1914 / 304 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Dec 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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zu sorgen und den vor dem Feinde stehenden Soldaten damit die Zuversicht zu geben, daß in liebevoller Weise ihrer ge⸗ dacht wird.

Ich bitte von der sonst üblichen Absendung von Glück⸗ wünschen an meine Person im Hinblick auf den Ernst der Zeit diesmal freundlichst abzusehen und in deutscher Treue aus⸗ zuharren und weiter zu bauen an unseren Liebeswerken zum Segen des teuren Vaterlandes bis zu einem ehrenvollen Frieden, zu dem uns Gott bald führen möge.

Berlin, den 27. Dezember 1914. Auguste Victoria I. R.

Das neu errichtete Bekleidungsbeschaffungsamt, dessen Geschäftskreis durch Vereinigung der bisherigen Ver⸗ gebungen der Bekleidungsämter naturgemäß sehr groß ist, hat seine Arbeiten bereits aufgenommen, die in erster Reihe in dem seinen vielseitigen und umfassenden Aufgaben ent⸗ Ausbau des inneren Verwaltungsbetriebes be⸗ stehen müssen. Die Durchführung dieser notwendigen Vorarbeiten wird aber, wie „W. T. B.“ mitteilt, durch den Andrang der Anbieter und die unzähligen ohne Rücksicht uf den vorliegenden Bedarf eingehenden Angebote in empfind⸗ lichster Weise gestört und aufgehalten. Das Amt erklärt daher erneut, daß der persönliche Besuch von solchen Be⸗ werbern um Aufträge, die hierzu nicht aufgefordert sind, völlig zwecklos ist, da es nur schriftlichen Angeboten, und zwar nur solchen, nähertritt, die durch Vermittlung der zuständigen Handels⸗ oder Handwerkskammer ꝛc. vorgelegt werden, welche dem Angebot ein Zeugnis beifügt.

Mündliche oder ohne Vermittlung der obenbezeichneten Körperschaften vorgebrachte Angebote sind zwecklos; auch muß im Interesse des ungestörten Ausbaues des Beschaffungs⸗ amtes dringend ersucht werden, daß Besuche von Mitgliedern der vertretenden Körperschaften zunächst weitmöglichst vermieden

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ iegen die Ausgaben 291 und 292 der Deutschen Verlust⸗ isten bei. Sie enthalten die 112. Verlustliste der reußischen Armee, die 130. Verlustliste der bayeri⸗ chen Armee, die 83. Verlustliste der sächsischen Armee und die 85. Verlustliste der württembergischen

Armee.

Großbritannien und Irland.

Die Versicherungsprämien bei Lloyds gegen deutsche Vorstöße an der Ostküste steigen. Von Harwich nordwärts werden 55 Prozent, von Harwich bis Dover 30, von Dover um die Südküste 15 Prozent gefordert. Zahlreiche Verträge wurden abgeschlossen.

Rußland.

Der Großfürst Nikolai hat dem Gouverneur vo Astrachan telegraphisch mitgeteilt, der Zar wünsche, daß die Kalmücken dem Kosakenstande zugeteilt werden.

Italien.

Der Papst empfing gestern im Thronsaale den öster⸗ reichisoe ungakischen hhshesger die Gesandten Preußens, Bayerns und Brasiliens sowie den peruanischen Geschäftsträger. Der österreichisch⸗ungarische Botschafter brachte dem Papste im Namen seiner Kollegen die Glückwünsche dar, auf die der Papst dankend erwiderte.

Niederlande. .

Der niederländische Dampfer „Leersum“ aus Rotter⸗ dam stieß am Sonnabendabend zwischen Scarborough und Filey auf eine Mine und sank. Zwei Mann der Besatzung werden vermißt, 17 wurden in Scarborough gelandet.

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Rumänien.

Blättermeldungen zufolge finden zwischen Bukarest und Sofia diplomatische Unterhandlungen statt, die die Begegnung der Herrscher beider Länder auf rumänischem Ge⸗ biete bezwecken.

Amerika.

Der amerikanische Staatssekretär Bryan erklärt, laut Meldung des „W. T. B.“, daß alle Schritte des amerika⸗ nischen Gesandten in Brüssel, die eine Herabsetzung der Krieaskontribution zum Ziele hätten, inoffiziell und ohne Ermächtigung der Regierung gemacht würden.

Die Regierung von Venezuelag hat der „New York Times“ zufolge der Leitung der panamerikanischen Vereinigung den Vorschl ag unterbreitet, eine internationale Konferenz aller neutralen Nationen einzuberufen, um eine Revision der Bestimmungen, betreffend die Rechte der Neutralen in Kriegszeiten, zu beraten. 8 u“ Asien. 6

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung ist es im japanischen Parlament vor der Auflösung zu stürmischen Szenen gekommen. Die Verteidiger der Insel⸗ politik gerieten sogar in ein Handgemenge mit den Kontinental⸗ politikern 5 3

Afrika. 1

„Temps“ zufolge hat die Bewegung f licher Stämme im Tasa⸗ und Fes gebiet nachgelassen. Der Branesstamm nimmt jedoch noch immer eine feindselige

altung ein. Die Lage im Tadla⸗ und Khenifra⸗Gebiet ist unverändert. Sendboten verbreiten dort Nachrichten über die Ereignisse in Europa und versuchen, die Proklamation des Heiligen Krieges zur Erregung einer Aufstandsbewegung aus⸗ zunutzen. Aus dem Tafilelt⸗ und dem Veddragebiet wird

ie Ansammlung feindlicher Arabertruppen gemeldet, die an⸗ schei nach Colomb Beschar und Bu Denib vorstoßen wollen.

ragender persönlicher Beteiligung Seiner Majestät des Deutschen

Kriegsnachrichten.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 29. Dezember, Vormittags. (W. T. B.) Bei Nieuport und südöstlich Hpern gewannen wir in kleineren Gefechten einigen Boden. Mehrfache starke französische Angriffe nordwestlich St. Ménehould wurden unter schweren Verlusten für die Franzosen zurückgeschlagen. Dabei machten wir einige hundert Ge⸗ fangene. Ein Vorstoß im Bois Bruls westlich Apremont führte unter Erbeutung von drei Maschinengewehren zur Fort⸗ nahme eines französischen Schützengrabens. Französische Angriffe westlich Sennheim wurden abgewiesen.

Oberste Heeresleitung.

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Oestlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 29. Dezember, Vormittags. (W. T. 88 38 Pstrgzegen und Polen rechts der Weichsel keine Veränderung. Am Bzura⸗ und Rapkaabschnitt schritten unsere Angriffe vor. In Gegend südlich Inowlodz wurden starke russische Angriffe zurück⸗ geschlagen. Oberste Heeresleitung.

Wien, 28. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Nördlich des Duklapasses wichen unsere Truppen dem Angriffe der Russen in Stellungen näher am Karpathenkamme aus. Zwischen Biala und Dunajec, im Raume nordöstlich Zakliczyn, wurden sehr heftige Angriffe des Feindes abgewiesen. Sonst hat sich auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatze an unserer Front nichts Wesentliches ereignet. 8

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: vpon Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Südlicher Kriegsschauplaz.

Wien, 28. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Auf dem Balkankriegsschauplatz herrscht, von einigen Grenzplänkeleien abgesehen, vollkommene Ruhe. Die Serben sprengten wieder die Semliner Brücke.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

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Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 27. Dezember. (W. T. B.) Nach glaubwürdigen Mitteilungen fand das Seegefecht, von dem die amtliche Mitteilung des Hauptquartiers (vergl. Nr. 303 des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“) spricht, bei Zunguldakstatt.

Basel, 28. Dezember. (W. T. B.) Wie die „Basler Nach⸗ richten melden, ist das verbündete Geschwader vor den Dar danellen neuerdings verstärkt worden. Es be⸗ steht jetzt aus 40 Wimpeln, darunter 15 Dreadnoughts und anderen Schlachtschiffen. Das französische Schlacht⸗ schiff „Waldeck⸗Rousseau“ mit dem kommandierenden Admiral an Bord ist in Saloniki eingetroffen.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Das Hauptquartier teilt mit: Heute von der Kaukasus⸗Armee angelangte Nachrichten besagen: Wir haben den Feind verfolgt und eine beträchtliche Anzahl Kriegsgefangene gemacht und Kriegsmaterial erbeutet.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Unsere Truppen sitrserim dem Feinde eine Schlacht im Tale des Muradflusses und brachten ihm eine völlige Niederlage bei. Sie nahmen zwei Kanonen mit Zubehör, ein Maschinen⸗ gewehr, zwei Artilleriemunitionswagen, 36 Maultiere und 115 Pferde und machten zwei höhere und sieben Subaltern⸗ offiziere und 96 Mann zu Gefangenen.

Konstantinopel, 28. Dezember. (W. T. B.) Das Hauptquartier meldet: Die Engländer haben neuerdings eine Landung bei Akaba versucht; zwei feindliche Boote ver⸗ suchten, sich der Küste zu nähern, kehrten aber unter dem Feuer unseres Gendarmeriepostens um.

Wohlfahrtspflege.

In gleicher Weise, wie von dem Kaiserlichen und Königlichen Kriegsfürsorgeamt in Wien im Namen der verbündeten österreichisch⸗ ungarischen Armee unserer kämpfenden Truppen anläßlich des Weih⸗ nachtsfestes durch reiche Liebesspenden gedacht worden ist, hat, wie „W. T. B.“ berichtet, auch das Deutsche Reich unter hervor⸗

Kaisers es sich nicht nermen lassen, den mit uns in treuer Kameradschaft kämpfenden österreichisch⸗ungarischen Truppen eine Werhnachtsgabe zu übersenden. Ihre Zuführung, die sich durch militärische Dispositionen verzögert hat, erfolgt in neunzehn Eisenbahnwaggons und an drei verschiedenen Etappenorten. Der durch den Berliner österreichisch ungarischen Verein festlich ge⸗ schmückte Zug verließ am 27. Dezember Berlin und am 28. Breslau. Die sämtlichen Arbeiten der Vorbereitung, Zusammenstellung und Abfertigung des Zuges sind im höchsten Auftrage durch den Kriegs⸗ aue schuß für warme Unterkleidung (Berlin, Reichstag) erfolgt, dessen Vorstandsmitglied Fürst zu Salm⸗Horstmar in Begleitung von Ver⸗ tretern der beteiligten Organisationen auch die Führung bis zu den Uebergabeorten übernommen hat. . 1“” 1“ v1111““

Wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mitteilt, ist, um den Gefühlen der Zusammengehörigkeit des deutschen Volkes mit dem Osmanischen Reiche im Kampfe gegen die gemeinsamen Feinde auch auf dem Gebiete der Liebestätigkeit Ausdruck zu verleihen, ein deutsches Hilfskomitee zum Zwecke von Sammlungen zugunsten des Roten Halbmonds in der Bildung begriffen. Seine Majestät der Kaiser hat für diesen Zweck den Nretrag von 40 000 gestiftet und davon unmittelbar Semer Majesjät dem Sultan Keuntnis gegeben. Es sind weiter vom Stadtrat in Dresden 5000 und vom städtischen Kriegsfürsorgeauschuß in Chemnitz 1500 gespendet worden. Der Reichs kanzler hat dos Ehren⸗ präsidtum übernommen. Die Vorarbeiten liegen in den Händen des Fürsten von Hatzfeldt, Herzogs zu Trachenberg, des Präsidenten

Nach einer Meldung von „T ist die vom deutschen Roten Kre für die Türkei gestern dort eingetroffen.

Der „Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen“ hat die Reichspostverwaltung ihr Mitwirkung dadurch geliehen, daß sie sämtliche Postanstalten des Reichspostgebiets in dankenswerter Weise zur Annahm von Spenden für die Stiftung ermächtigte. Bisher sind durch die Postanstalten rund 868 000 an den Schatzmeister der Stiftung abgeführt worden. Einen weiteren erfreulichen Zuwachs haben die Stiftungsmittel vor kurzem erfahren, indem der National stiftung von dem „Ausschuß der Kriegsspende von Ange hörigen der Reichspost⸗ und „telegraphenverwaltung aus den von den Berufsgenossen gespendeten Beiträgen die Summ von 100000 überwiesen worden ist Mit Rücksicht auf den guten Zweck der Stiftung Versorgung der Hinterbliebenen unserer tapferen Krieger ist zu wünschen, daß ihr die Teil⸗ nahme weiter Kreise der Bevölkerung auch fernerhin er⸗ halten bleibt. Eine günstige Gelegenheit zu solcher Betätigung dürfte das bevorstehende Neujahrsfest bieten, wenn die für di Ablösung von Neujahrsglückwünschen und Geschenken be stimmten Geldbeträge diesmal in möglichst ausgedehntem Um fange der Nationalstiftung zugewendet werden Zur Einzahlung de Beträge ist überall bequeme Gelegenheit vorhanden, da alle Post anstalten einschließ ich der Postagenturen und Posthilfsstellen, ja soga auch die Landbriefträger auf den Bestellgängen Beiträge für di Nationalstiftung vom Publikum entgegennehmen. ““

Statistik und Volkswirtschaft.

Die deutsche chemische Industrie und der Krieg.

Auf der letzten Pariser Weltausstellung (1900), auf der die chemischen Industrien wohl aller Kulturländer vertreten waren, wurd die Ueverlegenheit der deutschen vor der aller anderen Länder, wenn auch nicht neidlos, so doch unbedingt anerkannt. Der französische Chemiker Haller erklärte sie in seinem umfangreichen Bericht über di Ausstellung für eine unbestreitbare Tatsache. Der Berliner Chemike Professor Großmann untersucht nun im „Neuen Deutschland ob der Krieg, der ja von England mit der bewußten Absicht heraufbeschworen ist, den deutschen Handel und die deutsche Industrie wenn nicht ganz zu vernichten, so doch in sehr er heblichem Maße zu schwächen, hierin wohl eine Aenderung wir herheiführen können. Zunächst ist festzustellen, daß trotz großer wissenschaftlicher und technischer Leistungen auf chemischem Gebiete, die seit der letzten Weltausstellung auch in anderen Ländern zu ver zeichnen waren, Deutschland doch das Weltzentrum der chemischen Industrie geblieben ist. Ihr Absatz ist auch nach Frankreich un Amertka erheblich gestiegen, die durch erhöbte Zollschranken ihr Ab bruch zu tun versuchten, ebenso der nach England, das durch ein Aenderung der Patentgesetzgebung (1907) ebenfalls der zunehmenden Einfuhr deutscher Produkte entgegenzuarbeiten versuchte. Trotz em hat sich die Ausfuhr chemischer Fabrikate seit 1905 mehr als verdreifacht und im letzten Jahre bereits den Wert von einer Milliarde Mark überschritten. Nun versucht ja Eng land, gegen uns ein System der Handelssperre durchzuführen, das an die Napoleonsche Kontinentalsperre ermnert. Es kann ganz dabingestellt bleiben, in wie geringem oder in wie großem Maße die Durchführung dieser Absicht gelengen wird; sicher ist, daß unsere chemische Industrie dadurch vor zahlreiche neue Aufgaben sich gestellt sieht, um für viele Rohmaterialien, deren Zufuhr mehr oder weniger beschränkt ist, Ersatz zu schaffen und die im Lande vor handenen Stoffe ohne Verschwendung rationell und sparsam auszu⸗ nutzen. Wo aber wissenschaftliche und technische Fragen auftauchen, da werden sie auch gelöst, und es kann daher leicht kommen, daß der Krieg den Anstoß zu weittragenden chemischen Entdeckungen und ihrer praktischen 8 Anwendung gibt. Auf Einzelheiten kann hierbei natürlich aus naheliegen den Gründen nicht eingegangen werden. Auch die Chemie des Auslands, dem die Zufuhr an Chemitalien aus Deutschland fehlt, sieht sich vor ähnliche Aufgaben gestellt. Wir brauchen nur die Farbenindustrie zu erwähnen. Die englische kann aus eigener Kraft nur ein bis zwei Fünfte des englischen Farbenverbrauchs decken und hat bisher zahlreiche Farbe von ganz besonderem Wert überhaupt nicht herstellen können, weil weder die fabrikmäßigen Einrichtungen noch die technischen Erfahrungen dafür vorhanden waren und außerdem die deutschen Patente die Fabrikation verboten. haer diese viehe I“ se G ich jetzt in England bekanntlich hinweg, indem man Zwan 1 8.. an englische Unternehmungen erteilt. Aber durch Rechtsver-⸗ letzungen schafft man keine erhöhte technische Leistungsfähigkeit, auf die es letzten Endes doch ankommt. Um die Leistungs⸗

daß sie das eigene Land vollständig versorgen kann, würden viele Jahre notwendig sein. 1 voteendigh sein. und Sodafabrik fast 20 Jahre lang viele Millione Mark auf die Indigo⸗Synthese verwendet hat, ehe eine praktisch Durchführung dieser Synthese im großen glücken konnte, die uns dan allerdings von dem Tribut an die angloindische Volkswirtschaft befreit un auch auf zahlreiche andere Zweige der Großindustrie der anorganische Chemie einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt hat. Ob in so großzügige Weise Kapitalten ohne Aussicht emer Rentabilität Jahrzehnte hindur auch in andern Ländern aufgewendet werden, kann doch einigermaßen zweifelhaft erscheinen. Wir können uns darauf gefaßt machen, daß auch nach Herstellung des Friedens die Bemähungen weiter gehe werden, die deutsche chemische Industrie aus ibrer weltbeherrschende Stellung herauszudrängen. Aber wir können ebenso sicher sein, da der Geist, der in den vergangenen Jahrzehnten gerade unserer deut schen chemischen Industrie die erste Stelle in der Welt verschafft 8 auch weiterhin in ihr lebendig bleiben und ihr diese erste Stelle erhalten wird.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der letzten Fachsitzung der Berliner Gesellschaf für Anthropologte hielt Dr. A. Kiekebusch einen interessante Vortrag über die Ausgrabungen des Märkischen Museum bei Kuüstrin. Die erfolgreichen Feststellungen dieses Forschers, daß an einer beträchtlichen Anzahl von Oertlichkeiten der Provinz Branden⸗ burg idre Zahl beläuft sich heute bereits auf 18! —, die sich in der Gegenwart als Wiesen⸗ und Weideland darstellen, über die der Pflug geht oder auch Kieferheide emporgewachsen ist, einst in längst ver⸗ gangenen Tagen Siedelungen von Menschen, sogar solche ausgedehnten Umfanges, bestanden haben, hatten Dr. Kiekebusch aus bestimmten, wohlerwogenen Gründen auch zur Vermutung solcher Stedelungen in der Nachbarschaft von Küstrin geführt. Seine Erwägungen knüpften im wesentlichen an die eigenartige Lage Küstrins an. Nachweislich sind überall in der Welt und zu allen Zeiten Punkte, an denen zwei Flüsse zusammenströmen, begehrte Ansiedlungsorte gewesen Vom Zusammenfluß von Oder und Warthe hat dies sicher auch so lange Fel gegolten, als dte Gegend einigermaßen bevölkert war, und doch geht, nach den ung vorliegenden geschichtlichen Nachrichten, Küstrins Vergangenheit nicht viel weiter als bis 1261 zurück. scheint es damals immerhin bereits ein namhafter Ort gewesen zu sein, und es bewährte sich an ihm seitdem auch die Erfahrung, daß seine Lage in immer steigendem Maße die Blicke, namentlich kluger Fürsten, auf sich lenkte. Um die genannte Zeit böchstens der ursprünglichen Art befestigt, wie alle mittelalterlichen Ftge von einiger Bedeutung, empfing es seinen Ausbau zur Festung 7” nach 1535 durch den Markgrafen Johann, Sohn des aͤlteren Joachim, der bekanntlich sein Land zwischen, seine beiden Söhne Joachim un Johann teilte, wobei die Neumark an den letzteren gelangte. Dieser

des Reichstags Dr. Kaempf und des Generalkonsuls von Koch.

darf als der Entdecker der Wichtigkeit Küstrins als Waffenplatz

fähigkeit der englischen chemischen Farbenindustrie so zu entwickeln,

Wir brauchen ja nur daran zu denken, daß die

Doch

gelten. Als er 1570 kinderlos starb, wurde die Neumark wieder mit der Kurmark vereinvigt, und Küstrin bestand fortan neben Svandau als richtiger Waffenplatz von Kurbrandenburg. Mit Spandau teilte es dann auch 1631 das Schicksal, an Georg Wilbhelm, den Schwedenkönig, als Pfand ausgeantwortet zu werden. Glücklich waren auch später seine Schicksale nicht: Im Jahre 1758 hatte es eine schwere Belagerung durch die Russen zu bestehen, und 1806 gehörte es zu den preußischen Festungen, die im November bereits, trotz des 48 Jahre süher gegebenen guten Beinpiels erfolg⸗ reichen Widerstandes, dem korsischen Eroberer die Tore öffneten. Das 19. Jahrhundert hat in der Folge Küstrin als Waffenplatz und als wichtigen Eisenbahnknotenpunkt in seiner Bedeutung erhöhf, wie nicht minder in seinen ausgedehnten Beziehungen zum Schiffsverkehr auf beiden Strömen, und gerade diese Beziehungen, ein⸗ schließlich der von jeher bestehenden reichen Fischgründe in Oder und Warthe, ließen den Gedanken erstarken, daß hier uralter Kulturboden sei, dessen Ausdehnung wahrscheinlich viel erheblicher gewesen, als jetzt die wenigen Dörfer der Nachbarschaft vermuten lassen. Dr. Kiekebusch befand sich in diesen Gedanken in Uebereinstimmung mit dem Gymnasialdirektor Frederich, Verfasser einer Küstriner Chronik, der als genauer Kenner der geschichtlichen Vergangenheit Küstrins darauf aufmerksam machte, daß hier Orts⸗ bezeichnungen fortleben, für die es an genügender Erklärung fehlt. So wird der älteste Uebergang von der Alt⸗ zur Neustadt Küstrins ohne Begründung durch eine Nivpeauverschiedenheit als alter Berg“ bezeichnet und einige andere Flurnamen ließen darauf schließen, daß in nächster Nähe der Stadt eine Ortschaft mit Namen Klößnitz“ bestanden haben müsse, die nicht mehr vorhanden ist. Desgleichen wurde nachgewiesen, daß Warthe⸗aufwärts, etwa halbwegs noch Warnick, ein Dorf etwr in der Nähe der Lagardis nühle gelegen haben müsse, das seit 1417 aus den Urkunden verschwunden ist. Obgleich oberflächliche Untersuchungen bei Anlegung eines Ptlonier⸗ übungsplatzes in der Nähe einer ausgedehnten Handelsgärtnerei der Alistadt nur einige wenige Scherben zutage gefördert hatten, stellte Dr. Kiekebusch an dieser Stelle energische Ausgrabungen an, und es gelang in der Tat alsbald, überaus zahlreiche Scherben zu finden und, auf diesen Erfolg gestützt, in den Tagen des 6. bis 17. April d. J. in der gleichen Art, wie es in Buch und an anderen Stellen geglückt, aus einer sehr großen Anzahl von Pfostenlöchern das Vorhandengewesen⸗ sein einer bedeutenden Siedelung an dieser Stelle zweifellos fest⸗ zustellen. Es schien anfangs unsicher, ob man es mit einem Pfosten⸗ bau oder einem Schwellenbau zu tun habe. Beim ersteren werden hölzerne Pfosten in die Erde gegraben und diese stützen die Wand, während bei anderen ein großer Balken, gewöhnlich auf Steinen, auf der Erde liegt und die Stützpfosten der Wand in diesen Balken eingelassen werden. Letztere Bauart ist die minder standhafte und hinterläßt entsprechend auch ungewissere Spuren, während die in der Erde verfaulten Pfosten die Löcher, welche sie ausgefüllt und dadurch die Bauart des Hauses an ihrer gegen das andere Erdreich stark abweichenden, sicher erkennbharen duntlen Farbe aufs zuverlässigste zu bestimmen erlauben. Die erste auf diese Art bestimmte Siedelung vor den Pforten von Alt Küstrin erwies sich unzweifelhaft als ein Pfostenbau, die Zahl der genau festgestellten runden Pfostenlöcher ist nach dem vom Vortragenden gezeigten, an Ort und Stelle aufgenommenen Plan aber so beträchtlich, daß es noch Mühe bereiten wird, aus ihnen die Hausumrisse genau zu be⸗ stimmen, stets erkennbir als nahezu in Rechteckform angelegt. Es geht aus diesem anscheinenden Wirrwarr der Pfostenlöcher hervor, daß hier, vielleicht infolge von Bränden, wiederholt gebaut und neu angelegt worden ist, wobei man den Neubauten abweichende Lage und Größen⸗ erhältnisse gab, daß die S edelung also von beträchtlichem Alter ge⸗ wesen sein muß, als si schließlich ganz verschwand. Ihre Chronologie zu bestimmen, ist mit Hilfe der massenhaft gefundenen Scherben mühsam, aber nicht schwer; denn dieser Zweig der archäologischen Wissenschaft ist so erfreulich entwickelt, daß wir mit voller Gewißheit aus en Ornamenten der Scherben mindestens das Jahrhundert zu erschließen imstande sind, dem sie angehören. So wurde enn aus den in den Oberschichten gefundenen Scherben festgestellt, daß die Siedelung Klößnitz, wie man sie aus den oben dafür an⸗ gegebenen Gründen benannte, auf „frühe Wendenzeit“, d. i. 6. und 7. Jahrhundert, allenfalls mittlere Wendenzeit, d. i. 8 und 9. Jahr⸗ undert, anzusetzen ist; denn als Zeichen zu 1) fanden sich noch Spuren von Leichenbrand; die Gefäße, zu denen die Scherben gehörten, waren ohne Drehscheihe geferligt, die Ränder der Gefäße zeigten nur: geringe Ausbiegung, während andere Scherben an scharfer Umbiegung „der Ränder, an Wellenlinien und mit einem zackigen Gerät hergestellten Verzierungen sich als etwa 100 Jahre jünger erwiesen. Eine Ueberraschung aber brachten die tiefsten, scherbenführenden Schichten; denn diese ganz anders aus⸗ sehenden Gefäßscherben erwiesen sich an ihren Mäandermustern in Rädchentechnik als germanische Arbeit. Die wendische Siedelung war also die Nachsolgerin einer vorher an derselben Stelle vorhandenen ggermantschen gewesen: die Kulturschicht zeigte sich als ungemein start, bis zu 1,;m tief. An die genauere Untersuchung, die in Buch so interessante Dinge zutage gefördert hat, will man erst nach weiteren Feststellungen der Hausumrisse herantreten. Von Geräten sind, neben pieien Tierknochen, bisher Knochenpfriemen und ⸗kämme, Siebgefäße für die Milchwirtschaft gefunden worden, dagegen kein acksilber, sondern seltsamerweise nur eine Münze, stammend aus kurdewieck und dort um 1060 1070 geprägt. Noch viel ergebnis⸗ icher als diese Alt Küstriner Ausgrabung gestaltete sich eine zweite an der vorbezeichneten Stelle bei Lagardismühle vorgenommene. Hier ist offenbar eine ältere germanische Siedelung von Pfostenbauten freigelegt worden, die nach den Scherben⸗ und anderen Funden auf die früheste Eisenzeit und jüngste Bronzezeit zurückgeht. Ihr vollständiger Aufschluß ist noch im Werden. Eine Merkwürdigkeit, der man an drei Stellen begegnete, machte anfänglich Ko fzerbrechen: Ein Kranz von großen Feldsteinen, auf denen sich zu Felshärte er⸗ starrte Lehmzylinder erheben, das Innere jetzt mit Sand ausgefüllt. Man glaubte erst auf Altäre gestoßen zu sein; aber das Fehlen eines Steins in der runden Packung belehrte darüber, daß hter ein Luftloch gewesen und man Backöfen vor sich habe, derengleichen mehrfach in germanischen Siedelungen Thüringens gekunden worden sind. Ein Exemplar dieser ursprünglichen Backofenbauart ist an das Märkische Museum abgeliefert worden. Ein seltsames Stück wurde auch in b eines Stempels mit lateinischen Buchstaben in Spiegelschrift entdeckt. In der Jahresschlußsitzung brachte ein Vortrag des Ingenieurs Dr. K. Döhring interessante Aufschlüsse über Kunst. Im Gegensatz zur Kunst von Japan und China sind Kunst und Kunsigewerbe Siams in Curopa noch wenig bekannt, verdienen aber, wie der Vortragende durch zahlreiche Lichtbilder erhärtete, genauer bekannt zu werden. An dieser Unbekanntschaft ist bisher Siam der Hauptschuldige gewesen. Wie in diesem Lande nur der König dauernd einen Namen hat, alle anderen Siamesen nur mit ihrem Rangtitel oder Beruf namen ge⸗ nannt werden dürfen, so bestand bisher die Beschränkung, daß Künstlern und Kunsthandwerkern nur für den Hof oder einige Große zu schaffen erlaubt war. So seltsam diese Bestimmung, so wunder⸗ lich sind auch manche Kunsterzeugnisse, vor allem die der Architektur. Eine fünfzimmerige Wohnung besteht z. B. aus 5 Häusern. Man kann sich vorstellen, weiche verwickelte Anlage z. B. ein Tempel mit dem ihn stets begleitendem Kloster darstellt. Nur der Köniaspalast ist, weil nach europäischem Muster gebaut, verhältntsmäßig einfach, wenn auch prächtig. Farbenpracht und Formreichtum zeichnen die Tempelbauten aus, deren Architektur keine vertikale, auch keine horizontale Linie kennt. Wunderbare, von China und Javpan offenbar beeinflußte, aber doch eigenartig entwickelte Bronze⸗ und Fayenceplatten, Säulen, Türen, Fenster, jeres von dem andern verschieden geschmückt, häufig perl⸗ mutterbelegt, geben, bestrablt von der Sonne, ein märchenhaft schönes Bild und stechen merkwürdig ab von dem in dämmerigem Licht gehaltenen Innern der Tempel, das immer nur die goldene Buddha⸗Statue zeigt. Von Kunstleistungen Siams ver⸗ dienen noch hohe Anerkennung seine Lackarbeiten, Stickereien, gemalten und gewebten Stoffe, Elfenbeinschnitzereien, geschnittenen Lederorna⸗

1 e“ 85 82 8 . mente, gemalten Porzellone, Gold⸗ und Silberschmiedearbeiten. Kein Geringerer als der Kenig von Siam selbst hat vor längerer Zeit ein Buch über die Kunst seines Landes geschrieben, in dem er sie in ihrer Ursprünglichkeit unvermischt mit aud inflüssen, zu be⸗ wahren dringend empfiehlt. 1XXXX“

In Berlin ist der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Karl Liebermann, der bis vor kurzem an der Technischen Hochschule in Berlin⸗Charlottenburg das Lehramt für Chemie innehatte, im 72. Lebenejahre gestorben. Ein geborener Berliner, studierte er in Heidelberg bei Bunsen, dann in Berlin unter Kirchhoffs und Bayers Leitung Physik und Chemie. Der organischen Chemie widmete er, nachdem er nach mehrjähriger Laboratoriumstätigkeit im Jahre 1869 als Privatdozent an der Gewerbeakademie die akademische Lauf⸗ bahn begonnen hatte, auch in der Folge seine Forschertätigkeit. Von besonderem Erfolge waren seine Untersuchungen über Anthracen⸗ und Anthrachinonstoffe, über Pflanzenalkaloide und den Aufbau des Kokains begleitet. Neben seiner Tätigkeit an der aus der Gewerbe⸗ akademie hervorgegangenen Technischen Hochschule lehrte der Ver⸗ storbene seit 1870 auch an der Universität als Privatdozent und später als außerordentlicher Professor. Auch im Kaiser Wilhelm⸗Institut für Chemie, wo ihm ein besonderes Laboratorium eingeräumt war, lag

Geheimrat Liebermann setinen wissenschaftlichen Untersuchungen ob.

Für das Deutsche Schulmuseum in Leipzig, das aus de für das sich eine Vereinigung gebildet hat, haben die städtischen Be⸗ hörden Leipzigs zunächst, um die Bestände der Schulausstellung zu retten, 5000 und die Räume einer Leipziger Schule bewilligt, in der vorerst vorübergehend ein kleines Museum untergebracht werden soll. Man hofft aber, daß nach dem Frieden ein eigenes Museumsgebäude errichtet werden kann. Die Leitung der Kommission für die Er⸗ richtung des Schulmuseums liegt in den Händen des Leipziger Privat⸗ dozenten Dr. Maox Brahn, des Leiters des Instituts für experi⸗ mentelle Padagogik.

Literatur.

Das Dezemberheft der bei Teubner in Leipzig erscheinenden „Internationalen Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ (beunründet von Friedrich Althoff) hat folgenden Inhalt: Enno Littwann, Professor an der Universität Göttingen: Der Krieg und der islamische Orient; Alexander Brückner, Professor an der Untverstät Berlin: Der Krieg und die Slawen; Paul Clemen, Professor an der Univpersität Bonn: Unser Schutz der Kunsidenkmäler im Kriege; Max Meinertz. Professer an der Universität Münster: Meminisse iuvat; Georg von Below, Professor an der Universität Fie burg i. B.: Das Deutsche Heerwesen in alter und neuer Zeit; Paul Feine, Professor an der U iversität Halle: Nation, Kultur, Religion; Wilhelm His, Professor an der Universität Berlin: Notwehr; Carl Miäbt, Professor on der Universitét Göttingen: Das Auslanddeutschtum und die christlichen Missionen in dem gegenwärtigen Weltkrieg; Ernst Sellin, Professor an der Universität Kiel: Der Krieg; Heinrich Timerding Professor an der Technischen Hochschule Braunschweig: Die deutsche Mathematik; Karl Bahn, Generalmajor a. D., Auerbach (Hessen): Entwicklung der deutschen Artillerie in den letzten Jahrzehnten.

Aus dem oben erwähaten Aufsatz des Professors von Below⸗ Freiburg i. Br. über „Das deutsche Heerwesen in alter und neuer Zeit seien folgende Ausführungen mitgeteilt: Noch das 18. Jahr⸗ hundert zeigte viele unerfreuliche Seiten des Söldnerheers. Die Befreiung gerade der wohlhabenden Klassen hatte für die Armee üble Folgen. Ihr Ansehen sank, wenn die Bessergestellten militärfrei blieben. Es kam vor, daß der Mititärdienst als Kriminalstrafe verhängt wurde. Trotz all der strengen Dissziplin, in der das friderizianische Heer gehalten wurde, blieb der aus dem Ausland geworbene Soldat doch ein anderer als der preußuche Untertan. Anschaulich

schldert diesen Gegensatz in seiner Selbstbiograpbie eim Schweizer aus

Toggenburg, der in das Heer Friedrichs eingetreten war. Als die Schlacht bet Lobositz b gann, stürmten die geborenen Preußen und Brandenburger mit Bravpour voran; sie packten, wie der Schweizer erzählt, die Panduren wie Furien. Der Schweizer sann auf Klucht. Die vorstürmenden Preußen riefen ihm zu: „Komm, komm, Bruder, Viktoria!“ Der Schweizer aber „tat ein wenig blesstert’, duckte sich und nahm dann Reißaus. Wenn durch die Be⸗ fretungen vom H eresdienst unter Friedrich dem Großen der Fortschritt zum staatlichen Heer eine Beeinträchtigung erfuhr, so hat er in anderer Weise doch wieder für die Verschmelzung von Heer und Staat, Heer und Volk gearbeitet. Seine Rumestaten hoben das staatlich nalsonale Bewußtsein, das preußische und auch das deutsche. Sie schufen die Möglichkeit eines nationalen Dramas und ließen die Dichter vom Tode fürs Vaterland sprechen. Der einzelne sah sich enger verknüpft mit dem Geschick des Staats; er fürchtete und hoffte mit der preußtschen Armee. Während die Stände früher das stehende Heer als eine ihnen feindliche Einrichtung ansahen, wor jetzt der Adel in das Staatsinteresse gezogen. Greifbar zeichnet Gustav Freytag die Stimmung des preußischen Gutsherrn der friderizianischen Zeit: „Wie kommt es, daß der steife, trockene Mann so sehr die Fassung verloren hat? Der Brief auf dem Tische meldet ihm doch, daß sein Sohn, Offizier im Heere des Königs, aus blurigem Treffen unversehrt enkkam. Warum weint der Mann und rinat die Hände? Sein König ist in Not, der Staot, zu dem er gehört, in Todesgefahr. Er hat ein Vaterland, um das er sich grämt; er ist größer, reicher und besser, als irgendeiner von seinen Ahnen war.“ Der friderizianische Geist ist aus dem preußischen Heer nicht mehr gewichen. Bei der Erneuerung der Armee im Beginn des 19. Jahrhunderts gehörte er zu den Grundlagen, die den Nenbau stutzten. Damals griff Preußen in der Not der napoleonischen Zeiten zu der allgemeinen Wehrpflicht. Die französische Revolution hatte schon gegenüber einer für ungerecht ausgegebenen Invasion die gesamte Volkskrast aufgeboten, die zum Dienst tüchtige Monnschaft obne Unterschied ins Feld geschickt. Sie mußte freilich die Erfahrung machen, daß das bloße Aufgebot noch so breiter Massen den Erfolg nicht sichert. Die Revolutionshecre unter⸗ lagen zunächst der geübteren preußischen Armee und erst nach längerer Zeit der praktischen Uebung erfochten sie ihre Siege. Das siegreiche Frankresich aber gab den Grundsatz der All⸗ gemeinheit der Wehrpflicht auf, und der französische Macht⸗ haber, der sein Regiment auf die Schwächen und Fehler der von ihm Beherrschten gründete, erklärte die Stellvertretung für zu⸗ lässig. Dies Synem der sog. Konskription ist die Grundlage der Wehrverfassung geblieben, bis Frankreich sich die Lehren von 1870 nutzbar machte. „So ging“, wie man treffend bemerkt hat, „die große Aufgabe, den Waffendienst zur ersten Bürgerpflicht zu adeln, von den Franzosen ungelöst an die Deutschen über.’“ Die Männer der preußsschen Reform erklärten die Waffenführung für „die ehrenvollste Beschäftigung zu jeder Zeit des Lebens“. Sie riefen die gesamte Mannschaft zur Verteidigung des Vater⸗ landes auf. Wenn damit Preußen den Gedanken der französischen Revolution wieder aufnabm, so reicht doch die Aehnlichkeit mit dem französischen Vorbild nicht über die Wahl des Kampfmittels hinaus. Dort hatte das große Volksaufgebot schließlich dem Zweck gedient, die französischen Grenzen ins Unermeßliche hinauszuschieben und Völker und Staaten zu unterdrücken. In der Hand des preußischen Staates diente das Volksaufgebot dazu, die Tyrannei des Korsen zu stürzen, deutsche Sitte, deutsche Sprache, deutschen Glauben, deutsche Wissenschaft, deutsche Kunst, deutsches Recht zu verteidigen. Und es war auch nicht nur das Beispiel der französischen Revolution, was den Anlaß zur Erneuerung der all⸗ gemeinen Wehrpflicht gab. Man entsann sich, daß diese schon einmal bestanden hatte; man erinnerte sich der allgemeinen Wehrfähig⸗ keit und Kriegsrüstung der alten Deutschen. Die Vergangen⸗ heit einer edlen Nation ist ein Jungbrunnen für sie. Wie bei dem Erlaß der preußischen Städteordnung die Er⸗

innerung an die Herrlichkeit und Freiheit der mittelalterlichen

Abteilung „Kind und Schule“ auf der „Bugra“ hervorgeben soll und

Städte mitwirkte, so hatte man das Bewußtsein, mit der all⸗ gemeinen Wehrpfl ’cht zu dem Heldenzeitalter der germanischen Recken zurückzukehren. Die Heeresorgonisation, die die preußische Reform⸗ zeit schuf, vereinigte in sich die Vorzüge der Heeresarten, die die früheren Jahrhunderte gesehen hatten. An der Einrichtung des stehenden Heeres hielt man durchaus fest. Man war sich darüber klar, daß die unenrbehrlichen Eigenschaften der gründlichen technischen Ausbildung der Mannszucht, des militärischen Ehrgefühls und des Korpsgeistes nur im stehenden Heere gewonnen werden können. In dieser Richtung bewahrte man die Ueberlieferungen des Heeres der alten Verfassung, zumal die altpreußischen Traditionen. „Um ein ganzes Volk zu Soldaten zu machen“, sagt Gneisenau, „muß ihm mitten im Frieden militärischer Geist eingeflößt werden.“ In dem Offizterkorps lebte und lebt das Ideal des Lehneheers, die Vasallentreue. Dieser ritterliche Geist fand sich zusammen mit dem

des 18 Jahrhund ihrem Offizierkorps verliehen hatten. 8

Technik.

dürfte wenig bekannt sem, daß die Unterseeboote, diese modernste Woffe der Marine, schon ver fast andertbalb Johrbunderten im See⸗ trieg aufgetaucht sind. In den Unabhängigkeitstämpfen der ameri⸗ kanischen Kolonien gegen England wurde ein solches verwendet. Es war 1775 von David Bußhnell erfunden und erbaut worden und wurde das erste und bis auf die neueste Zert einzige, das wirklich im Ernst zur Anwendung kam. Dieses Boot war aus Eichenholz her⸗ gestellt und hatte eine fast kugelrunde Form. Jede mögliche Vorsicht war angewandt worden, um die Maschine wasserdicht zu machen. An der Spitze besand sich ein kreisrundes, mit einer Metallplatte, in die dicke Glasplatten eingelassen waren, fest verschließbares Loch, um den Führer herein⸗ und herauszulassen. Am Boden war ein Bleigewicht von 700 Pfund befestigt, um das Boot in der richtigen Stellung zu er⸗ halten, wovon jedoch im Notfalle 200 Pfund abgeworfen werden konnten, wenn der Aufstieg des Bootes anders nicht zu erreichen war. Das Sinken geschah durch Aufnahme von Wasser, das Steigen durch dessen Austreibung mittels zweier Kraftpumpen. Für den Boots⸗ führer war nur ein Raum vorhanden, in dem dieser gerade zu stehen und die verschiedenen Maschinen zu handhaben vermochte. Das Steuer in Gestalt einer Fischflosse befand sich auf einer Seite, gegenüber zwei Rudern, die nach Art von Windmühlenflügeln an einer Achse besestigt waren. Der Komvaß im Innern des Schiffes war zur Bezeichnung der Nordlinie mit zwei Stücken phesphoreszierenden Holzes versehen, die Nachts oder während des Untertauchens die einzige Lichtquelle für den Bootführer bildeten. Die Tiefe, in der sich das Boot befand, wurde an dem Wasserstand einer Röhre abgelesen, die mit dem Außenwasser in freier Verbin⸗ dung stand; in der Röhre stieg ein Kork auf und ab, je nachdem das Boot sank oder stieg Die Geschwindigkert des Schiffes erreichte 5 km in der Stunde bei ruhiger See. Als Waffe diente ein ein⸗ facher hölzerner Behälter mit einer Ladung von 130 Pfund Schieß⸗ pulver, die durch ein einfaches Flintenschloß aus Feuerstein im Zusammen⸗ hang mit einem Uhrwerk innerhalb einer gewünschten Zeit entzündet werden tonnen. So recht schien der Erfinder seinem Boote aber doch nicht zu trauen; denn er wollte seine eigene Haut darin nicht zu Markte tragen, sondern bat sich von dem amerikanischen General Parsons drei Leute aus, die unter seiner Anleitung die Bedienung der Ma⸗ schinerie des Bootes erlernten. Einer versuchte dann nach einigen Probefahrten eines der vor New York liegenden englischen Kriegs⸗ schiffe in die Luft zu sorengen, er wurde dabei jedoch entdeckt und verfolgt. Dieser mutige Mann hat dann später seine Erlebnisse bei den untermeerischen Fahrten in einer wissenschaftlichen Zeitschrift be⸗ schrieben. Wenig bekannt ist ferner die Tatsache, daß der berühmte Erfinder des Dampsschiffes, Robert Fulton, ein Unterseeboot nach eigenen Ideen gebaut und 1797 dem Direktorium der französischen Republik vorgeführt hat. Versuchsfahrten wurden ihm jedoch erst 1801 unter dem Konsulat in Havre, Rouen und Brest Im letzt⸗ genannten Hasen blieb Fulton bei seiner Fahrt mit drei Begleitern in seinem „Nautilus“ eine Stunde lang unter Wasser, und zwar in einer Tiefe von 25 Fuß unter der Oberfläche; bei einer späteren Gelegenheit machte er sogar etne 4 stündige Fahrt mit 5 Personen in einer Tiefe von 5 Fuß. Wie die Luftzufuhr bewerkstelligt wurde, ist nicht ganz klar; es wird nur ein tupferner Globus erwähnt, der Luft unter etnem Druck von 200 Atmosphären enthalten haben soll. Betrieben wurde das Boot durch Menschenkraft, die Fahrtiefe konnte nach Belieben hergestellt werden. Im Gegensatz zu Bushnell benutzte Fulton als Waffe ein echtes schwimmendes Torpedo, das mit Leinen an dem Unterseeboot befestigt blieb und von diesem aus entzündet wurde. Bei Sprengversuchen, die in Frankreich, England und Amerika unternommen wurden, hatte er einen vollen Erfolg. Er gibt selbst in einem seiner Werke über „Torpedokrieg und untermeerische Explosionen“ ein merkwündiges Bild von der Zer⸗ störung der Brigg „Dorotbea“ durch einen seiner Torpedos. Seine Lieblingsidee war, die Torpedos mittels ihrer Leine an der Ankerkette

Schlffskörper spülen zu lassen, wo sie sich entladen sollten.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. 8

Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet den Ausbruch de Maul⸗ und Klauenseuche vom Schlachtviehhof in Zwickau

am 24. Dezember und vom

Schlachtviehh t 28. Dezember. (Schlach of in

Die künstliche Höhensonne. Immer wieder kehrt die Beobachtung wieder, daß arg zersetzte, stark verunreinigte, nicht selten ausgesprochen brandige Wunden, enzgegch aller bakteriologischer Theorie, ohne fieberbaste Wundinfektion glatt heilen. liche Satz, daß glücksicherweise nicht alle eine Wunde infizierende Bazillen, vor denen man sich gerade im Felde zuwellen nicht schütze kann, unbedinat zu einer Wundinfekrton führen, wird in der Feldärztlich Beilage der Münchener Medtzinischen Wochenschrift hervorgehoben, w Dr. Tedering die künstliche Höhensonne und ihre Anwendung in Kriegs lazaretten be pricht. Zu einem großen Tell schiebt er den günstigen Ver⸗ lauf der Heitung so mancher anscheinend verschmutzten Wunde auf die gute Körperbeschaffenhe’t unserer Soldaten, die ja aus den kräftigsten und gesundesten Leuten bestehen, zum Teil aber mag die günstige Heilwirkung des Lichts auch cuf einer Abtötung von Bakterien beruhen, sodaß die Wunden durch die Bestrahlung desinfiziert werden. Die Heilkraft des Lichts zeigt sich im wesentlichen nur als eine oberflächlich wirkende, auf oberflächlich gelegenen Wunden, auf tief reichende Schußkanäle erweist sich die Belichtung ohne Einfluß. Wirksam sind vor allem die ultravioletten Strahlen des Lichts, die in den dichten Luftschichten der Atmosphäre absorbiert werden und daher nur in der Höhe der Gebirgsluft sich als wirkam erweisen können. Die Technik ist aber imstande gewesen, auch in den tiefen Tälern eine sogenannte künstliche Höhensonne herzustellen. Es ist das lediglich Quarzlampe, in der nach den Angaben des Arons zwischen Quecksilberelektroden ein elektrischer Strom übergeht,

Mainz am

ultravioletten Strahlen ist. Die Einschließung in Quarz ist vötsg,

werden. Daß die Bestrahlung mit diesem „Quarzlicht“ die Heilung ober⸗ flächlich gelegener Schußwunden s 8 lenkt, ist außer allem Zweifel. abtötende Wirkung auf krankheitserregende Keime ausübt, ist freilich scheinlich. Dafür spricht auch die Beobachtung, daß brandige

geruchlos werden.

eine Art der Berliner Phvsikers

wodurch ein glänzender Lichtbogen erzeugt wird, der besonders reich an weil durch Glas gerade die wirksamen ultraptoletten Strahlen absorbiert

in günstige physiologische Bahnen Ob die Bestrahlung wirklich eine

schwer zu sagen, doch nach der oben angeführten b9g

b tinkende

Wunden schon nach wenigen Beleuchtungen mit der Höhensonne 9

Geist der Mannszucht und Hingebung, den die preußischen Herrscher

Unterseeboote vor mehr als hundert Jahren. Es

eines Schiffes zu befestigen und sie dann von der Flut unter den