1915 / 140 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Jun 1915 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Dem Superintendenten Nordmann in Groß Nenndorf ist die Superintendentur der Diözese Grafschaft Schaumburg, Regierungsbezirk Cassel, übertragen worden.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 29

der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter Nr. 11 434 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Anhalt über die Erhebung der Schiffahrts⸗ und Flößerei abgaben auf der Saale, vom 19./23. April 1915. 8 Berlin W. 9, den 17. Juni 1915. 1 11“”“ Keanigliches Gesetzsammlungsamt. rüer. 8

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 17. Juni 1915.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielt der Ausschuß für Handel und Verkehr eine Sitzung.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 542 und 543 der Deutschen Verlust⸗ listen bei. Sie enthalten die 251. Verlustliste der preußischen Armee, die 191. und 192. Verlustliste der bayerischen Armee die 203. und 204. Verlustliste der württembergischen Armee.

Braunschweig.

Zum Gedächtnis des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der am 16. Juni 1815 auf dem Schlachtfelde von Quatre⸗Bras gefallen ist, fand gestern vor⸗ mittag in Braunschweig vor dem Denkmal der Herzöge Karl Wilhelm Ferdinand und Friedrich Wilhelm auf dem Löwen⸗ wall eine schlichte, ernste Feier statt, der Ihre Königlichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin, die Spitzen der Behörden, das Militär, zahlreiche Vereine, Ver⸗ treter der studentischen Korporationen usw. beiwohnten. Nachdem Seine Königliche Hoheit der Herzog einen großen Eichenkranz mit Schleife und den Initialen des Herzogspaares am Denkmal niedergelegt hatte, hielt der Hof⸗ und Domprediger Dr. von Schwartz die Festrede, in der er unter Zugrundelegung des Wortes Offenbarung Johannis 2, Vers 10: Sei getreu bis in den Tod! ein Lebensbild des Herzogs Friedrich Wilhelm gab, auf die Gegenwart hinwies, in der uns wieder so recht das Ver⸗ ständnis für die Größe der Zeit vor hundert Jahren zum Bewußtsein komme, und ermahnte, gleich dem Heldenherzog durchzuhalten und getreu zu sein bis in den Tod. An die Ansprache schloß sich das Gebet um endlichen Sieg und dauernden Frieden. Hierauf richtete Seine Königliche Hoheit der Herzog Ernst August, wie „W. T. B.“ meldet, folgende Worte an die Festversammlung:

Nach dem Vorbild unseres Heldenherzogs und nach alter Väter Art beweisen unsere Brüder im Felde durch bewunderungswürdige Heldentaten, die wir ihnen nie vergessen werden, ihre Treue zum Vaterlande. Wollen auch wir, jeder an seinem Platz, durch treue Pflichterfüllung der geliebten Peimat dienen! Im Bewußtsein unserer inneren Einheit mit unseren Kriegern draußen erneuern wir unser Treugelöbnis in dieser Feierstunde durch den Ruf: Seine Majestät der Kaiser Hurral Hurra! Hurra!

Die Festversammlung stimmte begeistert ein und sang die Nationalhymne und zum Schluß: Deutschland, Deutschland über alles!

. Oesterreich⸗Ungarn.

Der Armeeoberkommandant Feldmarschall Erzherzog Friedrich hat, wie „W. T. B.“ meldet, das nachstehende Befehlsschreiben erlassen:

Die rasche Vorrückung der Armee gegen die San⸗Dinestr⸗Linie ist teilweise der schnellen Wiederherstellung und der sofortigen Betriebs⸗ aufnahme auf den notdürftig eingerichteten Eisenbahnlinien zu verdanken. Ich habe mit besonderer Genugtuung wahrgenommen, daß der Be⸗ trieb der von dem Gegner gründlich zerstörten Bahnen mit dem Vor⸗ rücken der Armee gleichen Schritt hielt, und daß in der kurzen Zeit von 24 Tagen 757 km Babhnstrecke, darunter 227 km dovppelglelsig, fahrbar gemacht und in Betrieb genommen wurden. Die außer⸗ ordentlichen Verdienste der Eisenbahntruppe um die Herstellung von zerstörten Strecken habe ich bereits gewürdigt. Die sofortige Auf⸗ nahme des Betriebes ist den mit besonderer Umsicht und Fachkenntnis getroffenen Vorbereitungen und Anordnungen für die Bereitstellung und Peranbringung von Eisenbahnbediensteten, Bergungsgütern und aller Be⸗ triebsgegenstände zu verdanken, sowie der werktätigen, kraftvollen Unter⸗ stützung aller beteiligten Organe und Abteilungen des Feld⸗ und Reserve⸗ telegraphen, die sich um die rasche Herstellung der Fernleitungen mit besonderem Eifer bemühten. Das Eisenbahnministerium, die Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen sowie die Militär⸗Eisenbahn und ⸗Telegraphenbehörden haben sich bierbei besondere Verdienste erworben und hierdurch die Vor⸗ rückung der Armee wesentlich gefördert. Ich spreche daher diesen Behörden vollste Anerkennung und Dank im Namen des Allerhöchsten Dienstes aus. (gez.) Erzherzog Friedrich, Feldmarschall.

Großbritanuien und Irland. 1

Das Unterhaus hat gestern den Ergänzungsetat einstimmig angenommen. Ueber den Verlauf der Sitzung liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor: Der Premierminister Asgnith sagte auf eine Anfrage, die Verluste an Offizieren und Mannschaften bei der Flotte, den Seesoldaten und der Royal Naval Division betrügen bis zum 31. Mai einschließlich der Verluste beim Untergang des „Bulwark⸗ und anderen Unglücksfällen an Toten 549 Offiziere und 7696 Mann, an Verwundeten 181 Offiziere, 2262 Mann, an Ver⸗ mißten 74 Offiziere, 2785 Mann, Summe 3804 Offiziere und 12 743 Mann. Der Abg King, liberal, fragte darauf, ob die Regierung entsprechend vorhergehenden Fällen und den Rechten des Hauses Anleihen, Unterstützungen und Munitionslieferungen für die Verbündeten durch besondere Abstimmungen bewilligen lassen würde. As quith antwortete, er sehe keinen Grund, von der bisherigen Praxis ubzugehen, nach der die Unterstützungen der Verbündeten durch allgemeine Kreditbewilligungen erzielt werden. King fragte, ob es nicht den Rechten des Parlaments eantspreche, daß alle Bewilligungen für fremde Mächte mit der Angabe des Betrages und der Macht, die sie erhielte, einzeln aufge⸗

zählt würden. Asquith erwiderte, daß dies eine sehr heikle Frage sei und er keine allgemeinen verartigen Zusicherungen machen möchte. Darauf führte der Premierminister über die Koalitron aus, er habe durchaus nicht unter dem Droch außerparlamentarischer Einflüsse, vorübergebender Verlegenheit oder augenblicklicher parlamentarischer Bedürfnisse gehandelt. Es sei die schmerzlichste Erfahrung seines politischen Lebens gewesen, sich von Kollegen zu trennen, die unter dem Druck neuer, unvorhergesehener Verantwortlich⸗ keiten mit unermüdlicher Loyalität und seiner Meinung nach mit bei⸗ spiellosem Erfolg die schwerste Aufgabe erfüllt hätten, die jemals auf den Schultern britischer Staatemänner gelastet habe. Keine Körperschaft hätte nach seinem wohlüberlegten Urteil mehr tun, oder es besser machen können. Der Redner belonte, daß er seinen poli⸗ tischen Grundsätzen durchaus treu geblieben sei, nichts dabon aufgegeben habe und auch in Zukunft, wenn er eine Zukunft habe, dafür wirken werde. Dasselbe gelte von den neuen untionistischen Kollegen. Weshalb sei dann diese Umwälzung des ganzen polikischen Lebens herbeigeführt worden? Die Anforderungen, die die Lage an die Tatkraft und den Patriotismus der Nation und in ganz ausnehmendem Maße an die Geduld und Vorautsicht der Regierung und an das gegenseitige Vertrauen stelle, könnten an keinem früheren Vorgang gemessen werden. Das politische Ziel, nämlich den Krieg in einem siegreichen Ende zu führen, habe sich nicht geändert, und durch Personalveränderungen im Ministerium hätte nichts Nennenswertes erreicht werden können. Aber er sei langsam, mit Widerstreben und schließlich doch ohne Zweifel und Zaudern zu dem Schlusse gekommen, daß eine solche Verbreiterung der Grund⸗ lage der Regierung notmwendig wäre. Dadurch verliere sie auch den Anschein eines einseitigen oder Parteicharakters, und es werde nicht nur dem britischen Volfe daheim und jenseits des Meeres, sondern auch der ganzen Welt, den Verbündeten, den Feinden und den Neutralen, zweifello⸗ bewiesen, daß das britische Volk nach fast einem Jahre des Krieges entschlossener sei als je, alle Unter⸗ schiede zu vergessen, alle persönlichen, politischen, sittlichen und sachlichen Kräfte zur Verfolgung des Zieles zu vereinen. Allen jetzigen Ministern sei der Gedanke der Koalition unange⸗ nehm. Aber die große nalionale Not fordere von allen sichtbare Zusammenarbeit, an der Männer aller Richtungen und Parteien teil⸗ nehmen. Es sei ein großes und, wie viele glauben, gefährliches Wagnis, das keiner von ihnen gewünscht habe. Er persönlich habe keinen politischen Ehrgein. Der Gedanke, daß das englische Volk Teilnahmslosigkeit beweise, sei dle bösartigste Verleumdung. Der Augenblick sei nicht geeignet, die militärische und internattonale Lage zu erörtern. „Wir müssen fortfahren“, schloß Aequith, „den blinden Ratschlägen der Hosterie und der Furcht kein Gehör zu geben. Wir haben im Augenblick die eine einfache und überragende Pfl cht zu er⸗ füllen, den Dtensten des Staates die bereitwillige und organisierte Hilfe j der Klasse der Bevölkerung zuzuführen“. Der Untonist Cecil betonte die dringende Notwendiakeit der Sparsamkeit. Die Nationalschuld werde dald auf zwei Milliarden steigen. Es herrsche der Etndruck, daß unnötig Geld ausgegeben werde. Der Redner führte mehrere Beispiele an und erwähnte, daß in einer von der Regterung verwalteten Fabrik gelernte Arbeiter 8 Pfund Sterling Wochenlohn erhielten. Das Beispiel der schlechten Staatswirtschaft wirke auf die Privatwirtschaft zurück. Cbiozza Money (iiberal) kritisierte die Methode der Rekrutierung. Die Aufstellung der neuen Armeen dürfte 500 Millionen Pfund Sterling gekostet haben. Er fürchte, daß England den Krieg finanziell nicht durchhalten könne, die Regierung werde früher oder später zu einer Zwangsanleihe greifen müssen; da sei es zweckmäßig, sie sofort ins Auge zu fassen, das würde automatisch bei der Nation Sparsam⸗ keit bewnken Der Kanzler des Schatzamts Mac Kenna erwiderte, es werde häufig überseben, daß Großbritannien gegen die Verbündeten gewisse Nerpflichtungen übernommen habe. Es habe sich nicht nur verpflichtet, die Meere ihrem Handel offen zu halten, sondern auch ihre Einkäufe im Auslande größtenteils zu finanzieren. Daber sei sofortige naftonale und häusliche Sparsamkeit notwendig. Sparsamkeit sei notwendig, um den Kredit zu erhalten. Sie werde die Fonds schaffen, wenn auch der im Frieden erwartete Rückgang des Handels eintrete. Wenn Chiozza Money gesagt habe, England könne vier Millionen Soldaten und vier Millionen Arbeiter zur Herstellung von Munition aufbringen, während siebzehn Millionen die gewöhnliche Friedensindustrie fortsetzen könnten, so glaube er nicht, daß eine solche Reservekraft an Industrie oder Kapital in England vorhanden sei. Im Lande bestehe nicht genug Energie, um alle Friedensgüter zu er⸗ zeugen, deren man bedürfe und die man für die Ausfuhr brauche. Es müßte von Amerika sehr viel mehr für den eigenen Bedarf importiert werden als im Frieden. Großbritannten habe nicht nur seine amerikanische Etnfuhr, sonbdern auch diejenige anderer Staaten zu bezahlen, könne aber seine amerlkanischen Werte nur in beschränktem Umfange oder zu niedrigsten Pretsen, das heißt, mit dauerndem Schaden für seine Finanzlage verkaufen. Erst wenn Großbritannien seinen eigenen Bedarf gedeckt habe, komme der Ueberschuß seiner industriellen Kraft für die Ausfuhr zur Bezahlung seiner Einfuhr in Beiracht; es müsse also äußerst sparsam sein, um seine Zahlungsfähigkeit gegenüber dem Auslande zu erhöhen, und müsse große Opfer bringen, um seine finanzielle Vormachtstellung zu behalten und auch auf diesem Gebiete Sieger zu bleiben. Sir Frederie Banbury beklagte die unnützen Ausgaben der Stadt⸗ verwaltungen und lehnte den Gedanken einer Zwangsanleihe für jetzt ab. Collins (Iiberal) forderte Loxussteuern, da sonst Ermahnungen zur Sparsamkeit keinen Eindruck auf die Arbeiter machen würden, und schlug die Errichtung einer Zentralstelle vor, die amerikanische Wert⸗ papiere ljammeln, gegen englische Stastsvapiere eintauschen und in New York verkaufen könnte. Sir Henry Dalziel billiate die Bildung des Koalitionsministeriums, da die frühere Regierung aus zu großem Selbstvertrauen alle von außen kommenden Vorschläge abgetehnt hätte; nun würden endlich nach neun Kriegsmonaten kauf⸗ männische Methoden bei der Munititonsbherstellung angewandt. Der Redner begrüßte es, daß schon neun Monate lang die Baumwoll⸗ einfuhr nach Deutschland verhindert worden sei, fragte sodann, ob Aesquith, wie in Newcastle den Munitionsmangel in Abrede stellen könne, äußerte seinen fortdauernden Zweifel an der Zweckmäßig⸗ keit des Dardanellenunternehmens, das viel schwerer set, als die Nation hätte ahnen können, und sprach die Hoffnung aus, daß Asquith erklären könne, daß die Regierung das Unter⸗ nehmen ebenso hoffnungsvoll ansehe wie Churchill Dillon (trischer Nationalist) erklärte, seine Partei habe nicht begriffen, weshalb die frühbere Regierung trotz ihrer Unterstützung durch das Parlament zurückgetreten sei, und berzauerte, daß die Ulsterpartei nicht wie die Iren, dem Ministerium ferngeblieben sei. Der Premierminister Asquith erklärte, seine Aeußerungen in Nencastle beruhten auf der Meinung der besten Autoritäten in diesen Dingen; über bisherige oder künftige Operationen an den Dardanellen zu sprechen, liege nicht im öffentlichen Interesse, sie würden aber zum Erfolge führen. Marktham (liberal) äußerte, der wegen der Kriegführung besorgten Nation könne die Kriegsverwaltung kein Gefühl der Sicherhelt geben; die Schuld an dem Munitionsmangel liege entweder bei dem Ordinance office oder bei Kilchener; er griff Kiltchener an, der im Kriegsministerium nicht auf seinem richtigen Platze stehe und besser zum Höchstkommandierenden ernannt worden wäre. Er erzählte, daß Zehntausende von Leuten, darunter Bergarbeiter, monatelang ge⸗ drillt worden sein, ohne ein Gewehr zu sehen; das sei törichte Ver⸗ schwendung. Er bedauerte, daß Haldane, der beste englische Kriegs⸗ minister, nicht im Kabinette sei, und schloß, seine Freunde würden das Kabinett unterstützen, damit der Krieg erfolgreich zu Ende geführt werde, sich aber ihre Redefreiheit, auch gegenüber dem Kriegeamte, nicht nehmen lassen, dessen Verschwendung und Unfähigkeit nach dem Kriege einen großen Skandal hervorrufen werde; hoffentlich werde der neue Schatzkanzler das Kriegkamt im Zaume halten.

„Amtlich wird mitgeteilt, daß die Behörde Public Trustee Verzeichnisse der Forderungen britischer Unter⸗ tanen an Personen in feindlichen Ländern und des Besitzes britischer Untertanen in den feindlichen Ländern au⸗

legen wird. Die Tätigkeit des Public Trustee beschränkt sich auf die Feststellung solcher privaten Forderungen und bedingt keinerlei Verpflichtung für die Regierung.

Die gestern veröffentlichte Verlustliste enthält die Namen von 122 Offizieren und 1869 Mann, die heutige zählt 38 Offiziere und 3420 Mann auf.

Frankreich. . Wie der „Matin“ aus Le Havre meldet, beginnen die belgischen Aushebungsausschüsse am 21. Juni die Arbeiten für die Aushebung des belgischen Kontingents für 1915 in Frankreich. Alle tauglich befundenen Belgier von 18 bis 25 Jahren werden sofort ins Ausbildungslager gebracht. Die Zahl der eingetragenen Belgier beträgt über 15 000. 2 Italien. * Wie das italienische Amtsblatt meldet, Erlaß das Finanzministerium zur Ausgabe weiterer zwei⸗ hundert Millionen Lire in Staatsnoten zu zehn Lire. Der Nominalwert der neuen Ausgabe soll teilweise dazu dienen, die alten, bereits lange im Kurs befindlichen und zerfetzten

Noten zu ersetzen. Schweiz.

Im Nationalrat kam es gestern bei der Spezial⸗ beratung über den Geschäftsbericht des Bundesrats neuerdings zu einer großen Neutralitätsdebatte, über deren Verlauf „W. T. B.“, wie folgt, berichtet:

Der Sozialtst Sigg⸗Genf führte aus, daß angesichts der all⸗ seitigen Erklärungen über die Achtung der Schweizer Neutralität für die Schweiz keine dringliche Gefahr mehr bestehe. Darum sollte de Zensur aufgehoben werden, die verfassungswidrig set. Der Bundesrat Holfmann, der Leiter der politischen Abteilung, antwortete, wenn die Zensut verfassungswidrig wäre, so stünde auch alles außerhalb der Verfassung, was der Bundesrat seit dem 3. August auf Grund der allgemetnen, ihm vom Parlament erteilten Vollmachten geschaffen habe. „Die Zensur ist“, so fuhr der Redner fort, „seibstverständlich eine Einschränkung der Preffefreiheit, aber eine Einschränkung, die die Staatsnotwendigkeit verlangt. Ich glaube nicht an einen tiefgehenden Gegensatz zwischen Welsch und Deuksch. Der von Ador gestern auf⸗ gestellte Gegensatz in der germanischen und romanischen Auffassung ber das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, trifft nicht ganz zu. Wir Deutsch⸗Schweizer stehen nicht auf dem Standpunkt der All⸗ gewalt des Staates, aber ebensowenig ist der vom Doktrinarismus angekränkelte Standpunkt der absoluten Freiheit Wirklichkeit. Die Zensur bekämpft in erster Linie die Sensattonspresse. Unwahr ist, daß die Zensur willkürlich und partelisch arbeitet. Da wir die Segnungen der Neutralität genießen wollen, müssen wir auch die Pflichten eines neutralen Landes tragen. Und diese Pflichten hat der Staat als Gesamtheit der Bürger zu übernehmen. Wenn wir Schweizer uns alle⸗ samt immeer an diese Einheit erinnern, dann gibt es niemals einen Grahen zwischen Welsch und Deutsch. Gewiß haben wir z vei Köpfe: den feinen romanischen und den dicken deutichen Kopf. Wir wollen beide behalten. Wir haben aber nur ein Herz, das füͤr das gemein⸗ same Vaterland schlägt.’“ Streuli⸗Zürich (freisinnig) vertrat den Standpunkt, daß die Erörterung über die Zeitereig isse jetzt nicht so getührt werden könne wie in gewöhnlichen Zeiten. Ein unvorsichtiges Wort könne den Brand auch für die Schweiz entfesseln. Secretan⸗ Lausanne (liberalkonservativ) wandte sich neuerdings agegen die straffe Handhabung der Zensur. Auffallend sei, daß der Bundesrat Hoff⸗ mann nur Maßregelungen welscher Blätter angekührt habe, während be⸗ kanntlich auch deutsch⸗ schweizerische verwarnt worden seien. Der welsche Freiheitsbegriff sei unvereinbar mit dem deutsch⸗schweizerischen Standpunkt, der in der Staatshobeit das letzte Wort der 3ndug sieht. „Aber auf vatiotischem Boden“, so sch’oß der Redner, „kernen auch wir keinen Graben wischen Welsch und Deutsch“. Bossi⸗ Tessin (Freisinnig), der Verfasser des von der Zensur unterdrückten und dann in einem italienischen Blatt erschienenen Artikels über ein Einschreiten der Schweiz gegen die Zentralmächte, erklärte, er habe über das Eintreten aller Neutralen für Freiheit und Recht ge⸗ schrieben, nicht aber für ein bewaffn tes Emgreifen der Schweiz.

Der Bundesrat möge die eiserne Faust nach allen N chtungen gleich⸗

mäßig gebrauchen. Buehlmann⸗Bern (Freisinnia) wandle sich gegen den Vorwurf, als ob die Deutsch⸗Schweizer eine mangelhafte Auffassung von Freiheit und Unabhänigkeit hätten. Ihre Geschichte schuͤtze sie vor diesem Verdacht. „Wir ordnen“, so führte der Redner weiter aus, „die Freibeit des einzelnen der Staats⸗ notwendigkett deshalb unter, um den Staat umso besser zu schützen. Der Ernst der Lage, in der wir in der Schweiz leben, wird viel zu wenig erkannt, obwohl sich unsere Lage von Tag zu Tag verdüstert. Darum versteben wir gewisse Aufreizungen nicht, und wir bedauern es, daß es ein Mitglied des Rats war, das zu einem Eingreifen der Schweiz aufforderte. Wir Deutsch. Schweizer nennen so etwas Hochverrat. Wir alle sollten beherrscht sein von dem einen Gedanken, daß wir in erster Linte Schweizer sind. Der Bundespräsident Motta ant⸗ wortete Bossi, mehrfach von lebhaftem Beifall unterbrochen, m italienischer Sprache, daß Mißgriffe der Zensur in Tessin zuzugeben wären, allein die von Bossi vertrerenen Theorien seten verwerflich, sie widersprächen der neutralen Stellung und der internationalen Mission der Schweiz. Die „Gazette Ticinese“, das Blatt Bossis, habe schon wiederholt Anlaß gegeben, mit Recht ein zuschreiten. Erst gestern habe sie sich gegenüber dem in Lugano sich aufhaltenden deutschen Gesandten am Vatikan Unfreundlich⸗ keiten erlaubt. Er (Motta) sei ein Anhänger der Pressefreiheit, aber es gebe einen Mißbrauch dieser Freiheit, der im gegewärtigen Augenblick dem Staate gefährlich werden könne. Jetzt müsse aller innerer Streit vermieden werden. Die Beziehungen der Schweiz zu den Kriegführenden seien ausnahmslos aut, denn alle Staaten hätten sie korrekt behandelt. Das beilige Asylrecht, dos die Schweiz den Bürgern aller Staaten von jeher gewährt habe, werde streng geschützt werden und nicht werde geduldet werden, daß das Schweizervolk gegen Angehörige irgend eines Staates aufgehetzt werde. Die Ueber⸗ lieferung und die Aufgabe der Schweiz im Kreise der Völker weise ihr eine streng neutrale Stellung zu. Ste werde alles daran setzen, sie zu bewahren. Die Sozialisten Ryser⸗Biel und Pflüger⸗Zürich polemisterten ebenfalls gegen die Handhabung der Zensur, während Bühler⸗ Bern (freisinnig) sich zu der Auffassung des Bandesrats bekannte. Wuillemin⸗Genf (linkgfreisinnig) wandte sich heftig unter wachsender Unruhe des Hauses gegen die innere Neutralitätspolitik des Bundes⸗ rats. Er erklärte, die welschen Schweizer ließen sich ihre Freibeit nicht nehmen, gegen die. Verletzung von Verträgen durch einen kriegführenden Staat Einspruch zu erheben. Bofsi polemisierte unter immer stärker werdender Unruhe und viel⸗

fachen Zwischenrufen gegen den Bundespräsidenten Motta, der als

erster Tessiner seinen eigenen Kanton anschwärze. Der Bundes⸗ präsident Motta rief, daß er nicht gegen seinen Heimatskanton Tessin gesyrochen habe, sondern gegen das neutralitätswidrige Ver⸗ halten Bossis, der kein Recht habe, sich mit dem Tessiner Volk zu identifiieren. Unter allgemeiner Unruhe schloß der Präsirent Bonjeur

die Sitzung. 8 Griechenland.

Der vorgestern abend veröffentlichte Bericht über den Zustand des Königs besagt laut Meldung des „W. T. B.“:

Temperatur 37,4, Puls 104 mit Unterbrechungen, Atmung 20. Der Zustand der Wunde ist normal, dicker Eiter ist aus ihr aus⸗ geflossen. Das Allgemeinbefinden ist unverändert. Der Darmkatarrh dauert an, ebenso die Nierensymptome. Die Nacht war verhältnis⸗ mäßig ruhig. 8

Die endgültigen Ergebnisse der Kammerwahlen sind noch nicht ganz festgestellt. Nach Meldungen der „Agence d' Athénes“ behauptet die liberale Partei, über 180 Mandate

ermächtigt ein

nicht wieder heran.

1“ E z 8 8 nt insgesamt 316 Abgeordneten erreicht zu haben. Anderer⸗ unter mbert die Regierung, daß sie 151 Anhänger bei den

chgebracht habe. Die ehemaligen Minister des Fabinetts Venizelos sind wiedergewählt, mit Ausnahme des

2 jnij 3 Finanzministers. Afrika. 8

einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus IöüN ist das Prozeßverfahren gegen den General Dewet gestern fortgesetzt worden. Aus dem nun⸗ Zehr beendeten Verhör der Belastungszeugen ging hervor, welcher Schaden durch Dewets Anhänger an Regierungs⸗ entum angerichtet worden ist. Der Oberst Fowl erklärte, Anzahl der aufständischen Freistaats⸗Buren mehr als 7000 betragen habe. Bei Beginn des Aufruhrs habe der Oberst Maritz 890 Mann gehabt und Kanonen sowie 600 000 Gewehrpatronen mitgenommen. Perschiedene Entlastungszeugen blieben bei der Erklärung,

eigentu daß die

lpaß nach der Auffassung der Buren der Aufstand lediglich

8 Protest gegen den Feldzug gegen Deutsch Süd westafrika gewesen sei. Ein Zeuge sagte aus, Dewet habe er⸗ klart, die Waffen seien nörig, um diesen Protest wirksam zu machen. Der Burenführer General Kempf, der ebenfalls als Belastungszeuge auftrat, sagte aus, daß die Versammlungen auf Lightenburg⸗Kopjes nur als Einspruch gegen den Feldzug gedacht waren. Von der Errichtung einer Republik sei keine Rede gewesen. Nichts sei gesagt worden, was als Drohung gegen die Flagge der Union betrachtet werden könnte, und keine Verschwörung zu einem Kriege gegen den König sei angezettelt worden. Vor dieser Zeit sei unter den Bürgern kaum die Rede von einem Aufstand gegen die Regierung gewesen. Die

Mehrzahl der Anhänger Obersten M ritz seien unerfahrene

[funge Leute gewesen.

1 (W Wieder einmal veranlaßt durch die russischen Niederlagen, griffen Franzosen und Engländer gestern an vielen Stellen der Westfront mit starken Kräften an. Den Engländern gelang es bei Ypern, unsere Stellung nördlich des Teichs von Bellewaarde etwas zurückzudrücken. Es wird dort noch gekämpft. Dagegen sind 15 ei Angriffe von vwier englischen Divisionen zwischen der Straße Estaires -La⸗Bassée und dem Kanal von La⸗ Basséöe vollkommen zusammengebrochen; unsere tapferen westfälischen Regimenter und dort, einge⸗ trooffene Teile der Garde wiesen den Ansturm nach erbitterten Nahkämpfen restlos ab. Der Feind hatte schwere Verluste; er ließ mehrere Maschinengewehre und einen Minen⸗ werfer in unserer Hand. An die Stellungen der mit größter Zähigkeit sich behauptenden Badener bei der Loretto⸗Höhe wagte sich der Feind nach seinen Niederlagen am 13. und 14. Bei Moulins⸗sous⸗Touvent ist der Kampf noch im Gange. Ein feindlicher Durchbruchs versuch in den Vogesen zwischen den Bachtälern der Fecht und Lauch scheiterte; dort wird nur noch nordnestlich von Metzeral und am Hilsenfirst gekämpft; im übrigen sind

die Angriffe schon jetzt abgeschlagen. Oberste Heeresleitung.

Berlin, 17. Juni. (W. T. B.) In der Nacht vom 15. zum 16. Juni haben unsere Marineluftschiffe einen Angriff auf die Nordostküste Englands ausgeführt. Ein befestigter Küstenplatz wurde mit Bomben be⸗ worfen, durch die eine Reihe industrieller Anlagen, darunter ein Hochofenwerk, in Brand gesetzt und zum Deil zerstört wurde. Die Luftschiffe wurden stark be⸗ schossen, besonders heftig von einer Strandbatterie. Letztere wurde angegriffen und zum Schweigen gebracht. Die Luftschiffe érlitten keinerlei Beschädigung.

Der Stellvertretende Chef des Admiralstabes. gez. Behncke.

——

Oestlicher Kriegsschauplatz.

8 Großes Hauptquartier, 16. Juni. (W. T. B.) Russische Angriffe gegen die deutschen Stellungen am Dawinaabschnitt (südöstlich von Marjampol), östlich von ugustow und nördlich von Bolimow wurden abgewehrt. Unser Vorstoß auf der Front Lipowo Kalwarja gewann weiteren Boden. Mehrere Ortschaften wurden ge⸗ nommen, 2040 Gefangene und 3 Maschinengewehre erbeutet Oberste Heeresleitung.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Großes Hauptquartier, 16. Juni. (W. T. B.) Nördlich der oberen Weichsel wiesen die Truppen des Generaloberst von Woyrsch russische Angriffe gegen Stellungen ab, die wir am 14. Juni den Russen entrissen haben. Die gesc=hlagenen russischen Armeen versuchten gestern auf der gangen Front zwischen dem San nördlich von Sieniawa und den Dnjestr⸗Sümpfen östlich von Sambor die Ver⸗ folgung der verbündeten Armeen zum Stehen zu bringen. Am

bend waren sie überall aus ihren Stellungen bei Cieplice (nördlich von Sieniawa) südwestlich Lubas zow⸗ Jawadowka⸗Abschnitt (südwestlich Niemirow) westlich Faworow westlich Sadowa Wisznia nach hartem Campf geworfen. Es wird verfolgt. Die Armee des Generaloberst von Mackensen hat seit dem 12. Juni über 40 000 Mann gefangen genommen und 69 Maschinen gewehre erbeutet. Zwischen den Dnjestr⸗Sümpfen und Zurawno haben die Russen etwas Raum gewonnen; die besamtlage ist dort unverändert. Oberste Heeresleitung.

Wien, 16. Juni. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet:

In Galizien konnten die Russen dem allgemeinen Angriff er verbündeten Armeen trotz zähester Gegenwehr nicht stand⸗ halten. Von unseren siegreichen Truppen hart verfolgt, weichen 8 Reste der geschlagenen russischen Korps über Cewkow, Lubaczow und Jaworow zurück. Südlich der Lem⸗ er Straße hat die Armee Böhm⸗Ermolli heute ssischen Stellungen auf der ganzen

zund den Feind über Sadowa Wisznig zurückgeworfen.

schinengewehre und 58 Munitionswagen erbeutet.

wird im Vorfelde der Brückenköpfe gekämpft. Truppen der Armee Pflanzer haben gestern früöh Nizniow ge⸗ nommen.

Die bisherigen Schlachten und Gefechte des Monats Juni haben reiche Beute eingebracht. Vom 1. bis 15. dieses Monats ergibt sich als Gesamtsumme: 108 Offiziere, 122 300 Mann gefangen, 53 Geschütze, 187 Ma⸗

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalleutnant. 4

Südlicher Kriegsschauplatz.

Wien, 16. Juni. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Die Italiener versuchten neue vereinzelte Vorstöße, wurden aber allenthalben abgewiesen: so am Isonzo bei Mon⸗ falcone, Sagrado und Plava, an der Kärntner Grenze in der Gegend östlich des Plöcken, im Tiroler Grenzgebiete ei Peutelstein.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.

von Hoefer, Feldmarschalleutnant. 8

Der Krieg zur See. 111“

London, 16. Juni. (W. T. B.) Nach einer „Lloyds“⸗ Meldung aus Stornoway ist der norwegische Dampfer „Davanger“ („Stavanger“ 2), von Liverpool nach Archangel bestimmt, am 14. Juni⸗bei den Hebriden versenkt worden.

Amsterdam, 16. Juni. (W. T. B.) Wie das „Handels⸗ blad“ meldet, ist das holländische Fischerfahrzeug „Breskens 19“ bei Knocke auf eine Mine gelaufen und in die Luft geflogen. Von der Besatzung wurden vier Mann getötet.

Göteborg, 16. Juni. (W. T. B.) Der schwedische Dampfer „Thorsten“, der in regelmäßiger Fahrt zwischen Göteborg und England verkehrt, wurde heute früͤh bei Vinga⸗ von den Deutschen aufgebracht. Der Dampfer hatte Stück⸗ gut und sechs Passagiere an Bord: ein deutscher Hilfskreuzer führte den Dampfer in südlicher Richtung, wahrscheinlich nach Swinemünde.

Stockholm, 17. Juni. (W. T. B.) Beim Ministerium des Aeußern eingelaufenen Nachrichten zufolge ist der eng⸗ lische Kohlendampfer „Arndale“ auf der Fahrt nach Archangelsk am 12. Juni auf eine Mine gestoßen und dreizehn Seemeilen südlich von Kap Orlow gesunken. Drei Mann der Besatzung sind umgekommen. Mehrere Kapitäne teilen mit, daß sie Minen am Eingang des Weißen Meeres gesehen hätten.

Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.

Konstantinopel, 16. Juni. (W. T. B.) Das Haupt⸗ quartier teilt mit: An der Dardanellen⸗Front bei Ari⸗ Burnu feuerte unsere Artillerie wirkungsvolle Schüsse ab. Es wurde beobachtet, daß der Feind infolge des von uns gegen eine seiner Artilleriestellungen eröffneten Feuers ziemlich schwere Verluste erlitt. Unsere Küstenbatterien bom⸗ bardierten mit Erfolg, die Transporlschiffe des Feindes sowie seine Lager und seinen Flugzeugschuppen an der Küste von Sedil Bahr. Einer unserer Flieger bemerkte in der Kesalobucht auf Imbros ein Panzerschiff, dessen Typ an den des „Agamemnon“ erinnerte. Das Verdeck dieses Panzerschiffes lag fast unter der Meeresoberfläche, und der hintere Schornstein und hintere Mast lagen vollständig unter Wasser. Auf den übrigen Kriegsschauplätzen hat sich nichts Wesentliches ereignet.

Konstantinopel, 16. Juni. (W. T. B.) Nach sicheren, amtlich noch nicht bestätigten Nachrichten ist ein großes feindliches Krieasschiff am 9. Juni zwischen der Insel Kalymnos und der asiatischen Küste infolge einer Explo⸗ sion gesunken.

Statistik und Volkswirtschaft.

Promotionen an den preußischen Universitäten.

Nach einer Uebersicht der in Preußen von 1888 bis 1912 er⸗ folgten Promotionen, die das Könatgliche Statistische Landesamt in der „Stat. Korr.“ gegeben hat, haben an den preußischen Unwverst. täten in dem Studienjahre vom 1. April 1888 bis Ende März 1889 insgesamt 868 Personen rite promoviert, im Jahre 1912 13 dagegen 1875. Die Verdoppelung der Zahl der Promovterenden in 25 Jahren entspricht ungefähr der Zunahme der Zahl der Studierenden von 13 556 auf 29 171 im Durchschnitt beider Halbjahre des Studiten⸗ jahres. Es scheint, daß die allgemeine Wertschätzung der akademrschen Doktorwürde die gleiche geblieben ist wie früher.

Sehr verschieden ist der Anteil, mit dem die einzelnen Fakultäten an 9* b“ sind. Es promovierten EI

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Fahr Theologen Juristen Mediziner d philos. Fakult. 1“ 50 451 360 116“ 2 44 523 332 1 1“ 77 500. 302 bC696 115 .541 574 1“ 209 ö“ q“ 9 400 544 908.

Die medizinische und die philosophische Fakultät haben sich von jeher durch eine stattliche Zahl von Promotionen ausgezeichnet. Dies beruht nicht so sehr auf der größeren oder geringeren Zahl von Studierenden bei ihnen als auf der Bedeutung des Doktortitels in den betreffenden Berufen. Die jurtstische Fakultät stand früher in der Häufigkeit der Promotionen zurück. Neuerdings macht sich bei ihr etne auffallende Steigerung bemerkbar, was in der Haupisache wobl auf die Ueberfüllung des Faches und die allgemeinen“ Aus⸗ sichten der Juristen zurückzuführen sein wird. Bei den Medizinern war die Zahl der Promotionen im Jahre 1907 (232) noch erheblich geringer als im Jahre 1908, wohl zufolge der niedrigeren Zabl der Studierenden. Mit ihrer Zunahme wuchs auch wieder die Jabl der Promotionen (1909: 399, 1910: 468, 1911: 495, 1912: 544), neuerdings auch des halb, weil die früher Erwerbung der medizinischen Doktorwürde jetzt vorgeschrieben ist. In der philosophi⸗ schen Fakultät hängt das Fallen und Steigen der Zahlen mit dem Rückgang und der Zunahme der Studierenden des höberen Lehrfaches zusammen; aber auch aus Kreisen der Chemiker, Landwirte, Pharma⸗ zeuten, Zahnheilkundtgen und sonstiger Angehörigen der philosophischen Fakultät findet ein im ganzen nicht unerheblicher Zugang zu den Promovierenden statt.

Der Anteil der einzelnen Universitäten an den Promotionen ent⸗ spricht meist nicht der Zahl ihrer Studterenden; so halte im Studien⸗

Breslau Göttingen Greifswald ℳq EEI 160 215 213 222 Studierende ... 8399 3996 2635 2590 1293 Halle Kiel Köntgeberg Marhurg Münster Promotionen. 159 160 91 175 137 Studierende 2338 2095 1548 2137 2006, d. h. es kam 1 Promotion in Greifswald ungefähr auf 6 Studierende, in Breslau, Göttingen, Marburg ungefähr auf 12, in Berlin und konn aber erst auf 24 bis 25 Am auffallendsten tritt dieses Miß⸗ verhältnis in der juristischen Fakultät hervor. Hier ergeben sich fůͤr das gleiche Jahr folgende Reihen: Berlin Bonn Breslau Göttingen Greifswald 3 9 106 65 104 1931 843 523 380 146 Halle Kiel Königeberg Marburg Mänster Promotionen . 16 5 g 58 2

27 ö1 340

Berlin Bonn

2 Juristen.

443 3 369. Allerdings wäre es richtiger, bei den Promotionen nur die in höherem Studienalter stehenden Studierenden in Vergleich zu stellen, und auch dies ergäbe nur ein ungenaues Bild, da ja viele Promotionen erst lange nach dem Abschluß des akademischen Studiums stattfinden; doch mögen auch die hier gebrachten Zahlen ungesähr genügen.

Nr. 24 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundbeitsamts“ vom 16 Junt 1915 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Sterbefälle im April. Gesetzgebung usw. (Preußen.) Tetanusserum. (Oesterreich.) Entlausung aller Verwundeten⸗ cc. Transporte. Getreide und Mahlprodukte. Cholera (Schweden). Fleisch. Vermischtes. (Deutsches Reich.) Kriegskochbücher ꝛc. Geschenk⸗ liste. Monatstabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, April. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Kranken⸗ häusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Mait. k“

Wohlfahrtspflege.

Seine Majestät der Deutsche Kaiser hat nach einer Meldung von „W. T. B.“ aus Budapest 20 000 Reichsmark dem Generalkonsulat in Budapest überwiesen, damit dieser Betrag für das Budapester Hilfskomttee zur Unterstützung von in Ungarn zurückgebliebenen Famtlien reichsdeutscher Krieger ver⸗ wendet werde.

Land⸗ und Forsftwirtschaft.

Ueber die Verwertung des Obstes

führt in dem Organ der Zentraleinkaufsgesellschaft (Berlin W. 8, Behrenstraße 21), das Professor Dr. Eltzbacher, Direktor H. Läubberr, Professor Dr. Rubner und Professor Dr. Zuntz unter dem Titel „Kriegskost“ herausgeben, Professor Dr. Karl Opvenheimer aus:

In einer Zeit, in der es nötig ist, alle Reserven der Volks⸗ ernäbrung, die uns der eigene Grund und Boden darbietet, bis aufs letzte auszunutzen, dürfen wir auch die Frage einer zweckmäßigen Ver⸗ wertung unserer großen Bestände an Früchten aller Art nicht außer acht lassen. Daß diese Sorge jetzt gegenständlich wird, wo der Sommer vor der Tür steht, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Obwohl Deutsch⸗ land durch sein Klima sehr geeignet zur Produktton wohlschmeckenden Obstes ist, sind doch bisher ganz außerordentlich große Summen für die Einfuhr aus dem Lande gegangen, und zwar nicht nur für Süd⸗ früchte, die wir nicht selbst erzeugen können, sondern auch für solche, die wir bei zw ⸗ckmäßiger Organisation ebenso gut hätten im Lande hervorbringen können. Namentlich getrecknete Pflaumen und Acpfel stehen mit gewaltigen Zahlen auf unserer Einfuhrseite. Die Einfuhr von Aepfeln hatte im Jahre 1913 einen Wert von 46 Millionen Mark, die von getrockneten Pflaumen einen Wert von 22 ½ Millionen Mark. Nun ist es jetzt natürlich nicht möalich, eine zweckentsprechende Aenderung unserer Produktion zu improvisiren, wir müssen uns damit begnügen, das, was wir haben, besser zu benntzen. Die große Ein⸗ fuhr beruht nämlich zu einem Teil wenigstens darauf, daß wir zwar eine große Menge Früchte in Deutschland erzeugen, daß aber sehr häufig die Qualität infolge mangelnder Hochkultur keine besonders gute ist. Infolgedessen haben wir das unerfreuliche Ergebnis, daß einerseits viel eing⸗führt wird, während andererseits eine große Menge minderwertiger Früchte einfach verkommt oder im günstigsten Fall an die Schweine verfüttert wird. Es besteht für diese Früchte minderen Wertes überhaupt in vielen Bezirken Deutsch⸗ lands kein geregelter Markt; und ebenso fehlt es an einer zweck⸗ mäßigen Ausnutzung unserer gewaltigen Vorräte an Wildfrüchten aller Art, wie Preißelbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Hage⸗ butten usw. 1

Es handelt sich also ganz allein um die Frage, auf welche Weise denn diese großen Massen von Früchten, die entweder an sich zum menschlichen Genuß wentger tauglich sind oder aber deren Versendung in frischem Zustande auf Schwierigkeiten stößt, der Volksernährung in vollem Umfange zugeführt werden können. Es kommen hier zwei Methoden in Betracht, nämlich das Dörren und das Einkochen mit Zucker zu billigen Säften oder Musen. Die letztere Methode hat noch den besonderen Vorteil, daß durch den reichen Zusatz von Zucker den Früchten, die sonst vorwiegend ihres Wohlgeschmacks wegen von Bedeutung sind, ein doher Nährwert verliehen wird. Aber es ist im Grunde gleichgültig, welcher Weg eingeschlagen wird, wenn nur überhaupt einer dieser Wege mit Energie beschritten wird. Soll dies aber wirklich geschehen, so ist dazu eine straffe Organisierung nötig und zwar auf der Grundlage möglichst weitgehender Dezentralisatton. Es ist Sache der Frauenvereine, überall und ganz speziell in den kleinen Städten Zentralfellen zu schaffen, von denen aus sowohl das Sammeln alles irgendwie erreichbaren Obstes wie auch das Konservieren in irgendeiner zweckmäßigen Form geleitet werden muß. Das Verfahren wird je nach den örtlichen Bedingungen etwas verschieden sein, und darum ist es am besten, keine allgemeinen Regeln aufzustellen. Die Hauptsache ist, den Frauenvereinen und ebenso den einzelnen Frauen, deren soziale Stellung ihnen einen gewissen Einfluß verleiht (Frauen der Bürgermeister, Landräte, Pastoren, Aerzte usw.) klar zu machen, daß es ihre Pflicht ist, dafür zu sorgen, daß in diesem Kriegs⸗ jahre nicht eine Frucht am Baume und nicht eine Beere in den Wäldern ungenützt verkommen darf.

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Verkehrswesen.

b Vom „Eisenbahnkrieg“

Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben:

Um einen Ueberblick über die Vorbereitungen für den „Eisenbahn krieg“ zu gewinnen, bedenke man, wie es in den kritischen Tagen Anfang August 1914 in Deutschland aussab: Es war Ferien⸗ und Reisezeit. Die großen Truppenübungsplätze in jedem Korpsbezir waren mit Truppen voll belegt. Der Güuterverkehr stand auf ge⸗ wohnter Höhe. Bis zuletzt glaubte alles an die Erbaitung der Friedens; auch sonst hätten Kriegsvorbereitungen der Eisenbahnen au polirischen Gründen unterbleiben müssen.

Am 2. August wurde der Krieg erklärt. Alles, was unterweg war, eilte zur Bahn, um die Heimat vor dem Einsetzen der großen

Südlich des Dujestr!

jahre 1912/13

Militärtraneportbewegungen zu erreichen, Angehörige suchten ihr 5