1915 / 139 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jun 1915 18:00:01 GMT) scan diff

gekommen. Ador (liberal⸗konservativ) führte aus, die Presse der Neutralen habe das Recht, auf Mißdräuche der Kriegführung auf⸗ merksam zu machen, und er könne auf Grund seiner Erfahrungen als Präsident des Internationalen Roten Kreuzes versichern, daß die Presse in dieser Oinsicht schon verdienstlich gewirkt und manche Besserung herbeigeführt habe. Die vom Bundesrat Hoff⸗ mann entwickelte Anschauung über die Neutraltlätspflicht der Bürger sei eine ganz germantsche Auffasseng und werde niemals in den Kopf eines Romanen hineingehen. Wir sind bereit, für den Staat jedes Opfer zu bringen, unserer individuellen Fretheit.“ Den Antrag Stadlin, die Diskussion zu schließen, lehne er ab als einen Versuch, die Meinungefreibeit zu unterdruͤcken. Sigg, Zürich (Sozialdemokrat) bekämpfte den Antrag Stadlin ebenfalls und betonte das Recht des Parlaments auf Aufsicht und Kritik gegenüber den Maßnahmen des Bundesrats⸗ Bundeerat Hoff⸗ mann hielt es doch für gut, daß die bedauerlichenwelse in Fluß gekommene Diskussion nun nicht abgeschnitten werde. Stadlin zog darauf seinen Antrag zurück. Naine (Soz.) erhob gegen den Versuch Stadlins, Zensur im Parlament einzuführen, Einspruch und warf dem Präsidenten vor, daß er ihm absichtlich das Wort nicht habe geben wollen. Der Präsident Bonjour stellte fest, daß nach der Zurückziehung des Antrages Stadlin die Distussion frei sei. Wider Erwarten meldete sich jedoch kein Redner zum Wort. Damit war der Abschnitt erledigt und der Bericht des

über seine Geschäftsführung genehmigt. 8

.

Bulgarien. 8

Die in Sofia ansässigen Albaner haben der „Agence Bulgare“ zufolge den diplomatischen Vertretern der Groß⸗ mächte eine Denkschrift überreicht, in der sie gegen den neuerlichen serbischen Einfall in Albanien Verwahrung ein⸗ legen und inständig um Ergreifung von Maßnahmen zur Räumung des albanischen Gebiets von serbischen Truppen bitten. K

Kriegsnachrichten. Westlicher Kriegsschauplatz. 111“

Großes Hauptquartier, 15. Juni. (W. T. B.) Die Franzosen holten sich gestern eine neue Nieder⸗ lage. Trotz der am 13. Juni erlittenen schweren Verluste setzten sie ihren Durchbruchsversuch auf der Front Liévin —Arras mit großer Zähigkeit fort. Die mit einem ungeheuren Munitionsaufwand vorbereiteten und in dichten Wellen vorgetragenen französischen Angriffe brachenabermals in dem Feuer unserer braven Truppen unter den schwersten Verlusten für den Feind ausnahmslos zusammen. Nordwestlich von Moulin⸗sous⸗Touvent (nordnestlich von Soissons) gelang es uns noch nicht, die am 6. Juni ver⸗ lorenen Grabenstücke wiederzunehmen. In der Champagne nördlich von Perthes und von Lemesnil lebte der Kampf stellenweise wieder auf, ohne daß der Feind einen Vorteil zu erringen vermochte.

Am Sonntag wurde die Kirche in Leffinghe südnestlich von Ostende während des bürgerlichen Gottesdienstes von feindlicher Artillerie beschossen; mehrere belgische Zivil⸗ personen wurden verletzt. Gestern ist die offene Stadt Karlsruhe, die in keinerlei Beziehung zum Kriegsschauplatz steht und nicht die geringste Befestigung aufweist, von einem feindlichen Flugzeuggeschwader mit Bomben be⸗ worfen worden; soweit bisher bekannt, fielen 11 tote und 6 verwundete Bürger dem Ueberfall zum Opfer; militärischer Schaden konnte natürlich nicht an⸗ gerichtet werden. Von einem unserer Kampfflugzeuge wurde ein Flugzeug aus dem feindlichen Geschwader herausgeholt; die Insassen sind tot. Ein anderes feind⸗ liches Flugzeug wurde bei Schirmeck zum Landen gezwungen. Oberste Heeresleitung.

Karlsruhe, 15. Juni. (W. T. B.) Ueber den Flieger⸗ angriff werden folgende Einzelheiten gemeldet:

Soweit bis jetzt betannt geworden ist, sind 19 Personen getötet, 14 schwer und zablreiche leicht verletzt. Fast eine Stunde lang, von 6 ¾ Uhr bis gegen 8 Uhr, zogen die feindlichen Flugzeuge in großer Höhe über Karlsruhe; besonders die inneren, in der Nähe des Schlosses gelegenen Stadtteile wurden getroffen. Groß ist der Schaden in der Karl Friedrichstraße, am Kaiserplatz und in der Nähe der Technischen Hochschule. So fielen allein in der Erbprinzenstraße vier Personen dem Angriff zum Opfer. Es handelt sich fast ausschießlich um Zivilpersonen, Frauen und Kinder, zu⸗ meist Leute, die sich zur Arbeit begeben wollten und nicht mehr rechtzeitig flüchten konnten. Die Absicht des Angriffs ist schwer zu versteben, da es sich um eine offene, unbefestigte Stadt handelt. In der Tat ist auch keinerlei militärischer Schaden angerichtet worden. Nach den Orten, an denen die Bomben besonders zahlreich nieder⸗ fielen, ist der Verdacht nicht vollständig von der Hand zu weisen, daß unter anderem ein Angriff auf das Großherzogliche Schloß, in dem zurzeit die Königin von Schweden weilt, geplant war. Auch das Markgräfliche Palais wurde von einer Bombe getroffen. Die Be⸗ völkerung verhält sich gegenüber diesem ruchlosen Angriff auf die friedliche Stadt gefaßt und ruhig; nur herrscht begreiflicherweise große Erbitterung über dieses sinnlose Vorgehen der Gegner.

Oestlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 15. Juni. (W. T. B.) Westlich Szawle stürmten deutsche Truppen das Dorf Dauksze und wiesen darnach mehrere von zwei bis drei russischen Regimentern geführte Gegenangriffe ab. Vier Offiziere, 1660 Mann wurden gefangen genommen. Unsere neugewonnenen Stellungen südlich und östlich der Straße Mariampol Kowno wurden gestern wiederholt von starken feindlichen Kräften vergeblich angegriffen. Wir stießen aus der Front Lipowo Kalwarja vor, drangen in die russischen Linien ein und eroberten die vordersten Gräben. Auch am Orzyc gelang es unseren angreifenden Truppen, das Dorf Jednorozec (südöstlich von Chorzele), die Czerwona Gora und die Brücke östlich davon im Sturm zu nehmen; bisher an dieser Stelle 325 gefangene Russen. Feindliche Angriffe gegen unsere Einbruchsstellen nördlich von Bolimow scheiterten.

1“ 8 Oberste Heeresleitung.

Berichtigung. In der Meldung über den östlichen Kriegsschauplatz vom 13. Juni ist ein Druckfehler. Der Ein⸗ bruch in die russischen Linien war nicht füdlich, sondern nörd⸗ lich Bolimomw, wie schon aus dem Tagesbericht vom 12. Juni

hervorgeht 2 ““

wahren uns aber mit Entschiedenheit das Recht

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 15. Juni. (W. T. B.) Dem in der Schlacht am 13. und 14. Juni von der Armee des Generalobersten von Mackensen geschlagenen Gegner ist es nicht gelungen, in seiner rückwärtigen, vorbereiteten Stellung nordwestlich von Jaworow Fuß zu fassen. Der Feind wurde geworfen, wo er sich stellte. Die Beute mehrt sich. Durch die scharfe Verfolgung sind auch die russischen Truppen südlich der Bahn Przemysl Lemberg zum Rückzug gezwungen. Truppen des Generals von der Marwitz nahmen gestern Moszisca. Der rechte Flügel der Armee des Generals von Linsingen stürmte die Höhen westlich Jezupol; ihre Kavallerie erreichte die Gegend südlich von Marjampol. Oberste Heeresleitung.

Wien, 15. Juni. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Durch den Angriff der verbündeten Armeen haben sich nahezu an der ganzen Front in Galizien heftige Kämpfe entwickelt. Truppen der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand dringen nach Besitznahme von Sieniawa am Ostufer des San in nördlicher und nordöstlicher Richtung vor. Schloß und Meierhof Piskorowice wurden gestern erstürmt: zahlreiche Gefangene gemacht. Unter erbitterten Kämpfen dringt die Armee des Generalobersten von Mackensen beider⸗ seits Krakowiec und auf Oleszyce vor. Anschließend greifen die Truppen des Generals Boehm⸗Ermolli die Russen östlich und südöstlich Moszis ka an, wo neue feindliche Stellungen die Richtung auf Grodek decken. Südlich des oberen Dnjestr halten starke russische Kräfte die Brückenköpfe von Mikolajow, Zydaczow und Halicz gegen die vordringenden verbündeten Truppen der Armee Linsingen, während flußabwärts die Truppen des Generals Pflanzer⸗Baltin vor Nizniow und Czer⸗ nelica stehen und das eroberte Zaleszezyki gegen alle russischen Angriffe halten. Teile dieser Armee haben in Bessarabien zwischen Dnjestr und Pruth die dort stehenden russischen Kräfte erneuert zum Rückzug gezwungen und sie gegen Chotin und entlang des Pruth zurückgedrängt. Die Zahl der in den galizischen Kämpfen seit 12. Juni ein⸗

erhöht. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

11“

Südlicher Kriegsschauplatz.

Wien, 15. Juni. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Neuerliche Versuche der Italiener, an unsere Stellungen bei Tolmein und Plava heranzukommen, blieben wieder ohne Erfolg. Gestern herrschte an einzelnen Abschnitten der IJsonzo⸗ front Ruhe. Die durch einen italienischen Parlamentär über⸗

stellen, wurde aus mililärischen Gründen abgewiesen. An der kärntnerischen Grenze erstürmte steierischer Landsturm den Kl. Pal östlich des Plöckenpasses und wies drei Gegenanariffe des Feindes auf diesen Grenz⸗ berg ab. Im Tiroler Grenzgebiet fühlte der Gegner gegen unsere Stellungen vor und unterhält wirkungsloses Artilleriefeuer. An einem Grenzpunkt zwang ein Gendarmerie⸗ posten ohne eigene Verluoste eine italienische Kompagnie zum

Rückzuge und nahm 58 Italiener gefangen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.

von Hoefer, Feldmars challeutnant.

Der Krieg zur See.

Berlin, 15. Juni. (W. T. B.) Nach einer Mitteilung des ersten Lords der Admiralität im Unterhause vom 9. Juni ist Anfang Juni ein deutsches Unterseeboot von den Engländern zum Sinken gebracht und die gesamte Besatzung gefangen genommen worden. Aus einer jetzt veröffentlichten Note der britischen Regierung über die Be⸗ handlung der kriegsgefangenen Unterseebootsbesatzungen geht hervor, daß es sich um das deutsche Unterseeboot „U 14“ handelt. Da dieses Boot von seiner letzten Unter⸗ nehmung bisher nicht zurückgekehrt ist, muß es als verloren betrachtet werden.

Der Stellvertretende Chef des Admiralstabes. gez. Behncke.

L ondon, 15. Juni. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ zufolge ist der Dampfer „Argyll“, mit einer Ladung von Fischen aus Hull nach London unterwegs, heute um 6 Uhr früh in der Nordsee versenkt. Vier Mann von der Besatzung und die Leiche des Kapitäns wurden in Harwich gelandet.

London, 15. Juni. (W. T. 8 Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, schoß bei der Versenkung des „Hope⸗ mount“ das Unterseeboot dreimal auf die Kommandobrücke, wobei der Kapitän und vier Mann verwundet wurden. Drei von ihnen wurden so schwer verletzt, daß sie gleich nach ihrer Landung ins Spital gebracht werden mußten. Darauf wurde genattet, die Boote herabzulassen. Dasselbe Unterseeboot näherte sich einem Schiffe ohne Flagge, dem französischen Schoner „Diamant“, von hinten, ließ der Bemannung zwei Minuten Zeit und schoß hierauf vier Granaten auf das Schiff ab, die es zum Sinken brachten.

Kristiania, 15. Juni. (W. T. B.) „Norsk Telegram⸗ byran“ meldet: Nach Mitteilungen, die aus Kristianssand hier eingetroffen sind, ist der schwedische Dampfer „Verdandi“ aus Hödanäs vier Quartmeilen südöstlich von Orö von einem deutschen Unterseeboot, das von einem deutschen Hilfs⸗ kreuzer begleitet war, angeschossen worden. Die Mann⸗ schaft wurde an Bord des Hilfskreuzers genommen, worauf das Unterseeboot verschwand. Der Hilfskreuzer feuerte darauf 20 bis 30 Schüsse gegen den „Verdandi“ ab. Als der Zeuge, von dem die Mitteilung stammt, den Ort verließ, war Schornstein und Achterende unter Wasser. Nach einem anderen Bericht war kein Unterseeboot zur Stelle. Der Hilfskreuzer legte erst eine Mine an Bord, die explodierte und das Deck zertrümmerte. Darauf eröffnete der Kreuzer die Be⸗ schießung. Ob das Schiff gesunken ist, ist bisher unbekannt. Einige seiner Boote wurden von Makrelenfischern geborgen.

Wien, 15. Juni. (Meldung des „Wiener K. K. Pele⸗ graphen⸗Korrspondenz⸗Bureaus“) Meldungen von seindlicher Seite, wonach bald das österreichisch⸗ungarische Kriegsschiff „Tegetthoff“, bald das Kriegsschiff „Viribus Uniti⸗“

gebrachten Gefangenen hat sich gestern wieder um einige tausend

brachte Bitte, wegen Beerdigung der Toten das Feuer einzu⸗

in der Adria

und bald wenigstens ein Torpedoboot 8 der Luft ge⸗

torpediert worden wären, sind gänzlich aus griffen.

Der Krieg in den Kolonien.

Berlin, 15. Juni. (W. T. B.) Aus Deutsch Ostafrika wird amtlich gemeldet: Am 2. März wurden in einem Gefecht am Berge Erok (nordwestlich des Kilimanjaro) den Eng⸗ ländern 57 Reittiere abgenommen, ein Engländer wurde ge⸗ fangen. Bei Unternehmungen auf dem Tanganjikasee erieten ein englischer und ein belgischer Offizier in Gefangen⸗ schaft. Ein Maschinengewehr und anderes Material wurden erbeutet. Am 9. März hatte östlich Schirati am Victoria⸗See eine Abteilung der Schutztruppe unter Führung des Haupt⸗ manns von Harthausen einen Zusammenstoß mit eng⸗ lischen Streitkräften, darunter einer Europäerkompagnie mit Maschinengewehren und Geschützen. Der teilweise aus seinen Stellungen geworsene Gegner ging nach elfstündigem Gefecht zurück. Deutscherseits ein Toter, zwei Leicht⸗ verwundete, zwei Vermißte. Am 23. März wurde die auf englischem Gebiet in Taveta (südöstlich des Kilimanjaro) stehende deutsche Abteilung von zwei indischen und zwei Askarikompagnien angegriffen, die sich bis auf 250 m heranarbeiteten, dann aber in kurzem Gegenangriff ge⸗ schlagen, schleunigst mit Lastautos den Rückzug antraten. Zwei Maschinengewehre, viele Patronen, ein Helioapparat und ein Auto wurden erbeutet. Deutscherseits keine Verluste an Europäern, drei Askari tot. Beim Gegner zehn Tote, ein Gefangener.

London, 15. Juni. (Meldung des „Reuterschen Bureaus“.) Der Generalgouverneur von Nigeria berichtet, daß die Stadt Garua sich am 11. Juni einer englisch⸗französischen Truppen⸗ macht ergeben habe.

Berlin, 15. Juni. (W. T. B.) Das englische Presse⸗ bureau brachte unterm 7. d. M. einen Bericht des Gouverneurs von Britisch Nyassaland (Zentralafrika) über eine Unternehmung gegen den am Ryassa⸗See gelegenen Sphinrhafen. In dem Bericht hieß es:

„Am 30. Mai griff eine Marineabteilung unter Commander Dennistoun, unterstützt von einer Landungstruppe unter Hauptmann Collins und dem ersten Bataillon der King's African rifles, Sphinx⸗ hafen an. Nach einem Bombardement von See aus und einem An⸗ griff der schwarzen englischen Soldaten wurden die Deutschen unter Verlusten aus der Stadt vertrieben. Die Engländer erbeuteten einige Gewehre und Munition und einige Kriegsgeräte. Hermann von Wissmann“ wurde bei dieser Gelegenheit vollständig zerstört. Die Wiedereinschiffung der Landungstruppen wurde dann erfolgreich durchgeführt. Auf englischer Seite gab es einen Verwundeten.“

Diese Schilderung ist ein Muster englischer Berichterstattung. Gibt es keine wirklichen Heldentaten zu berichten, dann erfindet man eben welche. So auch die vorstehende, die man als ein Unternehmen gegen einen „markierten Feind“ bezeichnen könnte. Denn irgendwelche deutschen Streitkräfte, seien es Schutz⸗ oder Polizeitruppe oder gar Europäer, können in Sphinrxhafen kaum vorhanden gewesen sein, ebensowenig wie es dort einen Ort oder gar eine Stadt gibt. Um das so großartig geschilderte englische Unternehmen in das richtige Licht zu rücken, sei folgendes gesagt:

Sphinxhafen ist eine Bucht am Ostufer des Nvassasees, die wegen des Holzreichtums der Umgebung als Brennholzstapelplatz für den Dampfer „Hermann von Wissmann“ diente. Ebendort befindet sich auch die Helling, auf der der Dampfer alle Jahre ausgebessert wurde. Außer den wenigen Hütten für die Holzfäller und einige Wachmannschaften befindet sich keine Ansiedlung am Platze. Auch das ziemlich unwirtliche Hinterlandist wenig brwohnt. Hierwurde am 13. August v. J. der zur Ausbesserung auf der Helling liegende deutsche Dampfer von dem armierten englischen Regierungsdampfer überrascht, Kapitän und Maschinist, die von dem Auesbruch des Krieges noch keine Ahnung hatten, wurden gefangen genommen und der Dampfer durch Be⸗ schädigung der Maschtne unbrauchbar gemacht. Anscheinend ist nun dieses Wrack des „Hermann von Wissmann“ den Engländern doch noch gefährlich erschienen. So zogen sie denn mit großem Auf⸗ wand an Kräften zu seiner pölligen Zerstörung aus. Auf die ersten Schüsse hin werden die wenigen dort vorhandenen Schwarzen wohl schleunigst die Flucht ergriffen haben, sodaß die Engländer ungestört landen und die Vernichtung des Dampfers vornehmen konnten. Es ist den Engländern auch zu glauben, daß „die Wiedereinschiffung der Landungstruppen erfolgreich durchgeführt“ wurde. Die erbeuteten Gewehre werden wohl ein paar alte Vorderlader der Eingeborenen gewesen sein. Es ist demnach wirklich eine Tat von außerordentlicher Bedeutung, die der Gouverneur von Brittsch Nyassaland seinem Kolonialsekretär melden konnte.

8

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 15. Juni. (W. T. B.) quartier teilt mit: An der Dardanellenfront hat am Morgen des 13. Juni unsere gegenüber von Ari Burnu aufgestellte b jüngst für seine Bombenwerfer errichtet hatte, sowie seine Stellungen für Maschinengewehre. Durch dieses wirksame Feuer unserer Artillerie brach hinter den feindlichen Schützen⸗ gräben ein Brand aus, der eine halbe Stunde dauerte. In der Nacht vom 13. zum 14. Juni drang eine unserer kleinen Erkundungspatrouillen in die feindlichen Schützengräben von Sedil Bahr ein und erbeutete ein Maschinengewehr mit allem Zubehör, 15 Gewehre mit Bafonetten und eine Menge Patronen. Gestern überflog einer unserer Flieger mit Erfolg die Inseln Imbros und Lemnos und warf Bomben auf ein feindliches Lager auf der Insel Lemnos. Unsere Küstenbatterien beschossen gestern die feindlichen Artilleriestellungen bei Sedil Bahr sowie die Lager und die Transportschiffe des Feindes. Der Feind, der fast täglich dem wirksamen Feuer dieser Batterien ausgesetzt ist, ließ gestern einen Flieger über sie aufsteigen, der sieben Bomben abwarf, ohne irgend einen Erfolg zu erzielen. Von den anderen Schauplätzen liegen keine neuen Nachrichten vor.

Perkehrswesen.

Der Privatpaketverkehr ist nach dem Teile von We galizien wieder zugelassen, der durch die Linie Szezuein, Mielec, Debica, Krosno, Sanok, Zagorz, Lupkow begrenzt wird. (Die bestehenden Beschränkungen fuͤr den Paketverkehr mit den in Galtzien kämpfenden Truppen werden hiervon nicht berührt.)

erner können nach einer Anzahl von Postorten in Dalmatien, die bei den Postanstalten zu ersragen sind, Postpakete bis 5 kg wieder eingellefert werden. *

Das Haupt⸗

Artillerie die Stellung zerstört, die der Feind

Ueber dag Ergebnis der „Reichswollwoche“ herschtet W. T. B.“: Nach Schätzungen Fann man annehmen, daß dieses, auf ine kurze gebracht, wie folgt, sich darstellt: 1) Rund Million Decken wurde den Truppen zugeführt. 2) Hundert⸗ zausende von Westen, Jacken und Hosen gingen den Soldalen pßelde zu. 3) Der bei der Anferligung der Decken, Besten, Jacken und Hosen übriggebliebene Rest von nicht verwendbaren Stücken, Abfällen und Lumpen wurde für mehrere Millionen Mark an die Kunstwollfabriken verkauft. Der gielte Erlös ist wiederum den Truppen in Form von Liebesgaben drer Wollsachen zugute gekommen. 4) Durch die „Reichswollwoche“ st mittelbar und unmittelbar Tausenden von Heimarbeiterinnen und vielen Tausenden von Arbettern in Kunstwolltabriken auf Monate maus lohnender Verdienst geschaffen worden. 5) Die gut erhaltenen Pachen (Männer, Frauen⸗ und Kinderkleider) wurden in vielen ausenden von Stücken an die ostpreußische und elsaß lothrinaische Hevölkerung abgegeben. Ein bedeutender Rest, der sich schätzungs⸗ peise mindestens auf mehr als 100 000 Anzüge dieser Art beläufe, zurückgelegt worden, um den aus Anlaß des Krieges invalid ge⸗ ordenen Soldaten oder nach Schluß des Krieges den. heimfehrenden eriegern übergeben zu werden. Das Ergebnis aus der „Reichewoll⸗ Hoche“ darf man somit auf viele Milltonen Mark schätzen.

In Berlin ist die Zahl der zu unterstützenden Famtlien von Kriegsteilnehmern von 62 980 im Monat August 1914 buf 131 514 im Monat Mat 1915 gestiegen. Der bhierfür nötige

eldbetrag erhöhte sich von 1,28 Million Mark im August 1914 auf 64 Milllonen Mark im Monat Mai (bis zum 22). An Miets⸗ aterstüßungen wurden im Mai 774 848 gezahlt. Von August 914 bis 22 Mat 1915 betrugen allein die an Kriegerfamillen ge⸗ eisteten Unterstützungen insgesamt 33,73 Millionen Mark. Die terstützungen in Form von Mietsbeihilfen für Arbeitslose sind sier nicht mitgerechnet. Die Abnahme der Arbeits⸗ osigkeit in Berlin wird durch die ständige Abnahme der Zahl der ch im Obdachlosenasyl Meldenden, sowie dadurch erwiesen, daß die bom Roten Kreuz bei Kriegsbeginn in erster Linie fürc die Arbeits⸗ ofen errichteten Berliner Bürgerspeisehallen, die anfangs von 20 000 Personen täglich besucht wurden, ihren Betrieb wegen Mangels in Zuspruch einstellten. Das städtische Vormundschafts⸗ aumt in Berlin wird außerordentlich stark in Anspruch genommen, odurch das Bedürfnis dieser neu errichteten Anstalt erwiesen ist. Monatlich gehen etwa 25 000 Briefe usw. fort und rund 17 000 ein. Es wurden bereits über 1600 Prozesse für die Mündel geführt und mehr als 300 000 an laufenden Beiträgen und Abfindungssummen beigetrieben. 9

Der Verein für Kindervolksküchen (e. VB., gegr. 1893) perteilte im Monat Mai in seinen 50 Kindervolksküchen 570 265 Portionen Mittagessen. In den 17 Bürger⸗ und Mittelstandsküchen gelangten in der gleichen Zeit 302 760 Mittags⸗ und Abendportionen zur Ausgabe.

Statistik und Volkswirtschaft.

eber die Todesursachen bei den im Jahre 1913 in Preußen Gestorbenen und den Anteil einiger wichtiger Krankheiten an der Gesamtsterblichkeit

veröffentlichte das Königliche Statistische Landesamt in der „Stat Korr.“ Uebersichten, nach denen im Jahre 1913 in Preußen ins⸗ gesamt 620 455 Personen gestorben sind. Von je 10 000 Einwohnern starben, in der Reihenfolge nach der Höhe der Sterbeziffern ge⸗ ordnet, an Krantheiten der Verdauungsorgane 17,30 (im Vorjahre 1912 15,94), an Altersschwäche 15,7 (17,37), an Krantheiten der Kreis⸗ lauforgane 15,09 (15,44), an Tuberkulose 13,28 (14,88), am Lungenent⸗ zündung 12,09 (13,48), an Gehirnschlag und anderen Krankheiten des Neuvensystems 10,381 (10 ³7), an angeborener Lebensschwäche und Bildungsfehlern 10,25 (10,55), an Krebs und anderen Neubtldungen 8,21 (8,15), an Krankheiten der Atmungsorgane ohne die bereits ge⸗ nannten 7,88 (8,80), durch Verunglückung oder andere gewaltsame Ein⸗ wirkung 4,06 (4,27), an Krankheiten der Harn⸗ und Geschlechts⸗ organe 2,87 (2,86), infolge Selbstmordes 2,21 (2,2), an Keuchhusten 1,89 (2,21), an Diphtherie und Krupp 1,81 (2,04), an Masern und Rötein 1,70 (1,40), an Scharlach 1,08 (1,4), im Kindbeit 0,9 (0,90), an Rose und anderen Wundinfektionskrankheiten 0,02 (0,97), an In⸗ fluenza 0,72 (1,72), an Typhus 0,34 (0,3s), an anderen übertragbaren Krankheiten 0,34 (0,88), durch Mord und Totschlag 0/,21 (0,20), an übertragbaren Tierkrankheiten 0,01 (0,01), an anderen benannten Todes⸗ ursachen 15,89 (16,30), an nicht angegebenen und unbekannten Todes⸗ ursachen 3,39 (3,24).

Was die übertragbaren Krankbeiten allein betrifft, so sind an ihnen im Jahre 1913 zusammen 145 801 = 23, 1 pv. H. (im Vorjahre 1912 156 907 = 24,8 v. H.) aller Gestorbenen zugrunde gegangen, und zwar an Tuberkulose 56 861 = 9,16 v. H. (59 911 = 9 2 v. H.), an Lungenentzündung 50 084 = 8, v. H. (55 367 = 8,70 v. dn. an Keuchhusten 7859 = 1,27 v. H. (9477 = 1 v. H.), an Diphtherie und Krupp 7550 = 1,22 p. H. (8367 = 1, v. H.), an Masern und Röteln 7286 = 1,17 v. H. (6011 = 0,2 v. H.), an Scharlach 4506 = 0/18 v. H. (4290 = „. v. H.), an Rose und anderen Wundinfektionskrankheiten 3818 = 0,22 v. H. (4005 = 0as v. H.), an Influenza 3010 = 0, v. H. (4592 = 0/2 v. H.), an Kindbettfieber 1957 = 0,22 v. H. (1917 = 0,0 v. H.), an Typhus 1433 = 0, 22 v. H. (1580 = 0,25 v. H.), an anderen übertragbaren Krankheiten 1415 = 02 v. H. (1366 = 0,21 vp. H.) und an über⸗ ttragbaren Tierkrankheiten 22 = 0,00 (24 = 0,00 v H.).

Hervorgehoben seien noch einige besondere Krankheiten als Todes⸗ ursachen. Nach den standesamtlichen Sterbekarten erlagen den Er⸗ Grankungen im Kindbett, Seer der an Kindbettfieber (Gestorbenen, 4011 (4051) Personen. Auf 10 000 Entbundene kamen 83,88 im Kindbett Gestorbene.

1 Die Zahl der Todesfälle an Influenza war im Jahre 1913 8 als 1912; es starben 1913 3010, 1912 4592 Personen. In 6 en Jahren war das weibliche Geschlecht überwiegend beteiligt; zeigte sich, daß die über 60 Jahre alten Personen der Krank⸗ ra h siger zum Opfer fielen. Die meisten Sterbefälle an dieser nkheit ereigneten sich im Jahre 1913, wie auch in den früheren 2—z in den Monaten Januar, Februar, März, April und De⸗ Zu Bei der Blinddarmentzündung ist im Berlchtsjahr eine Fee n der Todesfälle gegen 1912 zu verzeichnen. Es erlagen dieser 1o n beit 1913 2424 (1387 männliche und 1037 weibliche) Personen, Auf 1ns 8—8. 937 ö 8 ö“ 8 „lugendliche Alter von 1—15 Jahren entfielen auch diesma über †¼ der Todesfälle, 697 von 2424. 8 * venerischen Krankheiten starben 973 Personen (510 r che und 463 weibliche), gegen 932 im Vorjahre (521 männliche 8 32 weibliche); davon entfallen ¼ der Todesfälle auf Säuglinge. 1g 8 Behandlung mit Salvarsan eine Verminderung der Todesfälle 8 unft herbeiführen wird, muß abgewartet werden. (936 8 Säuferwahnsinn fielen 913 Personen zum Opfer 100 009 Vorfahre). Die Sterblichkeit an dieser Krankheit, auf gesunken d 1 be 1 89 81358 nvn g⸗ ven Li- el, was zu der Annahme berechtigt, daß der übermäßtge Alkohol⸗ genuß allmählich im Abnehmen begriffen ist. 8 steigen dhrend im allgemeinen det den anderen Todesarten ein Ab⸗ 2 zu beobachten ist, tritt diese Erscheinung beim Krebs leider zutage. Noch ist keine Senkung der Krebskurve zu ver⸗ fe an Krebs und Neubildungen zusammen 32 18 689 veüblige) Fsesgn 8 Krebs 8 5392 mannliche und 17 047 weibliche.) Die Aufwäxts⸗ nachsdeheg 8b Krebskrankheit während der letzten 11 Jahre ist in der enden Uebersicht erkenntlich. Es starben an Krebs gallein

nGvꝑ

von 100 über⸗ haupt Gestorbenen

von 10 000 Lebenden

weibl. zus. [männl. weibl. zus. [männl. weibl.

1913

2.01 2,84

11 580 21 258 12 192 22 586 36 12 649 23 115 2,7 5 13 111 923 906 3,06 3 730 25 1000% 3,20 4,22 14 051 25 602 3, ½9 4),20 14 407 26 416 3,6 4,51 15 420 28 0931 3,8L. 5,01 16 180 29 4731 3,2s 4,22 4,28 6,64 7,390 16 458 30 0455 4,11 5,86 4,721 6,00 7,92 2 7 047 8 8 11. . 17 047 0 8822 4,30 5,21 4,98 6,72

1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912

3,00 5,52 ‧+ w6,2 3,22 5,84 6, 06 3,18 5, "II6 6,72 3,55 5,88 6,98 3,809 6,08 7,18 3,00 6,08 7,21 3,95 6,28 7,29 4,30 6,459 7,7

3,48 3 03 3,84 4,09

8,10

6 *

Zur Arbeiterbewegung. Aus London wird dem „W. T. B.“ gemeldet: Die Erledigung er Rezierungsaufträge wird durch einen Ausstand in der Lorry⸗

fabrik in Circlewood verzögert. Fünfzig Arbeiter legten ohne

Kündigung die Arbeit nieder, weil sie nicht die dem Ge⸗

werkschafts tarif entsprechenden Löhne erhielten. Die Lage

in den Kohlengruben von Dudley ist aksut ge⸗ worden, da die Maschinisten eine Kriegszulage von 15 ½ % fordern, während die Grubenbesitzer nur 10 % bewilligen wollen.

Falls ihre Forderung bis zum Donnerstag nicht bewilligt ist, wollen

die Maschtnisten kündigen. Der Ausstand würde 12 000, Bergleute

arbeitslos machen und einen pölligen Stillstand im Bezirk bewirken.

Die Gruben würden Gefahr laufen, zu ersaufen. In einer

Kohlengrube in Cumberland kündigten 1000 Bergleute, weil die Grubenbesitzer die Kohlenpreise für Arbeiter erhöhten auf solange,

als Kriegszulage bezahlt wird. Ein Streit in einer Kohlengrube in

Südwales wegen Beschäftigung nicht organisterter Arbeiter bewirkte,

daß 5000 Bergleute in den Auestand traten.

Eine Versammlung von Arbeitgebern der Textil industrie in Manchester hat den Vorschlag des Handelsamts, in dem Streit in der Textilindustrie zu vermitteln, angenommen.

Kunst und Wissenschaft.

Der Graphik⸗Verlag München, Zweigstelle Berlin⸗ Pariser Platz 7, veranstaltet eine bis zum 30. d. M. dauernde Sonderausstellung von Gemälden Alice Trübners und von plastischen Werken von Fritz Huf.

Die Aufgaben der Biochemie im nächsten Viertel⸗ jahrhundert. Die Btochemie, also die Chemie der Lebensvorgänge, gehört sicherlich zu den anregendsten und wichtigsten Forschungs⸗ gebieten. Was sollte es denn Interessanteres geben, als Einblick ge⸗ winnen in das Getriebe des feinstarbeitenden Laboratoriums, Or⸗ gantemus? Es wird jedermann einleuchten, daß aber gerade die Auf⸗ gaben, die die Biochemie zu lösen hat, zu den schwierigsten gehören. Wenn wir hier auch schon sehr erbebliche Fortschritte zu verzeichnen haben, so liegt doch, worauf Dr. F. Quade in der „Zeitschrift für ange⸗ wandte Chemie“ aufmerksam macht, gerade hier die Gefahr vor, daß man sich vielfach mit Arbeiten beschäftigt, die für den Fortschritt unserer Erkenntnis augenblicklich belanglos sein müssen. Um jeden Irrtum auszuschließen, sei bemerkt, daß Dr. Quade nicht etwa dafür eintritt, daß nun die Biochemie sich ausschließlich solchen Auf⸗ gaben zuwende, die vielleicht irgendeinen kechnischen Ersfolg versprechen; er legt nur Wert darauf, daß die Forschung sich zunächst solchen Arbeitsgebieten zuwendet, die nach dem gugenblicklichen Stande auch eine wirkliche Lösung zulassen Wir können es, so führt er etwa aus, bei den Geisteswissenschaften ja häufig beobachten, daß an die Lösung eines viel umstrittenen, doch in seiner tatsächlichen Bedeutung für die Gegenwart untergeordneten Problems eine gewaltige Arbeit gesetzt wird, deren Endergebnis keinen der aufgewandten Mübe entsprechenden Lohn bringen kann. Die Biologte, Physik und Chemie boten in der Zeit ihres mächtigen Auf⸗ blühens im vorigen Jahrhundert eine solche Fülle fruchtbarster Auf⸗ gaben, daß auch weniger originelle Geister dankbare Gegenstände der Bearbeitung fanden. Neuerdings aber treffen wir bei Durchsicht be⸗ sonders medizinischer und chemischer Zeitschriften auf eine groß⸗ Anzahl von Arbeiten, die eine gewisse Unüberlegtheit und Ideen⸗ armut des sonst geschickten, fleißigen und sorgfältig experimentierenden Verfassers verraten. So trifft man bei medizinischen Arbeiten etwa auf Funktionsprüfungen von Organen, die mangels Kenntnis verschiedener mitbestimmender biologischer Faktoren kein zuverlässiges Resultat ergeben können. Die chemischen Arbeiten, bei denen das Mißverhältnis zwischen Mühewaltung und Ergebnis auffällt, bringen wohl an sich ganz exakte Ergebnisse, aber der Fortschritt, den unsere Erkenntnis dadurch macht, ist oft fast belanglos. Es wäre daher erfreulich, wenn sich die Kräfte besonders der wissen⸗ schaftlich arbeitenden Physiologen und Chemiker, die ihre Geschicklich⸗ keit an unfruchtbare Themen verschwenden, in Bahnen leiten ießen, die schneller und sicherer zu für den menschlichen Fortschritt wichtigen Ergebnissen führen. Das weite Gebiet der Biochemie bietet solche Ausgaben in großer Fülle. Im Mittelpunkt aller biologischen Forschung steht das Eiweißvroblem, und aus ihm haben sich und werden sich noch für die Forscher eine Menge dankenswerter Arbeits⸗ gebiete ergeben. Ein genereller Fortschritt, der uns dem Ziele, die Konstitutton des Eiweiß aufzuklären, näher bringt, könnte aber nur dadurch erreicht werden, daß hödere Abbauprodukte aus Eiweiß rein dargestellt und nach analdvtischer Durchforschung syntbetisch, d. d. künstlich, aufgebaut werden. Hier sind aber die disher denußten Methoden so umständlich, daß die Reindarstellung und die Konstitutions⸗ ermittlung eines einzigen, noch nicht sehr hohen Abbauproduktes einen Forscher schon jahrelang beschäftigen würde. Deshalb weitt Dr. Ouade hier auf die synthetische Darstellung mit Hilfe von Fermenten als Hilfsmittel hin. Es sei sicher, daß in den nächsten 25 Jabren auf diesem Gebiete noch vielfach Pionierarbeit geleistet werden müsse und das Menschenalter vergeben würden, bis wir in die chemischen Funktionen des Protoplasmas den letzten, Menschen überhaupt mög · lichen Einblick gewinnen koͤnnten; aber der Lohn solcher Vorarbeiten werde auch ein entsprechender setn. Es werde möglich sein, üder den stofflichen Charakter jener Heinzelmännchen, die wir als Fermente bezeichnen, näheres zu erfabren. Wir würden vielleicht auch cin⸗ dringen können in den Mechanismus jener Vorgänge, die mit der Serumbildung, mit dem Wachstum der Geschwülste in Zusammen⸗ hang stehen, und dadurch würden der praktischen Medizin die Grund⸗ lagen für heute noch gar nicht zu üdersehende Erfolge gegeben. Nebenbei fei erwähnt, daß die emte auch für die Technik sehr befruchtend wirken kann. Wenn es gelange, die verschiedenen charakte⸗ ristischen Geschmacksstoffe, etwa des Eigeld, der Butter, des Kaviars. der Austern, genau zu erforschen und künstlich darzustellen, dann wäre ein Weg gewiesen, auch aus minderwertigen Fetten oder Eiwetßkörpern brauchbare Nahrungsmittel herzustellen.

Die klassischen Versuche von Pawlow haben Aufklaͤrung üder die Voꝛ gänge im menschlichen Magen gebracht; seit dieser Zeit ünd zablre che Untersuchungen über die Funktionen des Magens ausgeführt worden interessante Mitteilungen uüber die Magensaftabsonderung von Professor Carlson, Chicago, sind in der Zetischrift der amertkanschen medizinischen Gesellschaft wiedergegeben. Im Durchschniet beträgt diese Absonderung beim Erwachsenen nach einer Hauptmahlzeit 700 cbam, in 24 Stunden scheidet er 1500 cdem Magensast ab. Nicht allgemein bekannt dürfte die Tatsache sein, daß die Magendtüsen niemals vollständig in Ruhe sind, die ständige Magensastadson

nur selten beobachtet werden. Jedenfalls 8

die Deutung der von den Aerzten so häufig ausgeführten Magen⸗ analysen. Nach den Beobachtungen von Carlson vperursacht das bloße Kauen indifferenter Stoffe und die Ecregung der im Mande endenden Nerven durch andere Stoffe als durch Nahrungsmittel keine Absonderung von Magensaft. Es stimmt dies vollständig mit den Beobachtungen von Pawlow überein. Andere Beobachter geben wieder an, daß das Seben oder Riechen von Essen oder auch nur der Gedanke an wohlschmeckende Nahrung ebenso wie unter Umständen das Kauen von schaler oder abgestandener Kost eine etwas höhere Magensaftabsonderung verursachen kann. Jedenfalls ist aber zu berücksichtigen, daß hierbei versönliche Einflüsse und seelische Faktoren mitsprechen. Auch die Eßlust spielt bei der Magensaft⸗ absonderung eine große Rolle. Während des Kauens von Nahrungs⸗ mitteln betrug bei den Untersuchungen die durchschnittliche Magensaft⸗ absonderung 3,5 chm in der Mtinute; mit dem Aufhören des Kauens sank diese Hienge rasch. Das Kauen von Brot und Butter oder das Indenmundnehmen von Mllch lieferte viel weniger Magensaft als das Kauen von Fleisch und Apfelsinen. Möglicherwetse werden die Geschmacksnervenenden von den leicht lösbaren Substanzen, die das Geschmacksorgan in stärkerer Konzentratton treffen, stärker angeregt. Jedenfalls wird durch das Kauen von Früchten und Nachtisch am Ende einer Mahlzeit die Magensaftabsonderung erhöht und verlängert.

Literatur.

Predigtbuch der Dorfkirche. Unter Mitwirkung von Freunden der Dorfkirche herausgegeben von Johannes Fenner, Pfarrer. Berlin 1915. Deutsche Landbuchhandlung in Berlin. —, Die Freunde der Dorfkirche hatten schon seit längerer Zeit die Ab⸗ sicht, ein Predigtbuch für das deutsche evangelische Landvolk heraus⸗ zugeben, das sich insbesondere auch für Lesegottesdienste und für häus⸗ liche Andacht eignen sollte. Es ist zuzugeben, daß unsere Gemeinden und unsere Lehrer gerade jetzt nach einem solchen Buche verlangen. Gedruckte Kriegspredigten sind genug vorhanden, aber füt die schlichte Landbevölkerung meist zu hoch gehalten. Für unser Landvolk ist es not, daß alles das, was wir jetzt erleben, aus der Unruhe des Augen⸗ blicks und der Stimmung herausgehoben und in stillem Nachdenken, so wie es unseres Volkes Eigenart ist, in das Licht der Ewigkeit gestellt wird. Außerdem verlangt der deutsche Landmann für die Predigt in seiner Kirche Schlichtheit und Einfachheit. Die gestellte Aufgabe haben die Verfasser trefflich gelöst und ein Buch geschaffen, das von einer einheitlichen Grundstimmung und Grundanschauung getragen ist. Die vier Hefte des Buches umfassen: Kriegspredigten, Predigten für die Festtaage von Advent bis Epiphanien, Predigten für die Passions⸗ und Osterzeit sowie solche für die Pfingst⸗ und Trinitatiszeit. Bei der dringend notwendigen vaterländtschen Kriegsarbeit an den Seelen will die vorliegende Predigtsammlung mithelfen. Möge sie in viele deutsche Häuser gelangen und überall reichen Segen stiften.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Anwerbung von galizischen Schnittern.

Nach längeren Verhandlungen hat die österreichische Regierung, wie das „Zentralblatt der preußischen Landwirtschaftskammern“ be⸗- richtet, jetzt die Genehmigung zur Anwerbung von Arbeitern in den Flüchtlingsniederlassungen und Gemeinden in Oestetreich erteilt. Die Anwerbung darf nur erfolgen durch die Deutsche Arbeiterzentrale, die preußischen Landwirtschaftskammern und die entsprechenden Ver⸗ tretungen der Landwirtschaft in den anderen deutschen Staaten. Be⸗ dingung für die Anwerbung ist ferner, daß die Vertreter der genannten Körperschaften bestimmte Arbeitsverträge vorlegen; diesen Verträgen ist der Mustervertraäg der Deutschen Arbeiterzentrale für galtzische Arbeiter des Jahres 1914 mit den durch die deutsche Kriegsgesengebung gebotenen Aenderungen zugrunde zu legen. Wegen weiterer Einzel- heiten werden alle Landwirte, die galizische Arbeiter beschäftigen möchten, an die obengenannten Stellen verwiesen, wobei noch bemerkt sei, daß in erster Linie weibliche Arbeitskräfte und nur in geringer Zahl Männer aus Oesterreich zu erhalten sein werden. 1

Die Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien weist bei ihrer hierauf bezüglichen Mitteilung darauf hin, daß die Zahl der anzuwerbenden Arbeiter nicht dazu hinreicht, den Bedarf der Land⸗ wirtschaft zu decken, da ein Teil der Lager wegen Krankbeiten ge⸗ schlossen ist und die Arbeiter nach der Raumung Galtziens seitens der Russen wieder in ihrer Heimat Beschäftigung finden. Die genannte Kammer rät deshalb nach wie vor dringend, Kriegsgefangene für die Erntearbeiten zu verwenden. Polnische Arbeiter kämen noch all⸗ wöchentlich, aber nur in kleineren Gruppen herein. 8

Von der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen wird ausdrücklich darauf aufmertsam gemacht, daß die Anwerbung von der⸗ artigen Leuten zu den für die Russen festaesetzten Bedingungen voll⸗ ständig ausgeschlossen ist, da ihre Verpflichtung in den Lagern unter der Aufsicht der Behörden erfolgt und alle nicht das volle Deputat zugestehenden Arbeitsverträge kurzerhand zurückgewiesen werden.

Ueberweisung von Kriegsgefangenen zu landwirtschaft⸗ lichen und indnustriellen Arbeiten.

Der kommandierende General des VII. Armeekorps hat bezüglich der Ueberwetkung von Kriegsgesangenen zu landwirtschaftlichen und industriellen Arbeiten den nachttehenden Befehl erlassen:

„Um die einheimischen Arbenskräfte in noch größerem Umfange als bisher durch Ueberweisung von Kriegsgefangenen zu landwirt

wirtschꝛftlachen und industriellen Arbeiten ersetzen zu können, habe ich mich entschlossen in solchen Fällen, in denen die Unterbringung der bisber nur in Stärke don mindestens 80 Mann zugelassenen Trupps von Kriegsgefangenen nichtz möglich in, unter diese Zahl herunter⸗ zugehen und auch Kellere Trupps, ader in Stärke von mindestens 30 Mann, abzugeben. Indessen darf unter keinen Umstärden dadurch die Gesahr des Entweichens vergrößert werden. Die Jadhl der Mumärwachtmannschaften, die nur 10 % der Gefangenen betragen darf, kann nicht erböht werden. Voraussetzung für die Ge⸗ stellung kleinerer Trupos ist daher, daß zur Ueberwachung auf den Ardeitsstelen, nötigenfalls auch in den Nachtquartieren und beim Hin⸗ und Rückrrangport Hilfsmannschaften aus dem Zidilstande zur Ver⸗ tretung und Ergänzung der Militärwachtmannschaften von den Arbeit⸗ gebern gesttellt werden, und daß die Unterkunftsräume den im Interesse der milmärrschen Sicherheit zu stellenden Anforderungen genügen.“ (Zentraldlatt der preußischen Landwirtschaftskammern.)

Theater und Mufik.

chillertheater Charlottenburg wird am Sonn⸗ Rand der Sabinertnnen“ in neuer Einstudierung zum gegeben.

n Wilbelm⸗Gedächtniskirche veranstaltet

er Fischer morgen, Donnerstag, Abends 6—7 Uhr, ein Orgelkonzert, bei dem Frau Marta Thanner (Sepran), Frau Marze Seret⸗van Eyken (Alt) und Herr Ossip Schuirlen (Violinc) mitwirken. Eintrittskarten zu 1 und 50 sünd dei Bote u. Bock, im Warenhaus A. Wertheim und Abends am Eingang der Kirche zu haben. Die Einnabme wird dem Verein

banenalse. zut derung von Kriegsnot überwiesen. 8

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Mannigfaltiges. Berlin, 16. Juni 1915. .“

Am gestrigen Todestage des Kaisers Friedrich legte, Blättern zufolge. Ibhre Königliche Hoheit die Prinzessin Eitel⸗Friedrich im Namen Ihter Katserlichen und eden Matestäten Kränze und Blumengewinde am Grabdenkmal taten in der Friedenskirche in Potsdam nieder. Auch⸗

schwankt von 2— 50 cem in der Stunde, wenn auch die hehen Werte

Ihre Kacserlichen und Köntglichen Hoheiten der Kronprinz und die