bildet. Die Stellung der Regierung den Beamten gegenüber leidet dadurch auf das allerschwerste. Die Regierung kann eine Vorlage einbringen, welche sie will, und es ist stets das erste, daß das, was die Regierung will, als gering und bedeutungslos bezeichnet wird. Um 1 8 mehr masn wir uns freuen, daß der Finanzminister nicht na Popularität gehascht hat, indem er einfach erklärte: Wir können den weitergehenden Wünschen keine Rechnung tragen, sonst muß die Vor⸗ lage scheitern. Ich würde mich freuen, wenn dieser Standpunkt auch im Reich gewahrt würde. Da hat es mit einem Kompromiß ange⸗ fangen, und wenn man erst damit anfängt, weiß man nicht, wo man aufhört. Die Regierung darf dem Reich nicht alles nachmachen. Jeder Beamte ist sich klar geworden, ob er Reichs⸗ oder preußischer Beamter werden will, und muß dem Rechnung tragen. Vor der Anstellung sind sie alle sehr zufrieden, ein Mangel an Bewerbern ist noch nirgends eingetreten, wenn sie aber fest angestellt sind und man liest ihre Peti⸗ tionen, so hat man den Eindruck, daß sie die unglücklichsten Menschen der Welt sind, man meint, die Beamten verstehen selbst nicht, warum sie darauf gedrängt haben, in den Staatsdienst einzutreten. Wir müssen den Beamten mmer wieder vorführen, daß sie königliche Staatsbeamte sind, daß sie der Autorität des Staates und ihren Vor⸗ gesetzten unterstehen, und nicht den Parlamenten. Damit schließt die allgemeine Besprechung. In der Spezialdiskussion wird die Vorlage ohne Debatte im einzelnen und darauf einstimmig im ganzen angenommen. Die dazu eingegangenen Petitionen werden nach dem Re⸗ ferat dem Antrage des Berichterstatters gemäß der Re⸗ gierung als Material überwiesen. Es folgt die einmalige Schlußberatung über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die weitere Beschäftigung von Hilfsrichtern bei dem Oberverwaltungs⸗ gericht. Der Referent, Herr Dr. von Dziembowski, hebt die Ab⸗ weichungen hervor, welche das andere Haus, zum Teil unter dem Widerspruch der Regierung, an der Vorlage beschlossen hat, empfiehlt aber dem Hause, obwohl er diese Bedenken teilt, mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Sache, die Zustimmung zu der Vorlage in der Form, die sie im andern Hause erhalten hat. Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat von Falkenhayn: die Regierung kann dem Hause nur empfehlen, die . ge in der jetzigen Form anzunehmen, und zwar mit mit Rücksicht auf die Geschäftslage, da wir sonst am 1. Ok⸗ ober dieses Jahres einem Vakuum gegenüberständen. Die von dem errn Referenten erwähnten Bedenken teilt die Regierung namentlich n dem Punkte, daß die Verlängerung nur bis zum 1. April 1916 aus⸗ gesprochen wird, da die aus der Steuergesetzgebung sich ergebende Möepratbeit aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem 1. April 1917 nicht berwunden sein wird. Die Vorlage gelangt darauf unverändert ohne weitere Diskussion zur Annahme. 1 In einmaliger Schlußberatung wird darauf auch der Ge⸗
etzentwurf zur Abänderung des § 109 des Zuständig⸗ keitsgesetzes, der durch das inzwischen in Kraft getretene Wassergesetz notwendig geworden ist, nach dem Referat des Grafen von der Schulenberg⸗Angern unverändert angenommen.
Namens der Eisenbahnkommission erstattet Herr von der
ickerau Graf von Krockow ausführlichen Bericht über die Uebersichtliche Darstellungdes Ergeb⸗ nisses der Verhandlungen des Landeseisen⸗ bahnratsvon 19183 und derdarauf getroffenen Entscheidungen und beantragt, die Uebersichtliche Dar⸗ stellung durch Kenntnisnahme zu erledigen. Herr Graf von Mirbach⸗Sorquitten: Ich halte mich kür verpflichtet, dem Herrn Berichterstatter besonderen Dank auszu⸗ pnche dafür, daß er unter überaus schwierigen Verhältnissen in ganz
zurzer Zeit der Eisenbahnkommission den vorliegenden Bericht unter⸗ breitet hat. Mein Dank bezieht sich nicht bloß auf diesen Punkt der Tagesordnung, sondern auch auf das vor Pfingsten erörterte Eisen⸗ bahnanleihegesetz und die nächstfolgenden Punkte der Tagesordnung. Ich bedauere andererseits, daß dem Herrenhause erst an dem Tage, da der Landtag vertagt wird, Gelegenheit gegeben wird, sich über diese äußerst wichtigen Fragen des Eisenbahnwesens zu äußern. Eine ganze Anzahl von Herren, die viele praktische Erfahrung auf diesem Gebiete besitzen, haben ein sehr weitgehendes Interesse an einer solchen Ver⸗ handlung. Hoffentlich wird es in Zukunft möglich sein, derartige Fragen nicht erst in letzter Stunde zur Beratung zu stellen. Der Herr Präsident war nicht in der Lage, eine andere Anordnung zu treffen; das erkenne ich natürlich an.
Das Haus beschließt nach dem Antrage des Referenten.
Es folgt die einmalige Schlußberatung des 65. Berichts
er Staatsschuldenkommission über die Ver⸗ waltung des Staatsschuldenwesens. Auluf Antrag des Berichterstatters Herrn Dr. von Becker wird für die Rechnung Entlastung erteilt.
Der Baubericht der Eisenbahnverwaltung für den Zeit⸗ raum vom 1. Oktober 1912 bis dahin 1913, der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der Vereinigten Preußischen und Hessischen Staatseisenbahnen im Rechnungsjahr 1912 und die
enkschrift über die Entwicklung der nebenbahnähnlichen Klein⸗
bahnen in Preußen werden auf Antrag des Berichterstatters der Eisenbahnkommission Herrn von der Wickerau Grafen von Krockow durch Kenntnisnahme erledigt.
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Präsident Herr von Wedel⸗Piesdorf: Ich gebe jetzt das Wort dem Vertreter der Staatsregierung, dem Minister des Innern von Loebell, und ich bitte, daß sich auch die auf den Tribünen An⸗ wesenden während der Verlesung der Allerhöchsten Botschaft von ihren Plätzen erheben.
Minister des Innern von Loebell:
Meine Herren! Nachdem beide Häuser des Landtages sich mit einer mehr als dreißigtägigen Vertagung einverstanden erklärt haben, habe ich die Ehre, eine Königliche Verordnung mitzuteilen. Die Verordnung lautet: “
(Das Haus erhebt sich.)
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., verordnen auf Grund des Art. 52 der Verfassungsurkunde mit der darin verordneten Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt: “ “
Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie, das Herren⸗ haus und das Haus der Abgeordneten, werden vom 16. Juni bis zum 10. November 1914 mit der Maßgabe vertagt, daß die zur Vorberatung des Entwurfs eines Grundteilungsgesetzes, des Ge⸗
setzes über Familienfideikommisse und Familienstiftungen, des Fischereigesetzes, des Wohnungsgesetzes und des Gesetzes zur Ab⸗
änderung des Kommunalabgabengesetzes und des Kreis⸗ und Pro⸗ vinzialabgabengesetzes gewählten Kommissionen des Hauses der Ab⸗ geordneten ermächtigt werden, während der Zeit der Vertagung
ihre Arbeiten fortzusetzen.
E“ 8b
§ 2. Das Staatsministerium ist mit der Ausführung dieser Ver⸗ aUdnung beauftragt. 1
8 3 1 s .
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrie beigedrucktem Königlichen Insiegel. 8 Gegeben Neues Palais, den 15. Juni 1914.
1“ L1I6 gez. Wilhelm R.
b gegengez. vom Staatsministerium.
Präsident von Wedel⸗Piesdorf: Die nächste Sitzung vermag ich heute noch nicht vorauszubestimmen, auch nicht deren Tagesordnung festzusetzen. Ich muß erst abwarten, bis das nötige
Material vorliegt. Die heutige Sitzung schließe ich hiermtwt. uß 41 4 Uhr.
Schl
8E113“ 8
Haus der Abgeordneten. 94. Sitzung vom 16. Juni 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht der mündliche Bericht der Geschäftsordnungskommission über den Antrag Braun und Genossen, betreffend brmsteglun eines Diszi⸗ plinarverfahrens gegen den Abg. Liebknecht.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. von Ditfurth (kons.): Man hat sich bei der Begrün⸗ dung des Antrages lediglich auf eine langjährige Praxis des Hauses bezogen. Man hat in der Kommission geltend gemacht, daß ein po⸗ litischer Flg zur Eröffnung des Strafverfahrens gegen den Abg. Liebknecht geführt hat. Weder die Uebung des Hauses noch der Wortlaut und der Sinn der Verfassung können einen stichhaltigen Grund dafür abgeben, in ein seit drei Jahren schwebendes Verfahren einzugreifen. Der Präsident des Reichsgerichts Simson, der an der Verfassung mitgearbeitet hat und deshalb ein maßgebendes Urteil über die Nerec ans abgeben kann, hat ausgesprochen, daß die Ver⸗ fassung keine Bestimmung enthält, daß ein Verfahren eingestellt wer⸗ den soll. Die Verfasfung bestimmt lediglich, daß die Kammer das Recht hat, die vorläufige Einstellung des Verfahrens zu fordern. Es darf als ausgeschlossen gelten, daß der Abg. Liebknecht durch den Fortgang des Verfahrens irgendwie in der Ausübung seiner parla⸗ mentarischen Pflichten gehindert werden könnte. Wir werden deshalb für den Antrag der Kommission stimmen und den Antrag Braun ablehnen.
Abg. Herold (Zentr.): Ich beschränke mich auf die Stellung⸗ nahme meiner Freunde für diesen vorliegenden Fall. Diesen Fall haben wir objektiv ohne jede Rücksicht auf die Parteistellung des Abgeordneten entschieden, diese scheidet hier vollständig aus; es handelt sich um ein Disziplinarverfahren, das bereits begonnen hat, und bei dem der Betreffende selbst nicht anwesend zu sein braucht. Das ist aber nicht einmal unser Hauptmotiv, sondern dies liegt darin, daß der Abg. Liebknecht überhaupt in seiner parlamentarischen Tätig⸗ keit in keiner Weise behindert wird. Jetzt tritt die Vertagung des Feuse. ein, eine Tätigkeit als Mitglied einer Kommission übt der
bg. Liebknecht nicht aus, weil er nicht in eine Kommission berufen ist und, wenn eine stellvertretende Tätigkeit möglich sein sollte, genug andere da sind für die Stellvertretung. Es wäre doch ein merkwürdiges Zusammentreffen, wenn gerade diese Stellver⸗ tretung an dem Tage ausgeübt werden müßte, wo das Verfahren in Leipzig stattfindet. Das ist ein willkürlich konstruierter Fall, ein Fall, der fast unmöglich ist. Aus diesen Gründen, weil der Abg. Liebknecht in seinen parlamentarischen Rechten nicht behindert werden wird, werden wir dem Antrag der Kommission zustimmen.
Abg. Schiffer⸗Magdeburg (nl.): Wir sind für den Antrag der Kommission. Wir können nicht anerkennen, daß irgendwo ein fester Brauch dieses Hauses sich überhaupt gebildet hat. Ein Fall der Einstellung eines Verfahrens unmittelbar vor einer Vertagung für fünf Monate hat noch nicht vorgelegen, und das ist gerade der springende Punkt. Wir haben also völlige Freiheit der Entschließung. Von der Möglichkeit, ein Verfahren einstellen zu lassen, kann nach der Verfassung nur Gebrauch gemacht werden, wenn ein parlamen⸗ tarisches Interesse in Frage kommt, aber kein denkender Mens wird behaupten, daß das in Frage kommt, wenn das Parlament fün Monate überhaupt nicht tagt. Wollten wir trotzdem nach dem An⸗ trage der Sozialdemokraten den Abg. Liebknecht einem schwebenden Verfahren entziehen, so würden wir ihn’ nicht in seiner parlamenta⸗ rischen Tätigkeit, sondern in seiner parlamentarischen Untätigkeit schützen. Der Zweck der Verfassungsbestimmung ist, daß das parla⸗ mentarische Interesse durch die weitere Fortsetzung eines Strafver⸗ fahrens nicht beeinträchtigt werden soll. Dementsprechend werden wir abstimmen. .
Abg. Hengsberger Eäeikoch): Ich befinde mich in Ueber⸗ einstimmung mit dem, was die Vorredner gesagt haben. Meine Fraktion halt konsequent an ihrer früheren Haltung fest; wir werden dem Antrage der Kommission zustimmen.
Abg. Haenisch (Soz.): Im Namen und Auftrag meines Freundes Liebknecht erkläre ich ausdrücklich, daß für die Einbringung unseres Antrages in keiner Weise das persönliche Interesse oder gar der Wunsch des Abg. Liebknecht selbst maßgebend gewesen ist. Der Abg. Liebknecht denkt gar nicht daran, den Schutz irgendeines Parla⸗ ments und vor allem nicht daran, den Schutz dieses Parlaments in Anspruch zu nehmen. Er hält es für unter seiner Würde, bei diesem Parlament (großer Sturm; lebhafte Pfuirufe rechts; Präsident Dr. Porsch ruft den Redner zur Ordnung.) um Schutz nachzu⸗ suchen. Das ist nur ein Verstoß gegen die Form des Hauses; was Sie zu tun im Begriff sind, ist ein viel schwererer Verstoß gegen den Inhalt des Parlaments. Wir haben den Antrag nur deshalb ge⸗ stellt, weil gerade in diesen Zeitläuften in Preußen⸗Deutschland das Parlament alles Interesse hat, auch kein Tipfelchen auf dem i von den Rechten, die es noch hat, preiszugeben. In diesem Sinne haben wir auch für den Abg. Hammer gestimmt, obwohl dieser ein Gegner unserer Partei ist. Ganz ohne Ansehen der Partei und der e handeln wir einfach im Interesse des Parlamentarismus. Es iegt geradezu ein Hohn darin, daß Sie in diesem Fall wie so oft die Sorge für die Interessen und für die Würde des Parlaments uns Sozialdemokraten überlassen. Von Rechts wegen müssen gerade die Nationalliberalen, die sich so oft als Vertreter des C bezeichnen, sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Das jetzige Verfahren hat seinen Ausgang genommen von einer schmutzigen De⸗ nunziation. Der Denunziant, ein Berufskollege des Dr. Lieb⸗ knecht, wird sich vielleicht bald klar werden über die Wirkung seines Schwabenstreiches. Während der Wiedergabe der Ausführungen meines Parteifreundes auf dem Parteitage in Magdeburg ist sehr häufig hört, hört! gerufen worden. Der Abg. Liebknecht hat damals Millionen von Deutschen und Preußen aus der Seele gesprochen. Alle beteiligten Instanzen waren sich damals darüber einig, daß ein Grund für ein strafrechtliches Einschreiten nicht vorhanden ist. Es wurde auch die Frage angeschnitten, ob wegen Majestätsbeleidigung zwischen uns und Rußland Gegenseitigkeit verbürgt ist. Daß dies nicht der Fall ist, wurde während eines Prozesses in Königsberg einwandfrei festgestellt. Man hat auch auf den Fall Brust hin⸗ gewiesen. Aber der sollte ja nur als Zeuge vernommen werden. Wir würden auch das Verlangen nach ö des Verfahrens stellen, selbst wenn der Abg. Liebknecht das Verfahren wollte. Es handelt sich für uns in erster Linie um das Ansehen des Parlaments. Ich weise auch darauf hin, daß der Reichstag seinerzeit in derselben An⸗ gelegenheit einstimmig, also mit Einschluß der Konservativen, die Einstellung des Verfahrens beschlossen hat. Die Kommissions⸗ arbeiten können durch den Weitergang des Verfahrens tatsächlich gestört werden. Wir hatten von Anfang an die Absicht, in die Kom⸗ mission einen Juristen, also den Abg. Dr. Liebknecht, zu entsenden. Es ist nicht anzunehmen, daß die Fhgelegenbelt während der Ver⸗ tagungszeit erledigt werden wird. Man darf nicht vergessen, daß ja auch die großen Ferichtsserien in diese Zeit fallen. (Die weiteren Ausführungen des Redners gehen zum großen Teil wegen der großen Unruhe des Hauses auf der Tribüne verloren. Als er guskührt,
lassen, die nur von persönlichem und politischem Haß diktiert ist, und die geradezu ein im höchsten Grade schmähliches und erbärmliches Verhalten des Hauses genannt werden könne, entsteht auf alle
Seiten ein ungeheurer Lärm. Der Redner wird vom Vizepräsidenten
Dr. Porsch zum zweiten Male zur Ordnung gerufen und gleich⸗ zeitig auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen des dritten Ordnungs⸗ rufes aufmerksam gemacht. Die Abgeordneten Hoffmann und
Braun werden vom Vizepräsidenten ebenfalls zur Ordnu ng ge⸗ rufen, weil sie dem Abg. von Pappenheim auf seinen Zwischenruf das Wort „Unanständigkeit“ zugerufen haben.) Das ganze Verhalten des Hauses muß das Feuer des Wahlrechtskampfes zu 1“ anfachen. Die Existenz dieses Hauses ist für das ganze olk ganz unerträglich geworden. Ein vielmillionenstimmiger Schrei wird sich in dem ganzen Lande erheben: Nieder mit diesem Schandparlament, wo derartige Vorgänge möglich sind, nieder mit der Dreiklassen⸗ schmach! Hoch das allgemeine Wahlrecht! (Vizepräsident Dr. Porsch ruft den Redner zum dritten Male zur Ordnung.)
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Sämtliche bürgerlichen Parteien die dem Antrage der Kommission zustimmen, müssen Verwahrung ein⸗ legen gegen die soeben gehörten Ausführungen. Ich muß auf das dringendste Widerspruch dagegen erheben, daß wir uns von gegen die Person des Abg. Dr. Liebknecht haben. leiten lassen. (Zurufe de Abg. Braun: Wer das glaubt! — Glocke des Präsidenten Vizepräsident Dr. Porsch: Herr Abg. Braun, ich rufe Sie wege dieses Ausdrucks zur Ordnung. Zuruf des Abg. Ad. offma un Das ist der zweite Ordnungsruf. Vizepräsident Dr. Porsch: Je verbitte mir derartige Bemerkungen. Abg. Ad. Hoffmann: Si rufen ja immerzu zur Ordnung! — Vizepräsident Dr. Porsch Sie haben nicht das Recht, den Abg. Friedberg. hier beleidigen. Wie mir soeben mitgeteilt wird, habe den Abg. Braun mit dem Abg. Paul Hoffmann 3 und ihn zur Ordnung gerufen. Ich nehme deshalb. der Ordnungsruf gegen den Abg. Braun zurück. Zuruf des Abg. Ad. Ho f. mann: Jedem das Seine!) Es ist gesagt worden, wir geben die Würde des Parlaments preis. Auch meine Partei ist natürlich sehr ern bereit, die Wahrung der Würde des Hauses auf sich zu nehmen HPes können wir aber nicht tun, wenn wir moralisch die Rechte ordnung verletzen. Wir geben keine Rechte des Hauses preis. Wie haben nur zu prüfen, ob wir im einzelnen Falle den Forderunge der Regierung zustimmen können oder sie ablehnen müssen. Wir mußten zu unserem Votum kommen, wenn wir pflichtgemäß überzeugt waren, daß bei einer Vertagung von fünf Monaten eine Kollision mit parlamentarischen Interessen nicht eintreten wird. Der Vor redner ist dann eingegangen auf den Inhalt, der gegen den Abg. Lieb⸗ knecht schwebenden Anklage. Er sprach von einer groben Denunziation Wir lehnen es ab, auf den Inhalt der Anklage einzugehen. Das ge bührt dem Richter, und wir haben keine Veranlassung, in dieser Be 1 ziehung dem Richter vorzugreifen. Der Abg. Haenisch hat heute in seiner Rede schwere Verdächtigungen und Angriffe gegen dieses Hau und damit gegen die Mitglieder dieses Hauses gerichtet. W. ch der Abg. Adolf Hoffmann hat neulich schon diesem Hause di schmählichsten Unterstellungen gemacht und uns Beweggründe unter schoben, die wir auf das entschiedenste zurückweisen müssen. Die So zialdemokraten beschweren sich so häufig darüber, daß sie in manche Beziehungen von uns nicht kollegial behandelt werden. Ich frage Sie, ob das kollegialisch ist, wenn Sie nicht davor zurückscheuen diejenigen, die anderer Meinung sind als Sie, auf das schwerste 5 verletzen und zu beleidigen. Aus diesen Gesichtspunkten heraus ist e uns unmöglich, und wir halten es unter diesen Verhältnissen für über flüssig, die Aussprache mit Ihnen über diese Angelegenheit fortzu etzen. 88 Vizepräsident Dr. Porsch: Von dem Abg. von Pappenheim ist Schluß der Besprechung beantragt. 8
Der Schluß der Debatte wird beschlossen.
ur Geschäftsordnung bemerkt der —
sn Hoffmann (Soz): Durch den Schluß der Be⸗ sprechung bin ich leider nicht in der Lage, dem Abg. Dr. Friedberg zu antworten. Was ich am Sonnabend gesagt habe, halte ich aufrecht. 1
Persönlich bemerkt der ,
Abg. Adolf Hoffmann: Ich habe am Sonnabend den Haus keine Motive untergeschoben, sondern nur darauf hingewiesen, daß Ihr Betragen darauf ausgeht, den Abg. Liebknecht gus der Anwalt schaft auszuschließen damit er im Falle Siemens⸗Schuckert nicht in der Lage ist, in die Akten hineinzusehen und ferner verhindert wird, der Ordensschacher aufzudecken. 2
Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Durch den Schluß de Debatte sind wir leider verhindert, unseren Standpunkt zur vorlie⸗ genden Frage zum Ausdruck zu bringen. Die Art und Weise, wie di Sozialdemokraten den Antrag Braun begründet haben, mißbilligen wi auf das schärfste. Anderseits aber sehen wir in dem Verhalten diese Herren keinen Grund dafür, von dem bisherigen Brauch dieses Hause abzuweichen. 1 “ 1.
Abg. Haenisch (Soz.): Meine allerdings kräftigen Ausfüh rungen waren nichts anderes als die Antwort auf Beleidigungen, die gestern gegen meinen Parteifreund Liebknecht in der Kommission ge richtet worden sind. Mein Freund Liebknecht ist persönlich beleidig worden, ich will diese Frechheit nur zurückweisen. ““
Abg. Itschert (Zentr.): Ich habe angefragt, ob ein Vertreten der fortschrittlichen Volkspartei zum Wort gemeldet werden soll. Da rauf wurde mir erwidert, daß vorderhand niemand von den Herren die Absicht habe zu sprechen. Der Abg. Waldstein hat sich erst zum Wort gemeldet, nachdem die erste Reihe der Redner gesprochen hatte
Abg. Waldstein ffortschr. Volksp.): Wir sind allerdings de Meinung gewesen, daß mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hause und darauf, daß wir unseren Standpunkt in dieser Angelegenheit an Sonnabend erst ausdrücklich klargelegt haben, es nicht mehr notwendeg sein würde, hier nochmals das Wort zu ergreifen. Aber nachdem die Sache sich so entwickelt hat und schwere Angriffe gegen uns gerichte worden sind, haben wir natürlich den dringenden Wunsch gehabt dem Hause darzulegen, wie wir zu der Sache stehen.
Abg. von Ditfurth (kons.): Der Abg. Haenisch hat be⸗ hauptet, der konservative Redner habe in der Kommission als Grund satz hingestellt, es sei ganz gleichgültig, ob es sich um ein Kapitalver brechen oder um eine politische Frage handle. Das habe ich nich gesagt, sondern ich habe ausgeführt, daß es für uns in der Geschäfts ordnungskommission in keiner Weise zulässig sei, sachlich ein Urtei über die Frage abzugeben, sondern daß wir uns lediglich damit zu be schäftigen hätten, ob ein Verfahren gegen den Abgeordneten zugelassen werden könne oder nicht. Ich habe erklärt, daß irgendwelche per sönliche Rücksichten überhaupt nicht mitsprechen können bei unsere Entscheidung, und wenn aber überhaupt persönliche Rücksichten in di — Erörterung getragen würden, die Persönlichkeit des Abg. S der berufsmäßig Schmähungen und Verleumdungen über unsere staat⸗ lichen Institutionen verbreitet, uns am allerwenigsten veranlassen könnte, von sachlichen Erwägungen abzugehen.
Abg. Ad. Hoffmann (Soz.): Wenn hier der Name des Abg von Ditfurth genannt worden ist, so geschah es wohl nur, um den „berufs⸗ und gewerbsmäßigen Verleumder“ gegenüber den skrupellosen Verleumder zu setzen. 1 “““ 8
Vizepräsident Dr. Porsch ruft den Abg. Ad. Hoffmann zur Ordnung.
Abg. Ad. Hoffmann: Der Abg. von Ditfurth hat aber für seine Aeußerungen keinen Ordnungsruf erhalten.
Vizepräsident Dr. Porsch: Der Abg. von Ditfurth hat sich auf seine Aeußerungen in der Kommission bezogen. Ich mußte ihn das vortragen lassen, was er dort wirklich gesagt hat, geradeso wie der Berichterstatter heute die beleidigenden Aeußerungen des Abg. Lieb⸗ knecht hier wiederholt hat.
Hierauf wird der Antrag der Geschäftsord⸗ nungskommission auf Ablehnung des Einstellungs⸗ antrages der Abg. Braun und Genossen mit allen Stimmen
daß das Haus im I ist, sich zu einer Handlung hinreißen zu
ie der fortschrittliche 8 i und der Sozialdemo⸗ gegen die der fortschrittlichen Volks varfei r nd der Sozi ldemo
kraten angenommen.
—.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung heute nachmittag 4 Uhr zur Entgegennahme der Königlichen Verordnung, betreffend die Vertagung beider Häuser des Landtages.
Vizepräsident Dr. Porsch erbittet und erhält für den Präsidenten die Ermächtigung, die erste Sitzung im Herbst auf den 10. oder 11. November anzuberaumen und die Tagesord⸗ nung hierfür festzusetzen. —
Zur Geschäftsordnung bemerkt der
Abg. von Ditfurth: Ich bitte auf die Tagesordnung der ersten Sitzung den Antrag, betreffend Abänderung der Geschärtsordaung, zu setzen. Die Dringlichkeit ergibt sich besonders aus den Vorgängen der letzten Tage. Daher bitte ich den Präsidenten, dies in Erwägung
zu ziehen. Abg. Ad. Hoffmann: Ich bitte, diesem Antrag nicht statt⸗
zugeben, sondern eine weit dringlichere Frage, den Wahlrechtsantrag auf die Tagesordnung zu setzen. Aus dem Betragen der Mehrheit des Hauses in der letzten Zeit ergibt sich die dringende Notwendigkeit, hier durch eine Reform des Wahlrechts mit eisernem Besen auszukehren. P „Vizepräsident Dr. Porsch: Ich werde beide Anregungen dem Präsidenten zur Kenntnis bringen.
Schluß 12343 Uhr.
95. Sitzung vom Dienstag, 16. Juni 1914, 4 Uhr Nachm. . Zur Verlesung einer Königlichen Verordnung nimmt das Wort der
Minister des Innern von Loebell:
Ich habe die Ehre, dem Herrn Präüsidenten beglaubigte Abschrift der Urkunde zu überreichen.
Meine Herren! Nachdem beide Häuser des Landtages sich mit einer mehr als dreißigtägigen Vertagung einverstanden erklärt haben, habe ich die Ehre, eine Königliche Verordnung mitzuteilen. Die Verordnung lautet:
(Das Haus erhebt sich.)
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., verordnen auf Grund des Art. 52 der Verfassungsurkunde mit der darin angeordneten Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:
§ 1.
Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie, das Herren⸗ haus und das Haus der Abgeordneten, werden vom 16. Juni bis zum 10. November 1914 mit der Maßgabe vertagt, daß die zur Vorberatung des Entwurfs eines Grundteilungsgesetzes, des Ge⸗ setzes über Familienfideikommisse und Familienstiftungen, des Fischereigesetzes, des Wohnungsgesetzes und des Gesetzes zur Ab⸗ änderung des Kommunalabgabengesetzes und des Kreis⸗ und Pro⸗ vinzialabgabengesetzes gewählten Kommissionen des Hauses der Ab⸗ geordneten ermächtigt werden, während der Zeit der Vertagung ihre Arbeiten fortzusetzen. 16“
Das Staatsministerium ist mit der Ausführung dieser Ver⸗ ordnung beauftragt. rkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. u“
Gegeben Neues Palais, den 15. Juni 1914.
8 ““ gez. Wilhelm R. 8 “ gegengez. vom Staatsministerium.
Ich habe di errn Präsidenten beglaubigte Abschrift dieser Allerhöchsten, Verordnung zu überreichen.
Vizepräsident Dr. Porsch: Danach müssen wir unsere Arbeiten abbrechen. Ueber die nächste Sitzung und die Tagesordnung haben wir bereits heute morgen Beschluß gefaßt. Ich wünsche allen Abgeord⸗ neten, die jetzt schon in die Ferien gehen können, und denjenigen, die an den Kommissionsberatungen teilnehmen, nach Beendigung dieser Ar⸗ beiten, daß sie sich alle recht erholen, damit wir im November alle unseren Präsidenten an der Spitze, frisch uns hier wiedersehen.
Schluß 4 Uhr 20 Minuten.
Literatur.
Zur Eröffnung des Großschiffahrtweges Berlin— Stettin ist im Verlage der Eberswalder Verlagsbuchdruckerei W. Jancke in Eberswalde eine Festzeitung erschienen, die in Wort und Bild die Entstehungs⸗ und Entwicklungsgeschichte der neuen Wasser⸗ straße behandelt. Der Verfasser, der brandenburgische Heimatforscher Rudolf Schmidt, gibt von den großartigen Anlagen der neuen Wasser⸗ straße ein anschauliches Bild. Etwa 50 Bllder in klarem Tondruck auf Kunstdruckpapier unterstützen die Ausführungen. Die in Großquart⸗ format erschienene Schrift ist bei Voreinsendung des Betrages zu dem Preise von 75 ₰ vom obengenannten Verlage zu beziehen.
Von dem reich illustrierten Lieferungswerk „Die Wunder der Welt“, das das Verlagshaus Bong und Co. in Berlin unter Mit⸗ wirkung zahlreicher namhafter Fachmänner des In⸗ und Auslandes herausgibt, liegen neuerdings die Lieferungen 50 — 55 vor (Preis jeder Lieferung 60 ₰). Sie enthalten u. a. Aufsätze von Professor Dr. R. Hesse über den Papier⸗Nautilus, von Professor Pycraft über den entenschnabligen Drachen Trachodon, von Dr. L. Müller über die Gesteinshülle der Erde, von Dr. A. Heilborn über den Orang⸗Utan und seine Rassen, von Dr. Marshall über verborgene Wunder des Schmetterlingskörpers, von Dr. C. Thesing über Einsiedler und ihre Tischgenossen, von Professor Dr. Escherich über Ameisen und Pflanzen, von Dr. Hesse über Wasserwanzen, von Sir Harry Johnston über Fasanvögel, von Professor Dr. Simroth über Liliensterne und See⸗ spinnen, von Professor Lydekker über eine eierfressende Schlange, von Professor Dr. Schwahn über unterirdische Flußläufe, von Professor Dr. Giesenhagen über die Lianen, von Professor Dr. Hesse über Fische der Tiefsee und von Professor Dr. Pohlig über den Urahn unserer Vögel.
Statistik und Volkswirtschaft
1““ 8 “ Die deutsche überseeische Aus wanderung im Mai 1914 und in dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs.
Monat Mai
1913 CL 15 1131ö1561“ Hamburg. 1114 deutsche Häfen zusammen . 2116 fremde Häfen (soweit ermittelt) 349 691
“ überhaupt 2465 2913.
Aus deutschen Häfen wurden im Monat Mat 1914 neben den 2116 deutschen Auswanderern noch 33 821 Angehörige fremder F davon gingen über Bremen 18 167, über Ham⸗
g 15 654.
2222
Ein⸗ und Ausfuhr von Zucker vom I. bis 10. Juni 1914 und im Betriebsjahr 1913/14, beginnend mit 1. September.
Einfuhr Ausfuhr
im Spezialhandel im Spezialhandel
1. Sept. 1. Sept. 1. bis 1. Sept. 1913 1912 3 bis bis 10. Juni 10. Juni
10. Juni 1914 1913 1914
1. bis 10. Juni 1914
dz rein dz rein
Verbrauchszucker, raffinierter und dem raffinie gleichgestellter Zucker (176a —i) 88 1114141412*“* 3 davon Veredelungsverkehr .... Rübenzucker: Feszlpgfte (granulierter), (auch Sandzucker) davon Veredelungsverkehry. Platten⸗, Stangen⸗ und Würfelzucker (176 c) .. eeeeöbee—] Stücken⸗ und Krümelzucker (176 e) gemahlene Raffinade (176 f).. Brotzucker (176 g) . 8 Fartgt (17G h .. 8 Kandis (176 9 ... andever Hucke Rohrzucker, roher, fester und flüssiger (176 B““ “ vensr ele te uga Feelscger 1 80) W “ rer fester und flüssiger Zucker (flüssige Raffinade einschli des Invertzuckersirups usw.) (176 m) 8 3 18 88 Füllmaff 8 8 vevagzereh ngeberfehr 1“ en un uckerabläufe (Sirup, Melasse), Mela ⸗ futter; Rübensaft, Ahornsaft (176 8 I1 se. 2 8 6 68 davon Veredelungsverkehr . ... Zuckerhaltige Waren unter steueramtlicher Aufsicht: Gesamtgewicht 121 Menge des darin enthaltenen Zuckers . . . . . . .. u“
*) Für 21. — 31. Mat 7 114 dz nachträglich angemeldet. Berlin, den 17. Juni 1914.
4 207 524 6
17 121 191 537 14 541 —
2 600 —
721 143 429 51 —
60 20 106 848 8 950 9 252 3 983
4 312 056 3 2 636 244
566 973 364 003 274 411 148 420 172 543
18 414
3 132 993
485 981 236 200 133 026 131 674
4 099 144 663
1 007 19 564 711 27 952 26 510 179 644 4 237 8 4 545 e. 179 544 4 191 647 4 480 892 2 644 53
*) 42 855
b 94 822 36 715
Katserliches Statistisches Amt. Del brück. 8
Zur Arbeiterbewegung.
Aus London wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß die Schiffs⸗ maschinisten der Trampdampfer gestern in 82 d.,Sichi gs⸗ treten sind. Sie verlangen eine Lohnerhöhung von dreißig bis vierzig Söchen ng 8 Vermalich werden heute 2000 Mann im
usstande sein. er Streik dürfte die Kohlenprodukti “ 85 legen. b ““ egenüber der Neigung der Eisenbahner in Bologna, ent⸗ gegen dem Beschluß des Syndlkats, im Ausstand zu UeeJaees Her⸗ kündigte, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, das Syndikat erneut die Aufnahme der Arbeit; zugleich erklärte es aber, daß es sofort den all⸗ “ in 11.““ werde, falls die Re⸗ rrung gegen die Streikenden diszi i 1 Weene degsg prssr 1 ziplinarisch einschreiten sollte Infolge von Lohnstreitigkeiten ist, wie dem „W. T. B.“ aus Belgrad gemeldet wird, das gesamte Personal der Serbischen Dampfschiffsgesellschaft in den Ausstand getreten. Die Direktion der Gesellschaft hat Aushilfspersonal angestellt, um die Schiffahrt auf der Donau aufrechtzuerhalten. Land⸗ und Forstwirtschaft.
Feldfrüchte, Kleeschläge, Wiesen und Weide in Oesterreich Anfang Juni 1914. 8 (Zusammengestellt im K. K. Ackerbauministerium.) Tabellarische Uebersicht.
Stand d
Klassifikation des Standes der Feldfrüchte, Kleeschläge, Wiesen und Weiden ¹) Länder, beziehungsweise
Landesteile
Futterrüben
Kraut Klee
Gerste Kartoffeln Zuckerrüben Wiesen Weiden
Weizen Roggen
Hafer Mais
Niederösterreich Oberösterreich. Salzburg Steiermark.. Färztei .. ... Krain 8 Nordtirol und Vorarlberg.. Südtirol.... Küstenland.. Dalmatien .. Böhmen .. Mähren... Schlesien Westgalizien ... Ostgalizien .... Bukowina ....
Gesamtdurchschn. do. Juni 1913 do. Juni 1912 do. Junt 1911 do. Juni 1910 1
Anmerkung. ¹) Klassifikationsnote 1 = sehr gut, 2 = über⸗ mittel, 3 = mittel, 4 = untermittel, 5 = sehr schlecht. Die Noten für die einzelnen Länder beziehungsweise Landesteile sowie für den Gesamtdurchschnitt sind aus den Klassifikationsziffern für die einzelnen Berichtsgebiete, und zwar unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Ernteerträge, berechnet.
Ein Strich bedeutet, daß die betreffende Frucht gar nicht oder nur in sehr beschränktem Ausmaße gebaut wird, ein Punkt, daß die Berichte nicht in genügender Anzahl einlangten.
Witterungsverlauf in der Zeit vom 1. bis 31. Mai.
Zu Beginn des Monats Mai sind P Nachtfröste mit Reif⸗ fall eingetreten, deren Intensität in den Niederungen stärker war als auf den Höhen. Die erste Monatshälfte blieh sodann frostfrei, jedoch kalt und vorwiegend trüb. In diesem Zeitabschnitte sind erhebliche Niederschläge nördlich der Alpen zu verzeichnen gewesen, während südlich derselben die Witterung etwas günstiger war.
Nach dem 19. erfolgte eine bedeutende Temperaturerhöhung; das Wetter begann sich aufzuheitern, erfuhr jedoch gegen Ende des Monats neuerlich eine Trüͤbung. In den Alpenländern sowie in Ostgaltzien und in der Bukowina fielen große Regenmengen, welche stellenweise⸗ Hochwasser zur Folge hatten. v
Allgemeine Bemerkungen. Weizen wurde durch die ungünstige Witterung in der Ent⸗
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wicklung vielfach gehemmt und behgt einen sehr ungleichmäßigen Stand. Im ganzen Gebiete nördlich der Alpen — insbesondere in den Niede⸗
rungen — wurden die Saaten zunächst durch Nachtfröste und sodann durch Rost beschädigt, sodaß speziell in Mähren die Aehrenbildung stellenweise behindert ist. Die im allgemeinen gut entwickelten Halme tragen schöne Aehren, die in den Südländern in voller Blüte stehen.
Roggen hat sich vortrefflich erbolt, ist überall gut gediehen und rasch in Aehren geschoßt. Die Bestockung ist teilweise etwas schwach, dagegen sind die Aehren um so besser. Frühgeschoßtes Korn wurde durch Nachtfröste an den Spitzen versengt. Heftige Regengüsse sowie vereinzelte Hagelschläge brachten hier und da sehr üppige Saaten zum Lagern. Im böhmischen Tieflande zeigte sich ortsweise der Getreide⸗ blasenfuß. Der Roggen steht im großen und ganzen in voller Blüte und hat im Küstengebiete bereits abgeblüht.
Gerste und Hafer — besonders letzterer — haben sich trotz der ungünstigen Witterung recht zufriedenstellend entwickelt; vornehmlich Frühsaaten sind gut bestockt und üppig. Allerdings ist die Gerste, noch mehr aber der Hafer, vielfach durch Hederich und Disteln ver⸗ unkrautet. Im gebirgigen Telle von Galizien hat sich der Anbau sehr in die Länge gezogen. In diesem Gebiete sowie in Mähren, wo speziell die Gerste durch Fröste beschädigt wurde, ist der Stand der Sommerungen immerhin ein schwächlicher; die Aehrenbildung läßt zu wünschen übrig.
Mais, dessen Anbau noch nicht vollständig beendet werden konnte, keimt ziemlich gut. Nachtfröste machten da und dort Nach⸗ pflanzungen notwendig. Ein großer Teil wurde schon behackt; früh⸗ gebaute Saaten, die namentlich in den Südländern gute Fortschritte machen, werden bereits behäufelt.
Lein wird zum großen Teil erst angebaut. Die Keimung nimmt einen sehr günstigen Verlauf. Etliche Frühsaaten wurden vom Re⸗ leicht gesengt.
Das Legen der Kartoffeln ging in den Gebirgslagen infolg der Ungunst des Wetters ungemein langsam vonstatten. 8. Saaten zeigen stellenweise Lücken. In Niederungen sind ei Frühsorten zum Teil Frostschäden zu verzeichnen. Die jungen Pflanzen entwickelten gesundes Kraut. Die Hacke ist im vollen Gange, manchenorts wird sogar schon die Behäuflung vorgenommen.
Zuckerrüben sind in tiefen Lagen vom Frost so beschädig worden, daß mitunter Neubestellungen nötig wurden. Die Keimung vollzog sich meist in zufriedenstellender Weise, doch sind die Saaten — besonders in den Sudetenländern — stark zurückgeblieben und haben ein kränkliches Aussehen. Auch über das Auftreten tierischer Schädlinge, vor allem der Drahtwürmer, liegen Klagen vor. Das Vereinzeln ist zum größeren Teile durchgeführt; viele Felder werden bereits zum zweiten Male behackt und von dem massenhaft vorhandenen Unkraut gesäubert. b 8
Futterrüben keimten meist schlechter als Zuckerrüben und sin auch in der Entwicklung weiter zurück. Nach den letzten Regen habe sie sich allerdings erholt. Die erste Hacke ist vollständig beendet, da Auspflanzen der Stecklinge nimmt im Gebirge seinen Fortgang.
Kraut. Das Aussetzen der jungen Pflanzen ist im besten Zuge.
Infolge der vorhergegangenen Fröste herrscht mitunter großer Mangel an Setzlingen. Das ausgesetzte Kraut wächst gut und ist ziemlich frei von Schädlingen.
Klee (Rotklee und Luzerne). Rotklee wurde durch die intensive Maifröste in der Vegetation empfindlich behindert und ist demzufolge zumal in den Sudetenländern sowie in Westgaltzien, äußerst ungleich⸗ mäßig, vielfach schütter und schlecht bestockt. In Oslgalizien wird immer noch über Mäuse geklagt. Der Schnitt hat vereinzelt be gonnen, verspricht aber nur bei Luzerne schöne Erträge. In den Süd⸗
ländern konnte bereits der größte Teil gut eingebracht werden. 1 Wiesen haben sich gebessert und weisen in den Alpenländern
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hohen, dichtbestockten Graswuchs auf, der namentlich in den sonnen⸗ seitigen Lagen sehr gut entwickelt ist. In den Sudeten⸗ und Kar pathenländern ist das Wachstum noch weit zurück. Die Heumahd hat in den tieferen Lagen fast allgemein schon begonnen; in den Süd ländern wurde sie zwar teilweise verregnet, ist aber nunmehr fast ab Hhchcssen. Infolge der letzten
Niederungswiesen durch steberf
Weiden
chwemmungen Schaden genommen.
Die auf⸗
heftigen Regengüsse haben viele haben sich in den Alpenländern ebenfalls zumeist gut
entwickelt, obwohl der Unterwuchs etwas schütter blieb. In den
Alpen wurde der Viehauftrieb durch Neuschneefalle öfters aufgehalten. In den Sudeten⸗ und Karpathenländern . x Sge⸗ gleichmäßiges, mitunter sehr schwaches Wachstum; im gebirgigen Teile
zeigen die Weiden ein un⸗
der Bukowina sind sie von den massenhaft auftretenden Raupen der
Graseule bedroht. Hopfen wächst vorwiegend gut, ist aber zum Teil ungleichmäßig
und in der Entwicklung etwas zurück. Frühgeschnittene Pflanzen sind
und 2 bis 3 m hoch.
ziemlich weit vorgeschritten, meist sehr kräftig i („Wiener Zeitung“.)
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“ Verrdingungen. Her Zuschlag auf liche SPee zu Wilhelmshaven am 30. Mai d. J. ver⸗ dungene Ausführung der Erd⸗, Ramm⸗, Maurer⸗, Zimmerer⸗ und
Eisenarbeiten zum Neubau einer Druckerei für das Hafenbauressort
ist der Firma Paul Legde in Seesen a. Harz erteilt worden.
die vom Verwaltungsressort der Kaiser⸗
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