Die Kommission hat allen Bureaubeamten beim Reichs⸗
postamt die Stellenzulage von 300 ℳ zu bewilligen und diese im Gegensatz zum Etatsentwurf für pensionsfähig zu erklären beantragt. Bei der Betriebsverwaltung 190 Stellen für Vizedirektoren bei den Aemtern erster Klasse 240 eingesetzt werden, wogegen die Ziffer der Post⸗ und Tele⸗ grapheninspektoren von 733 auf 683 vermindert werden soll.
Ferner beantragt die Kommission die Annahme folgender Resolutionen:
1) den Reichskanzler erneut zu ersuchen, in den einzelnen Ver⸗ waltungen, insbesondere bei der Reichsmarine, der Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung und der Betriebsverwaltung der Reichs⸗ eisenbahnen Beamten⸗ und Angestelltenausschüsse zu errichten;
2) den Reichskanzler zu ersuchen, den aus den Arbeiter⸗ und Handwerkerverhältnissen hervorgehenden Unterbeamten, insbesondere
denen in der Post⸗ und Telegraphenverwaltung, in den Fällen,
in denen die Nichtanrechnung der Arbeiter⸗ und Handwerkerdienst⸗ jahre auf das Besoldngsdienstalter Gehaltsunterschiede gegenüber den aus anderen Anwärterverhältnissen hervorgegangenen Unterbe⸗ amten zur Folge hat, Ausgleichszulagen zum Gehalt zu gewähren. Berichterstatter Abg. Beck⸗Heidelberg (nl.) macht darauf auf⸗ merksam, daß die Beschlüsfé der Kommission einstimmig gefaßt worden sind. Die Konsequenzen dieses. Beschlusses müßten auch bei anderen Behörden bei den entsprechenden Beamtenkategorien gezogen werden.
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke: Der Bundesrat hat der Umwandlung der nichtpensionsfähigen Zulage für die Bureaubeamten des Reichspostamts in pensionsfähige Zulage zugestimmt (Bravo!) und stimmt auch dem zu, daß bei den übrigen Bureaubeamten der obersten Reichsbehörden quenzen gezogen werden. (Beifall.)
Vizepräsident Dr. Paasche schlägt vor, die Konsequenzen in der dritten Lesung zu ziehen.
Abg. Antrick (Soz.): Als ich im vorigen Jahre zahlreiche Mißstände in der Oberpostdirektion in Braunschweig zur Sprache brachte, hegte ich die Hoffnung, daß wenigstens die ärgsten Uebelstände beseitigt werden würden. Das ist leider nicht geschehen. Der Ober⸗ postdirektor in Braunschweig scheint dem Autosport mehr zu huldigen, als für das Wohl der Unterbeamten zu sorgen. Die Unterbeamten im Hauptpostamt werden von den Vorgesetzten so schikaniert und drangsaliert, daß der Oberpostdirektor schon längst hätte einschreiten müssen. Die Briefträger haben eine Dienstzeit von 14 bis 16 ½ Stunden. Dabei kann von einer päterlichen Erziehung der Kinder nicht die Rede sein. Die Dienst⸗ und Arbeitsräume für die Brief⸗ träger im Hauptpostamt sind zu klein und geradezu gesundheits⸗ schädlich. Kein Privatbetrieb würde so etwas dulden. Die ärztliche Kontrolle dieses Raumes wird durch die vorherige Anmeldung der Inspektion illusorisch gemacht. Auch auf dem Bahnpostamt 2 sind die Diensträume viel zu klein, die Ausstattung unzureichend, ebenso die Waschgelegenheit. Die Unterbeamten bekommen die Handtücher, die die höheren Beamten vorher benutzt haben. Dabei ist der Dienst dieser Unterbeamten ein sehr langer. Die Folgen sind häufige Er⸗ krankungen. Die Oberbeamten stehen diesen Erkrankungen völlig teilnahmlos gegenüber. Ein Vorgesetzter sagte menschenfreundlich: Krank können Sie sein, so viel Sie wollen, wenn nur der Dienst verrichtet wird. Die Filzigkeit der Oberpostdirektion zeigte sich z. B. darin, daß sie auf ein Unterstützungsgesuch eines Unterbeamten eine lange Untersuchung veranstaltete und den Beamten darüber zur Rede stellte, warum er sich einen Zivilanzug und eine halbes Dutzend Hemden auf einmal gekauft hätte. Für die oberen Beamten dagegen werden die Gelder geradezu zum Fenster hinausgeworfen. Der Oberpostdirektor in Braunschweig fährt in der Welt mit seinem Auto spazieren, statt sich um seine Beamten zu kümmern und verpulvert das Geld der Steuerzahler. Als ich im vorigen Jahre diese Dinge zur Sprache brachte, erklärte das verlogenste Blatt Braunschweigs meine Behaup⸗ tung für unwahr und stellte eine Richtigstellung in Aussicht. Diese ist bisher nicht erfolgt. Mir ist erzählt worden, daß ich die Verhältnisse noch viel zu rosig geschildert habe; namentlich wird über die Briefbe⸗ stellung geklagt. Man wirft uns vor, daß wir durch unsere Kritik das gute Einvernehmen zwischen Vorgesetzten und Unterbeamten stören. Auch wir Sozialdemokraten wollen ein gutes Einvernehmen fördern, aber nicht auf Kosten der Unterbeamten. Wo so wenig humane Vorge⸗ setzte ihres Amtes walten wie in Braunschweig, kann gar kein gutes Einvernehmen herrschen. Man sucht es künstlich herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Im vorigen Jahre wurde der Postdirektor Kulemann pen⸗ sioniert. Um ihm einen guten Abgang zu geben, wurde ein großer Abschiedskommers veranstaltet. Die Postunterbeamten hatten wenig Lust daran teilzunehmen und man drohte denen, die sich nicht beteili⸗ gen wollten, mit Dienstwechsel und der Versagung von Unterstützun⸗ gen. So nahm dann der Kommers einen glänzenden Verlauf. Am anderen Tage brachten die „Neuesten Nachrichten“ einen Bericht, worin sie das gute Einvernehmen der Vorgesetzten und Unterbeamten hervor⸗ hoben. Sie verschwiegen natürlich, auf welche Weise die Unterbeamten ur Teilnahme an dem Kommers gezwungen worden waren. Die Oberpostdirektionen tun alles, um die Unterbeamten immer in schärf⸗ sten Gegensatz zu ihren Beamten zu bringen. Der Staatssekretär sollte sich mehr um die Postdirektionen kümmern. Die Schaffung von Beamtenausschüssen würde schon vieles bessern. (Vizepräsident Dr. Paasche bittet den Redner, nicht Angriffe gegen Beamte zu richten, die sich hier nicht verteidigen können.) Die Oberpostdirek⸗ toren follten sich mindestens um die Verhältnisse ihrer Unterbeamten kümmern.
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Meine Herren! Ich verzichte darauf, dem Herrn Abgeordneten in alle die von ihm erwähnten Winkel und bis in die Badewanne zu folgen. Ich beschränke mich bloß darauf, daß ich mein Bedauern darüber ausspreche, daß der Herr Abgeordnete auf Zuträgereien, die gar nicht bewiesen sind, Beamte, die ihre Pflicht tun, hier vor dem Reichstag persönlich herunterzusetzen versucht. Die Absicht, die bei⸗ diesem Vorgehen verfolgt wird, liegt viel tiefer, sie geht dahin, durch diese Klagen, die hier vor dem Hause immer wieder über an⸗ gebliche schlechte Behandlung der Unterbeamten vorgebracht werden, für die aber jeder Beweis fehlt, das Unterbeamtenpersonal in einen gewissen Gegensatz zu den Beamten zu bringen. Darauf möchte ich nur erwidern: das Postunterbeamtenpersonal besteht aus so braven Leuten, die so ihre Schuldigkeit tun, daß alle diese Absichten doch mißlingen werden. (Zurufe von den Sozialdemokraten.)
Abg. Brühne (Soz.): Wenn man die Unterbeamten so ein⸗ schätzt, dann sollte man auch ihre berechtigten Wünsche erfüllen. Der Red⸗ ner bringt Beschwerden der Beamten in Frankfurt am Main vor, namentlich sei die Zahl der überwachenden Beamten viel zu groß.
Die Kommission hat die Zahl der Vizedirektorenstellen vermehrt, weil die frühere Hoffnung, daß die Oberpostprakti⸗ kanten rascher in höhere Stellen kommen, sich nicht erfüllt hat. Eine wirkliche Abhilfe kann nach ihrer Meinung nur durch Schaffen von Direktorenstellen erfolgen. Da die Regierung jetzt damit nicht einverstanden war, so hat man sich auf die Schaffung von Vizedirektorenstellen geeinigt. Die in dem Etat einge⸗ stellte Zahl von 190 Vizedirektorstellen erschien nicht genügend. Sie wurde deshalb auf 240 erhöht. 3
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Meine Herren! Der Bundesrat hat dem Beschluß der Kom⸗ mission, die Stellen in Tit. 20 um 50 zu erhöhen und den Tit. 21. entsprechend abzuändern, zugestimmt,
sollen stoß
die Konse⸗
Abg. Werner⸗Hersfeld (wirtsch. Vgg.) hofft, daß im nächsten Jahre diese Vizedirektorenstellen in Direktorstellen umgewandelt wer⸗ den. Weiter wuünscht er Aufrückungsmöglichkeiten für gehobene Unter⸗ beamte.
Das Haus beschließt nach dem Antrage der Kommission und nimmt die beiden Resolutionen an.
Die aus dem Etat für die Verwaltung der Reichseisenbahnen noch 1“ Titel der fort⸗ dauernden Ausgaben werden Ss ebatte bewilligt.
Es folgt der Etat der allgemeinen Finanzver⸗ waltung. Die dazu vorliegende Resolution der Deutschkon⸗ servativen, betreffend die zollpflichtige Behandlung von Gerste, wird erst nach der Erledigung des Reichshaushaltsetats beraten werden. Die Kommission beantragt, den Etat unverändert zu genehmigen. 3 8
Abg. Kleye (nl.): Im Jahre 1911 ist über die Zuckerrüben⸗ industrie eine noch nicht dagewesene Katastrophe hereingebrochen, die noch heute nicht ausgeglichen ist. Der Reichsschatzsekretär hat, wie seine Ausführungen in der Budgetkommission beweisen, diesem Um⸗ stande nicht genügend Rechnung getragen. Ueber die russische Zucker⸗ industrie ist dieselbe Katastrophe im Jahre 1912 gekommen; 87 000 ha sind in Rußland erfroren. Die Ausführungen des Staatssekretärs haben bei den deutschen rübenbauenden Landwirten geradezu Erbitte⸗ rung hervorgerufen. Der Preis von nur 9 ℳ für den Zentner Zucker ist so niedrig, daß namentlich die kleinen Zuckerfabriken dabei nicht be⸗ stehen können. Wie man nach den enormen Produktionssteigerungen in den Konkurrenzländern noch so ein Optimist sein kann wie der Reichsschatzsekretär, ist unbegreiflich. Unser Zuckererport nach Amerika ist so gut wie verschwunden. Kuba ist, trotz der entgegengesetzten Mei⸗ nung, die der Schatzsekretär vertreten hat, einer der größten Kon⸗ kurrenten des veusschen Zuckers geworden. Alles das hat man beim Abschluß der Brüsseler Zuckerkonvention nicht beachtet. Hätten wir die Konvention nicht abgeschlossen, sondern den Kampf geführt, dann hätten wir ihn siegreich bestanden. Ich wünsche dem Schatzsekretär recht viel Erfolge in seinem Amte; aber die Zuckerindustrie windet ihm keine Lorbeeren. Der Erfolg der Konvention ist, daß auch nicht eine einzige neue Fabrik mehr entstanden ist; ein Beweis, daß bei der Zuckerfabrikation nichts mehr zu holen ist; aber böse Zeiten sind namentlich für die kleinen Fabriken angebrochen; es heißt immer, wir wollen den Mittelstand retten; hier ist es wie ein Verhängnis über die kleinen Produzenten gekommen, deren Ruin so unausbleiblich ist, wie der der kleinen Brenner unabwendbar war. England hat uns mit seinen Drohungen veranlaßt, Rußland mit außerordentlicher Sonder⸗ bevorzugung in die Konvention aufzunehmen; dasselbe England kündigt jetzt die Konvention! England hat eine eigene Rübenzuckerfabrik er⸗
richtet; in England zahlt der Rübenzucker keine Inlandsteuer. Die
Rübenzuckerindustrie fügt sich resigniert in ihr Schicksal, sie ist das
Stiefkind der Reichsregierung geworden. Auch der Reichstag hat sich ihrer nicht angenommen. Wenn sich die Rübenbauern noch aufrecht halten, so verdanken sie es bloß ihrer eigenen Intelligenz, nicht der Unterstützung der gesetzgebenden Faktoren. Wir sind gegen Rußland und gegen Kuba gänzlich ins Hintertreffen geraten, obwohl alle fremden Zuckerindustrien erst von der deutschen gelernt haben. Was soll nun werden? Der Kampf, den man damals vermeiden wollte, der kommt nun doch; er ist nur aufgeschoben. Die russische Konkurrenz ist uns besonders deshalb so gefährlich geworden, weil man dort gleichmäßig durch Verwaltungs⸗ und gesetzliche Maßnahmen auch besonders die kleinen Landwirte in den Stand gesetzt hat, sich dem Rübenbau zu
widmen. Unsere Waffen dagegen sind stumpf geworden; man hat uns nach den Prämien auch das Kartell genommen. Die Ermäßigung
unserer Inlandsverbrauchsabgabe für Zucker ist schon dreimal auf⸗ geschoben werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die deutsche Zuckerindustrie gegenüber dem Auslande konkurrenzfähig gemacht wird.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
Meine Herren! Ich war aufs äußerste überrascht, von dem Herrn Vorredner hier unter mehrfachen lebhaften Apostrophierungen ge⸗ wissermaßen als der Erzfeind der deutschen Zuckerindustrie hingestellt zu werden. Meine amtliche Tätigkeit hat mich vor längeren Jahren viel mit dieser Industrie in Berührung gebracht. Ich habe damals ein warmes Interesse für sie gewonnen und hege dieses Interesse noch heute. Ich freue mich darum, wenn es der Industrie wohlergeht; es erfüllt mich mit Bedauern, wenn ich sehe, daß sie eine ungünstige Periode durchzumachen hat. Diesem Bedauern habe ich in meiner Etatsrede vom Jahre 1912 Ausdruck gegeben, und das war in der Tat am Platze, denn das vorangegangene Jahr war überaus traurig ge⸗ wesen. Um nur wenige Zahlen zu nennen: in jenem Jahre war die Erzeugung von 26 Millionen Doppelzentnern auf 15 Millionern Doppelzentner herabgegangen, der Konsum war von 14 Millionen auf 12 Millionen gesunken, und die Ausfuhr sogar von 11 Millionen auf 2,8 Millionen Doppelzentner. Ich habe damals der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß das kommende Jahr einen gewissen Ausgleich — nur hiervon, nicht etwa von einer Schadloshaltung für alle mageren Jahre habe ich gesprochen — für die Industrie schaffen könne, und glücklicherweise konnte ich im Jahre 1913 in der Etatsrede konstatieren, daß meine Hoffnungen nicht getrogen hatten; denn in der Tat ist das Jahr 1912, wie ja auch von dem Herrn Vorredner zugegeben wurde, in bezug auf die Produktion ein so glänzendes gewesen, wie wir es noch nicht erlebt haben und wie es auch sonst nicht beobachtet worden ist. Der Herr Vorredner geht darin vollkommen fehl, wenn er meint, ich hätte das ungünstige Jahr 1911 mit dem günstigen Jahre 1912 ver⸗ glichen, um dieses in besonders hellem Lichte erscheinen zu lassen. Da⸗ von war gar nicht die Rede; ich habe die absoluten Zahlen des Jahres 1912 erwähnt, die so günstig sind, wie sie früher niemals bei uns auf⸗ zuweisen waren.
Nun hilft ja allerdings die große Produktion nichts, wenn die Preise sehr niedrig sind. Ich habe darum die Bemerkung angeknüpft, daß über unauskömmlich niedrige Preise nicht zu klagen gewesen wäre; sie hielten sich immer auf einer allenfalls auskömmlichen Höhe, näm⸗ lich zwischen 9 und 10 ℳ für den Zentner. (Zurufe.) Ich habe dabei besonders hervorgehoben: es ist nicht die Auskömmlichkeit allein, es ist die Stetigkeit der Preise, die hierbei ins Gewicht fällt, und die ge⸗ rade für den nicht spekulierenden Fabrikanten und den reellen Kauf⸗ mann von großem Werte ist. Eine plötzliche Hausse kann den Pro⸗ duzenten nicht viel nützen. Vielfach tritt sie ein, wenn der Zucker be⸗ reits verkauft ist; das ist ja eine alte Erfahrung. (Zustimmung.)
Zum Beweise für die Stetigkeit der Preise gerade im letzten Jahre möchte ich Ihnen anführen, daß im Jahre 1912 der niedrigste Preis 18,50 ℳ für den Doppelzentner, der Höchstpreis 33,20 ℳ betragen hat, die Spannung also 14,70 ℳ; im Jahre 1911 betrug bei einem niedrigsten Preise von 17,90 ℳ und einem Höchstpreise von 36,70 ℳ die Spannung 18,80 ℳ. Dagegen war im vorigen Jahre bei einem Höchstpreise von 20,30 ℳ und einem Niedrigstpreis von 17,65 ℳ nur eine Spannung von 2,65 ℳ vorhanden während des ganzen Jahres. Auf dieser Höhe hat sich mit geringen Abweichungen der Preis auch weiter gehalten. Er stand am 15. Mai dieses Jahres auf 18,90 ℳ für den Doppelzentner. Was ich also in meinen beiden Etatsreden von 1912 und 1913 hier vorgetragen habe, war nur die Wiedergabe von Tatsachen und Zahlen und nur der Ausdruck meines Interesses für die für unser Wirtschaftsleben so hochbedeutende Zuckerindustrie, und ich
nahm nicht an, daß dies irgendwo im Lande anders aufgefaßt werden
könnte. Der Herr Vorredner hat dann die Gelegenheit auch wieder he⸗
nutzt, um eine Lanze gegen die Zuckerkonvention einzulegen. Ueber die
Zuckerkonvention und die verschiedenen Nachtragsverträge dazu ist hier
im Reichstag ausführlich gesprochen worden. (Sehr richtig! links.)
Ich möchte die alten Debatten hier nicht gern wieder aufleben lassen.
Vielleicht würde die Zeit, die dem Reichstage jetzt noch zugemessen ist,
nicht dazu ausreichen, sie zu beendigen. (Sehr wahr! links.) Also
nur einige ganz kurze Worte über die Konvention! Sie verdankt ihren
Abschluß nicht dem Eintreten einzelner Vertreter der Regierung, son⸗- dern sie war eine Notwendigkeit nach außen und nach innen —, nach
außen wegen des bekannten Standpunktes, den England damals ein⸗ nahm, das unser Hauptabnehmer ist, und nach innen, weil hier die Zustände geradezu unerträglich geworden waren.
Der Herr Vorredner hat mit Recht erwähnt, daß er vom da⸗ maligen Zuckerkartell hier im Augenblick nicht sprechen wolle. Ich
glaube, er hat gut daran getan. (Heiterkeit und Zustimmung.) Gerade 8
an den ungünstigen Verhältnissen, die damals für die Zuckerindustrie bestanden, trug das Kartell einen sehr erheblichen Teil der Schuld, was auch in weiten Kreisen der Industrie selbst anerkannt wurde. Auf der anderen Seite konnte man doch auch nicht ruhig mitansehen, wie die Zuckersteuer sich zum großen Teil in den Prämien, die für die Zuckerausfuhr gegeben wurden, wieder verflüchtigte. Das war ein so ungesunder Zustand nicht nur für die Finanzen, sondern auch für die Allgemeinheit, daß er abgeschafft werden mußte und sicherlich inzwischen auch abgeschafft worden wäre, selbst wenn damals die Konvention nicht zustande kam.
Wir haben aber bei Abschluß der Konvention auch das eigenste Interesse der Industrie selber im Auge gehabt. Unsere Zuckerindustrie wird, wenn sie bestehen soll, noch auf lange hinaus auf den englischen Markt angewiesen sein. Den englischen Markt mußten wir ihr zu er⸗ halten suchen, und wir haben ihn ihr bis heute erhalten. Noch gegen⸗ wärtig gehen einige 70 % der ganzen Ausfuhr nach England hinüber.
Gegenüber den vielen Fragen, die der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, möchte ich nur die eine Frage an ihn stellen: wie hat er sich die Möglichkeit des Fortbestehens unserer Zuckerindustrie gedacht,
wenn ihr nicht die Ausfuhr nach England erhalten geblieben wäre?
(Bravo! links.)
Abg. Wurm (Soz.): Es gibt nur ein Mittel, um den fort⸗ fallenden Auslandsmarkt auszugleichen. Das ist die Stärkung des Konsums im Inlande. Dazu ist aber die Aufhebung der Zuckersteuer notwendig. Der Zucker wird dann ein Nahrungsmittel werden. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Weltmarkt nicht ewig einem einzigen Lande vorbehalten bleibt. Wir müssen England dankbar sein, daß es uns von dem Prämiensystem' befreit hat, das nur den Konsum ver⸗ teuerte. Der Abg. Paasche hat sich seinerzeit getäuscht, als er meinte, der kubanische Zucker sei ein Schreckgespenst. Daß der Rohrzucker nicht konkurrenzfähig war, lag an der spanischen Wirtschaft. Die Pro⸗ duktionskosten des Zuckerrohrs sind viel geringer. Verteuernd auf de Zucker wirkt auch der Einfluß des Zuckerkartells. Hier ist es ebenso⸗ wie bei der Spirituszentrale, die auch hier die Preise diktiert. Im eigenen Interesse sucht sie mit allen Mitteln den Schnapsverbrauch zu heben. Auch bei dem Verkauf von denaturiertem Spiritus kann sie
einen unerhörten Terrorismus ausüben. Auch die Kartoffelproduzenten
haben ja einen Ring gebildet, um die Preise auf einer bestimmten Höhe zu halten. Man schränkt deshalb sogar die noch steigerungsfähigere
Produktion ein. An alledem ist unsere gesamte Steuergesetzgebung
schuld.
Abg. Koch (fortschr. Volksp.): Uns kann jetzt nur geholfen wer⸗
den, wenn die Konsumsteuer von 14 auf 10 ℳ herabgesetzt wird. Es ist sehr bedauerlich, daß die Zuckerindustrie hier im Reichstage nicht so vertreten ist, wie sie es wünschen muß. Durch das Prämiensystem schossen die Zuckerfabriken wie Pilze aus der Erde, und die kleinen und mittleren wurden durch die entstehende Konkurrenz zu Grunde gerichtet. Durch die Brüsseler Zuckerkonvention ist wenigstens eine gewisse Stetigkeit in die Zuckerfabrikation gekommen. Was wäre aus ihr ge⸗ worden, wenn England die Zuckereinfuhr aus Deutschland verboten hätte. England hat die Konvention nur gekündigt, um seinen Be⸗ wohnern den Bezug möglichst billigen Zuckers zu ermöglichen.
Abg. von Meding (Welfe): Mit Rücksicht auf die Geschäfts⸗ lage des Hauses und die Ermahnung des Präsidenten will ich von einer Erwiderung auf die Ausführungen der Vorredner Abstand nehmen; ich bemerke nur, daß im nächsten Jahre es doch dringend erforderlich sein wird, an der Hand der Erträge aus dem Wehrbeitrag zu er⸗ wägen, ob denn nicht doch schleunigst die Inlandsverbrauchsabgabe auf Zucker von 14 auf 10 oder 8 Pfennige herabzusetzen wäre. Zur Annahme empfehle ich die von mir mit Unterstützung aus den Kreisen der Konservativen, des Zentrums und der Polen eingebrachte Reso⸗ lution, „den Bundesrat zu ersuchen, die Verfügung vom 26. Juni 1913, betreffend Aenderung und Ergänzung der Zuckersteuerausführungs⸗ bestimmungen, dahin zu ändern, daß die Menge des zur Bienenfütte⸗ rung abgelassenen Zuckers von 5 Kilogramm für jedes Bienenstandvolk auf 10 Kilogramm erhöht werde.“
Direktor im Reichsschatzamt Meuschel: Der Gegenstand hat die verbündeten Regierungen bereits beschäftigt. Bis zum 1. April 1915 soll eine .““ stattfinden hinsichtlich des Ouantums der steuerfrei gelassenen. Menge.
günstigung wird nicht beabsichtigt. Einstweilen konnte nicht weiter gegangen werden, weil eine Kontrolle der Verwendung nicht tunlich ist eine amtliche Ueberwachung unmöglich eintreten kann und ein geeignetes Vergällungsmittel nicht zur Verfügung steht. Die Einzelregierungen sind ersucht worden, ihre Erfahrungen dem Reichsschatzamte mitzuteilen. Die Prüfung wird spätestens bis zum 1. April 1915 erfolgen, und je nach ihrem Ausfall wird möglicherweise das steuerfreie Quantum er⸗ höht werden können.
Abg. Dr. Paasche inl.): Die Anregung, die Erträge der Zucker⸗ steuer einfach zu kassieren, läßt sich kaum ernsthaft diskutieren. Wir werden nicht dazu kommen, eine Steuer, die sich seit Jahren bewährt, an die sich das Publikum gewöhnt hat und die für die Reichsfinanzen eine solche Rolle spielt, mit einem Male abzuschaffen. Ich habe von jeher dafür gekämpft, daß die Zuckerindustrie nach Möglichkeit er⸗ leichtert wird; man hat mich ja eine Zeitlang den Zucker⸗Paasche ge⸗ nannt. Die Verminderung der Zuckersteuer von 2 Pfennig für das Pfund ist nicht so bedeutend, daß wir davon eine Konsumerhöhung erwarten könnten, die auch nur den Ausfall wieder ausgliche; die Erfahrungen von 1911 sprechen durchaus dagegen. Die Deckung kann höchstens beim Wehrbeitrag oder bei der Vermögenssteuer gefunden werden, worüber aber heute nicht zu sprechen ist. Der Gesetzgebung soll man aber nicht die Schuld für die jetzt wenig günstigen Zustände zuschieben. Daß uns der Kolonialzucker überflügelt, davon ist gar keine Rede. Vorwärts gekommen ist nur Cuba. Wenn Jamaika und Porto Rico auf die Zollvergünstigung verzichten müssen, ist von Expansion keine Rede mehr; und wenn Cuba die 20 % Zollermäßigung nicht mehr hat, geht es auch da nicht mehr so schnell weiter. Die deutsche Zuckerindustrie ist die höchstentwickelte der Welt, und wir müssen alle wünschen, daß sie sich auf dieser Stelle behauptet. Japan ist auf diesem Gebiete ja auch sehr vorwärts gekommen, ich habe mich selbst davon überzeugt, aber dort liegt es daran, daß Japan die billigsten Arbeitslöhne der Welt hat. Also so sorgenvoll brauchen wir nicht in die Zukunft zu blicken; der Konsum steigert sich alljährlich rapide.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Der Abg. Koch hat hier so gesprochen, als ob über die Zuckerfrage im Reichstage noch nie diskutiert worden wäre. Für die Hinausschiebung der Herabsetzung der Verbrauchsabgabe hat die Mehrheit voriges Jahr stimmen müssen, weil sie sich in einen
(Sehr richtig! links.)
Eine Wiedereinschränkung der. Ver⸗
Zwangslage befand. Die Herabsetzung der Zuckersteuer hat allerdings stets zu einer starken Steigerung des Konsums geführt. Wenn wir neue Einnahmen für das Reich erschließen, dann wird diese Herab⸗ setzung an erster Stelle zu stehen haben. „Der Staatssekretär hat, das können wir ihm bestätigen, nicht etwa seine Freude am Rückgang der Produktion, sondern er 1Sb ihr das Beste.
Abg. Kleye (nl.): Wenn man mir gewissermaßen vorwirft, diese lange Debatte entfesselt zu haben, so mußten anderseits die Schmerzen der Zuckerindustrie hier doch auch einmal zum Ausdruck kommen. Der Abg. Wurm soll dafür sorgen, daß in Rußland das Kartell fällt, dann wird er sehen, wie wir den Kampf siegreich durchführen werden.
Abg. Koch (fortschr. Volksp.) verwahrt sich gegen die Angriffe des Abg. Dr. Arendt.
Abg. Kreth (dkons.): Auch wir bedauern sehr, daß die Er⸗ mäßigung der Zuckersteuer bisher nicht eingetreten ist. Dem patrio⸗ tischen Zwang, der auf uns allen lastete, haben wir voriges Jahr bis zur dritten Lesung standgehalten, während die Freisinnigen schon vorher umfielen; wir haben also die größere Widerstandsfähigkeit bewiesen. Der Abg. Paasche verweist zum Ersatz des Ausfalls auf die Wehrsteuer und auf die Vermögenssteuer. Wir haben auf die Divi⸗ denden⸗, Mühlenumsatz⸗ und Kotierungssteuer hingewiesen. Gehen die Sozialdemokraten mit, so wird auf einem der letzteren Wege die Deckung unschwer zu erreichen sein. Der Abg. Wurm hat gegen die
Spirituszentrale den Vorwurf erhoben, daß sie die Aufhebung des—
Kontingents dazu benutzt hätte, die Preise über den dadurch erlittenen Verlust hinaufzuschrauben. Der Abg. Wurm hat Zahlen für die Spritpreise in den verschiedenen Jahren angeführt, die nicht richtig sind. Die Preise der Landwirte waren wesentlich niedriger, als er meinte. In einem Jahre der Kartoffelmißernte haben wir etwas höhere Preise erhalten. Das Kontingent hat es den Landwirten er⸗ möglicht, sich einzurichten. Die Vorwürfe des Abg. Wurm gegen mich waren durchaus unbegründet. Der Abg. Wurm hat gemeint, wir hätten den Wunsch, daß das deutsche Volk sich möglichst betrinke. Die Ver⸗ teuerung des Branntweins hat doch die Folge gehabt, daß der Trink⸗ branntweinkonsum erheblich zurückgegangen ist. Der Abg. Wurm hat weiter behauptet, die Spirituszentrale hätte die Destillateure schika⸗ niert. Es kann niemand ein Interesse daran haben, daß er statt Likör Wasser trinkt. Dazu braucht er sich nur eines Wasserhahnes zu be⸗ dienen. Die Zentrale hat den Destillateuren Rabatt gegeben und nicht daran gedacht, die Likörfabrikanten selbst aufzusuchen und mit ihnen Geschäfte zu machen. Wir haben nur einmal an einem Ort versucht, eine Brennerei in eine Destillationsfabrik umzuwandeln, um die Brennerei zu sanieren. Wenn die Zentrale Likörfabrikation be⸗ treiben wollte, dann würde sie es in größerem Umfange tun, und daran denkt sie nicht. Der Verkauf in Flaschen hatte den Zweck, daß das Publikum in den Besitz einer garantierten Spiritusstärke ge⸗ langte. Jedenfalls war das, was der Abg. Wurm über die Spiritus⸗ zentrale 4““ Abg. Wurm (Soz.): Die von mir angeführten Zahlen halte schrguüffe t sie sind mir aus Interessentenkreisen zur Verfügung ge⸗ tellt.
Abg. Siebenbürger (dkons.): Die Einfuhr von Kleie, die zollfreien Eingang noch hat, hat sehr erheblich abgenommen, nicht nur aus Rußland, sondern aus der ganzen Welt. Das ist eine Schädigung der Interessenten, denn die Kleie enthält einen großen Prozentsatz von Mehl, und dieses müßte eigentlich verzollt werden. Die Schädi⸗ gung trifft die Landwirtschaft in hohem Grade. Trotz einer guten Ernte hat die Landwirtschaft weniger Geld als sonst. Eine Schädi⸗ gung erfahren auch durch die Kleieeinfuhr unsere Mühlen. Die Ver⸗ waltung hatte ja an der Grenze eine größere Kontrolle eingeführt, aber heute ist es schlimmer als bisher. 1912 wurden 16 Millionen Doppelzentner aus dem Auslande eingeführt. Die Denaturierung der Kleie ist sehr teuer, das jetzige Verfahren muß verbessert werden. Die Einfuhrscheine haben mit der großen Einfuhr von Kleie nichts zu tun. Deutschland hat 1912 1,1 Millionen Roggen auf Grund der Einfuhrscheine nach Rußland exportiert, es ist nur eine halbe Million Kleie zu uns eingeführt. Das kleine Mühlengewerbe ist von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die Mühlenumsatzsteuer ist leider hier mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Der Staatssekretär müsse dahin wirken, daß durch eine solche Umsatzsteuer die Mühlen wieder lebens⸗ fähig gemacht werden. Wegen der Geschäftslage des Hauses will ich auf die Sache nicht näher eingehen; ich habe meine Vorschläge dem Staatssekretär schriftlich eingereicht. Das heutige Verfahren gegen⸗ über der Kleie kann jedenfalls nicht aufrecht erhalten werden. Die Schädigung der Müller entfremdet der Landwirtschaft die besten Freunde und Abnehmer. In der Kartoffelproduktion steht Deutsch⸗ land an der Spitze aller Laͤnder. Eine bessere Bearbeitung der Kar⸗ toffel kann noch höhere Erträge erzielen, wie es jg auch schon bisher gelungen ist, die Erträge durch rationelle Zucht zu steigern, obwohl die Anbauflächen nicht in demselben Maße gestiegen sind. An eine künst⸗ liche Steigerung der Kartoffelpreise denkt niemand von uns. Wir wollen durch Trocknung der Kartoffeln die Konkurrenz mit den aus⸗ ländischen Futtermitteln aufnehmen. Der Handel sollte es sich an⸗ gelegen sein lassen, die konservierte Kartoffel möglichst auf den Markt zu bringen. Wir wünschen nicht einen möglichst hohen, sondern einen möglichst gleichmäßigen Preis für die Kartoffel. Ich schließe mit dem Wunsche, daß die Regierung die Zollgesetzgebung streng durchführt. „Geheimer Oberregierungsrat Dr. Trautvetter gibt Auf⸗ klärung über die zolltechnische Behandlung der aus dem Auslande ein⸗ zuführenden Kleie. Er weist darauf hin, daß im Jahre 1911 die Be⸗ stimmungen umgestaltet worden sind, was als Kleie oder als Mehl zu bezeichnen ist. Dann setzt der Redner die Arten des Denaturierungs⸗ verfahrens und die Kontrollmaßregeln auseinander.
Abg. Fegter ffortschr. Volksp.): Der Ruin der Kleinmüllerei ist auf unser verkehrtes Zollsystem zurückzuführen. Die Maßregeln, die die Einfuhr von Kleie erschweren, fügen gerade dem kleinen und Mittelstande in der Landwirtschaft großen Schaden zu. Es ist mit Weude zu⸗hegrüßen,-daß die Regierung den viehzüchtenden Landwirten⸗“ eine Schwierigkeiten machen will.
ber Abg. Molkenbuhr (Soz.) führt aus, daß die Müller Auf⸗ hebung der Einfuhrscheine verlangen. Die übermächtige Konkurrenz der Großmühlen gegenüber den kleinen sei eine Folge des technischen Fortschritts, den man nicht unterbinden könne. Abg. K reth (dkons.): Es handelt sich darum, ob wir unserem Rachbarn Rußland, der uns wirtschaftlich bedroht und auch politische Unfreundlichkeiten erweist, gegenüber die Augen zumachen und gegen das ̃esetz Mehl als Kleie zulassen sollen. Es wäre verfehlt, wenn die Re⸗ gierung bei den Zollmaßnahmen allein auf die Interessen der Vieh⸗ züchter und Viehhändler Rücksicht nimmt.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn: 8
Den Ausführungen des Herrn Abg. Kreth scheint ein Irrtum zugrunde zu liegen. Er hat gemeint, es wäre vom Regierungstisch geantwortet, bei der Regelung der Frage solle es auf die Interessen des Handels und derjenigen einzelnen Landwirte, die auf den Bezug der Futtermittel angewiesen sind, allein ankommen. Davon ist hier 1 die Rede gewesen. Es ist nur dargelegt, welche Schwierig⸗ eiten einer allgemein befriedigenden Lösung der Frage entgegen⸗ stehen, und daß man dabei nicht nur auf die Interessen der Zoll⸗ verwaltung und der Allgemeinheit, die selbstverständlich im Vorder⸗ stehen, sondern daneben auch auf diejenigen des Handels und 8 Viehzucht eine gewisse Rücksicht zu nehmen habe. Ich glaube, as ist durchaus etwas anderes, als was der Herr Abgeordnete aus
G des Regierungspertreters herausgehört hat. (Sehr gut!
8 8gg Sieben bürger (dkons.): Wir verlangen nur, daß dem gesetz Rechnung getragen und das Mehl, das in der Kleie ist, auch
6 hass verzollt wird. as Verhältnis des Goldumlaufes der Reichsbank zu dem Noten⸗
Abg. Neuhaus (Zentr.): Verschiedene Bundesstaaten beklagen sich, daß sie nicht genügend entschädigt werden für den Aufwand, der ihnen bei der Einziehung der Zölle und Steuern für das Reich er⸗ wächst. Die Entschädigungen stehen vielfach in gar keinem Verhältnis zu den Leistungen. Manche müssen sogar noch Geld zusetzen. Die ganze Materie ist lückenhaft und muß einheitlich geregelt werden. Gerade die vier süddeutschen Staaten haben einen dementsprechenden Antrag beim Bundesrat gestellt. Dieser ist bis jetzt nicht einmal verhandelt worden.
1 Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
8 Meine Herren! Der Herr Vorredner hat richtig die Schwierig⸗ keiten dargelegt, mit denen wir bei der Erhebung und Verwaltung der Zölle zu kämpfen haben. Bei der verfassungsmäßigen Zu⸗ sammensetzung des Reichs können wir nicht direkt, sondern nur mittelbar auf eine gleichmäßige Erhebung einwirken. Das ist die eine Folge. Wir haben zu diesem Zwecke das Institut der Reichs⸗ kontrollbeamten nötig und wir glauben, mit ihm bisher gute Er⸗ fahrungen gemacht zu haben. Wenn der Herr Vorredner einen Aus⸗ druck hier erwähnt hat, der in bezug auf die genannten Beamten ge⸗ fallen sein soll, ein Ausdruck, von dem es mir leid tut, daß er in der Oeffentlichkeit wiedergegeben bekannt war, scheint mir das nun zu beweisen, daß diese Beamten eine wirksame Kontrolle ausüben (Heiterkeit), daß sie also tatsächlich der Aufgabe gerecht werden, die ihnen die Reichsverfassung zuweist. Daß dies übrigens in gutem Einvernehmen mit den Landesbehörden geschehen wird, dafür bürgt schon der Umstand, daß für die Stellen der Reichsaufsicht besonders tüchtige und taktvolle Beamte ausge⸗ wahlt zu werden pflegen.
Aus den von dem Herrn Vorredner geschilderten Verhältnissen ergibt sich dann weiter die ungemein schwer zu lösende Frage, wie die Bundesstaaten für die Tätigkeit, die sie für das Reich ausüben, entschädigt werden sollen. Es stehen da mannigfache Interessen einander gegenüber, und es ist der Umstand insbesondere in Rücksicht zu ziehen, den auch der Herr Vorredner erwähnt hat, daß es ja gar nicht möglich ist, genau festzustellen, wieviel von der Tätigkeit des einzelnen Beamten auf die Arbeiten für das Reich und wieviel auf die Arbeiten im Dienste des Landes entfällt.
Aller dieser Schwierigkeiten mußten wir Herr zu werden suchen, und so erklärt es sich, daß es lange gedauert hat, bis die Arbeit so
„ her.
die gesetzgebenden Körperschaften heranzutreten.
Dem Bundesrat wird ein entsprechender Gesetzentwurf mutmaß⸗ lich noch in diesem Sommer zugehen, sodaß die Möglichkeit besteht, daß der Reichstag im nächsten Winter damit befaßt wird.
Ich habe von einem Gesetzentwurf gesprochen, obwohl die Rege⸗ lung der Verwaltungskosten an sich ein Akt wäre, der vom Bundes⸗ rat ausgehen kann. Da aber die Höhe der Entschädigung zu einem Teil durch die Reichsverfassung oder einzelne Steuergesetze festgelegt ist, ist mit einer anderweiten Regelung der Materie auch eine Aen⸗ derung von Gesetzen verbunden, und zu diesem Zwecke muß auch der Reichstag gehört werden, ehe wir unsere Maßnahmen treffen können.
Die weitere Frage, wie es mit der Entschädigung für die Branntweinsteuer gehalten werden soll, beantwortet sich dadurch, daß nach unserem neuen Entwurfe nicht mehr im einzelnen für diese oder jene Steuer bestimmte Entschädigungen gezahlt werden, sondern daß wir nach festen und möglichst einheitlichen Richtlinien hierfür gesucht haben. Die Klagen bezüglich der ungenügenden Entschädigung für die Branntweinsteuererhebung würden also, soweit es überhaupt möglich ist, ebenfalls in diesem Entwurfe ihre Erledigung finden. (Lebhafter Beifall.)
„Abg. Dr. Haas⸗Baden (fortschr. Volksp.): Von dieser An⸗ kündigung wird man in Süddeutschland mit Genugtuung hören. Die Aenderung des Gesetzes ist uns in Ansehung der Verwaltung der Zölle nicht so wie bezüglich der Branntweinsteuer. Jedenfalls aber wird die Vorlage zu einer gerechteren Behandlung führen. Der un⸗ gesunde Zustand, der bei der Behandlung der Vergütung für die Er⸗ hebung der Branntweinsteuer besteht, muß endlich einmal aufgezeigt werden. Nach dem Maßstab der erzeugten Branntweinmenge darf die Vergütung nicht bemessen werden. Es ist Reichssache, gegen die Ver⸗ stimmung. Front zu machen, die in den südlichen Einzelstaaten ent⸗
anden ist.
. c. Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (fortschr. Volksp.): Eine volle Befriedigung wird auch durch diese Vorlage nicht herbeigeführt werden, sondern nur durch die Einführung der Reichsverwaltung. Wenn gegen die letztere sich der Abg. Neuhaus erklärt, so zeigt das wieder, daß die partikularistische Strömung am stärksten in den Mittel⸗ staaten ist. Am schlimmsten ist Elsaß⸗Lothringen dran, es muß die größten Opfer bringen. Aber auch die Kleinstaaten, die keine eigene Zollverwaltung haben können und sie durch Preußen wahrnehmen lassen, sind außerordentlich und zu Unrecht überlastet; es liegt darin eine arge Degradation der Kleinstaaten. Wie steht es mit der Ver⸗ teilung der Matrikularbeiträge, nachdem durch den Wehrbeitrag das größte Hindernis aus dem Wege geräumt ist, indem man binnen kurzem „das Verhältnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Einzelstaate zueinander kennen gelernt haben wird?
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
wegen anderweiter Bemessung der Matrikularbeiträge nicht vorliegt, zumal ja auch die vom Herrn Vorredner angedeutete Möglichkeit, sie auf eine andere Grundlage zu stellen, als es bisher geschah, sich, wenn überhaupt, erst in Zukunft eröffnen kann.
Der Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung wird mit der Ergänzung bewilligt. Die Abstimmung über die Reso⸗ lution von Meding wird in der dritten Lesung erfolgen.
Es folgt die Beratung des Etatsgesetzes.
§ 4 bestimmt, daß die Matrikularbeiträge und die ordent⸗ lichen Einnahmen im Rechnungsjahre 1914 sowie ein den Sollbetrag der Ueberweisungen übersteigender Ertrag der Branntweinsteuer, soweit sie nach der Rechnung des Jahres den Bedarf des Reiches übersteigen, zur Deckung der nach den An⸗ leihegrundsätzen künftig auf den ordentlichen Etat zu über⸗ nehmenden gemeinschaftlichen Ausgaben des außerordentlichen Etats oder zur Tilgung derjenigen Anleihe verwendet werden, auf welche die gestundeten Matrikularbeiträge aus den Rech⸗ nungsjahren 1906 bis 1908 sowie die Fehlbeträge in der eigenen Wirtschaft des Reichs aus den Rechnungsjahren 1907, 1908 übernommen worden sind.
Abg. Graf von Westarp (dbkons.) begründet folgenden Zusatz zu diesem § 4: „Die Verwendung nach diesem § 4 und die Verwendung etwaiger Ueberschüsse des Jahres 1913 gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 4. Mai 1913 findet nur statt, soweit nicht die Einnahmen aus dem Wehrbeitrag zur Deckung einmaliger und fortlaufender Ausgaben aus den Jahren 1913 bis 1916 in größerem Umfange herangezogen werden müssen, als in der Vorlage an den Reichstag vom 28. März 1913 vorgesehen war.“ Dieser Antrag wolle verhindern, daß der Wehrbeitrag über ein bestimmtes Maß hinaus zur Deckung des Defi⸗
Umlauf gn,.
zits verwendet wird. Seine Freunde wollen durch den Antrag zum
weit gediehen ist, daß wir nun hoffen können, mit einer Vorlage an
Ich will nur ganz kurz antworten, daß zurzeit eine Anregung
Ausdruck bringen, daß der Wehrbeitrag ei alige ausnahmsweise Ausgabe sei, die nur zu dem ganz bestimmten Zweck jener Vorlage erhoben werden solle,, und daß verhindert werde, daß ein Teil dieses Wehrbeitrages über den eigentlichen Zweck hinaus zu fortlaufenden Zwecken verwendet werde.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
Meine Herren! Der Antrag des Herrn Abg. Grafen Westarp deckt sich materiell wohl mit dem Antrag, den er bereits im vorigen Jahre, und zwar in der Sitzung vom 26. Juni 1913, hier gestellt hat. Der Herr Abgeordnete Graf Westarp hatte damals beantragt, den § 66a — es ist der jetzige § 69 des Gesetzes — zu fassen wie folgt:
„Wenn die Einnahme aus dem Wehrbeitrag den Betrag von 1000 Millionen Mark überschreitet, ist der Wehrbeitrag zur Kürzung des letzten Drittels des Wehrbeitrags nach näherer Bestimmung des Reichshaushaltsgesetzes bereitzustellen.“ Der Wortlaut des jetzigen Antrags ist ein anderer; der Effekt würde aber derselbe sein. Es würde für die auf den Wehrbeitrag angewiesenen militärischen Ausgaben des Reichs nur eine Summe von — sagen wir rund — 1000 Millionen Mark zur Verfügung stehen. Der Ueberschuß
Ind der mir bishen ger nscht vwürde eventuell zur Herauszahlung an diejenigen zu verwenden sein,
die den Beitrag gezahlt haben. Daß dies der Sinn des früheren An⸗ trags war, geht aus der Begründung näher hervor. Graf Westarp führte damals aus:
„Nun ist uns vom Reichsschatzsekretär nachgewiesen worden, daß bei den laufenden Ausgaben bis zum Jahre 1917 ein Ausfall von etwa 200 Millionen Mark entstehen würde. Deshalb schlägt der § 66a also jetzt § 69 — vor, daß der Wehrbeitrag für den Ausfall der Jahre 1913 bis 1917 verwendet werden soll. Irgendeine andere Deckung für diesen Aus⸗ fall ist nicht vorgesehen. Es wird hier also plötzlich angenommen,
., daß der Wehrbeitrag 200 Millionen Mark mehr erbringen könnte, als bisher immer berechnet war. Das scheint uns doch eine Deckung zu sein, die nur auf dem Papier steht. . ...
— Ich lasse hier alles weg, was die gegenwärtige Diskussion nicht be⸗
rührt. — Sollte sie trotzdem eintreten, dann würden wir allerdings auch sach⸗ lich mit der vorgeschlagenen Regelung nicht einverstanden sein können. Der § 66a der Kommissionsfassung würde dahin führen, daß noch Beträge bis zu 200 Millionen Mark auf den Besitz. gelegt werden. Dem können wir uns nicht anschließen.“ 1
— Und endlich an einer anderen Stelle: — 8
„Wir beantragen, daß die Rückerstattung schon erfolgt, wenn der Wehrbeitrag 1000 Millionen Mark erreicht. .. Nach dem Kommissionsbeschluß
— sagte Herr Graf Westarp — — würde aber die Zurückzahlung frühestens eintreten, wenn der Wehr⸗ beitrag, soweit die Schätzungen jetzt vorliegen, nicht 1000, sondern 1200 Millionen Mark einbringen würde.“
Der Antrag des Herrn Abg. Grafen Westarp ist damals vom Reichstag abgelehnt, der von ihm richtig interpretierte Kommissions⸗ beschluß angenommen worden. Die ganze Finanzierung der Wehr⸗ vorlage beruht also darauf, daß eventuell bis zu 1200 Millionen Mark aus dem Wehrbeitrag entnommen werden könnten. Von dem Finan⸗ zierungsplan, wie er damals in Uebereinstimmung mit den verbündeten Regierungen hier aufgestellt worden ist, können wir jetzt — ein Jahr später — nicht abgehen, sondern wir müssen es dabei bewenden lassen.
Wie sich die Sache in der Praxis stellt, darüber möchte ich eine
bestimmte Auskunft nicht geben, weil mir ja feste Zahlen über das Erträgnis des Wehrbeitrags nicht vorliegen. Ich kann mich auf die Aeußerung beschränken, daß, wenn einige Zeitungen jetzt verkündigen, daß der Wehrbeitrag sicher eine Einnahme von 1200 Millionen Mark bringen werde, dies eine Behauptung ist, für die ich keine, aber wirk⸗ lich auch gar keine Gewähr übernehmen möchte. (Heiterkeit.) Westa g ddg Zentr.): Ich stelle fest, daß der Antrag Weste Absicht hat, ein bestehendes Gesetz durch das Etatsgesetz abzuändern. Das ist erfreulich. Ich halte das für zulässig, sachlich muß ich aber den Antrag bekämpfen. Er ist auch praktisch gar nicht durchführbar.
Abg. Liesching (fortschr. Volksp.): Ich kann mich dem nur anschließen. Der Antrag würde die Schuldentilgung auf Jahre hin⸗ aus in Unordnung bringen. —
„Abg. Graf Westarp (dkons.): Mein Antrag will zur Durch⸗ führung des § 69 beitragen und nicht die Verwendung von 200 Mil⸗ lionen über die Milliarde hinaus verbieten. Er will verhindern, daß Summen als Ueberschüsse behandelt werden, die gar keine Ueberschüsse sind. Ueberschüsse aus dem Wehrbeitrag bei der endgültigen Ver⸗ rechnung beim Wehrbeitrag selbst zu verwenden, das läßt der § 69 zu Wir verlassen damit nicht die Grundsätze unserer Schuldentilgung.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
Wenn der Herr. Abg. Graf Westarp mit diesem seinem I g nicht dasselbe verfolgt, wie mit dem Antrag aus dem Jahre 1913 (Abg. Graf von Westarp: Etwas ganz anderes!), — ja, wenn Sie etwas anderes damit verfolgen, Herr Graf Westarp, dann hätten Sie uns sagen müssen, was mit den zurückgestellten Summen gemacht werden soll. Sie haben heute nur erklärt: was über einen gewissen Betrag hinausgeht, soll zurückgestellt werden. Aber was fangen wir später mit diesen zurückgestellten Summen an? Ver⸗ wenden wir sie auch für die in Rede stehenden Ausgaben? Dann bin ich ganz mit Ihnen einverstanden, dann handelt es sich hier um eine bloße Form. Wollen Sie aber die Summen verwenden zur Zurückzahlung eines Teiles des Wehrbeitrags, nun, dann verfolgt Ihr jetziger Antrag dieselben Zwecke, wie der aus dem Juni 1913.
Meine Herren, ich glaube, wir streiten hier um eine Sache, die wenig praktisch werden wird. (Sehr wahr! im Zentrum. — Heiterkeit.) Das Aufkommen aus dem Wehrbeitrag ist von vielen Seiten ganz ungemein überschätzt worden. Ich bin sehr vorsichtig gewesen, als ich vorhin sagte, der Wehrbeitrag werde nicht an 1200 Millionen heranreichen. Ich will im Augenblick die Summe nicht nennen, von der ich glaube, daß sie allenfalls erreicht werden wird; sie liegt aber erheblich tiefer als bei 1200 Millionen Mark. (Hört, hört! links.) Wie dem auch immer sei, die Finanzierung der Wehr vorlage beruht nun einmal auf den Beschlüssen des Reichstags von Juni 1913. Nach diesen Beschlüssen würde, wie der H von Westarp am 26. Juni 1913 selbst anerkannt h zahlung frühestens eintreten, wenn der Wehrbeitr- n⸗st 1000, son⸗ dern 1200 Millionen Mark erbrächte. Wir würden, wenn wir heute auf den Antrag Graf von Westarp eingingen, die Finanzgrundlage aufgeben, auf der wir seinerzeit die Wehrvorlage und ihre Deckung aufgebaut haben. Ich bitte Sie, meine Herren, den Antrag ab⸗ zulehnen.