1915 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Dec 1915 18:00:01 GMT) scan diff

Der Höniglich Bayerische Gesandte Graf von Lerchen⸗ feld ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.

Reisende Privatpersonen werden durch „W. T. B.“ darauf aufmerksam gemacht, daß bei Reisen nach den be⸗ setzten feindlichen Gebieten im Westen und Osten neben dem polizeilich abgestempelten Personalausweis oder Paß ein Passierschein erforderlich ist, der auf schriftliches Ersuchen durch das stellvertretende Generalkommando, in dessen Bereich der Gesuchsteller wohnt (in Berlin durch das Oberkommando in den Marken), ausgefertigt wird.

In England hat Regierung und Oeffentlichkeit den Fall Cavell zum Anlaß genommen, wiederholt das Vorhandensein einer deutschen Schreckensherrschaft in Belgien zu behaupten, die sogar an Frauen kriegsgerichtliche T odesurteile vollstrecken lasse. Wie das „W. T. B.“ hierzu bemerkt, ist bereits fest⸗ gestellt worden, daß die Franzosen im Laufe des Krieges Frauen erschossen haben. Ob unter den in England nach⸗ weislich Gehenkten auch Frauen waren, bleibt noch ab⸗ zuwarten. Tatsache aber ist, deß in dem gleichen Belgien, das unter der deutschen Sersesberrschaß leiden soll, vor

der Okkupation nach den gleichen Grund⸗ 3 gehandelt wurde, die für die deutsche Justiz im Fall Cavell maßgebend waren. Am 18. August 1914, zwölf Tage vor der Einsetzung des deutschen General⸗ gouverneurs, ist in Löwen die verehelichte Julia Van Wauterghem, eboren in Brüssel am 26. Januar 1872, wegen Kriegsverrats tandrechtlich erschossen worden und mit ihr zwei andere Belgier. Das Uteil wurde in der Nacht nach seiner Fällung vollstreckt. Der Anschlag dieses Urteils ist der Stadt Antwerpen in einem Brief befohlen worden, der neben anderen auch die Unterschrift des belgischen Kriegsministers trägt und jetzt unter den damals unbest lit geblieben Postsachen aufgefunden worden ist. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht heute ein

Faesimile dieses Briefes.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 816 und 817 der Deutschen Ver⸗ lustlitten bei. Sie enthalten die 394. Verlustliste der preußischen Armee, die 231. und 232 Verlustliste der sächsischen Armee und die 312. Verlustliste der württembergischen Armee.

Die Reichsratskammer trat gestern zu ihrer ersten Sitzung in der gegenwärtigen Tagung zusammen, um die bereits vorliegenden gesetzgeberischen Arbeiten zu erledigen. Vor Ein⸗ tritt in die Tagesordnung sprach, wie „W. T. B.“ berichtet, der Präsident Fürst Fugger von Glött der tapferen Armee und besonders den bayerischen Truppenführern, Ihren König⸗ lichen Hoheiten den Prinzen Rupprecht und Leopold, den Dank aus. Die im Felde Stehenden verrichteten Wunder von Tapferkeit und bei den zu Hause Gebliebenen sähe man den eisernen Willen, jedes Opfer auf sich zu nehmen. Anerkennende Worte zollte der Präsident auch der muster⸗ gültiaen Haltung der Presse und ihrem Verständnis für die Aufgaben der großen Zeit. Rühmend hob er weiter den Anteil der bayerischen Truppen an dem deutschen Siegeszug hervor und sprach das Gelöbnis treuen Zusammenhaltens zu Kaiser und König aus, um für das Vaterland einen dauernden Frieden zu erreichen. Darauf wandte sich der Minister des Fenen Freiherr von Soden in einer längeren Ansprache an das hHaus. Er gedachte ebenfalls rühmend der herrlichen Erfolge der Deutschen und ihrer Verbündeten auf den zahlreichen Schlacht⸗ feldern und nicht minder dee Zusammenarbeitens aller Beteiligten in der Heimat, um durchzuhalten, sowie der Verdienste der Presse. Die Hoffnung der Feinde, daß die Zentralmächte mit ihren Nahrungsmitteln nicht ausreichten, sei bitter betrogen. Die Bayern wollten auch ferner mit die ersten sein, um dem Vaterland, in Treue fest zum Herrscherhause und zu Kaiser und Reich, zu dienen, eines Sinnes mit den deutschen Bundes⸗ stämmen. Ohne jede Verzögerung erledigte die Kammer dann mehrere Gesetzentwürfe über den vorläufigen Vollzug des Budaets, nachdem vorher die neuen Reichsräte Graf von Schönborn⸗Wiesentheid und Freiherr von und zu Guttenberg in die Kammer eingeführt und vereidigt worden waren. Die nächste Sitzung findet am 21. oder 22. Dezember statt. 1

Großbritannien und Irland.

Im Oberhause wird nach einer Meldung des „Nieuwe Courant“ der Earl of Portsmouth die Politik der Re⸗ gierung gegenüber dem feindlichen Eigentum und dem feindlichen Handel zur Sprache bringen. Er wird die Frage an die Regierung richten, ob die Errichtung eines internationalen Berufungsgerichtshofes für Urteile der britischen Prisengerichte geplant sei, ferner ob die Regierung die Ab⸗ änderung des Gesetzes beabsichtige, nach dem in England registrierte feindliche Handelsgesellschaften die Rechte britischer Gesellschaften genießen, und ob die Kabinettsorder vom 11. März oder irgendwelche andere Verordnungen England des Rechtes beraubt hätten, das auf der See erbeutete feindliche Eigentum zu konfiszieren.

Gestern ist in London eine große Arbeiterkonferenz abgehalten worden, an der 1000 Delegierte teilnahmen, die vier Millionen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter vertraten. Die Konferenz be faßte sich mit den Kriegsfinanzen.

Wie das „Reutersche Bureau“ berichtet, wies der Premierminister Asquttb, der mit lautem Beifall begrußt wurde, auf die enormen finanziellen und wirtschaftlichen Lasten hin, die der Krieg dem Lande auferlegt habe. Aber Englands Schultern seien breit genug, um sie zu tragen. Die Reaierung vertraue daraut, daß alle Kiassen, besonders die Arbeiter, weiterhin den Geist der Selbstaufopferun entwickeln würden, wie in der Vergangenbeit. Der Präsident des Handelsamts Runciman berichtete, was die Regierung bisber getan habe, um eine ungerechtfertigte Steigerung der Lebensmittelvpreise zu verhindern. Die Reuterung habe dem Lande Zuckervorräte im Werte von 40 Millionen Pfund Sterling gesichert; sie habe 25 Millionen für Flei ch ransporte ausgegeben, wodurch sie eine größere Zufuhr sichergestellt habe, als das Land jemals aufweisen könnte. Der Kanzler der Schatzkammer Me Kenna sprach eben’o wie Asquith von der Notwendigkeit, im gegen⸗ wärligen Augenblicke nicht mit neuen Lohnfo derunzen zu kommen. Die Wöne seien in den meisten Arbeitszweigen gestiegen. Weitere Lohnforborungen würden gegen die eigenen Interessen der Arbeiter

verstoßen. Die Hauptzache sei, das Land mit Soldaten, Matrosen und Kriegsbedarf zu versorgen. Das Land müsse Kanonen und Munition haben, selbst wenn der letzte Shilling dafur verwendet werden müßte.

Die letzte Verlustliste nennt 57 Offiziere und 895 Mann.

Frankreich.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer be⸗ gründete der Abgeordnete Turmel einen radikalsozialistischen Antrag zu der Vorlage, betreffend die Einberufung der Jahresklasse 1917, der Abgeordnete Auriol einen eben⸗ solchen der Sozialisten, die beide die Vertagung der Vorlage forderten. Dem „Matin“ zufolge verlangten beide Redner, daß, wenn man neue Mannschaften brauche, man sie aus den zahllosen Drückebergern nehmen sollte, deren Existenz eine Schande wäre. Die Radikalsozialisten zogen ihren Antrag unter Anschluß an den sozialistischen zurück. Trotz wiederholter Erklärungen von den Bänken der Antragsteller und der drin⸗ genden Aufforderung an den Kriegsminister, man wollte nur bestimmte Erklärungen von der Regierung bezüglich der An⸗ wendung der Lex Dalbiez, gab Gallieni keinerlei Antwort. Der sozialistische Antrag wurde mit 405 gegen 115 Stimmen abgelehnt.

Der Kriegminister Gallieni hat entschieden, daß der Jahrgang 1917 am 5. Januar 1916 eingezogen werden soll.

1 88 Italien.

Die gestrige Eröffnungssitzung der Deputiertenkammer fand bei dicht besetzten Tribünen statt. Sämtliche Minister und über 400 Abgeordnete waren erschienen; auch mehrere Bot⸗ schafter und Gesandte, darunter der Minister Denys Co chin, wohnten der Sitzung bei. Als erster Redner ergriff der Präsident Marcora das Wort zu einer patriotischen An⸗ sprache, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ ausführte:

Italien beschreibe derzeit viehleicht das schönste und strahlendste Blatt seiner Geschichte seit seiner Wiedererweckung. Die Nation he⸗ sätige auf diese Weise die Voraussagung Glakstones, daß Italien bestimmt set, eines der b⸗deutendsten Werkzeuge des menschlichen Fort⸗ schritt s und der Zivwilisation zu sein. Der Redner brachte den Auftuf des Königs bei der Uebernahme des Oberbefehls in Erinnerung, in dem gesagt war, daß die Stunde der nationalen Wiedervergeltung geschlagen habe. Das einfache und bescheidene, aber würdige Wort des Königs und sein erhabener und großzügiger Geist, der frei sei von Ueberhebung und die Achtung auch dem Gegner nicht versage, der semerseits so voll von beleldigender Anmaßung set, dieses ehrenhafte und ent⸗ schlossene Wort habe die Herzen aller Italiener entflammt. In bewegten Worten erwähnte der Praͤsident, daß die Italiener aus allen Gegenden und aus den entferntesten fremden Ländern unter die Fahnen herbeigeeilt seien, und sagie: Unsere Solrdaten überwinden als ein Volk unter der Führung eines weisen Beiehlsb bers, von einem auch bei thren Feinden schon anerkannten Mut beseelt, von kühnen Führern aller Grade befehligt, mit Unerschrockenheit alle Schwierigketten des Krieges, der noch härter wird durch die Natur der Gegend und durch alle möglichen Hinterhalte, die der Verbündete von gestern im Hinblick auf den gegen uns geplanten Angriff seit langen Jahren vorbereitet und mit Hilfsmitteln von unerhörter Grausamkeit ausgerüstet hat.“’ Marcora rühmte den König, indem er sagte: „Er ist unser Stolz und ist uns ein Vorbild an Tapferkeit. Er ist in der Schlacht immer zur Stelle, verachtet jede Gefahr und ist voll Hingebung für den schlichten Mann, der ihn anbetet.“ (Rufe: Es lebe der König!) Der Reduer sagte weiter, das Volk habe die harbarischen Angriffe gegen wehrlose Städte, gegen unbewaffnete Schiffe und Menschen, gegen künstlerische Kostbarkeiten mit unerschütterlicher Ruhe hin⸗ genommen. Ueberall, von den niedrigsten Hütten bis zum König palast, werde unter der Füyrung der beiden Königinnen daran gearbeitet, die gämpfer auf jede Weise zu unterstützen. Der Präsident rüßte mit hrerbietung die ruhmreschen Gräber der auf dem Felde der Ehre gefallenen Kämpfer und entbot seinen Gruß dem Könige, den Prinzen, der Armee, der Flotte, dem ganzen Volk und dem Parlament, in der sicheren Erwartung, daß die Eintracht und Stmehaftigkeit des ganzen Landes unverweilt jeder Forderung Rchnung tragen werden, die durch den Krieg notwendig werden ktönne, seldst wenn der Weg, der zurückgelegt werden müsse, lang und schwierig ser. In unerschütterlichem Vertrauen fest an die Verbündeten geschlossen, würde Italien ihn mit Seelenrube und im Vertrauen auf den endgültigen Sieg durchschreiten. Der Präsident schloß: „Italien hat sich erboben, um die Grundsätze der Nationalität, der Freiheit, der Zipilisatton und der Gerechtigkeit zu verteidigen, nicht nur um seiner seibst wihlen, sondern auch für die ganze Welt. Gehen wir an die Arbeit mit dem Rufe: Es lebe der König, die Armee, die Fiotte, das Volk und Italien!“

Hierauf gab der Minister des Aeußern Sonnino folgende Erklärung ab:

Am 23. Mai hat die Regierung nach dem Beschlusse des Parla⸗ ments und den feierlichen Kundgebungen des Landes im Namen des Köntgs den Krieg an Oesterreich⸗Ungarn erklärt. Die Gründe, die uns bewogen haben, diese Maßnohmen zu ergreifen, gehen klar aus dem Grünbuche hervor, das einige Tage zuvor dem Parlamente vor⸗ gelegt worden war, aus andern in der Foige veröffentlichten Doku⸗ menten und aus dem während dieser Monate von dem Minister⸗ präsidenten und einigen seine Kollegen gehaltenen Reden. Infolge der Lage, die sich ergeben hatte ebensowohl durch die Verletzungen der wesentlichsten Punkte des Dreibundvertrages durch Oesterreich⸗ Ungarn und seinen vorbedachten Angriff gegen Serbien, wie durch das Scheitern der Verhandlungen, die wir, geleitet von dem Wunsche, dem Lande das Unglück eines Krieges zu eisparen, von Dezember bis zum Mai mit ihm angeknüpft hatten, erschien es uns dringend ge⸗ boten und notwendig, zur Verteidigung unser vitalen Interessen, zur Wrteidigung der Freiheit und Unabhängigkeit und zur Verwirklichung unseres fundamentalsten nationalen Strebens an die Waffen zu appellieren. .

Am 20. August erklärten wir den Krieg an die Türkei. Die Verletzungen des Vertrags von Lausanne sind bekannt, die von der fürkischen Regierung am Tage nach der Unterzeichnung eben dieses Vertrags begangen wurden. Die von der Türket gegen uns in Libyen verübten Feindseligkeiten, die beständige Entsendung von Offizieren und Waffen nach unseren Kolonien, ihre Weigerung, die Gefangenen zurückuschicken, die der Abreise unserer Konsulatsbeamten in den Weg gelegten unzulässigen Hindernisse, die Gewalttaten gegen die Italiener, die in ihre Heimat zurückkehren wollten, die Verhandlungen, die ge⸗ duldig bis zu der durch unsere Würde gebotenen Grenze geführt wurden: dieses sind die Umstaͤnde, die nunmehr wohl bekannt sind und die uns bewogen, der Türket den Keieg zu erklären.

Auf dem Balkan verfolgte Italten seine traditionelle Politik, die es während mehrerer Lustren getrieben hat und die beseelt war von dem Prinzip der Nationalitäten und der Un⸗ abhängigkeit der Balkanvoölker. Die friedliche Zuteilung Mazerontens an Bulgarien durch den Vertrag der Balkanstaaten von 1912 (mit den großen Zugeständnissen, die Serbien erbielt) bildete die Grundlage des politischen Abkommens, das von dem Vier⸗ verband in die Wege geleitet worden war Aber wenn die Politik des Vierverbandes auf eine Einigung der Balkanstaaten gerichtet war, so schuürte diejenige der Zentralmächte im Gegensatz daru Streitigkeiten und Nebenbuhlerschaften, und unglücklicherweis⸗ fanden sie den günstigsten Boden für ihre Arbeit. Die Gefühle ves

asses und der Rache, die als Folge des zweiten Balkan⸗ dieges zurücgeblieben waren, bildeten sör unsere Feinde natur⸗ gemäß wirksame Handhaben für eine Aktion, über die der

Vierverband für den Zweck, ben

er im Auge hatte, nicht ver fugte. Andererseits konnte die diplomansche Täliakeit seh

wenig tun gegenüber dem Geisteszustand, der sich in der öffentlichen

Meinung und bei dieser Regierung insolge der militärischen Er eignisse gebildet hatte. Es blieb ihre Geistesverfassung beeinflußt vom einzelnen Ereignis, während sie die Würdigung der Gesomtlage, aus der sich das Vertrauen auf den schließlichen Sieg der Verbündeten ergeben mußte, außer acht ö Die Regierenden in diesem Lande waren einzig von dem Gedanken an unmittelbare Wiederver⸗ geltung beherrscht und verloren die größeren und wichtiaeren Gesichts⸗ punkte der politischen und wlrtschaftlichen Unabhängtigkeit der Völker aus dem Auge. Bulgarien verschmähte die vorteilhaften Angebote des Vierverbandes und kehrte seine Waffen gegen Serbien, als es sab, daß dieses tapfere kleine Volk von den verkenten Armeen der beden Zentralmöchte nach großen kriegerischen Vorberetiungen an⸗ gegriffen wurde. Unter diesen Umständen war der Weg für Jlalten flar vorgezeichnet. Wir erklärten Bulgarien den Krteg zug eich mit unseren Verbündeten, mit denen wir auch in den Ausgleiche ver suchen ständig einmütig vorgegangen waren. 2 1

Ber wirksame Beistand der italienischen Waffen, führte Sonnino weiter aus, ist der canzen Welt bekannt. Seit dem Beginn unseres Krieges hat man im feintlichen Lager den furchtbaren Druck ber italienischen Armee verspurt, die sich zur Eroberung der natür⸗ lichen G enzen Italiens anschickte. Die Wukamteit unseres milstäri⸗ schen Beistandes hat sich aufs Klarste erwiesen, als im letzten Sen⸗ lember Oesterreich Ungarn gezwungen war, eiligst beträcht⸗ liche Truppenkerper von Galizien nach den Arpen zu führen, und als dieser Umstand die siegreiche Gegenoffensive Rußlands mim jenem Abschnitte ermöglichte. Dieses gemeinsame Vorgehen, das während mehrerer Monate sowohl im Kriege als auch in den diplomatischen Verhandlungen besolgt wurde, hat uns von der Not⸗ wendi keit überzeugt, öffentlich und feterlich Zeugnis abzulegen von der Solldarität, die zwischen den Verbündeten besteht, darch das Mittel einer gemeinsamen Erklärung der fünf Mächte, durch die das zwischen Frankreich, Großbritannien und Rußlanv am 5. September 1914 getroffene Abkommen, dem sich Japan ange⸗ schlossen hatte, erneuert wurde. Unsere formelle Beitriits⸗ erklärung ist schließlich in London erfolgt, und dies möge ein Zeugnis sein, das jedermann die Augen öffne. Der formelle Alt ünserer Zustimmung ist schon in London unterzeichnet worden.

Die Haltung Griechenlands gab Grund zu Besorgnißsen und Meinungsverschiedenheiten, die einen Augenblick eine gewisse Spannung erreichten; allein die Lage hat sich glücklscherweise sehr⸗ bald durch einen Notenaustausch geklärt. Da Griechenland ohne Schwierigkeiten darein gewilligt hat, entsprechend seinen beiden früheren Erklärungen der wohlwollenden Neutralität, die verlangten Zusiche⸗ rungen zu geben, so sind nunmehr Argwohn und Mißtrauen ver⸗ schwunden, und die Verbündeten werden mit dem griechischen König⸗ reiche wieder die besten Beziehungen in vertrauensvoller Herzlichkeit aufnehmen, auf Grund deren es leicht sein wird, die einzelnen die Un⸗ verletlichkeit und Bewegunzsfreiheit der Truppen der Verbündeten be⸗ treffenden Fragen befriedigend zu lösen, sowohl was Saloniki, als auch was die Zugangestraßen und die Sicherheit der Seewege zur Verproviantierung anbelangt.

Die polinsche und wutschaftliche Unabhängigkeit Serbiens hat immer einen springenden Punkt in der Politik Italiens auf dem Balkun gebildet. Diese Polttik entspricht einer vitalen Notwendig⸗ keit der Existenz von Italten selbst als Großmacht. Eine politische und wirtschaftliche Aufsaugung von Serbien durch Oesterreich Ungarn würde für Italten eine schwere und ständige Gefahr bedeuten und gleichzeitig unserer wirtschaftlichen Ausdehnung auf der jenseitigen Käüste des Adriatischen Meeres eine unüberwindliche Mauer errichten. Das Grünbuch, das ich im vergangenen Mai die Ehre hatte, dem Parlament vorzulegen, hat unsere Aktion zur Vertetdigung von Serbien noch vot unserem Eintrut in den Krteg bekannt gemacht. Im Ein⸗ vernehmen mit unseren Verbündeten wollen wir als unumgänglich notwendiges Ziel dieses großen Krieges die Wiederherstellung des serbischen Voltes in seiner vollen U abhängigkeit. (Die Abgeordneten erhoben sich unter Hochrufen auf Serbien.) B

Die Anwesenheit unserer Flagge auf dem jenseitigen Ufer des Adrialrischen Meeres wird auch dazu beitragen, die traditionelle Potitik Italtens in bezug auf Albanien zu bekräftigen, das jetzt, wie in der Vergangenheit ein Interesse ersten Ranges für uns dar⸗ stellt, insofern als sein mit der Gesta tung der Besitzverhältnisse am Adriatischen Meere eng verbundenes Schicksal sowie die Aufrecht⸗ erhalrung der Unabhängigkeit des albanesischen Volkes, dessen aus⸗ gesprochene, altehrwürdige Nationalität aus selbstsüchtigen Gründen verleugnet worden ist, für Italien von der größten Bedeutung ist.

Für die Wiedererwerbung unserer natürlichen Grenzen und die Eroberuna der Pforten Italiens sorgt mit ebenso großer Zaͤhigkeit wie Selbstverleugnung und Schneidigkeit die Tapfer⸗ keit der italienischen Truppen. Die strategische Verteidigung des Adriatischen Meeres bildet einen anderen springenden Punkt in unserer poltrischen Aktion. Für Italien ist die Schaffung einer Lage am Adriatischen Meere, die die ungünstige Lage unserer Küste wett⸗ macht, eine Lebensno wendigkeit. Sonnino entbot schließlich den Verbündeten Glückwünsche zur Erreichung ihrer Ziele und eines dauernden Friedens. 8

Die Sitzung der Kammer wurde kurz vor 6 Uhr ge⸗ schlossen. Die Aussprache über die Regierungserklärung wird

heute beginnen. Im Senat verherrlichte der Präsident die im Kriege Gefallenen, aus deren Blut andere Helden erstehen würden, und feierte die Armee und den König, der unter den Truppen den Platz des ersten Soldaten des Vaterlandes eingenommen habe. Die Minister und Senatoren, die die Rede des Prä⸗ sidenten stehend anhörten, riefen: Es lebe der König! Es lebe die Armee! Hierauf gab Sonnino dieselben Erklärungen wie in der Kammer ab. Die Sitzung wurde sodann aufgehoben.

Spanien.

Im Senat forderte gestern der Marquis Rozalejo, daß die Propaganda für die französische Anleihe verboten werde, weil sie spanisches Kapital außer Land ziehe. Der böeeager erklärte, dem „Temps“ zufolge, daß eine solche Maßnahme unmöglich und unnütz sei.

Türkei.

Das Budget des nächsten, am 14. März beginnenden Kammer erörtert wird, beziffert sich laut Meldung des „W. T. B.“ auf 36 817 125 Pfund in den Ausgaben, 1 159 579 Pfund mehr als im Vorjahre, und auf 22 961 688 Pfund in den Einnahmen, 1 874 749 Pfund weniger als im Vorjahre. Demnach ergibt sich ein Fehlbetrag von 13.855 437 Pfund, also von 3 034 329 Pfund mehr als im letzten Jahre. Die Begründung stellt fest, daß die Einnahmen mit Rücksicht auf die Folgen des Krieges bedeutend niedriger veranschlagt worden seien, es sich also nur um einen vorübergehenden Zu⸗ stand handele. Dann wird noch erwähnt, daß zur Deckung der großen Ausgaben des gegenwärtigen Krieges Darlehen bei den verbündeten Regierungen aufgenommen werden mußten. Für einen Teil derselben seien bereits Kassenscheine ausgegeben worden, für den Rest werde die Ausgabe demnächst erfolgen.

Nach einem verspätet eingetroffenen Bericht vom 29. No⸗ vember kam in der Kammer ein Telegramm des Kom⸗ mandanten der 5. Armee (Dardanellen) Liman Pascha zur

Verlesung, in dem er der Kammer Dank ausspricht für

8 die Entsendung der Deputiertenabordnung, 8. die Dardanellenfront besichtigte. Ein Mitglied der Ab⸗

ordnung ergriff das Wort und schilderte deren Eindrücke.

Er rühmte die Tapferkett der rürkischen Truppen, die siegrel seit Monaten gegen einen Feind kämpfen, der an Zas überle 8 2. allen Vervollkommnungen jeder Erfindung ausgerüstet sei und Ueberfluß tion eder, der die Front besichtigt hätte, habe er⸗ kannt, wie wichtig das Terrain sei, an das der Feind sich noch an⸗ klammern könne. Die Abordnung habe feststellen können, daß 18 alle beherrschenden Punkte fest in der Pand der türkischen Armee seien, und sich von der Vollkommenhelt aller Dienst⸗ zweige der Armee überzeugen können, namentlich der Verpflegung, die so beschaffen sei, daß selbst die Soldaten der äußersten Schützen⸗ gräben Tee und warme Suppe erhielten. Die Abordnung habe die Ueberzeugung gewonnen, daß der Feind nicht nur nicht um einen Zoll werde vordringen können, sondern daß er demnächst ins Meer ge⸗ worfen werde. Der Redner versicherte, daß dies bald geschehen werde, rühmte sodann Liman Pascha, namentlich seine Pflichttreue und seine Rittterlichkeit, und schlug vor, an Ltman Pascha und die anderen Kom⸗ nmandanten namens der Kammer Danktelegramme zu senden. Die

an Munition besitze.

Kammer stimmte diesem Vorschlag einstimmig zu.

Sriechenland.

zezüglich der Stellung Griechenlands gegenüber

den Forderungen des Vierverbandes erfährt das „Giornale d’Italia“, daß die griechische Regierung bereit sei, de order entgegenzukommen, soweit sie mit der Souveränität und Unabhängigkeit des Staates vereinbar seien. Im Falle, daß Forderungen gebieterisch geäußert würden, würde die griechische Regierung einen modus vivendi er-⸗ wägen, der ihre Pflichten als Nation und die durch die gegen⸗

den Forderungen

wärtigen Umstände aufgezwungene Lage in Einklang br

Amerika.

1 5

Die K anadische 1

teiligt.

Munitionskommi ion i , s „Reuterschen Bureau“ zufolge, reorganisiert 1n b. mem minister unterstellt worden. Augenblicklich sind 320 Firmen mit 100 000 geschulten Arbeitern an der Geschoßerzeugung be⸗

Wien, ². Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet:

Russischer Kriegsschauplatz.

Keine besonderen Ereignisse. Bei den dem österreichi

1 sterreichisch⸗ ungarischen Oberbefehl unterstehenden verbündeten Streitkraften der Nordostfront wurden im Monat November an Ge⸗ fangenen und Beute 78 Offiziere, 12 000 Mann und

32 Maschinengewehre eingebracht. Italienischer Kriegsschauplatz. 3

Der gestrige Tag verlief an der Isonzofront gemeinen ruhiger. Nur der Brückenkopf von Tolmein wurde wiederholt heftig angegriffen. Diese Vorstöße des Feindes brachen in unserem Feuer zusammen. Heute nacht setzte starkes Artilleriefeuer gegen den Nordhang des Monte

an Michele ein. Gleichzeitig griffen die Italiener den Gipfel

dieses Berges an; sie wurden zurückges indli Berg z geschlagen. Auch feindliche Angriffsversuche im Raume von San Martino wurden 9

gewiesen. Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Unsere Truppen dringen umfassend gegen Plevlje vor.

Eine Kolonne greift die Gradina⸗Höhe südöstlich des Metalka⸗ Sattels an. Eine andere erstürmte in den Nachmittagsstunden und nach Einbruch der Dunkelheit den von Montenegrinern zäh verteidigten Hochflächenrand 10 km nördlich von Plevlje. Prizren wurde am 29. November Mittags von den Bulgaren genommen. Die Armee des Generals von Koeveß hat im 8 November 40 800 serbische Soldaten und 26 600 Wehr⸗ fähige gefangen genommen und 179 Geschütze 12 Maschinengewehre erbeutet. 8

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1

Der Krieg zur See.

London, 1. Dezember. (W. T. B.) „Lloyds“ melden daß der britische Dampfer, Kingsway“ versenkt worden st Der Kapitän und 21 Mann der Besatzung sind gelandet. Ein anderes Boot mit fünf Personen wird vermißt.

Kpoloniales.

1 Höchstpreise in Deutsch Ostafrika.

Nicht nur durch die Tapferkeit seiner weißen Bevölkerung und

einer Schutztruppe, an deren erfolgreichem W derstand alle englischen Eroberungsgelüste bisher gänzlich gescheitert sind, zeichnet sich Deutsch Ostafrika aus, auch setne wirtschaftlichen Kriegsmaßnahmen verdienen volle Anerkennung. So sind nach dem „Amtlichen Anzeiger⸗ des mit „Europäern und Eingeborenen stark besiedelten Bezirks Moschi vom 1. Januar 1915 folgende Höchst⸗ preise für die wichtigsten Lebensmittel festgesetzt worden: für das Liter Chiroko (eine Art Erbsen), Kunde (eine Art Bohnen), Reis aus dem Paregebirge je 15 Heller, für ein Ei 3 Heller, für ein Huhn afrikanischer Rasse 50 Heller. Von zer⸗ assener Butter kosten 20 Liter 20 Rupien, das Liter also eine Rupie. Für einen Zentner Mais dürfen nicht mehr als 4,5 Rupien verlangt werden, für 20 Liter europäische Kartoffeln nicht mehr als 1 Ruvpie. Von Zuckerrohrzucker kostet das Pfund 28 Heller, von gereinigtem Honig das Kilo 75 Heller. Der Preis für einen Zentner europäische Bohnen ist auf 9 Rupien, für einen Zentner Roggenmehl auf 0 Rupien festgesetzt. Zu diesen Preisen sei bemerkt, daß 1 Rupie ,33 entspricht, 15 Rupien also gleich 20 ℳ, 15 Heller gleich 0 Pfennigen sind. (Deutsches Kolonialblatt.) 2

Parlamentarische Nachrichten. er Haus haltsausschuß des Reichstags nahm in seiner

gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf über die Kriegsabgaben

der Reichsbank an mit einem Zentrumsantrag, den Reingewinn us den Jahren 1915 und 1916 statt zur Hälfte zu drei Viertein dem Resche zuzuweisen. b ““

Statistik und Volkswirtschaft. Staatliche Maßnahmen zur Regelung der Lebensgmittel⸗ versorgung.

VI. Weitere Gegenstände des täglichen 2 8 ꝙ92 Heizstoffe, Laden Sennans⸗ un gewiß die Gestaltung der Lebensmittelver! ä 8 28* 88 1 Hantbalt der FEchie Penn nen ofertigt . auch em kurzer Blick itik ——v Fenee gsg ben die ufz Beltt, de e wichtige Posten im Haushalt 2 1 —— bea v.- Fwn Hennoffe und Sebber. 1“ euchtstoffe. oweit elektrisches Licht —— erübrigten sich Maßnahmen hier 8* * n 1 8s HeEnese hehe nichis Wesentliches ge indert. Ganz anders veichetro eum. Es ist für die weitesten ärmeren Volkskreise das 8 ioste Leuchtmittel und wird fast ganz durch Auslandshezug ge⸗ deckt. Mit dem Kriege stockte die Einfuhr. Zunächst war . dis enlten Kriegemcnate Sommetmonate n emlich erhebliche Bestände im Lanxde en⸗ blieben auf Grund einer Verständigung EEI“ 1 1 ndigung der R Groß⸗ handelsfirmen ungefähr auf der alten en Seg.

Erst gegen Ende des ersten Kriegswinters stiegen die Kleinhandels⸗

preise, teilweise aus spekulativen Gründen. 1

8 Wel⸗ Giüunden, dooer auf 70 80, 3 sür das ve. Insolg gessn würben, im *& Kleinhandelshöchstpreise festgesetzt. E. vn ü- x. reichlich vorzusorgen, wurden die IE eumgesell;chatꝛen verpflichtet, den Tankwaren⸗ en einzugellen und Petroleum mit behördlicher eeee Mang nur für gewerbliche Zwecke abzugeben. Gleichzeitig vun nahmen für eine geregelte Verteilung getroffen. Bei 8 gleichzeitigen Mangel an Oelen aller Art wurden auch hier Verbrauchsbeschränkungen, insbesondere für Sport⸗ und Luxus⸗ fahrzeuge, angeordnet. Im ganzen ist eine Einschränkung der Leucht⸗ stoffverwendung eine unabweisbare Notwendigkeit. Dankenswerter⸗ weise haben sich die Kirchenbebörden erboten, ihren Verbrauch an knapp gewordenen Leuchtmiiteln einzuschränken. So nahe es gelegen hätte, den ziemlich umfangreichen Verbrauch von Weihnachtslichtern zu untersagen, hat doch die Regierung davon Ahstand genommen aus dem richtigen Gefühl beraus, daß das Volksempfinden, dem die Poesie aller Weihnacht von Wethnachtsbaum und Weihnachtslichtern un⸗ zertrennlich ist, sein Recht behalten soll. Im übrigen hat die Re⸗ gierung die weitere Ausdehnung der Gas⸗ und Elektrizitätsbeleuchtung nach Möglichkeit gefördert uand empfohlen. 8 8 Heizstoffe. Hier handelt es sich im wesentlichen um Kohle.

een Ausfall der englischen Kohle, die in einigen Geb eten auf Grund ihrer frachtgünstigen Zufuhr sehr viel gebraucht wurde, konnten die deutschen Reviere wett machen. Wesentliche Voraussetzungen dazu sind Frachtermäßigung und Wagengestellung, und beiden ist Rechnung getragen worden. Ein keitischer Punkt waren die Schwierigkeiten, die der Erneuerung des am 31. Dezember ablaufenden Kohlensyndikats entgegenstanden. Bei der großen Bedeutung der im Kohlenberabau vorhandenen Organisationen konnte die Regierung nicht untätig zus hen, wenn das Syndikat eventuell aufhörte zu bestehen und der freie Verkehr mit all seinen unter den jetzigen Umständen besonders gefährlichen Er⸗ scheinungen sich wiederhernellte. Für den Haushaltsverbrauch wie für die Industrte, aber auch für den glatten und schnellen Verkehr zwischen Regierungsanforderungen und Gewerbe mußten die bisherigen Organisationen erhalten bleiben ganz abgesehen von Rück⸗ sichten auf die fiaanzielee Gefäsrdung vieler Kohlen⸗ und Bergbaugemeinden und von den spezifischen Gefabren, die der freie Verkehr auf dem Kohlenmarkte beim Uebergang zur Friedenswirtschaft zeitigen mußte. Die Reichsregierung drohte deshalb, falls am Widerstand der Außenseiter die Verhandlungen üͤber den neuen Svydikatsvertrag scheitern sollten, mit dem Zwangssyndikat. Dessen Durchführung sollte unter Nor⸗ mierung der wesentlichen Grundlagen den Landeszentralbehörden über⸗ lassen bleiben, denen auch die Wahrung der öffentlichen Interessen im Sondikat zustehen würde. Uebrigens sollte auch dann, wenn das Syndikat durch freiwilligen Zusammenschluß erneuert werden würde, den Landes⸗ zentralbehörden das Recht zustehen, auf Wahrung der öffent⸗ Sben. Z6 422 zu L eine sehr angebrachte Be⸗

g in Hinsicht au e Ma im Syndik

1 cht der im Syndikat vereinigten „Leder. Hier galt es im nesfentlichen, ungerechtfertigte Preis⸗ treibereien zu unterbinden. Die E“ -”s bor⸗ Hand, indem sie für Zioilzwecke nicht unbedingt von ihr benötigte Lederbestände freigab, die Lederproduzenten aber gleichzeitig verpflichtete, auch bei priveten Verkäufen sich an die vom Kriegsministerium fest⸗ gesetzten Richtpreise zu halten. Zur Verhütung von Mißständen wurde unter Kontrolle des Reicheams des Innern eine Kontrollstelle für freigegebenes Leder errichtet. Eine neue, am 1. Dezember 1915 in Kraft getretene Bekanntmachung setzt Höchstpreise für Leder im Groß⸗ und Kleinhandel fest und trifft Bestimmungen über die Be⸗ schlagnahme von Ledersorten für Militärzwecke.

Damit ist in großen Zügen ein Bild des staatlichen Eingreifens soweit es direkt oder indirekt den Bü0h desh t Haushalt betrifft, gezeichnet worden. Ueberblickt man die knappen Darlegungen, hält man andererseits im Auge, wie schwierig es ist, den riesigen komplizierten Wirtschafte körper des Reichs nach bestimmten Gesichtspunkten zu regeln und zu beeinflussen, so wird man nicht sagen können, es sei nichts geschehen. Aller staatlichen Wutschaftspolitik, die ex improviso zu schaffen hat, wird man mit Leichtigkeit bedenk⸗ liche, Kritik herausfordernde Maßnahmen nachweisen können. Dazu gehört nur, daß man lediglich setnen Verbraucher.⸗ oder ledig⸗ lich seinen Produzenten⸗ und Händlergesichtswinkel anlegt. Kritik dieser Art wird aber auch nie den An⸗ spruch erheben dürfen, „objektiv“ zu sein. Wer guten Willens ist, muß sich doch überlegen, daß die Reichsregijerung eben nicht lediglich den Verbraucherstandpuntt oder den Händler⸗ und Produzentenstandpunkt vertreten kann, ganz abgesehen davon, daß diese Standpunkte nicht einmal einheit ich sind; man denke doch z. B. daran, wie ungeheuer verschteden die Produktionsverhältnisse der Landwirt⸗ schaft im Reiche liegen, und wie dementsprechend die Produzenten⸗ interessen je nach Bezirken weit auseinandergeben. Das Gesichtsfeld der staatlichen Wirtschaftspolitik ist dementsprechend notwendig ein komplexes, und so schwierig es ist und so viel theoretische und praktische Einwände man gegen den Begriff haben mag: die staatliche Wirtschaftspolitik hat die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten, und das geht einfach nicht, ohne den Weg aller Politik, den Weg der Kompromisse zu beschreiten, in jedem Fall Interessen verschiedener Erwerhs⸗ stände gegeneinander abzuwägen. Jeder wirtschaftspolitische Eingriff ist bei den Grundlagen unserer gegenwärtigen Wirtschaft einer kapitalistischen Wirtschaft, aufgebaut auf Privateigentum, Verkehrs⸗ und Vertragsfreiheit eine Stellungnahme für bestimmte Interessen bei unvermetdlicher gleichzeitiger Beeinträchtigung anderer Interessen. Das ist eine schlechterdings unbestreitbare Tatsache. Wir glauben nicht mehr (und mit Recht, unsere Kriegserfahrungen haben es uns greifbar deutlich gelehrt) an den unbedingten, alle Interessen in Eiaklang setzenden Segen des freien Verkehrs. Den Wahn haben wir dank der Arbeit der deutschen Nationalökonomie und der deutschen Staatspraxis überwunden. Schwören wir doch endlich auch den anderen Irrwahn ab, der da glaubt, staatliches Ein⸗ greifen könne und müsse entgegengesetzte Interessen ohne Widerspruch und ohne Reibung zum Ausgleich bringen. Wer das verlangt, befindet sich einfach in einem naiven Irrtum bezüglich der Grenzen staatlichen Vermögens. Es sei dabet ganz dahingestellt, ob in jedem Foalle die richtigen Wege gegangen worden sind. Nur moöͤchte mit aller Schärfe betont werden: Jede Kritik ist im Kernpunkt falsch, die wirtschafts⸗ politische Maßnahmen deurteilt don dem Grund⸗ gedanken aus, der Staat müfse oder könne gleichzeitig

alle Interessen wahren. Das ist eine unkritische, nalde Auf⸗

fassung. Auch für die staatliche Wirtschaftepol tik gilt das

Sossec nemo tenetur“!

Entwicklung des Beschäftigungsgrabdes und Arbeits⸗ marktes in Groß Berlin in der Zeit vom 13. bis 20. November 1915.

Nach der pergleichenden Darstellung des gewerblichen und industriellen Beschäftigungsgrades in Groß Berlin am 13. und 20. No⸗ vember, die das Statistische Amt der Stadt Berlin veröffentlicht, hat in der Zeit zwischen diesen beiden Stichtagen die Gesamtzahl her versicherungspflichtigen Mitglieder von 239. Kranken⸗ elles Groß Berlins mit einer Abnahme um 255 oder 0,2 % Nne aum nennenswerte Veränderung erfahren. 2 8 1

Bei den 28 allgemeinen Ortskrankenkassen ergibt si b diesmal eine Abnahme um 165 oder 0, % Männer und um 890 oder 0,20 % Frauen, im ganzen um 1055 oder 0,16 % Versicherungs⸗ pflichtige. Das angegebene Weniger ist im wesentlichen durch Abmel- dungen von Hausgewerbetreibenden herbeigeführt.

Die 208 gewerblich gegliederten Krankenkassen zeigen eine Abnahme der männlichen Versicherungspflichtigen um 102 ocer 0,4 %, dagegen eine Zunahme der weiblichen um 857 oder 0,30 %, im ganzen eine Steigeruna um 765 Versicherungspflichtige oder 0,18 %o. Von den unterschiedenen 16 Gewerbegruppen weisen die Waren⸗ und Kaufhäuser mit + 431 Beschästigten oder 2,17 % und die Gemeinde⸗ betriebe mit + 319 oder 1,1 % das größt⸗Mehr auf, das Baugewerbe mit 129 Beschäftigten oder 1,08 % das größte Weniger.

Die Zahl der bei 38 Fachverbanden der freien Gewerkschaften ermiftelten Arbeitslosen ist in der Woche vom 15. bis zum 22. November fast die gleiche wie in der Vorwoche geblieben. Im einzelnen ist beim Verbande der Buchbinder eine Abnahme um 68, bei den Holzarbeitern eine Zunahme um 46 Arbeitslose eingetreten.

Nach dem Bericht des Verbandes märkischer Arbeitsnachweise dauerte in der Woche vom 13. bis 20. November der leichte Rückgang auf dem Arbeitsmarkt für männliches Personal an, wenn auch die Zahl der männlichen Stellensuchenden der Vorwoche gegenüber faft gleich geblieben ist. Auf dem Arbeitsmarkt für wei bliche Personen nahm die Zahl der Stellensuchenden verhältnismäßig starker ab, als die Zahl der gemeldeten offenen Stellen. Wie in der Vorwoche machte sich eine gewisse Knappheit an männlichen Arbeitskräften im Baugewerbe bemerkbar; dort wurden besonders Maurer und Zimmerer nach auswärts verlangt. Auch wurde nach Arbeitern in der Spedition sowie nach Koblenarbeitern gefragt. In der Automobil⸗ und Akkumulatorenindustrie, in der wegen der Dringlichkeit der Heereslieferungen die Ueberarbeit andauerte, fehlte es, wie in der Vorwoche, an gelernten und ungelernten Arbeits⸗ kräften. In der Industrie der Steine und Erden waren be⸗ sonders für Straßenbau Aufträge vorhanden, doch fehlte zes auch hier an geeigneten Arbeitskräften, besonders an Steinsetzern. In der Lage der Holzindustrie trat eine geringe Besserung gegenüber der Vorwoche ein; Arbeitskräfte waren knapp. Der geringe Stand der Arbeitsuchenden in der chemischen Industrie dauerte an⸗ Im ganzen betrug bei den öffentlichen Arbeitsnachweisen von Groß Berlin die Zahl der vermittelten männlichen Arbeitskräfte 2620, die der wei * lichen 2304. An offenen Stellen waren für männliche Arbeiter 3197, für Frauen 2538 vorhanden. Die Zahl der männlichen Arbeitsuchenden stellte sich auf 3756, die der weiblichen auf 4104.

Knunst und Wissenschaft.

Die Solarkonstante oder Sonnenkonstante gehört zu den interessantesten und wichtigsten physikalischen Größen, die die Aftro⸗ physiker zu bestimmen versuchen. Soll sie doch Aufschluß über die Natur der Wärmestrahlung der Sonne geben, von der alles Leben auf der Erde abhängt. Aber ihre genaue Bestimmung ist ganz be⸗ sonders schwierig und es sin) recht verschiedene Resultate für sie an⸗ gegeben worden. Man versteht unter der Solarkonstante diejenige Wärmemenge, die ein Quadratzentimeter der Erde bei senkcechten Auffallen der Suahlen von der Sonne in einer Minute empfangen würde, wenn auf dem Wege von der Sonne bis zu der bestrahlten Fläche nichts von der Strahlung verloren ginge und wenn die strahlte Fläche die gesamte Strahlung aufnähme und nichts davon zurückwürfe. Da die Sonnenstrahlen auf dem Wege bis zur Erd⸗ oberfläche die gesamte Atmosphäre durchdringen müssen und in dieser ein großer Teil der Strahlung verschluckt wird, so hat man wohl auch gesagt, die Solarkonstante sei die Wärme⸗ menge, die ein Quadratzentimeter bei senkrechter Be⸗ strahlung durch die Sonne an der Grenze der Atmosphäre in einer Minute empfängt. Diese zutreffende Bezeichnung verhilft leider nicht zu experimenteller Bestimmung der Größe, denn auch die Registrierballons, die Höhen erreichen, die jede Leistung unserer lenk⸗ baren Luftschiffe und Flieger schlagen, und mit denen man physikalische Apparate in die Höhe senden kann, sind doch immer an die Luft ge⸗ bunden und können nicht über sogar verhältnismäßig noch dichte Schichten der Atmosphäre hinaufsteigen, Sonnenstrahlen also nur empfangen, die bereits einen großen Weg in der Atmosphäre zurück⸗ gelegt haben. Alle Beobachtungen zur Bestimmung der Sonnen⸗ konstante müssen darauf hinauslaufen, den Teil der Strahlung, der auf dem Weg in der Atmosphäre verschluckt wird und auf den die Strahlen empfangenden Apparat nicht mehr einwirkt, durch Vergleich mit anderen Beobachtungen in den verschiedensten Höhen zu ermitteln und in Rechnung zu ziehen. Es liegt auf der Hand, wie unsicher hierdurch die Bestimmungen der wichtigen gesuchten Konstante werden, wird doch durch die leichtesten, dem Auge gar nicht sichtbaren Wölkchen, die hoch über dem Apparat an diesem vorbeiziehen, schon eine Aenderung in der Stärke der Bestrahlung hervorgerufen. In neuerer Zeit ist die Sonnenkonstante namentlich in Amerika wieder⸗ holt bestimmt worden, und in den Ergebnissen der dort gemachten Beobachtungen, die in den „Naturwissenschaften“ besprochen werden, wird die Ansicht ausgesprochen, daß es in genauem Wortsinn eine „Konstante“ garnicht gebe, daß die Solarkonstante in Wirklich⸗ keit gar keine Konstante, sondern eine veränderliche Größe sei. Es bandelt sich nicht etwa um eine Verringerung der Größe zufolge der abnehmenden Temperatur der Sonne, die man bei ihrer andauernden Ausstrahlung erwarten könnte, sondern um eine regelmäßige periodissche Aenderung der Strahlung, die in bestimmtem Wechsel zu und wieder abnimmt. Daß solche periodisch wiederkehrenden Schwankungen der Ausstrahlung, die sich in der Wärme und in dem damit verbundenen Licht, also auch in der Helligkeit verraten müssen, sehr wohl möglich sind, ohne daß wir eine unmittelbare Ursache erkennen können, be⸗ weisen uns die zahlreichen sogenannten veränderlichen Sterne, deren Lichtwechsel wir zum Teil recht qgut erklären können, z. B. dunch Rotation eines Körpers, dessen Oberfläche an verschiedenen Stellen verschiedenes Ausstrahlungsvermögen 8 oder durch Umkreisung des hellen Gestirns durch einen dunklen Begleiter, der uns in regel⸗ mäßigem Wechsel große Teile des hellen Körpers verfinstert. Aber es gibt auch unzweifelhaft veränderliche Sterne, deren Lichtwechsel auf derartigen Ursachen nicht beruht, bei denen wir uns von den Ursachen noch gar keine Vorstellung bilden können. Die amerikantschen Beobachtungen der Sonnenkonstante scheinen nun auch bei der Sonne eine solche regelmäßige Veränderlichkeit festzustellen, deren Periode 7 bis 10 Tage beträgt. Würden diese Ergebnisse durch wiederholte Versuche in den verschiedensten Ländern ihre Bestätigung finden, so wäre unsere Sonne damit in den Typus der veränderlichen Sterne eingereiht, und zwar derjenigen veränderlichen, hei denen wir über die Ursachen des periodischen Lichtwechsels noch gänzlich im unklaren sind.

Unter Quarzlicht versteht man das zu Anfang der 90 er Jahre von dem Berliner Phvsiker Dr. Arons erfundene Quecksilber⸗ dampflicht, das beim Ausgang des elektrischen Stroms zwischen Quecksilberelektroden bgt wird, wobei ein elektrischer Lichtbogen entsteht, in dem Quecksilber verdampft, dag dabei ein überaus helles grünliches Licht ausstrahlt. Während der Lichtbogen meterlaug aus⸗ gezogen werden kann, kiesert dieses Licht keinen scharfen Schlagschatten

und ist daher mit Beleuchtung von Arbelts⸗ und Zeichen⸗ sälen verwendet worden. Wegen der eigentümlichen ihm innewohnenden