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Aus den
haltungsmittel des Volkes durch indirekte Steuern belastet werden ellten. Mit keinem Wort habe ich davon gesprochen. Ich stelle est, daß die einzige von den Steuern, von der bisher feststeht, daß sie im Reich kommen soll, die sogenannte Kriegsgewinnsteuer ist, die im wesentlichen nichts anders bedeutet, auf Grund des von mir hier wiederholt entwickelten Programmes, als eine außerordentlich erweiterte und verstärkte Reichsvermögens⸗ zuwachssteuer, also eine Besitzsteuer kat’ exochen, eine Besitz⸗ teuer, wie sie in keinem der Länder, mit denen wir uns im Krieg efinden, in dieser Ausdehnung bisher angeregt oder durchgeführt worden ist. Dies will ich also hier ausdrücklich feststellen, daß von den Steuern, die kommen werden, eine ganz gewaltige und ausgedehnte direkte Steuer, eine Besitzsteuer die einzige ist, die heute schon onkret vor uns steht. Was das übrige anlangt, so ist es sicher, daß r während sowohl des Krieges, als auch nach dem Kriege nicht nit einer einzigen Steuerquelle die Geldbedürfnisse werden befriedi⸗ gen, die befriedigt werden müssen. Ich habe auch zu den deutschen Arbeitern, die zum Teil während des Krieges doch auch ihr Lohn⸗ verhältnis verbessert haben, das Vertrauen, das der Herr Abg. Hoch nicht zu haben scheint, daß sie sich dieser Staatsnotwendigkeit nicht tziehen werden, und daß sie — ebenso wie im Schützengraben neben ihrem Unteroffizier oder Leutnant — so auch auf dem finan⸗ iellen Gebiete mit uns kämpfen werden, wenn es gilt, das Vater⸗ and zu erhalten. (Bravo! rechts.)
Die Versicherung kann ich Ihnen geben, daß wir an eine Ver⸗ ieuerung der notwendigsten Lebensmittel des Volkes während des
Krieges ganz gewiß nicht herantreten werden. So klug sind wir ja von selbst (Heiterkeit), daß wir dies nicht tun, daß wir auf diese Weise uns nicht die Grundlage für das Durchhalten unmöglich machen. Was haben wir denn getan, Herr Abg. Hoch, während des Krieges? Wir haben gerade diejenigen Abgaben, die den Unterhalt des armen Mannes belasten, den Zoll auf Getreide usw., aufgehoben und aus der Welt geschafft (Sehr richtig! rechts), aber keine neuen Lasten geschaffen.
Nun aber, da immer wieder die Berufung auf England kommt (Abg. Hoch: Habe ich nicht getan!) — wenn Sie es nicht getan haben, dann hat es dort Ihr Kollege Herr Dr. David getan —, hat denn England etwa nur direkte Steuern eingeführt? In England ist doch gerade von den Arbeiterführern der englischen Regierung der Vorwurf gemacht worden, daß sie den Frühstückstisch und den Unter⸗ halt des armen Mannes in einer bisher als ganz unerhört geltenden Weise belastet hat. Sie hat bei ihrer Steuer im November vorigen Jahres den Tee getroffen, der in England doch im wesentlichen die Stelle des Kaffees bei uns einnimmt. Sie hat außerdem das Bier besteuert, mit Sätzen, die nach unseren Vorstellungen geradezu phantastisch sind. Bei den Steuervorlagen, die jetzt vorliegen und jetzt drüben angenommen werden, wird der Zucker mit ganz außer⸗ ordentlich hohen Steuersätzen getroffen, obwohl er ohnedies in Eng⸗ land im Preise in die Höhe gegangen ist. Die neue Vorlage hat den Tee noch einmal belastet, ebenso den Kakao, Kaffee, Kaffeeersatzmittel, getrocknete Früchte, Marmelade und ähnliche Dinge. Ja, meine Herren, das sind doch Verbrauchssteuern! Auch England, das, wie ich anerkenne, die direkten Steuern während des Krieges in so großem Umfange herangeholt hat, hat also geglaubt, mit den direkten Steuern allein nicht auskommen zu können, sondern hat Kriegslasten, in einem Umfang, wie wir es hoffentlich vermeiden können, auf die Schultern des armen Mannes gelegt.
Also, meine Herren, tragen auch Sie keine Beunruhigung hinaus! (Sehr richtig! rechts.) Wo Sie Ihren Einfluß ausüben können, sorgen Sie dafür, daß unsere Bevölkerung sich von unserer Situation Rechenschaft gibt (Sehr richtig), und sorgen Sie dafür, daß man draußen in der Oeffentlichkeit dem, was wir Ihnen bringen werden, und wovon als einziges bisher eine direkte Steuer feststeht, ein unbe⸗ fangenes und ruhiges Urteil entgegenbringt! Dann werden Sie dem Lande einen Dienst erweisen. (Lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und links.) I Abg. Graf von Westarp (dkons.): Die Frage, wie der übermäßige und unlautere Gewinn in Anspruch genommen werden soll, ist durchaus nicht leicht lösbar; wir werden abzuwarten haben, was die Regierung uns bringt, aber von Anfang an muß der Ge⸗ sichtspunkt in den Vordergrund gestellt werden, der auch bei der Aus⸗ arbeitung der Gesetze nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß wir alles vermeiden müssen, was den Eindruck hervorrufen könnte, als wollten wir gegen Industrie, Handel und Landwirtschaft Vorwürfe erheben. Ich meine vielmehr, daß das Unternehmertum in der Industrie und Landwirtschaft und auch im Handel sich ungeheure Verdienste in der Kriegszeit erworben hat. Die Verdienste beruhten zum großen Teil darauf, daß mit großer organisatorischer Kraft und Entschlossenheit allerlei Betriebe auf die Bedürfnisse des Krieges eingerichtet worden sind. Neben Gewandtheit gehört dazu aber auch Unternehmungsgeist. Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß man nicht jeden hohen Preis als übermäßig bezeichnen kann. Wenn es gelang, einige Preise allmählich herabzumindern, so ist das erfreulich. Aber man darf keineswegs daraus schließen, daß die früheren Preise übermäßig hoch waren. Man darf nicht vergessen, daß in vielen Betrieben plötzlich ganz andere Gegenstände hergestellt werden mußten, als worauf sie eingerichtet waren, deshalb mußten allerlei Neubauten, Neuanschaffun⸗ gen usw. vorgenommen werden. Dann darf man aber auch nicht ver⸗ gessen, daß es fraglich ist, inwieweit diese Neueinrichtungen noch nach dem Kriege nutzbar gemacht werden können. Bei dem Gesetz ist eine große Gefahr vorhanden, nämlich, daß dadurch ein Angebertum übler Art hervorgerufen wird. Auf keinen Fall darf der Unternehmer⸗ geist, der in diesem Kriege so großes geleistet hat, lahmgelegt werden.
Abg. Lie. Mumm (wirtsch. Vgg.): Mit Recht ist von einer eisernen Zeit gesprochen worden, die über ganz Europa gekommen ist. Von ihr werden die Unterlegenen mehr zu leiden haben. Wir werden auf jeden Fall in die Lage kommen, durchzuhalten und auszuhalten. Das Wort, der Unternehmergeist dürfe nicht gestört werden, kann ich nicht gelten lassen. Ich glaube auch nicht, daß nach dieser Richtung irgendeine Gefahr vorliegt, denn es ist doch nicht richtig, sich während des Krieges zu bereichern. Jeder muß damit zufrieden sein, wenn sein Besitz unangetastet bleibt. Deshalb habe ich in der Kommission den Antrag eingebracht, den Be⸗ trag auf 75 % zu erhöhen. Man war anscheinend der Ansicht, dadurch den Kaufmannsstand zu sehr zu belasten. Aber nach meiner Ansicht be⸗ steht in unserer Kaufmannschaft ein derartiger Geist, daß man ihr
iese Belastungsprobe ruhig hätte zumuten dürfen. In Betracht zu ziehen ist auch der Umstand, daß hier bei der Preisbemessung eventuelle Verluste durch Nichtbezahlung der Waren ausgeschlossen sind. Han⸗ delte es sich doch um den denkbar sichersten Ahnehmer, um den Staat. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß jede Besteuerung des Gutes, die wir auf uns nehmen, gering ist, gegenüber der Blutsteuer draußen in
der Schötzengaaben. ———
Abg. Dr. David (Soz): Ich wollte gegen die Zeibhaer der Kriegsanleihe keinen Vorwurf erheben, als ob sie aus unedlen Mo⸗ tiven gehandelt hätten. Ich nahm nur den kategorischen Imperativ der Pflichterfüllung auch für die Hergabe von Geld und Gut ohne 5 % in Anspruch. Die Einzelstaaten und Gemeinden erheben zwar Kriegssteuern, aber davon werden doch auch die kleinsten Leute be⸗ troffen. Schwierigkeiten bei der Veranlagung eines neuen Wehr⸗ beitrages halte ich für ausgeschlossen. Gegenüber den Einwendungen, daß der Wehrbeitrag ja nur einmal erhoben werden sollte, weise ich darauf hin, daß dies ja auch bei einem neuen Wehrbeitrag der Fall ist. Durch Belastung des Konsums wird doch schließlich das Wirt⸗ schaftsleben viel mehr gestört als durch direkte Steuern. Schlachten will ich die Henne nicht, nur einige Federn soll sie lassen. Wir wollen ihr gar nicht einmal alle Federn nehmen.
Abg. Hoch (Soz.): Ich habe mich nur dagegen gewandt, daß der Schatzsekretär überhaupt kein Wort über die neuen Steuern gesprochen hat. Gehen die bürgerlichen Parteien jetzt auseinander, ohne unsere Resolution oder eine ähnliche angenemmen zu haben, dann wird der Schatzsekretär für sich daraus das Recht ableiten, nun mit neuen in⸗ direkten Steuern zu kommen, die das arbeitende Volk belasten. Das wollen wir verhindern. Der Schatzsokretär weiß doch ganz genau, daß der Ertrag der Reichskriegsgewinnsteuer gar nicht für das nächste Etatsjahr bestimmt ist. Die neuen Steuern, die uns für den März oder April angekündigt werden, haben mit dieser Steuer gar nichts zu tun. Wenn er erklärt, er habe das Vertrauen auch zu den Arbeitern und dem Mittelstande, daß sie für die staatlichen Notwendigkeiten ein⸗ reten werden, so ist darauf zu erwidern: Wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Es wäre das schlimmste Verbrechen an diesen Klassen und am Vaterlande überhaupt, wenn nach dem Kriege Steuern beschlessen werden, welche die große Masse noch mehr be⸗ lasten. Wenn wir das Volk beruhigen wollen, so muß uns doch der Schatzsekretär erst die Möglichkeit dazu geben. Aus seinem Verhalten aber muß ich die Befürchtung entnehmen, daß wir mit neuen indirekten Steuern zu rechnen haben werden. Wir können das Volk darüber nicht täuschen. Beunruhigung tragen nicht wir, sondern Sie in das Volk. Wenn Sie erklären, daß die neuen Lasten von den großen Ein⸗ kommen und Vermögen getragen werden sollen, dann werden wir das dem Volke sagen, aber wir sind verpflichtet, der Wahrheit die Ehre zu geben.
Staatssekretär des Dr. Helfferich:
Meine Herren! Es bleibt also nach den Ausführungen des Herrn Abg. Hoch dabei, daß ich derjenige bin, der Beunruhigung in das deutsche Volk hineinträgt (Zurufe von den Sozialdemokraten.) — Be⸗ unruhigung in das deutsche Volk hineinträgt, weil ich gesagt habe: die einzige Steuer, von der heute bereits feststeht und in Ihrer Kenntnis steht, daß sie kommen wird, ist eine Besitzsteuer, und zwar eine sehr dicke Besitzsteuer. Meine Herren, ich verweile bei diesem Punkt einen Augenblick. Die Süätze, wie sie jetzt beim provisorischen Gesetz schon vorgesehen sind, und die Sätze, über die wir uns in der Kommission wenigstens andeutungsweise unterhalten haben, sind in der Tat solche, daß hier auf den Vermögenszuwachs, und zwar einerlei, ob er durch den Krieg oder trotz des Krieges entstanden ist, eine kolossale Belastung gelegt wird, wie sie — ich wiederhole das — in dieser Allgemeinheit und Ausdehnung in keinem Lande bisher als Kriegsgewinnsteuer beschlossen worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) Das ist das einzige, was heute feststeht.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, mit keinen Mitteln Ihrer Ueberredungskunst werden Sie mich dazu bringen (Heiterkeit und leb⸗ hafter Beifall), daß ich dem Hause eine Vorlage unterbreite, über die die verbündeten Regierungen noch nicht beschlossen haben. Dazu habe ich kein Recht.
Wenn Sie nun hinausgehen, dann unterstreichen Sie bitte aber auch, daß ich gesagt habe: notwendige Lebensbedürfnisse des Volkes haben wir in diesem Kriege nicht belastet, sondern haben wir entlastet, und wir werden auch die notwendigsten Lebensbedürfnisse des Volkes weiterhin nicht belasten. (Sehr wahr!) Wenn Sie sich auf den Boden stellen wollen, daß jede indirekte Steuer und jede Verkehrs⸗ steuer eine Belastung der breiten Massen ist, meine Herren, so können wir auf dem Boden überhaupt nicht diskutieren. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Es gibt sehr wohl Verkehrssteuern und indirekte Steuern, die nicht in erster Linie die breiten Massen treffen, sondern diejenigen, die sich immerhin etwas über die breiten Massen herausheben. Aber ich kann in eine Diskussion über diese Dinge heute beim besten Willen nicht eintreten. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, das, was Sie heute bereits wissen, muß Ihnen genügen.
Nur in einem Punkte eine kleine Ergänzung mehr technischer Natur. Der Herr Abg. Dr. David sowohl wie der Herr Abg. Hoch waren der Meinung, daß deshalb, weil die Kriegsgewinnsteuer erst zum 31. Dezember des kommenden Jahres veranlagt werden soll, es unmöglich sei, aus dieser Gewinnsteuer irgendwelche Einnahmen für das Rechnungsjahr 1916/17 zu gewinnen. Ich mache darauf auf⸗ mersam, meine Herren, ohne mich irgendwie festlegen zu wollen, daß der Wehrbeitrag mit dem Stichtag des 31. Dezember 1913 ver⸗ anlagt worden ist, und daß trotzdem das erste Drittel des Wehr⸗ beitrages noch in den Etat des Rechnungsjahres 1913/14 eingestellt worden ist. Es wurde eine Bemerkung in dem Dispositiv gemacht, nach der diejenigen Beträge, die auf die erste Rate nach Schluß des Rechnungsjahres eingingen, auf das Rechnungsjahr verrechnet worden sind. Es steht also keineswegs fest, daß von dieser Steuer, von der ich doch hoffe, daß sie bei der großen Vermögensverschiebung, die während des Krieges eingetreten ist, ansehnliche Beträge bringen wird, so spurlos an dem Rechnungsjahr 1916/17 vorbeigehen wird.
Nun zum Schluß, meine Herren. Es handelt sich für mich nicht um Phrasen oder Redensarten, sondern es handelt sich einfach darum, daß die Situation, in der wir heute stehen und kämpfen, es not⸗ wendig macht, daß diese Dinge, von denen heute die Rede war, nicht mit aufgeregten Worten und nicht im Geiste einer gegenwärtigen oder zukünftigen Agitation behandelt werden. (Sehr richtig! rechts.) Es handelt sich darum, daß unserer Bevölkerung klar gemacht wird, wie groß die Ansprüche sein werden, die in finanzieller Beziehung an das Reich herantreten werden und daß es unmöglich sein wird, so wenig wie in irgendeinem andern Lande, so wenig wie es auch in England möglich war, diese großen Ansprüche alle aus einer einzigen Steuerquelle zu befriedigen; daß wir es ferner nicht nur mit dem Reich zu tun haben, sondern auch mit den Kommunen und mit den Einzelstaaten (Sehr richtig! rechts), und daß wir alle diese öffentlich rechtlichen Körperschaften, die zusammen mit dem Reich unser staat⸗ liches Leben ausmachen, am Leben erhalten müssen auch über den Krieg hinaus im Frieden. (Sehr richtig! rechts.) Und darum muß ich die Herren bitten, die Vorlagen, die im März kommen werden — ich bitte darum heute schon — als ein Ganzes zu betrachten und sie in Zu⸗ sammenhang zu setzen mit dem, was in Einzelstaaten und Kommunen geschieht oder bereits geschehen ist. Nur als Ganzes werden Sie
Reichsschatzamts, Staatsminister
diese Dinge würdigen und gerecht beurteilen können; und ich nehme
141““ an, die gerechte Beurteilung und und Ihr Interesse. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (b. k. P.): Der Abg. Dah a he auch 9, gänzlich mißverstanden. Von der sozialdems. kratischen Resolution habe ich gar nicht gesprochen. Was die Henne
betrifft, so werden, wenn man ihr so viel Federn ausrupft, daß sie nicht mehr lebensfähig ist, den Schaden auch die Arbeiter haben.
Damit schließt die Generaldiskussion. §§ 1 und 2 der Vorlage gelangen nach den Kommissionsvorschlägen ein⸗ stimmig zur Annahme.
Nach § 3 ist Geschäftsgewinn im Sinne dieses Gesetzes der in einem Geschäftsjahre erzielte, nach den gesetzlichen Vor schriften und den Grundsätzen ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung berechnete Bilanzgewinn. Abschreibungen sind insoweit zu berücksichtigen, als sie einen angemessenen Aus⸗ gleich der Wertverminderung darstellen.
Nach einer kurzen Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Schiffer (nl.) und Dr. Südekum (Soz.) über die Möglichkeit der Rückwärtsrevision der Bilanz und über die Behandlung der stillen Reserven wird auch dieser Paragraph ongenommen. Die §8§ 4 bis 7 werden nicht angefochten.
§ 8 bestimmt:
Die Sonderrücklage ist der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen, getrennt von dem sonstigen Vermögen zu verwalten und in Schuldverschreibungen des Deutschen Reiches oder eines Bundes⸗ staates anzulegen.
Abg. Schiffer (nl.) hält den von der Kommission gemachten Zusatz: „der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen“ nicht für
anz klar, er müsse durch eine Ausführungsbestimmung näher er⸗ äautert werden. Redner hofft, daß die Organisationen des Handels, die bei diesem Gesetze in hohem Maße beteiligt sind, bei der Vor⸗ bereitung des neuen Gesetzes hinzugezogen werden, daß eine Fühlung⸗ nahme mit ihnen stattfindet.
Stoatssekretär des Reichsschatzamts, Dr. Helfferich: 8
Was die von dem Herrn Abg. Schiffer angeschnittene Frage anlangt, so möchte ich bemerken, daß, was mit den Worten „der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen“ gemeint ist, allerdings in den Ausführungsbestimmungen noch näher wird definiert werden müssen. Diese Worte standen ja nicht in dem Regierungs⸗ entwurf, sondern sind erst in der Kommission eingeführt worden. Im allgemeinen kann ich den Bemerkungen des Herrn Abg. Schiffer zustimmen, obschon einige Zweifelspunkte vorhanden sind, namentlich in bezug auf die Frage, wieweit durch den Ausschluß der freien Verfügung seitens der Gesellschaften eine Pfändung seitens Dritter ausgeschlossen wird. Es scheint mir jedenfalls nicht einwands⸗ frei festzustehen, daß durch die Worte „der freien Verfügung der Ge⸗ sellschaften entzogen“ nun auch die Pfändung von dritter Seite aus⸗ geschlossen werden sollte. Aber dieser Punkt mag wohl in der Theorie streitig sein, in der Praxis aber wieder keine allzu große Rolle spielen, weil die Gesellschaften, die hier allein für die Besteuerung in Frage kommen, prosperierende Gesellschaften sind, die während des Krieges verdient haben, während Pfändungen doch nur bei solchen Gesell⸗ schaften ernstlich in Frage tämen, die während des Krieges nicht ver⸗ dient haben, vielleicht einen Teil ihres Vermögens eingebüßt haben.
Was die Fühlungnahme mit den Kreisen der Industrie und des Handels anlangt, so bin ich der Letzte, der verkennt, wie außerordent⸗ lich wichtig eine solche Fühlungnahme ist, aber bei einem solchen Gesetze spielen zum Teil Erwägungen mit, die eine solche Fühlung⸗ nahme vor der Zeit etwas erschweren. Die Sachverständigen sind doch in den meisten Fällen auch Interessenten, und so gern man den Rat der Sachverständigen hört, so schwer ist es unter Umständen, den einen Interessenten vor dem anderen Interessenten einzuweihen. Das sind Gesichtspunkte, die natürlich berücksichtigt werden müssen, und die uns hier eine gewisse Schranke auferlegen.
Nun möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der auch mit dem § 8 in Verbindung steht. Es wird von verschiedenen Seiten die An⸗ frage an uns gestellt, wie es gehalten werden soll mit der Anwendung des Absatzes 4 für den Fall, daß das erste Kriegsjahr einen Minder gewinn gegenüber dem Frieden ergeben hat, die späteren Geschäftsjahre dagegen höhere Gewinne. Im Absatz 4 ist gesagt:
Bleibt der Geschäftsgewinn eines Kriegsgeschäftsjahrs hinter dem durchschnittlichen früheren Geschäftsgewinn (§ 5) zurück, so ist die Gesellschaft berechtigt, aus der Sonderrücklage den Betrag zu entnehmen, um den etwa die Sonderrücklage die Hälfte des im Gesamtergebnis der abgelaufenen Kriegsgeschäftsjahre erzielten Mehr⸗ gewinns übersteigt.
Die Bestimmung ist in einem Fall ganz klar und eindeutig. Wenn das erste Kriegsjahr einen Mehrgewinn gebracht hat, so wird die Hälfte des Mehrgewinns in die Reserve gelegt; wenn das zweite Kriegsgeschäftsjahr einen Mindergewinn gebracht hat, so wird ein Teil der Reserve frei, und dieser frei⸗ werdende Teil kann aus der Reserve entnommen werden. Wenn die Sache dagegen umgekehrt liegt, so ist die Bestimmung, daß etwas aus der Reserve entnommen werden kann, dem Wortlaut nach auf das erste Kriegsjahr nicht anwendbar. Wenn ein Mindergewinn im ersten Kriegsgeschäftsjahr vorliegt, dann ist eben noch keine Reserve vorhanden, und infolgedessen ist das Entnehmen aus der Reserve praktisch unmöglich. Der Sinn der Bestimmung geht zweifellos dahin, daß in der Reserve niemals mehr liegen soll als die Hälfte der in einander gerechneten jeweils abgeschlossenen Kriegsgewinnjahre. In dem Falle, den ich eben anführte, geht die Sache so vor sich, daß im zweiten Geschäftsjahr die Hälfte des erzielten Mehrgewinns in die Reserve gelegt wird, und dann kann, nachdem diese Operation buchmäßig erfolgt ist, festgestellt werden, wie groß auf Grund des Mindergewinns des ersten Kriegsjahres der in⸗ einander gerechnete Mehrgewinn der beiden Kriegsgeschäftsjahre ist, und die Entnahme kann dann aus der Reserve erfolgen. Auch dieser Punkt soll in den Ansführungsbestimmungen klargestellt werden.
Abg. Dr. Dove (fortschr. Volksp.) glaubt, daß die Sonderrück⸗ lagen gegen Pfändungen nicht sichergestellt seien. G
Abg. Schiffer (nl.) teilt diese Auffassung nicht; träfe sie zu, so widerspräche das den Absichten des Gesetzgebers.
Abg. Dr. Südekum (Soz.) weist darauf hin, daß die Gesell⸗ schaften doch selbstverständlich mit ihrem ganzen Vermögen haften.
Abg. Mertin (Rp.) tritt der Auffassung des Abg. Dove bei. Nach dem Wortlaut des Paragraphen sei die Pfändung von seiten dritter Gläubiger nicht ausgeschlossen. Es könnten Forderungen fingiert werden, um Rücklagen beiseite zu schaffen.
Staatsminister
(Fortsetzung in der Dritten Beilage.)
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Dritte Beilag
chsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanze
Berlin, Dienstag, den 21. Dezember
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(Fortsetzung aus der Zweiten Beilage.)
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Staatssekretär des Reichsschatzamts, Staatsminister Dr. Helfferich:
Ich habe vorhin schon ausgeführt, daß auch ich aus dem Wort⸗ laut des § 8 nicht herleite, daß eine Pfändung von dritter Seite aus⸗ geschlossen ist. Ich teile nach dieser Richtung hin die Auffassung, wie sie die Herren Abgeordneten Dove und Mertin vertreten haben. Ich ziehe aber nicht die Konsequenz daraus, die Herr Abgeordneter Mertin eben gezogen hat. Ich habe vorhin ausdrücklich erwähnt, praktisch ist die Sache nicht von Bedeutung. Sie liegt so, daß eine Ge⸗ fährdung der Steuer doch nur dann vorhanden sein wird, wenn die Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten kommt, also in Fällen, die für dieses Gesetz, das die während des Krieges erzielten Mehrgewinne erfassen will, praktisch nicht in Frage kommen. Es ist dabei auch die Wirkungszeit dieses Gesetzes zu berücksichtigen, die eine relativ be⸗ schränkte sein wird. Das Gesetz ist ein Sperrgesetz und wird in seiner definitiven Wirkung in Bälde ersetzt werden durch das endgültige Kriegsgewinnsteuergesetz. Also eine Gefahr sehe ich nicht. Wenn aber wider Erwarten in dem einen oder andern Falle bei einer Gesellschaft, die an sich zahlungsfähig ist und Kriegsgewinne erzielt hat, eine Pfändung in die Papiere, aus denen die Sonderreserve besteht, ausgebracht werden soll, dann ist der Fall sehr einfach. Dann hat die Gesellschaft die Verpflichtung, die Sonderreserve wieder auf⸗ zufüllen. Sie ist gesetzlich verpflichtet, den vollen Betrag der Sonder⸗ reserve in den Papieren zu halten, wie sie vorgeschrieben sind. Wenn von dritter Seite eine Pfändung ausgebracht wird und ein Teil dieser Papiere weggenommen wird, so wird das unter keinen Umständen die Verpflichtung zur Haltung der vollen Sonderrücklage beeinflussen, dann hat die Gesellschaft die klare Verpflichtung, die Sonderrücklage wieder aufzufüllen. Damit sind praktisch die Bedenken beseitigt, die von verschiedenen Seiten an die Pfändbarkeit der Papiere der Sonder⸗ rücklage geknüpft worden sind. Ich möchte mich deshalb dahin aus⸗ sprechen, daß eine Ergänzung der Bestimmung des § 8, wie sie in Aussicht genommen ist, nicht notwendig ist.
Abg. Dr. Blunck (fortschr. Volksp.) kann die Befürchtung nicht teilen, daß die Rücklagen beiseite geschafft werden.
Nach weiteren Bemerkungen des Abg. Schiffer (nl.) wird § 8 unverändert angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes.
Die von der Kommission vorgeschlagenen Resolutionen gelangen ebenfalls zur Annahme; die Resolution Albrecht wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Dänen Hanssen abgelehnt. 1
Abg. Bassermann (nl.) beantragt, sofort in die dritte Lesung des E“ betreffend die vorbereitenden Maßnahmen zur Besteuerung der Kriegsgewinne, einzutreten.
Da niemand widerspricht, wird in die dritte Beratung ein⸗ getreten und die Vorlage ohne wesentliche Diskussion im ein⸗ zelnen und darauf im ganzen einstimmig endgültig genehmigt.
Das Haus geht über zur zweiten Lesung des Ge⸗ setzentwurfes, betreffend die Kriegsabgaben der Reichsbank. Die Vorlage will den Reingewinn der Reichsbank aus den Jahren 1915 und 1916, soweit er den durchschnittlichen Reingewinn von 1911 bis 1913 übersteigt, bis zur Hälfte an das Reich fallen lassen. Die Kommission, Referent ist Abg. Dr. Südekum (Soz.], schlägt vor, diesen Reingewinn zu drei Vierteln an das Reich abzuführen. Von den Sozialdemokraten ist beantragt, den gesamten Reingewinn dem Reiche zu überweisen.
Abg. Keil (Soz.): Selbst wenn man der Reichsbank die 25 9% des Reingewinns läßt, den ihr die Kommission belassen will, so be⸗ kommt sie so viel, worauf sie in dieser Kriegszeit keinen Anspruch hat. Der Durchschnittsgewinn der letzten Friedensjahre betrug 7,08 %. Das k6 eine Kapitalsrente, mit der man sich in Kriegszeiten bescheiden ann.
Reichsbankpräsident Havenstein: Ich bitte, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen. Es versteht sich von selbst, daß ein starker Teil des besonderen Kriegsgewinnes vom Reiche angefordert wird. Auch die Reichsbank muß da von ihrem durch den Krieg außer⸗ ordentlich gesteigerten Gewinn einen sehr starken Teil dem Reiche dienst⸗ bar machen. Der Reingewinn wird voraussichtlich für 1915 220 Millio⸗ nen betragen. Davon erhält das Reich nach dem Gesetzentwurf 165 Mil⸗ lionen, während nur 16 Millionen den Anteilseignern zur Verfügung stehen. Wenn man auf die Privilegien der Reichsbank hinweist und ihr dann den Gewinn ganz entzieht, so wäre es ein privilegium odiosum für die Reichsbank. Es wurde ausgeführt, daß die Divi⸗ dende der letzten Jahre eine völlig ausreichende wäre. Nun bleibt aber die Dividende des Jahres 1915 hinter dem zurück, was die An⸗ teilseigner in den letzten vergangenen Friedensjahren bekommen haben. Es wäre auch eine Härte, wenn sie in dem Jahre, wo der Umsatz ein Mehrfaches übersteigt, keinen Anteil haben sollten. Ich bitte, auch zu erwägen, daß die großen Gewinne der Reichsbank nicht ausschließlich aus Kriegsgewinnen herrühren. Man muß auch in Betracht ziehen die Anlagesumme, für die die Inhaber die Anteile erworben haben. Dieser Preis stellte sich in den letzten Jahren zwischen 150 und 170 ℳ%.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich bin immer eingetreten für die Uebernahme der Aktien der Reichsbank auf die Reichsrechnung. Trotz⸗ dem kann ich für den sozialdemokratischen Antrag nicht stimmen. Die Rechte der Anteilseigner der Reichsbank müssen jetzt auf jeden Fall gewahrt werden, auch in der Zeit des Krieges. Wir dürfen nicht ver⸗ gessen, daß den Anteilseignern gegenüber das Reich ein kontrakt⸗ schließender Teil ist. Ich hoffe, daß die Notensteuer, die ich immer be⸗ kämpft habe, auch nach dem Kriege nicht wiederkehrt. Die Reichsbank sollte nach dem Kriege in besonders greßem Umfange ihren Geschäfts⸗ betwieb fortsetzen müssen. Ich will auch noch daran erinnern, daß es heftiger Kämpfe bedurfte, um zu verhindern, daß das Reichsbank⸗ privileg nur um zehn und nicht um zwanzig Jahre verlängert wurde.
Abg. Keil (Soz.): Es ist auf die große Summe hingewiesen worden, die jetzt schon infolge dieses Gesetzes in die Reichskasse fließt. Dem steht aber die Tatsache gegenüber, daß der Reingewinn der Reichsbank im Jahre 1915 schätzungsweise auf 220 Millionen Mark angegeben und wahrscheinlich noch größer sein wird. Die Einnahme
er letzten drei Friedensjahre war demgegenüber nur 38,5 Millionen. Ferner ist hervorgehoben worden, daß nach dem vorliegenden Entwurf die Reichsbank schon sowieso stärker zur Steuer herangezogen werde, als es nach dem Kriegsgewinnsteuergesetz der Fall sei. Das halte ich für selbstverständlich. Ich weise demgegenüber 89” die besondere Stel⸗
ung der Reichsbank und ihre Vorrech eshalb muß man ihre
Kriegsgewinne nach anderen Gesichtspunkten versteuern. Dazu kommt noch, daß durch dieses Gesetz den Anteilseignern eine absolut sichere und feste Verzinsung gewährleistet wird.
Reichsbankpräsident Havenstein: Der Vorredner vergißt, daß es sich um eine Kriegsgewinnsteuer handelt und nur das besteuert werden soll, was über die Gewinne der Friedenszeit hinausgeht.
Abg. Dr. Dove (fortschr. Volksp.)⸗ Auch meine Freunde können dem sozialdemokratischen Antrage nicht zustimmen. Ich meine, daß auch hier der Grundsatz gelten muß: das latrocinium maximum muß eine obere Grenze haben. Man darf auch nicht vergessen, daß jedes Kapital angesammelte Arbeit ist und entschädigt werden muß, wenn es wirtschaftliche Werte schafft. Wenn einmal die Geschichte dieses Krieges geschrieben wird, so muß ein besonderes Ruhmesblatt der Reichsbank gewidmet werden.
Abg. Dr. David (Soz.): Die Prämie, die die Anteilseigner für die Darleihung ihres Kapitals erhalten, soll ihnen werden; was wir ihnen aber vorenthalten wollen, ist die höͤhere Prämie, die sie erhalten sollen und die keine normale Prämie ist. Von einer Risiko⸗ prämie der Anteilseigner im Kriege kann doch keine Rede sein; mit dem Moment, als die Notensteuer aufgehoben wurde, machten sie ein glänzendes Geschäft. Soweit Mühe und Arbeit geleistet worden ist, ist sie von den Anteilseignern ruhig der Leitung und den Angestellten der Reichsbank überlassen worden; wo die Anteilseigner Mühe und Arbeit gehabt haben sollen, ist mir schleierhaft. Niemand hat einen Rechtsanspruch darauf, im Kriege mehr zu gewinnen als vorher.
Abg. Dr. Blunck (fortschr. Volksp.) weist darauf hin, daß unter den drei letzten Friedensjahren sich zwei ganz besonders ungünstige befunden haben: ihr Durchschnitt habe nur 7,08 Prozent Verzinsung ergeben, während 1913 8,04 Prozent verteilt wurden.
Bei der Abstimmung wird die Vorlage nach den Kom missionsvorschlägen angenommen.
Auf Antrag des Abg. Bassermann inl.) erfolgt sofort auch die dritte Lesung, in welcher die Vorlage ein⸗ stimmig ohne Debatte zur endgültigen Annahme. gelangt.
Die Diskussion über die Ernährungsfragen wird abgesetzt. Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 21. Dezember, Vorm. 11 Uhr. (Anfrage des Abg. Bassermann; zweite und dritte Lesung des Nachtragsetats. Die vom Abg. Dr. Liebknecht eingereichten drei Anfragen werden erst nach den Ferien zur Verlesung gelangen. Auf Antrag Liesching (fortschr. Volksp.) werden auch die Kommissionsanträge zu den Unterstützungsfragen noch auf die Tagesordnung für Dienstag gesetzt.)
Nr. 52 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 17. Dezember hat folgenden Inhalt: Konsulatwesen: Todesfall. — Handels⸗ und Ge⸗ werbewesen: Neues Verzeichnis der regelmäßigen Untersuchungen unterliegenden und amtlich als den Anforderungen der Internattonalen Reblauskonvention entsorechend erktärten Gartenbau⸗ oder botanischen Anlagen, Schulen und Gärten. — Militärwesen: Zeugnis über die wisse schaftliche Befähigung zum einjährig⸗freiwilligen Dienste. — Medizinal⸗ und Veterinärwesen: Erscheinen der Deutchen Arzneitaxe 1916. — Zoll⸗ und Steuerwesen: Aenderung der Grenze des Zoll⸗ a sschlußgebieis in Bremen. — Polizeiwesen: Ausweisung von ländern aus dem Reichsgebiete. ö“
Nr. 1655 des Amtsblatts des Reichspostamts vom 17. Dezember hat folgenden Inhalt: Verfügungen: Kennzeichnung der Pakete nach dem Auslande; Pafetverkehr mit Dalmatien; Stadt⸗ postsendungen in Angelegenheiten der militärischen Jugendvorbereitung; Z iturgsvertrieb im Gebiete des Generalgouvernements Warschau; Postverkehr mit dem Generalgouvernement Warschau; Paketverkehr mit der Bukowina; Aenderung des Umrechnungsverhältnisses für Post⸗ anweisungen nach fremden Ländern. — Nach richten.
Theater und Musik.
1“ Konzerte. 1
Ein auserlesenes Programm wies das letzte Sonntagskonzert des Schillertheaters Charlottenburg auf, das unter der Leitung von Professor Zajic am 12. d. M. stattfand. Mitwirkende waren die Herren Otto Boke, Pianist, Hugo Dechert, Kammervirtuose, Professor Hans Hasse, Professor Maver⸗Mahr, Königlicher Kammer⸗ sänger Kurt Sommer, Professor Florian Zajte und die Violinvutuosin Gertrud Steiner⸗Rothstein, die in einträchtigem Zusammenspiel bei der Wiedergabe von Franz Schuberts C⸗Mohl⸗Sonatire für Klavier und Violine, Beetbovens Variationen über das Mozartsche „Reich mir die Hand, mein Leben“ Ausgezeichnetes boten. Auch die Ausführung des Klavierquintetts von Robert Schumann durch die Herren Mayer⸗ Mahr. Florian Zajic, Hans Hasse und Hugo Dechert und Frau Steiner⸗Rotbstein ließ nichts zu wünschen. Der Königliche Opernsänger Kurt Sommer trug mit schöner Stimme und gutem Ausdruck die zweite Octavio Arie aus Mozarts „Don Fuan“ und einige Lieder von Brahms, Schubert, Jensen und Peter Cornelius vor. Die Wiedergobe des Mezartschen Tonstückes wurde allerdinge dadurch beeinträchtiat, daß der Sänger sich eine der un⸗ glücklichsten, weder den sprachlichen, noch den musikalischen Erforder⸗ nissen Rechnung tragende Terxtübersetzung ausgesucht hatte, in der z. B. die beiden Zeilen „Saget ihr: Dein Verbrechen treffe gerechte Strafe“ dem Sinne nach gänzlich unverständlich wurden, da der sprachliche Einschnitt bei dem Kolon, der musikalische dagegen hinter dem Worte „Verbrechen“ liegt. — In der Katiser⸗Wilbhelm⸗ Gedächtniskirche führte am Abend desselben Sonntags der Mengeweinsche Oratorienverein unter der Lettung feines ständigen Dirigenten Fritz Krüger das Weihnachtsoratorium’ von Bach auf. Herr Krüger hat seine Sängerschar tüchtig herangebildet, die Chöre klangen rein, und auf Erzielung der Genauig⸗ keit der E nsätze und auf den Ausdruck des Gesungenen batte der Leiter offenbar viel Sorgfalt verwendet. Weniger gut folgte an diesem Abend die verstärkte Kapelle des Ersatzbataillons des Reserve⸗ Infanterieregiments Nr. 203, die den orchestralen Teil auszuführen hatte, der freilich nicht sehr straffen Zeichengebung des Dirigenten. Die solistisch mitwirkenden Damen Elsa Laube und Hertha Dehmlow und Herren Jan Trip und J. von Raatz⸗Brock⸗ mann sowie der Organist Walter Fischer führten ihre Aufgaben mit bewährtem Können durch.
Em am Mittwoch in der Singakademie von Max Trapp (Klavier) und Georges Georgesco (Violoncello) veranstalteter Sonatenabend hinterließ den Eindruck, daß die beiden Konzertgeber
im Grunde genommen ein recht ungleiches Gespann darstellten. Der Cellist kann mit einem zarten Pianissimo aufwarten, wahrend sein Ton, der im allgemeinen nur dünn ist, im Forte durch gewaltsame Anstrengung unedel und kratzend wird. Der Pianist beherrscht zwar alle Klangstärken und weist eine gute Technik auf, er bevorzugt aber auf Kosten seines Partners die stärkeren Farben, so daß em fein⸗ abgewogenes Zusammen piel nur selten zustande kam. Außer den Sonaten von Brahms (E⸗Moll) und Coösfar Franck (A⸗Dur) kam eine neue D⸗Dur⸗Sonate von Max Trapp, Op. 5, zu Gehör. Die hervor⸗ stechendste Eigenschaft dieses Werkes ist eine ermüdende Geschwätzigkeit. Zeichnet sich der erste Satz noch durch gute Thematik, logische Verarbeitung und teilweise eigenartige Harmonik aus, so verflachen die anderen Sätze immer mehr, bis man im letzten bei nich;ssagenden Phrasen und Hemeinplätzen angelanat ist. Es mar des halb nicht zu verwu dern, daß der größere Teil der Fachkritik sich vor dem endlosen Tonschwall zurückzog und nur ein sehr geringer Bruchteil bis zum Schluß aus⸗ hielt. Herr Trapp ist als Komponist jedoch keineswegs unbegabt, er möge aber aus dieser Erfahrung die Lehre ziehen, daß man zum Komponleren Feiertagsstimmung abwarten muß: mit der hanrwerks⸗ mäßigen Geschicklichkeit allein ist es nicht getan, diese muß ohne die nötige Inspiration bei gößeren Werken unbedingt versagen. — In der Pbilharmonie fand am Mittwoch in Anwesenbeit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kron⸗ prinzessin ein Konzert zum Besten der Kriegskinderspende deutscher Frauen statt, das durch die erlesene Schar der mit⸗ wirkenden Künstler eine große Anziehunaskraft auf das Publikum aus⸗ geübt hatte; diese waren die Kammersänger Jadlowker und Knüpfer, Frau Böhm van Endert, der Pianist Wilhelm Backhaus und das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Dr. Leopold Schmidt. Letzteres steuerte die aroße Leonoren⸗Ouvertüre von Beethoven und einige feurtge slawische Tänze von Dvokak bei, die in gleicher Vollkommenheit dargeboten wurden wie die Bealeitung der verschiedenen Gesänge und der Orchesterpart des Beethovenschen Ksavierkonzerts in G⸗Dur. Die Wogen des Beifalls gingen an diesem Abend, wie zu erwarten war, recht hoch.
Das Datum des II. Symphoniekonzerts von Karl Maria Artz mit dem Philharmonrschen Orchester, Donnerstag, den 16. Dezember, gab dem Konzertgeber Veranlassung, Beethovens Ge⸗ burtstag durch die Aufführung der Ouvertüre zu „Egmont“ und der 1. Sympbonte festlich zu begehen. Die vielgespielten Werke gaben dem jungen Künstler Gelegenheit, seine gesunde und natürliche Auffassung dieser Musik zu zeigen. Nicht selten mußte man es in den letzten Jahren erleben, daß nicht nur anerkannte Kapellmeister, sondern auch un⸗ reife Anfänger sich die Beethovenschen Meisterwerke als Tummel⸗ platz für zweifelhafte neue Auslegungen und gesuchte schullen⸗ hafte „Offenbarungen“ erwählten. Demgegenüber wirkt der natürliche und ungesuchte Vortrag, dessen sich Herr Artz mit schlichter Sachlichkeit befleißigte, doppelt angenehm; der berzliche Beifall seinen Z hörer wird ihm bewiesen haben, daß er hiermit auf dem richtigen Wege ist. Im Gegensatz zur Wiedergabe Beethoven⸗ scher Werke muß der Dirigent beim Vortrage der Symphonie Bruckners bemühbt sein, die hier offen zutage liegenden formalen und logischen Lücken durch liebevolles Nachhelfen zu uüberbrücken und zu vertuschen. Gerade die II. Symphonie in C Moll dieses Meisters bietet trotz ihrer wundervollen Thematik durch kie zerrissene musivische Form dem Dirigenten bedeutende Schwierigkeit n. Es gereichte desbalb dem Kenner zur Freude, bei dieser Gelegenheit festzustellen, daß der Konzertgeber auf diesem schwierigen Gebiete ganz bedeutenbe Fortschritte ge⸗ macht hat und seine Aufgabe mit bezwingendem Tempera⸗ ment und Schwung durchführte. Daß dem Philharmonischen Orchester an diesem Abend einige kleine Versehen unterliefen, war der bekannten Tücke des Objekts zuzuschreiben, der auch der beste Dirigent machtlos gegenübersteht. — Die von Walter Fischer veranstalteten, allwöchentlich an jedem Donnerstag, Abends von 6 bis 7 Uhr, stattfindenden geistlichen Musikaufführungen in der Kaiser⸗Wilhelm⸗Gedächtniskirche erfreuen sich mit Recht großer Beliebtheit. Am 16. d. M. hbatte man Gelegenheit, in diesem Rabmen zum ersten Male die weiter ohen schon erwähnte verstärkte Musikabteilung des Ersatzbatalllons des Reserve Jafanterie⸗ regtments Nr. 203 zu hören. Sie wird von dem Kompon’sten und Musikschriftsteller Arnold Ebel geleitet und setzt sich zum Teil aus bekannten Tonkünstlern zusammen. Kein Zweifel, daß Herr Ebel tüchtig gearbeitet haben muß, denn das Orchener ist gut geschult und zeigte sich unter seinem energischen Anführer sowohl in den Solo⸗ vorträgen wie auch in den Begleitungen den nicht geringen Anforde⸗ rungen in jeder Hinsicht gewachsen. Außer Komposittonen von Bach, Cornelius und Hugo Becker und dem interessanten, aber zu weit aus⸗ gesponnenen G⸗Moll⸗Konzert für Orgel und Oichester von Rheiaberger (von Walter Fischer vortrefflich gespielt) standen zwei Erstaufführungen auf dem Programm. Das von Frau Minna Ebel⸗Wilde mit svmpathischer Stimme und innigem Vortrag gesungene „Wiegenlied der Hirten“ für Sopran, Orgel und Oichester von Arnold Ebel zeichnet sich durch reizvolle Verarbeitung einer alten Weihnachtsmelodie und farbenreiches instrumentales Gewand aus; da sich hierzu schöner Aufbau und stimmungsvolle Textausdeutung ge⸗ sellen, muß es als eine wertolle Berescherung dieses nur wenig be⸗ bauten musikalischen Gebiets bezeichnet werden. Auch die beiden Ge⸗ sänge „Schlafendes Jesuskind“ und „Gebet“ von Hugo Wolf sind von Wilbelm Guttmann mit großem Geschick für Bariton, Orchester und Orgel instrumentiert worden. Der als geschätzter Sänger be⸗ kannte Bearbeiter trug sie übrigens selbst sehr geschmackvoll vor. — An demselben Donnerstag fand in der Philharmonie wiederum ein großes Wohltätigkeitskonzert statt, des den großen Saal mit einer erwartungsvellen Zuhörerschaft gefüllt hatte. Hervorragende Kunstkrärte hatten sich vereinigt, um zugunsten der Weihnachtsbescherung für die in den Lazaretten des III. Armeekorps befindlichen Soldaten zu wirken. Mit schönen Gesangsgaben beteiligten sich Hertha Dehmlow und J. von Raatz⸗Brockmann an dem Konzert; den instrumentalen Teil des Programms führten, nicht minder vollendet, der Pianist FJoseph Lbévinne und der Geiger Prosessor Karl Klingler aus. Eindrucksvolle Gedichtvorträge steuerte Hermine Körner, der neue Stern des Deutschen Theaters, bei, und Felix Pbilippi las seine prächtige Schilderung des Emzugs der siegreichen Truppen durch das Brandenburger Tor im Jahre 1871 lebendig und mit zündender Wirkung vor.
Zum Besten des Vereins für Volksküchen in Schöneberg (E. V.) veranstalteten am Sonnabend im Beethovensaal die Altistin Paula Werner⸗Jensen, die Geigerin Edith von Voigt⸗ laender und der Konzertsfänger Sidney Biden (Bariton) ein Konzert, in dem ältere und neuere Kompositionen zu Gebör gebracht wurden. Dies geschah in durchweg achttarer Wreise; insbesondere ver⸗ diente Fräulein Voigtlaenders Geigenspiel, namentlich in der Romanze von Max Bruch, vollste Anerkennung. Auch der g. sangliche Teil des Programms, der Lieder von Schubert, Hugo Wolf, Brehms u a. aufwies, ließ — von der mitunter etwas undeutlichen A ssprache der Singenden abgeseben — kaum twas zu wünschen und brachte den Vortragenden r ichen Beifall ein, den auch der Begleiter am Klavier, Fritz Lindemann, mit Recht für sich in Anspruch