1915 / 125 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 May 1915 18:00:01 GMT) scan diff

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Gemeinde Türkstein. 196,89 ha Wald, Acker, Wiese, Weide, Garten und Wasser des * ZJeanpierre Karl, Gutsbesitzer in Nancy (Verwalter: Forstmeister Holl in Alberschweiler),

Wohnhaus mit Nebengebäude, Acker, Wiese, Wald und Wasser (203,98 ha) der Witwe Cezard Leonce Adrienne geb. Jeanpierre in Port de Vilaine (Verwalter: derselbe),

Wohnbaus mit Nebengebäude, Wald, Acker, Wiese und Garten (291,01 ha) des Grafen von Guichen Josef Lucas Georg und Ehefrau Laura Marie Martha geb. Viellard in Cirey⸗sur⸗Vezouze (Verwalter: Forstmeister Röttecken in Alberschweiler),

134,99 ha Wald, Acker und Wiese des Donnadien Alexander, Arzt 8 5ö8 und Ehefrau Johanne geb. Lallement (Verwalter: erselbe),

88,10 ha Wald des Geny Moritz, Direktor der Creusot⸗Werke in Paris (Verwalter: derselbe),

8 31,70 ha Wald des Geny, Professor an der Rechtsfakultät in Nancy 8 (Verwalter: Forstmeister Holl in Alberschweiler), 84,14 ha Wald und Wiese des Geny Peter und Geny Alfred in Paris (Verwalter: Forstmeister Röttecken in Alberschweiler),

47,45 ha Wald, Wiese, Weide und Acker des Geny Johann Baptist in Nancy (Verwalter: Forstmeister Holl in Alberschweiler),

44,70 ha Wald des Etienne Ernst Gabriel Christophe in St. Dié (Verwalter: derselbe),

Wohnhaus und Nebengebäude, Wald, Acker, Wiese und Weide

(484,92 ha) der Sociésté anonyme de St. Gobain in Paris (Verwalter: Forstmeister Röttecken in Alberschweiler),

27,59 ha Wald der Ehefrau Sachat geb. Simonin in Hymont (Ver⸗ walter: Forstmeister Holl in Alberschweiler),

118,81 ha Wald der Demazure Andreas Arsen Ehefrau Kath geb. vüöesh zu Schloß du Chesnois in Bains⸗les⸗Batns (Verwalter: erselbe),

120,27 ha Wald der Elie Romain, Hauptmann, Ehefrau Maadalena geb. Phulpin in Paris (Verwalter: Forstmeister Röttecken in Alberschweiler),

118,23 ha Wald des Phulpin Ludwig, Eigentümer in St. Die (Verwalter: derselbe),

17,43 ha Wald, Wiese, Weide, Acker und Garten des Phulpin Hein⸗ rich, Richter in St. Dié (Verwalter: Forstmeister Röttecken in Alberschweiler),

219,98 ha Wald, Wiese und Acker der Petry Kamilla in Türkstein (Verwalter: derselbe).

Gemeinde Weiher.

2,23 ha Wald des Peter de Hausen in Blamont (Verwalter: Forst⸗ meister Holl in Alberschweiler).

Kanton Pfalzburg. Gemeinde Brauweiler.

5 ha Wiese des Lantz Emil Gaston, Sekretär in Paris (Verwalter: Rechtsanwalt Dr. Wündisch in Saarburg),

1,95 ha Acker und Wiese des Kürstel Franz August, Oberst a. D. die Ehefrau Marie Anna geb. Petitjean in Bordeaux (Ver⸗ walter: derselbe),

2,05 ha Acker und Wiese des Pfarrers Leo Holtz in Nancy (Ver⸗ walter: derselbe).

Gemeinde Burscheid.

6,92 ha Acker und Wiese des Michon Luzian, Professor in Nancy (Verwalter: derselbe),

9,64 ha Acker und Wiese des Michon Luztan und Etienne Leo die Edefrau Anna geb. Cherrier in Erbengemeinschaft in Nancy (Verwalter: derselbe),

17,40 ha Acker des Michon Luzian zu und Ehefrau Etienne zu „½ in Nancy (Verwalter: derselbe), ha Ackerland des Chasselin⸗Mange⸗Stuttel Josef die Ehefrau geb. Chaton in Valhey (Verwalter: derselbe),

43,15 ha Ackerland des Heitz Michael, Rentner in Nancy (Ver⸗ walter: derselbe).

Gemeinde Dann und Vierwinden. 93 ha Wiese des de Jouenne D'Esgrignv Marie Franz Julian,

DObern a. D. in Lille (Verwalter: derselbe).

8 Gemeinde Heringen.

5,11 ha Acker und Wiese des Leo Holtz, Pfarrer in Nancy (Ver⸗ walter: derselbe),

10,20 a Acker des Hürstel August, Oberst a. D. und Maria Anna geb. Petitjean in Bordeaux (Verwalter: derselbe),

des Heitz Michaͤel, Rentner in Nancy (Verwalter: derselbe),

2,43 ha Wiese des Michon Luzian’; Professor in Nancy (Verwalter: Rechtsanwalt Dr. Wündisch in Saarburg).

Gemeinde Lixheim.

8,37 ha Acker, Wiese und Garten des Hürstel Franz August, Oberst a. D., und Ehefrau Marie Anna geb. Petitjean in Bordeaux (Verwalter: derselbe),

7,08 a Wiese des Lantz Jakob Emil in Paris (Verwalter: derselbe). ,79 ha Acker, Wiese und Garten der Reder Paul in Nancy (Ver⸗ walter: derselbe).

Gemeinde Lützelburg.

Wirtschaft, Wohnhaus und Acker (6,14 a) des Baumgarten Karl, Koch in Paris (Verwalter: derselbe).

Gemeinde Mettingen. 8

17,36 ha Acker und Wiese des Weiß Hypolit, Rentner in Mettingen

(die Güter gebéren jetzt dem Holzhändler Hochstetter in Lune⸗ pille (Verwalter: derselbe).

Gemeinde Mittelbronn.

108,34 ha Acker und Wiese des Michon Luzian, Professor in Nancy (Verwalter: derselbe). 6,07 ha Wiese, Garten und Acker der Chasselin⸗Mange⸗Stuttel Josef Ehefrau Maria Rosalie geb. Chatton in Valhey (Ver⸗ 8 walter: derselbe). 1 Gemeinde Pfalzburg.

6,39 ha Wiese und Acker des Bleyer Fortunatus in Paris. (Ver⸗ walter: derselbe), Acker des Royer⸗Weyd in (Ver⸗

6,23 ha Wiese und walter: derselbe), 1 7,30 a Wiese des Michon Luzian in Narcv. (Verwalter: derselbe), Wohnhaus (Pachthof) Acker und Wiese (89,75 ha) des Grafen de Bonnevie de Pogviat und Marie Henrietse de Verguette de Lamorte in Lyon (Verwalter: Rechteanwalt Dr. Wündisch in Saarburg). Wohnhaus (Pachthof) Acker und Wiese (34,39 ha) des Parmentier Nikole Marie in Luneville (Verwalter: derselbe), bbe) e).

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Lille.

5,24 ha Wiese des Michon Luzian in Nancy (Verwalter: derse Straßburg, den 22. Mai 1915. Ministerium für Elsaß⸗Lothringen Abteilung des Innern. J. V.: Cronau.

Deeutscher Reichstag. 2. Sitzung vom 29. Mai 1915, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Meber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen

Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgt die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs zur Einschränkung der Verfügungen über Miet⸗ und Pachtzins⸗

forderungen. Die 9. Kommission ändert einstimmig angenommen. Re⸗ Juncdk (nl.).

Die Vorlage will den Schwierigkeiten, die auf dem Gebiete des Realkredits hinsichtlich der Beschaffung nach⸗ stelliger Hypotheken zutage getreten sind, entgegenwirken. Der Kiegemn für den Vorausverfügungen über den Miet⸗ und

achtzins dem Hypothekengläubiger und im Falle der Zwangs⸗ versteigerung dem Ersteher gegenüber wirksam bleiben, soll auf das laufende Vierteljahr verkürzt werden.

Die Kommission beantragt, als Tag des Inkrafttretens des Gesetzes den 20. Juni 1915 zu bestimmen.

Ferner soll nach dem Antrage der Kommission der in der Kommissionsberatung eingebrachte Antrag, dem § 569 B. G. B. hinzuzufügen: 3

„Der Tod eines zum Kriegsdienste Eingezogenen berechtigt seine Erben, bei Mieten bis 1000 jährlich den Mietsvertrag zum Schluß des auf den Tod folgenden Monats, bei Mieten über diesen

Betrag zum Schluß des Kalendervierteljahres zu kündigen. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nichtig.“

dem zur Erwägung und eventuellen Regelung im Wege der Kriegsverordnung überwiesen werden.

Von den Sozialdemokraten sind zu der Vorlage einige Abänderungsanträge vorgelegt. Der erse dieser Anträge geht dahin:

„In der Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses soll der Mieter oder Peae über die Rechtsfolgen der Belenahme hin⸗ sichtlich der Zahlung des Miet⸗ oder Pachtzinses belehrt werden.“

Abg. Landsberg (Soz.): Es ist zuzugeben, daß auf diesem Gebiete sich allerlei Mißstände herausgestellt haben, namentlich in der Rechtsprechung infolge verschiedenartiger Auslegungen. Gegen den Grundgedanken des Gesetzes erheben wir deshalb auch keinen Wider⸗ spruch. Trotzdem übernehmen wir natürlich dafür keine Gewähr, 8 in Zukunft keinerlei Mißstände mehr eintreten werden. Wir sind fest davon überzeugt, daß die Intelligenz des Schiebers der des Gesetzgebers überlegen 8n dürfte. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß anständige Menschen durch das Gesetz geschädigt werden. Wir halten es deshalb für notwendig, daß der Mieter oder der Pächter über die Rechtsfolgen der Beschlagnahme hinsichtlich der Zahlung des Miet⸗ oder Pachtzinsees belehrt wird. In der Kommission ist uns zwar von dem Vertreter der Staatsregierung die Zusage gemacht worden, daß auf dem Schriftstück, mit dem die Beschlagnahme angezeigt wird, ein derartiger Hinweis in Zukunft enthalten sein wird. Das kann uns jedoch nicht genügen, und wir verlangen deshalb hierüber eine gesetzliche Bestimmung. Ein jeder kann wohl deshalb unserem darauf bezüglichen Antrage zustimmen.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:

Meine Herren! Sie haben schon aus den Worten des Herrn Berichterstatters und aus den Ausführungen des Herrn Vorredners ersehen, welches die Rechtslage, die der Entwurf herbeiführen wird, ist. Ich möchte ganz kurz noch einmal darauf zurückkommen. Die Neuerung des Entwurfs ist im wesentlichen folgende: Während nach dem bisherigen Recht Verfügungen, die der Schuldner nach der Beschlagnahme über den Mietzins vornahm, auch für die Zeit nach dem Zuschlag noch auf die Dauer zweier Vierteljahre, nämlich auf die Dauer des Kalendervierteljahres, in dem der Zuschlag erfolgte, und des darauf folgenden Vierteljahres Wirkung behielten, beschränkt sich in Zukunft, wenn dieser Entwurf Gesetz wird, die Wirkung solcher Verfügungen auf die Zeit bis zum Zuschlag und hört mit dem Zuschlag auf. Dabei ergibt sich nun allerdings, wie der Herr Abg. Landsberg zutreffend ausgeführt hat, für den Mieter eine ge⸗ wisse Schwierigkeit, wenn nach der Beschlagnahme eine neue Zins⸗ rate fällig wird, ehe es zum Zuschlage gekommen ist. Da der Mieter nicht übersehen kann, ob und eFer Buschlag erteilt wird, so ist er auch darüber im Umngemeffen n. S welchen Zeitraum die Miete noch dem Schuldner, und von mKön an sie dem künftigen Ersteher gebührt. Bei dieser Ungewißheit cheint der Mieter berechtigt, die geschuldete Miete zu hinterlegen. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Macht aber Kosten!)

Bei dieser Rechtslage des Mieters besteht allerdings, wie ich auch schon bei der Kommissionsberatung anerkannt habe, ein Bedürfnis, Vorsorge zu treffen, daß der Mieter bei der neu vorgesehenen Zu⸗ stellung des Versteigerungsbeschlusses in geeigneter Weise über die Rechtslage belehrt wird. Fraglich ist nur, auf welchem Wege dies sichergestellt werden soll. In der Kommission vom Herrn Abg. Landsberg wie von dem Herrn Berichterstatter ist das bereits er⸗ wähnt worden konnte ich schon mitteilen, daß die Königlich preu⸗ ßische Justizverwaltung zugesagt hat, im Dienstaufsichtswege die er⸗ forderlichen Anordnungen zu treffen. Diese würden sich voraus⸗ sichtlich in der Richtung bewegen, daß die Beifügung einer formular⸗ mäßigen Belehrung für den Mieter vorgeschrieben wird. Ich würde mit den anderen Bundesregierungen im gleichen Sinne ins Benehmen treten und zweifle nicht, daß sie bereit sein würden, entsprechende Anordnungen zu treffen.

Der Antrag, der jetzt von den Herren Albrecht und Genossen gestellt wird, heißt:

In dem Beschluß soll der Mieter oder Pächter über die Rechts⸗ folgen der Beschlagnahme hinsichtlich der Zahlung des Miet⸗ oder Pachtzinses belehrt werden.

Ja, meine Herren, was in den Beschlagnahmebeschluß aufzunehmen ist, ergibt sich aus anderen Vorschriften des Gesetzes und gehört nicht in den § 57 b. Der Beschlagnahmebeschluß richtet sich auch nicht an den Mieter. Eine Belehrung des Mieters würde deshalb nicht in den Beschluß aufgenommen, sondern nur bei der Zustellung an den Mieter diesem mitgeteilt werden. Eine solche Belehrung gesetzlich vorzuschreiben, halte ich aber, wie gesagt, nach den Erklä⸗ rungen, die ich abgeben konnte, nicht für nötig. Instruktionelle Vor⸗ schriften dieser Art sind in Juftizgesetzen auch nicht üblich. Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Das Ziel ist, zu verhin⸗ dern, daß der Mieter zweimal Miete zahlen muß. Wenn der Mieter im Unklaren ist, was ihm zu tun übrig bleibt, so wird er sich an einen Anwalt wenden. Das ist ein Zustand, der für die Anwälte erheblich erfreulicher ist als für die Mieter. Diesem Zustande muß möglichst vorgebeugt werden. Es muß verhindert werden, daß das Gesetz nicht bloß Vorteile, sondern Schaden bringt. Mir scheint das System das richtige zu sein, welches die Mieten als Früchte eines Grundstücks nach demselben Systeme behandelt, wie die natürlichen, die Feldfrüchte. AöAbg. Dr. Arendt (Rp.): Ich bin erfreut, daß die Kommission diesem Gesetzentwurf einstimmig zugestimmt hat. Es wird hier ein erster Schritt getan, um den tatsächlich vorhandenen Notständen des staͤdtischen Grundbesitzes durch Gesetz entgegenzutreten. Der Notstand bestand darin, dgh Bestimmungen, die zum Schutze des Schwachen dienen sollten, in der Praxis heute zum Schaden der Schwachen, zum etten der Schieber ausschlugen. Die Notlage des städtischen Grund⸗ besites war schon vor dem Kriege eine sehr große, und sie ist na dem Kriegsausbruch noch besonders gesteigert worden. Wir sind desha den verbündeten Regierungen dankbar, daß sie diesen Gesetzentwurf ein⸗ gebracht haben. Die Tendenz des sozialdemokratischen Antra⸗

hat die Vorlage unver⸗ ist Abg. Dr.

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ges ist an sich durchaus Lar zu heißen. Es ist wünschenswert, daß die Bestimmungen eines Gesetzes den Beteiligten möglichst klar vor geführt werden. Ob aber eine solche amtliche Darstellung wirklich ihren Zweck erfüllt, ist mir nicht ganz einleuchtend. Ein einfacher Mann pflegt bei derartigen amtlichen Belehrungen nur noch unklarer zu werden, als er es vorher war. Wenn aber eine solche Belehrung erfolgt, so muß sie auch in möglichst verständlicher Form erfolgen. Zweifelhaft erscheint es mir aber, ob eine solche Vorschrift als Sl. vorschrift in das Gesetz aufgenommen werden darf. Es können sich daraus nachher Schwierigkeiten ergeben. Das Gesetz soll doch mög⸗ lichst einfach gestaltet werden. Ich glaube deshalb, es ist am besten wir lassen es bei den Beschlüssen der Kommission. Der Resolutio

welche die Kommission beantragt hat, stimmen wir zu. r sozial⸗ demokratische Antrag ist men neden an sich durchaus sympathisch er steht aber in außerordentlich losem Zusammenhange mit diesem Der Gesetzentwurf soll doch dem in schwerer Notlage befindlichen städtischen Grundbesitz zu Hilfe kommen. Der Antrag will ihn aber schwer belasten. Es ist ja leicht, wünschenswerte Dinge in Paragraphenform zu bringen, zu Anträgen zu verdichten, man muß aber auch die praktischen Konsequenzen erwägen. Deshalb ist es rich⸗ tiger, diesen Antrag zuerst den verbündeten Regierungen zur Er⸗ wägung zuzustellen, damit sie seine Tragweite fe istellen können. Wenn wir von Staats wegen in Privatrechte eingegriffen haben, dann haben wir uns auch verpflichtet gehalten, eine gesetzliche Entschädigungs⸗ flicht anzuerkennen. h erinnere an die Entschädigung der Ange⸗ stellten und Arbeiter in der Tabakindustrie. Wenn wir das Mietsrecht zugunsten der Mieter abändern, dann müssen wir auch die Vermieter entsprechend entschäbigen. Die Wohnungen gehören zu den notwen⸗ digsten Lebensbedürfnissen, wie Kleidung und Nahrung. Wenn wir nun unsere Kriegsteilnehmer und deren Familien in dieser Beziehung sicherstellen, so kann dies doch nicht auf ausschließliche Kosten eines anderen Teils der Bevölkerung, nämlich der e geschehen Wir müssen einen gerechten Ausgleich herbeiführen und dürfen nicht mit der einen Hand dem einen geben, was wir dem anderen fort nehmen. Wenn man die Mieten mit den Feldfrüchten vergleicht, so muß man daraus auch die ziehen. Man nimmt doch nicht dem Landmann einfach seine Ernte fort, um den Kriegsteilnehmer zu ernähren, sondern man bezahlt sie ihm. Es wird überhaupt eine außerordentlich schwierige Aufgabe der Gesetzgebung sein, ein Miets recht zu schaffen, das beiden in Betracht kommenden Teilen gerecht wird. Es ist dies eine Frage nicht nur des städtischen Grundbesitzes sondern des ganzen Volkes; wenn wir dem städtischen Grundbesitz nicht helfen, 5 wird die notwendige Folge sein eine Einschränkung des Häuserbaues und damit eine Einschränkung vieler Betriebszweige, eine Einschränkung des ganzen Baugewerbes und eine Einschränkung des Angebots an Wohnungen und damit ein Wohnungsmangel und eine Verteuerung der Wohnungen. Unser Hauptziel muß sein, die Erschwerungen des Realkredits möglichst zu beseitigen.

Von den Abgeordneten Waldstein (fortschr. Volksp.) und Landsberg (Soz.) wird für den sozialdemokratischen nunmehr folgende neue Fassung bean tragt: G 8

„In dem Beschluß soll eine Belehrung über die Bedeutung der

Beschlagnahme für Mieter und Pächter beigefügt werden.“ 8

Abg. Stadthagen (Soz.): Alle Redner sind darin einig, daß eine Belehrung notwendig ist; dann müssen wir sie aber in das Gesetz selbst hineinschreeben. Wir wollen in dem Gesetz selbst verhindern, daß ein Mieter von dem Schieber geschädigt werden kann. Wir müssen auch bedenken, daß im Mietsvertrag für die Nichtzahlung der Miete die Exmission angedroht ist. Was soll also der Mieter tun? Selbst der Rechtsanwalt könnte ihm nur sagen, daß er hinterlegen könne, daß dies aber mindestens Kosten verursache und daß auch sehr zweifelhaft sei, ob die Hinterlegung vom Gericht als zulässig anerkannt werde. In manchen Fällen könnte der Mieter nicht bloß doppelt zahlen müssen, sondern auch noch exmittiert werden. Mit Hilfe unseres Antrages können sicherlich in vielen Fällen die Mieter vor Schaden geschützt werden, ohne den Antrag wird aber sicher ein großer Teil der Mieter gefährdet. Ich bitte deshalb dringend, die Belehrungspflicht in das Gesetz aufzunehmen, und zwar in der Form wie sie jetzt auch der Abg. Waldstein beantragt. Der nationalliberale Kollege Schiffer ist auch bei anderen Gelegenheiten dafür eingetreten, behördlichen Bescheiden eine Belehrung über die Folgen aufzunehmen. Abg. Dr. Bell (Zentr.): Auf einen Streit darüber, ob der Schieber oder der Gesetzgeber kluͤger ist, lasse ich mich nicht ein. Das Gesetz will dem Schieber einen Riegel vorschieben, es macht damit einen 8 b freulichen Fortschritt; es ist auch gut vorbereitet und wird sich in d Praxis bewähren. Wir stimmen nicht nur dem Grundgedanken des G etzes, sondern auch seiner praktischen Ausführung zu. Wenn eine Not wendigkeit zu einer Belehrung wirklich vorläge, müßte der Vorredner kon⸗ sequenterweise nicht nur eine Sollvorschrift, sondern eine Mußvorschrift beantragen. Soweit wird aber niemand gehen können; denn eine Muß⸗ vorschrift würde zur Folge haben, daß nicht etwa der Gutgläubige geschützt wird, sondern die ganze Wirkung dieses Gesetzes aufgehoben wird. Wün chenswert ist eine entsprechende Belehrung an den Mieter, aber eine solchs

orschrift im Gesetz stände einzig da: sie befindet sich nicht in der Zivil prozeßordnung, nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch, nicht im Zwangsde steigerungsgesetz. Die Vorschrift in der Reichsversicherungsordnung kann man nicht analog auf diese Materie übertragen. Die Anträge Schiffer b zogen sich lediglich auf eine Rechtsmittelbelehrung. Die preußische R gierung ist bereits mit einer Belehrung einverstanden. Deshalb können wir uns mit der Erklärung des Staatssekretärs begnügen. Etwaige Ur zuträglichkeiten in der Praxis werden wir durch Besprechungen beim Et Eee können. Wir wollen es also bei dem Kommissionsbeschluß b. assen.

Darauf werden die in dem Artikel I der Vorlage vorge schlagenen Abänderungen des Zwangsversteigerungs⸗ und Zwangsverwaltungsgesetzes mit dem Antrage Waldstein Landsberg angenommen. Dieser Antrag gelangt, obwohl nur die Volkspartei und die Sozialdemokraten dafür stimmen, zur Annahme, da die übrigen Parteien, besonders die Rechte, in Augenblick der Abstimmung schwach vertreten sind.

Der zweite Artikel der Vorlage enthält die auf die Frist verkürzungen bezüglichen Abänderungsvorschläge zum Bürger lichen Gesetzbuch. Von den Sozialdemokraten ist hier die E. weiterung der Unpfändbarkeit der Haushaltungsgegenständ und Möbel bis zum Werte von 2000 im Falle der Er. mission beantragt; ferner soll nach ihrem Antrage die erwähnte vnerüng des § 569 in das Gesetz selbst aufgenommen werden.

Abg. Landsberg (Soz.): Einige Bestimmungen des Bürgerliche Gesetzbuches über die Zurückhaltung von Möbeln und Haushaltunas gegenständen sind dringend abänderungsbedürftig. Bisher dürfen nur solch Gegenstände nicht zurückgehalten werden, die für den Mieter unentbehrlie sind. Das hat zu allerlei Härten geführt. Unser Antrag geht nun dahit Möbel und Haushaltungsgegenstände nur insoweit zurückhalten zu dürfen als ihr Wert 2000 übersteigt. Unter unsern Kriegern sind mindesten 400 000, die während des Krieges nicht in der Lage sind, den Mietzins ; entrichten. Jeder anständige Arbeiter ist gewohnt, von seinem wöchentliche Lohn so viel beiseite zu legen, daß er zu Ende des Monats die Miete be zahlen kann. Von seiner Löhnung kann er keine Ersparnisse machen Dringend notwendig ist es aber, daß Bestimmungen in das Gesetz au genommen werden, damit die Hinterbliebenen eines Kriegsteilnehmers nicht infolge der Bestimmungen des Mietskontraktes dem völligen Ruin en! gegengeführt werden.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco: Meine Herren! Was den zuletzt von dem Herrn Abgeordneten Landsberg besprochenen Antrag auf Nr. 90 unter bII betrifft, so werden die Herren aus der Ihnen unter dem 10. Mai zugegangenen Denkschrift über wirtschaftliche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges f 6 ersehen haben, daß der Erlaß einer Kriegsverordnung

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er das Kündigungsrecht von Hinterbliebenen der Kriegsteilnehmer bogen worden ist; jedoch haben die Feststellungen und Erhebungen, auch der Herr Abg. Landsberg erwähnt hat, zu dem Entschlusse cführt, von einer Verordnung zunächst abzusehen. Jetzt wird mir tgeteilt, die mir zugegangenen Auskünfte seien nicht vollständig zutreffend, und es seien auch andere Erfahrungen gemacht worden. Ich babe bereits in der Kommission erklärt, daß ich bereit bin, in neue Erwägungen einzutreten. Sollte sich hierbei die Notwendigkeit oder die Angemessenheit eines gesetzgeberischen Eingreifens herausstellen, so werde ich den geäußerten Wünschen gern nachkommen und den Erlaß einer Verordnung in die Wege leiten, die das gesetzliche Kün⸗ digungsrecht der Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern sichert. Aber t dem jetzt zur Beratung stehenden Gesetz zur Einschränkung der rfügung über Miets⸗ und Pachtzinsforderungen steht dieser Antrag doch nur in einem sehr losen Zusammenhang. Auch die vorgeschlagene Fassung gibt zu Bedenken Anlaß. Ich meine also, Sie würden richtig handeln, wenn Sie dem Antrag der Kommission beiträten und die weitere Erörterung der Frage den verbündeten Regierungen über⸗ ließen.

Noch anders liegt es bei dem Antrage auf Ausdehnung der pfandfreiheit von Hausrat und Möbeln. Auch dieser Antrag steht mit dem vorliegenden Entwurf eigentlich in gar keinem Zusammen⸗ hang. Auf die Einzelheiten dieses Antrages gehe ich deshalb nicht ein. Nur eins: Der Herr Abgeordnete Dr. Landsberg hat selbst schon

anerkannt, daß, wenn Sie jetzt den § 559 des Bürgerlichen Gesetz⸗ buches ändern, auch eine Aenderung der Zivilprozeßordnung nötig n würde. Dabei allein würde es aber schwerlich bleiben können. ob und inwieweit eine Einschränkung des Vermieterpfandrechts mög⸗ h und angängig sein würde, kann nur im Zusammenhang mit anderen ch den Krieg hervorgerufenen wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen erörtert werden. Aus diesem Zusammenhang kann die an⸗ schnittene Einzelfrage nicht losgelöst und mit dem vorliegenden setzentwurf nicht wohl verquickt werden. Ich bitte dringend, den Antrag abzulehnen.

Abg. Waldstein ffortschr. Volksp.): Wir werden für die Kom⸗ missionsanträge stimmen und die der Sozialdemokraten ablehnen, Ganz besonders der Antrag bezüglich der Zurückbehaltung von Haushaltungs⸗ gegenständen und Möbeln greift in eine überaus schwierige Materie ein, worüber man nicht so kurz hinwegkommen kann. Das Recht des Ver⸗ nieters könnte in die größte Gefahr kommen, wenn wir dieses kleine Ge⸗ legenheitsgesetz mit diesem Antrage annehmen.

Die sozialdemokratischen Anträge werden gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, und die Vorlage in Artikel 2 wird nach den Kommissionsvorschlägen angenommen,

Febenso der Rest der Vorlage.

Die dritte Beratung wird ausgesetzt, bis die Zusammen⸗ stellung der Beschlüsse zweiter Lesung gedruckt vorliegt. Das Haus geht über zum Bericht der Budgetkommission über das ihr zur Durcharbeitung nach sozialen Gesichtspunkten überwiesene Mannschaftsversorgungs⸗ und Militärhinterbliebenengesetz. Die Kommission stellt folgende Anträge: I. Der Reichstag nimmt Kenntnis ““ a. von der von dem Reichsschatzsekretär namens der verbündeien Regierungen abgegebenen Erklärung, daß die verbündeten Regie⸗ rungen einer Berücksichtigung der Arbeitseinkommen bei der Versorgung von Teilnehmern an dem jetzigen Kriege und ihrer Hinterbliebenen neben den ihnen nach der geltenden Ver⸗ orgungsgesetzgebung zustehenden Bezügen grundsätzlich zu⸗ stimmen; b. von der Erklärung des Reichsschatzsekretärs, daß 1) die sich aus der Beratung der ö ergebenden Ge⸗ sichtspunkte für die Durchführung der Maßnahmen bei de usarbeitung des Gesetzentwurfs eingehend erwogen un nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollen, 8 2) die L Zustimmung der verbündeten Regierun⸗ gen zur Gewährung von Zusatzrenten für Kriegsteilnehmer und Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern ihren praktischen Ausdruck darin finden werde, daß dem Reichstag ein diesen Gegenstand ordnender Gesetzentwurf zu dem frühesten mög⸗ lichen Zeitpunkt zugehen werde und er, der Staatssekretär, sich dafür einsetzen werde, daß die Vorlage des Gesetzent⸗ wurfs in der ersten Tagung des Reichstags nach dem Friedensschluß erfolge, 3) bis zur gesetzlichen Regelung der Angelegenheit die Fol⸗ gerung aus der Erklärung zu I unter Inanspruchnahme des Leertitels Kap. 84 a des Allgemeinen Pensionsfonds gezogen 11A146“ ““ B 1 Der Reichstag überweist daher die in der Kommission ge⸗ stellten Anträge dem Herrn Reichskanzler sowohl für die Aus⸗ arbeitung des Gesetzentwurfs wie für die Zuwendungen aus dem Kapitel 84 a mit der Maßgabe zur Berücksichtigung, daß dem zu⸗ künftigen Gesetze rückwirkende Kraft für sämtliche Teilnehmer am gegenwärtigen Kriege und deren Hinterbliebene gegeben werden soll. Referent Abg. Meyer⸗Herford (nl.)]: Die Budget⸗ kommission ist am 19. April zur Erledigung der ihr gestellten Aufgabe zusammengetreten. Sie hatte die Hoffnung, einen Gesetzentwurf vor⸗ bereiten zu können, der den Wünschen der Kommission und des Hauses entsprach. Dieser Wunsch ist allerdings leider nicht zu ver⸗ wirklichen gewesen. Wir bedauern das lebhaft, aber es war eben die Möglichkeit dafür nicht vorhanden; wir sind an der Fülle der technischen Schwierigkeiten, die sich vor uns häuften, nicht vorbei gekommen. Wir haben die sehr entgegenkommende Erklarung des Reichsschatzsekretärs erhalten, daß es nach wie vor als Ehrenpflicht des Deutschen Reiches gelten müsse, für die Invaliden und deren Hinterbliebene zu sorgen, aber man müsse sich gleichzeitig auch über die Deckungsmöglichkeit klar geworden sein. Es läßt sich tatsächlich nicht übersehen, wie groß bei Friedensschluß die Zahl der Kriegsinvaliden, der Kriegswitwen und der Kriegswaisen sein wird, und ebenso wenig, welche Mittel dafür zur Verfügung zu stellen sein werden; es ist aber ganz gewiß unmöglich, be⸗ stimmte Grundsätze in ein Gesetz hineinzuschreiben, deren finanziellen Effekt man nicht kennt, wenn man also nicht weiß, welche Belastung dadurch dem Deutschen Reiche eventuell auferlegt wird. In der Be⸗ reitwilligkeit, nach Kräften für die Invaliden und ihre Hinterbliebenen zu sorgen, ist aber nicht etwa irgend eine Abschwächung eingetreten. Diese Fürsorge wird nach wie vor als eine hervorragende, ja als die hervorragendste Ehrenpflicht des deutschen Volkes erklärt. Es ist dann weiter von der Kommission ernstlich erwogen worden, ob nicht der Erlaß eines Notgesetzes für die Dauer des Krieges möglich sei. Aber auch diesem Gedanken hat nicht zugestimmt werden können, schon weil es unmöglich sein würde, einmal getroffene Bestimmungen schon nach einiger Zeit wieder zu ändern. Der Verzicht sowohl auf ein sofortiges definitives als auch auf ein Notgesetz wurde der Kommission schließ⸗ lich durch die Erklärung des Staatssekretärs erleichtert, daß bei der Bewirtschaftung des Leertitels aus Kap. 84 a des Allgemeinen Pen⸗ sionsfonds „zum Ausgleich von Härten“ die vom Reichstage gewünsch⸗ ten Grundsätze entsprechende Berücksichtigung finden sollten. Immer⸗ hin ist es der Kommission möglich gewesen, solche Grundsätze zu fixieren und neue Richtlinien für die zukünftige Gestaltung der Ge⸗ setze zu geben. Da heh in erster Linie der Grundsgtz der Berücksichti⸗ Hung des Arbeitseinkommens, zu welchem sich der Reichstag schon am 19. März bekannt hat. Bis jetzt ist bei der Festsetzung der Renten lediglich Stellung bei den Mannschaften selbst wie

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die militärische

bei deren Hinterbliebenen maßgebend.

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Dieser Grundsatz erschien un⸗ haltbar in einer Zeit, wo so viele Reservisten und Landwehrleute ins Feld gezogen sind. Es erschien unumgänglich, bei der Versorgung der Hinterbliebenen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der bisherigen Henag n in Betracht zu ziehen, und so ist der Vorschlag, neben dem militärischen Range auch das Arbeitseinkommen des Betreffenden mit maßgebend zu machen, von der Kommission und von der Regierung grundsätzlich akzeptiert worden, und nicht nur für die Hinterbliebenen, sondern auch für die Kriegsinvaliden selbst. Es ist ferner eine er⸗ weiterte Kriegsversorgung für Witwen und Waisen unter Berück⸗ sichtigung der Zugehorigkeit der Kriegsteilnehmer zur Reserve, zur Landwehr oder zum Landsturm empfohlen worden. Es ist sodann der Kreis der Rentenempfänger ausdrücklich auch auf die Kriegsfreiwilli⸗ gen in vollem Umfange der neuen Gesetzgebung, also auch bezüglich der erweiterten Kriegsversorgung usw., ausgedehnt worden. Die Kriegs⸗ freiwilligen sollen durchaus in jeder Beziehung den übrigen Kriegs⸗ teilnehmern gleichgestellt werden. Es wird ferner der Wunsch ausge⸗ sprochen, daß die Begriffe „Kriegsteilnehmer“ und „Kriegsbeschädi⸗ gung“ nicht zu eng gefaßt werden. Der Hen „Kriegsteilnehmer“ soll alle umfassen, die im Interesse des Vaterlandes eine Beschädigung erlitten haben, welche sie invalide gemacht oder ihnen das Leben geraubt hat. Auch die aktiven Truppen sollen auf die erweiterte Kriegsversor⸗ gung, also auf Zusatzrenten, mit Berücksichtigung des Einkommens An⸗ spruch haben. Eine längere 1 führte die Kriegsversorgung der Armierungsarbeiter herbei. Nach den Erklärungen der Vertreter der Militärverwaltung stehen die dem Landsturm angehörigen Armie⸗ rungsarbeiter den übrigen Truppen gleich; anders aber verhält es sich mit denen, die auf Grund besonderer Verträge angenommen sind. Aber auch hier ist die Kriegsverwaltung mit dem Reichsschatzamt ins Beneh⸗ men getreten, um eine entsprechende Regelung ihrer Ansprüche festzustellen. Es wurde weiter gewünscht, daß auch die unehelichen Kinder einen An⸗ spruch auf Rente haben sollen, wenn die Unterhaltungspflicht des Vaters festgestellt ist. In bezug auf die Witwen wurde es als durchaus richtig und empfehlenswert anerkannt, daß ihnen, sofern sie sich wieder ver⸗ heiraten, als Abfindung ein fünffacher Betrag des erweiterten Witwen⸗ geldes gezahlt werde. Ueberhaupt wurde gewünscht, daß bei der Bewilli⸗ zung von Renten Härten möglichst vermieden werden. Ebenso wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die Rentenbezugsberechtigten von den Behörden über ihre Rechte aufgeklärt werden. Vom Kriegsministerium sind Merk⸗ blätter ausgegeben worden, in denen die Hinterbliebenen darauf aufmerk⸗ sam gemacht werden, welchen Weg sie beschreiten müssen, um in den Besitz der Rente zu gelangen. Was das Rentenfestsetzungsverfahren be⸗ trifft so wurde von verschiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen, daß die Erfahrungen bei der Reichsversicherungsordnung entsprechend verwertet werden möchten, und dem Reichskanzler zur Erwägung empfohlen, ob die über die Kriegsversorgung entscheidende Militärbehörde nicht durch zwei nicht dem Militärstand angehörige Mitglieder vermehrt und über den Grund des Anspruchs in einem kontradiktorischen Verfahren entschieden werden könnte. Von anderer Seite wurde gewünscht, oaß auf Antrag des Kriegsbeschädigten das Gutachten eines von ihm zu bezeichnenden Ar

des Bezirks einzuholen sei. Eine längere Besprechung rief die Frage hervor, ob und inwieweit eine Kapitalisierung der Rente für die Kriegs⸗ teilnehmer und deren Hinterbliebene zulässig wäre. Die Kommission stellte sich auf den Standpunkt, daß eine volle Kapitalisierung der Rente nicht am Platze wäre, wohl aber eine teilweise Kapitalisierung zur Sicherung der Kriegsinvaliden und ihrer Familien. In erster Linie dachte man an die Ansiedlungsmöglichkeit der Landwirte, aber auch der Handwerker und Arbeiter, an die Gründung einer neuen wirtschaftlichen Existenz. Als Hauptsache wurde aber erkannt, daß den Kriegsbeschädigten nach Möglichkeit die Gelegenheit gegeben werde, ihre volle Gesundung zu erlangen. In dieser Beziehung wirkte die Erklärung eines Vertreters des Kriegsministeriums sehr wohltuend, daß eine Entlassung der Kriegs⸗ invaliden nicht stattfinden soll, bevor nicht durch geeignete Behandlung versucht ist, den höchsten möglichen Grad der Wiederherstellung der Ge⸗ brauchsfähigkeit des verstümmelten oder sonst beschädigten Gliedes oder der Leistungsfahigkeit der erkrankten Glieder zu erreichen. Wenn ein mal die Friedensglocken klingen werden, dann wird es eine wichtige Auf⸗ gabe sein, die heimkehrenden Kriegsteilnehmer in geeignete Stellungen

zu bringen. In erster Linie werden nach der Ansicht der Kommission die

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Behörden 8 berufen sein, für die Kriegsinvaliden zu sorgen, nicht nur

für die Zivilversorqungsberechtigten, sondern auch für alle diejenigen, die im Dienste des Vaterkandes verwuerset sind. Von seiten der Behörden, insbesondere in der Post⸗ und Eiserltwerwaltung ist ja bereits vieles esscchehen. Dasselbe gilt auch von der Industrie. Das Reichsamt des hen wird am ersten in der Lage hein, einer Zersplitterung bei der Ar⸗ beitsvermittlung wirksam entgegenzutreten. In der Kommission wurde der Wunsch ausgesprochen, den Reichskanzler zu ersuchen, unverzüglich eine

Zentralstelle für soziale Kriegsfürsorge einzurichten, mit der Aufgabe, die

Zerufsberatung. Berufsvorbildung und Arbeitsvermittlung der Kriegs⸗ invaliden, der Kriegerwitwen und ⸗waisen zu organisieren und zu leiten. Gegen diesen Vorschlag wurden allerdings auch Bedenken geltend gemacht. Man erwartete von ihm keine Erleichterung, sondern befürchtete eine Er⸗ schwerung und auch Kompetenzschwierigkeiten. Allgemein wurde aber an⸗ erkannt, daß Richtlinien aufgestellt werden müßten, am besten von seiten des Reichsamts des Innern. Ich bin am Ende meines Berichts. Viel⸗ fach mag es im Lande eine cewisse Enttäuschung heworrufen, daß nicht jetzt schon eine definitive gesetzliche Regelung erfolgt; aber die Erklärun⸗ gen der Recierung und die Stellungnahme der Kommission geben dem Lande die Sicherheit, daß die Fürsorge für die Kriegsbeschädigten und deren Hinterbliebene in guten Händen liegt. Regierung und Reichstag halten es für ihre Ehrenpflicht, für diejenigen zu sorgen, die für Haus und Herd, für Deutschlands Ehre und Größe, für deutsches Wesen, für Wahrheit und Treue gegen Lug und Trug und Tücke gekämpft haben.

Abg. Hoch (Soz.): Es ist zu bedauern, daß der Reichstag nicht den Erwartungen der weitesten Kreise sofort entsprechen konnte und nicht, wie wir immer beantragt haben, die dringenden Verbesserungen der Militärpensionsgesetze und der Hinterbliebenengesetze sofort gesetzlich fest⸗ gelegt hat. Leider waren die Vertreter der Regierung und ein Teil der bürcerlichen Parteien dafür nicht zu gewinnen. Die von ihnen angeführten Gründe sind allerdings nicht durchschlagend; denn wenn auch die Zahl der betroffenen Familien noch nicht feststeht und die Finanzlage noch nicht klar liegt, so kennen wir die Verhältnisse doch schon genau genug, um schon heute, zwar nicht eine planmäßige, grundsätzliche Aenderung der

Gesetze vorzunehmen, wohl aber die allernotwendigsten Besürfnisse durch Gesetzesänderung zu befriedigen. Die Versprechungen der Regierung sind immerhin zweifelhaft und schieben die Sache auf die lange Bank; aber es ist schließlich doch mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß die Regierung alles daran setzen wird, ihre Versprechungen einzulösen; denn die ganze Lage, in der sich unser Vaterland befindet, schreibt das mit zwingender Notwendigkeit vor, und es würde sich ein Sturm der Entrüstung er⸗ heben, wenn die Versprechungen nicht erfüllt würden. Für die richtige Durchführung des Gesetzes wird es allerdings auch auf das Verhalten der Militärbehörden ankommen. Der Kreis der anspruchsberechtigten Familien muß erweitert werden; die Heranziehung der unehelichen Kinder wird keine Schwierigkeiten haben, da die Regierung schon bisher diese gesetzliche Lücke auszufüllen gesucht hat. Aber aus der Praxis ist mir jetzt ein Fall bekannt geworden, in dem die Kinder eines Kriegsteilnehmers aus erster Ehe nicht berücksichtigt wurden. Ein schwerer Mangel besteht ferner noch in dem Anspruch der Eltern der Kriegsteilnehmer; die Eltern haben nur dann einen Anspruch, wenn der im Kriege gefallene Sohn be⸗ reits früher die Eltern unterstützt hat, aber nicht, wenn die eigene Er⸗ werbsunfähigkeit der Eltern, die gerade auch durch den Krieg hervorgerufen sein kann, erst jetzt eingetreten ist. Auch in solchen Fällen muß die hel fende Hand angelegt werden. Bei der Bemessung der Zuschußrente soll ja erfreulicherweise der frühere Arbeitsverdienst angerechnet werden, aber es darf nicht vorkommen, daß etwa nur bei akademisch gebildeten Kreisen der Unterschied zum früheren Einkommen in Betracht gezogen wird, während man bei den Arbeitern sagt, daß die Frau mitarbeiten könne. In der Höhe der Entschädigung gingen unsere Anträge in der Kommission etwas weiter als die der Konservativen und Nationalliberalen. Unsere Vorschläge waren das Allermindeste, was gewährt werden muß, und ich bitte dringend den Schatzsekretär, bis an diese Grenze deran ag ben. Be⸗ sonders schwierig wird die Bemessung der Rente nach dem Grah der Er⸗ werbsunfähigkeit sein. Ich bitte auch da die Regierung, bei der Bemessung der Teilrenten nicht engherzig zu verfahren. Die Teilrente müßte man

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gewisser Zeit auch bei Wiederkehr der Erwerbsfähigkeit dauernd machen; dann würde der Erwerbsunfahige alles daran setzen, um seine volle Erwerbsfahigkeit wieder zu erlangen. Die Bekanntmachung im „Reichsanzeiger“ über die Kriegszulage hat leider mehr zur Verwirrung als zur Klärung beigetragen. Ich bitte auch die Fragen der Kriegszulage wohlwollend zu entscheiden. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Beteiligten sich nicht selbst darum bemühen, wie sie eine höhere Rente bekommen, sie nichts erhalten. Sie müssen deshalb unterwiesen werden, wie sie dies anzustellen haben. Es muß auch gesetzlich festgelegt werden, in welchen Fallen eine Zuschußrente gezahlt werden soll. Alle guten Absichten, die wir mit diesem Gesetz haben, können sonst durch eine verkehrte Ausführung der Bestimmungen vereitelt werden. Man muß auch alle die Erfahrungen berücksichtigen, die bei der Unfallversicherung gemacht worden sind. Es ist auch zu empfehlen, daß das Gutachten von dem Arzte eingeholt wird, zu dem der Betreffende Vertrauen hat. Dann weiß er wenigstens, daß man versucht, ihm möglichst gerecht zu werden. Ob auch Maͤnner zuzu⸗ ziehen sind, die das Vertrauen der arbeitenden Bevölkerung haben, diese Frage kann erst dann gelöst werden, wenn der endgültige Entwurf vor⸗ liegt. Bis zum Erlaß des Gesetzes muß aber den Beteiligten alle not⸗ wendige Hilfe zuteil werden.

Staatsminister, Staatssekretär des Reichsschatzamts Dr. Helfferich:

Meine Herren! Angesichts des sehr eingehenden Berichts, den der Herr Abgeordnete Meyer (Herford) über die Kommissionsbera⸗ tungen hier erstattet hat, darf ich mir wohl versagen, auf Einzelheiten in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Hoch einzugehen. Ich möchte nur in Antwort auf seine Ausführungen die Gelegenheit er⸗ greifen, auch hier im Plenum des Reichstages festzustellen, daß die verbündeten Regierungen mit dem Reichstag durchaus einig sind in der Anerkennung der Ehrenpflicht, nach bestem Können für die Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen zu sorgen. In diesem Punkte besteht zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reichs⸗ tag und, soweit ich mich bei den Verhandlungen in der Kommission habe überzeugen können, auch zwischen den einzelnen Parteien des Reichstages vollkommene Uebereinstimmung.

Die Meinungsverschiedenheiten, über die in der Kommission ver⸗ handelt worden ist, liegen auf einem anderen Felde, auf dem Ge⸗ biete der technischen und finanziellen Durchführung. Die Gründe, aus denen es den verbündeten Regierungen im Augenblick noch nicht möglich ist, und zwar aus finanziellen und legislatorisch⸗technischen Gründen, mit einer definitiven Regelung der Materie vor den Reichstag zu treten, habe ich in der Kommission eingehend entwickelt, und diese Gründe sind auch in dem Berichte des Herrn Abgeordneten Meyer genau und zutreffend wiedergegeben worden. Ich brauche also auf diese Gründe nicht weiter einzugehen und will nur folgende in der Budgetkommission abgegebene Erklärungen wiederholen: Zu⸗ gesagt worden ist die Erfüllung des Wunsches, der in der Kommission geäußert worden ist und der in der Resolution seinen Niederschlag gefunden hat des Wunsches, es möge bei der künftigen Regelung das Arbeitseinkommen in einer Zusatzrente neben der Normalrente berücksichtigt werden. Dabei wollen wir das Wort Arbeitseinkommen gar nicht kleinlich auffassen, sondern auch in diesem Punkte die Anregungen, die an uns herangetreten sind, im weitesten Umfange berücksichtigen. Weiter ist zugesagt worden, daß aus diesem prin⸗ zipiellen Uebereinstimmen der Meinungen die verbündeten Regierungen ihre Konsequenzen ziehen werden. Diese Konsequenzen werden darin bestehen, daß so bald als möglich nach Friedensschluß dem Reichstag eine Vorlage zugehen wird, die die Materie endgültig regelt. Ferner ist zugesagt worden, daß für die Zwischenzeit, bis zur endgültigen Erledigung der Frage in der ersten Tagung des Reichstages nach dem Friedensschluß, die Grundsätze, über die Uebereinstimmung besteht, auf Grund des von den gesetzgebenden Körperschaften bewilligten Fonds zur Ausgleichung der Härten in weitem Maße Anwendung finden sollen. Zugesagt worden ist endlich und ich kann das nur als Antwort auf die verschiedenen Anregungen des Heren Abgeordneten Hoch wiederholen —, daß alle die verschiedenen Anregungen, die bei der Beratung dieser schwierigen Materie sich ergeben haben, geprüft und soweit irgend möglich, auch bei der Aufstellung des Gesetzent⸗ wurfs ihre Berücksichtigung finden sollen und werden.

Abg. Liesching (fortschr. Volksp.): Mit dem Ausdruck des Dankes gegenüber den Kriegern und ihren Hinterbliebenen ist es nicht getan. Es ist selbstverständliche Pflicht des Reichstages und der verbündeten Regie⸗ rungen, überall helfend einzugreifen, wo es nötig ist. Es muß auf jeden Fall alles getan werden, um den Verwundeten möglichst die Arbeitsfähig⸗ keit zu erhalten oder so weit wie möglich wiederzugeben. Das müßte auch eine Minderung der Ausgaben für Renten zur Folge haben. Die ärztliche Kunst hat ja außerordentliche Fortschritte gemacht, die im weitesten Umfange den Verwundeten nutzbar gemacht werden müssen. Für die Genesungsheime wäre vielleicht eine gewisse Zentralisation zu empfehlen. Es dürfte sich empfehlen, die erblindeten Krieger in einer eigenen Zentral⸗ anstalt unterzubringen, wo die Unglücklichen leichter über ihr Schicksal hin⸗ wegkommen, als wenn sie in allen möglichen Anstalten untergebracht sind. Auch die Erwerbung von Rentengütern muß den Kriegsinvaliden möglichst leicht gemacht werden. Dankbar ist es zu begrüßen, daß den Betreffenden mitgeteilt werden soll, auf Grund welcher Bestimmungen ihre Rente fest⸗ gesetzt worden ist. Es wäre ja sehr wertvoll, wenn wir jetzt schon mit in Paragraphen festgefügten Grundsätzen den Verwundeten und Hinter⸗ bliebenen gegenübertreten könnten. Aber es ist ja schon die Schwierigkeit hervorgehoben worden und die Unmöglichkeit, dies jetzt während des Krieges zu tun. Wir sind froh, daß es in der Kommission wenigstens gelungen ist, Grundsätze festzulegen, die davon ausgehen, die Bezüge, die das Gesetz vom Jahre 1907 vorsieht, zu erhöhen. Dies soll uns aber nicht abhalten, jetzt schon daranzugehen, die Grundsätze festzulegen, wie die Sache nach dem Kriege werden soll. Auf jeden Fall bitte ich dieses Gesetz so zeitig auszuarbeiten, daß gleich nach dem Kriege an seine Verabschiedung gegangen werden kann. 8

Abg. Graf von Westarp (bkons.): Bei der Unmöglichkeit, die ganze Frage sofort gesetzlich zu regeln, hatten wir den Wunsch, wenigstens eine besomders wichtige und dringende Materie herauszugreifen, die Fürsorge für die Witwen und Waisen. Gerade diese erscheinen uns ganz besonders der Hilfe bedürftig, denn sie sind nicht in der Lage, ihre Interessen selbst in dem gleichen Maße wie andere Personen zu vertreten. Not und Sorge treten für Witwen und Waisen be⸗ sonders scharf in den zahlreichen Fällen hervor, in denen in unserem aufstrebenden, nicht durch Wohlhabenheit gesättigten Volk der Mann unter Einsetzung aller seiner Tätigkeit, Kraft und Arbeit sich ein auskömmliches Einkommen und eine höhere soziale Stellung er⸗ worben hat, ohne sich gleichzeitig Vermögen haben erwerben zu können, und diese Fälle sind in Deutschland, wie gesagt, besonders häufig. Wir denken dabei ebenso an gehobene Arbeiter, wie an Angehörige der freien Berufe, wie an kleine Unternehmer in Gewerbe, Handel, Landwirtschaft und Handwerk. Wenn der Mann fällt, wird jetzt die Hinterbliebenenversorgung nach seiner militärischen Charge berech⸗ net. Da entsteht die Gefahr, daß die Hinterbliebenen ins Proletariat zurückfallen. Deshalb haben wir den Grundgedanken, bei der Renten⸗ bemessung auch das Arbeitseinkommen zu berücksichtigen, in der Kom⸗ mission gemeinsam mit den Nationalliheralen zu einem Antrage ver⸗ dichtet. Als der sofortige Erlaß eines Gesetzes nicht zu erreichen war, haben wir unter Forklassung bestimmter Ziffern wenigstens uns auf das Ptinzip gestellt. Immerhin sind drei sehr wertvolle Zusagen