1914 / 266 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Nov 1914 18:00:01 GMT) scan diff

’N—

gg—

rgengegexv he- enoen xneneü-errwee⸗

.—

Konskription als praktische Frage in die Politik einträte, würde die Nation sofort in zwei feindliche Lager geschieden sein. Viele junge Leute würden denken, daß dann Amerika der letzte Zu⸗ fluchtsort der Freiheit sei. Viele würden dahin auswandern und man könnte sie nicht einmal tadeln.

Die Zahl der belgischen Flüchtlinge in England beläuft sich dem „Journal de Genêve“ zufolge auf rund 200000.

8 Frankreich. Laut Dekret mit Geltung vom 1. November wird in den Vorortsgemeinden des Seinedepartements sowie in drei Ge⸗ meinden von Seine und Oise ein Korps von Hilfsschutz⸗ leuten gebildet mit der Aufgabe, zur Aufrechterhaltung der Ordnung beizutragen und die Wahrung der Maßnahmen für die allgemeine Sicherheit im Amtsbezirk mitzubeobachten. Die Hilfsbeamten wurden aus kräftigen, von der Militärverpflichtung befreiten Bürgern rekrutiert und erhalten drei Franken Ent⸗ schädigung für jeden Diensttag bei vierzehntägiger Auszahlung. Wie „W. T. B.“ meldet, sind dreißig weitere öster⸗ reichische und deutsche Häuser mit Beschlag belegt worden.

Italien.

Nach einer Mitteilung des Blattes „Roma“ sind mit dem Dampfer „Umbria“ aus Alexandrien Mohammed Ali, der Bruder des Khedive, und der Prinz Jusset Ahmed Aziz Hassan mit ihren Frauen in Neapel eingetroffen. Sie sind durch die englischen Behörden ausgewiesen worden

aͤ“ 1 Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten hat in der holländischen Presse bekannt geben lassen, daß zufolge be⸗ sonderer von der englischen Regierung erlassener Vor⸗ schriften Reisende bei der Ankunft in und bei der Abfahrt von England zur Erklärung über etwaige von ihnen mitge⸗ nommene Briefe oder andere Schriftstücke aufgefordert werden. Die englischen Behörden können die bei den Reisenden vorge⸗ fundenen Briefe und Schriftstücke der Zensur unterwerfen.

Türkei.

Der belgische Gesandte hat seine Pässe erhalten und st gestern früh abgereist. Die Vereinigten Staaten sind mit der Vertretung der belgischen Interessen betraut worden.

Die Pforte erklärt die Meldung des „Temps“, daß unter den Armeniern ein Aufstand dge ce sei, entschieden für unwahr; die Haltung des armenischen Patriarchen und die Sprache der armenischen Presse bewiesen, wie sehr das armenische Volk treue Anhänglichkeit an die Türkei bekundet und zu allen Opfern bereit ist.

In Smyrna haben die Behörden drei englische Dampfer, dreienglische und dreifranzösische Schlepper sowie andere fremde Schiffe beschlagnahmt und die Be⸗ satzungen für kriegsgefangen erklärt.

Asien.

Der Fall von Tsingtau wird in Tokio mit großen Festlichkeiten gefeieert. 8

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Pretoria vom 9. d. M. gewann der Führer der Aufständischen Dewet Fühlung mit einer Abteilung Regierungstruppen, die unter dem Kommando des Mitglieds der Gesetzgebenden Ver⸗ sammlung Cronje stand, und zersprengte sie. Der Sohn Dewets fiel in dem Gefecht. Ein Burenkommando, das sich in Zoutmansdrift befand, ist nordwärts nach dem Bezirk von Waterberg gegangen und wird durch den Kommandanten van Deventer verfolgt.

88

Kriegsnachrichten.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 11. November, Vor. mittags. (W. T. B.) Am Mer⸗Abschnitte machten wir gestern gute Fortschritte. Dix muiden wurde erstürmt, mehr als 500 Gefangene und 9 Maschinengewehre fielen in unsere Hände. Weiter südlich drangen unsere Truppen über den Kanal vor. Westlich Lange⸗ marck brachen junge Regimenter unter dem Gesange „Deutschland, Deutschland über alles“ gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie. Etwa 2000 Mann französischer Linien⸗ Infanterie wurden gefangen und 6 Maschinengewehre erbeutet. Südlich Mpern vertrieben wir den Gegner aus St. Eloi, um das mehrere Tage erbittert gekämpft worden ist. Etwa 1000 Gefangene und 6 Maschinen⸗ gewehre gingen dort in unseren Besitz über.

Trotz mehrfacher heftiger Gegenangriffe der Eng⸗

länder blieben die beherrschenden Höhen nördlich

Armentidres in unserer Hand. Südwestlich Lille kam unser Angriff vorwärts. Große Verluste erlitten die Franzosen bei dem Versuch, die beherrschende Höhe nördlich Vienne le Chateau am Westrand der Argonnen zurückzuerobern. Auch im Argonnen⸗ walde sowie nordöstlich und südlich Verdun wurden französische Vorstöße überall zurückgeworfen. 8 Oberste Heeresleitung.

Sestlicher Kriegsschauplatz. 8 Großes Hauptquartier, 11. November, Vormittags. (W. T. B.) Vom östlichen Kriegsschauplatz liegen keine Nach⸗

Oberste Heeresleitung.

2.

richten von Bedeutung vor.

Südlicher Kriegsschauplatz.

Wien, 10. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Die erbitterten Kämpfe an den Bergfüßen der Linie Sabac —Ljesnica wurden auch gestern bis in die Nacht fortgesetzt und hierbei einzelne der feindlichen stark verschanzten Stellungen erstürmt. Südlich der Cer Planina drangen unsere ö“ Truppen auf dem tags zuvor erreichten Raume östlich Losnica —Krupanj- Ljubovija weiter vor. Auch hier kam es zu hartnäckigen Kämpfen mit den Nachhuten des Gegners, die sämtlich in kurzer Zeit geworfen wurden.

4

*

Der Krieg zur See.

Berlin, 11. November. (W. T. B.) Nach amtlicher Bekanntmachung der englischen Admiralität wurde S. M. S. „Emden“ am 9. November früh bei den Cocosinseln im Indischen Ozean, während eine Landungsabteilung zur Zer. störung der englischen Funken⸗ und Kabelstation ausgeschifft war, von dem australischen Kreuzer „Sydney“ angegriffen. Nach hartnäckigem verlustreichen Gefecht ist S. M. S. „Emden“ durch die überlegene Artillerie des Gegners in Brand geschossen und von der eigenen Besatzung auf Strand gesetzt worden.

Die englische Admiralität gibt ferner bekannt, daß S. M. S. „Königsberg“ im Rufidschi⸗Fluß (Deutsch Ost⸗ afrika) sechs Seemeilen oberhalb der Mündung von dem eng⸗ lischen Kreuzer „Chatham“ durch Versenken eines Kohlendampfers blockiert worden ist. Ein Teil der Besatzung soll sich in einem befestigten Lager an Land ver⸗ schanzt haben. Eine Beschießung durch „Chatham“ scheint ohne Wirkung gewesen zu sein.

Der stellvertretende Chef des Admiralstaber: Behncke.

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband. St. Petersburg, 10. November. (W. T. B.) In

einer Mitteilung des Generalstabes der kaukasischen Armee wird bekanntgegeben, daß am 8. November der Kampf

bei Tagesanbruch in der Nähe von Kepriköi mit neuer Kraft

aufgenommen wurde, als der Feind gegen die russischen Truppen in der Gegend von Erserum gesammelte Streit⸗ kräfte einsetzte, die ihrerseits von der Besatzung dieser Festung verstärkt wurden. Am Nachmittag nahm der Kampf einen besonders hartnäckigen Charakter an, als die Türken ihre Vor⸗ huten durch neue Divisionen verstärkten. Indes sei ihr Versuch, einen der russischen Flügel zu umfassen, gescheitert. Zum Schluß heißt es: „Dank der Tapferkeit unserer Truppen konnten wir gegen AÄbend, als der Kampf nachließ, alle er⸗ oberten Stellungen behaupten. Eine unserer Kolonnen bemächtigte sich der Stellungen von Karakilisse und Alaschkertaka“.

Konstantinopel, 11. November. (W. T. B.) Amtliche Meldung aus dem Hauptquartier. Im Kaukasus hat der Feind sich auf die zweite Linie seiner Stellungen zurück⸗ gezogen und große Verluste erlitten. Wir haben eine Anzahl Gefangene gemacht. Unsere Offensive dauert fort.

Konstantinopel, 11. November. (W. T. B.) Amtliche Meldung aus dem Hauptquartier. Unsere Truppen, die die ägyptische Grenze überschritten hatten, haben die Stellung von Scheikzar und das Fort El Arisch besetzt; wir haben den Engländern vier Feldgeschütze und Feldtelegraphen⸗ material abgenommen 3 8

Statistik und Volkswirtschaft.

Gemeinnützige Rechtsberatung im Großherzogtum Baden im Jahre 1913.

Seit einigen Jahren wird von der Ahteilung für Arbeiterstatistik im Kaiserlichen Statistischen Amt auf Grund jährlicher Sonder⸗ erhebungen über die Tätigkeit der Einrichtungen zur Erteilung von Rechtsauskunft und Gewährung von Rechtsschutz an minderbemittelte Voltskreise berichtet. Bei dieser Statistik handelt es sich nur um nicht gewerbsmäßig betriebene Einrichtungen und deren Geschäfts⸗ tätigkeit; außer acht gelassen ist serner auch die einschlägige umfang⸗ reiche Tätigfeit der ordentlichen Gerichte und der Sondergerichte (Gewerbe⸗, Kaufmanns⸗, Schiedsgerichte), der Behörden für Arbeiter⸗ und Angestelltenversicherung, der Handwerks ammern und der Poltzei⸗ ämter in den großen Städten. In der in dieser Weise be⸗ grenzten Statistik der gemeinnützigen Rechtsauskunft nimmt das Großherzogtum Baden verhältnißmäßig große Zahlen in Anspruch und liefert dadurch den Beweis, daß der Sinn für den Wert dieses Zweiges sozialer Hilfstätigkeit in Baden besonders ausgeprägt ist. Die amtlichen „Statistischen Mitteilungen über das Großherzog⸗ tum Baden“ (Septemberheft 1914) stellen fest, daß die Erhebung für das Jahr 1913, die für die zusammenfassende Berichterstattung der Ab⸗ teilung für Arbeiterstatistik im Kaiserlichen Statistischen Amt das Unterlagenmaterial bildet, 45 gemeinnützige Rechtsauskunftstellen in Baden ergeben hat.

Es bestanden 4 städtische Rechtsauskunftstellen, und zwar in Freiburg, Pforzbelm, Mannheim und Karlsruhe. Die letztere ist mit dem städtischen Arbeitsamt verbunden. Insgesamt sind im Jahre 1913 von diesen 4 Stellen 18 727 Auskünfte erteilt worden.

Rechtsauskunft⸗ und Rechtsschutzstellen für Frauen gab es 7 im Lande, und zwar in Baden⸗Baden, Heidelberg, Konstanz, Lörrach, Mannheim, Freiburg und in Karlsruhe. Im ganzen wurden von diesen von Frauenvereinen eingerichteten Stellen während des Berichtsjahres 4164 Auskünfte erteilt, wobei zu beachten ist, daß das Geschäftsjahr bei 4 Auskunftstellen (Karlsruhe, Konstanz, Lörrach, Mannheim) vom 1. April 1913 bis 31. März 1914 lief. Der Verein Rechtsschutz für Frauen und Mädchen in Mannheim erteilte allein 2393 Auskünfte und fertigte 1196 Schriftsätze an.

In Arbeitnehmervereinigungen bestanden bei den freien Gewerkschaften 16 derartige Einrichtungen, von denen 5 mit Arbeitersekretarigten und 11 mit Kartellstellen verbunden waren. Die Gesamtzahl der Auskünfte bezifferte sich bei den ersten 5 auf 35 190 und die Zahl der gefertigten Schriftsätze auf über 8000, bei den 11 letzteren auf 2079 bezw. über 400. Das Arbeitersekretariat Mannheim insbesondere erteilte 16 588 Auskünfte und fertiate 3857 Schriftsätze an. Die deutschen Gewerkvereine (H. D.) unterhielten im Jahre 1913 eine Rechtsauskunftstelle in Mannheim; es wurden von ihr im Berichtsjahr 394 Auskünfte erteilt und 81 Schriftsätze angefertigt. Bei christlichen Gewerkschaften wurden von 2 Rechtsauskunftstellen (Feiburg und Lahr) 80 Auskünfte erteilt und 22 Schriftsätze abgefaßt. Zu den Rechtsauskunftstellen unabhängiger Arbeitervereine ist diejenige des Badischen Eisenbahnerverbands in Karlsruhe zu rechnen; ihre Geschäftstätigkeit im Berichtsjahre belief sich auf 2356 Auskünfte und 1461 Schriftsätze.

Rechteauskunftstellen von Arbeitgebern weist die Statistik für 1913 im Großberzogtum nicht auf; dagegen berichtet sie über 10 kon⸗ fessionelle Rechtsauskunfistellen. 1 evangelische und 9 katholische. Das neueingerichtete evangelische Volksbureau in Freiburg erteilte in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1913 zusammen 38 Aus⸗ künfte und fertigte 21 Schriftsätze an. Bei den 9 Volksburzaus und (katholischen) Arbeitersekretartaten erreichte die Zahl der Auskünfte insgesamt 22 064 und die der angefertigten Schriftsätze 6456. Von Rechtsauskunftstellen volitischer Vereinigungen ist nur die des liberalen Volksvereins in Donaueschingen aufgeführt, die im Berichts⸗ jahre 150 Auskünfte erteilte und 15 Schriftsätze anfertigte.

3 Rechtsauskunftstellen von Privatangestelltenverbänden, TGls in Mannheim, erteilten 85 Auskünfte und fertigten 21 Schrift⸗

Alles in allem haben die 45 badischen Rechtsauskunftstellen minderbemittelte Volkskreise im Jahre 1913 rund 85 000 Auskünfte erteilt und gegen 21 000 Schriftstücke für die um Rat Nachsuchenden angefertigt.

Vergleichsweise sei für die an Baden angrenzenden Linder mit⸗ geteilt, daß im Jahre 1913 in Bayern links des Rheins (Pfalz) von 15 Auskunftstellen 9997 Auskünfte erteilt und 2828 Schriftsätze ge⸗ fertigt wurden; für ganz Württemberg betrugen diese Zahlen in gleicher Reihenfolge 21, 42 156 und 4258, für das Großberzogtu HeNeren 33 376 und 8746 und für Elsaß⸗Lothringen 14, 50 12 un 2

Wohlfahrtspflege.

Der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen wurde eine bedeutende Spende zuteil, un zwar 50 000 aus einer unter den Mitgliedern des Verbande mittlerer Reichspost⸗ und Telegraphenbeamten ver

anstalteten Sammlung. Das Präsidium der Nationalstiftung hat dem Verbande den wärmsten Dank für diesen glänzenden Beweis des

Patriotismus zum Ausdruck gebracht. An weiteren Spenden sin

der Nationalstiftung u. a. überwiesen worden von der Firma A. Borsig in Borsigwert (Oberschlesien) wiederum 3700 ℳ, insgesamt bis jetzt als Ergebnis einer Samm⸗ lung unter den Beamten und Arbeitern 14 900 ℳ, als erste Rate einer Sammlung des Hilfskomitees der Stadt

Mouson (Amerika) 2074 ℳ. Von Frau Justizrat E. F. ist der

Nationalstiftung ein Legat in Höhe von voraussichtlich 5000 zu gefallen. Auch von anderer Seite sind ihr bedeutende Summen testamentarisch vermacht worden. Die Nationalstiftung bedarf noch ganz erheblicher weiterer Mittel; auch werden gute Staatspapiere und Obliganonen entgegengenommen von den bekannten Zahlstellen sowie dem Bureau in Berlin NW. 40, Alsenstraße 11. 8 Von dem Lehrkörper der juristischen Falkultät der Berliner Universität sind dem Kriegsausschuß für warme Unterkleidung“ 2000 überwiesen worden. ““

Der Andrang der Arbeitslosen in Groß Berlin ist wesentli dadurch gemildert worden, daß seit dem Beginn des Krieges eine große Zahl von Arbeitskräften zu Schanzarbeiten vermittelt werden konnte. Im ganzen sind von Anfang August bis Anfang November 30 000 Arbeitskräfte aus Groß Berlin und zu einem Teil aus der weiteren Provinz Brandenburg für Schanzarbeiten beschafft worden. Die beträchtliche organifatorische Arbeit, die hiermit verbunden war, ist vom Zentral verein für Arbeitsnachweis in Berlin unter

Mitwirkung des Verbandes märkischer Arbeitsnachweise ge⸗ leistet worden. Die Schanzarbeiter erhalten außer freier Fahrt, Be⸗

herbergung, Verpflegung einen Tageslohn von 3—4 ℳ. Daß die ver⸗

mittelten Leute mit der Beschäftigung im ganzen recht zufrteden sind, ergibt sich aus einer von einem Kolonnenführer an den Verwalter eines

Arbeitsnachweises gerichteten Mitteilung, in der es heißt: „Befind

mich mit meinen sämtlichen Mannschaften bei der Festungsbau⸗ kompagnie Nr. Die Behandlung und Verpflegung ist einfach großartig, auch die Arbeit leicht und jedem zu empfehlen. Wir hoffen, den Winter über hier zu bleiben, und werden Ihnen keine Schande machen.“

Kunst und Wissenschaft.

Deutsche Zukunft und deutsche Kunst.

„Der rückwärts gewendeten Betrachtungen über den Zusammen⸗ bruch des bisherigen Zustandes von Europa fängt man an genug zu haben. Wir müssen versuchen, die Umrisse dessen, was kommt und wird, zu fassen“. So leitet im dritten Kriegsheft der „J 1 nationalen Monatsschrift für Wissenschaft, und Technik“ (Einzelhefte —,25. Verlag von C. Teubner, Leipzig⸗Berlin), der Heidelderger Kunsthistorike Karl Neumann setne vom Wesen deutscher Kultur und deutscher Kunst im besonderen handelnden Ausführungen ein, die Wege zur deutschen Zutunft und einer wahrhaft deutschen Kunst in ihr weisen. „Alles kommt darauf an“, führt der Verfasser aus, „ob si ein Wille zu nationaler Kunst in allen maßgebenden Kreisen bilden kann, der sich auf deutsche Ueberlieferung besinnt. Wenn sich der Deutsche mit bunten Lappen fremder Kunst behängt, seine Flitter von Yokohama bis Parts zusammensucht und sich als Aesthet seiner Kenner⸗ schaft brüftet, ist es dann verwunderlich und nicht vielmehr selbstve ständlich, was wir dann eintreten sehen? daß sich nämlich ernst tüchtige Deutsche von solchem Aesthetengesindel abwenden und einen heisigen Zorn gegen Kunst überhaupt in sich aufbringen. Ich verachte solche Stimmen gar nicht. Sie sind ehrlich und treffen eine Art Wahr⸗ heit. Sie irren zwar, indem sie glauben, in einer Zeit, die starke und stärkste Nerven fordert, sei für Kunst kein Pla⸗ weiter; sie irren, indem sie glauben, Kunst sei eine Sach schwacher Nerven. Goethe und Rembrandt hatten feine Kunst⸗ nerven, aber keine schwachen Nerven. Aber jene Stimmen haben nach einer anderen Seite recht. Was sie fürchten, fürchten auch wir anderen seit langem und leiden darunter Nämlich unter dem Zu⸗ stand einer Kunstbetätigung, die in engen Kreisen von Angebot un Nachfrage Sport und Luxus ist, ein Fremdkörper, der nicht aus dem tiefen und dauernden Leben der Nation geboren ist. Das Volk unserer Landwehr, unserer Riesenmörser, muß diese internationalen Tanz⸗ meistervorstellungen des Graziösen, Schicken und Puppenhaften aus rotten, womit eine gedanken⸗ und gefühllose Mehrheit ihre Kunse begriffe verbindet. Viel ist schon ge chehen, aber lange nicht genug, bis wir unsere großen alten Meister nicht bloß als ein Kapitel inter⸗ nationaler Kunstgeschichte, sondern als ein levendiges Stück von uns selber begreifen lernen, bis wir die Riemenschneider und Altdorfer, die Grünewald und Dürer, die wundersamen Kupferstecher de 15. Jahrhunderts nicht mehr „häßlich“ finden, weil sie die akade⸗ mische Richtigkeit vermissen lassen, nicht mehr brüchig und eckig finden, weil sie keine italienischen Posen zur Schau tragen, bis wir aufhören, Grazie als Bestandteil deutschen Wesens und deutscher Kunst zu fordern. Wenn jetzt aus dem Schmelz⸗ tiegel dieses Krieges und seiner furchtbaren Glut nicht Einsich und Antrieb und Einkehr kommt, dann ist eine der ganz großen Ge⸗ legenheiten vervaßt. Hierbei ist weniger auf die Künstler al auf das Publikum zu rechnen. Das 19. Jahrhundert hat die Künstle mit dem Dogma ihrer Souveränität mehr als je in ihren Werkstätte abgesperrt. Der feste Halt an einem sicheren Kunstwillen und Ver⸗ langen des Publikums hat ihnen gefehlt. Etwas derart muß sich in uns neu bilden, eine stille Uebereinstimmung der Geister, ein Be⸗ sinnen auf uns selber, ein Erkennen des Programms, das doch trotz Abweichung und Untreue seit hundert Jahren klar vor Augen steht. Wir alle müssen fühlen und einsehen lernen, was wir nicht wolle und dann, was wir wollen. Besonders können dabei auch unsere deutschen Frauen helfen, die sich von der französischen Frauenmode befreien müssen, dieser Hoch⸗ und Zwingburg des Franzosentums. Ob das furchtbare Geschick unseres Nachbarstaates, der, man weiß warum,

zusammenbricht und in eine Art von Hellenismus vor Bildungs⸗

fermenten ohne politische Kraft degenerieren wird, bekehrend wirken kann? Sicher wäre es für die Zukunft unserer nationalen Kunst das Verhängnisvollste von allem, wenn in Sachen des Geschmacks unsere tonangebende Frauenwelt im feindlichen Lager steht. Es wäre die gefährlichste Klippe unserer Hoffnungen. Wenn dieser Krieg in seinen Früchten seine Rechtfertigung letztlich zu erbringen hat, so gilt es, den Maßstab festzuhalten, den seine ungeheuere Kraftanstrengung so wunderbar gesteigert hat. Der Krieg wirkt auf die Schätzung aller Dinge wie ein Sieb mit vergrößerten Löchern. So manches, dem die Lautheit der öffentlichen Meinung eben noch Ansehen gab, fällt wie Spreu durch die Löcher dieses Siebes. Kaum ein Uiteil, das nicht der Krieg grausam unerbittlich zur Repision angemeldet hätte. Es ist, als ob uns ganz andere Augen gewochsen wären. Mit diesen ver⸗

änderten und geschärften Sinnen wollen wir uns nach dem Krieg

wieder sprechen und sehen, welches die deutsche Kunst sein wird, die dann möglich und die erträglich ist. Ueber Nacht kann sie nicht kommen, und man kann sie auch nicht „machen“. Den Boden für ihre Saat zu bereiten, dazu kann ein jeder von uns helfen“. 8 Gleicher Beachtung, wie dieser Aufsatz, sind die anderen Beiträge gewiß, die teils die Vorgeschichte des Krieges beleuchten, teils vom Standpunkt des Theologen und Juristen unser Recht in ihm prüfen. Auch dieses dritte Kriegsheft der Monatsschrift gibt uns selbst und denen draußen wertvolle Aufschlüsse über die wahren Ursachen des Krieges, Maßstäbe zu seiner Beurteilnng und Ausblicke auf die Zu⸗

kunft nach ihm.

Den Tod für das Vaterland starb der außerordentliche Professor für Ktrchengeschichte an der Universität in Kiel D. Dr. Heinrich Hermelink. In Westindien als Sohn eines Missionars geboren, hatte er in Tübingen seine Studien vollendet und war von 1901 ab an der Tübinger Universitätsbibliorhek und dann am Stuttgarter Staats⸗ archiv tätig, bis er sich im Jahre 1906 in Leipzig habilitierte. Im Jahre 1913 wurde er als außerordentlicher Professor für Kirchen⸗ geschichte nach Kiel berufen.

Die Rheinische Gesellschaft für wissenschaftliche Forschung schreibt folgende drei Preisaufgaben aus dem Ge⸗ biete der menschlichen Mesah tte aus: 1) Die Materialien sind zu⸗ sammenzustellen für die Erörterung der Frage nach den Landes⸗ verbindungen, die zur Tertiär⸗ und Quartärzeit im Atlantischen Ozean und im Mittelmeer für die Wanderungen der Primaten be⸗ standen haben. 2) Die Tatsachen sind zusammenzustellen und zu er⸗ zrtern, die auf einen zeitlichen oder ursächlichen Zusammen hang zwischen der Umbildung der Tierwelt (und des Menschen) und den klimatischen Aenderungen während der jüngsten Terttärzeit und der Diluvialzeit hindeuten. 3) Welche anatomischen und phvsiologischen Anhaltspunkte sind vorhanden zur Erklärung des aufrechten Ganges beim Menschen? Die Arbeiten sind in deutscher Sprache abzufassen und bis zum 1. Januar 1916 mit Motto versehen an den Vor⸗ sitzenden der Gesellschaft in Bonn einzusenden. Der Preis beträgt für jede Aufgabe 800 ℳ. 8

8

Literatur.

Die Rüstungsausgaben des Deutschen Reichs. Von M. Erzberger, Mitglied des Reichstags. (Finanzwirtschaftliche Zeitfragen, berausgegeben von Reichsrat, Professor Dr. Georg von Schanz in Würzburg und Geheimem Regierungsrat, Professor Dr. Julius Wolf in Berlin, 14. Heft.) 73 Seiten. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Preis 3 ℳ. Der Verfasser dieser Schrift gibt zunächst einen Ueberblick über die Gesamtausgaben des Reichs für das Landheer und die Mäarine seit dem Jahre 1872 und ihre Gliederung nach den Hauptverwendungszwecken, aus dem auch ersichtlich wird, welcher hohe Prozentsatz von den sächlichen Ausgaben für Bauten und Lieferuͤngen aller Art an private Unternehmungen geht; er zeigt, wie die gewaltige Steigerung der Rüstungsausgaben im Ver⸗ hältnis steht zu unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ins⸗ besondere auch zu der des deutschen Außenhandels. Dann folgt ein lehrreicher Vergleich der Ausgaben der Großmächte für das Landheer und die Marine im ganzen und auf den Kopf der Bevölkerung für die letzten zehn Jahre, der ergibt, daß für 1913 die Gesamtbelastung auf den Kopf der Bevölkerung in Großbritannien 33,05 ℳ, in Frankreich 29,67 ℳ, in Deutschland 21,86 ℳ, in Italten 15,30 ℳ, in Oesterreich⸗Ungarn 11,67 ℳ, in Rußland 11,10 ℳ, in den Vereinigten Staaten von Amerika 10,50 ℳ, in Japan 7,40 betrug. Wenn diese Zahlen auch keinen absolut richtigen Maßstab darstellen, weil die Verbältnisse in den einzelnen Ländern zu verschieden sind, z. B. der Unterschied in der Löhnung eines deutschen und eines französischen Soldaten (bei uns 30 ₰, in Frank⸗ reich nur 4 bis 8 für den Tag), ebenso in den Bezügen der Offiziere, bei den Bauten, bei dem Rüstungsmatertal usw. sehr groß, auch der Nationalwohlstand ungleich ist, so sind sie doch beachtenswert. Im Anschluß an die Feststellung der gewaltigen Steigerung der Rüstungsausgaben namentlich im letzten Jahrzehnt beantwortet der Verfasser die Frage, ob Deutschland der Rüstungstreiber sei. Er verneint sie und erblickt die Ursachen jener schnellen Steigerung einer⸗ seits in den „sich nahem überstürzenden Neuerungen der Technik“, andererseits in der „von einem internationalen S be⸗ triebenen Einkreisungspolitik gegenüber Deutschland“, was durch Gegenüberstellung der von Deutschland und der von Frankreich, Ruß⸗ land und Großbritannien getroffenen Rüstungsmaßnahmen bewiesen wird. Weitere Abschnitte behandeln die bisher gemachten Vorschläge einer internationalen Beschränkung der Rüstungen, die der Verfasser in Uebereinstimmung mit den im Wortlaute wiedergegebenen Aus⸗ führungen des Reichskanzlers Dr. von Bethmann Hollweg über die Abrüstungsfrage in der Reichstagssitzung vom 30. März 1911 für undurchführbar hält, den Umfang sowie die Vorteile und Nachteile der Beschaffung der Rüstungsgegenstände durch reichs⸗ eigene Rüstungswerkstätten und durch die Privatindustrie, die Frage einer allgemeinen Verstaatlichung der Rüstungetndustrie, die abgelehnt wird, weil sie schwere Nachteile für die deutsche Volkswirtschaft zur Folge haben würde, die Wirtschaftlichkeit der Rüstungsausgaben, „Rustungsindustrie und technischen Fortschritt“, „Rüstungen und Finanzen“. Der Wert der Schrift liegt in den übersichtlichen Zu⸗ sammenstellungen schwer zugänglichen, in vielen amtlichen Veröffent⸗ lichungen der verschiedenen Staaten zerstreuten Materials.

Dem Oktoberheft der im Verlage von J. Bensheimer, Mann⸗ heim, Berlin und Leipzig erscheinenden „Rheinischen Zeitschrift für Zivil⸗ und Prozeßrecht“ schicken die Herausgeber Josef Kohler, Albrecht Mendelssohn⸗Bartholdy, Max Pagenstecher, Ernst Rabel die folgende Erklärung voraus: Unsere Zeitschrift ist gegründet worden, um auf dem Gebiet des Privatrechts und Zivilprozesses den wissenschaftlichen Austausch unter den Kulturstaaten zu fördern. Zumal den geistigen Zusammenhang mit dem französischen Recht suchten wir zu pflegen. Im Frieden glaubten wir diese Wacht am Rhein balten zu können. Heute ist es an uns Lehrern der Rechtswissenschaft, laut vor allem Volk der Erde zu bezeugen, daß die deutschen Heere, die wieder schützend vor unserm Strome stehen, für das Recht, für das heilige gute Recht streiten. So gewiß die Feinde des Rechtes sind rohe Ge⸗ walt, leidenschaftsblinde Rache und scheele Gewinnsucht, so gewiß ist Deutschland im Recht mit seinem Kampf gegen die russische Großfürsten⸗ partei, gegen die französische Revanche, gegen das englische Ministerium und Parlament. Jeder Deutsche weiß heute, daß er sich als Hüter der schwer bedrohten Gesittung fühlen muß. Keiner darf wanken in der Er⸗ füllung der hochgespannten Pflicht. Auch die deutsche Wissenschaft darf in keiner ihrer Arbeiten, ob groß oder klein, zaudern; am wenigsten dürfen die Bemühungen stocken, durch die dereinst, wenn der irre Haß unserer Gegner gebrochen sein wird, die Gemeinbürgschaft der Bildung und des Rechtes neu befestigt werden kann. Deshalb setzen wir im Einverständnis mit dem opferbereiten Verleger unsere Zeitschrift fort. Wir wollen unsern Freunden im Ausland ein Zeichen davon geben, wie ernst es jedem Deutschen auch in Kriegszeiten mit dem Recht ist. .

8 Land⸗ nud Forstwirtschaft.

Getreideanbau in Argentinien.

Die argentinische Tageepresse veröffentlicht aus dem ersten Bericht des Direktors der statistischen Abteilung im argentinischen Landwirt⸗ schaftsministerium folgende Schätzungen über den Anbau von Getreide für die Ernte 1914/15:

Die Anbaufläche in ganz Argentinien wird geschätzt für

bb8ee09 ba v11732 000 ha kbö111178090 ho. 8

Wenn diese Schätzung richtig ist, würde die Anbaufläche für diese

Erzeugnisse im ganzen 470 000 ha = 5 % weniger betragen als im

Vorjahre, nämlich

für Weizen. 308 000 ha = 5 % weniger, Leinsaat 55 000 ha = 3 % weniger und Hafer 107 000 ha = 9 % weniger.

Die Abnahme der Anbaufläche ist, namentlich in den Provinzen Buenos Aires, Santa und Entre Rios, auf die andauernden Regengüsse seit April d. J. und auf die dadurch hervorgerufenen Ueberschwemmungen zurückuführen. In einigen Gegenden des Landes wird die Abnahme auch auf eine Ausdehnung der Maiskultur zurück⸗ geführt. Die Aussichten für das Ergebnis der bevorstehenden Ernte sind bis jetzt so günstig, daß man annimmt, der an sich schon ver⸗ hältnismäßig nur geringe Ausfall der Anbaufläche werde durch den ergiebigen Ertrag mindestens ausgeglichen werden.

Der Ertrag für 1 ha wird durchschnittlich geschätzt bII 111164* ö11öö“]; öb1II1X*“”“

Danach würde die Gesamternte ergeben: süͤre etzen .11167616X Leinensaat . .....170 t und c8 . 1 336 000 t.

(Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats in Buenos Aires vom 5. Oktober d. J)

Waäashington, 9. November. (W. T. B.) Der heute zur Veröffentlichung gekommene amtliche Bureaubericht enthält über Mais folgende Angaben: Der Durchschnittsertrag für den Acre betrug am 1. November 25,8 Bushels gegen 25,5 Bushels am 1. Oktober und 23 Bushels zur gleichen Zeit des Vorjahres. Der allgemeine Qualitätsdurchschnitt wird mit 85,1 % gegen 72,9 % am 1. Oktober und 95,8 % zur gleichen Zeit des Vorjahres angegeben. Der Ertrag wird auf 2 705 692 000 Bushels gegen 2 676 000 000. Bushels am 1. Oktober und 2 446 988 000 Bushels im Vorjahr ver⸗ anschlagt. Die Bestände an Mais alter Ernte beliefen sich am 1. November auf 80 069 000 Bushels gegen 137 972 000 Bushels im Vorjahr. Die Durchschnitisgewichte betrugen für Weizen 58,0 (58,6 im Vorjahr), für Hafer 31,5 (32,1) und für Gerste 46,2 (46,5) Pfund für den Bushel. Der Ertrag der Rübenzuckerernte wird auf 5 147 000 t geschätzt; im Vorjahre betrug die Ernte 5 293 000 t.

esundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Verwundetenfürsorge im Seekrieg. In seinem in der „Wiener Klinischen Wochenschrift“ veröffentlichten Vortrag über Ver⸗ wundetenfürsorge weist der Professor von Eiselsberg (Wien) auch darauf hin, wie grundverschieden die Verhältnisse im Seekrieg von dem Kampf auf dem Lande sind, sodaß auch die Fürsorge für die Verwundeten eine ganz andere Grundlage haben muß. Während beim Kampf zu Lande das Bestreben der Gegner ist, möglichst viele Truppen außer Gefecht zu setzen, ist im Seekrieg die Hauptabsicht nicht sowohl auf die Vernichtung der feindlichen Soldaten als auf die des feind⸗ lichen Schiffs gerichtet. Daher ist die hauptsächlichste Waffe des Seekriegs die schwere Artillerie, die aus großer Entfernung das feind⸗ jiche Schiff mit ihren schweren Geschossen zu zerschmettern sucht. Dazu kommen noch Minen und Torpedos für den Nahekampf. In den letzten Kriegen war diese Waffe noch unbekannt, hier spielte die schwere Artillerie noch die ausschlaggebende Rolle, wie sie es bei einem Gefecht zwischen Panzerschiffen auch noch weiter tun wird. Im russisch⸗japantschen Krieg waren drei Viertel aller Seekriegsverletzungen durch Artilleriegeschosse veranlaßt und nur ein Viertel durch Minen und Torpedos. Bei der eigentlichen Seeschlacht ist die Schiffsmann⸗ schaft auf engstem Raum und in kürzester Zeit einer Menge der schwersten und eigenartigsten Verletzungen ausgesetzt, Quetschungen, Zerreißungen, Zermalmungen, wozu noch durch die Wirkung der Gase chemische Schädigungen der mechanisch zerquetschten Gewebe hinzukommen. Es kommen hier vorwiegend Wunden von größerer Ausdehnung vor, oft mehrere, selbst massenhafie Verletzungen an einem Blessierten. Die Verwundeten können nun nicht sofort vom Schiff entfernt werden. Deshalb muß schon beim Bau des Schiffs auf die Lage und Zu⸗ gänglichkeit des Hauptverbandplatzes, der Lagerungeplätze usw. Rück⸗ sicht genommen werden. Der Verbandplatz muß tunlichst vor feind⸗ lichem Feuer geschützt, also unter Panzerdeck gelegen sein; er muß durch günstige Ventilationsanlagen gut gelüftet werden, er muß neben elektrischem Licht zur Aushilfe auch eine Kerzenbeleuchtung haben, Wasser, steriles Verbandmatertal, Tragbahren, Hänge⸗ matten sowie besonders geschulte Krankenträger müssen zur Verfügung stehen. Auch die vorbereitende Hygiene darf nicht aus dem Auge gelassen werden: Die Stunden vor einem zu erwartenden Treffen sind zu allen nötigen und zweckdienlichen Vorbereitungen zu benutzen; außer auf Sauberkeit des Körpers ist auf Anlegen reiner Wäsche und Kleider zu achten, damit Wundinfektionen durch schmutzige Hüllen möglichst vermieden werden. Einführen von Watte zum Ohrschutz, Rauchbinden gegen giftige Geschoßgase gehören zu diesen Vor⸗ kehrungen. Bei dem oft massenhaften Andrange von Blessierten zum Verbandzimmer kann in jedem Einzelfall nur das Aller⸗ notwendigste von erster Hilfe geleistet werden. Erst nach Beendigung des Gefechts können die Verwundeten von dem Verbandplatz an höher gelegene frische Laft und in Räume gebracht werden, die nakürlicher Beleuchtung zugänglich sind. Die nächste Auf⸗ gabe ist dann die Entfernung der Verwundesen von dem Schiff. Solange der Keiegsschauplatz in der Nähe der heimischen Kusten sich befindet, würde die Ueberfühtung in Lazarette auf dem Lande wohl angängig sein. Spielt sich der Kampf aber in feindlichen Gewässern ab, so hört die Möglichkeit, die Verwundeten an Land zu bringen auf. Dann dienen zu ihrer Aufnahme Lazarettschiffe und Hilfslazarettschiffe, auf denen die Verwundeten nach der vaterländischen Küste geschafft werden sollen. Auf den Lazarettschiffen kann natürlich eine bessere Krankenpflege und auch operative Hilfe geleistet werden. Diese Schiffe sind mit Röntgenkabinett, mit Räumen für elektro⸗ medizinische Apparate, mit medikomechanischer Einrichtung, medizinischen Bädern und Liegehallen und natürlich auch mit Operationsräumen versehen. Auch eine zahnärztliche Abteilung be⸗ findet sich auf ihnen. Sie haben maschinelle Vorrichtungen zu Auf⸗ zügen, zur Herstellung von Eis, zur Destillierung von Wasser, zur Desinfektion u. a. m. Selbstverständlich wird ein modernes Lazarett⸗ schiff auch eine Anlage für drahtlose Telegraphie haben. Es kenn⸗ zeichnet die Art der Kriegführung der Engländer, daß sie diese Selbst⸗ verständlicheit zum Vorwande nahmen, um gegen alles Völkerrecht und gegen alle Kriegsgebräuche gesitteter Nationen ein deutsches Lazarettschiff zu beschlagnahmen. 1 3

8 Die Ortsbestimmung im Luftschiff. In den ersten Zeiten der Luftschiffahrt, als der Ballon ein willenloses Spiel des Windes war und sich nur kurze Zeit in der Luft zu halten vermochte, war ein Bedürfnis nach Orientierung für die Insassen eines Ballons kaum vorhanden. Sie schwebten nicht in sehr beträchtlicher Höhe, sodaß sie den Weg, den der Ballon sie über die Erde führte und den sie nach ihrem Willen zu lenken ganz und gar nicht imstande waren, einigermaßen vom Ballon aus durch den Anblick der Erde verfolgen konnten; zudem mußten sie ja bald wieder auf die Erde niedergeben und erfuhren dann ganz genau, wohin sie von ihrem Aufstiegepunkt entführt waren. Das hat sich erst in den letzten zwanzig Jahren geändert. Erst seit die Bemühungen, ein lenkbares Luftschiff zu bauen von Erfolg gekrönt waren, stellte sich die Notwendigkeit heraus, nun auch im Ballon sich genauer zurecht zu finden, um das Luftschiff durch den Luftozean mit derselben Sicherheit zu steuern, wie es der Kapitän und Steuermann eines Seeschiffs tun, die den Weg durch die endlose Wasserwüste, die sie tage⸗ und wochenlang umgeben, mit stets unbeirrter Sicherbeit

finden. Die Methoden, die sie hierbei anwenden, versucht man natürlich

1,8 8 8 1u“ 1

auch auf die Steuerung der Luftschiffe zu übertragen. Zunächst ist es der

Kompaß, die treue Magnetnadel, die dauernd nach Norden weist und dadurch wenigstens überall eine bestimmte Richtung angibt. Aber sie weist doch nur ungefähr nach Norden, ihre tatsächliche Richtung weicht von der genauen Nord⸗Südrichtung des M ridians etwas ab, sie hat eine „Mißweisung“, die noch dazu an den verschiedenen Orten der Erd⸗ und Meeresoberfläche recht verschiedene Werte hat, und die sich über⸗ dies von Jahr zu rahr ändert. Es ist ja bekannt, wie beunrah’gend diese Tatsache auf Columbus wirkte, als er sie bei seiner großen Ent⸗ deckungsfahrt, die ihn nach der Neuen Welt führte, feststellte. Im Lauf der Zeit ist aber der Wert dieser Abweichung, die sogenannte Deklination der Marnetnadel und das Gesetz ihrer Aenderung für alle Punkte der Erd⸗ und Meeresober fläche genau festgestellt worden, sodaß ein Irrtum für den Seemann beim Suchen der Richtung, in der er sein Schiff steuern muß, nicht mehr zu befürchten ist. Anders dagegen verhält es sich bei dem Luftschiffer. Für ihn bildet der Kompaß keineswegs einen ebenso untrüglichen Weiser einer bestimmten Richtung, wie es zu Lande und zu Wasser der Fall ist. Das zweite große Orientierungsmittel zu Wasser und zu Lande ist die Beob⸗ achtung der Himmelskörper. Sie gestattet die geographische vänge und Breite eines Ortes festzustellen, sodaß auf einer Karte jederzeit der Punkt angegeben werden kann, an dem der Beobachter sich gerade befindet. Natürlich ist auf dem Meere die Benutzung der In⸗ strumente, die zu astronomischen Ortsbestimmungen dienen, etwas schwieriger als auf dem Lande, da ja das be⸗ wegte Schiff keinen festen ruhenden Standort darstellt, namentlich bei stürmischem Wetter werden die Schwankungen des Schiffs so stark, daß eine Ortsbestimmung kaum noch in Frage kommt. Im Luftschiff gestaltet sich diese Aufgabe naturgemäß noch schwieriger, doch sind in den letzten Jahren mit der großartigen Ent⸗ wicklung, die die Luftschiffahrt vor allem durch die Bemühungen des Grafen Zeppelin genommen hat, verschtedene Meßmethoden und Meß⸗ instrumente für diesen Zweck eronnen und ausgeführt worden. Für die Höhenmessung eines Gestirns, die ja hauptsächlich in Frage kommt, ist ein besonderer Libellenguadrant gebaut worden, mit dessen Fernrohr das Gestirn direkt anvisiert wird. Die Alhidade, auf der eine Libelle angebracht ist, wird dann gedreht, bis die ins Gesichtsfeld gespiegelte Libellenblase das im Fern⸗ rohr sichtbare Gestirn symmetrisch umspielt. Der Libellenquadrant trägt also seinen künstlichen Horizont in Gestalt der kieinen Libelle selbst an sich. Die Ortsbestimmung im Luftschiff ist natürlich nicht mit derselben Genauigkeit möglich wie auf dem Erdboden oder auf dem Seeschiff; doch vermag ein geübter Beobachter aus dem Mittel mehrerer Beobachtungen Abweichungen von mehr als 6 Kilometern zwischen dem berechneten und wirklichen Ort zu vermeiden. Zu den astronomischen Ortsbestimmungen treten vom Ballon aus natürlich noch in großem Umfang Erdbestimmungen.

Verkehrswesen.

Trotz der wiederholten Hinweise auf die Wichtigkeit der richtigen und deutlichen Adressierung der Feldpost⸗ sendungen hat die Zahl der unzulänglichen Aufschriften bis⸗ her keine Abnahme erfahren. Neben unrichtigen und unvoll⸗ ständigen Bezeichnungen der Truppenteile kommen namentlich auch zahlreiche Adressen vor, in denen der Absender diese An⸗ gaben nicht ausgeschrieben, sondern Abkürzungen dafür ange⸗ wandt hat, die dem Postpersonal unverständlich sind. Hierher gehören z. B. Abkürzungen wie „H. K. K.“ für „Höherer Kavallerie⸗Kommandeur“, „R. E. B. K.“ für „Reserve⸗Eisen⸗ bahn⸗Bau⸗Kompagnie“, „F. A. R.“, was „Feld“⸗ und „Fuß⸗ Artillerie⸗Regiment“ heißen kann, usw. Derartig unverständlich adressierte Sendungen geben Anlaß zu beklagenswerten Fehl⸗ leitungen. Die auf die Entzifferung meist ohne Erfolg ver⸗ wandte Zeit und Mühe hält die Bearbeitung der Sendungen mit ordnungsmäßiger Aufschrift auf. Die Postverwaltung hat sich daher genötigt gesehen, die Aufgabepostanstalten anzuweisen, Feldpostsendungen mit unverständlichen Abkürzungen des Truppenteils in der Adresse von der Beförderung allgemein auszuschließen und an den Absender unter entsprechender Ver⸗ ständigung zurückzugeben.

8 8 Theater und Mufik.

Morgen, Donnerstag, wird im Königlichen Opernhause „Fidelio“ in folgender Besetzung gegeben: Leonore: Frau Leffler⸗ Burckard, Marzelline: Frau Philivp⸗Dietrich als Gast, Minister: Herr Bachmann, Pizarco: Herr Bischoff, Florestan: Herr Unkel, Rocco: Herr Schwegler: Jacquino: Herr Heake; 1. Gefangener: Herr Philipp. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß.

Das Königliche Schauspielhaus bleibt morgen geschlossen.

Im Deutschen Theater findet am Freitag die Neuein⸗ studierung von Schillers Wallenstein⸗Trilogie mit der Erstaufführung von „Wallensteins Tod“ ihren Abschluß. Die Hauptrollen sind folgendermaßen besetzt: Wallenstein: Albert Basser⸗ mann; Octavto Piccolomini: Eduard von Winterstein; Max: Paul Hartmann; Terzky: Joseph Klein; Illo: Wilhem Diegelmann: Isolant: Friedrich Kühne; Buttler: Bruno Decarli; Wrangel: Werner Krauß; Gordon: Joseph Danegger; Deveroux: Alfred Breiderhoff; Maecdonald: Ernst Benzinger; schwedischer Haupt⸗ mann: Carl Ebert; Gefreiter: Eugen Klimm; Seni: Fritz Richard; Herzogin von Friedland: Hedwig Pauly; Gräfin Terzky: Rosa Bertens; Thekla: Else Heims. Die Bühnenbilder und Gewänder sind nach Entwürfen von Ernst Stern hergestellt. Spielleiter ist Max Reinhardt.

„Lohengrin“ wird das nächste Wagnersche Werk sein, welches im

Deutschen Opernhause erscheint. Die erste Aufführung ist für Mitte Dezember festgesetzt. Da die Vertreter der Hauptrollen zu⸗ gleich in der „Walküre“ beschäftigt sind und sie nicht gleichzeitig die anstrengenden Proben zu „Lohengrin“ mitmachen können, sieht sich die Direktion veranlaßt, vorher eine Oper anderer Art, zur Beschäftigung des übrigen Teils ihres Personals, nämlich „Fra Diavolo“ einzu- studieren. Die erste Aufführung dieser komischen Oper findet in der zweiten Hälite des November statt. SHenrik Ibsens „Brand“ wird am Freitag (7 ½ Uhr) im Theater in der Königgrätzer Straße zum ersten Male in dieser Spielzeit, mit Georg Henrich und Anna Ernst in den Hauptrollen, aufgeführt. In der Rolle der Gerd stellt sich Fräulein Agda Nilsson vom Schau⸗ spielhaus in Bremen zum ersten Male vor.

Im Schiller⸗Saal in Charlottenburg findet am Mittwoch, den 18. d. M. (Bußtag) Abends, ein Geistliches Konzert unter Mitwirkung der Sängerinnen Marianne Alfermann von der König⸗ lichen Oper, Marie von Goetz, Elsa Keller, des Hofopernsangers Ludwig Fraenkel, des Violinvirfuosen Max Modern und des Pianisten Gustav Lazarus statt. Karten sind an der Kasse des Schillertheaters Charlottenburg zum Preise von 60 und 1 (einschließlich Kleider⸗ ablage und Zettel) zu haben.

Mannigfaltiges. Berlin, den 11. November 1914.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin besichtigte „W. T. B.“ zufolge heute vormittag eingehend den zur Abfahrt vach dem Sübosten bereitstehenden Vereinslazarettzug auf dem Schlesischen Güterbahn hofe. Ihre Majestät ordnete dabei an, daß sogleich eine größere Anzahl wollener Decken beschafft wurde, welche zur Beförderung an die Truppen dem Zuge noch mitgegeben werden konnten. 8