1915 / 63 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Mar 1915 18:00:01 GMT) scan diff

ihn deshalb aus der Reihe der übrigen noch unerledigten Vorlagen hexvorgehoben und die Bitte ausgesprochen, ihn schon jetzt zur Be⸗ ratung und Verabschiedung zu stellen. Die Rücksicht auf diese be⸗ sondere Bedeutung des Gesetzentwurfs hat das Abgeordnetenhaus veranlaßt, ihn, der Gepflogenheit entgegen, ohne nähere Prüfung durch eine Kommission und ohne Erörterung im Plenum anzunehmen. Es wird daraus weder in materieller noch in formeller Hinsicht für die zukünftige Behandlung von Eingemeindungsvorlagen ein Präjudiz hergeleitet werden können.

Ich bitte das hohe Haus, dem Gesetzentwurf die Zustimmung zu erteilen. . u“

Die Vorlage wird darauf angenommen.

In einmaliger Schlußberatung wird ferner der Gesetz⸗ entwurf über die Niederschlagung von Unter⸗ suchungen gegen Kriegsteilnehmer nach dem Antrage des Berichterstatters Herrn Dr. von Hagens ohne Debatte angenommen.

Darauf wendet sich das Haus zu der Beratung des Staatshaushaltsetats für 1915 auf Grund des Berichts der Finanzkommission.

Generalberichterstatter Graf von Seidlitz⸗Sandreczki: Meine Herren! Im achten Monat eines Weltkrieges, der mit einer Schärfe, Gehässigkeit und Niedertracht gegen uns geführt wird, wie er schlimmer wohl nicht gedacht werden kann, hat Ihre Finanz⸗ kommission ihre Beratungen geführt. Ungeahnte Leistungen haben unsere glorreiche Armee und Marine vollbracht und ungeheure Ent⸗ behrungen und Strapazen erlitten, unvergleichliche Siege unter ihren heldenmütigen Generalen erfochten; unser Vaterland ist frei von Feinden, unsere Küsten sind nicht gefährdet, unser Wirtschaftsleben, im Anfang des Krieges darniederliegend, zeigt fast überall erfreulichen Aufschwung, die Landwirtschaft hat unter anfänglichen Schwierig⸗ keiten die Herbstsaat beendet, sie hat geleistet, was das Vaterland von ihr verlangte, und wird des dürfen wir gewiß sein mit

zäher Energie auch die durch die veränderte Futter⸗ und Lebensmittel⸗ verteilung entstandenen Schwierigkeiten, die auch bei der Frühjahrs⸗ bestellung bestehen mögen, überwinden und sich auch ferner als der feste Grundpfeiler unserer inneren Kriegsrüstung erweisen. Mit bewundernswerter Anpassungsfähigkeit hat auch die Industrie sich allen Anforderungen gewachsen gezeigt, an die Stelle anfänglicher Arbeitslosigkeit ist zumeist Arbeiterkncppheit getreten; wenn auch viel⸗ sach unter veränderten Lebensverhältnissen, sind die meisten Werke überreich beschäftigt. Einzig dastehend sind die Leistungen unserer Waffenindustrie, und unsere chemische Industrie hat Erfindungen ver⸗ wirklicht, die uns in der überaus wichtigen Stickstoffrage über die Schwierigkeiten hinweghelfen. Unsere Finanzlage aber ist dank der weisen Finanzpolitik der letzten Jahre und der vorausschauenden Maß⸗ nahmen des Leiters unserer Reichsbank eine gute, und wir werden darum von unseren Feinden beneidet. Was das Etatsjahr 1915 uns bringen wird, weiß Gott allein; angesichts der glänzenden kriegerischen und wirtschaftlichen Erfolge dürfen wir aber vertrauensvoll die Auf⸗ stellung des Etats betrachten, der naturgemäß sich demjenigen des Vorjahres fast überall anpaßt. Bei den Einnahmen sind nur die⸗ jenigen Posten geändert oder gestrichen, deren Minderaufkommen oder völliges Fehlen mit Sicherheit vorausgesehen werden kann; bei den Ausgaben sind in zulässiger und gerechter Sparsamkeit einige Posten gekürzt, von der Schaffung neuer Beamtenstellen ist wohl⸗ weislich abgesehen, bei den Eisenbahnen sind meist nur zweite und dritte Raten eingestellt, sodaß es ermöglicht ist, den Etat ohne Defizitanleihe zu balancieren. Hervorragenden Anteil an diesem günstigen Stande hat der Eisenbahnausgleichsfonds, dem auch nach dem neuen Etat etwa 38 Millionen wieder zugeführt werden sollen. Mit welchem Bestande er aus der Kriegszeit hervorgehen wird, läßt sich absolut nicht überseben; unsere ernste Sorge wird aber später seine restitutio in integrum sein müssen. Mehrfach wurde in der Kommission von verschiedenen Rednern heißer Dank dar⸗ gebracht unserem Allerhöchsten Kriegsherrn und unserer glorreichen Armee für alles das, was an strategischen Großtaten und unver⸗ gleichlicher Tapferkeit geleistet worden ist, und besonderes Lob wurde auch den Helden zuteil, die ihre Vaterlandstreue mit ihrem Blut besiegelt haben; rühmend hervorgehoben wurden die staunenswerten Leistungen der Eisenbahnen. und warme Anerkennung wurde allen Beamten der staatlichen und der Selbstverwaltung ausgesprochen für die Ueberwindung der schweren organisatorischen Arbeiten; ausgiebig bebandelt wurden die beklagenswerten Schäden in Ost⸗ und West preußen und die von der Regierung für die Volksernährung ge⸗ troffenen Maßnahmen, insbesondere die Höchstpreise, die Brot⸗, Mehl⸗ und Haferverteilung, die Kartoffel⸗ und Schweinefrage. Wenn auch Ihre Kommission der Meinung war, daß nicht alle Maßnahmen besonders glücklich und rechtzeitig getroffen worden seien, so ist sie doch zu der festen Ueberzeugung gelangt, daß wir von dem einge⸗ schlagenen Wege nicht abgehen, vielmehr unbeirrt auf demselben fort⸗ schreiten müssen. All die kleinen Unregelmäßigkeiten würden wir ertragen und werden sie leicht ertragen in dem Gedanken an unsere tapferen Krieger. Die erforderlichen Vorräte sind nach den letzten Aufnahmen vorhanden und werden ausreichen; wir dürfen nicht sorg⸗ los mit ihnen verfahren, können aber mit sicherem Vertrauen in die Zukunft blicken. Wir dürfen sagen: Lieb Vaterland, mußt sparsam sein, aber kannst ruhig sein. Im Namen der Kommission bitte ich Sie, dem Etat Ihre Zustimmung im ganzen zu geben. Fürst von Hatzfeldt, Herzog zu Trachenberg: Der Herr Berichterstatter hat im Auftrage unserer Finanzkommission die en bloc⸗An⸗ nahme des Staatshaushaltetats empfohlen. Namens beider Fraktionen dieses hohen Hauses beantrage ich, danach zu verfahren und den Etat en bloc anzunehmen. In der ernsten Zeit, in der wir stehen, glauben wir

uns eine Einzelberatung und Erörterung einzelner Fragen und Wünsche

versagen zu müssen. Das Herrenhaus erkennt gebieterisch die Notwendigkeit

an, daß alle zur Fortführung des uns aufgedrungenen schweren Kampfes bis zur Erreichung eines ehrenvollen Friedens notwendigen Maßnahmen

rücksichtslos durchgeführt werden müssen. Auf die Unterstützung des hohen

Faufes kann die Königliche Staatsregierung hierbei voll und ganz rechnen.

Der Etat wird hierauf nebst dem dazu gehörigen Gesetz⸗ entwurf ohne weitere Debatte en bloc angenommen.

Vizepräsident des Staatsministeriums, Staatssekretär 7

Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Es sei mir gestattet, an die soeben erfolgte en bloc⸗Annahme des Etats und ihre Begründung Ereignisse, die wohl noch nicht vorgekommen sind in der Geschichte dieses hohen Hauses —, auch namens der Königlichen Staatsregierung einige kurze Bemerkungen zu knüpfen. Seit der Landtag der Monarchie im vorigen Herbst zu einer kurzen Tagung zusammentrat, sind fast fünf Monate verstrichen. Ihre damaligen Beratungen galten ausschließlich dem Kriege. Es handelte sich um die Fürsorge für das von den Russen rerheerte Ostpreußen und um die Bereitstellung von Mitteln für Not⸗ standsarbeiten, in erster Linie bestimmt, der Arbeitslosigkeit zu steuern, in zweiter Linie bestimmt, die Produktion landwirtschaftlicher Vor⸗ räte zu vermehren. Diese Arbeiten sind in Angriff genommen, Hun⸗ derttausende sind an ihnen beschäftigt, ein Beweis, daß Preußen wäh⸗ rend eines großen schweren Krieges stark genug ist, Kulturarbeiten in die Hand zu nehmen, deren Bedeutung weit hinaus reicht über die voraussichtliche Dauer dieses Krieges. (Bravo!) Meine Herren,

Ihre diesmalige Tagung gilt zunächst einem Geschäft, das wir auch

ulljährlich im Frieden zu vollziehen pflegen, der Verabschiedung des Etatz. Und doch hat auch diese Tagung von Anfang an bis zu Ende

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ausschließlich unter dem Zeichen des Krieges „jestanden. Der Etat ist ein Kriegsetat, bestimmt, die formale Möglichk Pit zu geben, die Staats⸗ wirtschaft durch den Krieg hindurch weiter zu, führen. Aber die Be⸗ ratungen, die sich in Ihre Kommission an diessen Etat geknüpft haben, haben sich fast ausschließlich mit den Maftlnahmen beschäftigt, die seitens des Reiches und der preußischen S regierung für den Krieg getroffen worden sind, und diesem Gesichtspusakt der Kriegsmäßigkeit hat sich auch Ihre heutige Beratung untenjeordnet. Unter diesem Zeichen steht der Antrag, der soeben vom He trn Herzog von Trachen⸗ berg gestellt ist, und dem Sie durch einmütüige und debattelose An⸗ nahme des Etats entsprochen haben. Diese Verfahren und dieser Beschluß ist nach Auffassung der Staatsregiserung und, wie ich an⸗ nehme, ganz Preußens, von der Ueberzeugungg diktiert, die uns alle beseelt: daß, was uns sonst auch trennt, beschefftigt und bewegt, zurück⸗ treten muß hinter dem einen Ziel der siegreichen Beendigung dieses uns aufgedrungenen Krieges. (Lebhaftes Bravo.) Meine Herren, die Gesetzentwürfe, die Sie soeben verabschiedest haben, dienen in ihrer Mehrzahl der Lösung der wirtschaftlichen Aufgaben, die uns der Krieg stellt, und in der Art und in der Zahl der wirtschaftlichen Auf⸗ gaben unterscheidet sich dieser Krieg von allen Kriegen, die vordem von Preußen⸗Deutschland geführt worden sind. Nachdem sich die Heere unserer Feinde an dem unerschütterlichen Wall unserer siegreichen Truppen im Osten und im Westen immer von neuem gebrochen haben, sind unsere Gegner auf den Gedanken gekommen, uns auszu⸗ hungern, das heißt, sie wollen in Zukunft nicht nur kämpfen mit unserem Heere und mit unserer Flotte, sondern sie wollen kämpfen gegen das ganze Volk, gegen Frauen und Kinder, gegen den friedlichen Bürger, der seiner Hantierung nachgeht. Tyer französische Minister Viviani hat nach einer Meldung des „Temsos“ vor einigen Wochen gesagt: „Der Ring der Blockade umschließt Deutschland immer fester. Ich kann Ihnen versichern, daß trotz aller Maßnahmen der deutschen Regierung, die Wahrheit zu verschleiern, Deutschland in völliger finanzieller und wirtschaftlicher Deroute ist.“ (Heiterkeit.)

Meine Herren, die Ruhe Ihrer Verhandlungen würde allein ge⸗ nügen, diese Behauptung zu widerlegen, wenn ihre Unrichtigkeit nicht jedem offen vor Augen läge. Ein Land, dessen Geldwirtschaft nach einem siebenmonatlichen Kriege besser ist als zu Beginn des Krieges, ein Land, dessen Kreditverhältnisse sicherer und besser orgamisiert sind als zu Beginn dieses Krieges, ein Land, dessen Zentralbemkenstitut besser steht als beim Beginn des Krieges und in seinem Status in dauernd aufsteigender Bewegung ist —, meine Herren, ein solches Land ist nicht in kompletter finanzieller Deroute. (Sehr richtig!) Wer sieht, wie die Eisenbahnen in Deutschland und in Preuußen ebenso

fahren wie in Friedenszeiten, wer da weiß, daß diese Eisenbahnen beim

Güterverkehr annähernd dieselben Erträgnisse ergeben wie äm Frieden, der wird wirklich nicht glauben können, daß dieses Lad in einer finanziellen oder wirtschaftlichen Deroute ist. (Sehr rishtig!) Wer sieht, wie allenthalben die Schlote unserer Fabriken srauchen, wie allenthalben die Maschinen gehen, wer sieht, wie unsere Eundwirtschaft trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse einzig und cällein erfüllt ist von dem Gedanken, wie sie der Aufgabe, das Land für ein neues Kriegsjahr mit Lebens⸗ und Futtermitteln zu versorgen, gerecht wer⸗ den soll, wird nicht wohl! sagen können, daß sich dieses Band in wirt⸗ schaftlicher Deroute befindet. Nein, meine Herren, ich sehe in Deutsch⸗ land und in Preußen nichts von Deroute, sondern ich sehe überall Zeichen von wirtschaftlicher Kraft und Organisation, wie es wohl noch nie in einem Lande nach einem so langen Kriege der Fall gewesen ist, der solche Ansprüche an das Land stellt wie dieser. (Sehr richtig!) Alle Teile des Volkes: Landwirtschaft, Handel und Industrie und ihre Organisationen, die Organisationen der Arbeitgeber und Arbeit⸗ nehmer, sie alle haben sich zusammengeschlossen, um unsere Volkswirt⸗ schaft umzugestalten und umzuformen, einzig und allein für die Auf⸗ gabe dieses Krieges, und haben es mit Erfolg getan. Wir sind nicht deroutiert, sondern wir sind organisiert, vom ersten bis zum letzten durchglüht und zusammengehalten von dem Gedanken, daß der Krieg, den wir zu Hause führen müssen, mit demselben Erfolge geführt wer⸗ den muß wie der Krieg, den unsere Truppen an den Grenzen seit Monaten führen, erfüllt von der Ueberzeugung, daß es uns gelingen wird, auch an unsere Fahnen den Sieg zu heften, wie er unseren Truppen an den Grenzen des Landes bisher beschieden gewesen ist und weiter beschieden sein wird. (Lebhaftes Bravo!)

Generalreferent Graf von Seidlitz⸗Sandreczki bemerkt noch zu

dem Etat der Ansiedlungskommissiog und der dazugehörigen Denkschrift: Ihre Kommission hat auch viesen Etat üingenommen und gleichzeitig als natür⸗ lich angesehen, daß die Tätigkeit der Ansiedlungskommission mit dem Aus⸗ bruch des Krieges eingestellt worden ist und daß alles, was späterhin auf diesem Gebiete geschehen soll, der Zukunft vorbehalten bleibt. Herr Dr. Oehler berichtet namens der Finanzkommission über den Gesetzentwurf, betreffend Beihilfen zu Kriegswohlfahrtsausgaben der Gemeinden und Gemeinde verbände.

Die Vorlage wird unverändert angenommen, ebenso auf Grund des von Herrn Funck erstatteten mündlichen Berichts der Eisenbahnkommission das Eisenba hnanleihegesetz.

In einmaliger Schlußberatung berichtet Herr Remy über den Entwurf eines Knappschaftskriegs⸗ gesetzes.

In der Diskussion lenkt

Herr Dr. Weidtman die Aufmerksamkeit des Hauses darauf, daß durch die Beschlüsse des anderen Hauses der Ent⸗ wurf eine nicht unbedeutende Erweiterung erfahren hat. Wie diese erhöhten Gewährleistungen aufgebracht werden sollen, darüber sei leider in dem Gesetze nichts gesagt. Das geltende Knappschaftsgesetz verdanke seine Entstehung der großen Schwäche vieler Knappschaftsvereine und stelle die Richtlinien für deren Sanierung auf. Die Beiträge zu erhöhen, sei in der Kriegszeit einfach undenkbar. Es bleibe also nur eine Ermäßigung der Leistungen übrig. Es wäre aber doch ein bedenkliches Vorgehen, wenn man durch die Vorlage eine Wohltat erweisen wolle und andererseits eventuell auf Ermäßigung der Leistungen hindränge. Das Knappschafts⸗ gesetz gebe die Möglichkeit, die Schwächen dieser Vereine durch Zusammen⸗ legung zu großeren, leistungsfahigeren Verbänden zu beseitigen. Da aber die freie Entschließung der Vereine nicht zum Ziele führe, weil selbstver⸗ ständlich jeder leistungsfähige Verein den Zusammenschluß mit einem schwachen ablehnen würde, so bleibe nur der Weg des efnge⸗ durch die Regierung. Da das geltende Knappschaftsgesetz dieses Machtmittel der Regierung ausdrücklich auch vorsehe, müsse er die Regierung dringend bitten, davon möglichst bald Gebrauch zu machen.

Die Vorlage wird unverändert in der Fassung des Ab⸗

geordnetenhauses angenommen.

Es folgt die Beratung von Petitionen.

Auf Grund des Antrages des Referenten der Finanzkommission, Henn Tramm⸗Hannover, überweist das die Pe⸗

titionen des Königsberger Grundbesitzewereins, betr. Kriegsfü sorge für den Königsberger Grundbesitz, hütung der Schäden, Stütze des Realkredits, und die Petition des Vorstandes des Rügenschen Ostseebäderverbandes zu Binz Wum Begründung einer Kriegsnotstandsaktion für die Seebäder der Insel Rügen der R ierung als Material. Die Petition der landwirtschaftlichen Vereine des ouvemementsbezirks Königsberg um Gestattung der Rückkehr der von de Landwirtschaft und deren Nebenbetrieben de Gouvernementsbezirks Königsberg beschäftigt wesenen ostpreußischen Flüchtlinge und nach Westen verschickten ausländischen A rbeiter, reitstellung von Kriegsgefangenen für land⸗ wirtschaftliche Arbeiten und Entschädigung für die durch Entfernung der russisch⸗polnischen Ar⸗ beiter aus dem Gouvernementsbezirk Königsberg. entstandenen Verluste wird der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Herr Dr. Löning referiert namens der Justizkommission über die

Petition des Justizrats Meyer in Tilsit um Abänderung des Ge⸗ setzes über den Belagerungszustand. Der Referent teilt mit, daß in Tilsit auf Grund dieses Gesetzes die Verabreichung von Spiri⸗ tuosen an Soldaten verboten und Uebertretung dieses Verbots mit Ge⸗ fängnisstrafe bedroht ist. Eine Wirtin habe einem Soldaten einen kleinen Schnaps verabfolgt und sei zur geringsten Strafe von einem Tage ver⸗ urteilt worden. er Richter selbst habe die Empfindung gehabt, daß diese Strafe nicht angemessen sei. Da aber nach dem Gesetz die Vollstreckung binnen 24 Stunden habe erfolgen müssen und in dieser Zeit auch ein Gnadengesuch an Allerhöchster Stelle nicht mehr hätte erledigt werden können, ist die Strafvollstreckung erfolgt. Der Petent bitte nun, das Gesetz in dem Sinne zu andern, daß mildernde Umstände strafaufschiebend wirken sollen. Im anderen Hause sei in der Justizkommission der Gegen⸗ stand ebenfalls zur Sprache gekommen, und dort habe der Justizminister die Auffaung des Gerichts als irrtümlich bezeichnet, da die Ein⸗ reichung eines Gnadengesuchs auch in diesem Falle strafaufschiebend hätte wirken müssen. Es sei neuerdings noch eine dementsprechende Verfügung erlassen worden. .Das Haus geht über die Petition zur Tagesordnung über und erklärt die Petition des Rechtsanwalts Clasz in Mainz. betreffend die Aus⸗ übung der Zensur, die von der Justizkommission zur Beratung im Plenum nicht für geeignet erachtet worden ist, ohne Diskussion für erledigt.

Ueber den Antrag des Staatsministeriums auf Zustim⸗ mung des Herrenhauses zur Vertagung beider Häuser des Landtages vom 15. März bis 27. Mai bemerkt

Freiherr von Richthofen⸗Damsdorf als Berichterstatter: Dem Antrage des Staatsministeriums ist keine Begründung beigegeben. Ich bin unter diesen Umständen nicht in der Lage, Ihnen mitzuteile n, aus welchen Gründen die Regierung die Vertagung mit fester Frist und aus welchen Gründen sie sie nur so kurz bemessen hat. Ich weiß aber, daß sehr viele Herren im Hause sich freuen würden, wenn die Pause eine längere wäre, und ich bin beauftragt, das hier auch zum kurzen Ausdruck zu bringen, auch wenn es aus dem Rahmen des Berichterstatters etwas herausfällt. Indem ich mich dieses Auftrags entledige, kann ich in der Sache selbst den Antrag nur befürworten und bitte Sie, ihm zuzustimmen.

Eine weitere Diskussion erfolgt nicht. Das Haus stimmt dem Antrag der Staatsregierung zu.

Präsident von Wedel: Wir sind hiermit am Schlusse unserer ebenso kurzen wie bedeutungsvollen Tagung angelangt. (Das Haus erhebt sich.) Als wir uns im Herbst tremnten, gab sich wohl mancher von uns der Fefh hin, daß bei unserm nächsten Zusammentritt im Frühjahr der Friede, wenn nicht erzielt, so doch in Aussicht stehen würde. Diese Hoffnung ist leider nicht in Erfüllung gegangen, und bei ruhiger Ernwägung

der Sache müssen wir uns sagen, daß dies auch kaum anders sein konnte. Es handelt sich im gegenwärtigen Kriege um einen alten, weltgeschichtlichen Gegensatz, und ein 56 kann nicht in einem Feldzug von kurzer Dauer ausgetragen werden. Um diesen weltgeschichtlichen Gegensatz zu begründen, muß man weit in der Geschichte zurückgreifen. Der schon im Mittel⸗ alter eingetretene Verfall des Deutschen Reiches war mit dem West⸗ fälischen Frieden zum Abschluß gediehen; eine deutsche Macht gab es nicht mehr, wenn auch das Deutsche Reich noch anderthalb Jahrhunderte hindurch ein Scheindasein fristete. Deutschland war ein geographischer Be⸗ griff geworden, Oesterreich hatte aufgehört, ein deutscher Staat zu sein, zahlreiche und umfangreiche deutscke Gebiete waren vom Deutschen Reiche losgerissen, teils unter fremde Herrschaft gestellt, teils hatten sie sich selb⸗ ständig gemacht. Unsere Nachbarn fanden bald, daß dieser Zustand Deutsch⸗ lands ihren Interessen wohl entsprach, und sie gewöhnten sich daran, es gewissermaßen als ihr Recht zu betrachten, diesen Zustand aufrecht zu er⸗ halten. Als im 18. Jahrhundert Preußen unter Friedrich dem Großen eine achtunggebietende Macht wurde, da vereinigte sich alsbald Europa, um diesen unangenehmen Emporkömmling zu vernichten; nur England, das damals mit Frankreich im Kriege lag, leistete dem König eine laue Unter⸗ stützung, verließ ihn aber, noch ehe die Entscheidung erreicht war. Und ähnlich lagen die Dinge nach dem Abschluß der napoleonischen Kriege. Da⸗ mals vereinigten sich alsbald England, Frankreich und Oesterreich in dem Bestreben, jedes Emporkommen Preußens hintanzuhalten. dankte es nur der Freundschaft des Kaisers Alexander für unseren König, daß es in einem erträglich befriedigenden Zustand aus den Verhandlungen hervorging. Inzwischen haben sich die Verhältnisse außerordentlich geändert. An die Stelle Preußens ist das Deutsche Reich getreten. Oesterreich hat sich überzeugt, daß es nur dann seine Existenz sicher aufrecht erhalten könne, wenn es sich unmittelbar an die deutsche Macht anlehne, und es ist unser treuer Alliierter und Bundesgenosse geworden. Dagegen hat die Frund⸗ schaft der russischen Kaiser für Preußen mit dem Tode Kaiser Alexanders II. ihr Ende erreicht; an ihre Stelle ist der Panslawismus und der Deutschen⸗ haß getreten, zum Schaden nicht allein Preußens und Deutschlands, sondern auch Rußlands. Meine Herren, die Verhältnisse haben sich geändert, die alte Mißgunst unserer Nachbarn ist geblieben; sie hat auch jetzt England, Frankreich und Rußland zusammengeführt in dem Bestreben, den früher so geschätzten Zustand, wo Deutschland nur ein geographischer Begriff war, wieder herbeizuführen. Unsere Feinde haben spitzfindige Deduktionen auf⸗ geboten, um nachzuweisen, daß Deutschland den Krieg angefangen habe; aber den Zweck, zu welchem sie sich vereinigt haben, den zu verschleiern, haben sie nicht für der Mühe wert gehalten. Frankreich gesteht offen ein, daß es nicht allein die 1870/71 verlorenen Provinzen wiedergewinnen, sondern daß es noch neue dazu erwerben will; Rußland will die nach seinem Dafürhalten unentbehrliche Abrundung dadurch erlangen, daß es sich die Provinz Preußen angliedert, und England will unseren Handel, unsere In⸗ dustrie, unsere Seemacht vernichten, um sich dadurch einen lästigen Kon⸗ kurrenten vom Halse zu schaffen. Was ist nun erreicht zur Erlangung dieser Zwecke? Wir haben den größten Teil unserer Kolonien verloren; das ist schmerzlich, aber nicht von entscheidender Bedeutung. Dagegen ist der deutsche Boden mit Ausnahme einiger Dörfer im Oberelsaß frei vom Feinde, und wir sind in der Lage, Belgien und einen großen Teil von Frankreich und von Polen als in unseren Händen befindlich zu betrachten. Man kann es aussprechen, daß damit das Vorhaben unserer Feinde, Deutsch⸗ land zu vernichten, zuschanden geworden ist, daß wir insofern als Sieger dastehen, und wenn wir nichts weiter wollten, als unsere Feinde zurück⸗ schlagen, so glaube ich, würde es nicht allzu schwer sein, binnen kurzem den Frieden zu erlangen. Damit kann aber Deutschland sich nicht befriedigt erklären. Nach den ungebeuren Opfern, welche wir gebracht haben, an Menschen wie an Hab und Gut, können wir das nicht, können wir das Schwert erst in die Scheide stecken, wenn Deutschland eine Sicherung erlangt hat dagegen, daß in ähnlicher Weise, wie diesmal, wieder die Nach⸗

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barn über uns herfallen. Worin diese Sicherung bestehen soll, das vermag ich nicht auszusprechen; wenn man das aussprechen wollte, müßte man in eine Diskussion über die Friedensbedingungen eintreten, und das würde ich im jetzigen Augenblick, wo die Entscheidung noch so ungewiß ist, dem deut⸗ schen Interesse nicht für förderlich halten. Ich bemerke, daß zahlreiche Mitglieder des Hauses mich gebeten haben, das auch in ihrem Namen hier auszusprechen. Dagegen ist es unsere Pflicht, allen denen, welche bisher an den Kämpfen teilgenommen haben, unseren wärmsten Dank zu sagen. Unser Dank gebührt vor allem unserem Allerhöchsten Kriegsherrn und

Preußen ver⸗

unserer gesamten Kriegsmacht, welche alle Strapazen auf sich genommen hat, welche überall mit Todesverachtung in den Kampf eingetreten ist, aber auch der Verwaltung im Innern, ohne deren Mitwirkung das erreichte Ziel nicht möglich gewesen wäre, vor allem der Eisenbahnverwaltung und der Finanzverwaltung. Ich ”“ im Namen aller Mitglieder des Hauses zu sprechen, wenn ich allen denen, die bisher im Kampfe tätig gewesen ind, den tiefgefühlten Dank des Hauses ausdrücke. Möge es Gott ge⸗ 8- auch fernerhin mit unseren Waffen zu sein, uns den Sieg zu ver⸗ leihen, und möge er uns bald einen glorreichen Frieden gewähren! Das ist der heiße Wunsch, der uns Tag und Nacht bewegt. Lassen Sie uns ihm Ausdruck geben durch den Ruf: Unser Allerhöchster Kriegsherr und unsere gesamte Kriegsmacht zu Wasser, zu Lande und in den Lüften, sie leben hoch! hoch! hoch! (Das Haus stimmt begeistert in den dreimaligen Hochruf ein.)

Vizepräsident des Staatsministeriums, des Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Nachdem beide Häuser des Landtages sich mit einer mehr als 30 tägigen Vertagung einverstanden erklärt haben, habe ich die Ehre, eine Königliche Verordnung mitzuteilen. Die Verordnung lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., verordnen auf Grund des Artikels 52 der Verfassungsurkunde mit der darin verordneten Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

§ 1. Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie, das Herrenhaus und das Haus der Abgeordneten, werden vom 15. März bis zum 27. Mai 1915 vertagt.

Staatssekretär

§ 2. Das Staatsministerium ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel Gegeben Großes Hauptquartier, den 15. März 1915. (gez.) Wilhelm Rex.

Es folgen die Namen der Mitglieder des Königlichen Staats⸗

mministeriums.

Ich habe die Ehre, dem Herrn Präsidenten die Abschrift der Urkunde zu überreichen.

Präsident von Wedel: Ich schließe die Sitzung. Schluß nach 4 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstage ist ein dritter Nachtrag zu der Zu⸗ sammenstellung der Anordnungen zugegangen, die der Bundesrat auf Grund des § 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des

Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 4. August 1914 erlassen hat.

Die verstärkte Budgetkommission des Reichstags be⸗ gann am 11. d. M. die Erörterung des Etats des Aus⸗ wärtigen Amts mit einer Aussprache über die gesamte politische Lage.

Der Referent eröffnete diese Aussprache mit einem allgemeinen Ueberblick über die militärische und politische Situattion. Danach gab der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Auskunft über die gegen⸗ wärtige diplomatische Lage und schilderte dabet im einzelnen unsere Beziehungen zu den neutralen Mächten. Ausführlich wurde die Lage unserer Zivil⸗ und Kriegsgefangenen in den feindlichen Ländern besprochen. Die Berichte, die von neutraler Seite dem Auswärtigen Amt erstattet worden sind, sind zwar in mancher Beztehung beruhigend. In vielen Fällen sind die feindlichen Regierungen jedoch ihren Pflichten in der ehe un der Gefangenen nicht nachgekommen. Die gegen das Völkerrecht festgehaltenen Zivilpersonen sind vielfach schlechter be⸗ handelt worden, als die Kriegsgefangenen. Die Unterkunftsverhält⸗ nisse haben, namentlich im Beginn des Krieges, große Mängel auf⸗ gewiesen. Besonders schlecht erscheint die Lage der mittellosen Zivil⸗ gefangenen in Rußland. Zur Erleichterung ihrer Lage amerikanischen Botschaft in St. Petersburg ebenso wie denen in den anderen feindlichen Ländern ein urbeschränkter Kredit zur Verfügung gestellt worden. Dauernd ist die Reichsregierung in Ver⸗ bindung mit den Schutzmächten und mit wohltätigen Vereinigungen bemüht, für Besserung zu sorgen. Mit schaͤrfster Entrüstung wurde der durch die Hinrichtung der Deutschen Ficke und Grundler in Casablanca begangene Justizmerd besprochen. Von der Regierung wurden die Schritte dargelegt, die geschehen sind, um die Vollstreckung des Urteils zu verhindern. Ueber Vergeltungsmaßregeln behält sich die Reichsregierung ihre Entschlüsse bis zum Eingang des Urteils vor. TDie durch die Presse bekannt gewordene Ankündigung der britischen Admiralität, daß die gefangenen Besatzungen von U⸗Booten einer anderen Behandlung unterworfen werden sollen, als andere Kriegsgefangene, ist sofort zum Gegenstande einer Anfrage bei der englischen Regierung gemacht worden. Dabei ist kein Zmweifel darüber gelassen worden, daß zur schärfsten Vergeltung gegriffen werden würde, falls sich die Anküͤndigung bestätigt. Die Angabe, daß die Eng⸗ länder deutsche Gefangene auf Schiffe gebracht hätten, um sie gewisser⸗ maßen als Kugelfang gegen deutsche Angriffe zu benutzen, hat sich als irrtümlich herauesgestellt. Der Grund der Maßnahme ist in den Unterkunstsschwierigkeiten zu suchen. Gefahr liegt für diese Ge⸗ fangenen nicht vor. In eingehenden Erörterungen beschäftigte sich die Kommission mit der brutalen und völkerrechtswidrigen wirtschaftlichen Kriegführung Englands. Es wurde allgemein zustimmend anerkannt, daß die dagegen ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen notwendig und wirkungsvoll sind. Die in der Frage des U⸗Bootkrieges ergangenen Noten fanden allgemeine Billigung.

Die verstärkte Budgetkommission beschäftigte sich am 12. d. M. mit dem Etat des Reichsamts des Innern.

Die Verhandlungen wurden durch einen eingehenden Bericht des Berichterstatters über die in Sachen der Volksernährung ergangenen Verordnungen eingeleitet. Der Staatssekretär des Innern legte dann in ausführlicher Weise die Entstehung und Entwicklung der gesetz⸗ geberischen Maßnahmen auf dem Gebiete der Volksernaͤhrung sowie ihre Wirsamkeit dar.

In der Frage der Brotversorgung wurden die einzelnen Maß⸗ nahmen besprochen. Dabei wurde geltend gemacht, daß die landnirt⸗ schaftlichen Kreise nicht gehindert werden dürften, von dem ihnen zustehenden Recht der Selbstbewirtschaftung ihrer Getreidevorräte nach § 26 Gebrauch zu machen. Die Kriegsgetreide⸗Gesellschaft solle hier noch weiter entgegenkommen, und die Be⸗ hörden mehr die Selbstwirtschaft sördern. Dies sei besonders auch wegen der Kleie wichtig, damft die Landwirte bei dem Mangel an Futtermitteln die aus ihrem Getreide ermahlene Kleie möglichst zurückerhalten. Betont wurde dabei auch die Wichtigkeit, nicht nur die großen und besonders die westlichen Mühlen durch die Kriegs⸗ getreidegesellschaft zu beschäftigen, sondern mit Hilfe der Kommunal⸗ verbände dafür zu sorgen, daß auch die kleinen Mühlen mahlen können und ihre alte Kundschaft versorgen. Von anderer Seite wurde ge⸗ wünscht, daß die regelmäßige Versorgung der großen Zentren von der Kriegsgetreidegesellschaft möglichst bald endgültig in die Hand ge⸗ nommen würde, damit die Uebergangsschwierigkeiten ihr Ende fänden. Der Reichskommissar für Mehlversorgung legte die Tätigkeit der Kriegs⸗ getreldegesellschaft und das bisher von ihr Erreichte dar und entwickelte serner, wie sie die Versorgung vorzunehmen beabsichtige. Dabei wurde von einer Seite die Festsetzung allgemeiner Höchstpreise für Mehl und

und der menschlichen Ernährung vorzubehalten.

ist der

Brot gewünscht, demgegenüber abet auf die großen unüberwindlichen Schwtertgkeiten hingewiesen, die Fesistellung lokal richtiger Brot⸗ und Mehlpreise von einer Zatralstelle aus zu treffen. Die Kriegsgetreide⸗ gesellschaft soll ihre Mehlpreise füc die ganze Versorgungszeit bis zum 15. August feststellen, doch läßt sich die Preishöhe selbst zurzeit infolge der vielen hineinspielenden unsicheren Faktoren nicht angeben. Da die Kriegsgetreide⸗Gesellschaft eine gemeinnützige Gesellschaft ist, die nicht auf Erzielung großer Gewinne hinstrebt, so wird der Mehl⸗ preis so niedrig als möglich gehalten werden. Besonders gewünscht wurde, daß die Ergebnisse der zahlreichen statistischen Erhebungen schneller verarbeitet und nutzbar gemacht würden.

In der Kartoffelfrage wurde darüber geklagt, daß man nicht schneller mit schärferen Maßnahmen eingegriffen habe. Die vorüber⸗ gehende Kartoffelnot in manchen Orten sei im wesentlichen jetzt be⸗ seitigt oder werde es binnen kurzem sein, wenn bei aufgehendem Wetter die Mieten geöffnet werden würden. Für die erhebliche Erhöhung ver Preise für Speisekartoffeln, die von manchen Seiten als zu hoch bezeichnet wurde, wurde geltend gemacht, daß man keine anderen Mittel gehabt habe, um die Kartoffel gegen Verfätterung zu schützen Die Wichtigkeit der Frage der ausreichenden Versorgung der großen Bevölkerungszentren mit Kartoffeln während der Kriegszeit wurde von allen Seiten an⸗ erkannt, dabei aber auch auf die sehr großen Schwterigkeiten und beinahe Unmöglichkeit hingewiesen, mit einer allgemeinen Beschlag⸗ nahme der Kartoffelvorräte etwas wirksames zu erreichen. Es wird angestrebt werden müssen, bestimmte Kartoffelmengen in Ueberschuß⸗ bezirken für die Konsumzentren festzulegen. Gegenüber der Erklärung der Staatsregierung, daß auf diesem Wege bereits Vorbereitungen eingeleitet seien, wurde der Wunsch nach schnellerer Durchführung er⸗ hoben. Die Schwierigkeit, die erforderlichen Futtermittel zur Durch⸗ haltung des nötigen Pferdebestandes wie des Rindviehbestandes und zur Aufrechterhaltung der Schweinezucht zu beschaffen, wurde von vielen Seiten beklagt und hierfür besondere Maßnahmen der Reichs⸗ regierung auch auf finanziellem Gebiete gefordert. Der Reichsschatz⸗ selretär sagte ein weitgehendes Entgegenkommen in dieser volks⸗ wirtschaftlich wichtigen Frage zu.

Eingehend wurde von den Rednern aller Parteien die Frage der Schweineabschlachtung besprochen. Die Notwendigkeit schleu⸗ nigster Verminderung des hohen Schweinebestands zur Sicherstellung der Kartoffelvorräte für die menschliche Nahrung wurde von der Kom⸗ mission anerkannt. Von verschiedenen Rednern wurden weitgehende Maßnahmen zur energischen und beschleunigten Durchführung der Ab⸗ schlachtung gefordert. Schweine von mehr als 45 kg Genicht sollten mit Ausnahme der Zuchttiere (Eber und Sauen) und der nachweisbar mit Abfällen durchgefütterten Tiere, zwangsweise abgeschlachtet, mäßige Höchstpreise festgesetzt und ein Verkaufszwang durchgeführt werden. Von anderer Seite wurde, da mangels von Futtervorräten der Schweinebestand von allein zurückgehen würde, vor überstürztem und planlosem Vorgehen gewarnt, eine Beschleunigung der Schweine⸗ bestandsaufnahme empfohlen und die Heraussetzung der Enteignungs⸗ richtpreise gefordert.

Handel und Gewerbe.

In der gestrigen Vollversammlung der Röhrenwerke wurde laut Meldung des „W. T. B.“ aus Düsseldorf mit Rück⸗ sicht auf die beständige Steigerung der Herstellungskosten eine Er⸗ mäßigung der Rabattsätze für sämtliche Nöhrensorten beschlossen, und zwar für Gasrohre ein Prozent, für Siederohr zwei Prozent Brutto. Es entspricht dies einer Preiserhöhung von 5 bis 7 ½ Prozent.

Der Versand des Stahlwerksverbandes betrug laut Meldung des „W. T. B.“ aus Düsseldorf, im Februar 1915 266 905 t gegen 255 016 t im Jauuar d. J. und 482 925 t im Februar 1914. Hiervon entfallen auf Halbzeug 66 050 gegen 51 832 t beziehungs⸗ weise 134 489 t, Eisenbahnmatertal 140 490 t gegen 151 841 t be⸗ ziehungsweise 214 567 t, Formeisen 60 365 t gegen 51 343 t be⸗ ziehungsweise 133 869 t.

Auf Grund der Verordnung des Bundesrats vom 25. Februar hat laut Meldung des „W. T. B.“ die Hamburg⸗Amerika Linie Hamburg den Senat um Befreiung von der gesetzlichen, statutarisch vorgeschriebenen Vorlage des Jahresabschlusses für das letzte Jahr und der Einberufung der Generalversamm⸗ lung ersucht. Die Hamburg⸗Amerika Linie wird daher, wenn sie die Ermächtigung erhält, von der Aufstellung der Bilanz für 1914 sowie der Einberufung der dies jährigen Generalversammlung Abstand nehmen. Die Maßnahme erklärt sich daraus, daß die Gesellschaft von ihren Verbindungen und Niederlassungen im Auslande seit Monaten mehr oder weniger abgeschnitten und infolgedessen die Ver⸗ waltung nicht in der Lage ist, sich ein klares Bild von den für die Aufstellung der Bilanz in Frage kommenden Verhältnissen im Aus⸗ lande zu bilden.

Aus dem im Geschäftsjahr 1914 erzielten Ueberschuß der Aktien⸗Gesellschaft Thiederhall werden laut Meltung des „W. T. B.“ 210 199 zu Abschreibungen und 60 000 zur Rück⸗ stellung für schwebende Abrechnungen verwendet. Als Vortrag auf neue Rechnung verbleiben 203 745 (gegen 196 984 im Vorjahr).

Die diesjährige ordentliche Generalversammlung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller, Berlin, findet am Freitag, den 19. März d. J., Abends 7 ½ Uhr, im Vereins⸗ sitzungssaale, Jägerstraße 22, statt.

Nach dem Geschäftsbericht der Allgemeinen Berliner Omnibus⸗Actien⸗Gesellschaft, Berlin, für 1914 wurden infolge des Krieges zwei Drittel der Kraftomnibusse und ein wesent⸗ licher Teil des Pferdebestandes der Gesellschaft der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellt, während ein großer Teil der Angestellten pflichtmäßig oder freiwillig in das Heer eintrat. War bis zum Aus⸗ bruch des Krieges die Zahl der Fahrgäste gestiegen, so vollzog sich in den Kriegsmonaten ein erheblicher Verkehrsrückgang. Demgemäß haben sich auch die Einnahmen vermindert. Entsprechend der ver⸗ ringerten Zahl von Fahrzeugen, Pferden und Angestellten ver⸗ minderten sich die Ausgaben, während, ohne Aenderung der Ab⸗ schreibungssätze, die Abschreibungen ihrem Endbetrage nach niedriger waren. Außerdem übten frübzeitige Abschlüͤsse auch für das 2. Halb⸗ jahr sowohl in Betriebsstoffen und Ersatzteilen des Kraftomnibus⸗ betriebes, wie in Futter für die Pferde einen günstigen Einfluß aus. Die Dividende beträgt 7 ½ % Die von der Heeresverwaltung für Fahrzeuge, Materialien und Pferde erzielten Erlöse sind unter Wieder⸗ beschaffung von Betriebsmitteln in den Abschluß eingestellt worden. Die Verwaltung glaubt aus dem Gewinn des Berichtsjahres zur Deckung eines Teils der sicher erwachsenden Mehrausgaben die Bildung einer besonderen Kriegsrückstellung von 300 000 empfehlen zu sollen. Die Zahl der Angestellten betrug am 31. Dezember 1914 2177 gegen 3648 am gleichen Tage des Vorjahres. Der Pferde⸗ betrieb erstreckte sich Ende 1914 auf 21 Linien mit 329 Omnibussen gegen 22 Linien mit 450 Omnibussen Ende 1913. Der durchschnitt⸗ liche Pferdebestand betrug 1914 an großen Pferden 162 (181) Stück, an kleinen Pferden 3967 (4695) Stück. Die täglichen Futterkosten der Pferde betrugen 1914 für große Pferde 1,77. (1,75 ℳ), für kleine Pferde 1,18 (1,17 ℳ). Das Fahrgeld für eine Person belief sich 1914 im Pferdebetrieb auf 5,61 ₰, (wie im Jahre vorher), bei den Kraftwagen für 1914 auf 11,48 gegen 11,62 im Vorjahre. Im ganzen Betriebe (Pferde⸗ und Kraft⸗ omnibusse zusammen) wurden geleistet 2 023 033 (2 421 444) Doppel⸗ fahrten oder 27 709 055 (31 172 246) km, befördert 147 755 322 (168 376 405) Fahrgäste (außerdem wurden seit Kriegsbeginn schätzungweise 5 Millionen Heeresangehörige frei befördert), vereinnahmt 11 689 509 (13 313 345) Fahrgeld und erzielt für das Kilometer 42,2 (42,7) ₰. Die Ausgaben betrugen im Verhältnis zu den Einnahmen: 1914 82,89 %, 1913 77,88 %.

Die Berliner Maschinenbau⸗Aktien⸗Gesellschaft Schwartzkopff, Berlin, hat laut Meldung des „W. T. B.“, wie bei der letzten Kriegeanleihe, wiederum 1 000 000 auf die neue Kriegs⸗ anleihe gezeichnhet. 8 11“

vorm. L.

Bruttoeinnahmen vom 1. 999 167 Fr. infolge der allgemeinen Verhältnisse sehr hoch ist.

376 775 056 (Abn. 9463) Fr.,

(Abn. 37 737 509) Fr., (Abn. 70 536 472) Fr., (Zun.

Sicht 83 ½,

Reading 143 ¼,

Laut „Times“ betrug, wie „W. T. B.“ meldet Ausbeute

2

der in den Transvaal Chamber of Mines vereinigten Minen im Februar d. J. 653 213 Unzen’ im Werte von 2 774 673 Pfoe. Sterl.,

2

der Außendistrikte 23 698 Unzen Gold im Werte von 97 733 Pfd. Sterl. Der Gesamtertrag war daher im Februar d. J. 676 221 Unzen Gold im Werte von 2 872 406 Pfd. Sterl. gegen 714 984 Unzen Gold im Werte von 3 037 058 Pfd. Sterl. im Januar d. J. und 626 361 Unzen Gold im Werte von Februar 1914. . 180 422, in Kohlenbergwerken 8494, insgesamt 188 916 Arbeiter be⸗

schäftigt.

gegen 2 660 186 Pfd. Sterl. im

Eände des Monats Februar waren in Goldminen

Wien, 15. März. (W. T. B.) Der Rechnungsabschluß der

Alpinen Montangesellschaft für 1914 weist einen Bruttoertrag von 21 118 439 Kronen auf. ein Reingewinn von 8 810 317 Kronen. . 1 wird die Verteilung einer Dividende von 11 % = 22 Kronen für die Aktie vorgeschlagen.

Nach verschiedenen Abzügen verbleibt Der Generalversammlung

Brüssel, 15. März. (W. T. B.) Bei der Luxemburgi⸗

schen Prince Henri⸗Eisenbahn betragen die Netlobetriebs⸗ einnahmen für das Geschäftsjahr 1914 2 609 000 Fr. weisung zu verschiedenen Fonds von 800 000 Fr. verbleibt ein Ge⸗ winn von 809 000 Fr. ungewöhnlich niedrigen Stande, und auch die Aussichten bezüglich der Einnahmen für die nächste Zukunft sind ungewiß. Daher gelangt eine Dividende nicht zur Verteilung, vielmehr wird vom

Nach Zu⸗

Die Einnahmen halten sich noch auf einem

Verwaltungsrat die Rückstellung die Gewinnes vorgeschlagen. Die ien vom Januar bis zum 10. März betragen Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der Betriebskoeffiztent

Paris, 4. März. (W. T. B.) Bankausweis. Barvorrat in Gold 4 240 366 870 (Zun. 1 465 621) Fr., Barvorrat in Silber Guthaben im Ausland 297 547 130 (Zun. 84 749 162) Fr., Wechsel (vom Moratorium nicht betroffene) 311 960 147 (Zun. 78 768 354) Fr., Gestundete Wechsel 3 015 716 768 Vorschüsse auf Wertpapiere 738 110 992 Kriegsvorschüsse an den Staat 4 500 000 000 100 000 000) Fr., Notenzirkulation 11 072 511 045 (Zun.

110 541 825) Fr, Tresorguthaben 72 303 521 (Zun. 2 502 858) Fr.,

Privatguthaben 2 363 312 209 (Zun. 7 506 296) Fr.

Berlin, 16. März Weizen geschäftslos. 8 G“ geschäftslos.

Hafer geschäftslos. Mais geschäftslos. Weizenmehl geschäftslos. Roggenmehl geschäftslos. Rüböl geschäftslos.

Berliner Großhandelspreise für Speisekartoffeln.

Im Berliner Kartoffelgroßhandel wurden nach den Ermittlungen

der von den Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin gebtldeten Ständigen Deputation für den Kartoffelhandel in der Zeit vom 11. bis 13. März 1915 folgende Preise (für 100 kg gute, gesunde Ware, ab Berliner Bahnhöfen) gezahlt: Dabersche Kartoffeln 11,50 bis 12,00 (Charlottenburg bis 12,50 ℳ), Magnum bonum 11,50 bis 12,00 (Charlottenburg bis 12,50 ℳ), Woltmann 10 50 bis 11,50 ℳ, Silesia und andere runde weiße Speisekartoffeln 10,50 bis 11,50 ℳ. Auch in der zweiten Hälfte der Vorwoche waren die Zu⸗ fuhren infolge der kalten Witterung unbefriedigend. Die hier an⸗ gekommene Ware hatte vielfach unter Frost gelitten. Die Preise blieben fest.

Kursberichte von auswärtigen Fondsmärkten. London, 13 März. (W. T. B.) 2 ½ % Engl. Konsols 68 %1l;,

4 % Brasilianer 49 ½, 4 ½ % Japaner 87 9⁄ 6, Peruvian common 3 ⁄5, Atchison, Topeka u. Santa F6 98 ⅞, Erie 23 ⅛, Unton Pacific 124 ¼, Privatdiskont 115616, Silber 24 ⁄6. Für Rechnung Argentiniens wurden 150 000 Pfd. Sterl. reserviert.

Paris, 15. März. (W T. B.) 3 % Französische Rente 71,35, 5 % Russen 1906 90,75, 3 % Russen von 1896 58,75, Türken 65,00, Panamakanal 101,00, Suezkanal 4355, Rio Tinto 1529.

Amsterdam, 15. März (W. T. B.) Markt ruhig. Staats⸗ papiere unverändert. Scheck auf Berlin 51,90 52,40, Scheck auf London 12,07 12,12, Scheck auf Paris 47,60 —- 47,80, Scheck auf Wien 39,20 39,70, 5 % Niederländische Staatsanleibe 99, offtziell, alle anderen Kurse nicht offiziell, Obl. 3 % Niederl. W. S. 67 ½, Königl. Niederländ. Petroleum 476, Deutsche Erdölaktien —,—, Niederländisch⸗Indische Handelsbank —,—, Atchison, Topeka u. Santa —,—, Rock Island —,—, Southern Pacific —,—, Southern Railway 14 ½, Union Pacific etwa 119, Amalgamated 54 ⅛, United States Steel Corp. 44 ½.

New York, 13. März. (W. T. B.) (Schluß.) Die Börse eröffnete bei sehr ruhigem Geschäft mit leicht nachgebenden Kursen. Während anfangs größere Abgaben drückten, trat im Verlauf eine merkliche Befestiaung em. Die Festigkeit der Steels sowie die Nach⸗ frage nach Metall⸗ und Kupferwerten führte zu beträchtlichen Deckungs⸗ und Rückkäufen. Der Schluß vollzog sich in stetiger Haltung. Um⸗ gesetzt wurden 80 000 Shares. Am Bondemarkt wurden 1 138 000 Dollar gehandelt. Tendenz für Geld: Stetig. Geld auf 24 Std. Durchschn.⸗Zinsrate nom., Geld auf 24 Std. letztes Darlehen nom Wechsel auf London (60 Tage) 4,7850, Cable Transfers 4,8025 Wechsel auf Paris auf Sicht 5,26, Wechsel auf Berlin auf Silber Bullion 51 ½, 3 % Northern Pacisie Bonds 3 ½, 2 % Ver. Staat. Bonds 98 ⅜, Atchison, Topeka u. Santa

98,

95 ⅝, Baltimore and Ohio 66 ¾, Canadian Pacific 159 ½, Chese⸗

peake u. Ohio 41, Chicago. Milwaukee u. St. Paul 86 ½, Denver

u. Rio Grande 6. Illinois Central 102 ½, Louisville u. Nashville 113, New York Central 83, Norfolk u. Western 101, Pennsvlvania 105 ½, Southern Pacific 83 ⅛,., Union Pacific 119 ⅛, Amal⸗ gamated Copper Comp. 54 ½, United States Steel Corporation 448, do. pref. 104 ¼. 1

Rio de Janeiro, 13. März. (W. T. B.) Wechsel auf London 13 ½. 3

Kursberichte von auswärtigen Warenmärkten.

Amsterdam, 15. März. (W. T. B.) Japa⸗Kaffee fest, loko 46 v. Santos⸗Kaffee für März 32 ½, für Mai 32 ½, für Dezember 27 ¼.

Amsterdam, 15. März. (W. T. B.) Rüböl loko stetig, 61 1¼, für April 59.

New York, 12. März. (W. T. B.) Baumwoll⸗Wochen⸗ bericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 229 000 Ballen, Ausfuhr nach Großbritannien 123 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 228 000 Ballen, Vorrat in den Häfen 1 559 000 Ballen.

New York, 13. März. (W. T. B.) (Schluß.) Baumwolle loko middling 8,80, do. für März 8,52, do. für Mai 8,81, do. für Juli 9,06, New Orleans do. loko middling 8,38, Petroleum Refined (in Cases) 10,25, do. Standard withe in New York 7,75, do. in Tanks 4,50, do. Credit Balances at Oil City 1,50, Schmalz Western Steam 10,47 ½, do. Rohe u. Brothers 10,80, Zucker Zentrifugal 4,64, Weizen loko Nr. 2 Red. 165 ¼, do. für Mai 166 ¼, do. für Juli 130 ½, für do. September —,—, Mehl Sprina⸗Wheat clears 6,70 6,80, Getreidefracht nach Liverpool 12 *), Kaffee Rio Nr. 7 loko 7¾, do. für März 5,75, do. für Mai 5,90, do. für Juli 6,96, Kupser Standard loko —,—, Zinn 47,00. 8

*) Gefragt, aber nicht zur Verfügung.