1915 / 42 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Feb 1915 18:00:01 GMT) scan diff

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. seien und gegenüber den Verbündeten von gleicher Herzlichkeit wie bisher blieben. Viviant bekräftigte erneut, daß die Verantwortung für die augenblicklichen Ereiagnisse Frankreichs Feinden zur Last falle. Die Regierung wiede hole, daß sie ohne Schwäche und ohne Ermatten in Uebereinstimmung mit den Ver⸗ bündeten den Krieg bis zum Ende, bis zur Befreiung Europas, bis zur materiellen und politischen Wiederherstellung Belgiens, bis zur Wiedereinverleibung Elsaß Lothringens fortsetzen werde. „Wenn wir die Wiedereinverleibung dieser Provinzen ver⸗ wirklicht haben,“ fuhr er fort, „können wir sagen, daß sie nicht durch Eroberung, sondern durch Zurückgabe zu uns gekommen. sind. Laut Vertrag vom 4. September kann die Regierung, eine friedliche Lösung nur gemeinsam mit den Verbündeten erwägen, deren Treue in diesen Prüfungen das heilige Bündnis noch enger gestaltet, jenes Bündnis, das die Sache der Zivilisation und des Rechtes retten und Europa, ja vielleicht die ganze Welt retten wird, denn der Triumph des preußischen Militarismus wäͤre die Vernichtung aller Freiheiten. Nicht nur die Regierungen reden so, sondern auch die verbündeten Völker selber, die um den gemeinsamen Gedanken geschart sind, wissen, daß der Triumph des deutschen Impertalismus der Zusammenbruch ihrer Freiheiten sein wird. Niemals hat die Geschichte ein solches Schauspiel gesehen!“ Der Ministerpräsident beschwor schließlich das Parlament, seine Pflicht zu tun, Konflikte zu vermeiden und Mißver⸗ ständnisse, falls solche auftreten sollten, zu zerstreuen statt zu verschärfen.

Der Deputierte Chaumet erklärte sich befriedigt und dankte Viviani.

Im Senat befragte gestern der konservative Senator Gaudin de Villaine ebenfalls den Ministerpräsidenten über die Anwesenheit Sembats und Guesdes auf dem Sozialisten⸗ kongreß in London und sagte, er hätte gewünscht, daß die Regierung in einer Note an die Presse sich jeder Verantwortlich⸗ keit enthoben hätte, und sei der Meinung, daß die Haltung der sozialisischen Minister unzulässig sei. Viviani wiederholte unter lebhaftem Beifall die Erklärung, die er in der Kammer abgegeben hatte; damit war der Zwischenfall beigelegt.

Wie „Homme Enchainé“ meldet, hat der Deputierte Georges Berry einen Gesetzantrag in der Kammer einge⸗ bracht, wonach eine Darlehenskasse mit fünfhundert Millionen Francs Kapital errichtet werden soll, um den durch den Krieg geschädigten kleinen Kaufleuten und Klein⸗ industriellen staatliche Hilfe in Form von Darlehen zu ge⸗

währen. Rußland.

Die im Anschluß an das mitgeteilte Gesetz gegen den Land⸗ und Immobilienbesitz in Rußland lebender Staatsangehöriger Deutschlands, Oesterreich⸗Un⸗ garns und der Türkei erlassenen weiteren zwei Ge⸗ setze betreffen die nach dem 1. Januar 1880 in russische Untertanenschaft aufgenommenen, aus Deutschland oder Oester⸗ reich⸗Ungarn eingewanderten Grundbesitzer und Kolonisten und die in den Grenzgebieten und an der Küste angesiedelten Kolo nisten. Den ersteren wird laut Bericht des „IW. Z B der weitere Landerwerb und die Landpacht im ganzen Reich unter⸗ sagt mit Ausnahme der Kolonisten orthodorer Konfession und slawischer Herkunft und solcher, die in den Reihen der russischen Armee gekämpft haben und eine militärische Auszeichnung be⸗ sitzen. Diese Ausnahmen bezog der gestrige Bericht fälschlich auf Stoatsangehörige feindlicher Länder in Rußland, während ir diese keinerlei Ausnahmen zuläßt. Da Recht an⸗ Immobilienbesitz verlieren völlig die Kolonisten 50— Warst, breiten Zone längs dern russisch⸗ deutschen und russisch⸗österreichisch⸗ ungarischen Gsenze, am Rigaischen Meerbusen, an der Bahnlinie Dwinsk⸗Wilna⸗ Lida⸗Baranowitschi⸗Luminetz⸗Sarny⸗Kosten, mweiter bis zur Grenze des Gouvernements Kiew, in einer 100 Werst breiten Zone nördlich von der Dünamündung, längs der Küste der Ostsee und ihren Busen bis zum Torneofluß mit allen dieser Linie gegenüberliegenden Inseln, ferner in Bessarabien, an der Küste des Schwarzen Meeres, des Asow⸗ schen Meeres mit ihren Busen einschließlich der Halbinsel Krim, ebenso längs der transkaukasischen Grenze vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer. Zur Liquidation des Grund⸗ besitzes der in den russischen Untertanenverband aufgenommenen Kolonisten wird die Verlängerung der sechsmonatigen Verkaufs⸗ frist um fernere vier Monate zugelassen.

Seit Beginn des Krieges sind in St. Petersburg die Warenpreise nach den Feststellungen der städtischen Untersuchungskommission, wie folgt, gestiegen: Salz um 5 Prozent, Roggenmehl um 18 Prozent, Hirse um 21 Prozent, Buchweizengrütze um 51 Prozent, Butter um 30. Prozent, Fleisch dritter Sorte um 26 Prozent, Milch um 25 Prozent, Zucker um 14 Prozent, Heu und Hafer um 12 23 Prozent. In Moskau sind die Preissteigerungen noch viel schärfer

Italien.

Die Deputiertenkammer hat gestern ihre Arbeiten wieder aufenommen. Der Vorsitzende Marcora gedachte in bewegten Worten der Opfer des Erdbebens und sprach den Wunsch aus, die verwüsteten Gegenden möchten wieder auf⸗ blühen. Unter lebhaftesten Beifallskundgebungen entbot er dem Könige, der immer als der erste auf die Unglücksstätten eile, sowie der Armee und der Presse die Grüße der Kammer. Der Ministerpräsident Salandra gab seiner Teilnahme für die Opfer Ausdruck, besprach die weitreichenden Maßnahmen der Regierung zugunsten der Verunglückten und brachte einen Gesetzentwurf über diesen Gegenstand ein.

Aus Anlaß der Kammertagung sollten gestern, wie

„W. T. B.“ meldet, Kundgebungen für und gegen den Krieg in Rom vor dem Parlamentsgebäude stattfinden. Da aber die Kammer und ihre Zugangsstraßen von starken Militäraufgeboten abgesperrt waren, wurden alle Demonstrations⸗ versuche ohne Zwischenfälle im Keime unterdrückt. Die Polizei zerstreute ferner ohne Schwierigkeit Ansammlungen von Futuristen, Demokraten und Republikanern, die an anderen Punkten Kundgebungen versuchten. Einige Anführer, darunter der Futuristenführer Marinetti, wurden festgenommen.

Spanien.

Eiin Dekret gestattet die Ausgabe von hundert Millionen Staatsschatzscheinen, die das Defizit des ver⸗ gangenen Budgetjahres decken sollen.

Niederlande.

Blättermeldungen zufolge hat die niederländische Re⸗ gierung den Schiffahrtsgesellschaften völlig freie Hand gelassen, wie sie es betreffs der Fortsetzung der Schiffahrt im neuen Kriegsgebiet halten wollten. In Rotterdam sind seit vorgestern abend 7 Uhr keine Schiffe mehr eingetroffen. Es

1 8 Dänemark. Wie die „Berlingske Tidende“ b Schiffsmannschaft des Dampfers Rücksicht auf die Minengefahr geweigert, nach Eng⸗ land zu fahren. Sie verlangte eine Kriegszulage von 200 Kronen. Man hofft, die Schwierigkeiten mit der Mannschaft zu beseitigen. Mehrere dänische Kohlen⸗ schiffe und Dampfer sind mit dänischen Landesprodukten nach England abgegangen. Die dänischen Schiffe tragen sämtlich an der Seite des Schiffes die Bezeichnung Danmark, ferner den Namen des Heimatortes in großen Buchstaben und sind mit den Landesfarben bemalt. Die norwegischen Dampfer „Courer“, „Remus“ und „Haardrade“ sowie der dänische Dampfer „Angantyr“, die nach England abgehen sollten, hatten gleiche Schwierigkeiten mit der Schiffsmannschaft wie der Dampfer „Fjord“. Sie sind einstweilen liegen geblieben.

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berichtet, hat sich die „Fjord“ mit

Schweden.

1 chiffahr sverkehr zwischen Schweden und England ist infolge der von dem Admiralstab der deutschen Marine angekündigten Maßnahmen gegen England nach einer Meldung der „Frankfurter Zeitung“ mit dem gestrigen Tage eine Stockung eingetreten, die einem wenigstens vorläufig völligen Stillstand gleichkommt. Von den schwedischen Heimats⸗ häfen wird in den nächsten Tagen kein Schiff mehr nach Eng⸗ land abgehen. Den Kapitänen der in englischen Häfen liegenden Schiffe haben die Stockholmer Reeder telegraphisch anheim⸗ gestellt, ob sie die Heimreise noch wagen wollen.

Türkei. 8 Nach einer Bekanntmachung der Konstantinopeler Stadt⸗ behörde ist die Frist für die Anwendung der auf den fremden Unterricht und die Wohltätigkeitsanstalten bezüglichen, infolge der Abschaffung der Kapitulationen angeordneten Gesetzes⸗ vorschriften um zwei Monate, also bis zum 30. März, ver⸗ längert worden. 1

Blulgarien.

Der Kriegsminister hat nach einer Meldung der „Agence Bulgare“ die Gewährung eines Kredits von fünf Millionen Franes für die Durchführung von großen Manövern gefordert, die im Frühling in bestimmten Militär⸗ bezirken stattfinden sollen. Diese Manöver sollen dazu dienen, die aus dem Kriege 1912/13 sowie die aus den Operationen des gegenwärtigen Krieges gewonnenen Lehren praktisch zu erproben.

Amerika. Der britische Botschafter in Washington hat der Regierung der Vereinigten Staaten dem „Reuterschen Bureau“ zufolge mitgeteilt, daß feindliche Untertanen auf Schiffen, die die wichtigsten britischen Kolonialhäfen anlaufen, in Zukunft von den Schiffen entfernt und zurückgehalten werden können, gleichviel ob sie zur Besatzung oder zu den Passagieren gehören. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat der „Daily Mail“ zufolge die Schiffsankaufsbill mit 215. gegen 122 Stimmen anger⸗ —agmen. Nach der Statistik⸗Regimen⸗Ausfuhr von Kriegs⸗ b II. Haily Telegraph“ meldet, Vorjahr um Gefecht v)5 Dollor zugenommen. 5. England, Frankreich und gor Alb.

Acht v kal im Dezember, genrwu das Die hauptsächlichsten Käufer NRußtand.

Kriegsnachrichten.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 19. Februar. T. B.) An der Straße Arras Lille sind die Franzosen aus dem von ihnen am 16. besetzten Teil unseres Grabens hinausgeworfen. In der Champagne gingen die Franzosen erneut zum Teil mit starken Massen vor. Ihre Angriffe brachen unter unserem Feuer völlig zusammen. Weitere hundert Gefangene blieben in unserer Hand. Die von den Franzosen am 16 d. M. eroberten kurzen Grabenstücke sind zum Teil von uns wieder⸗ genommen. Bei dem gemeldeten französischen Angriff gegen Boureuilles⸗Vauquois machten wir fünf Offiziere und vierhundertneunundsiebzig Mann unverwundet zu Gefangenen. Oestlich Verdun bei Combres wurden die Franzosen nach anfänglichen Erfolgen unter schweren Verlusten zurückgeschlagen. In den Vogesen er⸗ stürmten wir die Höhe 600. südlich Lusse und eroberten zwei Maschinengewehre. Oberste Heeresleitung.

. (W.

(W. T. B.)

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Großes Hauptquartier, 19. Februar. 8. T. auroggen ist gestern von uns genommen. Die Ver⸗ olgungskämpfe nordwestlich Grodno und nördlich Sucho⸗ vola stehen vor ihrem Abschluß. Der Kampf nordwestlich Kolno dauert noch an. Südlich Myszy niec warfen wir die Russen aus einigen Ortschaften. In Polen nördlich der Weichsel fanden beiderseits der Wkra östlich Racionz kleinere Zusammenstöße statt. Aus Polen südlich der Weichsel nichts Neues. 8

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2₰

HOberste Heeresleitung.

Wien, 18. Februar. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: An der Karpathenfront von Dukla bis gegen Wyoszkow ist die Lage im allgemeinen unverändert. Auch gestern wurde nahezu überall heftig gekämpft. Die zahlreichen auf die Stellungen der Verbündeten versuchten Angriffe der Russen wurden unter großen Verlusten für den Gegner zurückgeschlagen. Der Feind verlor hierbei auch dreihundert⸗ zwanzig Mann an Gefangenen. Durch die Besitznahme von Kolomea ist den Russen ein wichtiger Stützpunkt in Ost⸗ galizien südlich des Dnjester entrissen. Aus der Richtung von Stanislau führt das Vorgehen feindlicher Ver⸗ stärkungen zu neuerlichen größeren Kämpfen nördlich Nadworna und nordwestlich Kolomea, die noch andauern. In der Bukowina ist der Gegner über den Pruth zurück⸗ geworfen. Czernowitz wurde gestern nachmittag von unseren Truppen besetzt. Die Russen zogen in der Richtung auf Nowosielica ab. In Russisch Polen und

Westgalizien nur Geschützkampf und Geplänkel. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabe

von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Parlamentarische Nachrichten. 1 E11“ 4 Bei Beginn der gestrigen Sitzung der verstärkten Haushalts⸗

kommission des Hauses der Abgeordneten wies der Vor⸗ sitzende Abg. Winckler auf den jetzt erst in seiner ganzen Größe zu übersehenden Sieg im Osten hin und des Abgeordnetenhauses 1 Generalfeldmarschall von Hindenburg namens des Abgeordnetenhauses telegraphisch beglückwünscht habe. gestern nachmittag nach Königsberg ge Majestät des Kaisers und Königs über die volle Befreiung Ostpreußens bekannt geworden, das verheißungsvoll zusammenfalle mit dem Beginn der Beratung der Kommission über Ostpreußens Lage. ¹ or⸗ sitzende erbat und erhielt aus diesem Anlasse die Ermächtigung, fol⸗ gendes Telegramm an Seine Majestät den richten:

teilte mit, daß der Präsident Dr. Graf von Schwerin vorgestern den Gestern morgen sei nun ein vor⸗ gerichtetes Telegramm Seiner

Der Vor⸗ Kaiser und König zu

„An des Kaisers und Königs Majestät. Die verstärkte Haus⸗ haltskommission des Hauses der Abgeordneten beginnt in ihrer Kriegstagung die Beratung der besonderen Lage Ostreußens unter dem erhebenden Eindrucke Euer Majestat gestrigen landesväterlichen Wortes: Unser liebes Ostpreußen vom Feinde frei. Sie ist der festen Zuversicht, daß der unter Euer Majestät Augen erfochtene glänzende Sieg für unsere ostpreußischen Brüder der Ausgangspunkt zum Wiederaufbau ihrer werden wird, und gelobt namens des ganzen Abgeordnetenhauses, Euer Majestät Regierung freudig und opferwillig zu unterstützen, damit Ostpreußen aus der Zeit schwerer Bedrängnis sich schöner als je erheben möge.

Winckler, Vorsitzender.“

Dann wurden die Verhandlungen über den dritten Punkt des Beratungsplanes, Belagerungszustand und Beschränkung der Pressefreibeit, fortgesetzt und beendet. Bei der Besprechung . haben sowohl Vertreter der Königlichen Staatsregterung als auch Vertreter aller Parteien das Wort ergriffen. Der Berichterstatter faßte in seinem Schlußwort die Ergebnisse der Verhandlungen dahin zusammen: 1) Nach den Erfahrungen während des Kriegszustandes erscheint nach Friedensschluß der Erlaß des im Axt. 68 der Reichsverfassung vorgesehenen Reichsgesetzes über die Erklärung des Kriegszustandes angezeigt. Während des Krieges erscheint eine gesetz⸗ geberische Aktion in diesem Sinne ausgeschlossen. 2) Die General⸗ kommandos sind an die bestehenden Gesetze und Verordnungen ge⸗ bunden, soweit dieselben nicht durch das Gesetz, betreffend den Belagerungszustand, selbst aufgehoben sind. 3) Die Königliche Staatsregierung foll für Vergangenheit und Zu⸗ kunft da, wo von diesem Grundsatz abgewichen sein sollte zugunsten der Betroffenen bei den Mtlitärbehörden vermittelnd ein⸗ treten. 4) Die Zensur soll über die Bedürfnisse der Landesverteidigung und die Wahrung des inneren Friedens nicht hinausgehen; vor allen muß sie gleichmäßig ausgeübt werden. 5) Für die öffentliche Er⸗ örterung der Friedensbedingungen ist festzuhalten, daß sie so recht zeitig freigegeben wird, daß die öffentliche Meinung bei den Friedens verhandlungen voll zur Geltung gebracht werden kann, und ferner daß all Richtungen gleichmäßig das Recht zur Meinungsäußerung haben sollen. Der Berichterstatter stellte dann ohne Widerspruch fest, daß ir der Kommission volle Uebereinstimmung darüber herrscht, der Königlichen Staatsregierung die Erwartung auszusprechen, daß sie bei dem Reiche nach Friedensschluß die Vorbereitung Artikel 68 der Reichsverfassung vorgesehenen Gesetzes über die Er⸗ klärung des Kriegszustandes anregen, zurzeit aber dafür sorgen werde, daß 1) die Kommandobehörden nicht Anordnungen erlassen, welche den gültigen Gesetzesbestimmungen widersprechen, 2) die Zensur nicht über die volle Wahrung der Interessen der Landesvertetdigung und des inneren Friedens hinausgeht, 3) die gleichmäßige Handhabung der Zensur in allen Kommandobezirken sichergestellt wird. Sodann schritt die Kommission zur Erörterung 1) der Bekannt⸗ machung des Stellvertreters des Reichskanzlers vom 13. Februar 1915 über die Regelung des Verkehrs mit Hafer usw., 2) der Be⸗ kanntmachung des Stellvertreters des Reichskanzlers vom 15. Februar 1915 über die Höchstpreise für Speisekartoffeln. 3 Ein Abgeordneter äußerte Bedenken bezüglich der Ausdehnung der Beschlagnahme auf Mengkorn aus Hafer und Gerste durch die Verordnung des Bundesrats vom 13. Februar d. J.; dadurch werde die ohnehin vorhandene Spannung der Lage des Futtermittelmarktes erheblich verstärkt und die Produktion der landwirtschaftlichen Er⸗ zeugnisse für die kommende Ernte erschwert. Es empfehle sich, da Mengkorn wieder freizugeben. 8 1 Ein anderer Abgeordneter wünschte, daß der Enteignungs

dies bedinge eine Erhöhung des Preises um 100 ℳ, also um noch 50 für die Tonne über die Preise der Verordnung vom 13. Fe bruar hinaus.

Der Minister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. Freiherr vo Schorlemer erwiderte, gegenüber den Bedürfnissen der Heeres⸗ verwaltung könne bedauerlicherweise der Wunsch der Landwirte nach einer größeren Haferration nicht erfüllt werden. Bei den vorhandene geringen Hafervorräten müsse sich die Beschlagnahme der Bundesrats verordnung vom 13. d. M. auch auf das Mengkornn erstrecken, in der lediglich Pafer oder Gerste enthalten sei. Hoffentlich werde aber di endgültige Feststellung der Futtermengen einen günstigeren Bestand er⸗ geben, als es zurzeit den Anschein habe. 8

Mehrere Abgeordnete warnten vor den Folgen der Futter⸗ mittelentziehung in bezug auf die Vorbereitung der künftigen Einte. Die Zugochsen könnten nach der Beschlagnahme des Mengkorns kaum durchgehalten werden. Jedenfalls verdienten die Landwirte, die Meng⸗ korn bauten, besondere Berücksichtigung bei der Verteilung von Futtermitteln. 1

Mehrere Kommissionsmitglieder empfahlen Erhöhung des Haferpreises um 125 ℳ. 8

Ein Abgeordneter meinte, daß die besondere Berücksichtigung der Wirtschaften, in denen Mengkorn gebaut werde, praktisch nicht durchführbar sei. Es sei abzuwarten, welches Ergebnis die Fest⸗ stellung der Hafervorräte, die am 5. Februar stattgefunden habe, zeitigen werde. Die Landwirtschaft sei nach Kräften zu stützen, aber entscheiden dürfe allein das Staatsinteresse und die Rücksicht auf das Gemeinwohl. . 1 8

Der Berichterstatter stellte in seinem Schlußwort fest, daß über den Grundsatz Einstimmigkeit herrsche, daß der Haferhöchstpreis so anzusetzen sei, daß er zum Ankaufe von Ersatzfuttermitteln genüge.

Zu der Bekanntmachung vom 15. Februar über die Erhöhung der Höchstpreise für Speisekartoffeln führte ein Ab⸗ geordneter aus, es fehle darin die Festsetzung von Groß⸗ und Kleinhandelspreisen.

Der Vtzepräsident des Staatsministeriums, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück erklärte, die einstimmigen Ansichten der Kom⸗ mission hätten bei den letzten Bundesratsbeschlüssen nicht mehr berück⸗ sichtigt werden können. Die Festsetzung von Groß⸗ und Kleinhandels⸗ preisen für Kartoffeln müsse den örklichen Behörden überlassen bleiben. Er gab eine Uebersicht über das Verhältnis zwischen Produzenten⸗ und Großhandelspreisen bei Kartoffeln, die zeige, daß die Handelspreise teilweise niedriger, teilweise höher gewesen seien als die beabsichtigten Höchstpreise. Eine Zentralisation in der Festsetzung der Handels⸗ höchstpreise sei praktisch nicht durchführbar, da die Bezugsbezirke zu verschiedenartig seien. 8

Der Berichterstatter erklärte als seine Meinung, daß eine Anweisung an die einzelnen Verwaltungsbehörden, innerhalb ihrer Bezirke Höchst handelspreise festzusetzen, genügen werde. Es sei auch Rücksicht auf die Kartoffeltrocknungs betriebe geboten; diese könnten die Höchstpreise unter den jetzigen Verhältnissen nicht zahlen.

Im Gegensatz zu den Ausführungen des Vertreters der König⸗ lichen Staatsregierung verlangte ein Abgeordneter eine nach Rayons eingeteilte zentrale Festsetzung der Handelspreise für

Kartoffeln. 1 1 Ein anderer Abgeordneter bedauerte die Erhöhung der Die neuen Preise überstiegen das Notwendige

Kartoffelhöchstpreise. ü und erschwerten die Ernährung der Bevölkerung. Letzten Endes werde

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preis für Hafer dem Preise der Ersatzfuttermittel angepaßt werde;

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ots übrig bleiben, als die Kartoffeln zu beschlagnahmen und die

tteilung derselben zu organisieren.

Hierauf erwiderte der Vizepräsident des Staatsministeriums, aalssekretär des Innern Dr. Delbrück, daß die Beschlagnahme

1,8n erwogen worden sei, sich aber als unausführbar er⸗ ken Abgeordneter meinte, daß man die Konsumenten darüber ktlären müsse, daß die hohen Preise der Kartoffeln nicht den Land⸗ vien zuzuschreiben seien, sondern den Händlern. Die Erhöhung der Schstvreise um 1,75 pro Zentner erscheine ihm zu hoch.

Der Vizepräsident des Staatsministeriums, Staatesekretär des nern Dr. Delbrück sagte Aufklärung im Sinne des Vorredners

Er erwiderte, daß der Hauptzweck des erhöhten Kartoffelhöchst⸗ sses die Verhinderung des Verfütterns von Kartoffeln sei, weil ernfalls die Kartoffel das billigste Futtermittel wäre und auf diese eise 2. kurz oder lang ein Mangel an Kartoffeln überhaupt ein⸗ ten würde.

Ein Abgeordneter hielt es für nötig, Höchstpreise für Brot d Mehl fenzusetzen. Er bat ferner die Regierung, dafür zu sorgen, s von den Händlern die festgesetzten Höchstpreise innegehalten nden. Die Händler handelten ganz willkürlich.

(Der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sy dow bat, ihm e die Fälle, in denen Uebertretungen der Höchstpreise durch Händler ttfänden, zur Kenntnis zu geben, damit eingeschritten werden könne.

Der Vizepräsident des Staatsmmisteriums, Staatssetretär des nern Dr. Delbrück fügte hinzu, daß die Frage der Höchstpreise Brot und Mehl sich erübrige, nachdem die Verteilung der Nah⸗ gsmittel auf Grund der Beschlagnahme den Kommunen über⸗

en sei. nDie Verhandlungen der Kommission hatten von 11 Uhr Vor⸗ ttags bis 6 ⅛½ Uhr Abends gedauert; die Kommission konnte daher die Beratung über die Lage in Ostpreußen nicht eintreten; diese et heute statt.

Statistik und Volkswirtschaft.

ber die im Etatsjahre 1913 durch Kauf bezw. Verkauf dTausch eingetretenen Flächenzu⸗ und abgänge bei der preußischen Domänenverwaltung .

t eine tabellarische Nachweisung Aufschluß, die der Minister für dwirtschaft, Domänen und Forsten den beiden Häusern des Land⸗ unterbreitet hat, und eine dieser Nachweisung beigegebene Denk⸗ rift behandelt diejenigen Veräußerungen und aus dem außerordent⸗ ben Domänenankaufsfonds (Kapitel 1 Titel 3 der einmaligen und erordentlichen Ausgaben des Staatshaushaltsetats für das Rech⸗ igejahr 1913) bewirkten Erwerbungen, bei denen der Wert 000 im Einzelfalle übersteigt. Danach sind im Etatsjahre 1913 bei der preußischen Domänen⸗ waltung in Zugang gekommen: durch Kauf 2825/,722 ha zum eise von 4 582 376 davon im Regierungsbezirkt Oppeln 4,2836 ha für 2 415 524 (Durchschnittspreis für das Hektar 52 ℳ), im Regierungsbezirk Allenstein 862,80 ha für 649 529 s Hektar zu 753 ℳ), im Regierungsbezirk Liegnitz 292,385 ha 714 800 (das Hektar zu 2444 ℳ), in Schleswig⸗Holstein hess ha für 421 800 (das Hektar zu 1458 ℳ), im Regierungs⸗ irk Potsdam 32 335 ha für 299 146 (das Hektar zu 9252 ℳ), Regierungsbezirk Posen 25,014 ha für 52 418 (das Hektar für 3 ℳ), im Regierungsbezirk Bromberg 18,21 ha für 18 922 1s Hektar zu 1027 ℳ) —, durch Tausch im ganzen nur 35,382 ha, hin durch Kauf und Tausch zusammen 2861,104 ha, deren undsteuerreinertrag 30 120 beträgt. Hiervon sind 2857,620 ha⸗ Domänenvorwerlksareal hinzugetreten. In Abgang kamen während des Etatsjahres 1913: durch Ver⸗ uf 5984,281 ha für 12 450 280 davon im Regierungsbezirk arienwerder 1601 345 ha für 2 076 957 (Durchschnittspreis das Hektar 1297 ℳ), im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. 86,551, ha für 1 414 090 (das Hektar zu 1326 ℳ), im Re⸗ tungebezirk Magdehurg 735 578s ha für 2 002 070 (das Hektar 2722 ℳ), im Regierungsbezirk Stralsund 563, % ha für 498 (das Hektar zu 978 ℳ), im Regierungsbezirk Stettin bo ha für 593 372 (das Hektar zu 1180 ℳ), im Regierungs⸗ rk Danzig 389,99 ha für 319 290 (das Hektar zu 819 ℳ), [Regierungsbezirk Liegnitz 294,815 ha für 463 209 (das Hektar

11571 ℳ), im Regierungsbezirk Posen 286 269 ha für 462 434

1s Hektar zu 1615 ℳ), im Regierungsbezirk Oppeln 117 169 ha

29 017 (das Hektar zu 248 ℳ), im Regierungsbezirk Brom Irg 109,c28 ha für 81 708 (das Hektar zu 745 ℳ), im Re⸗ krungsbezirk Wiesbaden 57,482 ha für 699 994 (das Hektar zu 178 ℳ) usw. —, durch Tausch im ganzen nur 50,107 ha, demnach ich Verkauf und Tausch zusammen 6034,33s ha, deren Grund⸗ erreinertrag 111 521 betrug. Hiervon waren 5629,186 ha bmänenvorwerksareal.

Der höchste Durchschnittspreis für das Hektar nämlich 1493 wurde bei dem Verkauf von 21,126 ha für 2 355 395 Regierungsbezirk Potsdam erzielt, wo fünf von den im Etats⸗ re 1913 von der Domäne Dahlem veräußerten Baustellen einen lös von je mehr als 100 000 brachten. Hter hat sich das Ver⸗ fegeschäft, über das noch für das Jahr vom 1. Oktober 1913 bis September 1914 berichtet wird, bis zum Ausbruch des Krieges in maler Weise weiter entwickelt. Im ganzen wurden in diesem Be⸗ htsjahre 46 Parzellen mit 88 640 qm für zusammen 2 594 260 ℳ, durchschnittlich 29,27 für das Quadratmeter, verkauft. Im brjahre, in dem 54 Parzellen mit zusammen 76 653 qm abgegeben erden sind, stellte sich der Durchschnittspreis auf 30,25 ℳ. Der geringe ckggang des Quadratmeterpreises hat darin seinen Grund, daß letzten Jahre verhältnismäßig mehr Baustellen in billigeren Lagen m Verkauf gekommen sind. Die übrigen Aufschließungsarbeiten Ftraßen., Park⸗, Kanalisationsanlagen usw.) haben entsprechenden Fort⸗ ing gefunden. Die Bautätigkeit war bis zum Kriege recht lebhaft, ht aber seitdem fast ganz, was in der Hauptsache auf den Mangel Bauarbeitern und Architekten und vielfach auch darauf zurückzu⸗ ren ist, daß die Bauherren selbst zum Heeresdienst eingezogen sind. m Berichtsjahre ist die Einwohnerzahl Dahlems auf 5700, das aatseinkommensteuersoll auf fast 540 000 um 140 000 jegen.

Im Regierungsbezirk Marienwerder sind die Domänen Bisch⸗ alde im Kreise Löbau (rund 361 ha groß), Hansgut im Kreise haudenz (rund 211 ha groß), Ust im Kreise Kulm (rund 259 ha oß), Omulle im Kreise Löbau (rund 262 ha groß), Jungen im reise Schwetz (rund 196 ha groß) und Altendorf im Kreise tuhm (rund 313 ha) groß. im Regierungsbezirk Danzig

die rund 390 he, große Domäne Wittstock im Kreise seustadt und im Regierungsbezirk Posen die rund 2 ha große Deomäne Buchenhagen im Kreise Schroda der nsiedlungskommission zu Posen zur Aufteilung und Besiedlung ab⸗ treten worden. Zur Förderung der inneren Kolonisation erwarb ner käuflich die Pommersche Landgesellschaft im Regierungsbezirk tralsund die rund 541 ha große Domäne Buchholz im Kreise Franz⸗ ig und im Regierungsbezirk Stettin die Domäne Nerdin mit im Vorwerke Neusanitz im Kreise Anklam (äund 498 ha), die Land⸗ sellschaft „Eigene Scholle“ zu Frankfurt a. O. im gleichnamigen egierungsbezirk die rund 1050 ha umfassende Domäne Lebus im derbruche und im Regierungsbezirk Magdeburg die 725 ha große omäne Ummendorf im Kreise Neuhaldensleben.

„Im ganzen sind im Etatsjahre 1913 von der Domänenverwaltung (3,284 ha mehr, darunter an Domänenvorwerksareal 2771,566 ha ehr abgetreten worden, als in Zugang kamen.

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Zur Arbeiterbewegung.

Die „Frankfurter Zeitung“ berichtet aus London: Nach dem „Daily Citizen“ fehlen im Kriegsarsenal von Woolwich 1800 geschulte Arbeiter, in den anderen Arsenalen zusammen 1200 Arbeiter.

Wohlfahrtspflege. Kulturarbeit im Lazarett.

Je länger der Krieg dauert und je mehr die Lazarette mit Dauer⸗ kranken angefüllt sind, um so nachdrücklicher erhebt sich die Frage nach der Ausfüllung und Ausnützung der Zeit im Lazarett. Die Genesenden wochen⸗ und monatelang untätig zu lassen, würde einen Kriegsverlust bedeuten. Denn Untätigkeit hat notwendig geistige Erschlaffung und sittliche Entkräftung im Gefolge. Dazu kommt, daß durch das wahllose Zusammensein vieler bei gleichzeitigem Nichtstun Gefahren für die innere Zufriedenheit und für den sitt⸗ lichen Hochstand gegeben sind, und daß ferner das mit der vielen freien Zeit gegebene Grübeln über die Zukunft, insbesondere bei Schwerverwundeten, auf Gesundheit und Charakter einen höchst bedenklichen Einfluß ausüben muß. Aus diesem Grunde haben auch die deutschen Lazarette von Anfang an Sorge getragen durch die ihnen ein⸗ gefügte Seelsorge und durch Darbietung von Unterhaltung Seele und Gemüt der Verwundeten zu erheben. Auf die Dauer genügen aber die bisher gegangenen Wege nicht. Vor allem muß mehr Plan und Ziel in diese Bestrebungen hineinkommen und gleichzeitig durch das Lazarett denen, die wieder zu den Truppen zurückkehren, die Kriegs⸗ begeisterung erhalten und den anderen eine Bruͤcke geschlagen werden zu ihren späteren Lebensaufgaben, besonders für den Fall, daß sie infolge ihrer Verletzung genötigt sein sollten, ihren Beruf zu wechseln. Schließlich darf auch das Lazarett überhaupt bildenden und erziehlichen Einfluß auf seine Insassen ausüben, um so an dem großen Krtegsziele mitzuhelfen, der Veredlung und Verinnerlichung unserer Kultur. Dieses waren die Zielgedanken, die eine Reihe von Damen und Herren, die in Düsseldorfer Lazaretten im gedachten Sinne schon tätig waren, zur Herausgabe einer kleinen Schrift veranlaßten, die sich Kulturarbeit im Lazarett“ nennt. Sie hatte ihren äußerlichen Anlaß genommen aus einer vor Weihnachten veranstalteten Ausstellung von etwa 2000 Spielsachen und Bilderbüchern, die in den dortigen Lazaretten von den Verwundeten für die Kinder im Felde stehender Krieger angefertigt worden waren. Die eingegangenen Arbeiten lieferten den Beweis, wie viel feines Empfinden bei zahl⸗ reichen Kriegern vorhanden ist, und anderseits auch, wie sehr sie nach einer anregenden Beschäftigung verlangen. Die Schrift geht nun über diese handwerklichen Beschäftigungen weit hinaus und bespricht sowohl grundsätzlich wie praktisch die ver⸗ schiedenen Möglichkeiten geistiger und handwerklicher, bildender und unterhaltender Betätigung in den Lazaretten. In ihrem 4. Teile be⸗ handelt sie die wichtige Frage der Vorbereitung auf einen etwa notwendig gewordenen Berufswechsel. Es läßt sich nicht leugnen, daß, wenn auf diese Weise die Lazarette über ihr erstes Ziel hinausgreifen, sie tat⸗ sächlich Kulturstätte im weitesten Sinne werden können. Daß hierbei eine Einordnung unter ihre Hauptaufgabe erste Bedingung ist, erscheint selbstverständlich. Bei der erfreulichen Verminderung in der Zahl der Verwundeten wiid aber wohl bald jedes Lazarett in der Lage sein, Räum⸗ lichkeiten zur Verfügung zu stellen, die diesen Bildungs⸗ und Beschäfti⸗ aungszwecken dienen. Die Schrift sei nicht bloß jeder Lazarettleitung, Aerzten, Seelsorgern undSchwestern, sondern allen, denen das Wohl unserer Verwundeten und damit zum großen Teile die Zukunft unseres Vaterlandes am Herzen liegt, empfoblen. Sie ist heraus⸗ gegeben von der „Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit“ in Düsselvorf, im Verlage von A. Bagel, zum Preise von 0,50 ℳ. Ihr Wert geht schon aus dem reichen, von berufenen Männern und Frauen geschriebenen Inhalt hervor. Er sei zum Schluß darum hier mit⸗ geteilt: Vorwort von Dr. Marie Baum. I. Grundsätzliches: Woran soll man schon jetzt denken? von Generalleutnant Exzellenz von Gerstein⸗Hohenstein; Arbeit tut not! von Professor Christian Bruhn, Düsseldorf; Streben nach Rente nicht das höchste Ziel des Ktiiegsverletzten, von Landesrat Appelius, Düsseldorf. II. Geistige Beschäftigung: Geistes⸗ pflege im Lazarett, von Generalpräses Mosterts; Künstlerische Vor⸗ träge, von Dr. Guido Bagier, Düsseldorf; Allgemein bildende Vor⸗ träge, von Studiendirektor Professor Dr. Leopold von Wiese und Kaiserswaldau, Düsseldorf; Das Lichtbild als Bildungsmittel im Lazarett von F Paul Liesegang, Düsseldorf; Förderung der kriegerischen Leistungsfähigkeit, von Generalleutnant z. D. Exzellenz von Reichenau, Düsseldorf; Nutzung der vorhandenen Bildungsmittel von Direktor Frauberger, Düsseldorf. III. Prakrische Beschäftigung: Stellungnahme des Arztes und Lazarettleiters zu der praktischen Verwundetenbeschäfti⸗ gung, von Dr. med. bst, Düsseldorf; Verwundetenbeschäftigung soll künstlerische Kulturarbeit sein, von Professor Wilh. Kreis, Düsseldorf; Die Organisation eines Beschäftiaungsausschusses von Illa Uth; Aus der Tätigkeit des Beschäftigungsausschusses, mit Bildern von Frau Tellering. IV. Berufliche Fürsorge für Kriegsinvalide: Die Hilfe des Handwerks, vom Handwerkskammersyndikus Dr. Wilden; Berufliche Fürsorge für die Kriegsinvaliden, eine Aufgabe der Fachschulen, von Direktor Karl Gotter: Vorbereitung für den höheren Kommunal⸗ dienst, von Professor Dr. Edler von Hoffmann; Die Speztalanstalten für Krüppelfürsorge im Dienste der Fürsorge für Kriegsbeschädigte, von Landesrat Dr. Horion, Düsseldorf; Wer trägt die Kosten des Berufswechsels für die Kriegsinvaliden?, von Landesrat Dr. Schmitt⸗ mann, Düsseldorf; Die Berufsberatung eine Aufgabe örtlicher Organisation: Zentralstellen für Berufswechselberatung, von Dr. Grunenberg, Düsseldorf. V. Ueberblick: „Einfügen in den großen Rahmen der Gesamtarbeit“, von Dr.⸗Ing. Hermann Hecker

Kunst und Wissenschafft.

In einer der letzten Gesamtsitzungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften las der Professor Dr. Heusler über die Helden⸗ rollen im Burgundenuntergang. Nachdem der ausführliche Bericht über diese Sitzung im Druck erschienen ist, seien aus der interessanten Vorlesung einige grundlegende Ausführungen mitgeteilt. Der Vortragende erinnerte einleitend daran, daß wir kaum bei einer anderen Heldendichtung die Entwicklung elnes Sagenstoffes so aus⸗ giebig beobachten können wie bei der Sigfrid⸗Brünnhild⸗Sage und der Sage vom Burgundenuntergang. Der erste Sagenkreis hat schon im Rahmen des kurzen Liedes bei den Isländern eine merk⸗ würdige seelische Wandlung erfahren, neben der sein Ausbau im ersten Teil des Nibelungenepos mehr wie eine Anschwellung, eine äußere Bereicherung erscheint. Die Buraundensage oder Nibelungennot hat die Nordländer weniger zum Weiterdichten gereizt; ihre großen Schicksale erlebte sie in der deutschen Dichtung. Innere Neugestaltung und reges Wachstum der Teile führten hier um 1200 zu der Dar⸗ stellung, die wir im zweiten Hauptstück des Nibelungenliedes besitzen. Der Vortragende verfolgte aus dieser Entwicklung in seiner Unter⸗ suchung nur einen Ausschnitt: er ging der Frage nach, wie sich die waffenführenden Persönlichkeiten der Nibelungennot zusammengefunden und gruppiert haben und in welcher Folge und aus welchen Antrieben die vielen jängeren Helden den wenigen der älteren Sagenform bei⸗ gesellt wurden. 1

Im Nibelungenlied füllen die Kämpfe der Burgunden 450 Strophen, verteilen sich auf zwei Tage und sind reich mit äußeren und seelischen Zügen ausgestattet. Zu dieser Ausstattung gehört auch die große Zahl der benannten Helden, die auf seiten der Burgunden sechs, auf seiten der Hunnen zehn beträgt. Diese reiche Heldengalerie ist das Ende einer Entwicklung, die mit dem 43strophigen älteren Atlilied der Edda beginnt. Der eigentliche Kampf zieht hier wie im Flug in nur sechs Langzeilen an uns vorüber und nur zwei Helden der Gibichungen (Gunther und Hagen) sind genannt. Die hunnischen Sieger sind eine namenlose Masse. Dem fränkischen ersten Bur⸗ gundenlied dürfen wir eine ähnliche einfache, summarische Anlage zuschreiben. Zwischen diesem Lied und dem Epos um 1200 ist als Zwischenstufe die aus der Mitte des dreizehnten Jahr⸗ hunderts stammende Niflunga saga erhalten, die in nor⸗

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wegischer Prosa den Burgundenuntergang erzählt. Ihr liegt wiederum ein älteres, kürzeres deutsches Epos zugrunde, das auch die Vorlage zum 2. Teil des Nibelungenliedes bildete.

Epos“ war rauher, derber, männlicher als sein höfischer Nachfolger. Aus der Entwicklungsreihe ist uns eine Stufe, die letzte unmittelbar gegeben; das Nibelungenlied. Zwei sind uns mittelbar erhalten: das altfränkische Lied durch das eddische Atligedicht und das ältere bai⸗ warische Epos durch die Niflunga saga. Dazu kommt noch eine vierte, rein erschlossene Stufe, die zwischen die 1. und 2., noch in den Bereich des kurzen Liedes fällt. Ein Hauptereignis in der Geschichte der Burgundensage war die Einwanderung des fränkischen, niederrheinischen Liederstoffes in baiwarisches Gebiet, in die Donaulande. Hier mußte sich der Sagenstoff der gotisch⸗baiwarischen Heldenüberlieferung (Dieterich Exilsage) mit ihrem völlig abweichenden, günstigen Attila⸗ Etzel⸗Porträt anpassen. Gatten Etzel wurde Kriemhildens Gattenrache an ihren Brüdern. Spätestens ist die fränkische Sage im 8. Jahrhundert, vielleicht sogar schon im 6. Jahrhundert zu den Baiwaren gekommen. Der Vortragende rechnet also mit vier Stufen: altfränkisches Lied bawwarisches Lied älteres Epos Nibelungenepos.

Das altfränkische Lied, die erste Stufe, ist mit Hilfe des Atliliedes, zugleich aber mit Rücksicht auf die nachmalige Sagenform zu erschließen. Das Atlilied nennt auf burgundischer Seite nur zwei Kämpfer: Gunther und Hagen, während Gernot und Giselher hinzutreten. Giselber ist ein geschichtlicher Burgunde; Gernot dürfte an Stelle des geschichtlichen Godomar ge⸗ treten sein. Der Vortragende vertritt die Ansicht, daß die beiden nicht später auf gelehrtem Wege, aus schriftlicher Quelle hinzuge⸗ kommen seien, daß vielmehr schon die altfränkische Dichtung die beiden Liedfabeln in zwei Spielarten gekannt habe. Man dürfe die zwei geschichtlich⸗burgundischen Könige neben Gunther als altes Erbstück der deutschen Sagenform ansehen. Neben Gunther und Hagen scheinen freilich die beiden zunächst nur die Rolle von Statisten gehabt zu haben. Wirkliche Rollen hatten nur Gunther und Hagen. Nach dem Eddalied wird Gunther zuerst überwältigt und gefesselt; Hagen erst später in Haft. Diese Reihenfolge Gunther —Hagen ist bis zur 3. Stufe festgehalten. Nach Hagens Unterliegen tritt aber Gunther in die Stelle des Vordergrundshelden. Er hält die große Trutzrede und endet im Schlangenhof als letzter der Burgunden, während Hagen hinter der Szene stirbt. Daß beide Helden nicht den Kampftod sterben, wird noch auf der 4. Stufe bei behalten. Von allen später hinzutretenden Kämpen bleiben die beiden dadurch unterschieden, daß ihr Besieger sie gefangen nimmt.

Auch bei der zweiten Stufe, dem baiwarischen Lied, be⸗ wegen wir uns noch auf unsicherem Boden. Der Vortragende nimmt in ihm die Erweiterung des Heldenkreises durch zwei Personen an: Dietrich und Bloedel. Diese waren in der Dietrichdichtung als Etzels Hausgenossen angegeben, standen also bereit. Sie wurden von dem batwarischen Dichter aus sachlicher Nötigung herangezogen, nicht aus dem Bedürfnis, anzuschwellen. Sie konnten als Etzels Haus⸗ genossen um so weniger abseits stehen, als Etzel zum milden Väterchen geworden war und sein Weib den Angriff befehligte. Daß einem Manne wie Dietrich keine Statistenrolle, wie auf der ersten Stufe dem Gernot und Giselher, zugewiesen werden konnte, liegt auf der Hand. Der Vortragende weist dem Dietrich denn auch die⸗ selbe Rolle zu, die er auf der 3. Stuse spielt. Er besiegt Hasen und endet den Streit. Aber auch die Hinrichtung Kriemhilds ist er geneigt, ihm beizulegen. Er war der gegebene Vollstrecker dieser Sühne, ohne die die geschichtliche Kette zerrissen erscheinen würde. Bloedel, als einem ebenfalls Köntgsbürtigen, weist er die Ueberwättigung Gunthers zu. Möglich sei es auch, daß auch Hildebrand etwa als Töter Gernots und Giselhers bereits in dieser Stufe aufgetreten sei.

Auf festeren Boden kommen wir in der dritten Stufe, dem „älteren Epos“ des 12. Jahrhunderts. Zum ersten Male gibt hier der formale Antrieb zur Rollenvermehrung den Ausschlag: die epische Breite. Eine Verserzählung von zehnfachem Umfang sollte mit Handlung gefüllt werden. Das wurde durch eine schattiertere Zeichnung, aber auch durch ein Mehr von Gestalten erreicht. Den Bedarf bestritt man mit bereitstehenden Personen, aber auch mit neugeschaffenen, mit aus fremder Sage geholten. Bereit standen Hildebrand und Rüedeger, der auch aus der Dietrichsage stammt. Dauernder Hausgenosse Etzels war Rürdeger zwar nicht, aber seine vertraute Stellung zu jenem und zu Dietrich machte es fast selbstverständ⸗ lich, daß der Burgundenuntergang ihn anzog. Wahrscheinlich tritt er in unserer Sage erst auf, als diese Epenform annahm. Sein Tod ruft dann den widerstrebenden Dietrich zu den Waffen. Das Haupt⸗ motiv der Ilias wird hier angeschlagen. Zugleich war aber schon Rüedeger zum Gastfreund und Begleiter der Burgunden und damit zur tragischen Gestalt gemacht. Ob er aber schon auf dieser Stufe zu Etzels Brautwerber und damit zu Kriemhildens Vertrauten gemacht war, bleibt zweifelhaft. Hildebrand und Rüedeger verhalfen aber auch den Brüdern Giselher und Gernot, die bisher als Statisten mitgeführt wurden, zu reicherer Ausgestaltung. Giselher wird Rüedegers Schwiegersohn und erschlägt ihn mit seinem Schwert. Gernot, wenn auch matter gezeichnet, tritt in seinem Angriff auf Bloedel bedeutsam hervor und fällt in den Schlußkämpfen, wie sein Bruder, durch Hildebrands Hand. Neu geschaffen wurde in dieser Stufe Folker. Er mag Vorbilder in der Spielmanns⸗ dichtung gehabt haben, doch betätigt er hier sein Spielmanns⸗ tum noch nirgends. Aus fremder Sage ist Iring geholt. Der berühmte Thüringerheld ist unter die landflüchtigen Etzelfelden versetzt. Seine überlieferten Charaktereigenschaften, Ver⸗ schlagenheit und Klugheit im Rat, sind aber ausgewischt und nur das Typische, der vir audax, fortis manu (Widukind) ist thm geblieben. Der Hauptzweck für seine Einführung war wohl der Wunsch, Hagen einen benannten Gegner gegenüberzustellen. Die Niflunga saga gibt Iring aber noch eine andere Rolle; er läßt sich dortals erster von Kriemhild anstiften, erschlägt die burgundischen Knappen und besetzt den Ausgang. Das Nibelungenlied hat hier Bloedel an seine Stelle gesetzt. Der Vortragende vertritt die Ansicht, daß das auch dem älteren Epos ent⸗ spreche. Er nimmt eine Störung des Zusammenhanges bei dem Ver⸗ fasser der saga an und führt dafür eine Reihe von Gründen vor. Dann weist er auf eine andere interessante Umbiegung des älteren Epos hin, die den Bezwinger Gunthers betrifft. Nach der Nitlunga saga gerät Gunther bei einem Ausfall durch die Bresche an den Herzeg Osid, Etzels Brudersohn, der ihn überwältigt und bindet. Dieser Osid ist die einzige benannte Gestalt der saga, die im Nibelungenlied fehlt, ja der ganzen mittel⸗ hochdeutschen Epik fremd ist. Da erhebt sich die Frage, ob dieser Mann mit dem niederdeutschen Namen dem älteren Baiwarischen Epos angehört hat. In der Niflunga saga wird Osid zwar der „gewaltigste Kämpe“ genannt; nachdem er die Brautwerbung für Etzel besorgt hat, wird er aber vergessen, um als Gunthers Bezwinger nur noch ein einziges Mal wie ein Meteor nochmals ö und dann schnell für immer zu verschwinden. Im Gegensatz zu ihm wird Bloedel achtmal genannt, ohne irgendwo wirksam einzugreifen. Die Erklärung ist die, daß der in der Vorlage „bedeutend“ geschilderte Bloedel von Iring und Osid in unserer Nach⸗ erzählung verdrängt wurde. Vielleicht haben wir in dem Herein⸗ spielen des „gewaltigsten Kämpen“ Osid einen der altnieder⸗ deutschen Sagenzüge zu erblicken, die sich dem dicken Stamm des oberdeutschen Burgundenepos wie Ranken anlegten. Waldemar Haupt hat wenigstens die ansprechende Vermutung ausgesprochen, daß in Osid der sächsische Slavenkämpfer Hosed fortlebe. Das Meteor⸗ artige von Osids Auftauchen würde bei dieser Annahme begreiflich. Er wäre eben nicht durch einen Dichter in das hochdeutsche Epos „hineingearbeitet“ worden, wobet ihm eine gleichmäßigere Beachtung und ein förmlicher Abgang zuteil geworden wäre, sondern er wäre eine zwanglose Erinnerung eines sächsischen Erzählers. Es bleibt also als Ergebnis, daß auf der dritten Stufe der Hunne Bloedel den König Gunther gefangen nimmt. Dafür trifft ihn die Rache aus Gernots Hand. Es liegt offenbar eine Absicht darin, daß die Brüder beider Herrscher sich im Kampfe messen; aber

das Planvolle rundet sich erst dadurch, daß der Bruder Gernot an

Dies „ältere

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Aus Kriemhildens Bruderrache an ihrem

Stufe 3 und 4 außerdem