbahnkonzessi ionen eingenommen; ebenso die Entwicklung der deutschen Interessen in China, wobei die Zur e-hal tung der deutschen Finanzwelt bedauert wurde. Endlich wurde auch eine Reform des diplomatischen Dienstes gewünscht. Die Budgetkommission hat in dieser Beziehung folgende Resolution vor⸗ geschlagen:
den Reichskanzler zu ersuchen:
a. eine Verordnung zu erlassen, durch welche die Ernennung zum Legationssekretär und Vizekonsul vom Beste ehen einer gleichartigen Prüfung abhängig gemacht wird, die vor einer nach Maßgabe des Absatzes 2 zusammengesetzten Kommission abzulegen ist. Diese Prüfung hat zu umfassen das Völker⸗ recht, deutsche und auswärtige Volkswirtschaft, die Handels⸗ wissenschaften, Geschichte und Sprachenkunde. Bei Be⸗ werbern, die in einem der Bundesstaaten die zweite juristische Prüfung oder die Prüfung für den höheren Ver⸗ waltungsdienst bestanden haben, q sich die Fenc auf deutsche und auswärtige Volkswirtschaft, andels wissenschaften und Sprachenkunde., Die Prüfungskommission hat zu bestehen aus: dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts oder dem Uinterstaatssekreter des Auswärtigen Amts, als seinem Vertreter, als Vorsitzenden, sowie aus folgenden Mitgliedern: einem ordentlichen Professor der Rechts⸗ wissenschaften, einem ordentlichen Professor der Volkswirt⸗ schaftslehre, einem ordentlichen Professor einer Handelshoch⸗ chule, zwei Vertretern des praktischen wirtschaftlichen
lebens, je einer der französischen und der englischen Sprache mächtigen Persönlichkeit.
Die Berufung der Mitglieder der Prüfungskommission, die für jedes Prüfungsfach mit mindestens drei Personen zu besetzen ist, erfolgt durch den Reichskanzler und wird all⸗ jährlich durch den „Reichsanzeiger“ veröffentlicht. eine Verordnung zu erlassen, durch die bestimmt wird, daß die nach § 7 Nr. 2 des Gesetzes, betreffend die O Organisation der 8 Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln, für die Bekleidung des Amts eines Be⸗ rufskonsuls erforderliche besondere Prüfung vor der erwähn⸗ ten Prüfungskommission abzulegen ist.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat von Jagow:
Seitdem der Herr Reichskanzler zum letzten Male hier vor Ihnen, meine Herren, über die auswärtige Politik gesprochen hat, hat die all⸗ gemeine Entspannung in Europa Fortschritte gemacht. Die Liqui⸗ dation der durch die Balkanereignisse geschaffenen Lage ist, wie wir hoffen wollen, zu einem gewissen Abschluß gelangt, nachdem die in den Beschlüssen von Bukarest und London niedergelegten Bedingungen von allen Beteiligten als Grundlagen für den Frieden akzeptiert worden sind. Freilich ist zu erwarten, daß der tatsächlichen Durchführung dieser Beschlüsse von keinem der Beteiligten Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden, sondern daß vielmehr alle bedacht sind, auf dem Wege der Verständigung diejenigen Differenzen auszugleichen, die bei so großen Umwälzungen nun einmal nicht ausbleiben können.
Nach den schweren Prüfungen, welche das uns befreundete otto⸗ manische Reich hat durchmachen müssen, wird, wie wir annehmen, die Regeneration, die es sich zum Ziel gesetzt hat, nur gefördert werden, wenn es gelingt, praktisch ein friedliches Nebeneinanderleben der ver⸗ schiedenen Elemente in den neuver teilten Gebieten zu garantieren.
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Als ein erfreuliches Zeichen möchte ich es hinstellen, daß sich die türkische Regierung entschlossen hat, auf den Rat der Mächte in Armenien Reformen einzuführen, welche zu der Hoffnung berechtigen, daß auch in diesem Gebietsteile des türkischen Reiches sich be⸗ friedigende Verhältnisse entwickeln werden.
Da auch die siegreichen Balkanvölker einen Landerwerb wirt⸗
schaftlich und kulturell nur in ruhiger Friedensarbeit weiterentwickeln können, möchte Grund zu der Hoffnung sein, daß alle Beteiligten weiterhin auf einen friedlichen Ausgleich bedacht sind. Wir werden es uns angelegen sein lassen, soweit wir dies vermögen, hierauf hinzu⸗ wirken.
Ueber Albanien sind in der letzten Zeit oft widersprechende Nach⸗ richten in der Presse verbreitet worden. Daß der Fürst schon mit der Schaffung der organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen des neuen Staates vor eine überaus schwierige Aufgabe gestellt wurde, war von vornherein klar. Dazu kommt das Widerstreben einzelner Stämme in verschiedenen Teilen des Landes, sich in die neuen Lebensbedingungen hineinzufinden. Nachdem aber Griechenland die Evakuierung des Epirus von Truppen beschlossen hat, nachdem die albanische Regierung sich geneigt zeigt, den Epiroten Konzessionen zu machen, wird es hoffent⸗ lich dem Vermittlungswerk der Kontrollkommission gelingen, auch hier die Ruhe wieder herzustellen. Bei den noch unentwickelten Lebens⸗ bedingungen des bisher an straffe Staatsformen nicht gewöhnten Landes wird man sich freilich davor hüten müssen, noch ungeordnete und un⸗ ruhige Zustände mit dem gewohnten Maß zu messen. Viele der Nach⸗ richten übrigens, welche in der letzten Zeit verbreitet wurden, tragen zu deutlich den Stempel der Sensation auf der Stirn. Ich sehe des⸗ wegen noch keinen Grund, die allmähliche Konsolidierung des Landes und Staates als eine Utopie zu behandeln.
Wenn wir von der gegenwärtigen Etappe auf die Balkanereignisse zurückblicken, so dürfen wir mit Genugtuung feststellen, daß es dem einheitlichen und geschlossenen Auftreten des Dreibundes gelungen ist, in freundschaftlichem Einvornehmen mit England, Frankreich und Rußland die berechtigten Interessen unserer verbündeten Monarchien in vollem Umfange zu wahren. (Bravo!) Ich begegne mich hierin mit den Anschauungen, die der Leiter der österreichisch⸗ungarischen Politik vor kurzem vor den Delegationen dargelegt hat.
Ein wesentliches Verdienst an dem bisher Erreichten kommt der besonnenen, maßvollen und vermittelnden Haltung Rumäniens zu. Die hohe Weisheit seines Herrschers und seiner Regierung bürgt uns da⸗ für, daß Rumänien auch fernerhin an dieser durch den Erfolg be⸗ währten Politik festhalten und in Anlehnung an alte Freunde an der Erhaltung des durch die Bukarester und Londoner Beschlüsse wieder⸗ hergestellten Friedens mitarbeiten wird. (Bravo!)
Die Grundsätze, von denen sich die deutsche Politik bisher hat leiten lassen, werden uns auch fernerhin als Richtschnur dienen. Unter⸗ billiger Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte anderer Mächte, mit voller Sympathie für die Entwicklung der Balkanstaaten werden wir stets fest und entschlossen für die eigenen Rechte und Interessen und diejenigen unserer Bundesgenossen eintreten, wo und wann sich eine Gelegenheit dazu bietet. (Lebhafter Beifall.)
Meine Herren, unser Verhältnis zu Rußland hat in letzter Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße in Anspruch genom⸗ men. Der Herr Reichskanzler bedauert ganz besonders, nicht persönlich die folgenden Ausführungen hier machen zu können. In den letzten Tagen hat das Urteil über den Prozeß von Perm weithin Aufsehen erregt. Wir haben die russische Regierung gebeten, uns eine Be⸗ gründung des Urteils baldmöglichst zukommen zu lassen. Bis dahin muß ich es mir versagen, über diese Frage weiter zu sprechen. Zweifel⸗ los hat sich die schon seit lange in einem Teile der russischen Presse herrschende deutschfeindliche Bewegung in letzter Zeit noch verschärft (Hört, hört!) und zu einer fast systematischen Kampagne auf den verschiedenen Gebieten gegen uns geführt. Diejenigen, die diese Kampagne unterhalten haben, können sich nicht wundern, wenn es schließlich ebenso aus dem Walde herausschallt, wie man hineingerufen hat. (Lebhafter Beifall.)
Wie ich es jedoch schon in der Kommission getan habe, möchte ich nochmals hier mich gegen die Versuche verwahren, die Kaiserliche Re⸗ gierung für gewisse Kundgebungen der deutschen Presse verantwortlich zu machen. Die Reaktion in Deutschland war eben eine Folge der Aktion, die ein Teil der russischen Presse begonnen hat. (Sehr richtig!) Wir haben bei dem russisch⸗deutschen Pressestreit eine alte Erfahrung machen können. Keinem Beobachter der Presse des Auslandes wird es entgangen sein, daß man dort geneigt ist, uns und andere Mächte mit ungleichem Maße zu messen. (Sehr richtig!) Jede Kund⸗ gebung eines unserer verdienten inaktiven Offiziere, der einmal etwas zu energisch mit dem Säbel rasselt, jede Kundgebung auf einer Ver⸗ sammlung unserer nationalen Vereine, in der die Wogen der natio⸗ nalen Begeisterung einmal etwas höher gehen, wird von der auslän⸗ dischen Presse mit sorgenvoller Fe registriert. Wenn wir aber, wie es periodisch der Fall ist, von Ost und West, meist von beiden Seiten gleichzeitig mit Angriffen und Drohungen beworfen werden, so wundert sich niemand darüber. (Lebhafte Zustimmung.) Das findet kaum eine Beachtung. So erklärt sich meines Erachtens, daß, als damals unsere Presse etwas kräftigere Worte der Abwehr fand, ein leitendes englisches Blatt ausführte: wenn diese Bewegung an⸗ hielte, so wäre das das beste Mittel, um die Ententemächte fester aneinander zu schließen. Ich habe an der bona fides des englischen Blattes niemals gezweifelt. Ich glaube sogar, daß sie die öffentliche Meinung in England, wie sie damals in England die herrschende war, richtig wiedergegeben hat. Ich war nicht einmal erstaunt darüber; denn es war mir wohl bekannt, daß die Kampagne, die gewisse Organe in Rußland gegen uns geführt haben, in der englischen Presse keine oder nicht annähernd die Beachtung gefunden hat, wie der Widerhall, den die Kampagne bei uns erweckt hat. (Hört, hört!)
Meine Herren, ich kann nur wiederholen, was der Herr Reichs⸗ kanzler vor einem Jahre hier gesagt hat. Wir kennen keine realen Gegensätze, die einem friedlichen Nebeneinanderleben der beiden Nach⸗ barreiche Rußland und Deutschland hinderlich wären; auch handels⸗ politische Schwierigkeiten, welche in nächster Zeit entstehen könnten, werden sich bei gegenseitigem guten Willen schlichten lassen. Um so verwerflicher scheint es, einen künstlichen Antagonismus durch die Er⸗ regung von Volksleidenschaften hervorzurufen. (Sehr richtig!) In unserer übernervösen Zeit mit den Einwirkungen der Presse auf die Volksseele ist das ein Spielen mit dem Feuer. (Zustimmung.) Der
eine ersprießliche Führung der laufenden Geschäfte zu fördern. (Er⸗ neute Zustimmung.) Ich hoffe aber, daß es den Bemühungen der beiderseitigen Regierungen gelingen wird, diesen gefährlichen Strö⸗ mungen einen Damm entgegenzusetzen. Der Gedanke, daß die Inter⸗ essen beider Länder durch ein freundnachbarliches Zusammenleben am besten gewahrt werden, ist gesund und durch die Geschichte bewährt. Ich habe Grund zu der Annahme, daß auch die russische Regierung ungeachtet der erwähnten Treibereien an diesem freundnachbarlichen Zusammenleben festzuhalten gewillt ist.
Was die in unserer Presse bereits vielfach diskutierten Ver⸗ handlungen über gewisse den Orient näher betreffende Fragen an⸗ langt, so bin ich leider nicht in der Lage, Ihnen darüber heute weitere Mitteilungen zu machen, weil diese Verhandlungen noch nicht mit allen Beteiligten abgeschlossen sind.
Zu dem, was vor einem Jahr über die Verhandlungen mit Eng⸗ land hier gesagt worden ist, habe ich heute nichts hinzuzufügen. Diese Verhandlungen werden in demjenigen freundschaftlichen Geist geführt, der auch sonst unsere Beziehungen zu England beherrscht. (Bravo!) Wir haben auch Verh handlungen mit Frankreich gepflogen, und wenn dieselben auch mehr technischer und finanzieller Natur sind, so glaube ich es doch auch politisch begrüßen zu können, wenn wir mit unserem westlichen Nachbarn zu einer derartige Reibungsflächen aus⸗ E gelangen. (Lebhafter Beifall.)
Alle diese Verhandlungen stehen in einem gewissen Zusammen⸗ hang. Jett b Teile des Verständigungswerks vorweg der Oeffent⸗ lichkeit zu übergeben, dürfte nicht im Interesse der Sache sein.
Die Unsicherheit der Lage in Mexiko hat eine weitere Verschärfung durch den Konflikt mit der Regierung der Vereinigten Staaten er⸗ fahren. Wirtschaftliche und 9 eressen deutscher Staats⸗ angehörigen in Mexiko sind leid jrch d n dortigen Bürgerkrieg in ernste Mitleidenschaft gezogen mo s Für die persönliche Sicherheit unserer in Mexiko lebenden Landsleute Wern wir nach Möglichkeit Vorsorge getroffen, und unsere Bemühungen sind glücklicherweise bis⸗ her von Erfolg gekrönt gewesen. (Bravo!) Was die wirtschaftlichen Schädigungen anbetrifft, so werden wir zu dieser Frage Stellung nehmen müssen, sobald die Ruhe in Mexiko wieder hergestellt ist. Die vorbereitenden Schritte haben wir bereits getan. Wir haben es freudig begrüßt, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit der auch wir fortgesetzt die besten Beziehungen unterhalten, die Vermittlung der drei großen südamerikanischen Republiken anzu⸗ nehmen sich entschlossen hat. Die Verhandlungen sollen am 18. in Niagara stattfinden. Ob der Erfolg das gewünschte Resultat haben wird, müssen wir abwarten. Einstweilen tobt leider der Bürgerkrieg in Mexiko mit derselben Schärfe fort.
Mit Argentinien, Chile und Brasilien, die die vorerwähnte Friedensmission auf sich genommen haben, sind wir in letzter Zeit wiederholt in Berührung gekommen. Ich gedenke mit Dank des freund⸗ lichen Empfanges, den Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich und seine Gemahlin sowie das deutsche Geschwader in den südamerikanischen Republiken gefunden haben. (Bravo!) Die Wärme dieser Aufnahme beweist — was ich mit Genugtuung feststellen möchte —, daß man von der Aufrichtigkeit unseres Wunsches überzeugt ist, die handelspolitischen Beziehungen mit jenen aufstrebenden Staaten ohne politische Hinter⸗ gedanken zu fördern. Darin erweist sich ein Vertrauen in die Auf⸗ richtigkeit unserer Politik, und gerade dieses Vertrauen bildet in der internationalen Politik eine Vorbedingung für den Erfolg. (Lebhafte Zustimmung.) Wir werden uns bestreben, dieses Vertrauen zu stärken und uns zu erhalten. (Erneute lebhafte Zustimmung.) Ich bitte Sie, meine Herren, uns in diesem Bestreben zu unterstützen.
An den beiden großen Aufgaben, die uns gestellt sind, der Siche⸗ rung unserer vom Glück nicht gerade begünstigten geographischen Lage und an der Entfaltung der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte Deutschlands in der Welt, arbeiten wir, wie mich dünkt, mit An⸗ spannung aller unserer Kräfte. Den Erfolg zu unterschätzen, liegt meiner Ansicht nach kein Anlaß vor, wenn er auch nicht sprunghaft, aber allmählich, sicher und in stetigem Wachstum eintritt. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Wendel (Soz.): Was wir hier zu hören bekommen haben, über die auswärtige Politik und die weltpolitische Lage, ist jedem aufmerksamen Zeitungsleser seit langem bekannt. Natürlich wäre es unberechtigt, anzunehmen, daß auch der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes nur wie ein Zeitungsleser unterrichtet ist. Wenn er nicht mehr sagt, so liegt es nicht an dem Mangel des Wissens, sondern des Willens. Man will einfach diesem Reichs⸗ tag des verflachendem demokratischen Wahlrechts nicht mehr mit⸗ teilen. Die auswärtige Politik ist bei uns eine Gebeimwissenschaft, auf die wir weniger Einfluß haben, wie auf die innere. Wir sollen uns zum Muster nehmen, wie der italienische Minister des Aus⸗ wärtigen im Parlament über die inter rnationale Lage gesprochen hat. Kein Parlamentarier könnte dort eine Politik treiben, die dem Willen des Volkes widerspricht. Bei uns ist aber die Meinung des Volkes und der Volksvertretung eine quantité négligeable. Bei uns gibt es wohl keine Partei trotz des Beifalls, den der Staatssekretär einge⸗ heimst hat, die in allen Dingen mit unserer auswärtigen Politik ein⸗ verstanden ist. Den Säbelraßlern wird zu wenig mit der Faust auf den Tisch geschlagen, während die anderen die entgegengesetzte Politik vertreten. Unsere Politik ist eine solche des Lebens von der
and in den Mund. Sie ist nicht Fleisch noch Fisch, weder männ⸗ ich noch weiblich. Es handelt sich hier um sexualpolitische Zwischen⸗ Die auswärtige Politik ist bei uns nur ein Annex der inne⸗ Innern unbeholfen, reaktionär und fort⸗ schrittsfeindlich ist, kann, auch wenn der Staatssekret är von Jagow ein Genie wäre nach außen hin, keine großen Züge aufweisen. Das zeigt der laute Widerhall, den die Zabernaffaͤre im Auslande gefunden hat. Sie war nicht dazu angetan, unser Ansehen in der Welt zu mehren. Niemand wäre mehr dazu berufen gewesen, wie der Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amtes, dagegen aufzutreten. Schiffe und Soldaten genügen nicht, um im Auslande geachtet zu Den Engländer achtet man übe berall nicht wegen seiner Dreadnougths, son⸗ dern weil er der freie Bürger eines freien Landes ist. Bürger, die sich in einen Pandurenkeller sperren lassen, können im Auslande keinen Respekt und keine Achtung fordern. Als das „Tageblatt“ im Zusammenhang mit der Zabernaffäre darauf hinwies, gnn Ver⸗ hältnisse wären ähnlich denen Boliviens, wurde von dort geschrie⸗ ben, daß dort das Militär nicht dem Zivil gegenüber “ würde. Eine Militärgerichtsbarkeit existiert nicht. Wem die deutsche Ehre nicht nur auf deer Zunge, sondern am Herzen. liegt, muß sch schämen, daß d die eines ed ., in einem Lande, das ma sonst als Raubstaat zu bezeichnen pflegt, besser gewahrt ist als bei uns. Im Mittelpunkt der politischen Ereignisse stand die Erledigung der Balkankrise, soweit man von einer Erledigung sprechen kann. Der Abg. Bassermann. sprach im Dezember vorigen Jahres davon, daß im Balkankonflikt die deutsche Politik im großen und ganzen ihre Ziele erreicht Habe In Anlehnung an ein Goethesches Wort kann man sagen: Nur die Nationalliberalen sind bescheiden.
Wir waren nur Schleppenträger der österreichischen Politik. Deshalb sind die österreichischen Blamagen auch unsere Blamagen. Auch unserer
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stufen. ren. Eime Politik, die im
Zustand einer derartigen gegenseitigen Gereiztheit ist nicht geeignet,
Politik schwebte nur die Erhaltung des Status quo vor. Es “ ahiunht m Puamemn