1914 / 248 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Oct 1914 18:00:01 GMT) scan diff

hatte einen kleinen Waffenvorrat im Kriegsministerium. 8* ihren Mitgliedern gehörten Staatsbeamte und Offiziere. Nach sieben⸗ monatiger Verwendung erhielt der Zeuge die Mitgliedskarte der Narodna Odbrana ausgehändigt, die in einer Visitenkarte des Bozo Milanoviec bestand, worauf die Worte „Narodna Odbrana“ sowie ein Siegel und über zwei Händen ein Totenkopf sich befanden In Serbien hörte er überall immer nur Worte des Hasses gegen Oester⸗ reich⸗Ungarn. Er erklärte weiter, daß alle Vorbereitungen zum Kriege gegen Oesterreich⸗Ungarn getroffen worden seien. Zu der Zeugin Talanga äußerte sich Cabrinovie am Tage vor dem Mordanschlag: Franz Ferdinand wird nicht regieren; im nächsten Jahr wird in Bosnien König Peter der Re⸗ gierende werden. Zur Zeit der Einverleibungskrise war die Tätigkeit der Narodna Odbrana, deren Werkzeuge Komilatschis waren, gegen Oesterreich⸗Ungarn gerichtet, gegen welches ein Krieg auf Leben und Tod gepredigt wurde. Die Narodna Odbrana wurde von der serbischen Regierung mit Geld unterstützt und mit Waffen verseben. Cabrinovic bestätigte diese Aussagen. Aus den gelegentlich des Krieges in Losnica und Kleinzwornit vorgefundenen Akten über die in Bosnien betriebene Spionage wurde festgestellt, daß Serbien in der Losnicaer Kundschaftsstelle allein über hundert Spione in Bosnien verzeichnet hatte. Aus den Akten ging klar hervor, daß die bosnischen Sokol⸗ und Antialkoholvereine nur ein Deckmantel für die Tätigkeit der Narodna Odbrana zur Vorbereitung des Krieges und von Aufständen in Bosnien waren. In einem mit dem Landeschef Potiorek aufgenommenen Protokoll schildert dieser aus⸗ führlich die bekannten e bei dem Anschlag. Ein anderer Zeuge, der als serbischer Soldat in Valjewo diente, sagt dahin aus, daß die Bildung von Komitatschibanden im Jahre 1906 begonnen worden ist. Sie wurden von der serbischen Regierung bewaffnet. Ihre Tätigkeit bestand darin, in den türkischen Provinzen Aufstands⸗ bewegungen hervorzurufen.

Rußland.

Der Kaiser Nikolaus hat, wie „W. T. B.“ meldet, Befehl gegeben, daß den deutschen und österreichischen Staatsangehörigen die ihnen ehrenhalber verliehenen Titel Kommerzi nr nd Industrialrat entzogen werden.

Italien. 8

Die Leitung der Partei der geeinigten Sozialisten, die in Bologna zusammengetreten ist, erörterte gestern die gegenwärtige internationale Lage. Der Direktor des „Avanti“, Mussolini, brachte eine Tagesordnung ein, in der er laut Meldung des „W. T. B.“ erklärte:

Die von der Partei bisher verkündete Formel absoluter Neutralität sei zu verbindlich und dogmatisch gegenüber der inter⸗ nalen Lage, die immer verwickelter und reicher an unvorhergesehenen Ereignissen werde. Die Partei müsse es sich daher vorbehalten, bei einem etwaigen Kriege die zukünftige Handlungsweise der Partei auf der Grundlage der Ereignisse festzusetzen.

Diese Tagesordnung Mussolinis wurde von keinem Mit⸗ gliede der Parteileitung angenommen, die ihre früheren Be⸗ schlüsse bestätigte und in einem Erlaß an die Arbeiter ihre Abneigung gegen einen Krieg und den entschiedenen Willen, in der erklärten Neutralität fest zu bleiben, von neuem betonte. Infolge der Ablehnung seines Antrages ist Mussolini von de Leitung des „Avanti“ zurückgetreten. 3

Portugal.

Dem Blatte „Paiz“ zufolge werden die Kammern morgen zusammentreten. Für morgen oder übermorgen wird eine Kabinettskrisis erwartet. Freire Andrade soll sodann ein Kabinett bilden, in dem alle politischen Parteien

vertreten sein werden. Niederlande.

Die Regierung hat der „Frankfurter Zeitung“ zufolge ein Verbot erlassen, jungen Belgiern, vor allem Sol⸗ daten in Zivil, die Reise nach Holland zu er⸗ leichtern, und angeordnet, daß deren Reise nach Möglichkeit verhindert werden solle. Belgien. ““ 8 .“ Für den verstorbenen König Carol von Rumänien fand gestern vormittag in Brüssel ein Gedächtnisgottes⸗ dienst statt, dem, wie „W. T. B.“ meldet, außer der rumä⸗ nischen Kolonie unter der Führung des Geschäftsträgers das diplomatische Korps und als Vertreter des deutschen Gouverne⸗ ments der Militärgouverneur General Freiherr v. Lüttwitz mit vielen deutschen Offizieren beiwohnten. Die Zivilverwaltung war durch den Legationsrat Freiherrn von Frays vertreten.

Schweden.

Es wird bekanntgegeben, daß die Leuchtfeuer, Feuer⸗ schiffe und Leuchtbojen an der westlichen und südlichen Küste Schwedens vorläufig auszulöschen sind, ausgenommen die Helsingborger und Malmöer Leuchtfeuer, die Leuchtbojen bei der Einfahrt nach Malmö, das Trelleborger Feuerschiff und die Leuchtfeuer und Leuchtbojen bei der Einfahrt nach Trelleborg.

Norwegen.

Die Aeußerungen des deutschen Gesandten in Ffeistloni Grafen von Oberndorff, die kürzlich im „Morgenblad“ ver⸗ öffentlicht wurden und sich gegen Erklärungen des Ministerial⸗ direktors Delavaud⸗Paris richteten, sind bei der telegraphischen Uebermittlung verstümmelt worden. Graf von Oberndorff hatte, wie „W. T. B.“ meldet, gesagt, er könne Herrn Delavaud seine Siegesgewißheit nicht übelnehmen, er sei von dem gleichen Gefühl beseelt, auch wenn seine Hoffnungen sich nicht auf die unerschöpflichen Menschenvorräte der Fremdenlegion und der afrikanischen Neger stützten.

Griechenland. .

In der Deputiertenkammer wollte die Opposition vor⸗ gestern abend die Regierung über die Flüchtlingsfrage und die Frage der Aegäischen Inseln interpellieren, sie mußte aber darauf verzichten, da der Ministerpräsident Venizelos er⸗ klärte, daß er angesichts der gegenwärtigen Lage sich weigere, in eine Erörterung über diese Punkte einzutreten.

Rumänien. 1b .

Nach dem Tode des Königs Karol hat die Regierung,

wie es der Brauch ist, dem neuen König ihren Rücktritt an⸗ eboten. Der „Reichspost“ zufolge hat der König Ferdinand Seee das Kabinett ersucht, bis auf weiteres die Geschäfte fortzuführen. Der Gerichtshof von Ilfov hat den Haftbefehl gegen Hassan Tahsin, der den Anschlag auf die Brüder Buxton

verübt hat, bestätigt ESEerbien. 8 1 Der bulgarische Gesandte in Nisch, der sich in den letzten Tagen wiederholt mit dem Vertreter des Ministeriums des

der Bulgaren in den neuen Gebietsteilen Serbiens unterhielt, hat, der „Agence Bulgare“ 2— die Einsetzung eines gemischten serbisch⸗bulgarischen Untersuchungs⸗ ausschusses für den F.. Strumitza vorgeschlagen, um festzu⸗ stellen, wieweit die Klagen der neuen berechtigt sind. Die serbische Regierung verhält sich gegenüber dieser Forderung ablehnend. Afrika.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Kapstadt hat es allgemeine Entrüstung erregt, daß der General Hertzog es abgelehnt hat, den Obersten Maritz zu verurteilen und sich selbst endgültig auf Seite der Regierung zu stellen. Der Schriftwechsel zwischen Botha und Hertzog lasse die altung Hertzogs in noch ungünstigerem Lichte erscheinen. Bot a habe geschrieben, daß Unterhandlungen mit dem Rebellenführer unmöglich seien, und daß es den erwünschten Ausgang wesentlich fördern würde, wenn Maritz durch Hertzog und die anderen in dem Ultimatum von Maritz genannten Personen sofort öffentlich abgeschüttelt würdide.

Kriegsnachrichter 7.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 21. Oktober, Vormittags. (W. T. B.) Am Yserkanal stehen unsere Truppen noch in heftigem Kampfe; der Feind unterstützte seine Artillerie vom Meere nordwestlich Nieuport aus. Ein englisches Torpedoboot wurde dabei von unserer Artillerie kampf⸗ unfähig gemacht.

Die Kämpfe westlich Lille dauern an, unsere Truppen gingen auch dort zur Offensive über und warfen den Feind an mehreren Stellen zurück. Es wurden etwa 2000. Engländer zu Gefangenen gemacht und mehrere Maschinengewehre erbeutet.

Amsterdam, 20. Oktober. (W. T. B.) „Nieuws van den Dag“ meldet aus Sas van Gent vom 19. Oktober: In Blankenberge befanden sich 3000 belgische Soldaten und 2000 Mann Bürgerwehr. Als die Deutschen ein⸗ trafen, wurden jene überrascht, bevor sie flüchten konnten.

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Oestlicher Kriegsschauplatz. Großes Hauptquartier, 21. Oktober, Vormittags. W. T. B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplatz ist keine ntscheidung gefallen.

Wien, 20. Oktober. (W. T. B.) Amtlich wird ver⸗ lautbart: Die Schlacht in Mittelgalizien hat namentlich nördlich des Strwiazflusses noch an Heftigkeit zuge⸗ nommen. Unser Angriff gewinnt stetig Raum nach Osten. Um einzelne besonders wichtige Höhen wurde von beiden Seiten mit äußerster Erbitterung gekämpft. Alle Versuche des Füeen. uns die Magiera wieder zu entreißen, scheiterten, dagegen eroberten unsere Truppen die viel umstrittene Baumhöhe nordöstlich Tyszkowice. Südlich der Magiera wurde der Gegner aus mehreren Ort⸗ schaften geworfen. In diesen Kämpfen wurden wieder viele Nüssfen darunter ein General, gefangen genommen und auch Maschinengewehre erbeutet. Die Gefangenen berichten von der furchtbaren Wirkung unseres Artilleriefeuers. Südlich des. Strwiaz, wo unsere Front über Stary —Sambor verläuft, steht die Schlacht. Stryj Koeroesmezoe und Sereth wurden von unseren Truppen nach Verteidigung durch den Feind in Besitz genommen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Generalmajor.

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Südlicher Kriegsschauplatz.

Wien, 20. Oktober. (W. T. B.) Amtlich wird ver⸗ lautbart vom 19. d. M.: Die serbische Presse verbreitet in den letzten Tagen eine Reihe von Siegesnachrichten, die vielleicht im Bereich ihrer Wünsche gelegen sind, die aber mit den tatsächlichen Verhältnissen in völligem Widerspruch stehen und auf Nachstehendes reduziert werden müssen:

1) Der angebliche Sieg bei Wurjacica war eine durch das Hochwasser der Drina bedingte, nicht aber durch einen serbischen An⸗ riff erzwungene Räumung eines überschwemmten kleinen Brücken⸗ kopfes, dem an und für sich keine sonderliche Bedeutung zukam. Die Räumung vollzog sich in größter Ordnung, ja sogar ohne Störung durch den Gegner, und daher sind die Angaben über zahlreiche Ge⸗ fangene usw. vollkommen unzutreffend. 1

2.) Am Gucevo⸗Rücken spielen sich infolge der großen Nähe der dort befindlichen Kampflinien fast täglich Kämpfe ab, in denen bald die Serben, bald die eigenen Truppen die nigenden sind. Eine sonderliche Bedeutung kommt diesen Kämpfen nicht zu. Daher sind auch die serbischen Nachrichten von gxoßen Erfolgen am Gucevo⸗ Rücken Entstellungen der Tatsachen. Dagegen verschweigt aber der Gegner, daß am selben Tage, an welchem der „glänzende Sieg“ am Gucevo⸗Rücken errungen wurde, weiter südlich ein viel ernsterer, durch Artillerie unterstütz ter serbischer Angriff blutig abgewiesen wurde.

3) Auf der Romanje Planina setzt die von den Serben an⸗ geblich schlsgen⸗ Division die Säuberungsaktion fort. Teile veser haben am 12. und 13. Oktober in tapferen Kämpfen 3 bis 4 serbische Bataillone zersprengt und zahlreiche in den Wäldern herum⸗ irrende Soldaten und Offiziere gefangen genommen. Dadurch ist die serbische Kriegsberichterstattung zur Genüge charakteristert und bedarf keines weiteren Kommentars. Potiorek, Feldzeugmeister.

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London, 20. Oktober. (W. T. B.) Der Kreuzer „Undaunted“ und die vier Zerstörer, die am 18. d. M. in Harwich ankamen, berichten über den Kampf in der

ordsee folgendes: Wir verließen Harwich am Sonnabend zu einem Patrouillendienst. Es gelang, die deutschen 8cn. zum Kampf zu zwingen, die tapfer gegen die Uebermacht fegeeer Die großen Geschütze der „Undaunted“ eröffneten das Feuer auf fünf Meilen. Der Kreuzer, der durch die Begleit⸗ schiffe gegen Torpedoangriffe geschützt wurde, richtete das Feuer gegen zwei feindliche Boote, während die britischen Zerstörer ie anderen beschäftigten. Die deutschen Torpedoboote sanken nacheinander, bis zuletzt tapfer kämpfend. Das Gefecht dauerte anderthalb Stunden.

Rotterdam, 20. Oktober. (W. T. B.) Wie der „Rotterdamsche Courant“ meldet, behauptet der Kapitän des

gefechts war, deutlich gesehen zu haben, daß auch ein englischer Zerstörer durch einen Torpedo getroffen wurde und daß eine Dampfwolke aus dem Innern aufstieg, woraus der Kapitän auf eine Kesselexplosion schließen will.

Kristiania, 21. Oktober. (W. T. B.) Aus Stavanger

wird gemeldet: Der englische Dampfer „Glitre“ der Sal⸗ vesen⸗Leithlinie ist zwölf Seemeilen vor der norwegischen Küste deutschen Unterseeboot in den Grund gebohrt worden.

Die Mannschaft wurde gerettet.

Wien, 20. Oktober. (W. T. B.) Nach einer amtlichen

wurde über die Ereignisse in der Adria dem Armeeober

fand seewärts von der Spitze von Ostro ein S zwischen einzelnen Torpedo⸗ und Unterseebooten nebst einem Luftfahrzeuge und dem französischen Kreuzer „Waldeck Rousseau“ statt. Trotzdem der Kreuzer unsere Einheiten heftig beschoß, rückten sie unversehrt ein. Das Leucht⸗

Am Morgen des 17. d. M.

kommando berichtet: armützel

feuer von der Spitze von Ostro wurde von dem französischen Kreuzer ebenfalls beschossen, doch nur an der Galerie unbedeutend beschädigt. Das weiter seewärts beobachtete französische Gros verließ nach Sichtung der Unterseeboote schleunig unsere Gewässer. Die eigenen Torpedofahrzeuge unternahmen in den frühen Morgenstunden des 18. einen Raid auf den Hafen von Antivari und zerstörten aus

nächster Nähe einige Magazine und beladene Waggons durch

Geschützfeuer. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Generalmajor.

Das Mitglied des Herrenhauses Staatsministe D. Dr. Graf von Zedlitz und Trützschler, ehemals Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegen⸗ heiten, ist, wie „W. T. B.“ meldet, in der vergangenen Nacht in Charlottenburg gestorben.

Wohlfahrtspflege.

Unter dem Protektorat Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Joachim von Preußen hat sich in Berlin ein Ausschuß gebildet, der folgenden Aufruf zur Unterstützung der durch den Krieg geschädigten Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens erläßt: „Nicht Ostpreußen allein, sondern auch Elsaß⸗Lothringen, die westliche Grenzmark des Reiches, ist durch den Krieg schwer heimgesucht worden. Weite Teile Lothringens sind durch die Schlacht zwischen Metz und den Vogesen verwüstet worden. Im Elsaß wurde durch die Kämpfe bei Mül⸗ hausen und im Sundgau Vieles vernichtet. Ganz besonders haben hier auch die Vogesentäler schwer gelitten und leiden zum Teil noch heute unter den kriegerischen Ereignissen. Abgesehen von dem entstandenen Sach⸗ schaden, sind in den betroffenen Landesteilen, infolge der großen Truppenansammlungen und durchzüge bei Beginn des Krieges, die vorhandenen Lebens⸗ und Futtermittel aufgezehrt und viele Hundert der Bewohner, Männer, Frauen und Kinder, vom Feinde nach Frankreich verschleppt worden. Der wirtschaftliche Wieder⸗ aufbau noch vor Eintritt des Winters ist dringlich. ch Einrichten von Wohnstätten, Versorgung mit Lebens⸗ und Futtermitteln, Saatgut und Vieh, sowie durch Schaffen von Arbeitsgelegenheit muß so bald als möglich der dringendsten Not ge⸗ steuert werden. Der deutsche Gemeinsinn, der sich für Ostpreußen in so hochherziger Weise bewährt hat, wird auch die schwer heimgesuchten Volkegenossen im Westen des Reichs nicht vergessen wollen. Dabei kann das schmachvolle Verhalten einzelner Pflichtvergessener, das be⸗ den eigenen Stammesgenossen die gebührende Verurteilung und Ver⸗ achtung findet, der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung nicht zur Last ge legt werden, denn die überwältigende Mehrbeit derselben hat sich nach dem öffentlichen Zeugnis der kommandierenden Generale einwandfrei verhalten Sind doch 8 von Elsaß⸗Lothringern freiwillig unter die deutscher Fahnen geeilt, und zahlreiche Söhne des Landes haben, wie ein Blick in die Verlustlisten zeigt, die Treue zum deutschen Vaterlande mit ihrem Blute besiegelt. Gaben werden von sämtlichen Ftilialen und Depositenkassen der Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) entgegengenommen. Die Verwendung der eingehenden Summen wird unter der Aufsicht des Kaiserlichen Ministeriums für Elsaß Lothringen erfolgen.“

Zur Kriegswohlfahrtspflege in größeren deutschen Städten.

Der zweite Kriegsmonat, der September, hat erst Gelegenhei geboten, die Fülle der Opferwilligkeit in der Fürsorge für die durch die Kriegslage Benachteiligten einigermaßen zu übersehen. In der Organisation der Hilfeleistung hat der Geist der Ordnung und Planmäßigkeit, durchdrungen von wohlwollendem Gerechtigkeitssinn, die Oberhand gewonnen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß auch die Nobilifterung des Helfens manches Ueberflüssige und Unklare früherer Hilfsmethoden beseitigt und dafür Grundlinien 8 für ein auf die Zukunft berechnetes Hilfssystem geschaffen hat. Zu nächst trat in den größeren Städten und Bezirken das Bestreben einer Zentralisierung der Hilfsmittel und der Hilfe leistungen hervor. Zum Teil nötigte hierzu die Verminderung der sonst zur Verfügung stehenden Kräfte. Diese Verminderung wurde hervorgerufen sowohl durch Eintritt leitender Persönlichkeiten ir den Heeresdienst als auch dadurch, daß solche sich vielfach den militärischen Verwaltungsorganen zur Verfügung stellen mußten Bei der Organisation der Kriegshilfe hat es sich gezeigt daß ein Handinhandgehen mit der Armenbehörde, die in allen Fällen als der Mittelpunkt der städtischen Wohltätigkeit anzusehen ist, ein undedingtes Erfordernis ist, und daß man die in den meisten deutschen Großstädten in bester Entwicklung begriffene Verbindung der privaten Wohltätigkeit mit der amtlichen Armenpflege nicht verdrängen sondern der Zeitlage Fätseecesen verstärken soll. Die angedeutete Fülle der Hilfseinrichtungen kommt namentlich in den im Laufe des Monats Septiember erschienenen Veröffentlichungen der städtischen Armendirektionen zum Ausdruck. Einiges allgemein Interessierende wollen wir hier mitteilen.

Für Berlin fällt die finanzielle Seite der durch den Krieg bedingten Wohlfahrtsmaßnahmen besonders ins Auge. Sie bestätigen die mehrfach hervorgehobene Ansicht, daß insbesondere auf den G bieten der Armenpflege und Wohltätigkeit die Verhältnisse der Reichs⸗ hauptstadt außergewöhnliche sind. Es ist festgestellt worden daß /es sich hier um rund 64 000 Kriegsunterstützungsfälle handelt, und“ es werden bei Berücksichtigung der einschlägigen Faktoren und der Ausfälle von Steuern, sowie bei Einrechnung der Aufwendungen für die öffentlichen Speiseanstalten usw. und bei einer Annahme einer Jahresdauer die Aufwendungen der Stadt infolge des Krieges auf etwa 90 bis 100 Millionen Mark geschätzt. Inwieweit nun außerdem die freiwillige Wohlfahrtspflege in Verlin sich für die Kriegszeit gerüstet hat, geht aus einem von der Zentrale für private Fürsorge herausgegebenen, von S. Wronsky zusammengestellten Kriegführer durch die Wohlfahrtseinrichtungen von Groß Berlin hervor, der 22 Spalten der Nummer 8⁄9 der Blätter für die Berliner Armen. und Watsenpflege“ ausfültt und auch in Separat⸗

Auswärtigen über die immer schlechter werdende Lage

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norwegischen Schiffes „Drottnig Sophia“, der Zeuge des See⸗

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ausgabe erhältlich ist.

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In den Breslauer „Blättern“, Nr. 219, mahnt das Ver⸗ sicherungsamt der Stadt Breslau die zum Mtlitärdienste einberufenen Krankenkassenmitglieder zur freiwilligen Fortsetzung ihrer Versicherung und weist die Arbeitgeber der Einberufenen darauf hin, daß sich für sie hier, durch Leistung der Krankenkassenbeiträge, ein wichtiges Feld sozialer und gleichzeitig patriotischer Betätigung bietet. Ferner geht aus dem Inhalt der „Blätter“ hervor, daß schon jetzt die vierzehn dort bestehenden Vereins⸗ suppenküchen eröffnet sind, für deren Inanspruchnahme seitens ibrer Pfleglinge die Armendirektion die nötigen Anweisungen erteilt. Weiter ist ersichtlich, daß zur Erteilung von Auskunft in Für⸗ sorgeangelegenheiten eine Vereinigung der gemeinnützigen Auskunfts⸗ stellen mit dem gewerkschaftlichen Arbeitersekretariat stattgefunden hat. Leider bleibt nach einer Bekanntmachung der Armendirektion vom 8. September „wegen Mangels an Beamten“ die dem Armenbureau angegliederte Abteilung für Trinkerfürsorge während des Krieges geschlossen, obwohl gerade in Breslau die bisherigen Erfolge des Handinhandgehens der Trinkerfürsorge mit der Armenbehörde beson⸗ ders augenfällig und ermutigend waren.

Auch die „Amtlichen Nachrichten“ von Halle a. S. berühren das Arbeitsverhältnis, indem die Kriegsunterstützungskommission unterm 2. September bekannt gibt, daß sie, „um die Einstellung der freiwilligen Arbeitgeber⸗Unterstützungen möglichst zu verhüten“, beschlossen hat, daß diese nie zum vollen Betrag anzurechnen seien, daß vielmehr den hier in Betracht kommenden Personen mindestens ein städtischer Kriegszuschuß in Höhe von 50 % der Reichsunterstützung

zu gewähren sei. Die Hallesche Armendirektion hat die in der Kriegs⸗ zeit „‚für jedermann zu erwartende Erhöhung des Existenzbedarfs“ zum Anlaß genommen, die sogenannten „Ausschluß⸗“, d. i. die Höchst⸗ bedarfsätze für Barunterstützung ihrer Armenpfleglinge um 20 % zu erhöhen. Wenn übrigens die Stadt Halle in ihrer Kriegsunter⸗ stützung (bis zu 200 % der Reichsunterstützung) in Verbindung mit der Armenpflege und dem „Nationalen Frauendienst⸗ wohl mit am großzügigsten unter den deutschen Städten vorgeht, so hat sie doch auch schon feststellen müssen, daß ihr Wohlwollen mißbraucht wird. Reichlich unterstützte Ehefrauen von Kriegsteilnehmern haben sich „vermutlich infolge mißverständlicher Belehrung⸗ geweigert, ihre fällige Miete zu zahlen. Die städtische Kriegsunterstützungskommission hat daher unterm 19. September beschlossen, von den Familien der Kriegsteilnehmer halbmonatlich Mietzahlung zu verlangen und den städtischen Kriegszuschuß nur dann halbmonatlich voll aus⸗ zuzahlen, wenn durch Vorlegung des Mietquittungsbuches oder einer Bescheinigung des Vermieters die Zahlung des zuletzt fällig gewesenen halbmonatlichen Mietzinses nachgewiesen wird. 1 ch das Hamburger Armenkollegium hat die Unterstützungs⸗

sätze für bedürftige Angehörige von Kriegsteilnehmern besonders hoch angesetzt (z. B. für eine Frau mit einem Kind auf monatlich 50 ℳ, für eine mit zwei Kindern auf 62 ℳ). Ferner kann der sogenannte „eiserne Bestand“, der den Armenvorstehern zur Verfügung steht, für die Dauer des Krieges auf Wunsch auf 500 erhöht werden.

Das Armenamt in Frankfurt a. M. empfiehlt eine gewisse Vorsicht in der Berücksichtigung neu zugezogener Personen durch Doppelunterstützungen, damit nicht solche Personen durch be⸗ onders hohe Beihilfen in die Lage kommen, sich bequem ein Jahr ang in Frankfurt aufhalten zu können, um alsdann dem neuen Unter⸗ tützungswohnsitzgesetz zufolge der Armenbehörde anheimzufallen. Das Frankfurter Armenamt wendet der Beschäftigung Arbeitsloser esondere Aufmerksamkeit zu, wie die in den Nummern 74 und 75 seiner „Mitteilungen“ abgedruckten Grundsätze und Bestimmungen beweisen. Der Magistrat beabsichtigt, auch eine Notstands⸗ arbeit für Frauen einzurichten. Sehr beachtlich sind die in Nummer 75 enthaltenen Ausführungen über die Frage: „Wie kann verhindert werden, daß die Unterstützung Unwürdigen, insbesondere Trunksüchtigen, zugute kommt?“ Die seitens der Frankfurter Armenbehörde gemachten Versuche, in Fällen dieser Art die Kriegs⸗ unterstützung in Form von Naturalien auszuzahlen, sind mißglückt. Die Brotscheine wurden in den Kneipen verkauft und die Speise⸗ anweisungen überhaupt nicht verwertet. Es wird wohl hier ein Ein⸗ greifen der Privatpflege bezw. eine Anwendung von Repressivmaß⸗ regeln (Strafgesetz, Gesetz über Unterbringung Arbeitsscheuer) am besten wirken können.

In Stettin sind, wie man aus Nummer 34 der „Amtlichen Mitteilungen“ ersieht, die Abhebungsstellen für Kriegsunter⸗ st ützungen nicht mit denen der städtischen Armen vereint, sondern in die zwölf städtischen Schulgebäude gelegt worden. Diese Maß⸗ nahme erscheint als nachahmungswert. Die Bureaustellen der Kriegsunterstützungskommission sind gleichzeitig auch die „Holstelle“ für das in der neu eingerichteten Stadtküche auf dem städtischen Schlachthofe zubereitete Essen. Hier wird das Essen von Schuldienern aus den Blechkübeln in Liter⸗ und Halbliterportionen gegen die ausgegebenen Gutscheine zum Mitnehmen nach Hause verabfolgt. Für solche Unterstützungs⸗ berechtigte, die keine geeignete Häuslichkeit für die Einnahme des Essens besitzen, sind auf Grund von Vereinbarungen in Speise⸗ wirtschaften „Eßstellen“ eingerichtet, in denen die Portionen an ordnungsmäßigen Tischplätzen verzehrt werden. Die Inhaber der Eßstellen haben für die Bedienung der Gäste zu sorgen, Trinkwasser unentgeltlich zu verabfolgen und billige alkoholfreie Ge⸗ tänke nach einem vereinbarten Tarif auszuschänken. Sie erhalten

afür auf jeden zurückgelieferten Gutschein 5 als Vergütung für hre Leistungen. Man sieht, daß die Stettiner Stadtverwaltung auf die Nahrungsmittelversorgung besonderes Gewicht legt. Sie hat auch, da die Kochkessel der Schlachthofsstadtküche 6500 1 fassen, den bisherigen Volksküchenbetrieb mitübernommen und gibt zur Verteilung an sonstige Unterstützungsbedürftige Eßscheine zum Preise von 25 ab. Inwieweit der „Bürgerhilfsschatz“ diesen Bestrebungen förderlich ist, schildert Oberbürgermeister Dr. Ackermann in der erwähnten Nummer. Er berichtet, daß in Stettin die Einrichtungen des Be⸗ speifungsdienstes sich nach den bisherigen Beobachtungen einer günstigen Aufnahme bei der Bevölkerung erfreuen. Der Betrieb sei in hohem Maße erweiterungsfähig.

In München und auch in anderen Städten macht sich der Mangel an ehrenamtlichen Vormündern seit Ausbruch des Krieges besonders fühlbar. Durch Aufrufe und durch die Ortspresse sucht man die Bereitwilligkeit zur Uebernahme von Vormundschafts⸗ stellen anzuregen. Uebrigens behandelt ein Aufsatz von Dr. Hor⸗ lacher in der Zeitschrift der Zentralstelle für Volkswohlfahrt „Con⸗

ordia“ (1914, Nr. 16 bis 18) Entwicklung und Art der Berufsvor⸗ manischaft in Bayern.

Von sonstiger neuer einschlägiger Literatur sei die Nummer 9 „Kommunalblatts für Ehrenbeamte“ vom 15. Sep⸗ en 1914 erwähnt, die als eine Kriegsnummer im Sinne von

raktischen Anregungen für die Kriegsunterstützung anzusehen ist.

Kunst und Wissenschaft.

Wi A. F. Die „Gesellschaft für Erdkunde“ eröffnete ihr nterhalbjahr am 10. Oktober mit einem der augenblicklichen Kriegs⸗ age angemessenen Vortrage von Professor Dr. F. Lampe über „die gkographt chen Verhältnisse des östlichen Kriegsschau⸗ Platzes . Einleitend versagte es sich der Vorsitzende, Geheimrat

rofessor Dr. Hellmann, nicht, des hohen Ernstes dieser Tage sn gedenken, in denen Deutschland gegen eine Welt in Waffen 88 Viele Mitglieder der Gesellschaft hätten ihre bürgerlichen

erufe verlassen, um die Pflicht gegen das Vaterland 8 erfüllen, und von den zahlreichen militärischen Mitgliedern Ge Gesellschaft hätten zwei sich bereitz hohen Ruhm erworben: der Beselraloberst von Kluck, Führer der ersten Armee, und der General von 88 Vvr der für das laufende Jahr als stellvertretender Vorsitzender Vers efelschaft für Erdkunde gewählt ist. Gerade an diesem ersten 68 Beselungstage, so führte Professor Hellmann aus, wird der Name veh ers von Aller Lippen genannt, als des Bezwingers von finn das gestern gefallen ist. Auf den begeisterte Zustimmung felschofrn Vorschlag von Geheimrat Hellmann beschloß die Ge⸗

schaft sofort, an Exzellenz von Beseler ein Glückwunsch⸗

telegramm zu senden. Leider hatte der Vortragende auch eine Mitteilung schmerzlicher Art zu machen: Von den Mitgliedern der Gesellschaft ist als erstes Opfer Professor Dr. Felix Preuß auf dem Felde der Ehre gefallen. Seinen in der Einleitung genannten Vortrag begann Professor Dr. Lampe mit einer Darlegung, wie möglicher⸗, ja wahrscheinlicherweise die während dieses gewaltigen Krieges gemachten Erfahrungen zur teilweisen Umgestaltung un⸗ seres Kartenwesens den Anlaß geben werden; denn gerade die vorliegenden Karten des östlichen Kriegsschauplatzes geben ein wenig verständliches Bild von den Hathrlichen Verhält⸗ nissen, von Gebirgen und Flußläufen. Was sie zuverlässig zeigen, sind zumeist nur die Eisenbahnlinien. Die neuere politische Erdkunde strebt anderen Zielen nach, wie sie schon besonders durch Friedrich Ratzel aufgestellt, entwickelt und mehrfach erreicht worden sind. Für die immer enger werdende Zusammengehörigkeit von Staatsleben und Staatsgebiet, wie Bevölkerungszunahme und Erhöhung der kulturellen Stellung des Staates sie mit sich bringen Wund wie sie in Fragen der Rüstung des Staates zu Lande und ziu Wasser so recht zur Geltung kommt, ist von hoher Wichtigkeit eine el c7s. Geographie, welche die Wechselwirkung zwischen Landesnatur And Kriegführung anschaulich macht. Spielen doch ohne Zweifel von jeher für alle strategischen Maßnahmen eine höchst gewschtige Rolle ebenso die Ge⸗ ländeverhältnisse, das Klima, die Bodenschätze, als das Maß der sitt⸗ lichen Bildung und des politischen Verständnisses der Bevölkerung. Aber das Maß von Wichtigkeit der genauen Kenntnis des Geländes für die genannten Zwecke ist neuerdings, verglichen mit einer wenig zurückliegenden Zeit, ganz erheblich gewachsen. Zum Beweise dessen braucht man nur daran zu erinnern, wie im modernen Kriege das Auge des Feldherrn durch Flieger und Luftschiffe weiter schaut, sein Ohr durch Telephon und Funksprüche weiter hört, sein Arm durch Kraft⸗ wagen, Fahrräder, Kraftfahrzeuge weiter wirkt als früher und ihm des⸗ halb die genaueste Kenntnis des Geländes nötig ist, um aus diesen er⸗ örterten Möglichkeiten der Uebersicht und Beherrschung eines großen Kriegsschauplatzes für die Operationen den denklich höchsten Nutzen ju ziehen. Von großer Bedeutung ist eine klare Vor⸗ stellung über das Gelände auch für alle, die lebhaft teil⸗ nehmend und verständnisvoll den Kriegsvorgängen folgen. Ist man doch im Publikum meist völlig unklar über Entfernungen und Raummaße, während ein Begreifen, eine sichere Beurteilung der Kriegsvorgänge nur beim Vorhandensein eines klaren Geländebildes möglich und auf alle Fälle ebenso erwünscht, als vorteilhaft ist. Man halte nun diesen letztgenannten Vorteil für die Außenstebenden nicht für unerheblich, er ist vielmebr notwendig für die Zurück⸗ gebliebenen; denn sie sollen in ihrer sittlichen, vertrauenden Haltung, in ihren finanziellen und politischen Maßnahmen das Rückgrat der Kämpfenden darstellen. Der titanenhafte Kampf um Deutschlands Geltung wird sicher in der Folge zu einer Förderung der bei der großartigen Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte etwas zurück⸗ gebliebenen politischen Geographie führen. Wie das für einen be⸗ stimmten Fall zu bewirken, wie ein erhöhtes landeskundliches Ver⸗ ständnis in diesem Sinne zu erschließen ist, das suchte der Vortragende durch eine entsprechende Schilderung der Gebiete von Russisch Polen, Galizien und Altpreußen darzulegen, dem zurzeit die allgemeine Auf⸗ merksamkeit zugewendet ist. Das im Norden von Preußen, im Süden von Galizien umschlossene Polen reicht als eine Art Halbinsel nach Mitteleuropa hinein, mit dem es annähernd das gleiche Klima hat. Die deutsche Grenze dieses Flachlandes ist so lang wie die Entfernung von Basel bis Memel. Unter Hinzu⸗ rechnung seiner galizischen Grenze stehen weite, ebene Strecken dem Feinde offen. Sie machen es zugleich erklärlich, daß hier oder dort von Polen aus Einfälle über die weitgestreckte Grenze Felsnsen sind. Aeußerst gering ist die Anzahl der die Grenze reuzenden Eisenbahnen und Chausseen; der Verkehr ist erschwert durch die verschiedene Spurweite der nicht am internationalen Verkehr beteiligten russischen Eisenbahnen, die um 5 cm breiter sind als die westeuropäischen Bahnen. Eisenbahnen von dieser größeren Spur⸗ weite und Landstraßen begleiten dagegen in Polen die Grenze in geringer Entfernung. Nach Lage und Bevölkeruug ein Uebergangsland zwischen Ost⸗ und Westeuropa, zeigt das im Norden, in der Mitte und im Osten als Flachland zu kennzeichnende Polen nur im Süden die bis zu 600 m Höhe sich erhebenden Reste eines Rumpfgebirges. Raumgröße und Bevölkerungs⸗ zahl entspricht etwa Süddeutschland. Hat in Rußland seine weite Ausdehnung und die Natur des Landes den monarchischen Einheitsstaat gefördert, die kulturelle Ungleichheit der Bevölkerungen ihn jedoch erschwert, so hat sich der Staat auch der Möglichkeit, mit den Rassenverschiedenheiten fertig zu werden, dadurch anscheinend endgültig begeben, daß kein wohlwollender ernstlicher Versuch der kulturellen Verschmelzung jemals gemacht worden ist. Ohne jemals die wirtschaftliche Entwickelung Polens zu fördern, hat Rußland dort nur längs, nämlich hinter der Weichsel, . des Flußlaufes, eine Reibe von Festungen zum Schutz seines Gebietes gegen Anariffe von Westen her angelegt, alle untereinander durch

ahnen verbunden. Zwei Eisenbahnen und eine Landstraße führen nach Ost⸗ und Westpreußen. Auf ihnen sind die russischen Angriffs⸗ bewegungen in den letzten Monaten erfolgt. Gleichsam an den Karpathen hängend, ähnelt Galizien der schwäbisch⸗bayerischen Hochebene. Es hat die russische Ueberschwemmung länger als Ostpreußen aushalten müssen, ist anderseits aber wegen des Fehlens russischer Festungen nahe seiner Grenzen wahrscheinlich sicherer als Ostpreußen. Galizien dürfte, sind die Russen erst einmal daraus vertrieben, von ihnen auch dauernd befreit bleiben, während die preußische Provinz bei der Nähe vieler Festungen mit gelegentlichen russischen Vorstößen von Süden und Osten her wird rechnen müssen. Den dicht aneinander gedrängten russischen Festungen Grodno, Kowno, Ivangorod usw. gegenüber, erscheint das deutsche Befestigungsnetz von Boyen, Königsberg und Thorn etwas weitmaschig; doch hat es bisher ja seine Aufgabe würdig erfüllt, gemeinsam mit der Weichsel als natürlicher Verteidigungslinie. Der Vortragende wandte sich nun der preußischen Landschaft im besonderen zu, wofur ihm eine Reihe sehr anschaulicher Lichtbilder zur Verfügun stand: dieser eigenartigen, anmutigen Landschaft mit ihren enrücken, ihren Flüssen und Flüßchen, den Grundmoränen und den Endmoränen mit den Steinhäufungen. Er schilderte den Verlandungsvorgang der die Stellen der Moränen bezeichnenden Seen durch eindringenden Pflanzenwuchs, die Entstehung von Sümpfen und Mooren durch diesen Vorgang. Letztere sind des Interesses besonders wert, haben sie doch recht wesentlich zur Vernichtung des eingedrungenen Feindes beigetragen. Noch besitzt die Provinz Ee andere natürliche Verteidigungsmittel: die Dünen an der Küste, die Nehrungen. Sie würden einem von der Seeseite den Einbruch ins Land versuchenden Feind schwere Hindernisse entgegenstellen. Aus der großen Zahl der den Vortrag begleitenden Lichtbilder hoben sich die Darstellungen der Reste deutscher Kulturarbeit aus der Zeit der Ordensherrschaft in Preußen besonders hervor. Merkwürdig, wie diese nie ruhende deutsche Kulturarbeit, wenn schon in verschiedener Form, auch heute noch rastlos am Werke ist, wie sie, grell abstechend von der russischen Gleichgültigkeit und Trägheit, selbst in Polen das Wohl der östlichen Gebiete zu fördern bemüht gewesen ist. Deutsche Kulturarbeit war es, von der u. a. die blühende polnische Industriestadt Lodz geschaffen worden ist. Das ist eine Tatsache, die uns hbeim Vor⸗ dringen in diese Nachbargehbiete mit Stolz und mit der Hoffnung er⸗ füllen darf, daß deutscher Arbeit, deutschem Wissen, deutschem Wesen dort eine weitere kulturelle Betätigung mit dauernden Erfolgen be⸗ schieden sein wird.

Die Reinigung und Gesundung des allgemeinen künstlerischen Urteils, die wir von diesem Kriege erwarten, wird hoffentlich endlich auch eine würdige Schätzung jener Künstler bringen, die so deutsch empfinden wie Edmund Steppes. Man sah vor einigen Monaten von diesem gefühlvollen Maler eine größere Ausstellung im Salon Schulte, und an derselben Stelle hängen jetzt wiederum ein paar Landschaften von seiner Hand. Das Lob, das damals

den frühlingszarten Wecken gespendet wurde, muß angesichts

dieser neueren Arbeiten wiederholt werden, nicht aber die Einwände, die gegen die früheren Gemälde erhoben werden mußten. Ein Bild wie die 1914 entstandene „Traumlandschaft“, das eine mit dotter⸗ gelben Blumen übersäte saftiggrüne Wiese an einem heiteren Sommer⸗ tage darstellt, zeigt, daß Steppes auf dem Wege ist, sich von der harten, oft giftigen Farbenzusammenstellung freizumachen. Das Bild ist auch in der Zeichnung nicht mehr so unbeholfen und in der Malweise nicht mehr so kraftlos und ver⸗ schwommen wie manche früheren Arbeiten des Malers. Alfred Bachmann, der in der diesjährigen großen Berliner Kunst⸗ ausstellung durch kleine stimmungsvolle Bilder vom Watten⸗ meer auffiel, zeigt ähnliche ansprechende Bilder, in denen die atmosphärischen Erscheinungen des Abends gehalten sind. Sehr zeitgemäß ist Wilhelm Blanke mit seinen beiden flotten, ein wenig skizzzenhaften Gemälden „Gefangenenlager in Wünsdorf“. Das lebhafte Rot und Blau der französischen Uniformen ist das malerische Motiv, das diesen bewegten Bildszenen zugrunde liegt. In einer Reihe von Bildern, die üppig prangende Blumensträuße in Vasen zeigen, offenbart der Künstler des weiteren seine Begabung, die freilich noch strenger Pflege bedarf. Vorläufig gibt es noch zu unruhige Stellen, und die verschieden⸗ artigen Blumen und Blätter sind noch zu gleichmäßig be⸗ handelt. Paul von Schlippenbach stellt venettanische Kanäle und deutsche Winterlandschaften aus. Im Motiv und im künstlerischen Wert sind sie von jenen Gemälden, die der geschmack⸗ volle Maler vor Jahresfrist in einer umfangreichen Ausstellung zeigte, nicht verschieden. Ebensowenig aufregend im guten oder im bösen Sinne wie diese Bilder sind auch die Werke Hermann Dischlers. In seinen Gebirgslandschaften mit den ver⸗ schneiten Tannen findet dieser Künstler einen persönlicheren Ausdruck. Ein großer Saal ist mit spanischen Volksszenen der Maler Valentin und Ramon de Zubiaurre angefüllt. Die beiden Künstler gleichen sich untereinander ebenso sehr, wie sie noch manchen anderen spanischen Malern zum Verwechseln ähnlich sind. Ihre Art, mit harten Umrissen, düsteren starken Farben und mit scharfer Zeichnung der Gesichter zu arbeiten, kennt man zur Genüge von den spanischen Sälen der internationalen Ausstellungen her. Wie schablonenmäßig diese effektvolle Malerei ist, der keine künstlerischen Erlebnisse mehr zugrunde liegen, gewahrt man sehr deutlich an den holländischen Ansichten von Ramon de Zubiaurre. Ob Holland oder Spanten das Land und die Menschen, die Lufttöne und die Farben sind in allen Fällen bei ihm die gleichen. Dr.

Da Brügge ebenso wie Gent ohne Kampf von den Deutschen eingenommen wurde, so haben die Gebäude und Kunstsamm⸗ lungen Brügges keinerlei Schaden erlitten. Aus den Kirchen und Museen wurden, „W. T. B.“ zufolge, alle Bilder der Meister und andere beweglichen Kunstwerke ersten Ranges chon im September geborgen, als eine Beschießung befürchtet wurde. Aus der Frauenkirche ist auch Michelangelos Muttergottes entfernt worden, während die Gräber Karls des Kühnen und seiner Tochter vider ““ dem Sohanmässpiten wurden ö 2 entfernt. e geborgenen Kunstschätze befinden n der Stadt, nicht in England. 1 1 8 8

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet das Erlöschen der I E“ 5 F Shg,e; 8 Cöln 8n

usbru er aul⸗ un Llauenseuche vom eh⸗

hofe Sternschanze in Hamburg am 19. d. M. I

Verkehrswesen.

Gegenwärtiger Stand des Postverkehrs mit dem Auslande. Bis auf weiteres sind von der Annahme bei den deutschen Postanstalten ausgeschlossen:

Postsendungen jeder Art nach allen deutschen Schutz⸗ gebieten außer Kiautschou nach Aegypten, Aethiopien, Belgien (mit Ausnahme der offenen Briefsendungen nach Brüssel) und Belgisch Kongo; nach Frankreich und Großbritannien nebst ihren Kolonien und Postanstalten im Auslande, Japan nebst den japanischen Postanstalten in China usw.; nach Marokko mit Ausnahme der deutschen Postanstalten in der spanischen Einflußzone (Alkassar, Arsila, Larasch, Tetuan) und der spani⸗ schen Besitzungen in Nordafrika (Ceuta Melilla); nach Montenegro und Serbien; nach Rußland nebst Finnland und den russischen Postanstalten im Auslande; nach Tunis, West⸗ afrika ausgenommen die portugiesischen und spanischen Besitzungen 88 Arabien, Afghanistan und Beludschistan;

außerdem

b. Wertbriefe und Kästchen mit Wertangabe nach Kiautschou; nach Brasilien, China (einschl. der deutschen Post⸗ anstalten), den dänischen Antillen, Griechenland, den nieder⸗ ländischen Kolonien, den österreichischen Postanstalten und den Agenturen des österreichischen Lloyd im Auslande, Portugal nebst Kolonien, Spanien nebst Kolonien;

c. Postanweisungen nach Bolivien, Brasilien, Macao, Maroleg en Finftutons. Antillen,

„Portugiesi indien und nach den österreichische 2 88 5 Auslande; 1

Postaufträge nach den österreichi ostanstalt dha 5 fträge nach sterreichischen Postanstalten

e. Briefnachnahmesendungen nach den österreichischen Postanstalten im Ausland und nach c den is Fichschen Einflußzone);

1. Pakete nach Kiautschou; nach Bolivien, Bosnien⸗ Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Cuba, Dänische Antillen, Ecuador, Guatemala, Haiti, Honduras (Republik), Liberia, Marokko (spanische Einflußzone), Mexiko, Nicaragua, den niederländischen Antillen, Niederländisch Guyana, den österreichischen Postanstalten und den Agenturen des öster⸗ reichischen Lloyd im Auslande, Persien, Peru, den portugiesischen Kolonien mit. Ausnahme von Azoren und Madeira, Rumänien, Salvador, San Domingo, Siam, den spanischen Besitzungen (ausgenommen Kanarische Inseln bei Beförderung bis Cadiz). Nach Oesterreich sind nur Pakete bis zum Gewichte von 10 kg zulässig; Pakete für Galizien, Bukowina und Dalmatien sind ausgeschlossen. Für Pakete nach Ungarn beträgt das Meistgewicht 20 kg, ausgeschlossen sind sperrige, dringende und Eilbotenpakete. Zum Paketverkehr sind in Ungarn alle Orte zugelassen außer den in den Komitaten Abouj⸗Torna, Bereg, Borsod, Hajdu, Heves, Maramaros, Szabolcs, Szatmar, Szilagy, Ugocsa, Ung, Zemplen gelegenen, ferner die Stadt 1 Dene sind nur nach

t garischen Orten zugelassen, worüber die Po anstalten Auskunft geben. ZE

Kbenter und Musik. 8

Morgen, Donnerstas wird im Königlichen O ernbau 8 „Der Wildschütz“ aufgeführt. Die Beesm lautet: Geefin. 8es

von Scheele⸗Muller, Baronin: Frau Dux, Gretchen: Fräulein Engell,

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am Meer fest.