besondere zur Befriedigung plötzlich auftretenden Bedarfs der Heeresverwaltungen orer der Martneverwaltung, Aus⸗
nahmen zulassen.“ Der Reichskanzler wird ermächti gt, Text der Bekannt⸗ nachung über die Bereitung von B ꝛckware, wie er sich aus den Aenderungen der Bekanntmachung wegen Aenderung der Bekanntmachung über die Bereitung von Backware vom 18. Februar 1915 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 100) und aus den Aen⸗ derungen dieser Verordnung ergibt, in fortlaufender Nummern⸗ folge der Paragraphen mit dem Datum dieser Verordnung durch das Reichs⸗Gesetzblatt bekanntzumachen. Artikel 3 1 Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Der Reichskanzler bestimmt den Zeitp kt des Außer⸗ krafttretens. 8 Berlin, den 31. März 1915. Der Stellvertreter des Reichskanzlers 6 Delbrück.
——
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Bekanntmachung
der Fassung der Bekanntmachung über die Bereitung 1 von Backware.
“ Vom 31. März 1915. 1 Auf Grund des Artikel 2 der Bekanntmachung vom b 1Mha 1915 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 203), betreffend Aenderung der Bekanntmachung über die Bereitung von Backware vom 5. Januar 1915 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 8), wird die Fassung der Bekanntmachung über die Bereitung von Backware nachstehend bekanntgemacht. 18 8
Berlin, den 31. März 1915h.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Delbrück. ng über die Bereitung von Backware. § 1
Als Roggenbrot im Sinne dieser Verordnung gilt jede Back⸗ ware, mit Ausnahme des Kuchers, zu deren Bereitung mehr als dreißig Gewichtsteile Roggenmehl auf siebzig Gewichtsteile an anderen Mehlen oder mehlartigen Stoffen verwendet werden.
Als Weizenbrot im Sinne dieser Verordnung gilt, abgesehen von dem Falle des § 5 Abj. 4 Satz 2, jede Backware, mit Aus⸗ nahme des Kuchens, zu deren Bereitung Weizenmehl verwendet wird.
Als Kuchen im Sinne dieser Verordnung gilt jede Backware, zu deren Bereitung mehr als zehn Gewichtsteile Zucker auf neunzig Gewichtsteile Mehl oder mehlartiger Stoffe verwendet werden.
““
Bekanntmach
1 2 Bei der Bereitung von Brot dürfen ungemischtes Weizenmehl, Weizen⸗ und Roggenauszugsmehle nicht verwendet werden.
2
0 3 Bei der Bereitung von Weizenbrot muß Weizenmehl in einer Mischung verwendet werden, die dreißig Gewichtsteile Roggenmehl unter hundert Teilen des Gesamtgewichts enthält; der Weizengehalt kann bis zu zwanzig Gewichteteilen durch Kartoffelstärkemehl oder andere mehlartige Stoffe ersetzt werden. 8 Die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Behörden können vorübergehend im Falle eines dringenden wirtschaftlichen Be⸗ dürfnisses gestatten, daß Weizenmehl (Abs. 1) in einer Mischung ver⸗ wendet wird, die weniger als dreißig Gewichtsteile Roggenmehl unter hundert Teilen des Gesamtgewichts enthält, sowie daß an Stelle des Roggenmehlzusatzes Kartoffel oder andere mehlartige Stoffe verwendet
werden. § 4
Die Vorschriften des § 3 gelten nicht für reines Weizenbrot, das aus Wetzenmehl bereitet ist, zu dessen Herstellung der Weizen bis zu mehr als dreiundneunzig vom Hundert durchgemahlen ist.
§ 5 11e“
Bei der Bereitung von Roggenbrot muß auch Kartoffel ver⸗ wendet werden. .
Der Kartoff lgehalt muß bei Verwendung von Kartoffelflocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffelstärkemehl mindestens zehn Gewichts⸗
teile auf neunzig Gewichtsteile Roggenmehl betragen. Werden ge⸗ quetschte oder geriebene Kartoffeln verwendet, so muß der Kartoffel⸗ gehalt mindestens dreißig Gewächtsteile auf neunzig Gewichtsteile
Roggenmehl betragen.
Roggenbrot, zu dessen Bereitung mehr Gewichtsteile Kartoffel verwendet sind, muß mit dem Buchstaben „K“ bezeichnet werden. Werden mehr als zwanzig Gewichtsteile Kartoffelflocken, Kartoffel⸗ walzmehl oder Kartoffelstärkemehl, oder werden mehr als vterzig Gewichtsteile gequetschte oder geriebene Kartoffeln verwendet, so muß das Brot mit dem Buchstaben „KK“ bezeichnet werden.
Zur Bereitung von Roaggenbrot darf Weizenmehl nicht verwendet werden. Die Landeszentralbehörden können aus besonderen Gründen zulassen, daß das Roggenmehl bis zu dreißig Gewichtsteilen durch Weizenmehl ersetzt wird. G
Statt Kartoffel können Bohnenmehl, auch Sojabohnenmehl, Erbsenmehl, Gerstenschrot, Gerstenmehl, Hafermebl, fein vermahlene Kleie, Maismehl, Maniok⸗ und Tapiokamehl, Reismehl, Sagomehl in derselben Menge wie Kartoffelflocken verwendet werden; in gleicher Weise kann Sirup order Zucker verwendet werden, jedoch nur bis zur Höhe von fünf Gewichtsteilen auf fünfundneunzig Gewichtsteile Mehl. oder Mehlersatzstoffe.
§ 6 Die Bestimmungen des § 5 gelten nicht für reines Roggen⸗ brot, das aus Roggenmehl bereitet ist, zu dessen Herstellung der Roggen bis zu mehr als dreiundneunzig vom Pundert durch⸗ gemahlen ist.
§ 7 Die Landeszentralbehörden können bestimmen, daß Roggenbrot nur in Stücken von bestimmten Formen und Gevichten bereitet wird.
§ 8 Bei der Bereitung von Kuchen darf nicht mehr als die Hälfte des Gewichts der verwendeten Mehle oder mehlartigen Stoffe aus Weizen bestehen. G
Alle Arbeiten, die zur Berestung von Backware dienen, sind in Bäckereien und Konditoreien, auch wenn diese nur einen Nebenbetrieb darstellen, in der Zeit von sieben Uhr Abends bis sieben Uhr Morgens verboten.
Die höheren Verwaltungsbehörden können Beginn und Ende der zwölf Stunden, auf die sich dieses Verbot erstreckt, für ihren Bezirk oder für einzelne Orte im Falle dringenden wirtschaftlichen Bedürf⸗ nisses mit der Maßgabe anders festsetzen, daß die Arbeit nur in länd⸗ lichen Verhältnissen vor sechs Uhr Morgens beginnen darf. Sie können in Notfällen oder im öffentlichen Interesse, insbesondere zur Befriedigung plötzlich auftretenden Bedarfs der Heeresverwaltungen oder der Marineverwaltung, Ausnahmen zulassen.
§ 10
als dem. Hersteller ausgebacken werd, sowie wenn Backware Konsunentenvereinigungen sür ihre Mitglieder bereitet wird.
die Verordnung mit dem Tage der Verkündung in Kraft
Roggenbrot von mehr als fünfzig Gramm Gewicht darf erst vier⸗ undzwanzig Stunden nach Beendigung des Backens aus den Bäckereien und Konditoreien, auch wenn diese nur einen Nebenbetrieb darstellen,
abgegeben werden.
Mehl als Streumehl zur
8 8 11 Die Verwendung von backfähigem
Isolierung des Teiges ist in Bäckereien und Konditoreien, auch wenn diese nur einen Mebenbenieb darstellen, verboten.
§ 12 Diese Vorschriften gelten auch, wenn der Teig von einem anderen
von § 13
Die Beamten der Polizei und die von der Polizei beauftragten
Sachverständigen sind befugt, in die Räume, in denen Backware be⸗ reitet, aufbewahrt, jeilgeh
zutreten, daselbst Besichtigungen vorzunehmen, Geschäftsaufzeichnungen einzusehen, auch nach ihrer Auswahl Proben zum Zwecke der Unter⸗ suchung gegen Empfangsbestätigung zu entnehmen.
alten oder verpackt wird, jederzeit ein⸗
§ 14
Die Unternehmer von Beteieben, in denen Backware hergestellt oder gelagert wird, sowie die von ihnen bestellten Betriebsleiter und Aussichtspersonen sind verpflichtet, den Beamten der Polizei und den Sachverständigen Auskunft über das Verfahren bei Herstellung der Erzeugnisse, über den Umfang des Betriebs und über die zur Ver⸗ arbeitung gelangenden Stoffe, insbesondere auch über deren Menge und Herkunft zu erteilen.
§ 15 Die Sachverständigen sind, vorbehaltlich der dienstlichen Bericht⸗ erstattung und der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, verpflichtet, über die Einrichtungen und Geschäftsverhältnisse, welche durch die Aufsicht zu ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich
der Mitteilung und Verwertung der Geschäfts⸗ und Betriebsgeheimnisse
Sie sind hierauf zu vereidigen. § 16 Bäcker, Konditoren und Verkäufer von Backware haben einen Abdruck dieser Verordnung in ihren Verkaufs⸗ und Betriebsräumen auszuhängen.
zu enthalten.
§ 17 Die Landeszentralbehörden erlassen die Bestimmungen zur Aus⸗ führung dieser Verordnung. 6 18
Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten wird bestraft:
1) wer den Vorschriften der §§ 2, 3, 5, 8, 9, 10, 11, 16 oder den auf Grund der §§ 3, 7, 9 erlassenen Bestimmungen zuwiderhandelt; wer wissentlich Backware, die den Vorschriften der §§ 2, 3, 5, 8 oder den auf Grund der §§ 7, 9 erlassenen Be⸗ stimmungen zuwider bereitet ist, verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt; wer den Vorschrisften des § 15 zuwider Verschwiegenheit nicht beobachtet oder der Mittetlung oder Verwertung von Geschäfts⸗ oder Betriebsgebeimnissen sich nicht enthält; wer den nach § 17 erlassenen Ausführungsbestimmungen
1 zuwiderhandelt In dem Falle der Nr. 3 tritt die Verfolgung nur auf Antrag Unternehmers ein.
tfünfzig Mark oder mit Haft
6 13 zuwider den Eintritt in die zie Einsicht in die Geschäfts⸗ ahme einer Probe verweigert;
14 von ihm erforderte Aus⸗
r Auskunftserteilung wissentlich
Die b Zackware, die aus dem Ausland
eingeführt wird, und nicht für Zwieback, der für Rechnung der Heeres⸗
und Marineverwaltung hergestellt wird.
Sie gilt ferner nicht für Erzeugnisse, die bei religiösen Hand⸗ lungen vecwendet werden.
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Der Reichskanzler bestimmt den Zeitpunkt des Außeekrafttretens.
sschung. betreffend Einschränkung der Trinkbranntwein⸗ erzeugung.
Vom 31. März 1915.
Der Bundesrat hat auf Grund des § 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maß⸗ nahmen usw. vom 4. August 1914 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 327) folgende Verordnung erlassen:
Vom 2. April 1915 ab darf bis auf weiteres kein unverarbeit⸗ter Branntwein gegen Entrichtung der Verbrauchsabgabe in den freien Verkehr übergeführt werden.
Der Reichskanzler wird ermächtigt, vom 1. Mai 1915 ab die Ueberführung von unverarbeitetem Branntwein in den freien Verkehr gegen Entrichtung der Voerbrauchsabgabe wieder zuzulassen.
In diesem Falle dürfen unverarbeiteten Branntwein in den freien Verkehr nur Personen überführen, die es im Betriebsjahr 1913/14 getan haben, und zwar nach Bestimmung des Reichskanzlers monat⸗ lich bts zu zwei vom Hundert der von ihnen im Betriebsjahr 1913/14 versteuerten Menge. .
0
Dem unverarbeiteten Branntwein (§§ 1, 2) wird der Brannt⸗ wein gleichgestellt, der unverarbeitet in ein Branntwelnlager aufge⸗ nommen ist und daselbst nach dem 1. April 1915 mit Wasser ver⸗ dünnt oder durch Filtration mit Kohle gereinigt wird (§ 19 der Branntweinlagerordnung).
Der Ucberführung in den freien Verkehr gegen Entrichtung der Verbrauchsabgabe (§§ 1, 2) wird die Aufnahme in ein Lager nach § 36 der Branntweinlagerordnung gleichgestellt.
Der Reichskanzler erläßt die Ausführungsbestimmungen. Er kann Ausnahmen zulassen.
Wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 1, 2 Abs. 2 und des § 3 zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark bestraft. Wer die Tat faheläffig begeht, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft.
b Wer den von dem Reichskanzler erlassenen Ausführungs⸗ bestimmungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundert⸗ fünfzig Mark oder mit Haft bestraft.
Diese Verordnung findet auf Branntwein, der in Abfindungs⸗ brennereien und auf Branntwein, der in anderen Brennereien aus den in § 12 des Branntweinsteuergesetzes vom 15. Juli 1909 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 661) genannten Stoffen erzeugt ist, keine An⸗ wendung.
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§ 5 der Verordnung tritt am 6. April 1915, im übrigen tritt
Der
Reichskanzler bestimmt den Zeitpunkt des Außerkrafttretens. Berlin, den 31. März 1915.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Delbrück
G“ 88
Bekanntmachung über die Sicherung der Ackerbestell Vom 31. März 1915.
Der Bundesrat hat auf Grund des § 3 des Gesetzes
die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maß⸗ nahmen usiv. vom 4. August 1914 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 327) folgende Verordnung erlassen:
§ 1 Die untere Verwaltungsbehöͤrde ist nach näherer Anordnung der Landeszentralbehörde befugt, die Nutzungsberechtigten von Landgütera und landwirtschaftlichen Grundstücken mit kurzer Frist zu einer Er⸗ klärung darüöber aufzufordern, ob sie ihre gesamte Ackerfläche bestellen wollen oder welche Stücke davon unbestellt bleiben sollen. Die Möglichkeit der in Aussicht genommenen Bestellung ist auf Erfordern glaubhaft zu machen. Dlie Aufforderung kann durch öffentliche Be⸗ kanntmachung erfolgen. 8 § 2
Soweit der Nutzungsberechtigte die Bestellung nicht übernimmt oder die Möglichkeit der Bestellung nicht glaubhaft macht oder die Aufforoerung unbeantwortet läßt, oder wenn er nicht erreicht werden kann, ist die untere Verwaltungsbehörde befugt, die Nutzung des Grundstücks mit Zub⸗hör ganz oder zum Teil längstens bis Ende des Jahres 1915 dem Berechtigten zu entziehen und dem Kommunal⸗ verbande zu übertragen.
Der Kemmunalverband hat bel der Nutzung des Grundstücks nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu verfahren, so⸗ weit dies nach den besonderen, durch den Krieg geschaffenen Ver⸗ hältnissen tunlich ist. Inwieweit der Kommunalverband dem Nutzungsberechtigten eine Entschädigung zu gewähren bat, bestimmt die untere Verwaltungsbehörde bei der Uebertragung. Für die Auf⸗ wendungen des Kommunalverbandes hat der Eigentüͤmer oder sonstige Berechtigte nicht einzutreten.
§ 4 Aus Gründen der Bllligkeit kann die untere Verwaltungsbehörde die Rückgabe der Grundstücke an den Berechtiaten bereits zu einem früberen Zeitpunkt als dem zunächst bestimmten verfügen. Bet der Auseinandersetzung (§ 5) hat ein angemessener Ausgleich zu erfolgen.
Ueber die Auseinandersetzung zwischen dem Kommunalverband und dem Eigentümer sowie den sonstigen Nutzungsberechtigten beschließt auf Antrag die untere Verwaltungsbehörde nach billigem Ermessen unter Ausschluß des Rechtswegs.
§ 6
Gegen die Verfügungen der unteren Verwaltungsbehörde nach §§ 1 bis 4 ist binnen einer Woche, gegen die Beschlüsse nach § 5 binnen einem Monat die Beschwerde bei der höheren Verwaltungs⸗ behörde zulässig. Die Entscheidung ist endgültig.
’1“
Personen, die wegen des Einbruchs feindlicher Truppen ihre bisherige landwirtschaftliche Be schäftigung aufgegeben haben, können nach dem 31. Juli 1914 geschlossene Verträge, die sie zu Diensten außerhalb des Bezirkes threr früheren Beschäftigung verpflichten, behufs Rück⸗ kehr dorthin mit fünftägiger Frist kündigen. Die Kündigung muß binnen drei Wochen erklärt werden; diese Frist beginnt mit dem Tage der Verkündung der Verordnung. Bedarf es zur Rückkehr einer be⸗ hördlichen Erlaubnis, so läuft die Frist von dem Tage, an dem diese Erlaubnis dem Flüchtling bekannt geworden ist.
Die Landeszeatralbehörde bestimmt die Bezirk die diese Vorschrift Anw. ndung findet. die erforderlichen Ausführungs⸗
S Die Landeszentralbehörde erläßt
vorschriften.
Sofern die Sicherung der Ackerbestellung im Wege der Landes⸗ gesetzgebung herbeigeführt ist, finden die §§ 1 bis 6 dieser Ver⸗ ordnung keine Anwendung. 6 10
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 31. März 1915. 1
Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Delbrück.
8 Die Feier des 100. Geburtstages des Fürsten von Bismarck. Die Berliner Universität veranstaltete am Donnerstag, Nach⸗
mittags 2 Uhr, in ihrer neuen Aula, in der man zum ersten Male Arthur Kampfs hahs Wandgemälde „Fichte als Redner an die 0
deutsche Nation“ bewundern konnte, einen Festakt, dem im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs der Oberkommandierende in den Marken, Generaloberst von Kessel, 8. der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz, der Staatssekretär Dr. Lisco, der Präsident des Herrenhauses von Wedel, der Präsident des Abgeordnetenhauses Graf von Schwerin⸗Löwitz, der Präsident des Reichstags Dr. Kaempf, der Botschafter der Ver⸗ einigten Staaten von Amerika Gerard, der Oberhof⸗ und Dom⸗ prediger D. Dryander, der Polizeipräsident von Jagow, der Bürger⸗ meister Dr. Reicke u. a. beiwohnten. Nachdem der akademische Lehr⸗ körper unter Vortritt des Rektors in die Aula geschritten und die Plätze vor dem Katheder eirgenommen hatte, bestieg dieses der Wirkl'che Geheime Rat, Professor Dr. von Wilamowitz⸗ Möllendorff, um die Festrede über den Menschen Bismarck zu halten. Der Redner erinnerte an Bismarcks Verhältnis zur und zur Wissenschaft überhaupt, zu der er zeitlebens in einem etwas gespannten Verhältnis gestanden. Der Grund hierfür lag in der Natur Bismarcks, die dem Künstlerischen zugewandt war, und deren leidenschaftliches Wesen mit der sachlichen Art der Wissenschaft keine rechte Fühlung gewann. Mitgesprochen möge auch haben, daß Bismarck den deutschen Professor mehr auf der Parlamentstribüne als im Hörsal kennen lernte. Erst spät habe Bismarck sich selbst gefunden. Das Dämonisch⸗ vulkanische seines Wesens zog ihn zu Byron, und die Goethesche Ab⸗ geklärtheit blieb ihm auch im Greisenalter versagt. Spät auch fand er die Stellung in der Welt, die seinen Kräften entsprach. Als ihm aber der Wirkungskreis in Kniephof und der pietistische Freundeskreis zu enge geworden war, folgte bald eine ungewöhnliche Entwicklung von märkischer Eigenart über die preußische Staatsgesinnung zum Deutschen. In Franksurt, St. Petersburg und Paris reifte der überlegene Staats⸗ mann heran, der im Verfassungskonflikt einer Welt Trotz bieten konnte, nachdem er den unzertrennlichen Bund mit seinem 1 ge⸗ schlossen hatte. Auf das herrliche, in der Geschichte ohne Beispiel dastehende Verhältnis zwischen dem König Wilhelm und Bismarck ging der Redner dann näher ein. Groß seien beide gewesen, der König und der Kanzler, menschlich aber habe der König fast noch höber gestanden, da er sich in neidloser Dankbarkeit dem Genius gefügt habe und dabei doch stets der König und Herr geblieben sei. Vom ersten Tage seiner Ministerschaft sei Bismarcks Leben dann ein Kampf gewesen, ein immer neues Sichdurchsetzen gegenüber feindlichen oder einsichts⸗ losen Mächten. Von den Früchten seiner Politik — seiner weisen Beschränkung in der auswärtigen Politik, der weitsichtigen Wirt⸗ schafts⸗ und Soztalpolitik im Innern — ernteten wir noch bheute. Es war unser Schicksal, daß unsere größten Männer der Tat, Luther und Friedrich der Große, nur für einen Teil des Volkes Vorbilder sein konnken, an denen es sich aufrichtete in den Zeiten nationaler Not
und Gefahr. So war es auch mit Bismarck. So solle es hinfort
9 1“ wicht mehr sein. Heute trügen alle — Staatsgefühl, in der Liebe zu Deutschland Bismardhche Ee⸗ fühle in der Brust: mögen sie denn auch alle in Dankbarkeit sich zu ihm bekennen. Jetzt sei die rechte Zeit, daß er einen festen Platz gewinne in ihrem Herzen, auf daß, wenn in langer Friedenszeit wieder Sonderwünsche, Parteigezänk die Freude an dem Reiche stören wollen, sein Bild vor der Seele des Deutschen aufsteige, mit bannendem Blick die bösen Negungen bändige. „Wir Alten’, so schloß der Redner, „die wir seine Stimme noch gehört haben, sind bald dahingegangen. Was unser Leben füllte, was uns das Köstlichste war, die Arbeit an der Wissenschaft, ist uns nun fast unmöglich geworden, weil unsere Seele nur dem einen Gedanken an das Vater⸗ land Raum gibt. Der Bismarck in uns, das Deutschtum ist stärker selbst als die Wissenschaft. Wir können — damit wandte sich der Redner an die Kommilitonen — Sie nichts Besseres lehren, als Sie auf den großen Mann hinweisen, der es noch viel eindringlicher lehrt: Deutschland, Deutschland über alles“. In den Gesang von „Deutsch⸗ land, Deutschland, über alles“, den die studentischen Chargierten mit dem Geklirr ihrer sich kreuzenden Klingen begleiteten, klang die Rede aus. Die Bläser stimmten den Beethovenschen Chor: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ an, und die Feier war beendet.
Zu der Bismarck⸗Gedenkfeier am Nationaldenkmal hatten, wie hiesige Zeitungen melden, mehr als 250 Vereine aus Groß Berlin Abordnungen, zum Teil mit ihren Bannern und Fahnen, entsandt. Es befanden sich darunter sämtliche Berliner Innungen, der Berliner Bismarck⸗Ausschuß, der Bismarck⸗Festausschuß Groß Berlin 1915, die Vereinigung Berliner Architekten, der Verband deutscher Archittekten⸗ und Ingenieurvereine, Verein Berliner Presse, Deutsche Gastwirtsverband, Verein Berliner Hotelbesitzer, Verein der Berliner Gastwirte, Bund deutscher Gastwirte, Verband deutscher Waren⸗ und Kauf⸗ häuser e. V., Vereln junger Kfleute von Berlin, die Deutsche Lands⸗ mannschaft, Deutsche Kolonialgesellschaft, Reichsgroßloge von Deutsch⸗ land, Große National Mutterloge, Große Loge von Preußcn, Becliner Turnerschaft, Korporation Berlin, Kaiserlicher Neroklub Berlin, Generalsekretariat des Uaionklubs, Verein deutscher Vellblut⸗ züchter und Rennstallb sitzer, Kaiserlicher Motorjachtklub, Berliner Lehrergesangverein, Berliner Lehrerverein, Verband deutscher Beamten⸗ vereine Berlin, Kaiserlicher Automobilklub, Gustav⸗Adolf.Verein, Archäologische Gesellschaft zu Berlin, Potsdamer Handelskammer, Sitz Berlin, das Korps Hannovera⸗Göttingen, die Schutzgemeinschaft für Handel und Gewerbe, Verein südwestafrikanischer Krieger zu Berlin, Verein Berliner Möbelindustrieller, Bund der Landwirte, Zentrale der Bezirksvereine Berlins und Umgegend u. a. m.
Aus dem Reiche und dem Ausland liegen heute noch
folgende Berichte des „W. T. B.“ über Bismarckseiern vor: Königsberg i. Pr., 1. April. Aus Anlaß der heute vor⸗ mittag im festlich geschmückten Junkerhofsaale abgehaltenen, dem An⸗ denken Bismarcks geweihten Sitzung der städtischen Körper⸗ schaften, wurde an Seine Majestät den Kaiser und König folgendes Telegramm üöbermittelt: „Zu der weihevollen Gedenkfeier für Deutsch⸗ lands gewaltigen Mitbegründer festlich vereint, gedenken Vertreter der durch Eurer Majestät glorreiches Heer so treu beschirmten alten ostpreußischen Haupt⸗ und Residenzstadt in besonderer Dankhbarkeit und Treue auch ihres geliebten Kaisers und Kön’'gs und geloben aufs neue, mit Gut und Blut kis zu einem ruhmreichen Frieden allzeit einzustehen, wie die Väter mit Gott für Köntg und Vaterland!“ An die Feier der städtischen Behörden schloß sich ein Festzug, an dem die Knabenschulen mit ihren Bannern teilnahmen. Am Bismarddenkmal und am Denkmal Kaiser Wilhelms I. wurden unter dem gemeinsamen Gesange der tausendköpfigen Menge Kränze niedergelegt.
In Kiel folgte einem Festakt im Stadttheater eine öffentliche Feier vor dem Bismarckdenkmal mit gemeinsamem Gesang der Fest⸗ teilnehmer. Unter den niedergelegten prächtigen Kränzen befand sich auch einer vom Panzerkreuzer „Furst Bismarck“.
Friedrichsruh, 1. April. Heute früh um 10 Uhr fanden sich die Vertreter des Alldeutschen Verbandes, insgesamt etwa 90 nationale Vereine, darunter 66 Ortsgruppen des Alldeutschen Verbandes, am Grabe des Fürsten Bismarck ein und legten dort Kränze nieder. — Um 11 Uhr strafen die Rektoren der 11 technischen Hochschulen Aachen, Berlin, Braunschweig, Breslau, Darmstadt, Danzig, Dresden, Hannover, Karléruhe, München und Stuttgart in Friedrichsruh ein. Geheimer Baurat Professor Dr. Mohrmann aus Hannover legte nach kurzer An⸗ sprache einen Kranz am Grabmal nieder. Den Rettoren hatte sich der Geheime Hofrat Frhr. von Schmidt aus München angeschlossen, der namens der Stadt München einen Kranz niederlegte. — Um 12 ½ Uhr begann in der Gruftkapelle der Gemeindegottesdienst für Friedrichsruh, an dem der Rittmeister von Bredow mit seiner Ge⸗ mahlin, Gräfin Hannah, geborenen von Bismarck, teilnahmen. Im Aufltrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs legte der Generaladjutant, General der Irfanterie von Löwenfeld einen kosl⸗ baren, mit goldenen Rosen durchflochtenen Lorbeerkranz nieder. Auch der Krorprinz hatte durch den preußischen Gesandten in Hamburg, von Bülow, einen prachtvollen Kranz an der Geuft niederlegen lassen und der Reichskanzler hatte einen Kranz übersandt. Kurz nach dem Gottesdienst erschien eine Abordnung der Stadt Berlin, be⸗ stehend aus den Stadträten Dr. Wiemer und Rummel und den Stadtverordneten Flohr und Hellriegel. Dr. Wiemer widmete dem Altreichskanzler mit einer Ansprache einen Lorbeerkranz, dessen Schleife die Inschrift trug: Ihrem großen Ehrenbürger die Stadt Berlin.
Leipzig, 1. April. Heute nachmittag fand ein Festgottesdienst in der Kirche zu Hänichen statt, bei dem ein früherer Seelsorger des Fürsten Bismarck, Dr. Pank, eine ergreifende Ansprache hielt: dar⸗ auf wurde der neue Bismarckturm mit einer Weiherede des Aus⸗ schußvorsitzenden Friedrich Gontard enthullt. Am Abend wurde der Turm beleuchtet.
Detmold, 1. April. Die Btsmarck⸗Gemeinde in Detmold hielt gestern abend am Bismarckstein auf der Grotenburg am Hermannsdenkmal im Teutoburger Walde eine patriotische Feier ab, die dem Andenken Bismarcks gewidmet war. Dieser erhebenden Abendfeier am Denkmal des ersten Befreiers Deutschlands zur jetzigen ernsten, hehren Zeit, den Manen des Mitbegründers des Deutschen Reche. “ wohnte der Landesherr Fürst Leopold IV. zur ppe bei.
Wien, 2 April. Nachdem am Vorabend zu Bismarcks hundertstem Geburtstag bereits der Deutschnationale V rein für Oesterreich in Wien eine stark besuchte Gedenkfeier abgehalten hatte, wurde der Tag, wie die Blätter melden, auch in Salzburg, Brüx und Graz festlich begangen. Sowohl in Salzburg, wie in
gemeinsomen Heimatgefühl
Brüx beschlossen die Stadtvertretungen, eine der schönsten Straßen
Bismarckstraße zu nennen. In Graz fand eine Gedenkfeier des Vereins der Reichsdeutschen vor der Bismarckeiche statt, au der ein Lorbeerkranz mit der Schleifeninschrift: „Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt“, niedergelegt wurde. 1
Brüssel, 2. April. Im Sitzungssaal der Kammer im Parlamentsgebäude hat gestern abend in Anwesenheit des General⸗
gouverneurs und sämtlicher Offiziere und Beamten des General⸗
gouvernements eine Bismarck⸗Jahrhundertfeier stattgefunden, die durch ihre schlichte Einfachheit und wohl auch durch die Stelle, an der sie stattfand, erhebend wirkte. Die Festrede hielt der Ritt⸗ meister Sponnagel aus Münster, der in großen Zügen des eisernen Kanzlers Wirken zeichnete. Nach dem Gesange des Bismarck⸗ iedes vereinigten sich die Mitglieder des Generalgouvernements zum Abendessen, in dessen Verlauf der Generalgouverneur Freiherr von
Bissing nochmals Bismarcks und seines Einflusses auf die große
jetzie Zeit gedachte. Auch die deutschen Schulen in Antwerpen und Beüssel feierten Bismarckss Gedenktag durch Schulakte, denen die Militärbehörden beiwohnten. “ 8
[Spalt von 1890 sich merklich zu schließen beginnt, hat sich ein tie
8 11“ ö 4 Statistik und Volkswir chaft. 8— Zur Arbeiterbewegung. 8 Die Hafenarbeiter in Liverpol, die sich Freitags nach 5 Uhr und Sonnabends zu arbeiten weigerten, machten, wie „W. T. B.“ erfährt, in dieser Woche bereits am Donnerstag Arbeitsschluß.
““
belagerten Tsingtau. Tagebuchblätter von C. J. Voskamp. Berlin 1915. Buchhandlung der Berliner evang. Misstonsgesellschaft. 140 Seiten. Brosch. 1 ℳ. Mit photo⸗ graphischer Treue sptegelt dies Tagebuch, ursprünglich nicht für den Druck geschrieben, die Schicksale und Stimmungen der Belagerten in Tsingtau wider, und es offenbart sich in ihm ein so prächtiger Geist einmütiger Entschlossenheit und Pflichttreue, auch des Ernstes und der Gottergebenheit, daß es zu den unvergänglichen Dokumenten dieses Krieges gezählt werden muß. Es wird allen hochwillkommen sein, die Angehörige unter den Kämpfern von Tsingtau gehabt haben. Auch unseren tapferen Feldgrauen, Blaujacken und Fliegern sollte es zu⸗ gesandt werden und in Ruhepausen des Kampfes, selbst in Schützen⸗ gräben, bei jedem unserer Helden die Flammen patriotischer Beacisterung immer aufs neue entfachen; es eignet sich dazu vortrefflich. Der Ver⸗ fasser ist Superintendent der Berliner Mission in Schantung, die hier 1908, unmittelbar nach der deutschen Besitzergreifung, zu arbeiten hegann und außer in Tsingtau noch Stationen in Kiautschou und in Tsimo hat; in letztgenanntem Orte befinden sich auch ein Hospital, ein Prediger⸗ und Lehrerseminar. In Tsingtau weilten mit Sup. Voskamp und 8 Familie während der Belagerung Missionar Kunze und die Missionsschwester Frieda Strecker; die Familie Kunze und die Leitertin der, Mädchenschule in Tsingtau, Schwester Käthe Voget, hatten sich vor dem Heranrücken der Japaner zu Freunden nach Tsintschoufu zurückgezogen. Missionar Scholz in Tsimo wurde von den Japanern der Spionage beschalrigt, wochenlang in ein peinigendes Verhör verwickelt und schließlich genötigt, unter drangvollen Umständen mit seiner Familie nach Tschifu zu flüchten.
— Die Genesis der Emser Depesche. Von Richard Fester. Berlin, Verlag von Gebrüder Paetel (Dr. Georg Pactel) 1915. 240 Seiten. Geheftet 4 ℳ. Von der großen Urkundenver⸗ öffentlichung der französischen Regierung über den Ursprung des Krieges von 1870/71 sind seit 1910 acht Bände erschienen, die die Zeit vom 25. Dezember 1863 bis zum 3. Mat 1866 umfassen. Der Schluß⸗ band, auf den es ankommt, steht also noch aus. Auf deutscher Seite liegen die Staatsakten des Auswärtigen Amtes noch unter Verschluß. Nur an einer Stelle wurde der Schleier gelüftet, als Caprivi in der Reichstagssitzung vom 23. November 1892 das von Bismarck redigierte Telegramm Abekens aus Ems und einige dazu gehörige Aktenstücke zur Kenntnis brachte. Das Material liegt also für die entscheidenden Julitage von 1870 nicht vollständ ig vor; immerhin ist so viel bekannt, daß Fester von einer urkundlichen Einkreisung des Objektes reden zu dürfen meint. Jedenfalls ergibt sich ihm schon heute ein Zusammen⸗ hang, und er vermißt mehr die Ausführlichkeit, die einer Betrachtung jener denkwürdigen Tage zukäme. Zu der vorliegenden Untersuchung, die zuerst im Juni, Juli und August 1914 in der „Deutschen Rundschau“ erschienen ist, ist Fester durch den Fortgang seiner historischen Forschungen gekommen. Er hat schon 1913 die sehr verdienstliche Quellensamm⸗ lung „Briefe, Aktenstücke und Regesten zur Geschichte der Hohen⸗ zollernschen Thronkandidatur in Spanien“ in 2 Heften herausgegeben und in demselben Jahr „Neue Beiträge zur Geschichte dieser Kandi⸗ datur“ veröffentlicht. Es ist ein erhebendes Schauspiel, gegenüber der nervösen, hastigen Art des Herzogs von Gramont, des Ministers des Aeußern, und dem hilflosen Dilettantiemus des aus der Pariser Advokatur hervorgegangenen, vom liberalen Parteipolitiker zum Ministerpräsidenten emporgestiegenen Emil Ollivier die würdevolle Haltung König Wilhelms und dos Zusammenarbeiten des Geheimen Legationsrats Abeken, des treuen Beraters des Königs in Ems, mit seinem Chef und dem verantwortlichen Leiter, mit Bismarck, zu ver⸗ folgen, der bei aller Tatkraft, die er damals entfaltete, eine wunder⸗ bare Selbstbeherrschung bewies. Als die Kandidatur Leopolds von Hohenzollern durch die Mitteilung einer Madrider Zeitung am 1. Juli vor der Zeit bekannt wurde, lieferte sich Gramont durch einen von ihm redigierten Artikel im „Constitutionnel“ vom Morgen des 4. Juli von vornherein der Presse aus, indem er einen Ent⸗ rüstungssturm entfesselte, der der Regierung über den Kopf wuchs. Gramonts Kammererklärung vom 6. Juli war eine neue Unbesonnen⸗ heit, die bereits wie eine Kriegserklärung wirkte. Am Morgen des folgenden Tages alarmierte das obengenannte Blatt die europäische Welt mit der Nachricht, daß Frankreich zum Matschieren bereit sei. In der Nacht zum 8. Juli wurce Graf Benedetti, der auf Urlaub in Wildbad weilte, telegraphisch angewiesen, König Wilhelm die be⸗ kannte Garantieforderung zu überbringen. Wie ist Gramont dazu gekommen, sich mit Umgehung des Instanzenweges, der zu dem Auswärtigen Amt in Berlin geführt hätte, durch Benedetti un⸗ mittelbar an die Person des Königs zu wenden? Fester sieht den Grund darin, daß der preußische Botschafter in Paris, Freiherr von Werther, eine von früher her vorgesehene Reise nach Ems, statt in Anbetracht der veränderten Umstände auf seinem Posten zu bleiben, am 5. Juli wirklich antrat und sich beim Abschied das Versprechen abnötigen ließ, den französischen Standpunkt, daß die Hohenzollern⸗ kandidatur eine arge Soche sei, bei König Wilhelm zu vertreten. Die dazukommende Entsendung Benedettis sollte den Keil weiter treiben. Was aber die Garantieforderung selbst betrifft, so war sie nur die letzte Folgerung aus der Erklärung vom 6. Juli. Benedetti, der schon auf der Heimreise von Berlin nach Wildbad am 4. Juli der Gast der Königin Auausta in Koblenz gewesen war, und jetzt auch auf der Fahrt von Wildbad nach Ems den Umweg über Koblenz machte, wurde vom König zweimal empfangen, am 9. und am 11. Juli; das dritte Mal, am 13. Juli, blieb es bei der bekannten Brunnenszene. Am 12. Jalt hatte Karl Anton von Hohenzollern in Sigmaringen den Verzicht aukgesprochen; das Extrahlatt der „Kölnischen Z itung, noch am Akend desselben Tages gedruckt, lief in Ems am 13. früh mit der Neunuhrpost ein. Der König, dem es auf der Brunnenpromenade übergeben wurde, reichte es durch seinen Flügel⸗ adjutanten Anton von Radziwill an Benedetti weiter, und im An⸗ schluß daran erfolgte die letzte Unterredung. Was sich über die Emser Vorgänge des 13. Juli his jetzt ermitteln läßt, gibt Fester in peinlich sauberer Ausarbeitung wieder. Am Abend des 12. Juli war Bismarck aus Varzjin in Berlin elngetroffen, und die Reihe großer Erinnerungen beginnt bereits mit dieser Reise. „Die Fahrt durch Wussow, der Lufthieb als Antwort auf den Gruß des Ortspfarrers, die Einsahrt in den Hof der Berliner Ministerwohnung gehören zu den Bildern, die man im Höbepunkte des eigenen Lebens nicht wieder vergißt. Auch die historische Kritik kann uns die Freude daran nicht verderben. Die trockene Feststellung, daß Bismarcks Zug die Station Schlawe um 11 Uhr passierte und in Berlin Abends 6 Uhr eintraf, bereichert uns, weil sie urs die heiße Eisenbahnfahrt mitmachen läßt, und wir danken es Hohenlobe⸗Ingelfingen, daß wir mit ihm Zeuge werden dürfen, wie Bismarcks Wagen, vom Stettiner Bahnhof kommend, an der Ecke der Wilhelmstraße und der Linden dem russischen Staatskanzler Fürst Gortschatow begegnet, die Cquipagen einen Augenblick halten, und die beiden mächtigen Staatsmänner sich die Hände schütteln.“ In dem im November 1914 geschriebenen Vorwort spricht Fester den Gedanken aus: wir Deutsche dürften uns, so viel auch der Krieg in Frage gestellt habe, doch heute schon eines unermeßlichen Gewinns freuen. Wenn alter und vpeuer Kurs durch Bismarcks Entlassung getrennt schienen, so habe der Krieg die vier⸗ undvierzig Jahre vom Tage der Emser Depesche bis zum 4. Auguft 1914 zu einer in sich abgeschlossenen Periode deutscher Entwicklung zusammengeschweißt. „Zwischen der Einigung der deutschen Stämme und Dynastien und zwischen der innerlichen Einigung gegen die Feinde ringsum liegt ein Zeitalter innerer Kämpfe und Krankheiten, das und jetzt schon wie eine ferne Vergangenheit erscheint. Während der
Aus dem
von ihren Pflichten gegen alle
efer
Grenzgraben aufgetan, der uns bis auf die geheimsten Wurzeln des Lebens unserer Nation in ehrfürchtiger Scheu hmabschauen ließ.“
Das Kaiserin Augusta⸗Problem. Von Friedrich Nippold. Verlag von S. Hirzel in Leipzig, 1914. 126 Seiten. Geheftet 2,40 ℳ. Friedrich Nippold, der als Jenenser Theologe das fünfbändige Handbuch der neuesten Kirchengeschichte verfaßt und in jahlreichen Einzelschriften kirchenpolitische Fragen der Gegenwart er⸗ örtert hat, untersucht in der vorliegenden Schrift, deren Vorwor vom Mai 1914 datiert ist, die Stellung der Gemahlin Kaiser Wil helms des Ersten zur evangelischen und zur katholischen Kirche. Das Weimarer Geisteserbe war für die Prinzessin Auguste etwas Unzer störbares und hildete das Gegengewicht gegen die nachmaligen ent⸗ gegengesetzten Einflüsse. Sie war die erste preußische Fürstin, die ein klares Bild von deurscher Bildung im Herzen trug und danach die Er⸗ ziehung ihres Sohnes gestaltete; be hat selbst den Lübecker Patrizier⸗ sohn Ernft Curtius, eine hochgestimmte, ideal gerichtete Natur, zu der hohen Aufgabe berufen. Für den Koblenzer Aufenthalt der Prinzessin von Preußen an der Seite ihres Gemahls unterscheidet Nippold den deutsch⸗nationalen Kreis in den Anfängen und die Um⸗ gebung der späteren Zeit. Der rheinisch⸗westfälische Adel, der vor⸗ wiegend katholisch ist, wird von Nippold, der selbst ein geborener Rheinländer ist, in seinen Hauptvertretern und nach seinen vorherr⸗ schenden Neigungen mit kritischem Blick gezeichnet, und es wird nach drücklich darauf hingewiesen, daß die religiöse Auffassung der Prinzessin hristen von den politischen Absichten einer des Herrschens gewohnten Kirche zu trennen sei. Innerhalb de evangelischen Kirche genoß der Anfang 1863 zum Hofprediger berufen Dr. Rudolf Kögel das unbedingte Vertrauen der Königin und Kaiserin Die Rolle, die Rudolf Kögel im sogenannten Kulturkampf gespielt hat, wird gründlich geprüft. Die Arbeit der päpstlichen an deutschen Höfen bildet das nächste Kapitel. Die Ssöchlußbetrachtung sieht von aller Politik ab und würdigt die positiv⸗religiösen Schöpfungen der Kalferin und ihre Früchte. Der Gegenstand des Buches bringt es mit sich, daß Nippold vielfach auf Bismarcks „Gedanken und Er⸗ innerungen“ zurückgegriffen hat und seine Meinung über Bismarck aus⸗ spricht. So beißt es an einer Stelle: Es sollte unserm großen Kaiser niemals vergessen werden, was er schon in seiner Koblenzer Zeit für die Einigung Deutschlands vorgearbeitet hat. Gerade an diesem Teile seines einzigartigen Lebenswerkes aber eignet seiner Gemahlin ein voller Anteil. Fn den Jahren, in denen der dieses Werk zur Durch⸗ führung bringende Staatsmann noch rüstig unter dem Einflusse de Generals von Gerlach stand, ist der Prinz von Preußen sich scho über seine Aufgabe im klaren gewesen. Soweit hier von Bismarck di Rede ist, muß daran einmal erinnert werden, daß nach einer sehr besonnenen Untersuchung von Richard August (Leipzig 1913), die seinerzeit hier besprochen worden ist, das Verhältnis zwischen Bismar und dem fünfundzwanzig Jahre älteren General doch anders gewesen ist, als Nippold annimmt. Die persönlichen Beziehungen der beiden Männer waren zwar überaus herzlich und gestalteten sich zu einem Freundschaftsbund, dem Offenheit und Wahrheitsliebe nie verloren gingen. Was aber die politischen Anschauungen betrifft, so ware zwar viele Berührungspunkte vorhanden, aber von einer ursprüng lichen Abhängigkeit Bismarcks und späteren Abkehr von den Partei⸗ grundsätzen Gerlachs kann nicht die Rede sein. Selbst da, wo ihre Forderungen auf eins hinausliefen, wie in der Olmützer Frage (1850) waren die Begründungen nicht miteinander zu vereinigen. War für Gerlach die Gruppierung der Mächte, die mit dem Begriffe der Heiligen Allianz verknüpft ist, ein für allemal maßgebend, so stan für Bismarck in allen Wendungen der Politik der preußische Staats gedanke obenan, der zur Kraftentfaltung nach jeder Seite drängte, von der er eingeengt wurde.
Nr. 13 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge sundheitsamts“ vom 31. März 1915 hat folgenden Inhalt Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. — Gemeindeangelegenheiten der Stadt Char⸗ lottenburg, 1913. — Gesetzgebung usw. (Preußen.) Nahrungs⸗ und Genußmittel. — Anlage ꝛc. von Kranken⸗ ꝛc. Anstalten. — Außer ordentliche ärztliche Prüfung (Kriegsprüfung). — Aerztliche Staats prüfung. — (Berlin.) Weizen⸗ und Roggenmehl. — Weizenbrot Mehl. — (Schaumburg⸗Lippe.) Arzneimittel. — Lebensmittel.
(Oesterreich.) Mastixlösung. — Brot und Gebäck. — (Venezuela.) Nahrungsmittel, Wein ꝛc, Essig. — Vermischtes. (Deutsches Reich.)
Flugblatt, betr. Krieakgemüsebau. — (Bayern, Baden ꝛc.) Infektions krankheiten 1912, 1913. — (Bavern.) Genickstarre, 2. Halbjahr 1914 — (Sachsen, Leipzig.) Medizinalstatistisches, 1912, 1913. — (Hessen.) Infektionskrankheiten ꝛc, 1914. — Wochentabelle über die Sterbe⸗ fälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Beilage: Gerichtliche Ent scheidungen, betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln (Kassee, Kakao Schokolade, Tee). 8 86
Handel und Gewerbe.
us den im Reichsamt des Innern zusammen⸗ stellten „Nachrichten für Handel, Industrie 8 und Landwirtschaft“.) 8
8 Spanien. . Ausfuhrverbot für Kakaoabfälle. Nach einem Tele⸗ gramm der Kaiserlichen Botschaft in Rom vom 21. März 1915, ist die Ausfuhr von Kakaoabfällen aus Italien verboten. ““
Italien. “ Zusammenstellung der Ausfuhrverbote. Eine in der Gaceta de Madrid vom 12. März 1915 veröffentlichte Königliche Berordnung enthält die Zusammenstellung derjenigen Waren, deren Ausfuhr verboten ist. Es sind dies: 1 Walfisch⸗, Kabeliau- und Robbentran, weiße und farbige Bohnen, lebendes und totes Geflügel, Schwefel, Kohlen, frisches Fleisch, Flachs und Flachswerg, Manganeisen, Vieb, Kichererbsen, Welzenmehl, Eier, Linseyn, Mais, salpetersaures Natron, gemünztes Gold und Silber, Kartoffeln mit Ausnahme der neuen, Kalisalze, Leinsaat, Sesam und andere Oelsämereien, einschließlich Kopra, schwefelsaures Aluminium und schwefelsaures Kupfer, Weizen und Jute.
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Ausfuhrverbote. Durch Königliche Verordnungen vom 13. März 1915 ist die Ausfuhr folgender Waren verboten worden: 1) Kakavpaste und Kakaomasse; 2) alle Erzeugnisse aus Reis; 3) Butter; 4) Salpetersäure. (Telegramm des Kaiserl. General⸗ konsulats in Amsterdam.)
Dänemark.
Ausfuhrverbote. Eine Bekanntmachung vom 26. März 1915 verbietet die Ausfuhr folgender Waren: Ledertreibriemen, ferner alle Sattlerwaren, bei deren Herstellung der Arbeits⸗ lehn nach dem Ermessen des Juftizministeriums weniger beträgt als 36 H. derwertes.