1914 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Nov 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Dem Kriegsministerium sind nach einer Mitteilung des „W. T. B.“ Anzeigen zugegangen, daß sich zweifelhafte Personen als Dolmetscher gemeldet und versucht haben, die ihnen für die Anbietung ihrer Dienste zugegangenen Dankschreiben des Kriegsministeriums zu mißbrauchen.

Es wird dringend davor gewarnt, diesen Personen deshalb zu vertrauen, weil sie sich im Besitze einer Mitteilung vom Kriegsministerium befinden, wonach sie dort vorgemerkt worden sind. Diese Vormerkung ist bei einer sehr großen Zahl von Personen erfolgt, die sich bei Kriegsbeginn zur Verfügung stellten. Eine Prüfung der Verhältnisse der einzelnen Personen konnte natürlich nicht stantfinden, hat bezw. hätte aber vor ihrer Verwendung im Heeresdienste stets stattgefunden. Die Mit⸗ teilung, die diese Leute in Händen haben, entspricht der Ge⸗ pflogenheit des Kriegsministeriums, jed m Antragsteller eine Antwort zu erteilen.

Die „Agence Havas“ verbreitet eine Meldung, nach der das Württembergische Landwehrregiment Nr. 123 in Gebweiler sich der Brandstiftung schuldig gemacht haben soll. Dabei sei gelegentlich einer Meuterei ein Soldat von seinem Vorgesetzten erschossen worden. Demgegenüber ist, wie „W. T. B.“ meldet, amtlich festgestellt: G

Das Württembergische Landwehrregiment Nr. 123 bat am 25. Ottober einen Angriff unternommen. Bei diesem Angriff wurden durch unsere Artillerie Häuser in der Ortschaft Sengern in Brand geschossen und Häuser, aus denen geschossen wurde, angezündet. Alle anderen Darlegungen über Vorkommnisse innerhalb des Regiments sind erlogen.

Auf Grund der Schlußbestimmung in Anlage C zur Eisenbahn⸗Verkehrsordnung hat das Reichseisenbahnamt unterm 5. d. M. verfügt, daß unter Nr Ia. Eingangsbe⸗ stimmungen. A. Sprengmittel. 2. Gruppe b) nachzutragen ist: Perdorfit und Neu⸗Leonit.

Das Nähere geht aus der Bekanntmachung in Nr. 98 des Reichs⸗Gesetzblattes vom 13. d. M. hervor.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ sind die Ausgaben 205, 206, 207 und 208 der Deutschen Verlustlisten beigelegt. Sie enthalten die S80. Verlustliste der preußischen Armee, die 54. Verlustliste der bayeri⸗ chen Armee, die 57. Verlustliste der sächsischen Armee und die 60. Verlustliste der württembergischen Armee.

Das oldenburgische Staatsministerium veröffentlicht nach⸗ Allerhöchstes Handschreiben Seiner Majestät es Kaisers und Königs an Seine Königliche Hoheit den

Großherzog Durchlauchtigster Fürst, freundlich lieber Vetter und Bruder!

Eure Königliche Hoheit haben Mich durch die Verleihung des Friedrich⸗August⸗Kreuzes hoch erfreut. Herzlichst danke Ich für diese Kriegsauszeichnung. Ich werde sie tragen zur Ehre der lepferen ö“ die bei jeder Gelegenheit Vortreffliches ge⸗ leistet haben.

Ich verbleibe mit den Gesinnungen unveränderlicher Hoch⸗

achtung und Freundschaft 8 8 8 Eurer Königlichen Hoheit

freundwilliger Vetter und Bruder Großes Hauptquartier, den 13. November 1914.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat folgendes Allerhöchste Handschreiben erlassen:

Lieber Feldzeugmeister Potiorek!

In zielbewußter, beharrlicher Durchführung wohlerwogener Entschlüsse ist es Ihnen im Verein mit der opferfreudigen, zähen Ausdauer und heldenhaften Tapferkeit Ihrer Truppen gelungen, entscheidende Erfolge an der Drina zu erreichen und weithin in des Feindes Land zu dringen. Mit hoher Befriedigung blicke ich auf meine Ihrer vielerprobten Führung anvertrauten Balkanstreitkräfte. Dankbarst gebe ich meiner pollsten Anerkennung Ausdruck, indem ich Ihnen das Millttärverdienstkreuz erster Klasse mit der Kriegs⸗ dekoration verleihe. Möge Gottes Segen Sie weiter geleiten auf ruhmvollen Bahnen.

Der 18g hat die Einführung zweier neuer Klassen zu bem bestehenden Militärverdienstkreuz genehmigt. Der Feldgen meister Potiorekerhielt als erster das Militärverdienst⸗ reuz erster Klasse mit der Kriegsdekoration.

Wie im bisherigen Verlaufe des Krieges es stets der Fall war, bot der Aufenthalt des ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Tisza in Wien auch diesmal Gelegenheit zu einer ingehenden Besprechung der Lage zwischen dem Minister des Aeußern und den beiden Regierungschefs. Wie das Wiener K. K. Telegraphenkorrespondenzbureau“ meldet, trat hierbei er schon wiederholt erörterte und von der deutschen Regierung ympathisch aufgenommene Gedanke neuerlich in den Vorder⸗ rund, das bestehende volle Einvernehmen zwischen den Ver⸗ ündeten durch eine mündliche Aussprache zu bekräftigen. Auf Anregung und Wunsch der Konferenz hat sich der Minister⸗ präsident Graf Tisza zu diesem Zweck gestern abend über Berlin in das deutsche Hauptquartier begeben.

Mit Rücksicht auf die traurige Lage, in der sich die heeee g. ungarischen namentlich in England befinden sollen, sind dem „K. K. Telegraphen⸗ Korrespondenzbureau“ zufolge in der letzten Zeit auch in Oesterreich⸗Ungarn die Maß nahmen besonders gegen die Engländer verschärft worden, indem außer weiteren Internierungen auch verfügt wurde, daß englische Staats⸗ angehörige ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes in der Zeit von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr früh die Wohnung nicht verlassen, öffentliche Lokale aber überhaupt nicht besuchen dürfen. Diese Verschärfungen bleiben solange aufrecht, als nicht die Gewißheit besteht, daß auch den öster⸗ reichischen Staatsangehörigen in England eine andere Behand⸗ lung zuteil wird. Die internierten Ausländer werden in Oesterreich⸗Ungarn überall gut behandelt, da dort nicht der Ehrgeiz besteht, barbarische Sitten nachzuahmen.

8 Großbritannien und Irland.

Das Unterhaus nahm in der Sitzung am 16. d. M. nach kurzer Debatte einstimmig die Bill zur Bewilligung eines Kredits von 225 Millionen Pfund Sterling an

und ermächtigte die Regierung, eine zweite Million Mann unter die Waffen zu rufen. 1 In der vorgestrigen Sitzung stellte der Premierminister Asquith in Beantwortung von Anfragen eine Sold⸗ erhöhung der unteren Rangklassen der Armee in Aus⸗ sicht und erklärte laut Bericht des „W. T. B.“ auf die Frage, welche Schritte die Regierung getan habe, um den Feinden die Zufuhr notwendiger Artikel abzuschneiden:

Die Regierung habe seit Beginn des Krieges keiner anderen Frage eine größere Aufmerksamkeit geschenkt. Es sei eine der schwierigsten Fragen hauptsächlich deshalb, weil es sich um Güter für den Feind

andele, die aus neutralen Ländern durch neutrale Schiffe ausgeführt würden und in erster Linie einen neutralen Bestimmungsort hätten. Wenn die Regierung willkürlich handele, so würde sie mit den Rechten der neutralen Mächte in Konflikt kommen. So belangreich es sei, dem Feinde mit allen gesetzlichen Mitteln das Kriegsmaterial, Lebensmittel und andere dringend not⸗ wendige Guͤter abzuschneiden, so sei es von ebenso großem Interesse, daß England nicht willkürlich gegen das Völkerrecht und gegen die neutralen Länder sich verhalte. Die Regierung strebe danach, mit großer Vorsicht beide Pflichten zu erfüllen, sodaß ein Konflikt ver mieden würde. Asquith sagte ferner über die Zunahme der Stein⸗ kohlenausfuhr nach Skandinavien, er glaube, daß die Vermehrung nicht sowohl daraus folge, daß die Steinkohlen schießlich nach Deutsch⸗ land gingen, sondern vielmehr, daß Skandinavien eine zeitlang der Vorräte beraubt gewesen sei. Es wäre nicht zu verwundern, daß die skandinapischen Länder sich an England gewandt hätten, um Vorräte zu erbalten, die sie nicht mehr aus Deutschland erhielten. Die Frage des Teeexports werde von der Regierung erwogen. Es sei Grund vorhanden, anzunehmen, daß ein beträchtlicher Teil des nach Ländern wie Holland ausgeführten Tees den Weg nach Deutschland finde, es seien aber Mittel vorhanden, die die Regierung erfolgreich anwenden könne, um dies zu beenden. Es sei ein gefähr liches Gebiet, da die Frage neutrale Länder betreffe. Holland sei ein Land, das seine Rechte als neutraler Staat geltend mache, und die britische Regierung habe keinen

Grund zu klagen. Holland befinde sich in einer sehr delikaten und

schwierien Lage, da das Land den Unterlauf des Rheines beberrsche und an Belgien grenze. Asquith schloß, er beklage sich nicht über die Art, wie Holland seine Verpflichtungen als neutraler Staat erfüllt habe, aber andererseits müsse England dafür sorgen, daß die Güter, die tatsächlich für den Feind und seine Armeen bestimmt seien, ihn nicht unter dem Vorwande erreichten, daß sie für neutrale Häfen konsigniert seien.

Ein Abgeordneter ersuchte hierauf um genaue Aufklärung über die Politik, die die Regierung bei der Erklärung von Oelen und Kupfer als Konterbande verfolgt habe.

Der Premferminister Asquith antwortete, die britische Regie⸗ rung habe aus verläßlicher Quelle erfahrer, daß Oele, Kupfer und gewisse andere Stoffe, die unter den gegenwärtien Umständen in Deutschland und Oesterreich eingeführt werden könnten, dort sicher ausschließlich zu militärischen Zwecken verwendet würden. Die britische Regierung hielte es deshalb für gut, diese Arttkel der Liste der als unbedingte Konterbande geltenden Gegenstände hinzuzufügen. Alle möglichen Maßregeln würden ergriffen, uvm zu verhindern, daß wirklich für neutrale Länder bestimmte Oele, Essenzen und Kupfer ge⸗ troffen würden.

Der Premierminister Asquith erörterte sodann die Frage der Minen in der Nordsee und zählte die Beweggründe auf, die zu der Entscheidung der Regierung geführt hätten.

Aequith behauptete, es bestehe em Gegensatz zwischen dem Ver⸗ halten Deutschlands, das den Vorschreften der Haager Konvention, betreffend die Interessen der Neutraten, keine Rechnung trüge, und dem Verhalten Englands, das die Abmachungen gewissenha t beobachte. Deutschland hätte die Haager Konvention von 1907, die es ratifiztert habe, verletzt, denn erstens würden die Minen nicht derart gelegt, daß sie unschädlich wären, sobald sie sich losrissen, und zweitens würden keine Vorsichtemaßregeen zur Sicherheit der friedlichen Schiffahrt ergriffen. Asquith fuhr fort: Die letzten Minen werden von Deutsch!and nicht dauernd überwacht. Nichts ist getan worden, um der Schiffahrt die Gefahr⸗ zone mitzuteilen. Infolgedessen geht eine Anzahl neutraler und brttischer Fischerboote und Kauffahrer verloren. Viele Untertanen neutraler Staaten und Nichtkombattanten kamen ums Leben. England enthielt

während der letzten zwei Monate des Krieges absichtlich voll⸗ ständig, Minen außerhalb der territorialen Gewässer zu gebrauchen, war aber schließlich gezwungen, zu ergreifen, als Antwort auf das deutsche Minenlegen und die Bewegungen der deutschen Untersee⸗ boote. Es beschloß daher, in dem südlichen Teil der Nordsee ein Minen⸗ feld anzulegen, um die Eingänge des Kanals zu verteidigen. Hiervon wurde gemäß den Bestimmungen der Haager Konvention den Inter⸗ essenten Mitteilung gemacht, ebenso wurden die Zugänge zu der eng⸗ lischen Küste und nach neutralen Ländern, soweit es in der Macht der englischen Flotte war, sicher gemacht; obwohl die Veränderungen der gewöhnlichen Fahrstraßen einige Unannehmlichkeiten und eine Ver⸗ ögerung für die Schiffahrt verursacht, können diese angesichts der Untände nicht als sehr bedeutend hetrachtet werden. Die britische Regierung weiß sehr wohl, daß in den neutralen Ländern eine lebhafte Unruhe hierüber herrscht, aber sie ist überzeugt, daß ihre Politik vollkommen verstanden werden wird, und vertraut darauf, daß die öffentliche Meinung der neutralen Länder lebhaft ihren Wunsch würdige, daß der Handel der neutralen Länder in keiner Hinsicht gestört werde, immer vorausgesetzt, daß die britischen Lebensinteressen im Verlauf des gegenwärtigen Konflikts entsprechend sichergestellt sind. Die Politik der Regierung verfolgt weder das Ziel, den britischen Handel zu fördern, noch den neutralen Handel zu schädigen, sondern ausschließlich den Feind zu verhindern, Güter zu empfangen, die seine Macht während des Krieges gegen die Streitkräfte Englands und seiner Verbündeten stärken

nnten.“

Der Kanzler des Schatzamts Lloyd George legte im weiteren Verlauf der Sitzung die Finanzlage ausführlich dar und sagte:

ür den Zeitraum bis zum 31. März 1915 sei eine Summe von 535 Millionen Pfund Sterling erforderlich, wovon 339 575 000 Pfund Sterling für Kriegsausgaben bestimmt seien. Lloyd George schlug eine FEr⸗ höhung der Einkommensteuer vor, die tatsächlich einer Verdoppe⸗ lung nahekommt und 12 ½ Millionen Pfund Sterling mehr einbringen soll. Fürnat beantragte er eine hͤhere Belastung des Bteres und eine esondere Besteuerung des Tees in Höhe von 3 Pence das Pfund sowie die Beschränkung der Abzahlung an den Tilgungs⸗ fonds. Außerdem müßten 321 325 000 Pfd. Sterl. aufgebracht werden Der Schatzkanzler schlug ferner die Ausgabe einer Anlethe von 350 Millionen Pfund Sterling 3 ½ prozentiger Rente zum Kurse von 95 % vor, die im Jahre 1928 zu Pari einlösbar ist. Er teilte dabei mit, daß die Regierung bereits ein Angebot zur Ueber⸗ nahme von 100 Millionen Pfund empfangen hat.

Das Haus nahm die gesamten Vorschläge der Re⸗ gierung an.

Hierauf lenkte der Liberale die Aufmerksamkeit des Hauses auf gewisse vom Arbeiterführer Keir gemachte Angriffe auf den König und die der britischen Nation verbündeten Völker und sagte:

Keir Hardie habe in Zeitungsarttkeln beispieleweise geschrieben: Die Vergewaltigung von Frauen war immer eine Begleiterscheinung des Krieges. Sogardie, Times“ undandere Blätter, die sich hrer Verantwort⸗ lichkeit sind, haben beträchtliche Bestürzung über das gezeir t, was in heimischen Truppenlagern vorging. In einem anderen Artikel heißt es, es bestehe kein Zweifel, daß beim Einhruch der Deutschen in Belgien Greise, Frauen und Kinder getötet und verstümmelt worden seien. Könne aber jemand behaupten, daß sich dieselben Sachen nicht auch in den von den Verbündeten wiedereroberten Städten und Dörfern

ereignet hätten? Jones führte weiter aus, daß seit dem Erschelnen dieser Artikel die Ergebnisse der Rekrutierung in Südwales beträcht⸗ lich zurückgegangen seien. Weiter habe Keir Hardie geschrieben, russische Zeitungen spotteten über England und sagten, Rußland werde bei der Schlußabrechnung einen größeren Anteil bekommen, weil es größere Opfer gebracht habe. Was Belgien betreffe, so habe England über Neutralität gut reden. Wenn es der englischen Regierung aber gepaßt hätte, die belgische Neutralität zu zer⸗ treten, so würde sie es getan haben, gerade so, wie sie Ruß⸗ land dasselbe in Persien tun ließ. Keir Hardie habe über den e v indischer Fürsten gespottet, die deutliche Winke von

ngland erhalten hätten. Ferner habe er geäußert, die Verbündeten kämen nicht vorwärts. Sie hätten eine Lügenfabrik eröffnet, wo Ge⸗ schichten über deutsche Greuel auf Bestellung verfertigt würden. Und Sleßsng habe Keir Hardie von König Georg als einem königlichen Ofenhocker gesprochen, während er hervorgehoben hahe, daß Kaiser Wilhelm wie ein Soldat die Gefahren an der Front teile.

Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte der Minister des Innern MeKenna, daß in England 14 500 Untertanen feindlicher Staaten interniert seien, ohne Einbeziehung der Kriegsgefangenen und der auf den Schiffen Festgenommenen. Wenn man diese Ffffer mit der Anzahl der polizeilich registrierten Deutschen und Oesterreicher vergleiche, gelange man zu dem Ergebnis, daß sich noch 29 000 auf freiem Fuße befinden. Auf die Anfragen der Abgeordneten King und Roberts, die sich für eine mildere Behandlung der Elsässer, Holsteiner, önerreichischen Italiener und Ungarn einsetzten, erwiderte MeKenna:

Es sei sehr schwierig, festzustellen, ob die Gefühle der Einzelnen freundlich oder anders wären, aber soweit als möglich würden Personen, die Nationatitäten angehörten, die den Verbündeten freundlich gesinnt seien, von der Internierung ausgenommen, und es werde ihnen jede mit dem 558 zu vereinbarende Rücksicht gewährt. Mesenna be⸗ dauerte, daß die Umstände des gegenwärtigen Krieges die Ansicht nicht rechtfertigten, daß die Ungarn als im allgemeinen freundlich gesinnt betrachtet werden könnten.

Frankreich.

Die französische Regierung hat der „Nationaltidende“ zu⸗ folge der griechischen Regierung mitgeteilt, daß sie auf die im vorigen Jahre abgeschlossene griechische Anleihe mit Rück⸗ sicht auf den Krieg nur achthunderttausend Ffand auszahlen könne. Der Rest könne erst nach Beendigung des Krieges ge⸗ zahlt werden.

Die Regierung hat über den Zeitpunkt der Einbe⸗ rufung der Kammern noch keinen Beschluß gefaßt. Wie „W. T. B.“ meldet, gilt es aber für sicher, daß die Kammern zwischen dem 15. und 20. Dezember 1u“.“ werden

Infolge der durch den Krieg hervorgerufenen außerordent⸗ lichen Verhältnisse hat der Finanzminister, wie „W. T. B.“ meldet, die Ausfuhr von Kupfer, Messing, Stahl und Blei über die europäische Grenze und über alle Häfen des Weißen, des Baltischen, des Schwarzen und des Asowschen Meeres verboten. Für die befreundeten und verbündeten Staaten werden Ausnahmen bewilligt werden.

Das Finanzministerium hat die Ausfuhr von Zucker über die Zollgrenze von Archangelsk abgabenfrei gestattet.

Italien.

Gestern abend traf in Neapel, von Buenos Aires kommend der italienische Dampfer „Ravenna“ mit 631 Rückwan derern an Bord ein. Der „Tribuna“ zufolge war der Dampfe von den Engländern vor Gibraltar angehalten und in den Hafen geschleppt worden. Da sich an Bord fünfzig deutsche Reservisten befanden, eingeschifft hatten, als das Dekret von London ihnen die Ueberfahrt gestattete, verlangten die Ortsbehörden ihre Au schiffung als Kriegsgefangene. Diesem Ansuchen widersetzte sich der an Bord befindliche italienische Königliche Kommissar, der dem Gouverneur von Gibraltar auseinandersetzte, daß die deutschen Soldaten nicht als Kriegsgefangene betrachtet werden könnten, weil sie zur Zeit der Wirksamkeit des englischen De⸗ krets nach Europa abgereist seien. Die guten Gründe des Kö⸗ niglichen Kommissars wurden anerkannt, und so konnte di „Ravenna“ ihre Fahrt nach Neapel fortsetzen.

Niederlande.

Der chilenische Gesandte im Haag erklärt der „Times“ zufolge, daß auf seine Veranlassung ein Uebereinkommen fi

die Wiederaufnahme des Salpeterhandels zwischen

Chile und Holland zustande gekommen sei. Die holländische

Regierung, die die Ausfuhr von Salpeter streng verboten hat,

ist danach allein berechtigt, die für Holland bestimmten Frachten

zu empfangen 8 8 Schweden.

Vorgestern hat die Beisetzung der Herzogin⸗Witwe von Dalekarlien in der Schloßkapelle in Stockholm in Gegenwart des Königs und der Königin sowie der übrigen Mitglieder der Königlichen Familie 8. Später wird die in die Gruft der Riddarholmskirche übergeführt werden.

Bulgarien.

8

Einer Meldung der Südslawischen Korrespondenz aus Sofia däfolge veröffentlicht das bulgarische Regierungsblatt „Narodni

rawa“ nachstehende Erklärung:

Wir erfahren, daß in Sofia serbische Abgesandte ein⸗ getroffen sind, um Verhandlungen über irgendwelche Zugeständnisse an Bulgarien auf der Grundlage der Abtretung des linken Wardar⸗ ufers und der Anerkennung der nationalen kirchlichen Rechte der Bulgaren in Mazedonien zu pflegen. Wir zweifeln daran, daß diese Abgesandten Glück haben werden, weil Bulgarien und die bulgarische Reagierung mit derlei unbedeutenden Zugeständniss werden können. 6

AAlmerika.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, hat in Waftigthe zwischen Beamten des englischen und des amerikanischen Schatz⸗ amts eine Konferenz stattgefunden, in der ein Uebereinkommen über die Regelung der amerikanischen Schulden an

englische Bankiers und Kaufleute getroffen worden ist.

Die Uebereinkunft enthält eine Bestimmung, die tatsächlich als

eine Anleihe von 20 Millionen Pfund Sterling an die Ver⸗

einigten Staaten zu betrachten ist. Die Regelung bietet Ge⸗ legenheit für neue 2 zwischen London und New York unter normalen Bedingungen.

Demselben Bureau zufolge ist eine fast gleiche Regelung wischen der Bank von England und der australischen in ldausfuhr nach

Regierung getroffen worden, um London unnötig zu machen. .

die sich zu der Zeit in Santos

nicht befriedigt

Asien.

Wie das „Reutersche Bureau“ vom 16. November meldet, sind die japanischen Truppen in Tsingtau eingerückt.

Afrika.

Ddie religiöse Zeitschrift „Sebil Urreschad“ veröffentlicht die Uebersetzung der in Aegypten verbreiteten arabischen Proklamation, in der die Aegypter mechechen werden, den Moment zu benutzen, um sich von der englischen Knecht⸗ schaft zu befreien. Die Proklamation führt die dem Islam durch die Tripleentente und Aegypten durch die Engländer zu⸗ gefügten Schädigungen an, die dieses Land durch ausschließliche Erzeugung von Baumwolle für ihre Industrie heruntergebracht haben. Schließlich legt die Proklamation den Aegyptern dar, daß der 1eeG Krieg die Schwäche Englands enthüllt habe, dessen Flotte, die angeblich stärkste der Welt, nichts geleistet habe.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ ge⸗ rieten Anhänger der südafrikanischen Regierung unter Oberst Celliers am 15. November in einen Kampf mit den Buren unter Beyers, die 1500 Mann stark sein sollen. Der Kampf dauert noch an.

Kriegsnachrichten.

Westlicher Kriegsschauplatz

Großes Hauptquartier, 18. November, Vormittags. (W. T. B.) Die Kämpfe in Westflandern dauern fort. Die Lage ist im wesentlichen unverändert.

Im Argonnenwalde wurde unser Angriff erfolg⸗ reich vorgetragen. Französische Angriffe südlich Verdun wurden abgewiesen; ein Angriff gegen unsere bei St. Mihiel auf das westliche Maasufer geschobenen Kräfte brach nach anfänglichem Erfolg gänzlich zusammen. Unser Angriff südöstlich Cirey veranlaßte die Franzosen, einen Teil ihrer Stellungen aufzugeben. Schloß Chatillon wurde von unseren Truppen im Sturm genommen.

Oberste Heeresleitung.

Großes Hauptquartier, 19. November, Vormit⸗ tags. (W. T. B.) In Westflandern und in Nord⸗ venegech ist die Lage unverändert. Ein deut⸗ ches Flugzeuggeschwader zwang auf einem Erkundungs⸗ fluge zwei feindliche Kampf⸗Flugzeuge zum Landen und brachte ein feindliches zum Absturz. Von unseren Flug⸗ zeugen wird eins vermißt. Ein heftiger französischer An⸗ griff in der Gegend von Servon am Westrande der Argonnen wurde unter schweren Verlusten für die Franzosen zurückgeschlagen. Unsere Verluste waren gering. 1 Oberste Heeresleitung.

Oestlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 18. November, Vormittags, (W. T. B.) In Polen haben sich in der Gegend nördlich Lodz neue Kämpfe entsponnen, deren Entscheidung noch aus⸗ steht. Südöstlich Soldau wurde der Feind zum Rückzug auf Mlawa gezwungen. Auf dem äußersten Nord⸗ flügel ist starke russische Kavallerie am 16. und 17. geschlagen und über Pillkallen üh e Fofe worden.

Oberste Heeresleitung.

Großes Hauptquartier, 19. November, Vormittags.

(W. T. B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplatz sind die

rneut eingeleiteten Kämpfe noch im Gange. Oberste Heeresleitung.

Wien, 17. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Aus dem Bereich von Krakau vorbrechend, nahmen unsere Truppen gestern die vorderen Befestigungs⸗ linien des Feindes nördlich der Reichsgrenze. Im Raume von Wolbrom und Pilica gelangten die Russen zumeist nur in den Bereich unseres Artilleriefeuers. Wo feindliche Infanterie angriff wurde sie abgewiesen. Eines unserer Regimenter machte fünfhundert Gefangene und erbeutete zwei Maschinengewehrabteilungen. Der deutsche Sieg bei Kutno äußert bereits seine Wirkungen auf die Gesamtlage. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Generalmajor.

Wien, 18. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Operationen der Verbündeten zwangen die russischen Hauptkräfte in Russisch⸗Polen zur Schlacht, die sich an der ganzen Front unter günstigen Bedingungen entwickelte. Eine unserer Kampfgruppen machte gestern über 3000 Ge⸗

Gegenüber diesen großen Kämpfen hat das Vor⸗ räfte gegen die Karpathen nur Beim Debouchieren aus

fs des Generalstabes: von Hoefer, Generalmasor.

Südlicher Kriegsschauplatz. .

Wien, 17. November. (W. T. B.) Amtlich wird von heute gemeldet: Auf dem sedse riegsschauplatz haben unsere Truppen sich gestern bis an die Kolubara herangeschoben, diese auch schon mit Teilen überschritten, obwohl sämtliche Brücken vom Gegner zerstört wurden. In

8 alievo, wo bereits ein höheres Kommando eingetroffen ist, wurde die Ruhe und Ordnung rasch hergestellt. Die Stadt ist on serbischen Truppen hart mitgenommen worden. Ein

kleines Kavalleriedetachement machte gestern 300 Gefangene.

Wien, 18. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Auf dem südöstlichen Kriegsschauplatze mehrfache größere Kämpfe an den zerstörten Kolubarauber⸗ Sahen. Eigene Kräfte bereits am jenseitigen Ufer. Am 16. November wurden 1400 Gefangene gemacht, viel Kriegs⸗ material erbeutet.

Budapest, 17. November. (W. T. B.) Der, Pester Lloyd“ meldet: Seit Sonntag dauert die Beschießung der Bel⸗ grader Festungswerke an. Unter dem Schutze des Ar⸗ tilleriefeuers wurde die Ausbesserung der Eisenba Angriff genommen. Die serbischen Geschütze versuchten diese Arbeit zu stören, aber vergebens. Einige Monitore, die bei der

nbrücke in

in der Nähe des serbischen Ufers liegenden Zigeunerinsel Auf⸗ stellung genommen hatten, unterstützten unser Artillerie⸗ feuer. Die serbische Artillerie, welche auf dem 206 Meter hohen Bergrücken Benova, 5 km südwestlich von Belgrad auf⸗ estellt ist, erwiderte das Feuer. Das Artillerieduell dauert ort. Das Ergebnis ist befriedigend. Andere Truppenteile ziehen von Obrenovac die Save entlang nach Belgrad. Auch an einem anderen Punkt der Save, 8 km von Semlin, bei Eu.“. unsere Truppen auf einer Pontonbrücke en Fluß.

Der Krieg zur See.

Berlin, 19. November. (W. T. B.) Am 17. November haben Teile unserer Ostseestreitkräfte die Einfahrten des Libauer Hafens durch versenkte Schiffe gesperrt und die militärisch wichtigen Anlagen beschossen. Torpedo⸗ boote, die in den Innenhafen eindrangen, stellten fest, daß feindliche Kriegsschiffe nicht im Hafen waren.

Der stellvertretende pelabes Admiralstabes:

1

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

„St. Petersburg, 18. November. (W. T. B.) Mit⸗ teilung vom Stabe der Kaukasus⸗Armee: An der türkischen Grenze in der Gegend von Batum dauerte das Feuergefecht am 16. November an. Anstrengungen der Türken, aus der Gegend von Erzerum vorzustoßen, waren erfolglos. Eine Bande Kurden wechselte in der Provinz Aserbeidschan Gewehrschüsse mit unseren Pionieren, die den Feind zerstreuten. Von anderen Truppen⸗ teilen ist nichts zu melden.

Konstantinopel, 18. November. (W. T. B.) Der heutige Bericht des türkischen Hauptquartiers lautet: Auf allen Kriegsschauplätzen werden die Kämpfe mit Erfolg fortgesetzt. Unsere Truppen an der ägyptischen Grenze besetzten Kalatulnahl (2), das 120 km jenseits der Grenze liegt, und hißten dort die türkische Fahne. Unsere Truppen, die durch Lasistan nach Rußland eindrangen, schlugen mit Gottes Hilfe die Russen nach heftigem Kampfe und fügten dem Feinde große Verluste zu. Unsere Truppen machten hundert Gefangene und erbeuteten zwei Gebirgsgeschütze.

Konstantinopel, 19. November. (W. T. B.) Das türkische Hauptquartier meldet: Unsere Flotte, die ausgelaufen war, um nach der russischen Schwarzmeerflotte, die Trapezunt beschossen hatte, zu suchen, traf diese auf der Höhe von Sebastopol. Die feindliche Flotte bestand aus zwei Schlachtschiffen und fünf Kreuzern. In dem Kampf, der sich entwickelte, wurde ein russisches Schlachtschiff ernstlich beschädigt. Die übrigen russischen Schiffe ergriffen, von unseren Kriegsschiffen verfolgt, die Flucht in der Richtung auf Sebastopol.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der vorgestrigen Reichstagsersatzwahl für den im Felde gefallenen Reichstagsabgeordneten Dr. Ludwig Frank im 11. Badischen Wahlkreis ist laut Meldung des „W. T. B.“ der sozialdemokratische Kandidat Redakteur Oskar Geck mit 11 574 Stimmen gewählt worden. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt.

Wohlfahrtspflege.

Eine zur der Leiden der in Rußland zurückgehal⸗ tenen deutschen Reichsangehörigen von dem Deutsch⸗ russischen Verein (e. V), Berlin, veranstaltete Sammlung hat vereits über 30 000 Mark ergeben. Dieser Betrag ist dem Auswärtigen Amt zur Weitergabe nach Rußland von dem Verein überwiesen worden. Weitere Spenden sind dringend nötig. Sie sind bei der Deutschen Bank in Berlin W. 8, Behrenstraße 9/13, auf das Konto „Deutsch⸗russischer Verein (e. V.) für die Sammlung für die in Rußland zurückgehaltenen Deutschen“ einzuzahlen.

Die Deutsche überseeische Bank in Buenos Aires hat, wie „W. T. B.“ meldet, dem Stellvertreter des Reichskanzlers 375 000 übersandt als Ergebnis einer Kriegsspende, die die in Argenttnien lebenden Deutschen und Deutschfreunde zur Unterstützung von Verwundeten und notleidenden Famtlien in Deutschland gesammelt haben. Diese hochherzige Gabe wird in ganz Deutschland mit lebhafter Freude begrüßt werden als ein Zeichen treuer Anhänglichkeit an die alte Heimat und inniger Teilnahme an dem großen Kampf, in dem sie steht.

Bei der Angestelltenversicherung ist nach § 1 Abs. 3 des Versicherungegesetzes für Angestell’e, abweichend von dem Wortlaut der Reichsversicherungsordnung, nicht der regelmäßige Jahres⸗ arbeitsverdienst, sondern der Jahresarbeitsverdienst für die Versicherungspflicht maßgebend. Bei festen Gehaltsbezügen ist die Feehern .ast eines Angestellten stets nach seinen jewetligen Bezügen zu beurteilen, und eine etwa für die Zukuntt in Aussicht stehende Veränderung der Gehaltsbedingungen kann hierbei nicht in Betracht gezogen werden. Erhält ein nach Art seiner Tätigkeit nach dem Versicherungegesetz für Angestellte versiche. rungspflichtiger Angestellter für die Dauer des Kriegszustandes auf Grund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber ein den Betrag von 5000 nicht übersteigendes Gehalt, so unterliegt er für diese Zeit dem Versicherungszwange des Versicherun sgesetzes für Angestellte, und zwar ohne Rücksicht auf ein eiwaiges Versprechen des Arbeit⸗ gebers, ihm nach Beendigung des Krieges das frühere höhere Gehalt wieder zu zahlen.

Kunst und Wissenschafft.

A. F. In der 4. ordentlichen Versammlung dieses Winterhalb⸗ jahres sprach in der „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimat⸗ tunde, der Dr. Hitzheimer „über diluvbiale Rinder“. Ausgehend von der bekannten Schilderung des Nibelungenliedes von einer Jagd im Wasgenwalde, unter deren Jagdbeute zwei Wildrinder verzeichnet werden, ein „Wesent' und ein Ur“, erörterte der Vortragende an der Hand zahlre chen ausgelegten Materials, daß die genannten Wildrinder für den Zoologen wie den Gevlogen nur die Vertreter zweter Galtungen darstellen, die seit Beginn der Etszeit bei uns in verschiedenen Arten und Rassen gelebt haben. Die diluvialen Vertreter der heutigen Wisente waren indessen dem amerikantschen Bison ähnl cher als dem heute noch bei uns lebenden Wisent, der ein Waldtier ist, während jene Sreppentiere waren. Es lassen sich von diesen diluvialen Formen mehrere nach Größe und Hörnergestalt stark verschi dene Rassen unterscheiden, deren genaue Keuntuts für die sichere Erkenntnis der geologischen Sleich⸗ stellung diluvialer Schichten wichtig werden kann. Auch vom „Ur“ lebte bei uns im Diluvium eine sehr Pfße Rasse, wohl gleichfalls ein Steppentier. Gegen Ausgang des Diluviums und bis in die ge⸗

schichtliche Zeit hinein gab es eine kleine Form des Urs, welche der Stammvater unserer Hausrinder geworden ist. Den zweiten Vor⸗ trag hielt Her Johl über „Beiträge zur Geschichte der primitiven Webstühle“. Das Thema ist für die märkische Heimatkunde in jüngster Feit von besonderem Interesse geworden, weil in den von Dr Kioekebusch mit ebensoviel Eifer als bestem Erfol aufgedeckten vorgeschichtlichen Siedelungen bei dem nahen Bu Wahrzeichen gefunden wo den sind, die auf hier in einzelnen Häusern getriebene Weberei schließen lassen. Allerdings bestehen diese Zeugnisse, da alle andern Teile der Webstühle als aus Holz gefertigt, der Zer⸗ störung durch Brand oder Fäulnis erlegen sind, nur in der Zerstörung entgangenen tönernen Gewichten, die bisher unbeanstandet als Webstuhl⸗ gewichte erklärt wurden, wo immer man sie fand, die neuerdings aber von dem Archäologen Kimakowict als solche bestritten werden. Dieser mit Aufwand von viel Scharfsinn geführte Streit der Forscher auf dem Gebiet der vorgeschichtlichen Wirtschafts⸗ bere ehfepp hatte auch den daran beterligten Vortragenden zu der Wahl seines Themas veranlaßt, um so mehr, als die Be⸗ schäftiaung mit diesen Fragen auch noch von einer andern Seite wertpalle Anregungen empfangen hat, nämlich durch weitere Er⸗ mittlungen über die der Senkrechtweberei in ihrer Urform eng ver⸗ wandte, gleichfalls uralte Brettchenwebereitechnik, die man zu Unrecht lan e als vollständig verschwunden erachtet hatte, bis es vor einer Reihe von Jahren glückte, sie u. a. noch im Kaukasus und auf Island vereinzelt sogar in Uebung zu finden, ja als überraschend 8 in einem pommerschen Dorfe ein Exemplar der Vorrichtung auf⸗ gefunden wurde. Diese Bemerkungen vporausgeschickt, durfte der Vortrag als in den Rahmen der Heimatkunde gehörig mit Dank begrüßt werden. Der Redner begann mit einer runden Ableynung der Kimakowiczschen, viele bekannte und beglaubigte Tatsachen gänzlich unberücksichtigt lassenden Angriffe gegen die alt europätschen Gewichtsstühle mit senkrechter Kettenlage, die ja keines wegs schon gänzlich aus der Welt verschwunden sind und deren no vorhandene Vertreter man als Zeugen für die vorgeschichtliche Formen des Webstuhls wird ansprechen dürfen, wenn ihnen tönerne Gewichte an und Größe der z. B. in Buch ge fundenen sehr ähnlich sind. Zum Beweise zeigte der Vortroagend in Bildern aus Bergen und Amble i Soge die Einricheung de in Norwegen „Uppstadgoge“ genannten vertikalen Webstühle und brachte auch Zeichnungen solcher nach alten griechischen Vasen bei Ein vom Redner bergestelltes Modell erläuterte diese Webstühle als aus zwei senkrechten Balken bestehend, in deren obern Enden ein drehbbarer Baum eingelassen ist, von dem die Kettenfäden herabhängen Die Spannung dieser wird durch angehängte Gewichte eben jene in dem Meinungsestreit fraglichen erzeugt Die „Fächer“, durch welche der Schuß⸗ oder Einschlagfaden geführt wird, werden durch den Trennstab und den Litzenstab gebildet. Der Ketienbaum ist drehbar und muß es (was Kimafowicz als überflütsig bestreltet) zu allen Zeiten gewesen sein, da die Weberin im Stehen arbeitete und das fertige Zeug aufzu ollen und damit zugleich die unverwebten Fäden wieder in Armhöhe zu bringen hatte. Der Vortragende gab sodann als Ergänzung von Bildern und Moedell eine Aehrenlese der vi lfältigen anderweitigen Gründe und Beweise für die zweifellose Bestimmung der Webgewichte zu gedachtem Zweck welche so viele belangreiche Mitteilungen über die Entwicklung dieser Technik brachte, daß nur mit tiesem Bedauern von deren Wiedergabe an dieser Stelle zu verzichten ist. Es folgte noch ein kurzer Ueberblick über die auch zu den aufrechten Stäahlen gehörigen altägyptischen Webstühle, die nach einem vorgefuhrten Modell deren große Verwandtschaft zeigen mit den Teppichstühlen, deren man sich beute in Persien bedient, und der Redner erklärte zum Schluß, wiederum an einem anschaulichen Modell, die Brettchenweberei, die gek⸗nnzeichnet ist durch planmäßige Einordnung der horizontalliegenden Kettfäden in gelochte, neben⸗ und hintereinander angeordnete Brettchen, durch deren Bewegung auf⸗ und abwärts das Fach nach einem be⸗ stimmten Plan⸗ verschirdenartig zu gestalten und dadurch ein

emuster es Gewebe herzustellen ist. Diese Technik ist offen⸗ ar zu einem hohen Grade der Kunstfertigkeit schon in sehr früher Zeit entwickelt gewesen. Der berühmte Ramses⸗Gürtel im Lwverpooler Museum ist auf diesem Wege hergestellt und nicht minder zahlreiche Gürtel, deren fe ne Mu erung uns von ägyp⸗ tischen Statuen bekannt ist, da angenommen werden darf, daß sie vom Künstler den Origtnalen abgeseben sind Der Redner erfreute durch die Vorlage zahtreicher, nach diesen Anleitungen in Brettchen⸗ techntk hergestellter Gürtel, wie nicht minder durch eine in gleicher Wesse hergestellte Nachbildung des Ramses⸗Gürtels, in welche bei etner Breite von nur 12 cm weit über 1000 bunte Fäden der Garn- stärke 30 verwebt sind. Die Nachbildung kann bei alledem nur eine annähernde Vorstellung des Originals geben, das zu den ausgezeich⸗ neisten Kunstwerken des äuyptischen Altertums gehört.

Noch eine Menge jüngst erst in Brettchentechnik hergestellter Gürtel und Bänder teils nach alten, teils in Phantasiemustern und zfarben zeigte der Redner, ferner eine Chaiselongurdecke, einen Wand⸗ teppich, einen Tischlänfer und eine kreinere Decke. Alle diese Arbeiten fanden die lebhafteste Anerkennung und Bewunderung namentlich der anwesenden Damen und gaben dem unter den Zuhörern anwesenden Piofessor Lehmann⸗Haupt Anlaß, noch einige nähere Mitteilungen über die in gemeinsamer Arbeit mit Herrn Johl geglückte Aufhellung der Technik des Ramses⸗Gürtels zu machen und daran den Wunsch zu knüpfen, daß die köstliche Technik der Brettchenweverei erfoigreiche Wiederbelebung erfahren möge. 8

Die Kunsthandlung Schulte zeigt jetzt eine größere Anzahl von Arbeiten des Malers Richard Bloos. Es sind zumeist Pariser Volksszenen; man sieht Eislaufbilder und rastende Menschen auf grünen Waldwiesen, Biergärten und Ansichten vom Zirkus und vom Vartété. Bloos versteht es immer, eigenartig gesebene, wir⸗ kungsvolle Aueschnitte zu geben. Die Art, wie er eine durcheinander⸗ wimmelnde Menschenmenge über die Bildfläche verteilt und wie er die in den Raum hineinstellt, ist oft recht witzig. Aber über diese lustigen Einfälle, die keck und bunt henfansaah sind, kommt er nicht hinaus. Man vermißt stärkere künst⸗ lerische Eigenschaften z die flotte Malerei und die lustige Aufmachung genügen allenfalls für eine Ausstellung, wo sich der Betrachter von diesen heiteren Schöpfungen gern für eine kurze Zeit nur fesseln läßt. An Paris denkt man nochmals vor den Gemälden von Eugen Sviro, auf dessen, Malweise allerlei, französische Vorbilder eingewirkt haben. Dieser geschmackvolle Maler schafft immer gepflegte Arbeiten „Salonkunst“ ohne Kraft und Leidenschaft. Ein paar weibliche Bildniestudien sind hier seine ansprechendsten Leistungen. Mehr als die nicht schlechten Landschaften und Hafenbilder Hans von Hayeks ziehen seine Darstellungen manöprierender Artillerie den Betrachter an. Diesen Skizzen wohnt lebendige, ursprüngliche Frische inne. Da der Künstler jetzt im Felde als Schlachtenmaler tätig ist, so darf man von ihm auf. Grund dieser älteren Proben gute Kriegsbilder „erhoffen. Von H. Reifferscheidt sieht man mehrere Gemälde, die alle dasselbe Thema behandeln: stille bürgerliche Stuben, „die von gelbem Lampenlicht erhellt werden dessen Schein sich allmählich in der Dunkelheit verltert. In diese Zimmer setzt der Künstler ein paar Menschen, die sich ruhig unterhalten und deren Haltung und Wesen dazu beiträgt, das Gefühl traulichen Friedens im Betrachter aufkommen zu lassen. Die Malerei dieser bescheidenen Schöpfungen ist so gfältig und gut und bringt in den Farben immer die beabsichtigten Stimmungen dieser ruhigen Gemaͤcher vortrefflich zum Aus⸗ druck. F. Klein⸗Chevalier zeigt ein paar gute Freilichtvilder im seiner hreiten, männlichen Art. Das eeneenages „Ueberschwemmung“ von Walter Bertelsmann ist durch die Wiedergabe des wolkigen Himmels und des feuchten Dunstes bemerkenswert. Dr. P

Der Pecfelhe der Hygiene an der Universität München Rudolf

Emmerich ist 62 jährig gestorben.