1914 / 260 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Nov 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Raßland, Frankreich und England bleiben. Der Dreiverband sei der Ansicht, daß unter diesen Bedingungen die Turkei schwerlich eine friedliche Haltung beibehalten könnte, denn es sei klar, daß die Deutschen, nachdem sie den Bruch verursacht hätten, ihn vollständig für sich ausnützen würden. Ueberdies hätte der Vorschlag der Pforte für den Dreiverband die gleichen Unzuträglichkeiten, wie ein offener Krieg, denn er zwänge diesen, einen Teil seiner Kräfte abzuztehen, um sich gegen Angriffe zu bewahren, die man nicht mehr als imaßinäre Gefahr ansehen dürfte. Da die Türkei es nicht für nötig gehalten habe, die Aufrichtigkeit ihrer Absichten darzutun, hätten die Borschafter des Dreiverbandes am 31. Oktober ihre Pässe verlangt.

Die Einnahmen aus Octrois im Monat Oktober weisen, wie „W. T. B.“ meldet, eine Verminderung von 6 782 402 Fr. gegen den Oktober 1913 und um 6 912 352 Fr. gegen den Voranschlag auf. Seit dem 1. Januar 1914 sind die Ergebnisse um 16 229 271 Fr. gegen das Vorjahr und um 17 554 343 Fr. gegen den Voranschlag zurückgeblieben.

Rußland. Der ottomanische Geschäftsträger in St. Peters⸗

burg hat, wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“

meldet, am 1. d. M. dem Minister des Aeußern Sasonow folgende Depesche des Großwesiers vorgelesen:

Uebermitteln Sie dem Minister des Aeußern Sasonow den Ausdruck unseres tiefen Bedauerns über den Abbruch der guten Beziehungen der beiden Mächte, der durch den feind⸗ lichen Akt der russischen Flotte herbeigeführt worden ist. Sie können der Kaisserlich russischen Regierung versichern, daß die Hohe Pforte nicht verfehlen wird, eine angemessene Lösung dieser Frage zu finden, und daß sie alle Maßnahmen ergreifen wird, um die Möglichkeit einer Wiederholung solcher Vorkommnisse zu vermeiden. Schon jetzt können sie dem Minister des Aeußern er⸗ klären, daß die ottomanische Regierung beschlossen habe, ihrer Flotte zu verbieten, in das Schwarze Meer zu gehen. Unsererseus hoffen wir, daß die russische Flotte nicht an unseren Küsten kreuzen wird. Ich hoffe fest, daß die Kaiserlich russische Regierung in dieser An⸗ gelegenheit denselben Geist der Versöhnlichkeit wie wir, zeigen wird im Pnteresse der beiden Länder.

Nach Anhörung dieser Depesche erwiderte der Minister Sasonow dem ottomanischen diplomatischen Vertreter:

Er stelle formell in Abrede, daß die Feindseligkeiten von der russischen Flotte begonnen worden seien. Er halte es für zu spät, irgendwelche Verhandlungen anzuknüpfen. Nur wenn die Türkei sogleich alle deutschen Beamten aus der Armee und Marine ausgestoßen hätte, würde es möglich gewesen sein, Verhandlungen über eine Ent⸗ schädigung der Leute zu beginnen, die durch den hinterlistigen Angriff auf die russischen Küsten gelitten hätten. Da die Erklärung des türkischen Geschäftsträgers nichts in der Lage ändere, teile er ihm mit, daß er am folgenden Tage die Pässe erhalten werde, um St. Peters⸗ burg zu verlassen. b 1

Der Kaiserliche Statthalter im Kaukasus hat einen Tagesbefehl an die dortige Armee erlassen, in dem er obiger Quelle zufolge sagt, angesichts der türkischen Angriffe auf die russische Küste und die Schiffe der Schwarzen Meer⸗ flotte habe der Kaiser der Armee des Kaukasus befohlen, die Grenze zu überschreiten und die Türken anzugreifen.

Türkei.

Die Pforte hat Meldungen des „W. T. B.“ zufolge ihre Botschafter in London und Pario, ihren Geschäfts⸗ träger in St. Petersburg und ihren Gesandten in Belgrad abberufen. Der Abbruch der diplomatischen Be⸗ ziehungen zwischen der Türkei und Serbien ist auf Grund einer der Pforte von der serbischen Gesandtschaft überreichten Note erfolgt, in der mitgeteilt wird, daß im Auftrag der serbi⸗ schen Regierung die Beziehungen abgebrochen seien und für und das Gesandtschaftspersonal Pässe verlangt werden.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten Mahmud Pascha, der Postminister Oscan Effendi und der Handels⸗ minister Elbustani Effendi sind zurückgetreten. Auch der Finanzminister Dschawid Bei hat seine Entlassung nachgesucht. Diese Ministerien werden vorläufig von Mitgliedern des Kabinetts verwaltet.

Bulgarien.

In der Sobranje richtete gestern der Führer der Sozialisten an den Ministerpräsidenten Radoslawow eine Anfrage über die allgemeine Politik der Regierung im Zusammenhange mit dem europäischen Kriege. Der Ministerpräsident ersuchte, die Antwort um einige Tage verschieben zu dürfen. Das Haus stimmte dem Ersuchen zu.

Gestern hat in Sofia eine große öffentliche Ver⸗ sammlung stattgefunden, in der über die beklagenswerte Lage in Mazedonien berichtet und ein Beschluß ange⸗ nommen wurde, durch den die gesetzgebenden Körperschaften und alle politischen Parteien aufgefordert werden, gemeinsam ein Arbeitsprogramm zur sofortigen Befreiung der unter⸗ drückten Brüder auszuarbeiten. Die Regierung wird darin aufgefordert, zu dem gleichen Zwecke dringliche Maßnahmen zu treffen. Die Redner sprachen sich für eine sofortige Be⸗ setzung von Mazedonien sowie für eine internationale Unter⸗ suchung durch Vertreter der neutralen Länder über die Grau⸗ samkeiten der Serben und Griechen aus.

Amerika.

Die Vertreter der Kupferproduzenten haben nach einer Meldung der „Morning Post“ aus Washington erneut einen Protest an Staatssekretär Bryan gerichtet. Sie verlangen sicheres Geleit für amerikanische und andere Schiffe, die Kupfer nach neutralen Ländern an Bord haben. Wenn nicht Schutz zugesichert würde, so würden sie die weitere Ausfuhr von Kupfer nach den neutralen Ländern einstellen. Dies wäre ein schwerer Schlag für den amerikanischen Handel und würde zur Einstellung der Kupfererzeugung im Westen führen.

Fran gfüche Blätter berichten aus Mexiko, daß der mexikanische Minister des Aeußern dem belgischen Ge⸗ sandten die Pässe zugestellt habe. Veranlassung dazu hätten die der mexikanischen Regierung übermittelten Noten gegeben, die sich mit der amerikanisch⸗belgischen Trambahn⸗ gesellschaft beschäftigen.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, wurde in Tokio am 1. November amtlich bekannt gegeben, daß die Schantung⸗ bahn noch unter japanischer Aufsicht stehe trotz der be⸗ ständigen Versuche der Chinesen, eine Entfernung der japani⸗ schen Mannschaften herbeizuführen.

Afrika. Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Kairo, daß der britische General Maxwell die militärische Kontrolle des Landes übernommen hat. Das Kriegsrecht ist erklärt worden.

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Das genannte Bureau meldet ferner aus Salisbury vom 31. daß in Südrhodesia das Kriegsrecht verhängt worden ist.

Kriegsnachrichten.

BWPWPestlicher Kriegsschauplaz. Großes Hauptquartier, 4. November, Vormittags. W. T. B.) Unsere Angriffe auf Ypres, nördlich Arras und östlich Soissons schritten langsam, aber er⸗ folgreich vorwärts. Südlich Verdun und in den Vogesen wurden französische Angriffe abgewiesen. 8 Oberste Heeresleitung.

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estlicher Kriegsschauplatz. 1

Großes Hauptquartier, 4. November, Vormittags. 8 T. B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplatz hat sich nichts esentliches ereignet. Oberste Heeresleitung.

Wien, 3. November, Mittags. (W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: In Russisch⸗Polen brachen unsere Streit⸗ kräfte, als sie eine starke feindliche Armee zur Entwicklung gezwungen hatten, die Gefechte auf der Lysa Gora ab, um die nach den Kämpfen vor Iwangorod befohlenen Bewegungen fortzusetzen. Die Lage in Galizien ist unverändert. Aus den Kämpfen der letzten Tage südlich Stary Sambor und nord⸗ westlich Turka wurden bisher 2500 gefangene Russen einge⸗ bracht. Gestern früh überfielen Husaren bei Rybnik im Stryjtale eine b Munitionskolonne und erbeuteten viel Wagen mit Artilleriemunition. 1

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes:

3 von Hoefer, Generalmajor.

Südlicher Kriegsschauplatz.

Wien, 3. November. (W. T. B.) Amtlich wird ver⸗ lautbart: Erst jetzt läßt sich der in der Macva errungene Erfolg voll überblicken. Die dort gestandene II. serbische Armee unter General Stepanovic mit vier bis fünf Divi⸗ sionen konnte sich nur durch einen übereiligen Rückzug, bei dem sie Vorräte aller Art und Trains im Stiche lassen mußte und zahlreiche Gefangene verlor, aus der bedrohlichen Lage retten. Der Feind ist, ohne in den vorbereiteten rück⸗ wärtigen Stellungen neuerdings Widerstand zu leisten, in einem Zuge bis in das Hügelland südlich Sabac zurückgewichen und leistete nur noch bei Sabac, welches in der Nacht vom 1. auf den 2. November von unseren tapferen Truppen erstürmt wurde, hartnäckigen, aber vergeblichen Widerstand.

Potiorek, Feldzeugmeister

Kolonialer Kriegsschauplatz.

Tokio, 3. November. (W. T. B.) Amtlich wird an⸗ gezeigt, daß die Beschießung Tsingtaus fortdauert. Die meisten deutschen Forts sind zum Schweigen gebracht. Nur zwei beantworten unaufhörlich die zu Wasser und zu Lande unternommenen Angriffe der Verbündeten. Das Bombardement verursachte eine Feuersbrunst in der Nähe des Hafens und die Explosion eines Oeltanks. Das Fort Siaochaushan steht in Flammen. Ein deutsches Kanonenboot, das den Schornsteiu verlor, ist nicht mehr sichtbar. v1“

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Frankfurt a. M., 3. November. (W. T. B.) Die „Frankfurter Zeitung“ meldet aus Konstantinopel: Heute früh nach Sonnenaufgang eröffnete ein aus neun Schiffen be⸗ stehendes englisch⸗französisches Geschwader aus einer Entfernung von 15 km- ein Bombardement auf die Dardanellenforts. Die Beschießung, die von den türkischen Werken erwidert wurde, dauerte zwanzig Minuten und richtete keinerlei Schaden an.

Frankfurt a. M., 3. November. (W. T. B.) Die „Frankfurter Zeitung“ meldet aus Konstantinopel: Ein russischer Angriff bei Erzerum ist von den Türken ab⸗ geschlagen worden.

Konstantinopel, 3. November. (W. T. B.) Das Hauptquartier veröffentlicht folgende amtliche Meldung: Die englische Flotte hat am 1. November Akaba an der ägyptischen Grenze beschossen und einen Landungsversuch ge⸗ macht. Aber nachdem vier Engländer gefallen waren, warfen sich die übrigen wieder in die Boote; obgleich die Engländer Tausende von Artilleriegeschoffen verfeuerten, wurde auf unserer Seite nur ein Gendarm getötet. 68

Statistik und Volkswirtschaft.

3 1 6 Entwicklung des Beschäftigungsgrades in Groß Berlin in der Zeit vom 17. bis 24. Oktober 1914.

Nach der vergleichenden Darstellung des gewerblichen und indu⸗ striellen Beschäftigungsgrades in Groß Berlin am 17. und 24. Ok⸗ tober, die das Statistische Amt der Stadt Berlin veröffentlicht, zählten die an der Berichterstattung teilnehmenden 237 Kranken⸗ kassen Groß Betzlins am 24. Oktober 1 000 716 Ver⸗ sicherungspflichtige Mitglieder gegen 984 980 am 17. Ok⸗ tober, sodaß für die zwischenliegende Woche eine Zunahme um 15 736 Versicherungspflichtige oder 1,60 % festzustellen ist.

Bei den 28 allgemeinen Ortskrankenkassen ergiäbt sich eine Steigerung um 10 648 Versicherungspflichtige oder 1,78 % als Endergebnis aus der 1,80 % beim männlichen und 2 2 % beim weib⸗ lichen Geschlecht betragenden Entwicklung. Diese ist bei der Berliner allgemeinen Ortskrankenkasse durch ein Mehr von 4249 Versicherungs⸗ pflichtigen oder 1,48 % bezeichtet, wobei allerdings die Uebernahme der Versicherung einer rund 600 Personen umfassenden Abtetlung eines hiesigen Warenhauses mit zur Wirkung gelangt. Beinahe um den gleichen Betrag 4220 stieg die Zahl der Versicherungs⸗ pflichtigen bei der allgemeinen Ortskrankenkasse des Kreises Nieder⸗ barnim, wo die Mehreinstellung von Arbeitskräften wesentlich durch die für den Kriegebedarf arbeitenden Betriebe berbeigeführt ist.

Unter den gewerblich gegliederten rankenkassen stehen auf Grund der absoluten Steigerung die 37 Kassen der Metall⸗ und Maschinenindustrie an erster Stelle: 1506 Ver⸗ sicherungspflichtige oder 1,22 % beim männlichen, + 634 oder 1,62 %

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hbeim weiblichen Geschlecht, zusammen +. 2140 oder 1,81 %. Wesent⸗ lich infolge umfangreicher Neueinstellungen bei der Post hat sich der Bestand an Versicherungspflichtigen im Verkehrsgewerbe um zu⸗ sammen 1388 oder 4 25 % erhöht. Im Druckereigewerbe ist ein Mehr von Versicherungepflichtigen im Betrage von 412 oder 1,49 % festzustellen, im Nahrungs⸗ und Genußmittelgewerbe ein solches von 404 oder 1,61 %, in der Papter⸗ und Lederindustrie ein solches von 394 oder 4,07 %. Wenn die Waren⸗ und Kaufhäuter diesmal eine Abnahme um 356 oder 2,51 % Versicherungspflichtige zeigen, so ist dies durchaus die Folge des Ausscheidens einer Abteilung aus dem Krankenkassenverbande eines Warenhauses und ihres Ueberganges zur allgemeinen Ortskrankenkasse, worauf schon oben hingewiesen wurde; hätte sich auch hier eine Zunahme um etwa 250 oder 1,41 % ergeben.

Die Gesamtzahl der bei 41 Fachverbänden der fresen Gewerk⸗ schaften gezählten Arbeitslosen sank in der Woche vom 19 bis zum 26. Oktober von 30 730 auf 28 844, d. i. um 1886 oder 6,14 %. Hervorzuhbeben ist besonders die Abnahme um 666 Arbeitslose bei den Beüurzeter⸗ Wum 598 bei den Metallarbeitern, um 150 bei den

ransportarbeitern, um 122 bei den Tapezierern, um 100 bei den Textilarbeitern.

Wohlfahrtspflege.

Die deutschen Städte und die Arbeitslosenversicherung.

In dem kürzlich als 466. Band der Sammlung „Aus Natur⸗ und Geisteswelt“ erschienenen Buche „Verfassung und Verwaltung der deutschen Städte“ von Dr. Matth. Schmid (Verlag von B. G. Teubner, Leipzig, geb. 1 25 ℳ), das in gemeinverständlicher Form über die Aufgaben der Kommunalpolitik unterrichtet, ist ein besonderer Abschnitt der kommunalen Arbeitslosenversicherung gewidmet, dessen Ausführungen folgendes entnommen sei:

Die notwendige Ergänzung der Arbeitslosenfürsorge erblickt man vielfach in der Arbeitslosenversicherung: Regelmäßige Beiträge sollen dem Arbeiter für die Zeit unperschuldeter Arbeitslosigkeit einen Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung sichern. Die wenigen praktischen Versuche, die bisher von Städten damit gemacht wurden, lassen die Schwierigkeiten des Problems vermuten; um so umfangreicher ist jedoch dessen literarische Bearbeitung in Deutschland gedieben. Meinungsverschiedenheiten bestehen schon über die Träger der Ver⸗ sicherung: soll die Gemeinde oder das Reich eintreten, oder soll man die Arbeiterorganisationen auf den Weg der Selbsthilfe verweisen und angemessen unterstützen? Der Gedanke liegt nahe, die Versicherung als weiteren Zweig an die Reichsversiche ungsordnung anzugliedern, doch hat das Reich seinerseits die Angelegenheit wiederholt für eine Gemeindeaufgabe erklärt. In der Tat hat die Gemeinde eher die Möglichkeit, sich über die Verhältnisse ihres Bezirks zu orientieren, und selbst ein Mißerfolg fällt für sie nicht so schwer ins Gewicht wie für das Reich. 1

Einzelne Vorbilder durchgeführter Versicherung gab uns das Ausland. Die belgische Stadt Gent gewährt seit 1898 Zuschüsse an Arbeiterberufsvereine, die die als eine ihrer Aufgaben erkennen. Als erste Stadt in Deutschland machte Straßburg 1907 den Versuch mit dem „Genter System“. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter erhalten bei Arbeitslosigkeit Zuschüsse zu der von der Gewerkschaftskasse gezahlten Unterstützung. Der Versicherung haben sich bis beute 36 Verbände angeschlossen, darunter auch der „Bund technisch⸗industrieller Beamten“. 1909 folgte Mülhausen i. E. dem Beispiel nach den gleichen Grund⸗ sätzen. Die Zuschüsse betragen 70 % der Gewerkschaftsunterstützung, für Verheiratete 80 %, höchstens 1 für den Tag. Der Nachteil des Systems ist ohne weiteres klar. Die Versicherung erfaßt nur organisierte Arbeiter und unter ihnen auch nur jene, die bereits ander⸗ weitig unterstützt werden.

Bern in der Schweiz schlug einen anderen Weg ein. Es schuf eine kommunale Versicherung und gestattete jedem ortsansässigen Arbeiter den Beitritt. Das „Berner System“ fand Nachahmung in Leipzig und Cöln, doch nur vorübergehend. Der freiwillige Beitritt führte den Kassen naturgemäß nur Angebörige solcher Ge⸗ werbe zu, bei denen der Eintritt der Arbeitslosigkeit fast mit Sicher⸗ heit vorausgesehen werden kann, z. B. Bauarbeiter.

So fand in mehreren deutschen Städten ein drittes System An⸗ klang, das Freiburg i. B. 1910 zuerst durchführte und das eine Erweiterung des Genter Systems auf die Nichtorganisierten ermög⸗ licht. Für diese wird eine Spareinrichtung getroffen, deren Be⸗ nutzung freiwillig ist, aber das Recht auf Unterstützung gewährt. Den gewerkschaftlich Unterstützten werden Zuschüsse gezahlt (50 %), Nichiorganisierte können sich beim Arbeitsamt als Sparer eintragen lassen und erhalten bei Arbeitslosigkeit eben⸗ falls einen Zuschuß von 50 % ihrer Abhebungen ausgezahlt. Doch wird in diesem Falle die Spareinlage gesperrt und nur eine Abbebung von täglich 1 gestattet. Schöne berg und neuerdings Cöln und Stuttaart folgten dem Beispiele Freiburgs. Mann⸗ heim bewilligte 1911 5000 zur Unterstützung von organtsierten und nichtorganisierten Arbeitslosen, die sich beim Arbeitsamt ein Sparbuch ausstellen ließen, und gewährte diesen einen Zuschuß von 50 % der Abhebungen, höchstens 75 für den Tag und 30 im Jahr. Zur Kontrolle mußte sich der Arbeitslose täglich bei dem Amie melden. Von der Einrichtung wurde fast gar kein Gebrauch gemacht, sodaß für 1913 eine Umgestaltung mit Ge⸗ währung von Zuschüssen an Verbände vorgesehen worden ist.

Die neuesten Beispiele sind Kaiserslautern und Schwäbisch Gmünd. Ersteres gewährt Zuschüsse zur gewerkschaftlichen Unter⸗

stützung, schuf aher außerdem eine besondere Versicherungskasse für

die von keiner Organisation Unterstützten. Gmünd gründete eine „Arbeitslosenfürsorgeanstalt“, die aus einer Versicherungskasse und einer Zuschußkasse besteht. Letztere zahlt Zuschüsse sowohl an die Mitglieder der Versicherungskasse wie auch an die Organisationen mit Unterstützungseinrich ung. Der Versicherungskasse kann jeder bei⸗ treten, der nicht über 2000 Einkommen hat; die Beiträge sind ab⸗ gestuft nach Beruf und Familienstand, doch sind 52 Beitragswochen zur Erwerbung des Anspruchs auf Unterstützung erforderlich. Diese erfolgt dann vom achten Tage der Beschäftigungslosigkeit ab in Höhe von 50 für Ledige, 75 für Verheiratete auf die Dauer von höchstens sechs Wochen. Dazu treten in gleicher Höhe die Zuschüsse aus der Zuschußkasse.

Uebereinstimmend besagen die bisherigen Berichte, und besonders Straßburg, das auf die längste Erfahrung in Deutschland 2 hat dem Ausdruck verliehen, daß auf dem Wege der Freiwilligkeit der gewünschte Erfolg nicht zu erreichen ist. Durch Reichs⸗ oder Landes⸗

esetz wäre den Gemeinden das Recht zu übertragen, eine Zwangsver⸗ cherung einzuführen mit Abstufung der Beiträge nach Berufen, sodaß der nicht zu vermeidende Nachteil, daß einzelne Gewerbe nie, andere fast regelmäßig arbeitslos werden, wenigstens etwas ausgeglichen wird. Die Spareinrichtung hat in keiner der Städte befriedigt. „Wenn man“, führt der Verfasser aus, „grundsätzlich an der Selbst⸗ versicherung der Arbeiter festhält, wird man praktisch an den bis⸗ berigen Hauptträgern der Versicherung nicht vorübergehen können. Die deutschen Gewerkschaften wenden insgesamt jährlich über 10 Millionen Mark für Arbeitslosenunterstützung (ohne Streik⸗ unterstützung) auf. Die Bedenken politischer Art dürfen nicht allzu schwer gewertet werden, wäre doch das Entscheidende, daß die Frage überhaupt einmal gelöst wird. Der Anschluß an vorhandene Arbetter⸗ berufsvereine ist der Schaffung neuer Versicherungsträger vorzuziehen; für die Nichtorganisierten müßte in der Form etwa der Gmünder Versicherungskasse Vorsorge getroffen werden. Schwierigkeiten werden immer zu überwinden sein, aber technisch ist die Versicherung durch⸗ führbar, vorausgesetzt, daß sie sich auf eine gut entwickelte Arbeits⸗ losenstatistik aufbauen kann und verbunden wird mit einem den Arbeitsmarkt beherrschenden städtischen Arbeitsnachweis.“

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Kunst und Wissenschaft.

Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hält eine all⸗ gemeine Sitzung am 7. d. M., Abends 6 ¾ Uhr, im großen Saal des Architektenhauses, Wilhelmstraße 92, ab. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Vorstands für das Jahr 1915 und ein Vortrag des Pro⸗ tessors Dr. Eugen Oberhummer aus Wien über den englisch⸗ ägyptischen Sudan. (Mit Lichtbildern.)

Oesterreichische Adriaforschung.

Ueber die Art und die bisherigen Ergebnisse der Erforschung der biologischen Verhältnisse der Pflanzenwelt des Adriatischen Meeres durch die Oesterreicher veröffentlicht Schiller Wien im Oktoberheft der Nationalen Revue der gesamten Hydrobiologie und Hydrographie einen eingehenden Bericht. Wir ersehen daraus, daß die österreichische Kriegsmarine sich in Friedenszeiten an dieser rein wissenschaftlichen Kulturarbeit in hervorragendem Maße beteiligt hat. Im Jahre 1903 begannen die vom „Verein zur Förderung der naturwissenschaftlichen Erforschung der Adria“ unternommenen Zeitfahrten im Triester Golf und längs der Westküste Istriens und sett 1910 wurden sie unter Benutzung der zur Kriegsmarine gehörigen „Najade“ auf die ganze Adria ausgedehnt, deren Flora dadurch unserer gründlichen Kenntnis erschlossen wurde. Die ganze südliche und mittlere Adria bis zu einer Linie Monte Gargano und Insel Lagosta ist Flachsee nicht unter 200 m mit Ausnahme des etwas tiefer absinkenden Pomobeckens westlich der Insel Lissa. Diese ausgedehnten ebenen Flächen des Adriatischen Meeresgrundes sind zu etwa ¾ Teilen vegetationslose Schlammwüste. Ebenso sind auch die Sohlen der Kanäle zwischen den Dulmatinischen Inselscharen mit Schlamm bedeckt. Siedlungs⸗ möglichkeiten finden die Pflanzen lediglich an den Küstenfelsen und auf dem mit Felstrümmern, Schutt und Geröll be⸗ deckten Grunde in unmittelbarer Nähe der Cüste. Die Wärmeunterschiede zwischen den oberflächlichen Wasserschichten und de en der Tiefe haben einen Einfluß auf die vertika e Verteflung der Algen während der warmen Jahreszeit, indem gewisse Formen zum Herabsinken in die kühlere Tiefe veranlaßt werden. Der Salz⸗ gehalt der Adria, etwa 36 bis 38 auf das Tausend, erfährt durch ein⸗ münden des Süßwassers örtliche Herabsetzungen, die sich teilweise recht stark auf das Plankton äußern. Von großem Einfluß auf die Küstenalgen erweisen sich auch die Gezeiten, die in der Straße von Otranto nur wenige Zentimeter Unterschied betragen, nach Norden aber zunehmen und im Golf von Triest

den Wert von 60 cm erreichen. Bei Phanerogamen zeigt sich von

Süden nach Norden eine Verarmung der Arten, die auf die weit⸗ gehende Veränderung der Lebensweise durch das Einmünden zahlreicher, zum Teil wasserreicher Flüsse zu setzen ist, wozu noch am Triester Golf größere Städte mit ihren zahlreichen Ahwässern und der durch sie bedingten Verschmutzung kommen. Trotzdem hat dieser Golf auf der Istrianischen Seite sehr reiche Bewachsung mit einer zwar arten⸗ armen aber indeviduenreichen Pflanzenwelt. Vom Golf Quarnero an erzeugen die Winde Scirocco, Bora, Libico hohen Seegang. Von da an finden deshalb auch die wellenschlagliebenden Formen ihre Lebensbedingungen. Mit dem Quarnero endet das Gebiet des blau⸗ grünen Wassers und beginnt das des „blauen Adriawassers“. Erst in diesem tritt die Flora in typischer Entwicklung auf. Man kann drei Bezirke der vertikalen Verteilung der Algen untersch iden: Die

Litoralregion bis zur Ebbelinte mit einer durchschnittlichen Höhe von

⁄Ʒâ m, die Sublitoralregion bis zu 40 m und die Elitoralregion bis

zur unteren Grenze der Bewachsung bei 160 m. Die Zusammen⸗ setzung der Litoralregionen nach Form⸗ und Individuenreichtum ist abhängig von der Lage zu den vorherrschenden Winden und von den Belichtungsverhältnissen. Bei den einzelnen Formen der Sublitoral⸗ und Elitoralzone ist der Einfluß der Wärme für den Zeitpunkt der Entwicklung bestimmend. Viele den nördlichen Meeren fremde Arten ertragen sehr tiefe Temperaturen. Sehr auffällig ist der Einfluß des Driftstroms auf die Bewachsung an allen ihm stark auegesetzten Küsten. Daber ist die Bewachsung aller Küsten der äußeren Inseln ungeheuer üppig. Wahrscheinlich steigt unter dem Einfluß der saugenden Wirkung des Oberflächen⸗ stroms nährstoffreiches Tiefenwasser an solchen Inseln, wie Pelogosa, Gazza, Lissa, empor. Auch starke Wellenbewegung heeinflußt die morphologische Ausbildung mancher Algen des Litoralgebiets. Die biologischen Verhältnisse der Schwebeflora entsprechen vielfach denen

88 der am Meeresgrunde, des sogenannten Benthos.

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Heereszahlen in früheren Zeiten.

Milllionenheere, wie die Welt sie noch nie gesehen, ringen in Ost und West seit Wochen um die Palme des Sieges, und ganz neue Gestaltungen hat der Krieg dadurch angenommen. Freilich, wenn man den alten Schriftstellern glauben wollte, so hätte die Welt auch schon in früheren Zeiten, ja schon vor mehr als 2000 Jahren, ähnliche Massen auf die Kriegsschauplätze gebracht. Die größte Truppenzahl, über die je ein Herrscher früherer Zeit verfügt hat, müßte die des Perserkönigs Perx’s gewesen sein, der nicht weniger als 5 100 000 Mann über den Hellespont und durch Thrazien nach Griechenland geführt haben foll. Ernstliche Zweifel an dieser Zahl sind bisher selten ausgesprochen worden. Gerade der Umstand, daß Herodot, der „Vater der Geschichtsschreibung“ nicht von etwa 5 Millionen Mann spricht, sondern mit großer Genauigkeit noch 100 000 darüber angibt, hat den Glauben an ihre Zuverlässigkeit erhöht. Der Berliner Geschichtsforscher Professor Hans Delbrück kommt freilich zu dem Schluß, daß von dieser großen Armee, wenn man ihren Weg über enge Gebirgspfade und durch Schluchten verfoigt, die letzten Leute kaum die persische Hauptstadt Susa verlassen haben konnten, als die ersten vor dem Engpaß der Thermopylen eintrafen, wo sie durch 300 Spartaner und 700 Thesbier tagelang aufgehalten

wurden. Dieses Fünfmillionenheer ist also sicherlich eine Ausgeburt

blühender Phantasie. Delbrück ist sogar der Meinung, daß die Griechen damals an Zahl stärker gewesen sind als die Perser.

Freilich

könnte man meinen, daß der Groß⸗König von Persien, der „König

der Könige“, sehr wohl ein stärkeres Heer hätte aufbringen können als

das tleine Griechenland, das den Angriff der Perser ja auch als eine

sein ganzes Dasein bedrohende Gefahr ansah. Delbrück weist dem gegenüber auf die Kämpfe der Schweizer gegen Karl den Kühnenevon Burgund hin. Der Volksüberlieferung genügte nicht der Ruhm, daß Bürger und Bauern der Schweiz ein Heer kampfgeübter Ritter und berufsmäßiger Soldaten bis zur pölligen Vernichtung besiegt hatten, sondern sie fälschte die geschicht ichen Tatsachen

dahin um, daß Karl der Kühne auch eine

gewaltige Uebermacht gehabt hätte. Bet den

griechischen Schriftstellern finden wir auch die Erzählung,

daß die Perser, die mutigsten Soldaten der damaligen Welt, von den Anführern mit Geißeln zur Schlacht getrieben werden mußten eine Angabe, die stark an die Märchen englischer Blätter erinnert, wonach die todesmutigen deutschen Soldaten von den Offizteren mit Re⸗ volvern zur Schlacht getrieben werden müßten. Auch die Zahlen⸗ angaben römischer Schriftsteller namentlich über die Stärke der von den Römern besiegten germanischen und gallischen Stämme sind völlig wertlos. Die Verführung, die Zahl der Gegner auf Hunderttausende anzugeben und dadurch den Ruhm des Sieges vpch zu erhöhen, ist eben zu groß, als daß das Volk und auch die Geschichtsschreiber ihr nicht erliegen sollten. Aus alldem ergibt sich auch von selbst, was von der Angabe zu halten ist, daß der Hunnenköntg Attila 700 000 Mann von Deutschland über den Rhein nach Frankreich geführt habe, wo sie in der Schlacht auf den Catalaunischen Gefilden völlig zer⸗ 1 worden sind. Nach anderrhalb Jahrtausenden hat im Deutsch⸗Französischen Krieg ein milttärisches Genie wie Moltke

⁊b500 000 Mann auf demselben Wege nur mit den geößten Schwierig⸗

keiten lenken können; in der Schlacht bei Vionoville, in er Moltke zehn schlagfertige Armeekorps, also 400 000 Mann,

Verfügung hatte, gelang es ihm, nur zwei davon wirklich Gefecht zu bringen. Die Hauptmasse der Truppen war nicht mit gend chnelligkeit erzustoßen. erhaupt kann man die

bis auf weitere Verfüaung bei der Königlich ungarischen Postsparkasse,

Heeresbewegungen für 1 früberen Zeiten machen. Delbrück kommt in solcher Erwägung zu dem Schluß daß es sich in früheren Jahrhunderten stets nur um verhältnis⸗ mäßig geringe Truppenmassen gehandelt haben kann, daß z. B. die Normannen, mit denen Wilhelm der Eroberer England unterwarf, nicht mit 800 000 Mann, wie angegeben wird landeten, auch nicht mit der Haͤlfte dieser Zahl, sondern nur mit 6—7000 Mann, denen freilich der König Harald wahrscheinlich nur etwa 4000 Mann ent⸗

gegenzustellen in der Lage war. 14“ 8

Land⸗ und Forstwirtscha Ueber Ernteergebnisse auf der nördlichen Erdhälfte

enthält das Oktoberheft der „Nachrichten zur landwirtschaftlichen Produktions⸗ und Handelestatistik“ (herausgegeben vom Internatsonalen Landwirtschaftsinstitut in Rom) neue vorläufige Angaben für das Jahr 1913/14. .

In bezug auf Getreide sind an neuen Angaben besonders jene wichtig, welche die Ernte in Preußen, in Rumänien und im asiatischen Rußland betreffen. In Preußen wird der Ertrag des Weizens auf 25 017 640 dz, d. s. 85 % der Ernte im Jahre 1913, der der Gerste auf 17 752 320 (81,2 %) und der des Hafers auf 59 400 450 dz (90,7 %) geschätzt. In Rumänien wird der Ertrag des Weizens auf 12 665 000 dz (55,3 % des Er⸗ trages i. J. 1913), der der Gerste auf 5 108 000 dz (84,9 %) und der des Hafers auf 3 402 000 dz (63,9 %) geschätzt. Im asiatischen Rußland (10 Goupernements) wird der Ertrag des Weizens auf 32 924 725 dz (87,7 % der Ernte des Jahres 1913), der des Roaggens auf 7 862 621 dz (103,1 %) und der des Hafers auf 17 527 092 dz (90,6 %) geschätzt. Bei Brrücksichtigung anderer Ergänzungen von geringer Bedeutung und einiger Abänderungen der vorher veröffent⸗ lichten Angaben erhätt man nun die folgenden Ergebnisse:

Weizen: für die Länder Preußen Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Großbritanien und Irland, Italien, Luxemburg, Nieder⸗ lande, Rumänien, europätsches Rußland, Schweiz, Canada, Vereinigte Staaten von Amerika, Indien, Japan, Algerien (Departement Kon⸗ stantin), Tunis wird der Ertrag auf 746 566 419 dz, d. s. 91,2 % des Ertrages im Jahre 1913, geschätzt. .

Roggen: für die Länder Preußen, Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Irland, Italten, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, europäisches Rußland, Schweden, Schweiz, Canada, Vereinigte Staaten von Amerika wird der Ertrag auf 376 022 868 daz, d. s. 95,8 % des Ertrages im Vorjahre, berechnet.

Gerste: in den unter „Weizen“ angeführten Ländern ohne Indien wird der Gesamtertrag auf 258 625 016 dz, d. s. 89,7 % der Ernte des Jahres 1913, geschätzt.

„Hafer: in den unter „Weizen“ angeführten Ländern ohne Indien wird der Gesamtertrag auf 481 071 406 daz, d. s. 88,0 % des Ertrags im Jahre 1913, geschätzt.

Betreffs der anderen Getreidearten erwähnt die Veröffentlichung für Mais die neuen Ertragszahlen in Spanien: 7 276 716 dz d. s. 114 % des Ertrages im Jahre 1913, in Rumänien 28 000 000 dz, d. f. 90 %, und eine bedeutende Steigerung der Vorschätzung der Maisernte in den Veretnigten Staaten von Amerika im Vergleich mit den vorher veröffentlichten Angaben: dieser Ertrag ist nun auf 679 730 760 dz, d. s. 109,4 % des Ertrages im Jahre 1913, geschätzt.

Für Reis werden folgende Ertragszahlen mitgeteilt: in Spanten 1 995 360 dz, d. s. 87,7 % des Ertrages im Jahre 1913, in Indien 286 183 923 dz, d. s. 98,9 % der Ernte des Jahres 1913, und in Japan 82 042 000 dz, d. s. 114,6 % des Ertrags des Jahres 1913. „Was die anderen Produkte betrifft, so verzeichnet die Veröffent⸗ lichung für Indien als Baumwollertrag im Jahre 1913/14 9 436 638 dz, d. s. 112,8 % der Ernte des Jahres 1912/13; die gegen⸗ wärtig für das Jahr 1914/15 angebaute Fläche schätzt man auf 5 952 843 ha, d. s. 99,2 % der im Vorjahre zur gleichen Zeit ge⸗ schätzten Anbaufläche.

In Japan schätzt man den Kokonertrag der Sommerzucht auf 19 652 000 kg, d. s. 98,1 % des Ertrags im Vorjahre, und den der Hervstzucht auf 52 135 772 kg, d. s. 95,2 %, den Weinertrag in Spanien auf 16 909 608 dz, d. 1. 98,9 % des Ertrags des Jahres 1913.

In dem Teil „Handelsstatistik“ enthalten die „Nachrichten“ die üblichen Tabellen über Ein⸗ und Ausfuhr von Getreide, Lein und Baumwolle, über die sichtbaren Getreidevorräte sowie die Getreide⸗ und Baumwollpreise auf den wichtigsten Weltmärkten, soweit es bete den gegenwärtigen Umständen möglich war, solche Tabellen auf⸗ zustellen.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammen⸗ gestellten „Nachrichten für andel, Industrie und Landwirtschaft“.)

Oesterreich⸗Ungarn.

Wirtschaftliche Vergeltungsmaßregeln Ungarns gegen die feindlichen Staaten. Das Ungarische Amtsblatt veröffentlicht in seiner Nummer vom 23. Oktober 1914 die foigende Verordnung des Königlich ungarischen Ministeriums Zahl 7808/1914, M. E. über Ausnahmsverfügungen in betreff von Schulden, die zugunsten von Angehörigen und Einwohnern feindlicher Staaten be⸗ stehen, sowie über die Ueberwachung einzelner Unternehmungen. Das Königlich ungarische Ministerium verordnet auf Grund der im § 16 des Gesetzartikels LXIII vom Jahre 1912 über Ausnahmsverfügungen für den Fall eines Krieges erteilten Ermächtigung wie folgt:

I. Ausnahmsverfügungen in betreff von Schulden, die zugunsten von Angehörigen und Einwohnern feindlicher Staaten bestehen.

„§ 1. Inländische Muntzipien, Gemeinden und andere öffentliche Körperschaften sowie auch die auf dem Gebiete der Länder der un⸗ garischen heiligen Krone tätigen Körperschaften, Vereinigungen, Ver⸗ eine, Institute, Gesellschaften und im allgemeinen Handelsfirmen sowie die daselbst wohnhaften Einzelpersonen haben über gemeinsame, im allgemeinen oder von Fall zu Fall erlassene Verordnung des Königlich ungarischen Handelsministers und des Königlich ungarischen Finanz⸗ ministers ihre Schalden anzugeben, die zugunsten von Angehörigen und Einwohnern 9) feindlicher Staaten bestehen.

§ 2. Der Khniglich ungarische Handelsmin’ster und der Königlich ungarische Finanzminister können mit gemeinsamer Verordnung im allgemeinen oder von Fall zu Fall im Wege der Vergeltung: 1) die Begleichung der im § 1 bezeichneten Schulden verbieten oder von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig machen; 2) anordnen, daß der Fegen band der im § 1 bezeichneten Schuld

bei der Oeterreichisch⸗Ungarischen Bank oder an einer anderen geeigneten Stelle hinterlegt werde. Die im Widerspruche mit den im Punkt 1 Abs. 1 erwähnten Anordnungen vorgenommene Handlung ist ohne rechtliche Wirkung. Der Königlich ungarische Handelsminister und der Königlich ungarische Finanzminister können mit gemeinsamer Ver⸗ ordnung im allgemeinen oder von Fall zu Fall die im Punkt 2 des Abs. 1 erwähnte Hinterlegung auch außer dem Falle der Vergeltung in betreff von solchen zugunsten von Angehörigen und Ein⸗ wohnern 9) feindlicher Staaten bestehenden Schulden anordnen, besgelich deren dies aus Rücksichten des öffentlichen Kredits erwünscht erscheint. 8

II. Ueberwachung einzelner Unternehmungen.

§ 3 Der Königlich ungarische Handelsminister und der Königlich ungarische Finanzminister können mit gemeinsamer Verordnung im Wege der Vergeltung anordnen, daß für solche im Gebiet der Länder der ungarischen heiligen Krone tätige Unternehmungen oder Zweig⸗ niederlassungen von Unternehmungen, welche vom feindlichen Ausland aus geleitet oder beaufsichtigt werden, oder deren Erträgnisse ganz oder zum Teil in das feindliche Ausland abzuführen sind, auf Kosten der Unternehmungen Aufsichtskommissare bestellt werden. Die Aufsichts⸗

don 1870 zum Prüfstein für die Angaben aus

Privatrechte des Unternehmens darüber zu wachen, daß während des Krieges der Geschäftsbetrteb der Unternehmung nicht in einer den inländischen Interessen widerstreitenden Weise geführt werde.

4 Die Aufsichtskommissare 3) sind insbesondere befuat:

1) geschäftliche Maßnahmen jeder Art, insbesondere Verfügun en über Vermögenswerte und Mitteisungen über geschäftliche Angelegenheiten zu untersagen oder sich selbst vorzubehalten; 2) die Bücher und Schriften des Unternehmens einzusehen sowie den Bestand der Kasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren zu untersuchen; 3) Auskunft für alle Geschäftsangelegenheiten zu verlangen.

§ 5. Die reiter und Angestellten der Unternehmungen haben den im Kreise der Ueberwachung des Unternehmens von den Aufsichts⸗ e“ 3) getroffenen Anordnungen und Weisungen Foige zu eisten.

§ 6. Gelder, Wertpepiere oder sonstige bewegliche Sachen eines unter Aufsicht gestellten Unternehmens dürfen weder mittelbar noch unmittelbar an Angehörige oder Einwohner 9) feindlicher Staaten abgeführt oder überwiesen werden. Die Aufsichtskommissare können Ausnahmen zulassen. Sie können in geeigneten Fällen anordnen, daß Gelder, Wertpapiere oder sonstige bewegliche Sachen, deren führung oder Ueberweisung nach Abs. 1 nicht erfolgen darf, zuunsten der Berechtigten bei der Königlich ungarischen Postsparkasse, bei der Oesterreichisch⸗Ungarischen Bank oder an einer anderen geeigneten Stelle hinterlegt werden.

III. Gemischte und Schlußbestimmungen.

§ 7. Segen denjenigen, der einer in den §§ 1, 2, 5 und 6 ent⸗ haltenen oder auf Grund dieser Paragraphen erlassenen Anordnung zuwiderhandelt, können der Königlich ungarische Handelsminister und der Köntglich ungarische Finanzminister mit gemeinsamer Verfügung eine Ordnunagsbuße bis zu fünfzigtausend Kronen bemessen, haben aber ihm zuvor Gelegenheit zur Aeußerung zu geben.

§ 8. Durch den Umstand, daß zugunsten von Angehörigen oder Einwohnern 9) feindlicher Staaten bestandene Schulden oder in ihrem Eigentum gewesene Gelder, Wertpapiere oder sonstige beweg⸗ liche Sachen nach dem 31. Juli 1914 auf eine andere Person über⸗ gegangen sind, wird die Anwendung der gegenwärtigen Verordnung nicht verhindert.

§ 9. Diejenigen Bestimmungen der gegenwärtigen Verordnun welche Angehörige und Einwohner feindlicher Staaten betreffen, sin auf juristische Personen entsprechend anzuwenden.

§ 10. Die Geltung dieser Verordnung erstreckt sich, soweit si sich auf Rechtsverhältnisse bezieht, die in einem im Gesamtgebiete der Länder der ungarischen heiligen Krone geltenden Gesetze geregelt und bezüglich des Vollzuges nicht der kroatisch⸗flavonischen Autonomie vor behalten sind, auch auf Kroatien⸗Slavonien.

§ 11. Diese Verordnung tritt am 23. Oktober 1914 in Kraft.

8 (Pester Lloyd

1“

Italien Ausfuhrverbot für Rizinusöl. Laut telegraphischer Mit teilung des Kaiserlichen Konsulats in Rom vom 24. Oktober 19 hat die italienische Regierung die Ausfuhr von Rizinusöl medizinische und gewerbliche Zwecke verboten.

Belgien. Ausfuhrverbote. Durch Verordnung des Generalgouverneurs in Belgien vom 30 Septemher 1914 ist die Ausfuhr von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen und Lebensmitteln je der Art aus Belgien über alle Grenzen verboten worden. Bei Zuwider⸗ handlungen soll Beschlagnahme erfolgen. (Gesetz⸗ und Verordnunge blatt für die okkupierten Gebiete Belgiens.) .“

Niederlande.

16.““ Ausfuhrverbo Durch Königliche Verordnung vom 14. Ok⸗ tober 1914 ist die Ausfuhr von Petroleum verboten worden. (Telegramm des Kaiserlichen Generalkonsulats in Amsterdam.)

Dänemark.

„Ausfuhrverbote. Die Ausfuhr von gewirkten und g strickten Waren aus Wolle sowie von Wollengarn ist mittels Bekanntmachung vom 15. Oktober 1914 verboten worden.

Die in der Bekanntmachung des Justizministeriums vom 25. Sep⸗ tember 1914 enthaltene Bestimmung, daß zur Ausfuhr bestimmte Kartoffeln in Säcke zu je 75 kg verpackt sein sollen, ist aufge⸗ hoben worden. (Lovtidenden.)

8 Schweden Beschränkungen des Durchfuhrhandels. Nach einer Kundmachung vom 9. Oktober 1914 erstreckten sich die Ausfuhr⸗ verbote im allgemeinen auch auf eingeführte Waren. Ausnahmen gelten besonders für Waren beim Eingang mit Linien, die einen ge⸗ ordneten Verkehr mit dem Ausland unterhalten, wenn die Waren beim Eingang zur unmittelbaren Durchfuhr auf solchen Linien nach dem Ausland angemeldet werden oder wenn die schließliche Bestim⸗ mung nach dem Ausland aus den Begleitpapieren hervorgeht. Nach „Stockholms Dagblad“. 8 Türkei. Angabe der Preise, in den Fakturen über Einfuhr⸗ waren in türkischer Währung. Die türkische Generalzolldirek⸗ tion hat in Ergänzung ihrer Bekanntmachung, betreffend die Angabe der Warenpretse guch in türkischer Währung, eine Umrechnungstabelle herausgegeben; danach ist die Mark gleich 5 65 Goldpiaster zu rechnen. (Nach einem Berichte des Kaiserlichen Generalkonsulats in Kon⸗ stantinopel.)

(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.

Nr. 43 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 28. Oktober 1914 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkaskrankheiten Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Desgl. gegen Cholera. Gesetzgebung usw. (Baden). Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. (Reuß ä. L.). Gebührenordnung für Aerzte und Zahnärzte. Wierseuchen im Deutschen Reiche, 15. Oktober. Vermischtes. (Deutsches Reich). Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau, 1912. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orien mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gerichtliche Ent⸗

schegpußsen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Tier⸗

Nr. 87 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ egeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 31. Oktober at folgenden Inbalt: Amtliches: Dienstnachrichten. Nichtamt⸗ liches: Die bisherigen Anlagen auf dem Südwestfriedhof der Berliner Stadtsvnode in Stahnsdorf. Erddamm oder Mauer als Abschluß⸗ werk für Staubecken. Dr.⸗Ing. Moritz Oder . Vermischtes: Wettbewerb um Entwürfe für einen Friedhof der Gemeinde Wanne. Liebesgabensammelstelle für unsere Eisenbahntruppen

kommissare haben unter Wahrung der Eigentums⸗ und sonstigen