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11“ 5 8 11“ 8E“ 8 1111“ hbrauchen. Wir haben es vielmehr mit einem der Fälle zu
nun, in denen opferbereiter Uebereifer die unvermeidliche teil⸗ weise Unvollkommenheit jeder Hilfsleistung nicht wahr haben will, und in denen angesichts solcher besonderen Notstände, die von einer großanlegten allgemeinen Hilfsaktion etwa noch nicht erfaßt werden konnten, das mitleidvolle Gemüt die Urteils⸗ fraft trübt. Nur weil diese mehr psychologischen Motive gelten gelassen wurden, hat man den Versuchen, die öffentliche Mei⸗ nung zu verwirren, bisher freien Lauf gelassen. Aber es gibt natürlich eine Grenze.
Nochmals sei bei dieser Gelegenheit betont, daß der Preu⸗ ßische Staat es von Anfang an für seine selbstverständliche Pflicht gehalten hat, für die zur Flucht gezwungenen Ostpreußen im vollsten Umfange zu sorgen. Die staatliche Hilfsaktion hat sofort mit Beginn der Abwanderung aus Ostpreußen eingesetzt. Den Oberpräsidenten der Provinzen, in denen ostpreußische Flüchtlinge Aufnahme fanden, sind fortlaufend bedeutende Mittel für Unterbringung und Unterhalt ihrer Gäste in der
rovinz zur Verfügung gestellt worden. Gegenwärtig zahlt der taat schätzungsweise täglich etwa 150 000 ℳ für die Fürsorge außerhalb der Provinz Ostpreußen.
In Berlin halten sich gegenwärtig nicht viel mehr als 5 Proz. aller Flüchtigen auf. Die Gründe, aus denen es zweckmäßig erscheint, in dieser Kriegszeit die Reichshauptstadt auf Kosten der Provinz zu entlasten, sind mehrfach erörtert worden. Sie erscheinen der Regierung bindend. Gleichviel, ob nun ganz vereinzelt eine andere Auffassung vertreten wird oder nicht. So wertvoll Rat und Tat einzelner hilfsbereiter Männer und Frauen immer ist, so muß ein so umfassendes Unternehmen wie die Unterbringung der flüchtigen Ost⸗ preußen doch von einer Stelle nach festen Grundsätzen geleitet werden. Und diese Stelle ist die Regierung.
Wenn immer wieder gesagt wird, daß die ostpreußischen Städter in der Stadt, nicht auf dem Lande untergebracht werden müssen, und in diesem Zusammenhange Berlin als allein geeignet bezeichnet wird, so soll doch betont werden, daß es auch in den Provinzen noch ganz schöne Städte gibt, als da sind: Danzig, Stettin, Greifswald, Lüneburg u. a. m. In ihnen leben allenthalhen in großer Zahl ostpreußische Flücht⸗ linge aus ostpreußischen Städten auf Staatskosten in einer zußriedenheit wie sie nach der traurigen Lage der Dinge eben möglich sein kann. Es gibt aber immer noch Groß⸗ städter, die sich unter dem „flachen Lande“ nichts anderes als einen Kartoffelacker, einen Heuhaufen und eine Hütte vorstellen können und darum die Ostpreußen davor bewahren wollen, in solch dürftige Lebensverhältnisse verschleppt zu werden. Gerade unser Reichtum an blühenden Provinzstädten ist der besondere Stolz Preußens und Deutschlands, und dieser Reich⸗ tum ist gerade jetzt ein Segen, besonders für die geflüchteten ostpreußischen Städter.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ kündigt folgende Erweiterung des Personenkreises für die Familien⸗ unterstützungen an:
Die Reichsregierung hat neuerdings weitere Richtlinien bezüglich der Anwendung des Gesetzes vom 28. Februar 1888 in der Fassung des Gesetzes vom 4. August 1914, betreffend Familienunterstützungen, aufgestellt und den Bundesregterungen zur Beachtung empfohlen. Es handelt sich dabei um eine recht bedeutende Erwesterung des Personen⸗ kreises der Anspruchsberechtigten. Ueber weitere Ergänzungen schweben zurzeit noch Verhandlungen mit den heteiligten amtlichen Stellen. seien aus dem Rundschreiben folgende Punkte hervor⸗ gehoben:
1) Im Falle der Bedürftigkeit sind auch den Stiefeltern, Stief⸗ geschwistern und Stiefkindern des in den Dienst Eingetretenen Familienunterstützungen zu gewähren, insofern sie von ihm unterhalten worden oder das Unterhaltungsbedürfnis erst nach erfolgtem Dienstein⸗ tritt desselben hervorgetreten ist. Unter denselben Voraussetzungen sind auch den unehelichen mit in die Ehe gebrachten Kindern der Chefrau die Unterstützungen zu gewähren, auch wenn der Ehemann nicht ihr Vater ist. Elternlose Enkel des Einberufenen sind den ehelichen Kindern des Eingetretenen gleichzustellen.
2) Nicht nur den Familien der Mannschaften des Beurlaubten⸗ standes, sondern auch denjenigen aller übrigen im wehrpflichtigen Alter stehenden Mannschaften, welche infolge der kriegerischen Er⸗ eignisse nicht mehr in der Lage waren, in die Heimat zurückzukehren, sind im Falle der Bedürftigkeit Unterstützungen zu gewähren, sofern glaubhaft gemacht wird, daß sie als Gefangene im feindlichen Aus⸗ kand zurückgehalten werden, wobei kein Unterschied zu machen ist, ob sie vom Feinde als Kriegsgefangene oder Zivilgefangene behandelt werden. Das gleiche gilt bezüglich solcher Mannschaften, von denen glaubhaft gemacht wird, daß sie im Ausland bei einem Marine⸗ oder Truppenteile zur Einstellung gelangt sind. 8
3) Gemäß § 10 Absatz 5 a. a. O. werden die Unterstützungen, falls der in den Dienst Eingetretene vor seiner Rückkehr verstirbt oder vermißt wird, solange gewährt, bis die Formation, welcher er angehörte, auf den Friedensfuß zurückgeführt oder aufgelöst wird; insoweit jedoch den Hinterbliebenen auf Grund des Gesetzes vom 17. Mai 1907 Be⸗ willigungen gewährt werden, sallen die durch das Gesetz geregelten Unterstützungen fort. Die Bestimmung ist so auszulegen, daß zwischen dem Fortfall der Familienanterstützung und dem wirklichen Bezuge der Hinterbliebenenrente eine Unterbrechung nicht eintreten soll. Die Worte „gewährt werden“ sind also gleichbedeutend mit den Worten „tatsächlich zur Auszahlung gelangen“. Von einer Anrechnung der bis zu diesem Zeitpunkt gewährten Familienunterstützungen auf die Hinterbliebenenbezüge wird wegen der Schwierigkeit der Durch⸗ führung des Verfahrens abzusehen sein. Das gleiche gilt, wenn der in den. Dienst Eingetretene infolge einer Verwundung oder Krankheit als felddienst⸗ oder garnisondienstunfähig zur Entlassung kommt und ihm eine Kriegsinvalidenrente zugesprochen wird.
Wenn auch die unter Z ffer 1 bis 3 erwähnten Bewilligungen nicht ausdrücklich im Gesetz aufgeführt sind, so wird doch bei Erlaß des im § 12 a. a. O. vorgesehenen Spezialgesetzes dafür Sorge ge⸗ tragen werden, daß die Bewilligungen in der Höhe der in § 5 fest⸗ gesetzten Mindestsätze den Lieferungsverbänden b Reich sattet werden.
8 Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 238, 239 und 240 der Deutschen Verlust⸗ listen bei. Sie enthalten die 90. Verlustliste der preußischen Armee, die 81., S2., S3. und 84. Verlust⸗ liste der bayerischen Armee und die 68. Verlustliste der württembergischen Armee.
“ Desterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser Franz Joseph hat an den Generalfeld⸗
marschall von Hindenburg und dessen Generalstabschef,
Generalleutnant Ludendorff aus Anlaß ihrer Beförderung
Glückwunschtelegramme gesandt. Das Telegramm an den ersteren lautet, wie „W. T. B.“ meldet:
Lieber Generalfeldmarschall von Hindenburg! .
erfreut, Sie zu Ihrer Beförderung in die höchste
miltärische Würde, die Sie der huldvollen Anerkennung
„ ℳ
Ihrer ruhmvollen Führung des unvergleichlich tapferen Ost⸗ heeres seitens Seiner Majestät. Ihres erhahenen Kriegs⸗ herrn verdanken, wärmstens beglückwünschen zu können, ist es Mir Bedürfnis, Ihnen zu bekunden, welch; viel be⸗ gründete Hochschätzung Ich Meine Wehrmacht Ihnen zollen. Klar, fest und treu wirkten Sie in schwersten Kämpfen in steter U bereinstimmung mit Meinem Heere, und dieses wird stolz sein, sich je enger mit Ihnen verbunden zu wissen. Ihren glänzenden Feldherrnnamen Meiner Wehrmacht zum leuchtenden Sinnbilde kriegerischer Höchstleistungen zu erhalten, ernenne Ich Sie zum Oberstinhaber Meines Infanterie⸗Regiments Nr. 69. Möge es der unerschütterlichen Waffenbrüderschaft Meiner und der deutschen Wehrmacht beschieden sein, der gemeinsamen gerechten Sache in
beharrlichem Kampfe den Sieg zu erringen. Franz Joseph.
Das Telegramm an den Generalleutnant Ludendorff lautet:
Lieber Generalleutnant Ludendorff!
Zu Ihrer Besörderung, durch welche die höchste Anerkennung Ihrer glänzenden Leistungen seitens Seiner Majestät, Meines teuren Freundes und Verbündeten, zu weithin sichtbarem Ausdruck kommt, beglückwünsche Ich Sie auf das berzlichste Es sei Ihnen vom Allmächtigen vergönnt, auch weiterhin in gleich vorbildlicher Weise und in bewährtem Einklang mit Meinem Generalstabe an der Seite Ihres ruhmreichen Feldherrn zu wirken.
Franz Joseph.
Die „Wiener Zeitung“ und das „Reichsgesetzblatt“ veröffentlichen eine Verordnung des Gesamtministeriums, die bestimmt, daß Militärpersonen des verbündeten kriegführenden Staats den österreichisch⸗ungari⸗ schen Militärpersonen gleichzuhalten sind. Diese Gleichstellung gilt unter der Voraussetzung der Gegen⸗ seitigkeit. Die Verordnung bietet eine Grundlage dafür, den Angehörigen der deutschen Wehrmacht Begünstigungen des Schutzes gegen Rechtsnachteile einzuräumen, die ihnen auf dem Gebiete eines Verfahrens in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, eines Verfahrens in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts usw. daraus erwachsen können, daß sie infolge ihrer militärischen Dienstleistung an der Wahr⸗ nehmung ihrer Rechte gehindert werden. Die österreichisch⸗ ungarischen Militärpersonen sollen dafür durch die im Deutschen Reiche für Militärpersonen bestehenden entsprechenden Be⸗ günstigungen gesichert werden.
— Im ungarischen Abgeordnetenhause wurde gestern bei Beginn der Sitzung das Antw orttelegramm des Kaisers Franz Joseph auf das Huldigungstelegramm des Abgeordnetenhauses verlesen. Es lautet obiger Quelle zufolge:
Die durch Sie unterbreitete Huldigung des Abgeordnetenhauses nehme Ich mit herzlich'm Dank an. Mit besonderer Genugtuung erfüllt Mich die Versicherung der Anteilnahme und Ovferwilligkeit des Abgeordnetenhauses in der gegenwärtigen Zeit, in der die ganze ungarische Nation im heldenmuͤtigen Kampfe gegen die Feinde des Vaterlandes den glänzenden Beweis ihrer von den Ahnen ererbten patriolischen und kriegerischen Tugenden liefert.
Franz Joseph.
Verlesen wurde ferner die Antwortdepesche des Ober⸗ kommandanten Erzherzogs Friedrich, in der der Dank für das Vertrauen zur Armee ausgesprochen wird, die Antwort des Reichstagspräsidenten Dr. Kaempf, in der namens des Deutschen Reichstags für die zum Aus⸗ druck gebrachten Gefühle der Bundestreue gedankt und die Ueberzeugung ausgedrückt wird, in fester Waffen⸗ brüderschaft der vereinigten Heere einen solchen Sieg zu erringen, daß den Staaten ein gerechter und dauernder Friede gesichert sein wird, und das Telegramm des Präsidenten der türkischen Kammer Halil, der erklärt, er habe mit stolzer Freude das Begrüßungstelegramm erhalten und hege den unerschütterlichen Glauben, daß die Türkei und die Zentral⸗ mächte aus dem gerechten Kampfe gegen Rußland und die Ver⸗ bündeten siegreich hervorgehen werden.
Bei der mun folgenden Beratung des Berichts, betreffend die Verwendung der Honveds und des Landsturms außerhalb des Staatsgebiets, ergriff der Minister⸗ präsident Graf Tisza das Wort und führte aus:
Man könne jetzt auf Grund der Erfahrungen der letzten Monate sagen, daß der Krieg absolut unvermeidlich gewesen sei. Einzelne Staaten hätten Deutschland seme großartige wirtschaftliche Ent⸗ wicklung geneidet, andererseits sei die Friedensliebe Oesterreich⸗ Ungarns als Schwäche gedeutet und darauf zurückgeführt worden, daß die Monarchie unfähig und schwach sei, während tatsächlich ihre Politik von der Friedensliebe aller leitenden Faktoren der Monarchie zumal des friedliebendsten unter allen Monarchen der Welt diktiert worden sei. Der Krieg sei heute mehr als jemals nicht b oß ein Ringen der Armeen, sondern der Völker und Nationen. In diesem Ringen hätten die ungarischen Truppen und die ungarische Nation Außerordentliches geleistet, wie dies auch der Höchst⸗ kommandierende Erzherzog Friedrich ausdrücklich bezeugt habe. Der Ministerpräsident saate darauf, er sei glücklich, auf Grund unmittelbarer Eindrücke sagen zu können, daß auch die leitenden Faktoren der großen deutschen Nation von Anerkennung und Vertrauen für die ungarische Armee erfüllt seien. Der jetzige Krieg sei auch der erste unter dualistischem Regime. Der Dualismus habe nunmehr die Feuerprobe bestanden, und es sei durch die Wahrheit erhärtet, daß nur solche Gestaltung der Monarchie imstande sei, die höchste Leistungsfähigkeit zu be⸗ währen, die Ungarns berechtigten Selbständigkeitebestrebungen Rech⸗ nung trage und dennoch die Einheit der Gefühle und Bestrebungen verbürge. Graf Tisza erklärte schließlich, er glaube, den Gefühlen aller Ausdruck zu geben, wenn er sage, das in Strömen vergossene Blut werde für die ungarische Nation Früchte tragen und der Kampf werde ohne Ermatten und ohne Kleinmüttakeit fortgesetzt werden müssen, bis die Bedingungen der künftigen Sicherheit für die ungarische Nation geschaffen worden seien.
Nach dem Ministerpräsidenten Grafen Tisza ergriff der Abg. Graf Michael Karolyi das Wort zu dem zur Beratung stehenden Bericht und führte aus: Die Unabhängigkeitspartei, in deren Namen er spreche, setze für die Dauer des Krieges die innerpolitischen Kämpfe aus, doch bedeute die Haltung der Partei nicht, daß sie ihren Standpunkt geändert habe, sondern nur, daß sie in dieser geschichtlichen Zeit alles vermeiden wolle, was die Kraftanspannung der Nation stören könne. Die Partei stimme dem vorliegenden Bericht zu mit stolzem Gefühl der Freude, daß der Honved und der Landsturm nicht nur den Erwartungen entspreche, sondern diese noch übertreffe Seine Partei entbiete den für das Vaterland heldenhaft kämpfenden Soldaten bewundernden, liebevollen Gruß. Der Abg. Graf Julius Andrassy erklärte namens der Verfassungspartei, daß er sich der Feststellung des Grafen Tisza anschließe, daß dieser Krieg unausweichlich gewesen sei. Kein Ungar dürfe heute an etwas anderes denken, als an das ge⸗ sfährdete Vaterland. Die Verfassungspartei setze alle oppositionellen Gesichtspunkte beiseite, wenn es die Unterstützung des helden⸗ mütigen Heeres gelte. Ohne die Leistungen irgend eines Volks beein⸗ trächtigen zu wollen, wolle er besonders darauf hinweisen, wie das nhace Volk sich in diesem Kampfe hervorgelan habe. Graf An⸗ drassy rief: „Ich bin stolz, daß ich ein Ungar bin, weil ich sehe, was Ungarn jetzt auf dem Schlachtfelde leistet“ Der Abg. Smonyi Semadan erklärte namens der Volkspartei, ebenfalls den Bericht der
Das Haus nahm sodann die Vorlage, betreffend eine der
Kriegshilfe gewidmete Sondersteuer von Einkommenüber
20 000 Kronen, an.
Italien. “ An der gestrigen Trauerfeier für den Marchese Visconti Venosta nahmen als Vertreter des Königs der General Brusati, der Ministerpräsident Salandra, der Minister des Aeußern Sonnino, alle anderen Minister, das gesamte diplomatische Korps, zahlreiche Parlamentier, Vertreter der Behörden und angesehene Persönlichkeiten teil. Die sterbliche Hülle wird nach Grosio übergeführt und im Familienbegräbnis beigesetzt werden. 8
Norwegen.
Der von einem englischen Kriegsschiff bei Fleetwood auf⸗ gebrachte norwegische Fischdampfer „Nestor“, der be⸗ schuldigt wird, unter neutraler Flagge nördlich von Irland deutsche Minen ausgelegt zu haben, ist Eigentum einer nor⸗ wegischen Reederei, deren Kapital aber zum großen Teil in englischen Händen ist. Wie „T. T. B.“ meldet, war der Dampfer von der Firma Frank Barret in Grimsby gechartert. Infolgedessen kann nicht die Rede davon sein, daß er Minen für Deutschland ausgelegt hatt.
Griechenland.
Wie „Taswir⸗⸗Efkiar“ erfährt, hat die griechische Regierung alle Anerbietungen und Bemühungen des Drei⸗ verbandes, mit ihm zu gehen und der Türkei den Krieg zu erklären, zurückgewiesen und findet es ihren Interessen ent⸗ sprechender, alle Meinungsverschiedenheiten mit der Türkei in freundschaftlicher Weis
1“ Rumänien. 8
Die Kammer hat Michael Pherkyde einstimmig zum Präsidenten wiedergewählt. Die „Agence Roumaine“ bemerkt dazu, die Einmütigkeit der Wahl habe die Einigkeit aller Rumänen in diesem Augenblicke bekräftigt.
— Der Senat hat den früheren Präsidenten Basil Missir wiedergewählt.
1.
Albanien.
Die vorläufige Regierung für Epirus hat an das Volk von Oberepirus eine Proklamation erlassen, in der es der „Albanischen Korrespondenz“ zufolge heißt: „Unsere Kämpfe haben mit einem Triumph geendet. Alle unsere Wünsche haben sich verwirklicht. Ihr tretet endgültig in die hellenische Familie ein.“ Die vorläufige Regierung spricht sodann in der
roklamation allen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, die heldenhaft unter dem epirotischen Banner gekämpft hätten, herzlichsten Dank aus, erklärt ihre Mission für beendet und schließt: „Lebet immer glücklich, Ihr und Eure Nachkommen im Schoß unserer Mutter Griechenland.“
Die „Agence Ottomane“ erfährt aus Me daß 30 000 Muselmanen, darunter Sajids, Ulemas und Scherifs der Beduinen, sich um die heilige Fahne, „Sandschak⸗i⸗Scherif“, geschart haben, die unter Entfaltung großen Pompes von der heiligen Stätte her eingeholt wurde. Die Begeisterung der Bevölkerung sei groß. Tausend Mann, darunter der 65 Jahre alte Mufti der Schafiiten, hätten sich als Freiwillige ein⸗ schreiben lassen und am Grabe Mohammeds geschworen, die Waffen nicht früher niederzulegen, als bis die Rechte des Vaterlandes und des Khalifats anerkannt würden.
Afrika. b Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ wird aus Nalut (Tripolis) berichtet, daß am 28. v. M. zwischen dorthin entsandten Truppen und einer starken Abteilung von Räubern jener Gegend ein Kampf stattgefunden hat. Genauere Nach⸗ richten liegen infolge der großen Entfernung noch nicht vor. Anscheinend wurde der Angriff gegen eine auf Nalut marschierende Proviantkolonne begonnen, in den zur rechten Zeit eine Truppenabteilung ein⸗ griff. Die Aufständischen wurden zurückgeworfen und verfolgt, teils nach den Dörfern Amuhd und Aulad Mohamed, teils nach Gefara, andere nach Westen. Unsere Verluste be⸗ trugen: 7 Mann tot, unter ihnen 4 Italiener und 3 Libyer, 10 Mann verwundet, davon ein Offizier, 6 Angehörige der italienischen Truppen und 3 Libyer. Der Gouverneur hat An⸗ weisungen gegeben für die unverzügliche Verhängung Be⸗
lagerungszustandes in der Gegend Gebel und Nefusa.
Kriegsnachrichten. Westlicher Kriegsschauplatz.
Neues. Oberste Heeresleitung.
8
Oestlicher Kriegsschauplatz.
(W. T. B.) In Ostpreußen und Südpolen herrschte im allgememnen Ruhe. In Nordpolen, südlich der Weichsel, steigerte sich die Kriegsbeute in Ausnutzung der gestern ge⸗ meldeten Erfolge. Die Zahl der Gefangenen vermehrte sich um etwa 9500, die der genommenen Geschütze um 18. Außerdem fielen 26 Maschinengewehre und zahl⸗ reiche Munitionswagen in unsere Hände. Oberste Heeresleitung.
Wien, 30. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Im Norden hat sich gestern an unserer Front nichts Wesentliches ereignet.
Budapest, 30. November. (W. T. B.) Nach Berichten, die hier an amtlichen Stellen eingetroffen sind, ist die Nieder⸗ lage der Russen in dem Gefecht bei Homonna noch viel größer gewesen, als anfänglich angenommen worden ist. Unsere Truppen hatten die russische Stellung an beiden Flügeln umfaßt und einen doppelten Flankenangriff gegen sie gerichtet. Das Feuer unserer Artillerie brachte den Russen schreckliche Verluste, und der tapfere Sturm angriff der Fußtruppen war so⸗ veea. daß der Feind eiligst den Rückzug antreten mußte. .* ährend des Rückzuges
Regierung anzunehmen.
6 Hauptquartier, 1. Dezember, Vormittags. Auf dem westlichen Kriegsschauplatze
Großes Hauptquartier, 1. Dezember, Vormittags.
wurden die Russen von unseren Geschützen mit einem Hagel
von Schrapnellschüssen verfolgt. Neben 1500 Gefangenen haben die Russen Tausende von Toten und Verwundeten in diesem Kampfe verloren. Im Komitat Ung sind die Russen nur wenig über die Grenze gedrungen, da sich ihnen sofort eine überlegene Gruppe n Kräfte entgegenstellte, der es sogleich beim ersten Zusammenstoß gelang, den Feind zurückzuwerfen. Die Verfolgung des Feindes jenseits der Landesgrenze ist im Zuge. Von der Front langen unausgesetzt russische Ge⸗ fangenentransporte an. 8 8
Südlicher Kriegsschauplatz.
Wien, 30. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Auf dem südlichen Kriegsschauplatz finden eö Kämpfe statt. Gestern wurde der hartnäckig verteidigte Su⸗ vobor, Sattelpunkt der Straße Valjevo--Cacak, nach heftigen Kämpfen erstürmt. Gestern wurden insgesamt 1254 Mann gefangen und 14 Maschinengewehre er⸗ beutet, in Uzice viel Waffen und Munition vorgefunden.
Parlamentarische Nachrichten.
Im Reichstage trat heute vormittag die sogenannte fre ie Kommission zur Vorbereitung der neu angeforderten Kri egskredite zusammen. Von der Regierung erschienen, wie „W. T. B.“ meldet, der Reichskanzler Dr. von Beth⸗ mann Hollweg, fast alle Staatssekretäre der Reichsämter und mehrere preußische Minister. Auch außerpreußische Vertreter der Bundesstaaten waren anwesend, darunter der bayerische Minister⸗ präsident Graf von Hertling. Der Vorsitzende der Budget⸗ kommission Dr. Spahn leitete die Verhandlungen, deren
strenge Vertraulichkeit die Kommission beschloß.
2 ; - “ 8 em Lessing⸗Museum in der Brüderstraße 13 einen
Besuch abzustatten, unternahm die „Brandenburgia“, Gesell⸗ schaft für Heimatkunde, an einem der letzten Novembersonntage in den Vormittagsstunden. Die geweihte Stätte war ihr bei einem Besuch vor mehreren Jahren schon bekannt geworden, bald nachdem in sehr beschränkten Räumen im Erdgeschoß des Nicolaihaufes die wertvollen Sammlungen Aufnahme gefunden, die vorher in Lessings einstiger Wohnung am Königsgraben Nr. 10, auch in recht engen Gelassen, ihren Platz gehabt hatten. Da inzwischen dem Museum die neu eingerichteten Räume des ersten Stockwerks im Nicolathause eingeräumt und durch teilweisen Umbau auch ein stattlicher Vortrags⸗ saal gewonnen, elektrische Lichtanlogen, Heizungsvorrichtungen und mancherlei Verbesserungen beschafft worden waren, schien es erwünscht, nunmehr auch dies neue, wesentlich verschönte Heim der Sammlungen kennen zu lernen. Hierzu trat noch ein anderes: Es war in der Zwischenzeit von der „Gesellschaft zur Erhaltung des Lessing⸗ Museums in Berlin“ der erfreuliche Beschluß gesaßt worden, die Lessing⸗ ehrung mit einer zweiten, einem anderen hochgefeierten vaterländischen Dichter geltenden, nämlich einer Theodor Körner⸗Sammlung, zu vereinigen, für die seit lange schon pietätvoll Beiträge gestiftet und herbeigebracht worden waren, und der jetzt eine sichere Heimat gegeben werden sollte, auf die sie sogar eine Art Anspeuch erbeben durfte. Denn, war Lessing in der Brüderstraße im Hause Nicolais, mit dem er eng befreundet war, häufiger Gast gewesen, so war Theodor Körner nicht minder ein gern gesehener Gast im Hause des Hofrats Daniel Friedrich Parthey gewesen, des Schwiegersohnes von Nicolai, auf den nach Nicolais Tode der Besitz von Buchhandlung und Haus übergegangen war. Ja, Theodor Körner war noch in den letzien M onaten seines allzu fruͤh geendeten Lebens als Gast Partheys längere Zeit Bewohner dieses Hauses gewesen, und bis vor wenigen Jahren wies man im Garten noch den Platz an einem seitdem eingegangenen alten Nußbaum, unter dem der Dichter Perlen seines Liederkranzes „Lever und Schwerdt“ gedichtet haben soll. So ergab sich der vorgedachte Beschiuß gewissermaßen auch als eine Pietätspflicht gegen die beiden Dichter, die, zeitlich etwa um zwei Menschenalter getrennt, dem „Nicolai⸗Körner⸗Haus“, wie es jetzt beißt, das bekannte von der „für alle Zeiten geweihten Stätte“ aufgeprägt Herr Georg Richard Kruse, Schriftführer und Direktor des Museums, hatte es liebenswürdigerweise übernommen, die zahlreich erschtenenen Mitglieder der „Brandenburgia' durch das Museum zu führen und willkommene Erläuterungen zu geben. Er geleitete sie zu⸗ nächst in jenen schön ausgestatteten, neuen Vortragssaal und erfreute hier durch einen Vortrag, der, dem Doppelzweck des Museums entsprechend, sich zunächst mit Lessing und in seinem zweiten Tetle mit Körner beschäftigte und beider Männer engere Beziehungen zu Berlin in den Vordergrund der Betrachtungen stellte: Als „Vogel auf dem Dach“, so begann der Redner, hat Lessing sich einmal selbst und damit zugleich die Unstetigkeit seines Lebens bezeichnet. Auf den Wanderflügen des Genius wurde Berlin für ihn eine wichtige, immer wieder aufgesuchte Station, ein Ruhepunkt, wo dauernd heimisch zu werden, wie es sein Wunsch war, ihm doch nicht gelang. Dennoch sind es rund 10 Jahre, die er bei viermaligem Aufenthalt in Berlin verlebt hat, und sein berühmtestes Lustspiel ist ein Berliner Lokalstück — Grund genug, daß Berlin sein Andenken in Ehren halte, zumal er der einzige unserer Klassiter ist, den nähere persönliche Beziehungen an die Stadt knüpfen. Lessings Jugendjahre hatten den in Kamenz in Sachsen Geborenen aus seinem engeren Heimatlande Sachsen nicht herausgeführt; denn nach kurzem Schulaufenthalt in Putzkau und Bischosswerda war er für 5 Jahre auf die Fürstenschule St. Afra in Meißen gekommen, die er 17 jährig verließ, um in Leipzig Theologie zu studieren: ein eigenartiger Student der Gottesgelahrtheit, der in der Erkenntnis der Einseitegkeit seines bisherigen Bildungsganges, sich seines Mangels an Lebensart und Umgan sformen schämend, fechten, tanzen, voltigieren lernte, sich von den Büchern ab und dem Leben zuwendete. Seine Neigung zog ihn bald zum Theater; ein kleines von ihm verfaßtes Lustspiel hatte Erfolg, doch semes Bleibens in Leipzig war nicht lange. Gründe höchst prosaischer Natur, Bürgschaften, die er für einige leicht⸗ sinnige Schauspieler der Neuberinschen Truppe gutgläubig ein⸗ gegangen, ließen ihn, nach dem Fehlschlag von Hoffnungen auf eine Stellung in Berlin, im August 1748 Wittenberg zur Fortsetzung seiner Studien wählen. Hier waren es neben Altertums⸗ kunde und Philosophie die politischen Verhältnisse und die öffentlichen Zustände, die ihn lebhaft beschäftigten, letztere in solchem Grade, daß er sich schon nach wenig Monaten dem ihm von Leipzig her bekannten, auch verwandten Redakteur der Vossischen Zeitung“Mylius als Gehilfen anbot um seine Studien in Wittenberg jäh abbrechend kurzer Hand nach Berlin übersiedelte, das nach dem siegreich durchgeführten zweiten schlesischen 5882 anfing, der Mittelpunkt des politischen und eistigen Lebens in Deutschland zu werden. Lessing nahm damals Winter 1749) im Hause Spandauer Straße 68 Wohnung, in dem später auch Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn wohnten. Auf Empfehlung von Mylius wurde Lessing vom Besitzer der „Vossischen Zeitung“, Rüdiger, beauftragt, seine große Bibliothek zu ordnen: ein Auftrag, den der Zwanzigjährige mit Freuden übernahm. Der Auf⸗ enthalt in Berlin, einem so gefährlichen Orte, wo er allen Zer⸗ streuungen und Verführungen ausgesetzt sei⸗, sowie die Unterbrechung und Regellostakeit des Studlums seines Sohnes, war jedoch sehr gegen Wunsch und Willen von Lessings Vater, dem Kamenzer Pfarrer. Es einliche briefliche Aubeinandersetzungen zwischen Vater und Sohn,
die erst zugunsten der Wünsche des letzteren ein Ende nahmen, als er durch literarische Arbeiten, kritische Berichte, namentlich für die „Vossische Zeitung“, sein großes Können und die Fähigkeit, sein Brot, wenn auch mühsam, zu verdienen, bewiesen hatte. Seine Eltern tröstete der Sohn über sein Se beispielsweise durch die Mitteilung, daß er „für 1 ½ gute Groschen eine starke Mahlzeit tun tönne“ Es lag Lessing vor allem daran, in Freiheit zu schaffen. Deshalb lehnte er, diesem Wunsch jede andere Rücksicht unterordnend, ebenso die ihm angebotene Stellung als politischer Re⸗ dakteur der „Vossischen Zeitungt, wie den Posten eines Auktionskommissars mit festem Fabresgehalt von 400 Talern dankend ab und blieb mit einzelnen Arbeiten beschäftigt, u. a. mit der Unterstützung eines Barons v. d. Goltz in Polen in einem Rechtsstreite, den er mit so gutem Erfolge durchzuführen verstand, daß sich ihm weitere Aussichten eröffneten. Für Lessings Denkart ist bezeichnend, daß er ein „gemächliches Leben“ nennt, was andere vielleicht „zur Not“ nennen würden. „Allein, was tut mir das, ob ich in Fülle lebe oder nicht, wenn ich nur lebe“. Anfangs 1751 wurde Lessing aber doch Redakteur an der „Vossischen Zeitung“, als man hier seinen Wunsch erfüllte, allmonatlich der Zeitung eine kritische Beilage selbständig beizufügen, mit dem Namen „Das Neueste aus dem Reich⸗ des Witzes“. Seine, der Zensur nicht gleich dem politischen Teil der Zeitung unterworfenen Kritiken durchzieht. welches Gebiet sie immer behandeln, der einheitliche Gedanke „Kampf gegen Hohlheit und Pedanterie“. Dogmatische und sittliche Fragen werden mit großer Ernsthaftigkeit behandelt, was in dem Berlin jener Tage, mit seinen lockeren Sitten, immerhin einen starken Mut erforderte. Als 8 ein roter Faden läuft die aufrichtige Begeisterung für Friedrich den Großen hindurch, „den die Natur zum Weltweisen machen mußte, weil sie ihn zu einem Urbilde der Könige machen wollte“. Fast unnütz zu sagen, daß der Toleranz⸗ gedanke, der seinen vollendeten Ausdruck später in „Nathan“ finden sollte, schen diese Monatekritiken, wie die zu dieser Zeit ent⸗ standenen Dramen „Die Juden“ und „Der Freigeist“, beherrscht. Jedenfalls war diese Zeit des ersten Aufenthalts Lessings in Berlin ganz außerordentlich fruchtbar auch in dem Sinne seiner eigenen Weiterbildung, u. a. seiner eifrigen Beschäftigung mit fremden Sprachen. Doch Lessing erinnerte sich hierbei, daß er seiner Unwersitätsbildung noch einen formalen Abschluß zu geben habe. So unterbrach er, unter Vorbebalt seiner Beziehungen zur „Vossischen Zeitung“, seinen Berliner Aufenthalt für das Jahr 1752, das er in Wittenberg zu⸗ brachte, um hier seine Unversitätsstudien durch Promotion zum Magister der freien Künste abzuschließen. Anfang De⸗ zember 1752 nach Berlin zurückgekehrt, bezog er eine Wohnung im Hause Nikolai⸗Kirchhof Nr. 10. In dieser Zeit suchte und fand Lessing lebhaftere geistige Anregung im „Montagklub“, dem er bis 1761 angehörte. Hier knüpften sich die engeren freundschaftlichen Beziehungen zu Friedrich Nicolat an, der bald nach dieser Zeit das Haus Brüderstraße 13 erbaut und die vom Vater († 1752) ererbte Buchbandlung aus der Poststraße dorthin ver⸗ legt hatte. Auch der gleichaltrige Moses Mendelssohn gehörte zu den Bekanntschaften des Montagk ubs. Lessing lernte ihn zunächst beim Schachspiel kennen und trat ihm in philosophischen Gesprächen näher. Aus dem Verkehr entwickelte sich innige Freundschaft. Mendelssohn gilt mit Recht wohl als das Urbild des Nathan. Der dritte von Lessings Freunden aus dieser Zeit, der auch mit den heiden vorgenannten am Denkmal im Tiergarten vereinigt ist, war Christtan Ewald Kleist, der Dichter des vielbewunderten Gedichtes „Der Frühling“. Was Lessing den Oktober 1755 vperanlaßte, seinen Berliner Aufenthalt abzubrechen und nach Leipzig zu über⸗ siedeln, war vermutlich der schwere Aerger, der an ihm bohrte, Berlin dauernd ohne eine deutsche Schaubühne zu sehen, trotz des guten Kampfes, den er unausgesetzt diesem Zweck widmese Es war ihm persönlich nabegegangen, daß sein Drama „Miß Sarah Sampson“, das um diese Zeit entstanden und in dem er mit Vorbedacht fast zum ersten Male in der deutschen dramatischen Literatur das Bürgerhaus an Stelle des Palastes als Schauplatz der Tragödie gewählt hatte, in Berlin nur eine Schau⸗ bude zur Aufführung gefunden hatte, die zu betreten die sogenannte feine Welt Anstand nahm. Der Aurfenthalt in Leipzig, den Lessing später in einem Briefe an Mendelssohn als allen seinen Absichten und Neigungen zuwider bezeichnet hat, brachte ihm anfangs die Aussicht auf eine große Reise nach Holland, England, Frankreich und Italien, als Begleiter des jungen Kaufmanns Winkler. Die Reise wurde auch angetreten, fand aber bereits in Amsterdam ihr unerwartetes Ende durch den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, der zur Heimkehr nötigte. Ein siebenjähriger Prozeß mit Winkler um die Lessing vor⸗ enthaltene Entschädigung war die zweite unliebsame Folge. „Ich sehne mich mehr, als Sie glauben können, wieder in Berlin zu sein“, schrieb Lessing an Mendelssohn, und am 4. Mai 1758 kehrte er nach Berlin zurück. Wo er damals Wohnung nahm, hat bisher noch nicht sicher festgestellt werden können. Entweder war es das Haus Heiligegeiststraße Nr. 52 oder Alte Leipzigerstraße Nr. 1, das gegenwärtig auch dem Abbzuch verfallende, ehemalige Branden⸗ burgisch⸗ preußische Marineministerium. In einem Gartenhause Blumenstraße 17/18 traf sich der literarische Freundeskreis, oder auch in der sogenannten „Baumanns⸗Höhle“, dem später Maurer u. Brachtschen Weinkeller, Brüderstraße 27, den die Aelteren unter uns noch in setiner ursprünglichen Beschaffen⸗ heit gesehen haben. In die Zeit dieses dritten Berliner Aufenthalts fällt die in Gemeinschaft mit Mendelssohn und Nicolai erfolgende Herausgabe der „Briefe, die neueste Literatur be⸗ treffend“, welche als erstes großes kritisches Organ ungeheuren Ein⸗ fluß erlangten. Sie bedeuten den Beginn der Würdigung Shakespeares in Deutschland gegenüber den Franzosen. Reiche Früchte mannig⸗ fachster Art waren das Ergebnis dieses Lebensabschnitts Lessings. Eifersüchtig auf seine Unabhängigkeit und Freiheit, lehnte er es ab, sich um ein Amt zu bewerben. Als sich ihm auf Betreiben seiner Freunde, namentlich Kleists, aber ein Amt anbot, das ihm mit seiner Cigenart verträglich schien, nahm er es an, wurde Gouvernementssekretär des Generals von Tauenzien und übersiedelte im Herbst 1760 nach Breslau, doch nicht ohne auf der Durchreise das Grab Ewald von Kleists aufzusuchen, der kurz vorher in der Schlacht bei Kunersdorf gefallen war In den letzten Wochen seines Berliner Aufenthalts war er ohne einen Antrag seiner⸗ b noch zum außerordentlichen Mitgliede der Akademie ernannt worden.
ald nach dem Hubertusburger Frieden nahm Lessing, dem eine von ihm nachgesuchte Beförderung versagt worden war, und den das Soldaten⸗ leben nach dem Kriege nicht mehr fesselte, seinen Abschied, kehrte von Breslau über Kamenz, wo er seine Eltern besuchte, und Leipzig nach Berlin zurück und nahm hier im Mai 1765 seinen vierten Aufenthalt, jetzt im Hause Königsgraben Nr. 10 beim Kupferstecher Schleum wohnend. Diesmal langte ihm die früher stets aus einem einzigen Zimmer be⸗ stehende Junggesellenwohnung nicht mehr; denn Lessing brachte eine meist in Breslau erworrene Bibltothek von etwa 6000 Bänden mit. So verhältnismäßig kurz Lessings Abwesenheit von Berlin gewesen war, fand er sich jetzt nicht mehr wie früher angeheimelt. Der Partiku⸗ larismus, den er in seiner Heimat Sachsen so tadelnswert gefunden, war in Preußen nach dem Kriege, gepaart mit über⸗ hebendem Selbftgefühl, stark ins Kraut geschossen. Lessings warmer Enthusiasmus für des großen Friedrich Hauptstadt kühlte ch immer mehr ab, zumal seine ökonomische Lage zu wünschen übrig Ließ. Nichtsdestoweniger reiften in dieser Zeit hervorragende Produkte des Lessingschen Geistes: „Laokoon“ und „Minna von Barnhelm“. Leider erwies sich die Hoffnung, in die Bibliothekarstelle beim König berufen zu werden, als trügerisch. Obwohl Winckelmann, der diese ihm angebotene Stelle abgelehnt, Lessing als den geeigneten Mann warm empfohlen hatte, und Gleiches auch durch Oberst Guichard geschehen war, entschied sich der König für den Franzosen Pernettv. Es ist bezeichnend für den Menschen Lessing, daß gerade in dieser Zeit, da er den gerechten Verdruß über seine Ablehnung empfand, von ihm die letzte Hand an sein gut preußisches Lustspiel „Minna von Barnhelm’ gelegt wurde, wobet Ramler ihn freundschaftlich und sachkundig beriet. Das Werk sollte seine letzte in Berlin vollendete
größere Arbeit bleiben; denn schon am 21. März 1767 folgte Lessing!
einer Einladung als Kritiker des in Hamburg neu begründeten „Deutschen Nationaltheaters’ und übersiedelte dorthin. Wenn Nicolai recht hat, dürste seinem Freunde der Abschied von Berlin nicht allzu schwer geworden sein. Im August 1769 schreihi Nicolai nämlich: „Die ehemalige Vorliebe für Berlin verwandelte sich später bei Lessing in völlige Abne gung“. Tatsächlich ist Lessing in der Folgereit nur noch zu kürzerem oder längerem Besuch in Berlin gewesen: 1771 in geschäftlicher Angelegenheit, als eine Ausgabe der Vermischten Schriften erscheinen sollte, 1775 auf der Retse nach Wien vom 1. bis 15. März, 1776 nach der Rückkehr von Italien vom 26. Januar bis Mitte Februar. Wohnung nahm er in diesen Fällen bei seinem Bruder Karl, der als Beamter an der Muünze Alte Leipziger Straße 1 wohnte. Lessing starb 1781. Lange, allzu lange hat es gedauert, bis Berlim ch darauf besann, welche Bedeutung in der Geschichte der Stadt essing zukomme. Die erste öffentliche Ehrung warde ihm hier zuteil, als Rauch den Dichter am Deakmal Friedrichs des Großen, enthüllt 1851, verewigte Mebhr als 100 Jahre nach seinem Tode erst, 1890, erfolgte die Errichtung des Lessingdenkmals von Otto Lessing, einem Urgroß⸗ neffen des Dichters, im Tiergarten, und vor5 Jahren endlich wurde von der Stadt Berlin auch eine bescheidene Gedenktafel für den Neubau in der Spandauer Straße 68 gessiftet, daran erinnernd, daß an dieser Stelle einst Lessing gewohnt hatte.
In weniger Worten als von seinem sächsischen Landsmann Lessing ist von den Beziehungen Theo dor Körners zu Berlin und seinem Aufenthalt hier zu berichten. Das älteste Zeugnis, daß er hier verweilte, ist ein lustiges Stammbuchblatt, datiert Berlin, den 16. April 1811, das auch gleich darüber auf⸗ klärt, warum der Studiosus Körner seinen Aufenthalt von Leipzig nach der preußischen Hauptstadt verlegt hatte. Reibereien und Raufereien zwischen den Landsmannschaften, den Lausitzern und den Thüringern, deren Senior Körner war, hatten Vater Körner deue⸗ Sohne raten lassen, sich von den Verbindungen zu lösen und an die neu gegründete Friedrich Wilhelm⸗Universität zu übersiedeln. diesem Sinne hatte der Vater auch schon mit dem ihm von Dresden befannten Hofrat Parthev Briefe gewechselt. Am 8. März 1811 teilt Körner senior dem Sohn mit, Parthey verlange, daß er zuerst bei ihm in der Brüderstraße 13 Wohnung nehmen solle ehe er sich felbst ein Quartier suche. Die Einladung sei so freundschaftlich und man scheine sich so sehr auf des Sohnes Ankunft zu freuen, 8 er sie unbedenklich annehmen möge. Es verging indessen aus wichtigen Gründen Ausfechtung einer Mensur in Leipzig mit dabei er⸗ haltenem derben Schmiß — nooch einige Zeit, ehe Theodor Körner dem väterlichen Rat entsprach, und schließlich war es nur die Be⸗ sorgnis, zu einer Karzerstrafe verurteilt zu werden, die ihn das von ihm bevorzugte Lapzig zu verlassen antrieb. Am 26. Mätz teilte er den Eltern sein Eintreffen „in der langweilig großen Stadt Berlin“ mit, am 27. März sah er sich als Stud. phil. an der Untversität immatrikuliert. Obne bei Parthey auch nur vorzu⸗ sprechen, mietete sich Körner sogleich eine nicht ganz billige Wohnung Taubenstraße 33, eine Treppe hoch. Auf Ermahnung der Schwester holte Körner indessen den Besuch bei Parthey bald nach; denn schon am 4. April beantwortet der Vater einen Brief des Sohnes mit den Worten: „Daß es Dir bei Parthey gefallen, freut mich; er hat wirk⸗ lich viel A hänglichkett an ich, und ein solches Haus wird Dir in manchen Fällen recht lieb werden“. In der Tat war der junge Student dort bald wie Kend im Hause. Er las, wie Partheys Sohn, damals 13 Jahte alt, später berichtet hat, mit schöner, klangvoller Baßstimme eigene und fremde Gedichte vor, sang zur Gitarte und gefiel all⸗ gemein trotz des schwarzen Pflasters, das er auf der noch nicht ganz vernarbten Wunde seines Schmisses trug und über das er, um es zu verbergen, eine dicke Locke seines prächtig schwarzen Haares zog, die auch das ganze Auge verdeckte. Leider nahm der Berliner Aufenthalt, so große Anregung und Befriedigung Körner das Studium gab — er börte u. a. bei Schleermacher, Fichte, Niebuhr — und so wertvoll sich ihm der Umgang mit dem Turnvater Jahn und Friesen gestaltete, ein jäbes Ende. Körner war aus den oben erwähnten Ursachen von der Leipziger Universität relegiert worden, und da Berlin zu den mit Leipzig in Vertrag tebenden Universitäten gehörte, wurde er Ende des Sommersemesters auch von der Be liner Universität ausgeschlossen. Nachdem er von Freunden und Bekannten Abschied genommen, reiste er am 4 Juni 1811 von Berlin ab. Zu den Gedichten, die in der Zeit seines Berliner Aufenthalts und zum Teil in der Stille des Partheyschen Gartens unterm Nußbaum entstanden, zählt z. B. das Frau Hofrätin Parthey gewidmete „Lied der Rose“. Daß sich Körners Meinung über Berlin sehr gewandelt, beweist ein wenige Tage nach seiner Ankunft in Dresden an Parthey gerichteter Brief, worin er behauptet, daß Dresden ihm nie so kleinstädtisch vor⸗ gekommen sei und daß er deshalb um so lieber an Berlin denke. Der zweite und letzte Aufenthalt Körners in Berlin fiel in die Tage vom 4. August bis zum 9. August 1813, also in die Zeit kurz vor Wiederbeginn der Feindseligkeiten nach dem achtwöchigen Waffen⸗ stillstande Diesmal mußte er, von Partheys, die an seiner Verwun⸗ dung beim Ueberfall von Kitzen den lebhaftesten Anteil genommen, mit größter Freundlichkeit empfangen, im Partheyschen Hause Quartier nehmen. Er wohnte also fünf Tage in der Brüderstraße, besuchte aber e die in ihrer großen Gartenwohnung Blumenstraße ihren
ommeraufenthalt aufgeschlagen, täglich. Abends saß er in traulichem Gespräche am Partheyschen Famtlientisch oder er las von seinen Gedichten aus einem kleinen Quartheft vor. Das Sonett Die Wunde brennt, die bleichen Lppen beben“ machte tiefen Eindruck und alles schwieg, als er es vorgelesen. Vom Gitarrespielen war dies⸗ mal keine Nede; doch setzte Körner die Hörer in Erstaunen durch sein musikalisches Gedächtnis, als er eines Abends alle 24 Hornsignale der Kavallerie vortrug. Am Morgen des 9 August kam Körner, um Abschied zu nehmen, nach der Blumenstraße, um sein hier eingestalltes Pferd, einen tüchtigen Schimmel, zu holen, packte seinen Mantelsack und nahm von den Eltern und Kindern Parthey kurzen, herzlichen Abschied. Alle sahen dem die lange Straße Herrunterreitenden ergriffen nach. Ein kurzer Gruß mit dem Taschentuch, ehe er um die Ecke bog, und der teure Mann war den Blicken entschwunden. Schon am 26. August 1813 siel Körner bei Rosenberg, und in den Jubel der Berliner über den Sieg von Großbeeren mischte sich die Trauer über den Heldentod des gefeierten Dichters. Als wenige Jahre später (1815) die Familie Körner von Dresden nach Berlin übersiedelte, wo Vater Körner als Staatsrat in das Kultusministertum unter Altenstein eingetreten war, mietete sie das zweite Stock werk des Partheyschen Hauses. Sehr zurückgezogen und in freundschaftlichem Zusammensein mit Partheys lebend, bewohnte sie das Haus 13 Jahre — genügender Grund, es im Hinblick auf diese Erinnerungen jetzt das Nicolai⸗Körner Haus zu nennen. Direktor Georg Richard Kruse endete hiermit seinen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag, nicht, ohne in dem letzten Teil noch im einzelnen auf die schönen Körner⸗Erinnerungen hinzuweisen, mit denen die Wände des Vortragssaales geziert sind: 8 Bilder von Friedrich Martersteig in Weimar, die zu den Schmuckstücken des Meseums gehören. Auch war es ein freundlicher Gedanke des Redners, in diesen Teil noch den Vortrag einiger Körner⸗Lieder eimz⸗ flechten. Es waren die Körnerschen Dichtungen: „Bergmanns Lehen“, „Abschied vom Leben“ und „Du Schwert an meiner Linken in ihren besten Vertonungen von Himmel und Karl Maria von Weber und vorgetragen mit ansprechendem, klangvollem Bariton von Herrn ritz Sturm. Die Zuhörerschaft empfand, daß es sehr vermandte
timmungen sind, von denen in diesem Augenblick eines furchtbaren Weltkrieges das deutsche Gemüt beseelt ist, mit denen, die vor jetzt gerade 100 Jahren unseren Vorfahren Trost und Begeisterung für ihre gute und gerechte Sache gaben.
Bei der sich nun anschließenden Wanderung durch die Räume und eingehenden Kenntnisnahme ven den Schätzen des Museums, in⸗ sonderheit des Körner⸗Zimm rs, das den en Erschienenen noch unbekannt war, gab sich die allgememe Ansicht kund, daßz hier it. Wahrheit ein Schatz werwoller Erinnerungen angesammelt ist. fuür den Berlin nicht dankbar genng sein kann 8
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