1914 / 118 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichseisenbahn⸗ amt aufgestellte Uebersicht der Einnahmen derdeutschen Haupt⸗ und vollspurigen Nebenbahnen im April 1914 veröffentlicht. Ein Auszug war bereits in Nr. 116 vom 18. d. M. enthalten.

Bei der Generaldebatte über den Forstetat für 1914/15 hatte in der Kammer der Abgeoroneten in der letzten Sitzung der Abg. Steininger die Anregung gegeben, die Mehreinnahme aus dem Forstetat noch um 2 bis 3 Millionen zu erhöhen, um das Defizit im Staatsbudget nicht durch neue Steuern decken zu müssen. Ferner hatte der Abg. Freiherr von Freyberg (Zentrum) behauptet, daß sich das bayerische Staatsbudget in einer Notlage befinde. Der Finanzminister von Breunig gab daraufhin in der gestrigen Abendsitzung der Kammer laut Bericht des „W. T. B.“ folgende Erklä⸗ rung über die Fianzlage Bayerns ab:

Der bayerische Staatshaushalt befindet sich in einer pöllig ge⸗ sunden Lage und nicht in einer momentanen Notlage. Die Lage des Staatshaushalts ist eine durchaus normale. Ich wüßte nicht, wo und wie die Verhältnisse sich ändern sollten und die Einnahmequellen, die dem Staat noch zur Verfügung stehen, sich plötzlich so wesentlich ändern sollten, daß irgend eine nennenswerte Mehreinnahme sich er⸗ geben sollte. Es wäre ein bedeutender Irrtum, und es würde ein ungeheurer Rückschlag auf den Kredit des bayeri⸗ schen Staats nicht ausbleiben, wenn man die endlich ein⸗ mal eingeführte regelmäßige Schuldentilgung wieder be⸗ seitigen oder nach irgend einer Richtung beeinträchtigen wollte. Die Erfahrungen, die ich als Finanzminister auf dem Gebiet des Anleiheaufnehmens gemacht habe und die auch die anderen Finanzminister des Deutschen Reichs machen, zeigen, daß eine In⸗ anspruchnahme des öffentlichen Kredits in der Weise, wie das früher geschehen ist, nicht mehr möglich ist. Es gibt Kreise und Leute, die private Anlagepapiere vorziehen, weil in den letzten Jahrzehnten bei den Kommunal⸗ und Staatspapieren schwere Verluste eingetreten sind. Diese Erscheinungen müssen es dem Staat und den Kom⸗ munen nahelegen, mit dem Schuldenmachen Einhalt zu tun. Ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuwirken, daß sich die Ausgaben tun⸗ lichst auf laufende Einnahmen stützen Man darf nicht davor zurück⸗ sschrecken, wenn der Staat es für erforderlich gehalten hat, die noch notwendigen Einnahmen zur Abgleichung des Budgets zu decken durch die vorliegenden Gesetze, das Gebühren⸗ und Stempelgesetz, die Zu⸗ wachssteuer und den Zuschlag zur Erbschaftssteuer. Das Zuwachs⸗ steuergesetz habe ich in veränderter Form im Aueschuß eingebracht, sodaß jede Härte ausgemerzt sein wird. Wenn die Behauptung auf⸗ gestellt wurde, daß der Handel und der Immobhbilienverkehr durch das Gesetz benachteiligt würden, so ist das oft widerlegt worden. Wenn der Immobilienmarkt beklagenswert darniederliegt, so sprechen hier ganz andere Faktoren mit. Das neue Gebührengesetz bedeutet im wesentlichen eine Verbesserung der gesamten Einrichtung des Gebührenwesens, eine wesentliche Mehrbelastung ist mit ihm nicht verknüpft. Das neue Stempelgesetz be⸗ seitigt eine Reihe von Schärfen. Es wird ausgleichend wirken. Wenn Bedenken gegen einzelne Bestimmungen bestehen, so wird die Regierung nicht abgeneigt sein, Verbesse⸗ rungen zu schaffen. Von diesem Steuergesetz ganz abzusehen verträgt sich nicht mit dem Charakter unseres Staatshaushaltes. Dieser ist jetzt so, daß die Ausgaben mit den hinzugetretenen Nach⸗ tragsbewilligungen sich auf 942 239 000 stellen und daß auf dem Papier eine Mehreinnahme von 1 762 000 steht infolge der Erhöhung der Einnahmen aus dem Forstetat. Diese Einnahmen aber werden nicht eintreten infolge verschiedener Ausfälle, so bei der Postverwaltung, bei der Zuwachssteuer und beim Stempelgesetz. Dazu werden dann noch die Mehrausgaben kommen, die im Verlaufe der Etatsberatung be⸗ schlossen werden. Ich muß aber auch einen Ausblick auf das nächste Budget werfen. Dieses Budget wird eine sichere Mehrausgabe von 12 bis 15 Millionen Mark bringen. Darin sind aber noch keine Aufbesserungen von Beamten, Lehrern oder Geistlichen enthalten. Der Etat für Reichszwecke ist ein unsicherer Faktor. Im nächsten Budget wird wohl unvermeidlich mit Steuer⸗ zuschlägen von zwanzig Prozent zu rechnen sein. Das hat ungeheure wirtschaftliche Rückschläge hinsichtlich des Zu⸗ zuges von Industrie und wohlhabenden Leuten nach Bayern im Gefolge. Ich lege Ihnen also dringend ans Herz, sich nicht abhalten zu lassen, die vorgelegten Steuergesetze ernstlich in Erwägung zu ziehen, und mit deren Mitteln die Fehlbeträge für das laufende Jahr zu decken, um wenigstens für diese Fmanzperiode einer Steuererhöhung aus dem Wege zu gehen

In beiden Kammern des Landtages sanden gestern die Schlußsitzungen statt. Wie „W. T. B.“ meldet, wurden der Staatshaushaltsetat und das Finanzgesetz bei der Schluß⸗ abstimmung in der Zweiten Kammer gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Auf Grund des verabschiedeten

Etats werden die Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des ordentlichen Etats für jedes der beiden Jahre 1914 und 1915 auf die Summe von 492 485 443 festgestellt. Im außer⸗ ordentlichen Etat wird für beide Jahre zusammen ein Gesamt⸗ betrag von 75 322 000 ausgesetzt.

Baden. Die Zweite Kammer beriet gestern über die Anträge der Nationalliberalen und Fortschrittler, betreffend die Ein⸗ führung der Verhältniswahl.

Der Staatsminister Freiherr von Dusch erklärte, wie „W. T. B.“ meldet, die Regierung verkenne nicht, daß der Verbältntswahl ein Ideal zugrunde liege, allein sie stehe auf dem Standpunkt, daß ein in größerem Stil wirklich erprobtes System noch nicht vorhanden sei. Die Regierung sei zu dem Ergebnis gekommen, daß ein zwingender Grund zur Aenderung der Verfassung nicht vorliege, und daß in der Tat die parlamentarische Vertretung den Willen des Volkes wiedergebe. Das Zentrum erklärte sich gegen die allgemeine Verhältniswahl zum Landtag.

Die Anträge, betreffend die Einführung der Verhältnis⸗ wahl, wurden schließlich mit 35 gegen 29 Stimmen an⸗ genommen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Ueber das Befinden des Kaisers wird amtlich mit⸗ geteilt, daß die katarrhalischen Erscheinungen in don Bronchien der rechten Lunge gestern geringer waren und der Hustenreiz mäßig. Der Kaiser verbrachte eine Stunde in der Kleinen Galerie bei offenen Fenstern und hielt die üblichen Empfänge ab.

In der österreichischen Delegation teilte gestern der Minister des Auswärtigen Graf Berchtold die ihm zu⸗ gegangenen Nachrichten über die Lage in Albanien, wie T. B.“ meldet, folgendermaßen mit:

In den letzten Tagen haben sich die Gegensätze zwischen den An⸗ hängern Essad Paschas und ihren Gegnern einigermaßen verschärft und zur Bildunga von Banden in der Umgebung von Durazzo ge⸗

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Zum Schutze der Sicherheit des Fürstlichen Hofes haben die Kom⸗ mandanten des italienischen und des österreichisch⸗ungarischen Stations⸗ schiffes in gegenseitigem Einvernebmen die Landung von Matrosen⸗ abteilungen verfügt. Zu einem Eingreifen dieser ist es aber nicht gekommen. Die italienische Regierung, die nur ein viel kleineres Krieusschiff, als das unsrige ist, vor Durazzo liegen hatte, hat ibre Torpedobootsflottille, die seit einigen Tagen dort kreuzte, dort zurück⸗ sesslten. Essad Pascha befindet sich derzeit an Bord unseres Kriegs⸗ iffes.

Etwaige weitere Nachrichten behielt der Minister sich vor

zur Kenntnis der Delegationen zu bringen.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung verlangte der Slowene Schusterschitsch, anknüpfend an die jüngsten Oesterreich feindlichen Kundgebungen in Italien, eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern.

Oesterreich Ungarn müsse, erklärte der Redner, Italiens als einer zuverlässigen Stütze sicher sein oder sich nach einer anderen umsehen. Das falsche Verhältnis zwischen den beiden Ländern komme zum größten Teil auf Deutschlands Rechnung, dem ein aufrichtig freund⸗ schaftliches Verhältnis zu Italien leicht falle, da diese beiden keine Jateressengegensätze hätten. Aus demselben Grunde würde Frankreich Oesterreich Ungarns natürlicher Bundesgenosse sein. Schusterschitsch erklärte, er sei kein grundsätzlicher Gegner des Dreibundes, falls die Lebensinteressen der Monarchte in seinem Rahmen gewahrt werden könnten. Der deutschnationale Mühlwerth be⸗ zeichnete es als sehr wertvoll, daß das Ministerium des Auswärtigen treu und unentwegt am Dreibund festhalte; auch die Kundgebungen eines politisch unreisen Teils der italientschen Bevölkerung könnten Oesterreich⸗Ungarn davon nicht abhringen. Der Redner stellte fest, daß Ungarn am wenigsten Ursache hätte, sich dem Zarismus in die Arme zu werfen, aber ein eminentes Interesse am Dreibund hätte. Auch Deutschland sei auf das Bündnis angewiesen, denn der Draht zwischen Berlin und St. Petersburg sei tatsächlich schon lange zerrissen. Der Redner erinnerte an die Zeit, wo Deutschland eine vollständige Einkreisung habe befürchten müssen und es der Bundestreue und Ritterlichkeit Kaiser Franz Josephs zu danken gewesen wäre, daß es König Eduard VII. nicht gelungen sei, die Monarchie dem Dreibunde abspenstig zu machen. Angesichts der kolossalen Rüstungen Frankreichs und Rußlands könne man nicht von einer Entspannung der Lage sprechen.

In der gestrigen Sitzung der ungarischen Dele⸗ gation gab der Sektionschef im Ministerium des Aeußern Graf Forggaach die gleiche Erklärung zu den Ereignissen in Durazzo ab wie Graf Berchtold in der österreichischen Dele⸗ gation. Graf Andrassy erklärte, wenn die Nachrichten der Wahrheit entsprächen, so könne es geschehen, daß das Leben des Fürsten selbst gefährdet werde, und richtete die Bitte an den Minister, möglichst rasch Vorsorge zu treffen, damit im Notfalle Oesterreich⸗Ungarn es sei, das den Fürsten, den Europa dahin entsendet habe, schütze. Bei der folgenden Beratung des Heeresbudgets erklärte der Feldmarschalleutnant Tomassy in Vertretung des Kriegsministers auf eine Interpellation des Abgeordneten Rakowsky über die Er höhung des Offiziergehalts laut Bericht des „W. T. B.“:

Die Heeresverwaltung halte das gegenwärtige Gehalt der Offiztere, insbesondere des unteren Grades, nicht für ausreichend. Daher habe

die Heeresverwaltung, von pflichtgemäßer Fürsorge für die Offiziere geleitet, den Regierungen konkrete Vorschläge unterbreitet, und zwar noch ehe dies von anderer Seite angeregt worden set.

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Großbritannien unn] Irland.

Das Unterhaus hat gestern den Gesetzentwurf über die Drennung von Kirche und Staat in Wales, wie „W. T. B.“ meldet, in dritter Lesung mit 328 gegen 251 Stimmen angenommen. Der Entwurf, der vom Unter⸗ hause nunmehr in drei aufeinanderfolgenden Sessionen ange⸗ nommen worden ist, geht jetzt an das Oberhaus. Nach der Parlamentsakte wird seine Ablehnung durch die Lords nicht verhindern, daß der Gesetzentwurf in kurzer Zeit Gesetz wird.

Rußland.

Die Dumakommission für Kriegs⸗ und Marine⸗ angelegenheiten hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, nach einigen Kürzungen die geheimen Gesetzesvorlagen über einen Kasernenbau für die in Reval stehenden Truppenteile und zur Vergrößerung der jährlichen Munitionsvorräte für Schieß⸗ übungen der Feld⸗, Gebirgs⸗ und Haubitzartillerie angenommen. 8 8

82 1. V

Der „Agenzia Stefani“ zufolge ist in London endgültig das Abkommen zwischen dem italienischen Syndikat und der englischen Eisenbahngesellschaft Smyrna

Aidin über eine Eisenbahn in Kleinasien unterzeichnet worden. 3

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Spanien.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer griff der Führer der Reformpartei Melquiades Alvares die Politik Spaniens in Marokko an.

Wie „W. T. B. berichtet, wandte sich der Redner gegen das Uebergewicht des Militärs, durch welches das Protektorat in eine Eroberung verwandelt werde, und wies auf die schönen Er⸗ gebnisse hin, die Frankreich bei seinem Vorgehen in Marokko, bei dem es der Zivilgewalt das Uebergewicht lasse, zu verzeichnen habe. Alvares sprach sich für die Ernennung eines Zivilresidenten und die Verminderung des Truppenkontingents aus. Der Ministerpräsident Dato wies die Kritik Alvares' zurück und ver⸗ sicherte, daß die Zivilgewalt der Armee übergeordnet sein solle. Das militärische Vorgehen werde auf das Unentbehrliche beschränkt werden, es sei jedoch unmöglich, einen Z vilresidenten zu ernennen, solange die Befriedung des Landes nicht durchgeführt sei. Jedenfalls dürfe man nicht daran denken, die Spanien in Nordmarokko zugefallene Aufgabe aufzugeben. 8

““ Der König und die Königin von Dänemark sind gestern nachmittag von Paris in Brüssel eingetroffen und auf dem Bahnhofe von dem König und der Königin der Belgier, den Spitzen der Zivil⸗ und Militärbehörden und dem Bürgermeister von Brüssel empfangen worden. Nach der Vorstellung der beiderseitigen Gefolge und der Abnahme des Vorbeimarsches der Ehrenkompagnie fuhren die Majestäten unter dem Salut einer Batterie und lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung durch die reichgeschmückte Rue Ronyale, in der die Garnison Spalier bildete, nach dem Stadtschloß, wo der König und die Königin von Dänemark bald nach ihrer Ankunft das diplomatische Korps empfingen. Abends fand zu Ehren des dänischen Königspaares im Schloß ein Galadiner statt, zu dem außer dem Gesolge des Königs Christian alle Minister, die Kammer⸗ und Senatspräsidenten sowie hervorragende Parla⸗ mentarier geladen waren. Während der Tafel brachte der König Albert einen Trinkspruch aus, in dem er seiner und des belgisches Volkes Freude über den Besuch des Königlichen

führt, was in Durazzo selbst zu Besorgnissen Anlaß gegeben hat.

Paares und insbesondere auch über die Anwesenheit der Königin Ausdruck gab und, wie „W. T. B.“ meldet, sagte:

1—

Die Bevölkerung von Brüssel sei glücklich, dem Herrscherpaare einer stolzen und unabhängigen Nation, in der die besten Traditionen der Vaterlandsliebe und des Mutes verkörpert seien, ihre achtungs⸗ volle Sympathie bezeugen zu können. Diese Traditionen schöpften ihre Kraft aus einer fernen Vergangenheit, in der Dänemark durch die Taten seiner tapferen Seeleute berühmt gewesen sei. Heute be⸗ wundere man an dem dänischen Volke die Tugenden, die sich in den fruchtbaren Werken des Friedens offenbarten und dank deren Dänemark in dem geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Leben der Welt einen Platz sich errungen habe, auf den es gerechte Ursache habe, stolz zu sein.

Der König von Dänemark erwiderte mit einem Trink⸗ spruch, in dem er für den herzlichen Empfang und die Beweise von Freundschaft dankte, die das beigische Volk anläßlich des Todes Friedrichs VIII. gegeben habe. Dänemark empfinde für Belgien Gefühle wahrer Freundschaft. Die freundschaft⸗ liche Aufnahme, die der Königin und ihm bereitet sei, möge ein Pfand für die wachsenden herzlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern sein.

Die Ständige Kommission der Internationalen Zuckerunion hat vorgestern und gestern in Brüssel getagt und sich, wie „W. T. B.“ meldet, mit der Frage der Kompen⸗ sationsprämien für den aus Kanada, Australien, Japan und Rumänien ausgeführten Zucker beschäftigt. Die Revision der Bestimmungen führte zur Erhöhung der Prämien für den australischen und japanischen Zucker und zu einer Verminderung für Zucker aus Rumänien und Kanada.

8 Schyweden.

Der Reichstag ist gestern laut Meldung des „W.” mit folgender Thronrede eröffnet worden:

Gute Herren und schwedische Männer! 1

Die Sorge für die Sicherheit des Reichs, die meine Königliche Pflicht ist, hat mich dazu veranlaßt, dem Volke Gelegenheit zu geben, durch Neuwahlen zur Zweiten Kammer seiner Ansicht über die Ver⸗ teidigungsfrage Ausdruck zu geben. Nachdem Ihr nun nach statt⸗ gehabter Wahl zum ordentlichen Reichstag versammelt seid, entbiete ich Euch Willkommen zu Eurer wichtigen Aufgabe. Unser Ver⸗ hältnis zu den fremden Mächten ist andauernd freundschaftlich. Während meiner kürzlich durchgemachten Krankheit habe ich aus allen Teilen des Landes zahlreiche Meinem Herzen teuere Beweise von Ergebenheit und Teilnahme erhalten. Hierfür spreche ich meinen wärmsten Dank aus. Der Ernst der Zeit erfordert, daß die Mängel im Verteidigungswesen des Reichs baldigst behoben werden. Eure vornehmste Aufgabe in dieser Reichstagssession ist es, eine wirkliche und dauernde Lösung dieser wichtigen Frage zu geben, die nicht ohne Gefahr aufgeschoben werden kann. Die Vorlagen, die Euch jetzt nach forgfältiger Prüfung vorgelegt werden, bezwecken unserem Lande eine planmäßig geordnete hinreichende Sicherheit zu beschaffen. Ich hoffe zuversichtlich, daß Ihr bei Euren Beratungen diese Vorschläge wohl erwogen finden werdet, sowohl hinsichtlich der Notwendigkeit einer Verteidigung, als hinsichtlich der Opferfäahigkeit des Landes. Ich möchte auch die warme Aufforderung an Euch alle richten, bei Euren bevorstehenden Beratungen und Beschlüssen, den Frieden, die Sicherheit und die Unabhängigkeit des Reiches an die erste Stelle zu setzen und alle anderen Rücksichten diesem großen und hohen Ziele unterzuordnen. Die Opfer, die ich von Euch fordere, sind keineswegs gering, aber sie sind nicht zu groß, da sie dem Wohle des Vaterlandes gelten. Verschiedene mit der Verteidigungsfrage zu⸗ sammenhängende Vorlagen werden Euch vorgelegt werden. So unter⸗ breite ich Euch die Vorlage über Reformen zum Militärstrafgesetz. Wenn die Ursachen des lähmenden Gefühls elner mangelnden Sicher⸗ heit für das Vaterland entfernt sein werden, dann wird das ist meine Ueberzeugung das ganze Volk mit umso größerer Zuversicht andere große Fragen, die ihrer Lösung harren, in Angriff nehmen. Ich schlage Euch Veränderungen der Verfassung vor, die eine anderweitige Einteilung der Staatsdepartements ermöglichen. Im Zusammenhang mit dem Finanzplane, der Euch unterbreitet werden wird, schlage ich zur Deckung gewisser höchst bedeutungsvoller Ausgaben für verschiedene Zwecke eine einmalige Verteidigungsabgabe, eine Verteidigungssteuer ausschließlich auf größere Vermögen und größere Einkommen vor. Im übrigen beabsichtige ich nicht, Euch vor dem Jahre 1915 neue oder erhöhte Steuern außer der Tabaksteuer vorzuschlagen, die bereits durch die im Januar erlassenen Finanzgesetzvorlagen in Aussicht gestellt wurde. Um Eure Session nicht ohne zwingenden Grund zu verlängern, will ich Euch keine anderen Vorlagen unterbreiten als solche, die nicht aufgeschoben werden können oder die verhältnismäßig geringe Zeit beanspruchen. Indem ich Gottes Segen auf Euch und Eure Arbeit herabflehe, erkläre ich die Session für eröffnet und verbleibe Euch, Ihr guten Herren und schwedischen Männer, mit aller Königlichen Gnade und Huld stets wohlgewogen. 1

Der Finanzminister brachte im Reichstage gestern den Budgetvoranschlag für 1915 ein. Obiger Quelle zufolge sind die vorgeschlagenen Einnahmeposten im großen und ganzen gegen den vorjährigen Voranschlag unverändert. Nur einzelne Einnahmeposten sind mit größeren Beträgen aufgeführt. Der Budgetvoranschlag balanciert in Einnahme und Ausgabe mit 316 266 100 Kronen, während der im Januar vorgelegte Vor⸗ anschlag mit 311 461 200 Kronen balancierte.

Unter den Ausgaben ist hervorzuheben der Etat für das Kriegsministerium, der mit 58 191 000 Kronen (im vorigen Jahre 53 234 000 Kronen) abschließt. Im Januar betrug der Vor⸗ anschlag für diesen Posten 54 216 000 Kronen. In der Einle tung hebt der Kriegsminister hervor, daß die vorgeschlagene Heeres⸗ reform eine derartige Erhöhung für 1915 notwendig mache. Die durch die Heeresreform entstehenden Ausgaben würden jedoch hier nicht genannt. Sie werden erst bei der Veröffentlichung des Re⸗ formentwurfs bekanntgegeben werden. Unter den Voranschlägen, die von der neuen Heeresreform berührt werden, ist zu nennen die be⸗ deutende Vermehrung des Personals des Generalstabes. Hiervon wird jedoch nur ein kleiner Teil 1915 eingestellt werden. Für Kasernenbauten werden 1 400 000 Kronen gefordert. Der Voranschlag des Marineministeriums, der im Budgetvoranschlag im Januar mit 27 510 900 Kronen aufgeführt war, weist jetzt 31 715 300 Kronen auf. Aus den Andeutungen über die geplante Regelung der Seeverteidigung geht hervor, daß die Anzahl der Offiziere der Flotte im Zeitraum 1915/19 um 53 und die der Unter⸗ offiztere um 64 erhöht werden soll. Für die Anschaffung von Kriegs⸗ material werden einmalig 6 400 000 Kronen gefordert. Die Anschläge für die Flottenübungen sind um 320 000 Kronen erhöht, da eine Ausdehnung der Winterübungen vorgesehen ist. Das Budget für das Kultusministerium wird von 32 977 000 Kronen auf 38 316 000 Kronen erhöht. Das Budget des Landwirtschafts⸗ ministe riums ist bei einer Gesamtausgabe von 14 184 000 Kronen um 4 Millionen erhöht worden. Das Budget des Ministeriums des Innern ist um 3 353 000 Kronen auf 27 667 000 Kronen erhöht worden.

Türkei.

In der Deputiertenkammer hielt der Präsident Halil Bey gestern bei der Uebernahme des Vorsitzes eine Rede, in der er an die letzte Kammersitzung, der er präsidierte, erinnerte und die damalige Regierung tadelte, die in ver⸗ fassungswidriger Weise die Kammer aufgelöst habe, als sie ein Tadelsvotum gegen das Kabinett ausgesprochen hätte.

Die Militärliga, führte Halil Bey laut Bericht des „W. T. B.“ aus, wurde Herrin der Pforte. Anarchie bemächtigte sich des ganzen Landes, und dies in einem Augenblicke, da sich das Land noch im

Kriege mit Jlalien befand. Die Feinde der Türkei machten

lnen und deren

cher der Staatssekretär des Innern Dr.

vatssekretäär des Reichsjustizamts Dr. Lisco ratssekretär des v“ Kühn beiwohnten, wurde dritte Beratung des Re

um gleichzeitig die Grenzen des Kaiser⸗ anzugreifen. So verlor die Türkei wegen des politi⸗ Ehrgeizes einer Partei das schöne Rumelien. Die be Armee wurde nicht geschlagen. Die Armee einer Nation, do vier Jahrhunderten Kaiser und Könige und Völker vchte eine Armee, die selbst Napoleon Achtung ein⸗ die in Plewna Widerstand leistete und so einen moralischen ung konnte nicht besi gt werden. Der türkischen Armee ist glück zugessoßen. Man muß aus den Niederlagen die ent⸗ süe Lehre ziehen. Ich empfehle, niemals das schöne Saloniki 7* grüne Monastir, Janina und ganz Rumelien zu vergessen, hencals zu vergessen, daß es jenseits der Grenzen Brüder gibt, 6 befreien gilt. Nur so können wir die Fehler der Ver⸗ heit wieder gut machen.

1 Serbien.

„der gestrigen Sitzung der Skupschtina erklärte der an der gesa gtfche G daß geschäftsordnungsmäßig die rpellationen Ribaratsch und Draskowitsch wegen unzufriedenheit im Offizierkorps durch die Behandlung wwei Sitzungen erledigt seien. Oppositionelle Redner prachen, wie W. T. B. meldet, und vete n die Fortsetzung der Debatte. Der Abgeordnete isch (Jungradikal) verlangte, daß seiner Partei Gelegen⸗ gegeben werde, zu den gestrigen, sie beleidigenden erungen des Justizministers Stellung zu nehmen. Wegen Differenzen verließ die ganze Opposition den Saal; die gebliebene Mehrheit allein war nicht bes hhlußfähig, sodaß Fitzung geschlossen wurde.

9.

Albanien.

dies zunutze,

errang

Die Aufstandsbewegung, die in den letzten Tagen trotz

biedener Abschwächungsversuche eine immer bedrohlichere lt annahm und vorgestern mit dem Anmarsch der Re⸗ gegen Durazzo einen gefährlichen Höhepunkt erreichte, mte nach einer Meldung des Wiener „K. K. Telegraphen⸗ spondenz⸗Bureaus“ Essad Pascha, dessen doppeltes immer klarer zutage trat, Vorbereitungen zu treffen, um Eventualitäten gegenüber gerüstet dazustehen. Aus diesem de verstärkte er vorgestern abend seine sonst nur aus wenigen m bestehende Leibwache auf 80 Mann. Dieser Umstand sowie gegen Essad vorliegende Beweismaterial, das an seiner huld an den letzten Ereignissen keinen weiteren Zweifel ließ, bewogen den Fürsten Wilhelm, einen energischen hhluß zu fassen und Essad Pascha abzusetzen. Mit dor mittlung dieser Botschaft, die nach langer Beratung gestern um 3 Uhr vom Fürsten bestätigt wurde, wurden sofort ein discher Offizier sowie ein anderer Abgesandter des Fürsten tragt. Essad wurde aufgefordert, seine verstärkte Wache zu Waffen auszuliefern. Essad fügte nfänglich dem Befehle des Fürsten und gab seinen den Befehl, die Waffen zu strecken. Als jedoch abgelegten Waffen weggeschafft werden sollten, be⸗ Essad plötzlich seinen Leuten, sich der Waffen r zu bemächtigten und sich zur Verteidigung vorzu⸗ en. Die Leute Essads folgten diesem Befehl, griffen zu den Gewehren und begannen bald darauf, auf ffnete Leute des Fürsten, die auf den Straßen standen, reuern. Diese Leute, die eine Art Nationalgarde dar⸗ n und bereits am Abend vorher bewaffnet worden und alle Straßenkreuzungen bewachten, er⸗ en sofort das Feuer. Hierbei wurde ein Mann t und mehrere verwundet. Gleichzeitig wurde aus bend der Nacht unauffällig aufgefahrenen Geschützen Feuer gegen das Haus Essad Paschas eröffnet, rch dieses erheblich beschädigt wurde. Daraufhin Essad Pascha die ihm gestellten Bedingungen an, befahl Leuten, die Waffen niederzulegen, und ergab sich. vurde durch ein von einem italienischen Offizier be⸗ ztes Detachement italienischer und österreichischer Matrosen, gelandet worden waren, auf das österreichisch⸗ungarische sschiff „Szigetvar“ gebracht, wo er vorläufig zur Ver⸗ g des Fürsten verbleibt. 8

Emnthbrilenu: . er Präsident Wilson hat den amerikanischen Ver⸗ n auf der Friedensvermittlungskonferenz einer bung des „W. T. B.“ zufolge mitgeteilt, daß die Regierung Vereinigten Staaten die endgültige Beilegung der Streitig⸗ in Mexiko als Bedingung für die Zurückziehung. der ikanischen Truppen aus Veracruz ansehe. Der Präsident den Delegierten keine besonderen Instruktionen mitgegeben, ern sie ersucht, sich abwartend zu verhalten und Vorschläge genzunehmen. Er fügte jedoch hinzu, daß der Frieden von der Entfernung Huertas und der Aufrichtung einer gen und gerechten Regierung abhängig zu sein scheine, Regierung, die bereit sei, unbeeinflußte Wahlen vor⸗ men. Die Abgesandten Huertas erklärten sich bereit, den tritt Huertas zu empfehlen, unter der Bedingung jedoch, zuvor eine endgültige Entscheidung über die Art der Re⸗ ng getroffen werde, die dann folgen solle. Die militärische Lage in Mexiko bereitet der amerika⸗ en Regierung obiger Quelle zufolge Sorge, da sie einen lichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen die amerikanischen

ppen oder Verwicklungen in Tampico befürchtet, die die ganze

ändern könnten. Nach einer Meldung aus Carranzas gebung haben die Konstitutionalisten unter General res eine Stellung an der Weichbildgrenze von San Luis osi besetzt. b Der mexikanische Minister für Verkehrswesen und öffent⸗ Arbeiten Lojano ist von seinem Posten zurückgetreten.

Parlamentarische Nachrichten. Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗

ns und der Bericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗

ses sowie der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des ises der Abgeordneten befinden sich in der Ersten un

eiten Beilage.

Reichstags, Delbrück, der Falkenhayn, der und der

In der heutigen (263.) Sitzung des

gsminister, Generalleutnant von

chshaushaltsetats für 1914 gesetzt. 88

In nochmaliger Abstimmung wurde der Antrag Spahn, i Reichsgericht die Stelle für einen 6. Reichsauwalt wieder

zu streichen und dafür nur einen Hilfsrichter zu bewilligen, mit den Stimmen des Zentrums, der Polen und der Sozial⸗ demokraten angenommen.

In der Gesamtabstimmung wurde darauf der Reichs⸗ haushaltsetat für 1914 gegen die Stimmen der Sozial⸗ demokraten endgültig genehmigt.

Ueber eine Reihe von Resolutionen, die zum Etat gestellt waren, steht die Abstimmung ebenfalls noch aus. Die Resolution Behrens (wirtsch. Vag.) auf Einsetzung einer be⸗ sonderen ständigen Kommission für soziale und Ar⸗ beiterangelegenheiten wurde abgelehnt; dafür stimmten mit den Sozialdemokraten, den Polen und der wirtschaftlichen Vereinigung auch die beiden nationalliberalen Abgeordneten Heckmann und Marquart. Angenommen wurden die Reso⸗ lutionen Zimmermann (nl.) wegen anderweiter Ordnung der Entlohnungsverhältnisse der Kupferstecher der Königlichen Landesaufnahme, die von der Budget⸗ kommission vorgeschlagene Resolution wegen Gewährung von Ausgleichszulagen an die Unterbeamten, die aus dem Arbeiter⸗ und Handwerkerverhältnis hervor⸗ gegangen sind, sofern düch die Nichtanrechnung der Arbeiter⸗ und Handwerkerdienstjahre Gehaltsunterschiede gegenüber den aus an⸗ deren Anwärterverhältnissen hervorgegangenen Unterbeamten ent⸗ stehen, und die Resolution von Meding (Welfe) wegen Aenderung der Ausführungsbestimmungen zur Zuckersteuer dahin, daß die Menge des zur Bienenfütterung steuerfrei abgelassenen Zuckers

von 5 kg für jedes Bienenstandvolk auf 10 kg erhäht werde.

Ueber die Petitionen wurde durchweg nach den Kom⸗ missionsanträgen beschlossen.

Damit war die Etatberatung definitiv gelangt.

Das Haus setzte darauf die zweite Lesung der Novelle zum Militärstrafgesetzbuch fort. Eingegangen ist in⸗ zwischen der Antrag Dr. Müller⸗Meiningen ffortschr. Volksp.), Fehrenbach (Zentr.), dem § 72 (Fahnenflucht im Komplott) die Bestimmung anzufügen: „In minderschweren Fällen beträgt die Erhöhung mindestens 6 Monate“. Außerdem liegen vor die Anträge van Calker, die Vorlage wieder herzu⸗ stellen, das heißt die von der 27. Kommission vorgeschlagene Be⸗ seitigung des strengen Arrestes als Strafe in minderschweren Fällen der unerlaubten Entfernung nach § 66 und die Einschränkung der Gültigkeit der Militärgesetze für die Mannschaften des Be⸗ urlaubtenstandes an Kontrollversammlungstagen, abzulehnen, und die Anträge der Sozialdemokraten auf völlige Be⸗ seitigung des strengen Arrestes, auf Gewährung des Not⸗

Litige 8 8 85 . wehrrechts und Reform des Beschwerderechts für die Mann⸗ chaften.

schaffen. Müller⸗Meiningen (Vollksp.): Angesichts der Ge⸗ schäftslage des Hauses will ich mich auf eine kurze Ei⸗ klärung beschränken. Wir bedauern, daß im allgemeinen, so auch in diesem speziellen Fall durch die mangelhaften Dis⸗ positionen der Regierung wir durch das späte Ein⸗ bringen dieser Vorlage in eine Art Notlage versetzt worden sind. Wenn wir nunmehr in der Hauptsache für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage eintreten, so tun wir das, weil wir die Verantwortung für das Scheitern der gesamten Vorlage nicht übernehmen können. Wir bedauern die Haltung der ver⸗ bündeten Regierung zu den Beschlüssen

zum Abschluß

der Kommission und lehnen unsererseits jede Verantwortung für die politischen Folgen der Ablehnung unserer berechtigten Anträge ab. Wir halten daran fest, daß die Ausdehnung des § 38 des Militärgesetzes auf die zu Kontrollversammlungen einberufenen Mannschaften des Beurlaubten⸗ standes rechtlich völlig unhaltbar ist. Wir erwarten, daß im Herbst mit anderen Parteien eine authentische Interpretation des Gesetzes auf dem Wege gesetzgeberischer Initiative zu erreichen ist. Wir er⸗ suchen Sie, unseren I trag zu § 72, der das zurzeit allein Erreichbare ist, anzunehmen. 6“ 8

Abg. Stadthagen (Soz.): Meine Hoffnung, daß wenigstens in zweiter Lesung die Parteien nicht umfallen würden, hat sich nicht erfüllt. Das Hörigkeiteverhältnis der bürgerlichen Parteten zum Kriegsminister ist perfekt geworden! Ich bedaure diesen Umstand um so mehr, als wir einer unzweifelhaft falschen Rechtsprechung des Reichsmilitärgerichts gegenüberstehen. Bis zum Jahre 1885 stand es auch in Preußen fest, daß die Soldaten außerhalb der Kontroll⸗ versammlungen selbst nicht dem Militärstrafgesetz unterstanden. (Lebhafte Unruhe.) Wenn Sie sich unterhalten wollen, so tun Sie das gefälligst draußen, wo Sie auch das Kompromiß abgeschlossen haben. Unter den gegenwärtigen Umständen, wäre es töricht, zu erwarten, daß Sie unsere berechtigten Anträge in bezug auf den strengen Arrest, das Notwehrrecht, das Beschwerderecht usw. annehmen würden. Nur in einem Punkte möchte ich Sie bitten, unserem Antrage zuzustimmen, wenn Sie nicht eine Verschlechterung des Zustandes, den die lex Erfurt geschaffen hat, herbeiführen wollen Dieser Punkt bezieht sich auf den § 110 a des Mtlitärstrafgesetzbuchs. Wir beantragen, daß in den Fällen der §§ 106, 107 und 110 neben einer erkannten Gefängnisstrafe die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes unzulässig sein soll. Wir wollen, daß in diesen minder schweren Fällen die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes ausgeschlossen bleibt. Es ist ein Unsinn, daß, wenn jemand zu einer Kontrollver⸗ sammlung einberufen wird und er der Einberufung nicht folgt, er nicht auf Grund des Militärgesetzes bestraft wird, während er anderenfalls diesem Gesetz untersteht. Sollte unser Antrag nicht an⸗ genommen werden, so können wir fur die Novelle nicht stimmen, denn sie enthält eine Verschlechterung des gegenwärtigen Zustandes und eine Entrechtung der Arbeiterklasse und des Mittelstandes, der schaffenden Stände. Auf diesen schaffenden Ständen, und nicht etwa auf den Offizieren und dem ganzen Militarismus beruht die Sicher⸗ heit Deutschlands. Wir bitten Sie, sich zu ermannen und unseren Antrag anzunehmen.

Abg. Fehrenbach (Zentr.): Auch wir bedauern lebhaft, 88 die Heeresverwaltung und die verbündeten Regierungen in bezug au die Kontrollversammlungen den Anträgen keine Folge geben wollen, die die Kommission beschlossen hat. Wir sind der Meinung, daß der Zustand an den Kontrollversammlun stagen so viele Nachteile und Unzuträglich⸗ keiten mit sich bringt, daß er auf die Dauer nicht aufrecht erhaften werden kann. Auch wir sind bereit, in dieser Beziehung eine Aktion im nächsten Herbst mitzumachen. In der Frage des strengen Arrestes kann man den

tandpunkt der Heeresverwaltung verstehen, daß sie meint, daß dieser Anlaß nicht geeignet ist, die Frage der Abschaffung des strengen Arrestes überhaupt aufzurollen. Von einem Hörigkeitsverhältnis zur Militär⸗ verwaltung kann hier keine Rede sein, Es handelt sich nur um das Zusammenarbeiten zweier gesetzgeberischer Faktoren. Bei diesem Ver⸗ dältnis wird der verständige Monn das wählen, was nach Lage der Sache einen Vorteil bedeutet. Wie beim Zivilstrafgesetz beklagt man es auch beim Militärstrafgesetz, daß die Richter gezwungen sind, häufig ein zu hohes Strafmaß festzusetzen. So hat sich keine Möglichkeit geboten, Leute, die in einer schwachen Stunde ein sonst viel⸗ leicht entschulbbares Vergehen begangen haben, davor zu be⸗ wahren, zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt zu werden. Es ist an⸗ zuerkennen, daß die Heeresverwaltung diese kleine Novelle einge⸗ bracht hat, um die Unstimmigkeiten zu beseitigen, die durch unser gesetzgeberisches Vorgehen im vorigen Jahre geschaffen wurden. Es ist unrichtig, zu behaupten, daß diese Vorlage zu wenig biete. Ich weise nur darauf hin, daß es doch schon ein Forr⸗ schritt jst, wenn jetzt für Fabnenflucht die Minimalstrafe von 5 Jahren Zuchthaus auf 6 Monate Gefängnis herabgesetzt ist.

Das kann man doch nicht als Bagatelle bezeichnen. Das geht

doch auch gerade die Arbeiterklasse an. demokratie niedrigere Strafe wissen wenigstens die Betreffenden, haben. Das Aber warum man es hier tut, wo es sich 2 das sehe ich nicht ein. Dem Antrag Müller⸗Meiningen stimme ich zu. e. nicht, daß die Regierung jetzt noch ihr Unannehmbar aus⸗ spricht. sind uns auch klar, daß die notwendige Reform des Militärstrafgesetz⸗ buchs nicht von heute auf morgen 82ne⸗ kann.

(85.) Sitzung, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer bei⸗ wohnte, die dritte Beratung des Entwurfs des Staats⸗ haushaltsetats für 1914 bei dem Etat der Domänen⸗ verwaltung fort.

bestehen so versucht werden muß, zugestalten. Mark, die der Eine

Wenn es die Sozial⸗ jetzt dem Kriegsgericht unmöglich macht, auf eine als 5 Jahre Zuchthaus zu erkennen, dann wem sie es zu verdanken Mannes ist sehr schön. um junge Leute handelt,

Spielen des starken

Wir schaffen ein Flickwerk, eine halbe Arbeit. Aber wir

(Schluß des Blattes.) 8

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen welcher der Minister für Landwirtschaft,

Abg. von Pappenheim (kons.): Im Nordseebad Norderney schwere Mißstände, daß dort eingegriffen und Norderney in modernem Sinne aus⸗ Die Kosten betragen allerdings 4 ½ bis 5 Millionen Staat zur Verfügung stellen müßte. einigermoßen annehmbare Verzinsung würde sich er⸗ geben. Die Badeverhältnisse genügen durchaus nicht mehr den modernen Ansprüchen; es besteht auch ein starkes Bedürfnis naoch warmen Bädern. Alle modernen hpyvgienischen Badeeinrich⸗ tungen fehlen ebenfalls. Neben dem Badehaus I muß ein neues, allen Anforderungen genügendes Badehaus errichtet werden. Auch das Maschinenhaus genügt den jetzigen An⸗ sprüchen nicht mehr; es muß ein neues Maschinen⸗ haus errichtet werden. Auch in mancherlei anderer Beziehung ist das Bad verbesserungsbedürftig; z. B. muß ein neues Konzert⸗ haus errichtet werden, da das jetzige dem wachsenden Be⸗ dürfnis in keiner Weise mehr genügt. Der größte Febler ist aber der, daß es kaum möglich ist, selbst bei be⸗ scheidenen Ansprüchen Unterkunft zu bekommen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß in ganz Norderney nur ein einziger Personen⸗ aufzug besteht. Die Beleuchtung des Bades ist außerordentlich kümmerlich, auch besteht keine einzige gedeckte Wandelhalle. Um hier ganze Verhältnisse zu schaffen, ist jene bedeutende Summe notwendig. Auch dem Mittelstand muß es ermöglicht werden, sich in Norderney zu erholen. Eine Gesellschaft allein kann diese Aufgabe kaum in ge⸗ nügender Weise lösen, deshalb muß der Staat eingreifen . 1

Abg. Fürbringer (nl.): Die gegenwärtigen Verhältnisse auf Norderney sind unhaltbar und bedürfen dringend der Besserung. Ich kann mich in dieser Beziehung vollkommen dem anschließen, was der Abg. von Pappenheim gesagt hat. Am besten wäre es, wenn das Seebad Norderney an eine leistungsfähige Gesehschaft verpachtet würde. Die Leist Staat Norderney sind nicht so groß, wie die für andere Bäder.

Hierauf nimmt der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

(Schluß des Blattes.)

Bei der am 15. Mai im Wahlkreise Osterburg⸗ Stendal erfolgten Reichstagsersatzwahl wurden, wie „W. T. B.“ meldet, nach amtlichen Ermittlungen bei 31 617 Wahlberechtigten 26 112 gültige Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf Hoesch, Rittergutsbesitzer in Neukirchen (Konser⸗ vativ) 12 182 Stimmen, auf Wachhorst de Wente, Hof⸗ besitzer in Groß Mimmellage (Nationalliberal) 7010 Stimmen und auf Beims, Parteisekretär in Magdeburg (Sozial⸗ demokrat) 6911 Stimmen. 9 Stimmen waren zersplittert. Am 25. Mai findet engere Wahl zwischen Hoesch und Wachhorst de Wente statt. .

Kunst und Wissenschaft.

Gestern vormittag wurde im Großherzoglichen Schloß in Darm⸗ stadt die Jahrhundertausstellung Deutscher Kunst von 1650 bis 1800, wie „W. T. B.“ meldet, in Gegenwart Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs von Hessen und des Prinzen August Wilhelm von Preußen, der Spitzen sämtlicher Behörden und vieler Vertreter der Kunst eröffnet. er Veranstalter der Ausstellung, die sich zur Aufgabe gestellt hat, vom deutschen Kunstschaffen vom Ausgang des Dreißigjährigen Krieges an bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts einen möglichst ausgedehnten Ueberblick zu geben, ist Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen, Patrone sind Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz Rupprecht von Bayvern, der Prinz Auguft Wilhelm von Preußen und der Prinz Johann Georg von Sachsen. Seine Majestät der Kaise hat aus seinem Privatbesitz eine Anzahl noch nicht gezeigter Werke zur Verfügung gestellt; desgleichen fast alle deutschen Fürsten und deutschen Museen.

Die Feinde des Bluts. Das Blut ist eine Flüssigkeit von sehr vielseitiger Zusammensetzung, und wenn Goethe schon über die heutigen Kenntnisse der Forschung verfügt hätte, würde er das Blut vielleicht nicht einen Saft genannt haben. Die Blutkörperchen waren damals allerdings schon längst entdeckt, da sie bald nach der Erfindung des Mikroskops beobachtet wurden. Man konnte sich aber nicht zu dem Begriff einer Zusammensetzung dieser Flüssigkeit aus einzelnen Zellen aufschwingen, sondern hieit diese Gebilde für optische Täuschungen. Jetzt weiß Gebildete, daß das Blut aus unzäbligen Zellen besteht, hauptsächlich als rote und weiße Blutkörperchen unterschied werden. Die roten sind weitaus überwiegend, und in dem winzigen Raum eines Kubikmillimeters enthält das Menschenblut nach oher⸗ flächlicher Schätzung etwa fünf Millionen solcher Körperchen. Die Schwankungen sind freilich sehr bedeutend, nicht nur bei den einzelnen Menschen, sondern auch nach dem Alter und dem Gesundheitszustand, insbesondere auch unter dem Einfluß von Schmarotzern, deren das Blut viele als Feinde zu fürchten hat. Die roten Blutkörperchen sind die Träger des Farbstoffs und auch des dem Blut durch die Atemluft zugeführten Sauerstoffs. Von den weisen Blutkörperchen oder Leukozyten finden sich bei dem gesunden Menschen nur etwa 7500 im Kubikmillimeter. Früher hielt man sie für eine ein⸗ heitliche Bildung, aber nach den Forschungen von Ehrli werden wenigstens fünf Arten von weißen Blutkörperchen unterschieden. Die Eigenschaften des Bluts sind i allen Tieren im wesentlichen dieselben, aber die Ahbweichungen genügen doch zur Kennzeichnung des Bluts der einzelnen Tiergruppen. Die Aufgaben des Bluts lassen sich in drei Richtungen bezeichnen: Es dient der Atmung, der Ernährung und insbesondere der Abwehr gegen eindringende Schmarotzer. Diese können in pflanzlichen o tierischen Kleinwesen bestehen, die auf irgend einem Wege ins Blut gelangen, sich von diesem nähren und in ihm ihren Lebens lau vollenden. Es sind jetzt etwas mehr als 70 Jahre vergangen. seit zum ersten Male ein solcher Schmarotzer im Blut nachgewiesen wurde, aber nicht in dem eines Menschen, sondern im Fischblut. hochwichtigen Bestandteil der medi untersuchung erst seit der Entdeckung des Malariapara 1 Danach sind sehr viele andere Blutschmarotzer durch das M larvt worden, und man weiß heute, wie viele und welche Krankheiten

ihnen zuzuschreiben sind. ie Aufklärung hat viel Mühe, Zeit und