1914 / 114 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

bequem, alles beim alten zu lassen. Der Balkankrieg hat aber den Sistus quo wie ein Stück Papier weggewirbelt. Der einzige Status quo war die Unfähigkeit der gesamten Diplomatie. Bei Ku

manowo und Kirkkilisse brach er elendiglich zusammen, gerade so wie

seinerzeit in Frankreich der Feudalismus niedergeworfen wurde. In Rußland erinnert man sich auf einmal wieder, daß Konstantinopel auf russisch Zaribrod heißt. Meiner Auffassung nach wäre aber ein mächtiger Balkanbund ein Gegner des russischen Eroberungsdranges gewesen. Auf der andern Seite hat die österreichische Politik höchst peinlich berührt. Sie wurde auf eine Bahn getrieben, der die deutsche folgte. Wir sind keine Dreibundenthusiasten. Professor Sehring nennt den Dreibund eine Interessengemeinschaft der drei landarmen Staaten. Die Nibelungentreue ist aber etwas sehr Schoönes und Romantisches. Aber seit der Lohengrinfahrt nach Tanger und dem Pantbersprung nach Agadir ist die Romantik in unserer Politik gedeckt. Wir hätten unsere Bundesgenossen in ihrem Eifer zügeln sollen. Aber man wollte Serbien in der Entwicklung hemmen. Die österreichisch⸗ungarischen Agrarier sind ebenso schätzens werte Zeitgenossen wie unsere. Diese fürchten das serbische Schwein mehr als die serbischen Soldaten. Deshalb haben die öͤsterreichischen Chauvinisten die unerhörte Hetze gegen Serbien getrieben. In der österreichischen Delegation hat man von einer Schlachthofpolitik ge sprochen; das Wort ist in seiner doppelten Bedeutung völlig zutreffend; um dieser Schlachthofinteressen willen war man dort bereit, ganz Europa in einen Schlachthof zu verwandeln. Deutschlands Politik hätte die Pflicht gehabt, Oesterreich auf diese verkehrte und verderb⸗ liche Handelspolitik hinzuweisen; der Staatssekretär ist aber diesen Weg nicht gegangen, denn wir haben ja das Skelett im eigenen Hause in der Polen⸗ und Dänenunterdrückung und in der überagrarischen Wirtschaftspolitik. Auch die italienischen Chauvinisten taten das ihre; sie schielten nach Albanien, nach Valona, was wiederum den Oester⸗ reichern nicht paßte. Weder in Wien, noch in Rom hat man geahnt, daß die Balkanslawen so schnell diesen Träumen ein Ende machen würden. Die Slawen stiegen 1913 zu den Ufern der Adria hinab, und mit einem Male war die Lage völlig verändert. Auch wir treten selbstverständlich für die Freiheit Albaniens ein, aber nicht für ein Albanien, das den chauvinistischen Gelüsten Oesterreichs und Ita⸗ liens sein Dasein verdankt, das ein durchaus rhachitisches Kind ist, würdig der Diplomaten, die es in London zustande brachten. Es ist eine Kunstschöpfung, welche zunächst den Balkanbund sprengte und den Weltfrieden dauernd bedroht. Die Albanier sind noch heute die Indianer Europas, sie haben von der ganzen europäischen Kultur nur das Repetiergewehr angenommen und kennen Nationalgefühl über⸗ haupt nicht. Das Fürstentum Albanien ist aus der Londoner Bot⸗ schafterkonferenz herausgekommen wie aus dem Bett des Prokrustes, zurechtgeschneidert lediglich nach den Bedürfnissen der Großmächte, Die Folge davon ist der jetzige epirotische Aufstand, der dem neuen Herrn in Durazzo noch viel zu schaffen machen wird. Es sieht fast aus, als wenn Deutschland einen Keil in den Dreibund hätte hineintreiben wollen; die Lage hat eine große Aehnlichkeit mit der preußisch⸗öster reichischen von 1864/66. Nun soll ein deutscher Prinz den Albanern, diesem zurückgebliebensten unzivilisiertesten Volksstamm, das monar⸗ chische Bewußtsein beibringen; seltsam, daß dazu ausgerechnet ein feudaler preußischer Gardeoffizier von allen Großmächten ausersehen wurde. Der Herr hat sich ja auch schon für den Fall seiner Ab⸗ dankung eine Pension von 200 000 gesichert. Hoffentlich unter nimmt Deutschland in diesem Falle keinen Rachefeldzug gegen Al banien; der Herr ist als Privatmann dahin gegangen, und es ist viel wichtiger, daß nächsten Sonntag gutes Wetter ist, als was in Albanien mitsamt seinem Mbret geschieht. In Serbien hat der deutsche Kon⸗ sul Schlieben seine bessere Kenntnis der Dinge, von denen der deutsche Gesandte keine Ahnung hatte, mit einer Maßregelung büßen müssen. Die Entsendung der Militärmission des Generals Liman von Sanders berührt uns peinlich. Die Türkei bedarf zunächst innerer Reformen, und Deutschland als uneigennütziger Freund der Türkei hatte sie darauf hinweisen müssen. Deutschland kann sich nicht wundern, wenn Frankreich und Rußland mißtrauisch wurden. Der Streit um diese Mission war ein Symptom der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland. Der Staatssekretär hat vorhin den Alarmartikel über die russische Rüstung erwähnt. Wir stehen diesen Nachrichten und überhaupt der slawischen Gefahr kühl bis ans Herz hinan gegenüber. Das russische Volk bedroht uns nicht. Rußland hat die Revolution im Leibe, und wenn dieser Nikolaus ... (Vizepräsident Dr. Paasche ersucht den Redner, von einem ver⸗ bündeten Fürsten nicht in dieser Weise zu reden.) Wenn der Zar in einen Krieg sich hineinstürzt, dann müßte er sich Schuppenketten an die Krone machen lassen, wie einmal ein preußischer General gesagt hat, damit fie ihm nicht davon fällt. Politisch sind die echt preußischen und die echt russischen Leute immer ein Herz und eine Seele; Herr von Oldenburg⸗Januschau, der Führer der schwarzweißen Bande, fin⸗ det sich mit dem Führer der echt russischen Leute immer im Zeichen der Knute zusammen. Aber es geschehen Zeichen und Wunder: Die „Deutsche Tageszeitung“ donnert gegen den Zaren. Eine gute und wirksame Schutzwehr gegen die russische Gefahr ist eine gute demo⸗ kratische Politik in Deutschland. Auch in England hat die Ent⸗ sendung der Militärmission verschnupft; das ist um so bedauerlicher, als offenbar eine Entspannung auch zwischen Deutschland und Eng⸗ land eingetreten ist, eine Tatsache, die wir mit lebhafter Freude be⸗ grüßen. Die Friedensarbeit der deutschen und englischen Arbeiter⸗ klasse hat dazu wirksam mitgeholfen, wie ein englischer Minister aus⸗ drücklich anerkannt hat. Preußisch⸗deutsche Minister sehen natürlich in solchen brüderlichen Beziehungen der Arbeiterschaft verschiedener Länder keine Friedensbürgschaften, sondern Hoch⸗ und Landesverrat. Der General Keim hat in der „Post“ im Anschluß an die Ulsterkrise von der Möglichkeit eines Krieges mit England als von einer selbstverständlichen Tatsache gesprochen“ wo wir im feindlichen Lager selbst Verbündete haben würden. Ich bin weit entfernt, das Bramar⸗ basieren dieser Generale ernst zu nehmen, bei denen nur noch das Mundwerk felddienstfähig ist. Aber stellen Sie sich den Lärm in der deutschen Presse vor, wenn ein französischer oder russischer General ähnliche Hoffnungen ausgesprochen hätte! Das Aufhetzen ist für das ganze Volk gemeingefährlich und nützt nur für die Rüstungsfirmen. Die deutsche Regierung sollte endlich auf die von einem englischen Minister empfohlene Brücke eines Rüstungsfeierjahres treten. Die Ortsgruppe des Wehrvereins in Königsberg hat gemeint, die mili⸗ tärische Lage in Deutschland sei ungünstiger als vorher, und das, nachdem wir die große Wehrvorlage bekommen haben. Der Wehr⸗ verein hetzt zu immer weiteren Rüstungen, und zu diesem Zwecke ge⸗ fällt er sich in einer wüsten Hetze gegen Frankreich, man benutzt die Fremdenlegion als Agitationsstoff; man kann geradezu von einer Seuche sprechen, von einer Legionitis. Es ist amtlich festgestellt worden, daß von französischen Werbern in Deutschland nicht die Rede ist, ebensowenig von einer Verschleppung Deutscher. Das deutsche Volk läßt sich dadurch nicht gegen Frankreich einnehmen; es durch⸗ schaut die Sache. Wir Sozialdemokraten verwerfen natürlich die Fremdenlegion als einen Ausfluß des Kapitalismus und Mili⸗ tarismus. Aber wir wollen darum nicht zu Pharisäern werden. Ein Deutscher berichtet, im Dienste habe er bei der Fremdenlegion kein Schimpfwort gehört, während Schimpfworte im deutschen Heere geläufig wären. Die französischen Blätter berichten erfreut, daß noch niemals ein solcher Zustrom von Deutschen zu der Fremdenlegion stattgefunden habe wie in der letzten Zeit. In der Hauptsache setzen sich die Legionsrekruten zusammen aus deutschen Arbeitern und Hand⸗ werksgesellen, die in Deutschland vorher gehungert haben. Wenn jeder deutsche Arbeiter satt zu essen hätte, so würde es mit einem Schlage anders werden. Wir Sozialdemokraten müssen dafür sorgen, daß die deutschen Arbeiter satt zu essen haben; indem wir die Miß⸗ handlungen der Soldaten bekämpfen, tragen wir auch zur Besserung dieser Verhältnisse bei. Wir wollen Frieden mit dem französischen Volke. Das französische Volk seinerseits würde wegen des Luft⸗ gebildes der Revanche auch keinen Krieg führen, es hat einen ent⸗ schiedenen Willen zum Frieden, und es hat diesen bei den Kammer⸗ wahlen bewiesen. Die französischen Chauvinisten haben allerdings die Kriegshetze in Deutschland weidlich ausgenutzt auf die bekannte Rede des Kronprinzen. Sie haben auf die Gefahr eines Krieges hinge⸗

zur Regierung käme. Die sozialistischen Führer, die sich gegen die dreijährige Dienstzeit und für den Weltfrieden erklärt haben, sind wiedergewählt worden. Auch die arbeitenden Massen des deutschen Volkes sind von Begeisterung durchdrungen für die deutsch⸗fran⸗ zösische Freundschaft. Das „Ccho de Paris“ hat gesagt, die Sozia⸗ listen benutzten die Unwissenheit der Massen, die keinen Einfluß auf die Politik haben. Die Massen sind das Kanonenfutter, wenn es zum Klappen kommt, und sie wollen nicht, daß es zum Klappen kommt. II ny a pas de Vosges, kann man sagen; es sind nur ein paar Grenzpfähle, die uns trennen. Das Gefühl der Solidarität der beiden Kulturvölker wird niemand aus unseren Herzen reißen. Ich diene deutschen Interessen, wenn ich mit dem Rufe schließe: Vive la France!

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Der Vorredner hat zum Schluß Frankreich leben lassen, dasselbe Frankreich, das mit seinem Gelde die russischen Waffen gegen uns stärkt. Damit erledigt sich wohl die ganze Phraseologie des Vorredners. Auch die Ausgaben für unser Aus⸗ wärtiges Amt werden in dem Sinne gemacht, um den Frieden zu sichern. Sie sollen mit dazu beitragen, daß wir auf dem ganzen Erden⸗ rund uns wirtschaftlich betätigen können. Eine Hegemonie erstreben wir nicht. Wir wollen nur mit an der Spitze der Kultur marschieren, das auch zu ermöglichen, ist mit Aufgabe des Auswärtigen Amtes. Im vorigen Jahre haben wir die große Wehrvorlage gehabt und unser Heer sehr verstärkt. Aber auch das geschah nur, um den Frieden zu sichern. Wir wollten, um uns wehrhaft zu erhalten, die Aufgaben lösen, die wir in den uns gezogenen Grenzen lösen konnten. Deshalb mußten wir unser Heer auf die Höhe stellen die das Volksvermögen und die Bevölkerung zuließ. Hierzu zwang uns auch das Vorgehen E“ und. Rußlands. Frankrei gab außerdem Rußland seine Milliarden in die Hand. Bis Ende des vorigen Jahrhunderts waren die Ausgaben in Frankreich und Deutschland für das Heer gleichmäßig Festiegen. Seitdem war Deutschland bis 1912 erheblich zurückgeblieben. Nicht außer acht durfte auch gelassen werden, daß auch einzelne andere Staaten, wie Nordamerika und Japan, ihre Machtmittel stärkten und sehr erheblich in die auswärtige Politik eingriffen. Trotzdem liegt unser Schwerpunkt nach wie vor in. Europa. Bei den europäischen Großmächten ist durch das Verhalten Englands immer mehr das Be⸗ streben zum Durchbruch gekommen, das Gleichgewicht in der Macht aufrecht zu erhalten. Deutschland konnte sich dem nicht entziehen und als einziges Land seine Rüstung vernachlässigen. Das brachte der frühere Kriegsminister zum Ausdruck, indem er hervorhob, unser Heer sei als Hort des Friedens gedacht. Die Erwartungen, die man auf den europäischen Schiedsgerichtshof im⸗Haag gesetzt habe, haben sich offenbar nicht erfüllt. Es hat sich gezeigt, daß es in Konfliktsfällen schwer ist, die Beteiligten zu bestimmen, sich an ihn zu wenden. Das Nationglitätenprinzip ist zudem immer mehr zum Durchbruch gekom⸗ men. Mit der Besetzung von Tripolis ist nun fast die ganze Nord⸗ küste Afrikas in europäische Hände geraten. Gegenüber den Bestre⸗ bungen anderer Mächte, sich in Kleinasien Einflußzonen zu schaffen, muß unser Bestreben sein, dafür zu sorgen, daß wir wie die anderen Völker uns dort frei entfalten können. England hat dabei im allgemeinen nur die Sicherung des Seeweges nach Indien im Auge. Unsere Interessen in der Türkei sind nur wirtschaftlicher Natur. Der Dreibund ist eine Notwendigkeit, insbesondere ist das enge Ver⸗ hältnis zwischen Deutschland und Oesterreich geradezu eine Lebens⸗ bedingung für beide Völker. Aehnlich ist es zwischen Italien und Oesterreich⸗Ungarn, dieses Verhältnis kann auch nicht durch Vorgänge gestört werden, wie sie in letzter Zeit vorgekommen sind. Es ist ganz wertvoll, wenn wir einmal mit England zu einem Abkommen gelangen. Es ist aber irrig, wenn man immer von dem wirtschaftlichen Gegen⸗ satz zwischen Deutschland und England spricht. Beide Länder haben viel mehr gemeinsame Ziele. Sie sind wirtschaftlich von einander sehr abhängig. Außerdem kommt hinzu, daß der größte Teil unserer Ausfuhr nicht eine solche über See ist, was dagegen bei England der Fall ist. Was zwischen den beiden Staaten England und Deutschland nötig ist, ist nicht ihre gegenseitige wirtschaftliche Bekämpfung, sondern daß sie von gemeinsamen Gesichtspunkten aus an die gemeinsame Er⸗ schließung Zentralafrikas gehen. Mit Unrecht hatte der Abg. Wendel unserem Auswärtigen Amt Vorhaltungen gemacht, daß die deutsche Politik bei den Balkanwirren im Schlepptau der österreichischen ge⸗ gangen sei. Italien kann die Herrschaft auf dem Mittelmeer nicht Frankreich allein überlassen, darum hat es mit Frankreich und England sich darüber verständigt. Salandra hat in seiner Programmrede die Katholiken eine Aeußerung über das Verhältnis des Papsttums zum Königtum vermissen lassen. Die Frage der Selbständigkeit des Papst⸗ tums muß, doch endlich einmal geordnet werden. Bei der Ausübung des österreichischen Vetos anläßlich der letzten Papstwahl ist Deutsch⸗ land absolut unbeteiligt gewesen. Dem Dreiverband wird es nicht gelingen, die in seinem Schoße vorhandenen historischen und Rassen⸗ gegensätze zu unterdrücken, namentlich sind die weltpolitischen Gegen⸗ sätze zwischen England und Rußland unüberbrückbar. Durch die Triple⸗ entente ist aber Deutschland jetzt außer im Osten und Westen auch. in der Nordsee eingeengt und die Vermittlungsfähigkeit Englande bei Zwisten zwischen Deutschland und Frankreich usw. ausgeschaltet. Die Bestrebungen Frankreichs in der Richtung einer Ausdehnung seiner Grenzen nach Osten werden natürlich durch die Entente mit England nicht abgeschwächt. Und auffallend muß es doch bleiben, wenn England aller Abrüstungsreden ungeachtet ein viel hoheres Budget vorgelegt erhält. Auch seine Stellung zur Frage der Kriegskonterbande hat England in den letzten Jahren geändert. In Frankreich ist die Deckung für das Dreijahrsgesetz bis jetzt noch nicht gefunden. Die Bedeutung der slawischen Vormacht Rußlands steigt von Jahr zu Jahr. Russisches Volk, russisches Land und russische Sprache muß bei uns immer stärker in den Kreis der Betrachtung gezogen werden. Rußland ist für uns ein sehr großes Absatzgebiet; da soll man nicht jedem ein⸗ zelnen Vorkommnis von Unfreundlichkeit gegen uns in der russsischen Presse eine solche Bedeutung beilegen; es sind das meistens Blitz⸗ ableiter für innere Schwierigkeiten. Die statistischen Zahlen ergeben ein gleichmäßiges Ansteigen der wirtschaftlichen Macht des russischen Volkes. Die nordamerikanische Union hat durch ihr an die südameri⸗ kanischen Republiken gestelltes Ansinnen, sich von der Herrschaft des europäischen Kapitals freizuhalten, während die nordamerikanischen Trusts ungehindert bei ihnen eindringen, Mißtrauen gegen die Union heraufbeschworen. Auch die Vorgänge in Mexiko beweisen nur die Auffassung, daß es sich um eine Expansion der Union über seine süd⸗ lichen Grenzen hinaus handelt. In China muß unsere Politik darauf gerichtet sein, Deutschland im fernen Osten den Anteil an Betätigung zu sichern, auf den es Anspruch hat. Das deutsche Kapital muß dabei dem deutschen Kaufmann zu Hilfe kommen. Wenn Rußland an eine Aufteilung Chinas denkt, so muß es unser und Englands Bestreben sein, die Interessen des beiderseitigen Handels zu wahren.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat von Jagow:

Ich möchte auf die Frage des Herrn Abgeordneten Spahn nur bemerken, daß an dem Vetorecht, das seinerzeit von dem Kardinal von Krakau gegen die Wahl des Kardinals Rampolla im Namen Oester⸗ reichs eingelegt ist, Deutschland bezw. die Kaiserliche Regierung keinerlei Anteil gehabt hat.

Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath (nl.): Ich bedauere, daß die Ausführungen des russischen Ministers der Auswärtigen An⸗ gelegenheiten Sasonow noch nicht vorliegen. Auch über die Aeuße⸗ rungen des österreichischen Ministers des Aeußern sind wir nur auf Zeitungsnachrichten angewiesen. Aus Weiß⸗ oder Blaubüchern erfährt man im Grunde auch nichts Neues. Ich habe mich überzeugt, daß das richtig war, was wir in diesem Sinne aus dem Munde des früheren Reichskanzlers gehört haben.

Ein deutsches Weißbuch würde jedenfalls große Enttäuschungen hervorrufen. Graf Berchtold hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß er sich mit seinem optimistischen Exposé über die auswärtige Lage nicht irre; um so besser für uns. Er hat von einer wesentlichen Entspannung gesprochen, und der Staatssekretär des Auswärtigen von Jagow hat ebenfalls davon ge⸗ sprochen. Wir stehen ganz entschieden auf dem Boden des Dreibundes, wir sind entschiedene Anhänger des Dreibundes. Es sind aber in den

wiesen, die entstünde, wenn dieser kronprinzliche Attackereiter einmal

8 hörigkeit Oesterreichs zum Dreibunde die Möglichkeit offen lassen müsse, auch mit anderen Staaten in freundschaftliche Beziehungen zu treten, daß die Bewegungsfreiheit Oesterreichs in keiner Weise be⸗ schränkt werden dürfe. Wenn diese Möglichkeit für Oesterreich offen sein muß, so auch für uns. Ich meine, wir sollten uns auch unsere Bewoagungsfreiheit in keiner Weise einschränken lassen. Wir sind überzeugte Freunde des Dreibundes, aber wir verkennen nicht, daß in Oesterreich⸗Ungarn gewichtige Stimmen laut geworden sind, die den Dreibund abfällig beurteilen. Ich lege diesen Stimmen keine allzu große Bedeutung bei, aber zu beachten sind sie gewiß. Fürst Bülow sa te früher, warum sollen wir anderen nicht eine gönnen. Wir können es daher nur mit Befriedigung aufnehmen wenn Graf Berchtold in seinem Exposé den freundschaftlichen Cha⸗ rakter Oesterreichs zu Rußland, ausgerechnet Rußland, betont hat. 1e Sache so, um so besser für uns. Jedenfalls können wir auch fur uns in Anspruch nehmen, in unserm Interesse das zu tun⸗ was wir für richtig. halten. Für die deutsche Politik scheint es mir am richtigsten zu sein, die guten Beziehungen zu England und Ruß⸗ land möglichst aufrecht zu erhalten. Seit Jahren sind die Freunde einer Annäherung an England aus allen an der Arbeit. Auch wir arbeiten dabei unverdrossen und unbeirrt trotz mannigfacher An⸗ griffe mit. Ich speziell bin für diese Annäherung öffentlich in Schrift und Wort immer eingetreten zu einer Zeit, wo man es noch nicht gern sah, als man noch mit einer erstaunlichen Offenheit die Möglichkeit eines Konfliktes und eines Krieges zwischen beiden Völkern erörterte. Wir haben immer darauf hingewiesen, daß ein solcher Konflikt ein Verbrechen oder ein Unsinn wäre. Wir tun es auch heute noch. Wir wissen, daß lachende Dritte vorhanden sind, die dabei zu sehr ge⸗ winnen würden. Meines Erachtens ist es ein Gebot der Notwendig⸗ keit und der Klugheit, daß wir uns vertragen. Mit Befriedigung kann man deshalb nur von den Aeußerungen Notiz nehmen, die ürz⸗ lich durch die Presse gingen, indem angeblich ein Botschafter einer Ententemacht darauf hinwies, daß unverantwortlicherweise mit dem Worte Krieg gespielt und umgegangen wird, als ob ein solcher nichts bedeute. Diejenigen, die vom Kriege sprechen, sollte man nur auf ein einziges Schlachtfeld führen. Wir laufen den Engländern gewiß nicht nach. Das verlangen sie auch nicht. Der Engländer hat viel zu viel Achtung vor einer eigenen Meinung, auch wenn er sie nicht dilligt. Er haßt nur die Lüge. Ich will anerkennen und lege großen Wert darauf, daß der Verständigungsgedanke von den beiden Völkern unterstützt wird. Die friedlichen Stimmungen des deutschen Volkes waren dabei die wertvollsten Mitarbeiter. Mit großer Betrübnis haben die Freunde der deutsch⸗englischen Annäherung die Nachricht vom Ableben des Herzogs von Argyll vernommen. Er hat seiner Sympathie für Deutschland stets ehrlich und offen Ausdruck gegeben. Sein Werk wird bei allen, die ihn kannten, unvergessen sein. Sein Wort, daß beide Länder ewige Vettern sein und bleiben sollten, die durch Blut und gesunden Menschenverstand verbunden sind, wird hoffentlich seine Richtigkeit behalten. Wir würden es begrüßen, wenn Ihre Königliche Hoheit, die Frau Herzogin, aus diesen Worten ent⸗ nehmen wollte, wie segensreich die Tätigkeit ihres entschlafenen Ge⸗ mahls gewirkt hat und hier gewürdigt wird. Ich freue mich, aus den Ausführungen des Staatssekretärs über Rußland entnehmen zu tönnen, daß die deutsche Regierung bemüht ist, alles zu tun, was die guten Beziehungen zu Rußland aufrecht erhalten kann. Ich glaube wir machen uns oft einen falschen Begriff von dem Einfluß der russischen Regierung auf die Presse. Dieselbe Presse, die Deutsch⸗ land so heftig angreift, greift auch ihr eigenes Auswärtiges Amt an ohne daß dieses die Möglichkeit hat, diesem Preßtreiben irgendwie entgegenzutreten. Man muß deshalb unterscheiden, zwischen den Presseäußerungen und der Regierung selbst. Deshalb habe ich mit Befriedigung gehört, daß es den vereinten Bemühungen der Regie⸗ rungen von Rußland und Deutschland gelingen würde, wieder gegen⸗ seitig gute Beziehungen zu unterhalten. Wir werden uns auch freuen, wenn ein ebenso gutes Verhältnis zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Rußland entsteht. Man darf aus den Aeußerungen des Grafen Berchtold annehmen, daß alles Ueble der Vergangenheit angehört. Wir haben seit den Tagen Friedrichs des Großen immer Freundschaft mit Rußland gehalten. Russen sind zu⸗ aenen mit den Oesterreichern in Berlin eingezogen Kein Mensch spricht jetzt mehr davon. Im September 1812 stand Napoleon J. auf den Sperlingsbergen bei Moskau und schaute befriedigt auf die goldene, heilige Stadt, die bald darauf ein Raub der Flammen werden sollte. Ein Jahrhundert später haben Russen und Franzosen zusammen auf den Schlachtfeldern von Borodinow und an der Moskwa Verbrüderungsfeste gefeiert. Das alles zeigt, was möglich ist. Erinnern möchte ich noch an die durchaus freundschaftliche Haltung Rußlands im Jahre 1870/71. Wir haben nirgends in der Welt erhebliche Differenzen mit Ruß⸗ land. Ich kann mir dagegen wohl denken, daß Rußland und Eng⸗ land sehr zahlreiche haben können, so z. B. am Goldenen Horn, in

Persien usw. Mit Bedauern haben wir von den großen Heeres⸗ von den kriegsgemäßen

Die

ansammlungen an der deutschen Grenze, Manövern gehört, auch von den haßerfüllten Aeußerungen der Presse. Das sind alles zu beachtende Erscheinungen. Wir solkten aber trotz⸗ dem an die Erhaltung des Friedens glauben, die um so leichter möglich sein wird, je länger die Bemühungen der beiden Regierungen an⸗ halten. Selbst bei einem siegreichen Kriege mit uns könnte Ruß⸗ land nicht viel gewinnen, ebenso würde es uns ergehen. Der Streit mit Rußland kommt mir so vor, wie ein Streit in Verwandten⸗ kreisen, wo man sich auch einmal zankt und dann sieht, daß eigentlich gar kein Grund dafür vorhanden war. Wir treten für die Erhaltung der Türkei ein. Die Ruhestörer auf dem Balkan sollten ganz besonders energisch von den Großmächten zur Ruhe gewiesen werden. Es wäre dringend zu wünschen, daß Griechenland mit seinen ganz unerhörten Forderungen zurückgewiesen wird. Wenn die Großmächte die großen Schwierigkeiten in Alba⸗ nien ruhig mit ansehen, dann wäre es vielleicht besser gewesen, nicht erst ein Albanien geschaffen zu haben. Der Abg. Wendel hat mit dem Worte „Vive la France!“ geschlossen. Das ist immerhin ein ungewöhnlicher Vorgang. Der Abg. Wendel meint, daß in Frankreich die deutschfreundliche Stimmung immer mehr zunehme. Wenn es so wäre, wo sind dann die maßgebenden Stellen in Frankreich, die für eine Freundschaft mit Deutschland eintreten? 8 arthou hat erst vor kurzem gemeint, es gäbe Leute, die von einer Annäherung an Deutschland träumen. Dies könne man aber nur auf das Programm schreiben, wenn Frankreichs Weltmachtstellung an⸗ erkannt würde. Das ist doch keine Politik des Friedens und der Freundschaft. Ich will auch einen Fall von Clemenceau hier an⸗ führen, in dem er von der Wolfsnatur der Deutschen sprach. Nach diesen Aeußerungen bedeutender französischer Staatsmänner kann man nicht behaupten, daß in Frankreich eine deutschfreundliche Stimmung herrsche. (Zuruf des Abg. Wendel: Der Wahlausfall!) Der Aus⸗ fall der französischen Wahlen steht noch nicht ziffernmäßig fest. Auf keinen Fall kann ich glauben, daß es in Frankreich eine große Partei gibt, die eine Verständigung mit Deutschland haben will. Wir lebten im Jahre 1870 mit Frankreich im tiefsten Frieden. Aber die Massen in Frankreich wollten den Krieg. Ich wollte nur der Auf⸗ fassung entgegentreten, als ob in Frankreich allgemein dee Wunsch vorhanden ist, sich mit uns zu verständigen. Wir bedrohen doch nicht die Weltmachtstellung Frankreichs. Bismarck hat im Gegenteil immer das Bestreben Jules Ferrys unterstützt, Frankreich das große Kolonialreich zu schaffen. Man hat ausgeführt, daß der französische Bauer und der französische Kaufmann des Friedens bedürfen. Diese haben aber noch niemals einen Krieg verhindert. Auf der zweiten Haager Konferenz wurde der Seedeklaration zugestimmt. In Eng⸗ land aber entstanden Schwierigkeiten. Es würde mich freuen, wenn England seine Haltung ändern würde. Denn auch seitens der inter⸗ parlamentarischen Union wird dringend gewünscht, daß die See⸗ deklaration ratifiziert wird. Es ist eine irrige Auffassung im Aus⸗ lande, daß man bei uns der Schiedsgerichtsfrage feindlich gegenübersteht. Gerade wir haben ein sehr lebhaftes Interesse daran. Ich möchte unsere Freunde im Auslande bitten, diese Bewegung zu unterstützen.

österreichischen Delegationen Stimmen laut geworden, daß die Zuge

Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

7

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

8

8 2 3 3 * 1 8 8 Für die bevorstehende dritte Haager Konferenz sind eine ganze Reihe von Vorarbeiten nötig, zudem sind ihr eine ganze Reihe von früheren Arbeiten übertragen worden. In einer ganzen Reihe von Staaten hat man deshalb Studienkommissionen eingesetzt. Ich muß bedauern, daß das Auswärtige Amt sich gegenüber den Anregungen in der Budgetkommission ablehnend verhalten hat. Man könnte leicht den Vorwurf daraus herleiten, daß Deutschland die Angelegen⸗ heit verhindern wolle. Es kann der Regierung doch nur angenehm sein, die Meinungen der verschiedensten Seiten kennen zu lernen. Ich wünsche, daß diese Kommission jetzt bei uns noch zusammentritt. Sehr viel Zeit ist nicht mehr zu verlieren. Im Interesse des Friedens, zum Besten des Vaterlandes müssen Reichstag und Bundes⸗ rat, einträchtig zusammenarbeiten!

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat von Jagow:

Der Herr Abgeordnete Prinz zu Schönaich⸗Carolath hat über die Abschaffung des Seebeuterechts gesprochen und um eine Auskunft ge⸗ beten. Bekanntlich ist die Frage in der zweiten Haager Konferenz er⸗ örtert worden. Es waren damals vier Großmächte dafür, Amerika, Deutschland, Italien und Oesterreich, während vier andere, England, Frankreich, Rußland und Japan dagegen waren. Da auch die Stim⸗ mung in den Mittelstaaten eine geteilte war, konnte man zu irgend⸗ einem Beschluß natürlich nicht gelangen. Daß eine wesentliche Aende⸗ rung der Stellungnahme der Staaten seitdem erfolgt wäre, ist uns nicht bekannt. Wenn jetzt Sir Edward Grey eine freundlichere Haltung seines Landes in Aussicht stellt, so ist das im Interesse einer internatio⸗ nalen Verständigung zu begrüßen. Sir Edward Grey hat an diese Kon⸗ zession Bedingungen von großem Umfange geknüpft. Diese Be⸗ dingungen sind mir noch nicht genügend bekannt; sie bedürfen jedenfalls noch einer Erläuterung und Prüfung, sodaß ich momentan mich zu dieser Frage nicht aussprechen kann. Zur Ratifizierung der Seerechts⸗ deklaration sind wir bereit, aber das englische Parlament hat ihr noch nicht zugestimmt.

Abg. Gothein sfortschr. Volksp.): Freundschaft und Frieden mit allen Nationen, mit dem ganzen Auslande zu wahren und die wirt⸗ schaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern zu pflegen, muß das all⸗ gemeine Ziel sein. Wir sind mit diesem Fiale durchaus einverstanden und freuen uns, daß der Friede für uns erhalten geblieben ist, daß der Balkankrieg mit seinen Wirren beendet ist. In die Freude über die Erhaltung des Friedens mischt sich aber immer wieder das Bedauern, daß der Friede nur soll erhalten werden können durch immer gesteigerte Rüstungen. Für diese macht man heute mit Recht die Generalstäbler bei uns und in den anderen Ländern verantwortlich. Tief bedauerlich ist es also, daß die Staatsmänner bei der Politik so ziemlich abgedankt haben und die Diplomaten nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Alle europäischen Großmächte werden heute arm, weil sie zuviel für ihre Rüstungen ausgeben, weil sie nicht merken, daß die anderen, die das nicht notwendig haben, inzwischen reich geworden sind. Man braucht ja nur auf die Vereinigten Staaten zu sehen. (Abg. Schultz⸗Brom⸗ berg: Wir können doch die Geographie nicht ändern!) Wenn auch das nicht, so brauchen wir doch auch nicht immer unverständig zu sein. Nordamerika erspart in 20 Jahren auf diese Weise 100 Milliarden Mark; darin liegt die eigentliche amerikanische Gefahr. Die alte Welt starrt in Waffen. Wollen wir nicht in bezug auf wirtschaftliche Kraft in Europa abdanken, so müssen wir eine andere Politik einschlagen. Auch England spart uns gegenüber, weil es kein stehendes Heer in nennenswertem Umfange hat. Frankreich kann die Rückkehr zur drei⸗ jährigen Dienstzeit nicht ohne Schaden auf die Dauer ertragen, um nicht rückständig zu werden. Auch unsere wirtschaftlichen Interessen sind durch unsere Heeresausgaben schwer geschädigt. Wenn das Ver⸗ ständnis dafür vorhanden ist, muß der Weg auch gegangen werden. Deshalb muß zwischen Frankreich und Deutschland eine Verständigung herbeigeführt werden. Dem Vorredner kann ich darin nicht beistimmen, was er über das Friedensbedürfnis in Frankreich gesagt hat. Der frühere Ministerpräsident Barthou hat am 20. November 1913 in der Kammer aufgefordert, Front zu machen gegen diese gegenseitige Ver⸗ ständigungspolitik. Aber er hat diese Rede gehalten, weil er einen politischen Gegner bekämpfte. Die jetzige parlamentarische Mehrheit in Frankreich und die Stimmung im ftoesfischhe Volke ist für ein gutes Verhältnis mit Deutschland. Das sollen wir anerkennen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, auf die von dort herüberklingenden friedlichen Töne zu hören und die uns freundlich entgegengestreckte Hand zu ergreifen, die Hand eines Volkes, das soviel in der Welt geleistet hat. Ob gerade der Abg. Wendel seiner Sache durch seine Rede einen guten Dienst geleistet hat, möchte ich bezweifeln. Die Rede des Abg. Wendel könnte sehr leicht mißverstanden werden. Es sind Bestrebungen im Gange, eine internationale Verständigungsliga zu gründen. Dieses Bestreben ist nur zu begrüßen. Wenn der Staatssekretär es natür⸗ lich findet, daß, wenn von irgendeiner Seite Angriffe auf Deutschland erfolgen, diese Angriffe von uns erwidert werden, so bedauere ich einen solchen Standpunkt. Er möge doch ein etwas wachsameres Auge auf unsere chauvinistische Presse haben. Gesündigt wird hüben und drüben. Erst kürzlich hat sich der Geschäftsführer der Großen Kunstausstellung eine ungeheure Entgleisung mit Bezug auf das „Journal des Débats“ zu schulden kommen lassen. Das ist bedauerlich. Unsere Geschichte weist uns auf eine Verständigung mit Rußland hin. Die maßgebenden Kreise in Rußland werden es sich zehnmal überlegen, ob sie einen Krieg mit Deutschland führen wollen, der auch ihnen selbst die schwersten Schädi⸗ gungen bringen muß. Ich will jedoch nicht verkennen, daß in letzter Zeit die Stimmung gegen Deutschland in Rußland sich verschlechtert hat. Es ist bereits ausgeführt worden, daß die Ausfuhr von Rußland nach Deutschland sehr günstig ist. Einflußreiche Kreise in Rußland waren überrascht, als sie sahen, daß Deutschland das größte Ausfuhrland für Rußland geworden ist. Es ist unser eigenstes Interesse, mit unserem Einfuhrscheinsystem zu brechen. Den finnischen Mehlzoll sehe ich nicht so schwarz an. Der kann nicht viel schaden, denn unser deut⸗ sches Mehl ist tatsächlich besser als das russische. Ich richte an die Re⸗ gierung die Bitte, die Handelsvertrags⸗ und Zusatzprotokolle so ein⸗ wandfrei zu gestalten, daß ihre Auslegung nicht zu unklar ist. Bis⸗ marck hat gemeint, daß die politische Freundschaft von den wirtschaft⸗ lichen Verhältnissen unabhängig sei. Dieses Prinzip hat er befolgt, indem er das Verbot der Beleihung russischer Werte aussprach. Ruß⸗ land war also tatsächlich auf Frankreichs Geldmarkt angewiesen. Daß Frankreich für sein Geld Konzessionen verlangt, ist selbstverständlich; das kann man ihm nicht verdenken. Es ist Frankreichs politische Stärke. Wir brauchen unser Geld im Inlande für unseren Bevölke⸗ rungszuwachs. Wir müssen Schulen, Krankenhäuser, Wasserwerke, Elektrizitätswerke und Kanalisationen bauen. Wir haben Ursache, elbst unsere Kapitalbildung zu stärken, um auch dem Auslande gegen⸗ über als Geldgeber aufzutreten. Aber gerade die enormen Rüstungs⸗ kosten verhindern uns die finanzpolitische Machtstellung ö die wir wünschen müssen. Hätten wir nicht das unselige Kaligesetz, so hätten wir eine Milliarde zur Verfügung. Wir müssen aber daran denken, daß die Verteuerungspolitik uns schwächt. Die Notwendigkeit,

Neichsanzei

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 15. Maii

ist für den Fall einer Krisis ebensoviel wert wie ein Metallschatz. Deshalb sollen wir dafür sorgen, einen starken Besitz und ausländische Papiere zu haben, der unseren politischen Einfluß verstärkt. wollen nirgends Sondervorteile für uns, unsere Politk muß überall

die der 9 Tür sein. Wir müssen mit möglichst allen Staaten zu

einem Meistbegünstigungsverhältnis kommen. Was die auswärtige

Politik betrifft, so ist diejenige die beste, von der am wenigsten ge⸗

sprochen wird. Unsere auswärtige Politik soll sich nicht überall ein⸗

mischen, am wenigsten in innere v fremder Völker. Da⸗

rum bedauere ich, daß der Abg. Spahn auf die inneren Verhältnisse

Englands soweit eingegangen ist. Es kann uns aber nicht gleichgültig

sein, daß andere Staaten uns wirtschaftlich die Tür verschließen, wie

Rußland und Japan. Wir müssen bedauern, daß Frankreich in seinen

Kolonien eine Bevorzugung des Mutterlandes hat. Wir haben die

offene Tür in Marokko erreicht. Auch bei den mexikanischen Wirren

haben sämtliche europäischen Mächte ein größeres Interesse daran, daß

die Vereinigten Staaten aus Mexiko nicht ein zweites Kuba machen.

Wir ü”b auch dort die offene Tür verlangen, denn die natürlichen

Schätze Mexikos sind sehr groß und zukunftsreich. Die Ausbildung der Monroedoktrin auf das gesamte Wirtschaftsgebiet ist sehr gefährlich.

Hoffentlich kommen wir mit Brasilien, Peru usw. auch zu einem

Meistbegünstigungsverhältnis. Lebhaft wird geklagt, daß unsere kon⸗

sularischen Vertreter unsere wirtschaftlichen Interessen nicht genügend

vertreten. Das wird zurückgeführt auf die Besetzung unserer diplo⸗

matischen Posten mit einer sehr exklusiven Schicht. Das bürgerliche Element ist nur mit 11 gegen zirka 100 Adlige vertreten. Vor allem

ist eine bessere Ausbildung der Diplomaten notwendig. Ob dazu ein

besonderes Institut notwendig ist, lasse ich dahingestellt. Vielleicht ist die Angliederung an das Orientalische Seminar oder ein anderes Institut hierfür am Platze. Was die Forderung einer Prüfung un⸗

serer diplomatischen und konsularischen Beamten betrifft, so schützt sie ja nicht vor Dummheit, aber sie bewirkt, daß die Betreffenden etwas lernen und sich nicht allein auf Konnexionen verlassen. Zu Botschafter⸗ posten wird man allerdings immer diejenigen wählen, die sich am besten bewährt haben. Einer unserer besten Diplomaten, Freiherr von Mar⸗ schall, ist ja aus den Kreisen der Juristen hervorgegangen. (Zuruf rechts: Bismarck!). Ich schätze Bismarck außerordentlich, ich glaube, er war der letzte große Diplomat. Im Balkankrieg hat unsere Diplo⸗ matie versagt, weil sie zuerst im Fahrwasser österreichischer Politik stand. Meine sämtlichen Freunde sind mit dem Herzen für unser altes bis⸗ heriges Verhältnis zu Oesterreich, für den Dreibund, der den Frieden sichern will, nicht mit kriegerischen Zielen. Ein solches Bündnis setzt aber voraus, daß nicht beliebige Extratouren von den Diplomaten der Einzelstaaten getanzt werden. Die verbündeten Staaten müssen sich vorher über die einzuschlagenden Schritte verständigen. In dieser Be⸗ ziehung sind von allen Seiten Fehler gemacht worden. Oesterreichs Annexion von Bosnien und der Herzegowina bot nur einen Anreiz für andere Staaten, sich von der Türkei etwas zu holen und brachte uns nur Unannehmlichkeiten. Wir sind ja weit vom Schuß, aber wir haben ein lebhaftes Interesse an der Erhaltung der Türkei als der Beherrscherin der Dardanellen; befinden sich diese in der Hand Ruß⸗ lands oder eines russischen Vasallenstaates, dann wäre der Friede stän⸗ dig bedroht. Gelänge es, die Dardanellen und das Schwarze Meer zu neutralisieren, so würde ja die Situation eine andere sein. Es ist durchaus begreiflich, daß Oesterreich und Italien sich gegen einen serbischen Kriegshafen an der Adria gesträubt haben. Etwas anderes ist es, den vom Meere abgeschlossenen Staaten den wirtschaftlichen Zugang zum Meere zu eröffnen. Deshalb begrüßen wir, daß Serbien den Anschluß nach Saloniki zugestanden erhalten hat. Aus Südalba⸗ nien sollte man eventuell eine Art Ulster mit Selbstverwaltung machen. Die Entsendung der deutschen Militärmission nach Konstantinopel war deshalb bedenklich, weil einem deutschen General ein türkisches Kommando und noch dazu in der Hauptsache übertragen werden sollte; es war sehr richtig, daß wir uns auf die Dauer nicht darauf versteift haben, das Auswärtige Amt dürfte auch selbst davon nicht besonders entzückt gewesen sein, sondern es hat sich einem fait accompli gegen⸗ über gesehen. Freudig nehmen wir Notiz davon, daß der Staats⸗ sekretär von der Entspannung auch in unserm Verhältnis zu England gesprochen hat. Die berühmten klugen Leute, die noch vor kurzer Zeit den Krieg mit Deutschland und England als unvermeidlich hin⸗ stellten, sind durch die Tatsachen gründlichst desavouiert worden, der General Keim spielt noch den klugen Mann. Aber wie lange ist es her, daß von der Rechten mit dem Säbel gerasselt wurde? (Abg. Graf Westarp: Darum haben wir Frieden behalten!) Nein, wir haben Frieden behalten, weil unser Reichskanzler so energisch gegen Sie aufgetreten ist. Auch die Sprecher der Konservativen haben in der Budgetkommission diese Besserung als einen Fortschritt begrüßt. Die Balkankrise hat es gezeigt, daß zwischen Deutschland und England keine nennenswerten Gegensätze, aber außerordentlich viel gemeinsame Interessen bestehen. Es handelte sich eben um Mißverständnisse zwischen beiden Völkern und beiden Kabinetten. Ich hoffe, daß von beiden Seiten darauf hingearbeitet wird, um auch in der Bevölkerung diese Mißverständnisse aus der Welt zu schaffen. Dies geschieht, wenn wir uns näher kennen lernen. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, daß der deutsch⸗englische Gegensatz ein Kulturhemmnis ist. Viele Kreise haben sich lange gegen jede Verständigung mit England ge⸗ sträubt aus Feindschaft gegen die demokratisch regierten Länder. Da waren die Franzosen viel weitsichtiger und schlossen das Bündnis mit dem autokratischen Rußland. Wir haben ein gemeinsames Interesse der offenen Tür in allen Ländern. Wir brauchen eine Politik inter⸗ nationaler Verträge und darüber hinaus auch eine solche, die eine Internationalisierung des Rechtes im weitesten Sinne anstrebt. Wir brauchen den Handelsverkehr und eine Verminderung der Reibungs⸗ flächen zwischen den einzelnen Nationen. Dazu dienen internationale Schiedsgerichte. Das Haager Schiedsgericht haben die sogenannten klugen Leute sehr bespöttelt und als eine Ausgeburt des Illusionismus bezeichnet. Wir können nur wünschen, daß dieses System immer weiter ausgebildet wird. Man verschreit uns überall als die eigent⸗ lichen Gegner des Friedens. Deshalb war es gut, daß der Staats⸗ sekretär meinen Anregungen folgte und in der „Norddeutschen Allge⸗ meinen Zeitung“ seine Erklärungen in der Budgetkommission der Oeffentlichkeit zugänglich machte. Es ist erfreulich, daß die Haltung des englischen. Ministeriums in der Frage der Prisen⸗ gerichtsbarkeit und des Seekrieges eine Einigung zu verbürgen scheint. Hoffentlich einigt man sich noch vor der dritten Haager Konferenz. Es ist dringend erwünscht, daß die Haager Konferenz auch einmal prak⸗ tische Erfolge zeitigt. Es ist auch bedauerlich, daß das Weltwechsel⸗ recht an dem Widerstande Englands gescheitert ist. Es ist jedoch anzuerkennen, daß England sein Wechselrecht immer mehr dem inter⸗ nationalen anpassen will. Zu den Vorarbeiten für die Haager Kon⸗ ferenz sollte die Regierung auch von den vielen Fachleuten welche heranziehen, die wir bei uns haben. Das Vertrauen zu unserer aus⸗ wärtigen Politik ist zwar im Auslande gewachsen, aber nicht so, wie es dringend erwünscht ist. Trotz des 40 jährigen Friedens gelten wir immer noch für den Friedensfeind. Auf den innigen Zusammenhang zwischen innerer und auswärtiger Politik bei uns ist schon hingewiesen worden. Das Ausland ist der Auffassung, daß nicht der Wille des friedlichen Volkes, sondern der einer kleinen einflußreichen Minder⸗ heit entscheidend ist. Als Beweis führt man Zabern an. Generale und andere unverantwortliche Stellen, wie der preußische Landtag, machen unsere auswärtige Politik. Das ist zweifellos nicht dazu an⸗ getan, uns Sympathien zu verschaffen. So muß unsere Dänenpolitik unsere natürlichen Verbündeten im Norden zurückstoßen, ebenso die Polenpolitik Rußland und das österreichische Slawentum. Der

immer auf den Krieg zu sehen, erschwert es uns, als Geldgeber gegen⸗ über dem Auslande aufzutreten. Der Besitz guter ausländischer Werte

Reichskanzler hat ja gezeigt, daß er unter Umständen ein Rückgrat

Wir

ger und Königlich Preußi

gegenüber den Kriegstreibern haben kann. Das Ausland darf nicht zu der Auffassung kommen, daß Wehr⸗ und Flottenverein die Unter⸗ tützung der Regierung haben. Der Kampf gegen das Militärkabinett ist deshalb auch ein Kampf zur Stärkung der verantwortlichen Stellen egenüber den unverantwortlichen. Wir verlangen eine einheitliche Politik und nicht einen Dualismus, indem die auswärtige immer von der inneren durchkreuzt wird. Das ist unbedingt notwendig, wenn sich im Auslande die Meinung verbreiten soll, daß Deutschland ein Hort des Friedens und des kulturellen Fortschritts ist. Ein Hort des Friedens ist Deutschland immer gewesen, ein kultureller Fortschritt ist es nicht immer gewesen. Solange wir das nicht sind, werden wir auch nicht das Vertrauen des Auslandes genießen.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat von Jagow:

Ich weiß nicht, wie der Herr Vorredner zu der Ansicht gekommen ist, daß ich mich zum Fürsprecher oder Verteidiger chauvinistischer Kundgebungen gemacht hätte. (Sehr wahr! rechts.) Ich habe hier nur festgestellt, daß in der russisch⸗deutschen Preßkampagne der An⸗ griff von russischer Seite ausgegangen ist und daß schließlich, wenn man fortgesetzt angegriffen wird, es natürlich ist, daß auch eine Reak⸗ tion eintritt. Ich habe ferner festgestellt, daß das Maß, womit wir im Auslande gemessen werden, kein gleiches ist, daß die Angriffe, die gegen uns geführt werden, nicht in dem Maße beachtet werden, wie nachher die Verteidigung oder die Gegenangriffe. Zum Verteidiger irgendwelcher chauvinistischer Angriffe habe ich mich nie gemacht.

Abg. Dr. Oertel (dkons.): Der Staatssekretär hat mit seinen Ausführungen durchaus recht. Die Differenz zwischen ihm und dem Abgeordneten Gothein zeigt, daß er die russische Presse etwas besser kennt als der Abg. Gothein. er gewohnt ist, in dieser letzten Zeit in russischen Blättern zu lesen, muß zugeben, daß die Presse von Ruß⸗ land die Anfängerin gewesen ist, und daß der Widerhall aus Deutsch⸗ land ein Sääusekn war gegen die Klänge, die von Osten herübertönten. Sie werden mir wohl nicht allzu sehr übel nehmen, wenn ich dem Vorredner aus dem Hause nicht auf alle Gebiete folgen will, auf den Boden der Polenpolitik, Dänenpolitik, Zabern und alles andere. Das wäre Ihnen und mir zuviel zugemutet. Ich werde mich lediglich mit den Fragen beschäftigen, die einen leicht erkennbaren Zusammenhang mit der auswärtigen Politik haben. Ich möchte zwei Worte nur sagen zu der Entschließung über die Ausbildung der Diplomaten und konsularischen Beamten. Alles zu sagen, bin ich nicht imstande, da kann der Abg. Gothein mehr als ich. Ich will auch nicht immer wieder dasselbe sagen; ich will nur erwähnen, daß die Zahlen des Abg. Gothein mir neu waren. Daß die Ausbildung der Diplomaten manches zu wünschen übrig läßt, darüber sind sich wohl alle einig; aber es soll auch andere Berufsstände geben, wo manche Wünsche bisher unerfüllt geblieben sind. Warum soll man die Dinge nicht bessern? Ich habe immer dafür gesprochen, daß man darauf bedacht sein müsse, unsere künftigen Vertreter im Auslande, die diplomatischen, die konsularischen, mit der Weltwirtschaft bekanntzumachen, voraus⸗ gesetzt, daß man sich einigt darüber, was zur Weltwirtschaft alles gehört vorläufig sind sich die Gelehrten noch nicht vollkommen darüber einig. Wenn wir das aber wünschen, wollen wir uns doch nicht auf einen etwas magistralen Standpunkt stellen, daß nur die Prüfung allein Heil bringt. Ich bin kein Freund der Prüfungen. Ich glaube, wir werden durch die Prüfungen nicht viel erzielen; aber immerhin schaffen wir eine gewisse Gewähr, daß die Leute wenigstens etwas gelernt haben oder sich etwas haben einpauken lassen. Wenn wir das aber wollen, ist doch das einfachste, daß wir anknüpfen an das, was schon da ist, alsb an unsere Hochschulen, an unsere Univer⸗ sitäten. Warum sollen wir erst etwas Neues für die sogenannte Weltwirtschaft schaffen? Die G müssen an den Hochschulen abgelegt werden. In Preußen sind meine Freunde im Abgeordneten⸗ hause in dieser Richtung vorgegangen; sie haben den Antrag einge⸗ bracht, der jetzt im Unterrichtsausschuß zur Vorberatung vorliegt, daß auf der Hochschule in Berlin bessere Gelegenheit geboten werde für die Ausbildung in den Fragen der Weltwirtschaft. Warum sollen wir also da etwas Neues schaffen? Die Entschließung verliert sich doch zu 88 in Einzelheiten; sie beschränkt sich nicht darauf, zu ver⸗ langen, daß die diplomatischen und konsularischen Beamten geprüft werden, sie will auch Vorschriften machen über die Zusammensetzung der Prüfungskommission. Sie geht ganz bis ins einzelnste hinein. Da wird weiter verlangt, daß dieser Prufungskommission zwei Ver⸗ treter des praktischen wirtschaftlichen Lebens angehören sollen. Es war interessant, daß gerade aus den Kreisen des praktischen und wirt⸗ schaftlichen Lebens gegen diese beiden Mitglieder der Prüfungskom⸗ mission oder Prüfungsausschusses erhebliche Bedenken laut wurden. Es wurde gesagt: zwei sind nur zwei; die beiden können höllisch einseitig sein. Da fühlen sich die anderen mit Recht verletzt. Vor allen Dingen soll eine der englischen und der französischen Sprache mächtige Persönlichkeit im Ausschusse sein. Das klingt etwas bedenklich; denn es könnte auch eine Dame sein, die der englischen oder französischen Sprache mächtig sei, und die dem Prüfungsausschuß angehören soll. (Zuruf des Abg. Ledebour.) Sie waren doch auch sehr bedenklich gegen diese Persönlichkeit; also machen Sie mir boch keine Vorwürfe. Deswegen sind wir nicht geneigt, auf den Boden dieser Entschließung zu treten. Sie geht uns zu sehr ins einzelne. Wir können das Ziel besser erreichen, wenn wir uns auf den Boden der Entschließung stellen, die im Unterrichtsausschuß des Abgeordnetenhauses zur Beratung vor⸗ liegt. Nun komme ich zur Frage der auswärtigen Politik selbst. Da möchte ich mir gestatten, einige einschränkende Vorbemerkungen zu machen. Ich werde nicht über alle Fragen sprechen; ich werde auch nicht als Lehrmeister für die Auslandspolitik hier auftreten. Ich halte es nicht für gut, wenn wir von dieser Stelle aus, sei es dem befreundeten, sei es dem nichtbefreundeten Auslande gegenüber, wohlgemeinte Ratschläge geben. Damit wirft man nur Fenster ein, obwohl man etwas ganz anderes gemeint hat. Ich halte es für zweckmäßig, wenn wir vom Rednerpulte des Deutschen Reichstages die Politik eines befreundeten Reiches als eine hin⸗ und herpendelnde, eine hysterische, eine Schlachthofspolitik be⸗ zeichnen. Das sollen wir nicht tun; wir sollen uns darauf beschränken, Deutschlands Auslandspolitik einer berechtigten Kritik zu unterziehen, aber davon herauslassen, was nicht unseres Amtes ist. Ich bitte die Herren, sich zu vergegenwärtigen, daß sie, wenn sie dem Auslande Rat⸗ schläge geben, damit sehr stark Gefahr laufen, nicht ernst genommen

u werden, vorausgesetzt, daß sie bisher schon ernst genommen worden sund (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Es wurde mir zugerufen: Das wäare überflüssig. Das weiß ich. Sie sind viel mehr praeceptores als ich; aber zum praeceptor Germaniae langt es noch, zum praeceptor Europae möchte ich mich nicht aufwerfen. Das kann ich Ihnen (zu den Sozialdemokraten) und dem Abg. Gothein überlassen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Sie sind praeceptor mundi; denn Ihre Lehrtätigkeit reicht weit über die Grenzen des Erdteils hinaus. Ich werde nur darüber sprechen, was erreichbar ist. Der Be⸗ richterstatter hat von den Ereignissen des letzten Jahres besonders die von Mexiko, China und Marokko hervorgehoben. Alle drei Länder liegen außerhalb der Grenzen Europas. Viel kann man da nicht sagen, und die alten Redensarten will ich nicht wiederholen. In Mexiko müssen wir dafür sorgen, daß das Leben und Eigentum und die Inter⸗ essen Deutscher geschützt werden. Wir haben die Hoffnung, daß die

deutsche. Regierung in dieser Beziehung ihre Pflicht tut. In China